1894 / 29 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 02 Feb 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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Der zur Zeit beurklaubte Regierungs - Assessor Wahn- Thaffe aus Danzig ist von Anfang März d. J. ab der Königlichen Regierung zu Hannover zur dienstlichen Verwen- dung überwiesen worden.

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der CT 7FU geben.

gmaringen, 2. Februar. Seine Königliche Hoheit rst von Hohenzollern hat sich nach Brüssel be-

Vayern.

In der Kammer der Reichsräthe gedachte gestern bei Beginn der Sißung der Präsident Graf Lerchenfeld des 75jährigen Bestehens der Staatsverfassung. Der von der Kammer der Abgeordneten beschlossene Antrag auf authentische Jnterpretation der Befugniß des Militärgerichts, die Oeffentlichkeit der Verhandlung auszuschließen, wurde ab- gelehnt ; dagegen wurde beschlossen, die Regierung um baldigste Vorlage eines Geseßentwurfs zu ersuchen, wonach die Bestim- mungen des Tg vom 5. April 1888 auch auf die Oeffentlichkeit des Militärgerichts angewendet werden sollen. Die Kammer genehmigte \hließlich den Nachtrag zum Militär-Etat und andere kleine Vorlagen.

In der gestrigen Sitzung der Kammer der Abgeord- neten gedachte zunächst in Gegenwart sämmtlicher Minister der Präsident Walter in patriotisher Rede gleihfalls des Tojährigen Gedenktages der Konstituierung der ersten bayerischen Volksvertretung, die am 4. Februar 1819 vom König von Bayern eröffnet worden war. Zahlreiche Petitionen fränkisher und pfälzisher Weinbauern gegen die Reichs - Weinsteuer wurden sodann nah kurzer Debatte der Regierung zur Würdigung übergeben, soweit es ih um die Besteuerung des Naturweins handelt. Der Minister der Finanzen Dr. Freiherr von Riedel gab sodann ein nohmaliges Exposé der Finanzlage Bayerns. Der „Allg. Ztg.“ zufolge führte der Minister aus: i

Die Reichésteuer-Geseßertwürfe seien wiederholt Gegenstand der Besprechung in diesem Hause gewesen, und zwar zum leßtenmal aus Anlaß des Antrags des Abg. von Vollmar und Genossen. Inzwischen seien diese Gefezentwürfe auch im Reichstag auf das eingehendste be- handelt worden, und es werde wobl niemand erwarten, taß heute etwas besonderes neues zu Tage komme. Wenn er sih gleichwohl an der Besprechung betheilige, so geschehe dies einerscits, um ver- schiedene Irrthümer über die Haltung der bayerifchen Regierung zu berihtigen, und andererseits, um seine Erklärung, die er im Finanzausshuß über die bayerishe Finanzlage abge- geben habe, hier der Vollftändigkeit halber zu wiederholen. Er fei neulich im Ausschusse gefragt worden, wie er sich für die bayerishe Finanzverwaltung den Abs{luß des Budgets für die XXI1I. Finanzperiode, oder besser gesagt, die Begleihung der Aus- gaben dur entsprehende Einnahmen denke. Jn Beantwortung dieser Frage habe er die in seiner Budgetrede bereits bhervorgehobene That- fache konstatiert, daß die Ausgaben für die Reichs-Militärvorlage im bayerishen Budget für die XXI1. Finanzperiode noch nicht berücksich- tigt feien, daß dafür auch fein Kredit zur Verfügung gestellt worden set. Dieses Verfahren, welches ein Éluger Politiker auf Mangel an Vor- ficht seitens des Finanz-Ministers zurückgeführt habe, habe seinen Grund nicht darin, fondern lediglich in der Erwägung, daß er mit Bestimmtheit gehofft habe, das Reih werde, wie dies früher immer bei ähnlichen großen Anforderungen geschehen sei, auch diesmal die nöthigen Mittel zur DeckEung der Militärvorlage zur Verfügung stellen, und daß er es nicht für opportun habe halten fönnen, für den Fall des Unerwarteten Eventualanträge zu stellen, die nur Besorgnisse und nußlose Debatten hâtten veranlassen können. Bei Beantwortung jener Frage habe er auch auédrücklih vorausgeschickt, daß er sih lediglih auf die Frage selbst beschränken und deshalb den Geseßentwurf über die Reichs- steuerreform niht in den Bereih seiner Erörterungen ziehen werde. Aus diesem Schweigen sei aber gefolgert worden, daß die bayerische Regierung jenen Entwurf bereits halb aufgegeben habe und keinetwegs für besonders wihtig halte. Dieje Folgerung sei durchaus irrig. Er halte das Zustandekommen einer Reichs- steuerreform, worin der Grundsaß festgelegt werde, daß für die Folge das Reich für die Ausgaben, die es beshließe, auch selbst aufzukommen habe, im Interesse des Reichs und der Einzel- staaten für äußerst wichtig und wünschenéwerth, damit man auch im Reich sih bei Bewilligung der Ausgaben bewußt sei, mit welchen Einnabmen fie gedeckt werden follten, damit die Einzelstaaten von einer stôrenden Steigerung der Matrikularbeiträge für die Zukunft verschont blieben. Er halte aber auch das gra Tominen des gerade vorliegenden Entwurfs für wünschenëwerth, weil er entsprechende Rücksicht auf die sogenannte Frandckenstein’\che Klausel und auf die fôöderative Grundlage unseres deutsden Staatêwesens nehme. Der gewiß von allen Vaterlandsfreunden getheilte Wunsch, auch die finanzielle Leistungsfähigkeit der Einzelstaaten zu sichern, sei mit- befstimmend gewesen für die Haltung- der Regierung bei der Wein- fteuervorlage, da sich eine Durhführung der Reichssteuerreform nicht wohl denken lasse, wenn nicht bezüglih der Ueberweisungen gewisie Garantien geschaffen und hierfür auch Mittel bewilligt würden. Son aus diesem Grunde, und da im bayerischen Landtag selbst angesihts der höheren Steuerbelastung von Bier und Branntwein die Erbebung einer Weinsteuer angeregt worden sei, und da ferner der Weingenuß in vielen Theilen Bayerns doh zweifellos zum Luxus gehöre, aus diesen Gründen habe si die bayerische Regierung wohl nicht von vornherein ablehnend gegen das Weinsteuerprojekt verhalten können. Er habe aber von allem Anfang an die Anschauung auf- gestellt, daß er die schwierige Lage des Winzers durchaus nicht ver- enne, und daß der Winzer durch eine Weinsteuer niht bedrückt werden solle. Vor allem sei die Steuer aus\{hließlich auf den Konsum gelegt; ferner folle nur Wein im Verkaufspreis von über 50 per Hektoliter besteuert werden, wodurch mehr als die Hälfte der bayerischen Produkte steuerfrei bleibe ; von besonderer Bedeutung aber ¡seien die Bestimmungen über Kunst- wein. Es sei zwar nit erweiëbar, doh gehe die allgemeine Meinung dahin, daß niht „ein bis{hen Kunstwein“, fondern ungeheuere Quanti- täten eines aus Sprit, Zuckerwafser u. f. w. kombinierten Getränks als Wein getrunken und bezahlt würden. Diese Kunstweinfabrikation laste aber {wer auf dem Winzer, weshalb auch jede Art von Kunst- wein mit 259 des Werths oder wenigstens 15 per Hektoliter be- steuert werden solle. Die zum großen Theil steuerfreien Naturweine würden dann entschieden im Preise steigen, so daß der Winzer wieder den entsprehenden Lohn für feine Arbeit fände. Obne Kontrole lasse sih der Kunftwein überhaupt niht greifen; mit Rücksiht auf die Be- weglihkeit dieser Industrie müsse diese Kontrole durch Reichs- geteß angeordnet werden. Einzelne weitere Erleichterungen für den Winzer seien ja noch immer mögli; jedenfalls liege dem Entwurf nihts ferner als Feindseligkeit gegen den Weinbau, dem er im Gegen- tbeil in mancher Beziehung zu gute kommen werde. Dabei verkenne die Regierung die großen tehnischen Schwierigkeiten namentli der Werthtaxierung nicht; dieselbe werte daher die Petitionen nohmals ernstlih prüfen und die Besorguisse der Winzer möglihst berücksich- tigen. Allein, um das Kind mit dem Bade auszuschütter, dazu sei die Sache viel zu ern und bedeutungsvoll. Die Matrikular- beiträge fämmtlider Bundesstaaten pro 1894/95 ergäben ein Mehr von 64 Millionen, wozu die Zinsen der Anleihen für einmalige Auégaben kämen. Die bayerischen Matrikular- beiträge seien bereits um 42 Millionen höher gegriffen und würden, wenn das Neich nicht die Mittel für die Militärvorlage beshaffe, um mehr als 9 Millionen fteigen. Eine wesentlihe Steigerung der Reichs- einnahmen stehe nicht in Ausficht, während die Verzinsung der Reichs- jhulden und dcr Aufwand für Zweke der Altersversicherung beständig

steige. Im bayerishen Budget seien die Einnahmen obne Rük- sicht auf die Militärvorlage obnehin im ganzen um aht Millionen böber als bisher veranschlagt, während Eee Zollverträge anderer- seits ein dauernder Ausfall von 3 bis 4 Millionen Le entstanden sei. Man stehe daher in Bayern, wenn das Reich nicht genügende Mittel biete, vor einem Defizit, dessen Deckung fih nur durch eine Erhöhung der direkten Steuecn bewerkstelligen lassen werde. Das einzige Auskunftsmittel gegenüber dieser Eventualität sehe er in der Annahme der Tabackfabrikatsteuer. Er hoffe, der Reichstag werte sih doch noob von der Nothwendigkeit dieser Steuer überzeugen ; der Steuersaß für Rauchtaback könne ja herabgeseßt werden, zur Sicherung der kleinen Hausindustrie, des Tabackleinhandels und des Tabackaues könnten weitere Erleihterungen bes{lossen werden. Bei der Ablehnung der jeyigen Steuerentwürfe müßte Süddeutschland gegebenenfalls mit einer A der norddeutschen Biersteuer renen. Unbegreiflih sei es, wenn im Reichstag die Lage anders dargestellt werde. Die Regierung werde zur Aufrehthaltung der Ordnung des Staatshaushalts und zur Vermeidung einer Erhöhung der direkten Steuern an ihrer bishe:igen Anschauung festhalten , zugleich aber speziell bezüglih der Winzer und Tabackbauer alle möglihe Nücksicht walten lassen. : N E

Die Kammer beschloß gegen die Stimmen der Sozial- demokraten, die Verhandlung auf die Weinsteuer zu beshränken und die anderen Ausführungen des Ministers nicht zu be- sprechen. Die Abgg. Diehl, Bürger, Deinhardt und Müller - Pfalz erklärten sih gegen die Weinsteuer, der Abg. Dr. Jäger für die ergiebige Kunstweinsteuer mit Keller- fontrole unter Freilassung des Naturweins.

Sefssen.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog hat sih der „Darmst. Ztg.“ zufolge heute Vormittag auf einige Tage nah Gotha begeben.

Oldenburg.

(H.) Die Staatsregierung hat dem Landtag die zu dem Voranschlage der Eisenbahnbetriebskasse für die Finanzperiode 1894/96 angekündigten Anträge auf Bewilligung von Mitteln für diejenigen Ergänzungen, Erweiterungen und Ver- besserungen der Bahnanlagen, die einen höheren Auf- wand als 40000 M beanspruchen, nunmehr vorgelegt. Sie erfordern insgesammt einen Aufwand von 3 030 550 , die im Wege der Anleihe zu Lasten des Eisenbahnbaufonds aufgebracht werden follen. An weiteren Vorlagen sind dem Landtag zugegangen : der Entwurf eines Geseßes über Abänderung des Geseßes, betreffend die Beförderung der Pferdezucht im Herzog- thum Oldenburg, ein Geseßentwurf über Verlängerung der Schulpflichtigkeit taubstummer Kinder und ein Antrag auf Ecböfung des Staatszushusses für den Oldenburgischen Gewerbe- und Handelsverein, zwecks Anstellung eines fahmännisch gebildeten General- Sekretärs und Organisierung einer Zentralleitung für das Herzogthum.

Braunschweig.

Bei Jhren Königlichen Hoheiten dem Prinzen und der Prinzessin Albreht von Preußen fand gestern im Herzoglichen Residenzshloß ein Hofball statt, zu dem ca. 520 Einladungen ergangen waren.

Elsaß-Lothringen.

In der gestrigen Sißung des Landes-Ausschusses leitete der Unter-Staatssekretär von Schraut die Debatte über den Etat ein und führte aus, das Neichsland müsse 2 900 000 Æ mehr an das Reich zahlen und für seinen Antheil mit direkten Steuern einspringen, falls über die Tabacf- steuer eine Einigung niht erfolgen sollte. Die Mehr- belastung sei sehr drückend, störe die eingeleitete Reform der direkten Steuern und zwinge zu einem Verzicht auf gemeinnützige Unternehmungen. Der Unter-Staatssekretär \prach ferner eingehend über Maßregeln gegen die Futternoth und gegen die Reblausgefahr. Die Rede wurde mit leb- hafte1n Beifall aufgenommen. Der Abg. Baron Zorn von Bula ch sprach für die Tabacckfabrikatsteuer im Interesse des Reichslandes und des Tabacbaues ; die gesammteBevölke- rung von Elsaß-Lothringen sei für diese Steuer. Die Abgg. Dr. Petri und Dr. Hoeffel sprachen gegen die Ein- führung des Unterstüßungswohnsißes in Elsaß- Lothringen.

Deutsche Kolonien.

Der dem Kaiserlichen Gouvernement in Deutsch-Ostafrika zum Zwecke kartographisher Aufnahmen überwiesene Dr. Stuhlmann ist am 18. Dezember v. J. in Dar-es-Salam eingetroffen. Er wird zunächst das Nachbargebiet dieser Stadt vermessen und dann seine Arbeiten bis nach Bagamoyo er- strecken.

Zur Lage am Kilimandscharo berichtet der Kompagnie- führer Johannes unter dem 30. November:

Die drei mächtigsten Häuptlinge des Gebiets, Sinna von Kibofho, Meli von Moshi und Mareale von Marangu, suchen ihre Ergebenheit fast täglich zu beweisen. Meli ift den Bedingungen, die nach seiner Unterwerfung gestellt wurden, vollkommen und unbedingt nahgefommen. Er hat das zum Stationsbau nöthige Baumaterial seit fast 35 Monaten unentgeltlich und in großer Menge geliefert, troßdem das Heranschaffen namentli der großen Hölzer aus dem oberen Urwald bei den äußerst s{chlechten Wegeverhältnissen keine geringe Arbeit ist. Träger um den Berg stellt Meli auf Verlangen sofort und in jeder Zahl. Auf Befehl Meli?'s ist jeßt au der Markt sehr stark besucht, und werden von den Mojshileuten Boden- erzeugnisse aller Art in großen Mengen zum Verkauf gebraht. Nachdem die nothwendigsten Bauhslzer herbei- geschaft sind, habe ich Meli den Befehl gegeben, si oberhalb der Station, von dieser etwa 800 m entfernt, anzu- bauen. Er is dem Befehl sofort nahgekommen. Seine Leute haben das Wohnhaus schon nahezu fertig gestellt. Jn nächster Zeit wird von der Südostbastion zu Meli’s Wohnhause ein breiter Weg aus- geschlagen, so daß er ständig unter dem Geshüß des Forts ist. .…. Nach Abgang der Expedition lieferte Meli noh etlihe Gewehre aus. Mehr abzuliefern, ist ibm nach wiederholter Aussage vorläufig un- mögli, da er selbst niht weiß, welcher von seinen Leuten sih im Besitz eines Gewehrs befindet. Von mir erging an sämmtliche auf der Station befindlihen Europäer die Weisung, bei Gelegenheit die Hütten der Eingeborenen nach Gewehren zu untersuhen. Außerdem wurde der Bevölkerung von Moshi bekannt gegeben, daß Jedermann, in dessen Besiß ein Gewehr gefunden wird, mit Abbrennen feiner Hütte und Abnehmen seines sämmtlichen Viehes bestraft wird. Meli erklärte fih mit diefer Maßregel vollkommen einverstanden. Auch die Häuptlinge Kitungati von Kirua und Fumba von Kilema geben zu keiner Klage Anlaß und kommen den ihnen gestellten Friedens- bedingungen ebenfalls unbedingt und auch allen anderen Forderungen ras nah. Sie werden besonders zur Lieferung von Brettern herangezogen. Die zwischen Kibonoto und dem Meruberge ansässigen Massais haben nach Abgabe zweier Elfenbeinzähne um Frieden gebeten, den ih auch gewährte. Die weiter liegenden Massaistämme haben ich bereits zu Friedensverhandlungen durch Schundi anmelden lassen. Die Missions- stationen im Gebiete von Kilema, Kibosho und Madshame jun sind in voller Thätigkeit. In Kilema bauen die Missionare eine neue Kirche. Sie haben au genügend Kinder zur Erziehung. In Kibosho

Sinna erhalten. Bei meinem leßten Besuch hatte ter das provisorische Wohnhaus Ey und erwartet er in nähster Zeit cinen Pater und Bruder, um mit dem Bau des Missionsgebäudes beginnen zu können. Sinna tritt der Mission freundlih entgegen und bilft ibr, soweit es in feinen Kräften steht. Der Pater begann in diesem Monat bereits mit dem Unterriht von zehn Kiboshokindern. Die Deutsch-Leipziger Missionsgesellshaft hat vom Häuptling Shangali von Madshame jun ebenfalls einen sehr s{ön res May zum Stationsbau erhalten. Die Missionare haben bereits einen großen Sdepen zum Unterbringen ihrer Lasten gebaut und das Wohnhaus abgesteckt. : S

Ueber ein Gefecht mit den Mafiti bei e YO vom 3. Dezember berichtet der Kompagnieführer Ramsay, der auf dem Wege nah dem Rufidji, wo er auf die Expedition des Gouverneurs stoßen wollte, bei dem Mhagzesce und Nserekera- see ein großes Mafitilager antraf: i

Ein vor dem Lager befindliher Graben wurde durhwatet und die fliehenden Mafiti , die ein Fischerlager der Wafaramo und Rufidji- leute überfallen hatten, verfolgt, bis fie sich zum Widerstande fammelten. Ramsay theilte seine Leute (22 Mann) in zwei Flügel, er kommandierte den reten, Lieutenant Bennecke den linken Flügel. Als eine Abtheilung Mafitis unter Verlusten mit „Marsch, Marsch, Hurrah* zur s{leunigen Fluht gezwungen war, sah sich Ramsay vlöglich im Rüccken und in der rechten Flanke von zahlreichen Mafiti angegriffen, die bis dahin im hohen Grase gelegen hatten und niht herauskamen, obwohl ein Theil der von der Schußtruppe angesteckten Grasebene schon in hellen Flammen stand. Die fliehende Abtheilung machte „Kehrt*, die Mafiti kamen in geordneter Reihe unter großem Geschrei und Pfeifen, Kriegétänze aufführend und ihre Waffen, Speere und Beile s{wingend, auf die Deut1chen Tos und trotz vieler Salven und troß ihrer Verluste bis auf etwa 80 Schritt an sie heran; nah jeder Salve duckten si sämmtliche Mafiti, sprangen aber gleich wieder auf. Um Munition zu sparen, ging die Schußtruppe nun mit „Marsch, Mars, Hurrah“ nach vorhergegangenem kurzen Schnellfeuer auf die Mafiti, die NRamfay inzwishen an ihrem Krieg8geshrei und threr Kampfesweise als Lihuhu (Sulu) erkannt hatte, los, da nach seiner Erfahrung Eingeborene, die noch selten oder gar niht gegen Feuer- waffen gekämpft haben, immer vor cinem energishen Bajonettangriff zurückdweihen. Dasselbe war auh hier der Fall; die Lihuhu, denen inzwischen derGrasbrand sehr nahe gekommen war, wandten fi zur Flucht ; die vor Ramfay kämpfenden Lihuhu flohen nach Südost, diejenigen, die vor dem von Lieutenant Bennecke fommandierten Flügel gekämpft hatten, flohen in nördlicher Richtung. Die Fliehenden wurden ver- folgt, bis sie im Busch vers{wunden waren. Die Lihuhu sind voll- ständig zersprengt worden. Die Verluste des Feindes ließen sih nicht genau feststellen, da die ganze Steppe brannte; in unmittelbarer Nähe des Lagers sind zehn Todte gefunden worden; zahlreihe Blutspuren lassen auf viele Verwundete s{chließen. Die Soldaten haben si durchweg sehr gut benommen; die Feuerdisziplin war selbst in einigen fehr kritishen Momenten eine gute.

hat Pater supérieur Gommenginger einen sehr FERER Hater von

Oesterreich-Ungarn.

Der deutsche Botschafter Prinz Ne u ß hat gestern Abend einen sechswöchigen Urlaub angetreten und begiebt sich dem „W. T. B zufolge zunächst nah Davos und von da nach Jtalien. Mitte März wird der Botschafter nach Wien zurüdfehren.

Der Kardinal-Fürstbishof Dr. Kopp is von Troppau nah Breslau zurückgekehrt. E

Jn der gestrigen Sißung des niederösterreihischen Landtags wurde eine ZuUsWriflt der Donau- Regulierungskommission verlesen, worin mitgetheilt wird, der Abgeordnete L welcher der Kommission respektive den Lieferanten Betrug vorgeworfen habe, habe ihr troy der später erfolgten Aufforderung feine Daten bekannt gegeben. Der Landmarschall wird deshalb ersuht, zu veranlassen, daß Gregorig seine Aussagen im Landtag mache. Der Landtag beschloß, die Zuschrift einer besonderen Kommission zuzuweisen. Dem Abg. Gregorig, der auf das heftigste gegen die Donau-Regulierungskommission polemisierte, wurde das Wort entzogen.

Jn dem Omladinaprozeß wurde gestern, wie aus Prag berichtet wird, der Zeuge Schmid, ein 22 jähriger Korbflehter, wegen falshen Zeugnisses in Haft ge- nommen. Nach seiner Jnhaftnahme widerrief er seine falschen Angaben und bestätigte, daß die Haupt- angeflagten Dr. Rafin und Sokol bei einer Versammlung der Jungczehen aufrührerishe Reden gehalten hätten. Er gesiand dann, daß er zu dem falshen Zeugniß durh den als Vertrauensmann anwesenden Kandidaten der Medizin Großmann verleitet worden sei. Hierauf fand bis spät in die Nacht das Verhör des Leiters der polizeilichen Voruntersuchung, des Polizei - Ober - Kommissars Olic, statt. Dieser konstatierte, daß der ermordete Mrva niemals im Dienst der Polizei gewesen sei. Mrva habe als Angeklagter viel später Geständnisse gemaht als die anderen Ange- klagten; er habe sich wohl zum Polizeidienst angeboten und ein dahingehendes Gesuch eingereiht, sei jedoch absläg- lih beschieden worden. Ferner stellte der Ober-Kommissar Olic fest, daß, nahdem der Abg. Herold bei seiner Jnter- pellation im Reichsrath den Mrva als Agent provocatenr dargestellt habe, Mrva zum Verhör geladen und hierüber zur Rechenschaft gezogen worden sei.

Der „Budapester Korrespondenz“ zufolge gelangt der Ent- wurf des Zivilehegeseßes jedenfalls in der ersten Hälfte des Februar im aa ri tA e Unterhause zur Berathung.

Frankreich.

Der Ministerrath hat, wie „W. T. B.“ berichtet, dem General-Gouverneur von Jndochina de Lanessan einen mehr- monatigen Urlaub, den dieser in Frankreih verleben wird, bewilligt. Der General-Gouverneur wird von dem Präsidenten des Ministerraths von Anam, und zwei anamitishen Man- T begleitet sein, die den Präsidenten Carnot begrüßen wollen.

Die Zollkommission hat einen Antrag Méline’s angenommen, wonach der Zoll auf Getreide auf 8 Fr. erhöht wird. Sobald der Getreidekurs 25 Fr. erreicht, soll eine allmählihe Herabsezung des Zolls so erfolgen, daß bei jeder weiteren Preissteigerung von 50 Cts. der Zoll um je 50 Cts. herabgeseßt wird. Der Zoll soll ganz aufgehoben werden, sobald der Getreidekurs 33 Fr. erreiht. Zum Bericht- erstatter wurde Graux ernannt. 4 |

Die Deputirtenkammer seßte gestern die Besprehung der Interpellation Lockroy’'s über die Marine fort. Der Marine-Minister Lefèvre wies die Kritik des Deputirten Lockroy über die Panzerschiffe, Kreuzer und Torpedoboote zurück und versicherte, die kürzlich gebauten Panzerschiffe manövrierten in zufriedenstellender Weise, und die Torpedoboote könnten im Kriegsfall ihren Dienst ver- sehen. Der Bestand an Proviant für den Mobilmachungs-

Il sei im Jahre 1893 verdoppelt worden. Der Kriegs- sSrifter Mercier- erklärte hinsihtlich der Küstenver- theidigung, Frankreih fehle es weder an Vertheidigungs- mitteln noh an Vertheidigern; es sei angebracht, dies dem Aus- lande gegenüber festzustellen. Die Tie far ung der Küstenstädte sei so viel wie Pes gesihert , die für die Vertheidigung der Küste bestimmte Macht bestche aus mehr als 200 Mann, worin weder - sämmtliche mobilen noch die nicht mobilen Truppen einbegriffen seien. Man_ f damit beschäftigt, die für die Vertheidigung von Korsika nöthigen Arbeiten zu vollenden. Der Minifter {loß mit der Erklärung, seine Aus- einandersezungen seien die eines verständigen und auf- richtigen Mannes. Der Deputirte Lockroy brachte hierauf eine Tagesordnung ein, die dahin lautete, eine parlamentarische Marine-Enquêtekommission zu ernennen. Der Minister-Präsident Casimir Périer wies diese Tagesordnung zurück und erklärte, das Kabinet habe eine außerpgrlamentarische Kom- mission ernannt, die alle Garantien biete. Diese Kommission durch eine andere erseßen, würde bedeuten, daß die Kammer nicht in Uebereinstimmung mit der Regierung handeln wolle. Diese Uebereinstimmung der öffentlihen Gewalten sei aber unerläßlich im e auf das Ausland. Der Deputirte Brisson befürwortete die Ernennung einer parlamentarishen Kommission. Hierauf wurde die Dis- fussion geshlossen. Die Kammer nahm alsdann mit 356 gegen 160 Stimmen eine von der Regierung

enehmigte Tagesordnung an, welche lautet : die Kammer habe bas Vertrauen zu der Uebereinstimmung der öffentlichen Ge- walten, daß der Thatbestand und die Verantwortlichkeit fest- gestellt und die nöthigen Reformen in der Marine durchgeführt werden würden.

Jn dem von dem Verwalter des Reinah’schen Nach- lasses und dem Liquidator der Panamagesellschaft gegen Cornelius Herz angestrengten Prozesse hielt der Staats- anwalt gestern die Schlußrede, worin er hervorhob, die Justiz verachte die von Herz ausgesprochenen Drohungen ; die Klage sei begründet, Herz” Vorgehen sei ein betrügerishes. Das Urtheil wird nah 14 Tagen verkündet werden.

Rußland.

Ueber das Befinden des Kaisers wird dem „W. T. B.“ aus St. Petersburg von gestern gemeldet: Die Temperatur beträgt 362/94 Grad, der Puls ift gut, die Bronchitis im Schwinden begriffen; die Stimmung des Kaisers ist gut. Nach dem gestern Abend ausgegebenen Bulletin war der Kaiser fieberfrei, Schlaf und Kräfte bessern si.

Portugal.

Mehrere kommerzielle Vereinigungen sind nah einer Meldung des „W. T. B.“ wegen Boer Agitation gegen die oen Tg lNe aufgelöst worden. Die legis- lativen Wahlen sind durch ein Dekret auf unbestimmte Zeit vertagt.

Belgien.

_ Der Prinz Karl von Hohenzollern ist gestern Mittag, wie „W. T. B.“ meldet, in Brüssel eingetroffen und auf dem Nordbahnhof von dem Grafen von Flan- dern und dem Prinzen Albert empfangen worden.

Jn der Repräsentantenkammer machte der Minister des Auswärtigen die Mittheilung, daß sich der Prinz Karl von Hohenzollern mit der zweiten Tochter des Grafen von E der Prinzessin Josephine, verlobt habe. Die Nachricht wurde allerseits mit großem Beifall aufgenommen. Der Kammer-Präsident nahm das Wort und erklärte, die E Kammer bringe dem König, dem Grafen und der Gräfin von Flandern sowie dem hohen Brautpaar ihre herzlichsten GSlüdckwünsche dar.

Serbien.

__ Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Belgrad von gestern hat Nesic im leßten Moment das Unterrichts- Portefeuille abgelehnt, das vorläufig erledigt bleibt. Der Finanz - Minister Mijatowic wird sein Amt nächstens antreten. Der König Milan empfing vorgestern Gara- \hanin. Die Versöhnung zwischen beiden ist nah allgemeiner Ansicht eine vollständige. Sonntag findet in dem König- lihen Palais Galatafel statt, wozu die Minister, der Metro- polit Michael sowie die pre der Fortschrittler und der Liberalen und einige Radikale Einladungen erhalten haben.

Dänemark.

Der deutshe Gesandte Freiherr von den Brinken hatte, wie „W. T. B.“ meldet, gestern zine Audienz bei dem König, um auf Befehl Seiner Majestät des Deutschen Kaisers Allerhöchstdemselben für den anläßlih des Geburts- tags Seiner Majestät dem Gesandten abgestatteten Besuch den Allerhöchsten Dank auszusprechen. :

Amerika.

Das Repräsentantenhaus hat einer Meldung* des „B. D. B.“ aus Washington zufolge gestern die Tari f- vorlage mit 200 gegen 135 Stimmen angenommen, nachdem ein Unterantrag, wonach der Wollentarif am 2. August in Kraft treten soll, ebenfalls zur Annahme gelangt war.

Aus Rio de Janeiro von gestern wird gemeldet, daß, nachdem die Aufständishen mit neuem Kriegsvorrath versehen worden seien, eine heftige Kanonade zwishen dem Ge- \{chwader und den Fort s stattfinde. Die Schiffe „Tamandara“ und „Aquidaban“ seien leiht beshädigt worden. Der Mangel an Gewehren verzögere eine Aktion zu Lande. Jn Buenos Aires war gestern das Gerücht verbreitet, Nictheroy habe nch den Aufständischen ergeben.

Parlamentarische Nachrichten.

q Die Schlußberihte über die gestrigen Sizungen des Reichstags und des auses bee Mbacdrineien befinden sich in der Ersten Bei age.

A D) : ; l Finanzen em Hause der Abgeordneten haben die Minister der

rlgud und der öffentlichen Arbeiten unter Bezugnahme auf die A Sep N zu Kap. 7 Tit. 9 der einmaligen und auserordenlites bet Æ a des Bauverwaltungs-Etats für 1894/95 eine Denkschrift, li reffend die für die Vollendung der planmäßigen Regu- terung der größeren schiffbaren Ströme und Flüsse in ea OiR erforderlihen weiteren Aufwe ndungen, zugehen Die Abgg. Dr Bachem, Dr. Dittrich, Herold, Nad- byl enes und Genoffen haben den Antrag eingebracht: „Das aus der Abgeordneten wolle beschließen: Die Königliche Staats-

regierung zu ersuhen, dem Abgeordnetenhause baldmögli zunächst für alle Städte von mehr als 10 000 Einwohnern, tfrate Mit- theilungen über die Ergebnisse des Wahlverfalßrens nah Erlaß des Aenderungen des Wakhlverfahrens betreffenden Gesetzes vom 29. Juni 1893 zu machen, welche sowohl bezüglich der Wablen zum Abgeordneten- hause, als bezüglich der Gemeindewahlen, soweit bei diesen das Drei- Am gilt, unter Vergleichung mit den entsprehenden Zahlen bei früheren Wahlen den Einfluß erseben lassen, den die neuere Wabl- und Saruergelepgehing auf die Vertheilung der Wähler in die vershiedenen Wahlklasen ausgeübt hat.“

Nr. 5 der „Veröffentlihungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 31. Januar hat folgenden Inhalt: Gesundheitsftand und Gang der Volkskrankheiten (Cholera, In- fluenza u. \. w.). Zeitweilige Maßregeln gegen Cholera 2c. Oeffentlihes Gesundheitswesen des Reg.-Bez. Bromberg 1889/91. Gesetzgebung u. \. w. 3 Apotheken. Influenza. (Neg.- Bez. Hildesheim). Künstlihe Mineralwässer. (Oesterrei). In- fluenza. (Ober-Oesterreih). Gemeinde-Sanitätswesen. Todten- beshaugebühren. (Nieder-Oesterreih.) Aerztekammern. Gang der Thierseuhen im Deutschen Reih, Dezember. Maul- und Klauenseuhe im Deutschen Reih 1892. Thierseuhen in den Niederlanden, Dezember. Zeitweilige Maßregeln gegen Thierseuchen. (Schweiz, Frankreih, Luxemburg, Schweden, Neu-Süd-Wales.) Rechtsprehung. (Landgerichte Elberfeld, Düsseldorf und Reichsgericht.) Liquor Colchici compositus. Kongrefse u. j. w. (Deutsches Reich). 21. deutscher Aerztetag. Vermischtes. Quarantänestationen am Rothen Meer. Geschenkliste. Wochentabelle über die Sterbefälle in deutshen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Kranken- bäusern deutsher Großstädte. Desgl. in deutshen Stadt- und Landbezirken. Witterung.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

In Bezug auf Art. 290 des Handelsgeseßbuhs: „Ein Kauf- mann, welcher in Ausübung des Handelsgewerbes einem Kaufmann oder Nichtkaufmann Geschäfte besorgt oder Dienste leistet, kann dafür auch ohne vorherige Verabredung Provision fordern“ ; hat das Reichsgericht, VI. Zivilsenat, * durch Urtheil vom %. September 1893 ausgesprochen, daß, wenn es ih um die Vermittelung eines Rechtsge\chäfts handelt, für denjenigen, welcher für diese Vermittelung eine Vergütung leisten soll, erkennbar fein muß, daß ihm durch die Vermittelung ein Dienst geleistet werde, den er abzulehnen habe, wenn er denselben nit vergüten wolle.

Nach Auflösung einer stillen Gesellschaft muß nah einem Urtheil des Reichsgerichts, I. Zivilsenats, vom 1. November 1893 der Inhaber des Handelsgewerbes dem stillen Gesellschafter die- jenigen Sachen (Maschinen, Utensilien, Räume) herausgeben, welche dieser jenem zur Benußung für den Geschäftsbetrieb eingebracht hatte. Nur zum Zweck und während der Abwickelung der bei der Auflösung s{webenden Geschäfte muß der stille Gesellshafter seine eingebrachten Sachen, foweit sie zu jenem Zweck erforderli ch sind, dem Geschäftsinhaber belassen.

Kunft und Wiffenschaft.

_ 4+ Die Neigung zur Mystik und Symbolik ift meist ein An- zeichen tiefer moralisher Depression; hervorgegangen aus dem Rüdck- ihlage gegen extremen Materialismus, bahnt sie nit selten eine Vertiefung und Verinnerlihung des künstlerishen Empfindens an, die der Entwicklung der Kunst als Ausdrucksmittel zu gute kommt. Wenn im Mittelalter sih die Gefühlswelt bedrängt fühlte von der trocknen Verstandes\härfe der Scholastik, wenn im Zeitalter der Romantik unglücklihe politishe Verhältnisse die Phantasie zur Weltflucht trieben, steigerte sich die Empfänglihkeit für das Uebersinnlihe. Die Kunstwerke, welhe aus folder Stimmung hbervorgehen, müffen als Selbstbekenntnisse angeschen werden, die nur eigne innerste Befriedigung des Künstlers schaffen wollen ; sie seten zum Verständniß ein Anpassen an das Gefühlsleben des Schaffenden voraus, das durch die rein kfünstlerische Kraft des Werks nur selten erzwungen wird schwerer, noch in der bildenden Kunst, als in der Musik und Dichtung, da jene an die sinnlihe Form der Ausdrucks- mittel gebunden ift. Als fulturgeshichtlihes Symptom interessierten daher die Werke der Sy mbolisten, die unlängst in Gurlitt?s Kunstsalon ausgestellt waren, lebhafter denn als fünstlerishe Leistungen. Als Symboliker im eigentlichen Wortsinne war eigentlich nur der jeßt in Holland ansässige Malaye Jan Toorop zu bezeichnen, dessen wunderliche Bilder bereits auf der Münchener Ausstellung des ver- gangenen Sommers auf der einen Seite ofenkundigen verständnißlosen Spott, auf der anderen Seite das Bedauern erregten, daß ein fo reiches Talent, wie es z. B. die „Ländliche Dreieinigkeit" offenbarte, an eine unkünstlerische Schrulle vergeudet worden. Daß die Werke Ludwig von Hofmanns, Hermann Hendrihs, Walter Crane?s und der beiden Bölinschüler Sandreuter und Welti im strengen Sinn mit dieser Linienmystik nihts zu thun haben, wird jedem ‘Be- schauer flar geworden fein. Eher noch ließe sih die Sphinx von F. Knopff und Hirshfeld's „Vor fünfzig Jahren“ ihrem spiritua- listishen Inhalte nah mit den Bestrebungen der Symbolisten in Verbindung bringen. Gemeinsam aber ist dieser ganzen Gruppe von Künstlern der Zug, in Formen und Farben einen tiefen seelischen Inhalt zu bannen, die Natur mit Märchenaugen zu be- trahten, der Traum- und Gedankenwelt einen Plaß in den Schöpfungen der sonst so realistishen bildenden Kunst neu zu erobern. Die Strömung hat neuerdings an Breite gewonnen ; der Begründer der Auffassung, der die größte Kraft für sie einzuseßen wußte, Böcklin, fehlte in dem Kreise der Symboliker bei Gurlitt.

In gewissem Sinne läßt sih auch Marx Klinger dieser Gruppe der Neuidealisten anreihen, dessen bedeutendste Radierungen gegenwärtig bei Amsler und Ruthardt zu einer Sonderausstellung vereinigt sind. Neben den älteren bekannten, wie „Der Handschuh“, eine phantasievolle Novelle in Radierungen, mit der Klinger in Berlin vor Jahren debütierte, die „Dramen*, „ein Leben“, „Rettungen ovidischer Opfer“, „Intermezzi*“, „eine Liebe“ u. f. w. finden wir als neue Schöpfungen des genialen Meisters eine „Brahmsphantasie“, der fünf Lieder und das Scicksalslied von Brahms zu Grunde gelegt sind, sowie eine bemalte Skulptur „Salome* zum ersten Mal in Berlin ausgestellt. Die Größe Klinger's kann niht mit dem e Be der Durchschnittskünstler ge- messen werden, das psyhologishe Problem seines reihen Innenlebens i mehr noch als die wunderbare Ausdrucksfähigkeit seines Grab- tichels. Den Grundzug seines Wesens bildet ein grüblerisher Pessi- mismus, wie er in den ergreifenden , Dramen“ besonders packend zum Aus- druckfommt. Die dâmonische Kraft seiner Phantasie ist kaum größer als sein an der Antike gebildetes Formgefühl und seine erstaunlihe technische Gewandtheit. In einzelnen älteren Arbeiten, wie namentli in der

olge „ein Leben“, finden si deutlihe Spuren, daß er den kongenialen panischen Nadierer Francesco Goya eifrig studiert hat. Aber, da der Inhalt seiner Schöpfungen aus dem modernen Gedankenleben beraus- wächst, hat man nicht das Gefühl einer {chwählichen Anlehnung. Ein Philosoph mit der Radiernadel spricht zu uns, und wer den Weg zu seinen oft seltsam vershlungenen Gedankenpfaden nicht aus eigenem Nachdenken zu finden weiß, wird sh kopfs{hüttelnd von diesen rätbsel- haften und doch so tief empfundenen Phantasien abwenden. „Er steckt innerlih voller Figuren*, wie Altmeister Dürer es vom echten Künstler verlangt. Bei keinem Anderen is die künstlerische Arbeit in so hervorragendem Sinne ein Schaffensakt, wie bei ihm. Troßdem sehen wir, wie er sich in der Brahms-Phantasie willig zum

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Ueberseger der künstlexishen Erfindung eines Andern mat. Freili ist es der Zug der Wah ndtshaft, der ibn gerade zu See dem musikalishen Grübler par excellence, führt. Schwerlih würde er die finnlihe Kraft Wagnerischer Kunst ‘in der asketischen Kupfer- stihtechnik jemals zu neuem Leben erwecken; die koloristishe Kraft eines Bôdlin selbst müßte bei solhem Wagniß ermatten. Aber Brahms, dem gedankenvollen, weich empfindenden, in Formvershlingungen schwelgenden, verma er zu folgen, vollends wenn, wie im Schiksalslied, der waltdwerilile Tert von Ben die sympathishe Grundstimmung abgiebt. Es wäre ver- orne* Mühe, nahzuspüren, ob Klinger nun wirklich den musifalish- dihterishen Gehalt erschöpft, in Formen umgeseßt habe. Jeder wird seiner Individualität nach auf eigne Art dergleihen Werke nach- empfinden. Aber auch Klinger's bescheiden als Kopfleiften und e _ Notenblattes sich gebende Gestalten besipen die Eigenschaft des wahren Kunstwerk. die Jedem Spielraum für die eigne Einbildungskraft “freiläßt. So dürfen wir mit Stolz auf die gemeinsame Schöpfung von drei deutshen Meistern blicken, die aus gleiher Empfindung heraus ein barmonisches Werk zu stande gebraht. Technish steten diese Na- dierungen, das fei zur Einschränkung des Lobes bemerkt, nit auf der Höhe jener großen Grabstichelblätter „Zeit und Ruhm“, „Fama“ 2c., die wobl den Höhepunkt von Klinger's Können allezeit bezeihnen werden, zumal fie auch in der Erfindung die Eigenart ihres Schöpfers treffend charakterisieren. Die Technik und Formenauffassung Klinger's erfordert ein eigenes Studium, zu deckt in der hier ver- anstalteten Ausftellung wichtiges Material zusammengetragen ist. Einige Zeichnungen und Pastellakte gewähren uns Au einen Einblick in die Malerwerkstatt des vielseitigen Künstlers, den wir \{ließlich in der bemalten Skulptur „Salome“ auch noch als Bild- hauer kennen lernên. Œs ist die Halbfigur eines finnlichen Weibes, neben der die Köpfe ihrer Opfer, eines Greises und eines Jünglings, ruhen. Der Kopf is mit seinem vollen Kinn, den aufeinander ge- preßten Lippen, den fliegenden Nüstern, dem falten lauernden Blick der in Bernsteinmasse eingeseßten Augen ein Meisterwerk treffender Charakteristik; die feine Modellierung der Hände zeugt von eminenter Begabung auch im Technischen dieser Kunst. Prächtig ist auch der Gegensaß in den beiden Männerköpfen : der abgelebte Greis neben dem leidenshaftlich hin- gegebenen Jüngling. Ob die Bemalung dieser Gipswiederholung den Eindruck der farbigen Marmorskulptur, welche sich in Leipzig befindet, erreiht, vermögen wir niht zu entsheiden, da wir die leßtere nit gesehen haben. |

Jedenfalls gehört der Blick in eine echte Künstlerseele, den diese Ausftellung ermöglicht, zu den fesselndsten und nachhaltigsten Ein- drüden, die sih dem Kunstfreund in der Neichshauptstadt seit langer Zeit geboten haben.

In der hiesigen Gefellschaft für Erdkunde werden morgen Herr L. Hirsh über feine Reise in Hadramaut (Arabien) und Dr. Hafsert über Montenegro auf Grund eigener Reisen und Beobachtungen berichten.

Land- und Forstwirthschaft.

Das Königlich preußische Landes-Oekonomie- Kollegium i

tritt am 1. März d. I., Vormittags 11 Uhr, in dem in der Mathäi- kfirhstraße belegenen Brandenburgischen Ständehause zu seiner dies- jährigen Sizung zusammen. Auf der Tagesordnung stehen: 1) Eigene Angelegenheiten des Kollegiums, 2) Vermehrung der Anzahl der Mit- lieder des Kollegiums7" 3) Welche Forderungen hat die Landwirth- [haft an die Einrichtungen der Produkten-Börsen zu {tellen ? 4) Welche Einwirkungen des Geseßes vom 31. Mai 1891, betreffend die Besteuerung des Zuckers sind bis jeßt hervorgetreten? 5) Die gegenwärtige Lage des Kleinbahnwesens. 6) Die Jahresberihte der landwirthschaftlichen Zentralvereine pro 1892.

Weizenernte in Australien.

Neber die Aussichten für die diesjährige Weizenernte in Australien find uns neuerdings folgende Nachrichten von Ende Dezember v. F. zugegangen :

In Victoria follen die Aussichten, im Gegensaß zu ander- weiten früheren Mittheilungen (vergl. „R.-Anz.“ vom 25. Januar 1894), günstig sein. Die zur Abernte gelangende Fläche wird nah den neueren Nachrichten auf 1395 000 Aer, d. h. um etwa 92 009 Ader mehr als im Vorjahre, und der Durhfchnittsertrag auf etwa 10 Bushel per Aer geschäßt.

_In Neu-Süd-Wales wird die zur Aberntung gelangende Fläche etwa 594 000 Aer betragen, welhe bei cinem Dur(schnitts- ertrag von 12,5 Bushel etwa 72 Millionen Bushel ergeben würden. _ In Neu-Seeland soll fich der Anbau von Weizen gegen frühere Jahre etwas verringert haben. Die Ernte verspricht dort im allgemeinen cin gutes Ergebniß.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- y Maßregeln.

, Bulgarien.

Durch Beschluß des bulgarischen Gesundheitsratbs ist die gegen die europäische Türkei angeordnete achttägige Quarantäne auf 5 Tage (vergl. „R.-Anz.“ Nr. 218 vom 11. September 1893) und die gegen Provenienzen aus Rußland bestehende Quarantäne von 5 auf 3 Tage M elest worden. (Vergl. „N.-Anz.*“ Nr. 310 vort 30. Dezember 1893.

Verkehrs-Anstalten.

Laut Telegramm aus Herbesthal ist die erste englishe Post über Ostende vom 1. d. M. ausgeblieben; Grund: Ungünstiges Wetter auf See und Zugverspätung in Belgien.

London, 1. Februar. (W. T. B.) Der Union-Dampfer „Tartar“' ist gestern auf der Heimreise von Kapstadt abgegangen. Der Union-Dampfer , Spartan * is beute auf der Heimreise von Madeira abgegangen.

Theater und Musik.

Im Königlichen Opernhause wird morgen „Cavalleria rusticana“ (Frau Pierson, Herr Sommer), sowie „Der Barbier von Sevilla“ (Fräulein Dietrih, Herr Bulß) gegeben. Die Kapellmeister Herren Dr. Muck und Weingartner dirigieren. Die für morgen an- gekündigte Vorstellung der Oper „Margarethe“ geht am Montag mit Herrn Emil Götze als Faust in Scene.

_Im Königlichen Schauspielhau}e gelangen morgen zum ersten Mal Hans von Gumypenberg's einaktige Komödie „Die Minne- fôönigin“ (mit Frau von Hochenburger, den Herren Matkowsky und Arndt in den Hauptrollen) sowie das dreiaktige Lustspiel „Verbotene Früchte" nah cinem Zwischenspiel des Cervantes von Emil Gött zur Aufführung. (Gautier: Herr Keßler, Alison: Frl. Lindner, Robert : Frau Conrad, Nobinet: Herr Vollmer, Godelureause: Herr Derter, Jeanne: Frl. Plan, Crahe: Frau Schramm). Die

andlung fpielt in der Mitte des 16. Jahrhunderts in der Champagne. Das erste Stück spielt in der Auvergne, am Ende des 13. Jahrhunderts.

Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin besuchten gestern Abend in Begleitung Ihrer Königlichen POUeen des Prinzen und der Prinzessin Heinrich sowie der Herzogin Wera von Württem- berg mit den Prinzessinnen-Töhtern Elsa und Olga das Deutsche T heater und wohnten der Aufführung des Lustspiels: „Der Herr Senator* bis zum Schlusse bei. Direktor L’Arronge, welcher am Morgen nah Breslau abgereist war, konnte auf die sofortige Benach- richtigung niht mehr rechtzeitig zurückfehren und sandte an den Kaiser