1894 / 32 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 06 Feb 1894 18:00:01 GMT) scan diff

bald beraus, daß die Industrie sich in einem solhen Grade entwickelt

hatte, daß die Sonntags-Enquête vom Jahre 1885 durchaus nit |

mehr verwerthbar, wenigstens nit auss{hließlich entsheidend fein konnte für das Wohl dessen, was man für die am Sonntag zulässigen Arbeiten binstellen konnte. Es mußte also auf jedem möglihen Ge- biet und es sind seit dem Jahre 1885 auch noch neue Industrie- gebiete hinzugekommen, auf die sih die Sonntags-Enquête vom Jahre 1885 nit bezog, i erinnere nur an die Elektrotebnik und Elektro- chemie eine ganz sorgfältige Untersuhung angestellt werden darüber, was nöthig und was möglich sei.

Der Herr Vorredner hat auch für die Erledigung dieser Frage cinen seiner Meinung-“ nah gangbaren und fehr ein- fahen Weg wvorgeschlagen, nämlich den, man hätte die sämmtlihen Gewerbe - Aufsihtsbeamten des Deutschen Reichs heranziehen, sie zu gutahtlichen Aeußerungen auffordern und an der Hand derselben die Vorschriften entwerfen sollen. Ja, meine Herren, wir haben {on bei den Untersuhungen, die wir jeyt angestellt haben, die Erfahrung gemacht, daß es überhaupt keinen e nzigen Menschen in Deutschland giebt, der auf allen diesen Gebieten zu Hause ist, und wenn der Fabrikinspektor, der Gewerbe-Aufsichtsbeamte auch allerdings einen sachverständigen Einblick® in eine ganze Reibe von Betriebszweigen hat, so is cer doch außer stande, mit irgend welcher Zuverlässigkeit für daë ganze weite Gebiet unserer Industrie sein Urtheil. abzugeben. (Sebr richtig! aus der Mitte.) Wir haben gerade geglaubt, auß den Wünschen der fozial- demokratishen Partei entgegenzukommen, wenn wir uns nit bloß auf das Urtheil unserer Gewerbeaufsichtsbeamten dabei süßen wollten, sondern wenn wir für jeden einzelnen Betrieb8zweig sowohl den Gewerbeaufsihtsbeamten wie den Unternehmer und den Arbeiter mit seiner Meinung und seinem Gutachten hörten. Als ich diese Absicht vor einigen Jahren oder war es im vorigen Jahre, id weiß es nicht auf eine Interpellation hin bekundete, da war eitel Lust und Freude; und jeßt heißt es, das Verfahren hätte viel kürzer und einfacher gestaltet werden können, dann wären wir jeßt hon weiter in der Sache!

Vollständig unberechtigt ist der Vorwurf, daß das Reichsamt des Innern bei der Auswahl der Arbeiter tendenziös verfahren wäre. Meine Herren, ih möchte zunächst einmal sagen, Arbeiter nach einem Parteistand- punkt auszuwählen, auf diese Idee bin ih allerdings bisher noch nicht gekommen; sondern ih habe geglaubt, daß es das richtigste ist, wenn man eine solche Aufgabe zu lösen hat wie die vorliegende, daß man diejenigen Arbeiter herbeizieht, die man als die saverftändigsten ansieht, ohne Rücksicht darauf, ob sie Sozialdemokraten, Anarchisten oder font etwas sind. Nun hat aber das Reichsamt des Innern gar- nicht die Auswahl der Arbeiter besorgt, und es würde dazu auch außer. stande gewesen sein, denn es sißt hier in Berlin und hat keine unmittelbare Fühlung mit der Industrie. Das Reichsamt des Innern ist also auch in dieser Beziehung auf diejenigen Vorschläge ange- wiesen, die ibm von seiten der einzelnen Regierungen auf seine An- regung hin gemacht werden.

Nun hat der Herr Vorredner gemeint, die Arbeciterorganisationen seien bei der Gestaltung dieser Vorschläge nicht gel,ört worden. Dies ist für Preußen vollständig unrihtig. Mir wird eben der Runderlaß des Herrn Ministers für Handel und Gewerbe übergeben, welcher die Regierungs-Präsidenten auffordert, Vorbereitungen für die Enquête, welhe wir bezüglich der chemischen Industrie angestellt haben, zu treffen. In diesem Erlaß heißt es ausdrücklich:

Als Arbeitêvertreter sind nur durch Intelligenz und Sachkunde ausgezeichnete Arbeiter anzuerkennen, von denen mit Sicherheit an- genommen werden darf, daß sie die Achtung und das volle Ver- trauen der Mehrheit oder doch cines beträhtlihen Theils ihrer Kameraden genießen. Da der cchemischen Großindustrie die Aus- wahl der Vertreter ihrer Interessen überlassen bleibt, so ist es billig, daß auh den Arbeitern, soweit es irgend möglich ist, eine Mitwirkung bei der Auswahl ihrer Vertreter gestattet with,

Daher sind dort etwa bestehende Fachorganisationen Ver hier in Frage kommenden Arbeiter oder andere Vereinigungen, in denen fie vorzugsweise oder in erheblihem Maße vertreten _ sind, sowie deren örtlihe Mitgliedschaften (Zahlstellen) durch Vermittelung der Gewerbe-Aufsihtsbeamten oder in fonst geeignet ersheinender Weise unter Mittheilung des Zwecks der Berathungen zu veranlassen, Personen in Vorschlag zu bringen, die ihnen geeignet erscheinen, die Interessen der Arbeiter wahrzunehmen.

Als Organisationen der vorbezeichneten Art sind beispielsweise zu betrachten :

Fachvereine sozialdemokratisher Richtung,

Sie sehen, daß Sie nicht übergangen sind Gewerkvereine Hirsch - Duncker’sher Observanz, christlich - soziale, evangelishe und katholishe Arbeitervereine, sofern sie die Mehrheit oder doch eine namhafte Zahl der hier in Frage kommenden Ar- beiter zu ihren Mitgliedern zählen.

Der Vorwurf also, den der Herr Vorredner gegen die Verwal- tung nah dieser Richtung erhoben hat, is dur die Thatsache widerlegt.

Nun hat mich der Herr Vorredner gefragt, wie denn das Ding weiter laufen wird und wann denn etwa in Ausficht zu nehmen sei, «daß die Durchführung der Vorschriften des § 105 d vollendet fein werde. Darauf möchte ich Ihnen Folgendes erwidern. Nach einer mir bier vorliegenden Zählung sind Ausnahmen von dem Verbote der Sonntagsarbeit erforderli für folgende Gruppen der Gewerbe- statistik: Für die Gruppe IIL, Bergwerke und Gruben und alles, was damit zusammenhängt —, für die Gruppe 1V, Kalk- und Gipsbrennereien; für die Gruppe V, Eisengießereien und Emaillierwerke; für die Gruppe VII die chemische Industrie. Dabei sind sehr verschiedene Industriezweige, der Zahl nach etwa 36, in diese Regelung einzubegreifen —; für die Gruppe VIII, Holz- kohlen-, Holztheer-, Harz- und Pechgewinnung u. \. w.; für die Gruppe X, Stroh- und Holzstofffabrikation, Papier- und Pappen- fabrikation, Gerberei und Lederfabrikation; für die Gruppe X11, Roh- zuckerfabriken, Zuckerraffinerien 2c.; und außerdem für die sogen. Saifonbetriebe.

Ich habe hier aus den einzelnen Gruppen immer nur einzelne Industriezweige angeführt. Der Zahl nach aber betragen diejenigen Betriebszweige, für welche eine Negulierung der Sonntagsarbeit ih als nothwendig herausftellt, über 100; und Sie schen daraus, daß es weder eine leihte, noch eine in kurzer Zeit zu erledigende Auf- gäbe ist, für alle diefe Betriebszweige Bestimmungen über die

wir cine ziemli gleihartige betrieb8tehnische Thätigkeit in den ver- schiedenen Zweigen unferer Industrie besäßen, dann wäre die Regelung noh ziemlich einfah. Bei der Verschiedenartigkeit unserer Geseßz- gebung im Deutschen Reiche auf diesem Gebiet aber hat sih auch in der Betriebsweise der einzelnen Industriezweige eine sehr große Verschiedenartigkeit herausgestellt, die man nicht über einen Leisten behandeln kann, und damit die Nothwendigkeit einer \orgfältigen und eingehenden Prüfung der Verhältnisse für jeden einzelnen in Betracht kommenden Indusftriezweig.

Was nun bisher geschehen ist, ift folgendes: der Entwurf der Bestimmungen über die Gruppe IIL, also Bergbau, Hütten- und Salinenwesen und Torfgräberei, liegt bereits dem Bundesrath vor. Bei dem Entwurf zu Gruppe 1V, Industrie der Steine und Erden, steht Vorlage an die Sachverständigen-Konferenz noch im nächsten Monat bevor. Berathung mit den Interessenten wird sich um die Mitte des Monats März bewerkstelligen lassen. Was die Gruppe V anlangt, die Metallverarbeitung, so hat die Berathung mit den Interessenten am 24. Januar stattgefunden. Da sind übrigens nicht bloß zwei, sondern drei Sozialdemokraten be- theiligt gewesen, und die haben sich zu meiner Freude in voller Uebereinstimmung mit den Gewerbe-Auffihtsbeamten befunden, wie das auch das sozialdemokratishe Organ, der „Vorwärts“, lobend anerkannt hat. Was die Gruppe VI anlangt, Maschinen, Instrumente und Apparate, so sind Ausnahmebestimmungen nur erforderlich, foweit Saisonbetriebe in Betracht kommen. Für die chemische Industrie finden die Berathungen mit den Interessenten über den Entwurf, der bereits fertig gestellt ift, am 24. Februar d. J. statt. Für die forstwirthschaftlihen Nebenprodukte, Leuchtstoffe, Fette, Oele und Firnisse is der Entwurf in der Ausarbeitung begriffen.

Was die Textilindustrie anlangt, so \cheinen hier nur für Saisonbetriebe Ausnahmebestimmungen nöthig zu fein. Der Ent- wurf für die Papier- und für die Lederindustrie is bereits fertig gestellt und wird demnächst ebenso behandelt werden wie die übrigen. Für Holz- und Schnißstoffe kommt auch nur die Saisonindustrie in Betracht.

Für die Gruppe X11, Nahrungs- und Genußmittel, ift der vor- läufige Entwurf fertig; die Berathung mit den Interessenten wird vorausfichilich Mitte März d. J. stattfinden.

Dann hâtte ih noch zu erwähnen, daß für das Handelsgewerbe die Bestimmungen bereits in Kraft getreten sind, und daß für die polygraphishen Gewerbe, für die Bekleidungsindustrie und für die Saisonbetriebe die Sache in Arbeit is und nach Kräften gefördert werden wird. Einen bestimmten Zeitpunkt, wann der Bundes- rath mit der Beschlußfassung über die ihm zugehenden Entwürfe zu stande kommen wird, vermag ih selbstverständlich nicht an- zugeben. Man fkann ja auch darüber zweifelhaft sein, ob es richtiger ist, die Bestimmungen für die einzelnen Industriezweige, je nahdem fie dem Bundesrath vorgelegt find, in Berathung zu nehmen und zu verabschieden, oder ob man befser daran thut, erft die Gesammtleistung des Reichsamts des Innern vor {ich zu baben und erft, wenn man den Entwurf für alle Industriezweige kennt, in die Berathung seiner einzelnen Theile einzutreten. Jch neige mich der Meinung zu, daß das letztere den Vorzug verdient, weil man bei der fortschreitenden Berathung der Entwürfe möglicherweise dahin fommt und voraussihtlich dahin kommen muß, daß man einzelne früber zur Berathung gelangte Entwürfe zu modifizieren hat; und das wird sich besser erledigen lassen, wenn man die Publikation der Beschlüsse des Bundesraths zu einem bestimmten Termin in Auésiht nimmt. Aber das andere Verfahren, von dem ich gesprochen habe, will ih auch nit als von vornherein völlig ausges{lossen bezeihnen.

Inzwischen, meine Herren, schen Sie hieraus, daß die Sache ge- fördert wird, und sie wird um fo eber zu stande kommen, je s{leuniger Sie den zweiten Direktor im Reichsamt des Innern bewilligen. (Heiterkeit.)

Abg. Gröber (Zentr.): Es wird wohl nit \{neller gehen, wenn ein Direktor mit 15 000 Æ, als wenn ein Nath mit 9000 M angestellt wird. Es kommt doch bloß auf die neue Arbeitskraft an. In anderen Ressorts, wo viel mehr Beamte vorhanden sind, z. B. im Reichs - Versicherungsamt, is auch nur ein Direktor vorhanden. Gerade in der gegenwärtigen finanzknappen Zeit sollte man sich hüten, die Stellen der höheren Beamten zu vermehren.

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.) erklärt, daß seine Freunde für die zweite Direktorstelle immen würden. Die Freisinnigen hätten früher einmal gegen einen zweiten Direktor gestimmt troß des großen Ent- rüstungssturms, der sich damals erhob. Die Konservativen fühlen sih veranlaßt, zu frondieren, es handelt sich um einen der kleinen Nadelstiche, die man dem Reichskanzler versczen will. Die Qualität der Arbeit mögen wir bemängeln, aber die Quantität haben wir nicht bemängeln fönnen. Es bedarf nur einer kurzen Ueberlegung, um zu erkennen, daß bei der Entwickelung des Reichs die Geschäfte sih vermehren müssen. Mit Hilfsarbeitern sollte man nicht arbeiten. Veber die Hilfsarbeiter bei den Gerichten wird ja überall Klage geführt. Den Vorwurf der Vershwendung werden die Freisinnigen

ern auf sih nehmen, weil dadurch der andere Vorwurf, daß sie fich nur negierend verhalten, getilgt wird.

Abg. Wurm (Soz.) tadelt es, daß die Fabrikinspektoren die Dampfkesselrevision übernehmen müssen. Die Fabrikanten treten da den Kesselrevisionsvereinen bei, wo die Industrie konzentriert ist. Wo aber die Revision \{wierig und kostipielig ift, da überlassen sie die Sahe dem Staat. Die Fabrikinspektion leidet aber unter dieser neuen Arbeit, wie die Aufsihtsbeamten selbs zugeben. Je mehr die Aufsichtsbeamten ihre Pflicht thun, desto mehr tritt ihnen das Unter- nehmerthum entgegen. o namentlich in Baden dem verdienstvollen Auffichtsbeamten Dr. Wörrishofer, gegen welhen der Fabrikanten- verein zu Mannheim mit einem Rundschreiben vorgegangen ist. Die 6g Ideveil erklären offen, daß ihnen die Fabrikinfpektion lästig ist; ie sperren sih nah Möglichkeit dagegen ab, sodaß der Aufsihtsbeamte erst nah langem Warten, während dessen die Ungehörigkeiten nah Möglichkeit beseitigt werden, in die Fabrik kommen kann, Die Arbeiter, namentlich die jugendlihen, werden angehalten, den Fabrikaufsihtsbeamten mit Lügen zu antworten. Aus Sachsen, dem Hauptlande der Industrie, werden die dürftigsten Berichte über die sozialen Verhältnisse geliefert. Die Statistik über die Zahl der Arbeiter 2c. wird allerdings regelmäßig geführt. Redner geht auf Einzelheiten der Berichte der Fabrikinspektoren ein, auf die niedrigen Geldstrafen, welche die Fabrikanten niht empfindlih genug treffen, auf die Maßregelungen der Arbeiter, welche sich beim Auf- sihtsbeamten beschweren u. f. w. Dadurh würde das Vertrauen der Arbeiter zur Fabrikinspektion zerstört. Hilfe sei dagegen nur darin zu finden, daß die Beamten sih mit den Arbeiter-Organi- sationen in Verbindung seßen. Diesen Organisationen arbeiten dann aber die Abgg. Möller, Freiherr von Stumm u. st. w. entgegen. Noch besser wäre es freilih, wenn man, wie in England, Arbeiter zu Fabrikinspektoren mate und auch an eine weiblihe Fabrikaufsicht denken würde. (Vize-Präsident Freiherr von Buol bittet den Redner, auf den zweiten Direktor zurützukommen.) Redner wünscht,

daß die Aufsichtsbeamten auch exekutive Befugnisse erhalten und daß ein wirfsamerer Schuß der Arbeiter gegen Unfälle durhgeführt wird.

tungen des Abg. Lenzmann, daß die Konservativen gegen den zweiten Direktor nur stimmten, um zu frondieren, daß Feine Freunde nah den fachlihen Darlegungen des Staats|ekretärs Dr. von Boetticher sowohl für den zweiten Direktor, wie für den neuen vortragenden Rath stimmen würden. : : Abg. Möller (nl.): Jh will nicht von der Sache fo weit abshweifen, wie der Redner von der Sozialdemokratie; aber einige Worte über die Fabrikinspektoren will ih doch sprehen. Jch habe tets der Vermehrung der Zahl diefer Beamten zugestimmt. Daß die eamten in Preußen die Dampfkesselrevisionen übernommen haben, habe ich nicht gebilligt. Was der Abg. Wurm über die Unter- nehmer gesagt hat, is durchaus nit zutreffend. Daß die Fabrik- infpektoren Leute von praktisher Vorbildung sind, billige ih durchaus. Die weibliche O hat aber vorläufig keine Ausficht in Deutschland. die Mehrheit der Industriellen gegen die Fabrik- inspektoren eingenommen ift, ist durhaus niht wahr. Sie wollen nur eine gerechte Behandlung. Abg. Dr. Bachem (Zentr.): Der Vergleich“ mit einer früheren Ablehnung eines Direktorpostens trifft niht zu; es ist auch S abzusehen, was diese Stelle mit der Sonntagsruhe zu thun hat, an welcher der Bundesrath seit 23 Jahren arbeitet. Es scheint hier ein anderer Wind zu wehen als in der Kommission, wo die Konservativen gegen den Direktor gestimmt haben. Die eti der Bestimmungen über die Sonntagsruhe in gewerblihen Betrieben is dringend noth- wendig. Diejenigen, die aus christliher Gesinnung die Sonntagsruhe {hon durchgeführt haben, find jeßt im Nachtheil gegenüber der weniger \frupulösen Konkurrenz. Wenn nit für Alle gleichzeitig in kurzer Zeit die Verordnungen erlassen werden können, dann sollte man für die einzelnen Industriezweige gesondert möglichst {nell vorgehen.

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Ich bin gern bereit, diefe Frage nohmal zu prüfen ; sie wird ja nothwendigerweise auch bei der Berathung der Entwürfe im Bundes- rath zur Sprache kommen. Aber ih möchte gegenüber der Bestimmt- heit, mit der der Herr Vorredner es befürwortet hat, die Bestimmungen über die Sonntagsarbeit nach und nach zur Verabschiedung und Publikation zu bringen, doch darauf hinweisen, daß \sich dies Ver- fahren im Hinblick auf die Verhältnisse in einer ganzen Reihe von Industrien niht empfiehlt. Wir haben beispielsweise bei der Hütten- industrie eine niht unbeträchhtlihe Anzahl von Betrieben, mit denen zugleih eine chemishe Industrie verbunden ist, in welcher die Neben- produkte der Hüttenindustrie verarbeitet werden. Würden wir nun mit dem Erlaß der Vorschriften über die Sonntagsarbeit der Hütten- werke vorgehen, so würden wir, wenn wir später an die NRe- daktion der Bestimmungen über die Sonntagsarbeit in chemishen Industrie kommen, voraussihtlich genöthigt sein, mit Rück- siht auf die Verbindung vérschiedenartiger Betriebe Modifikationen der Vorschriften vorzunehmen. Das ist der Gesichtspunkt, der mich, entgegen meiner ursprünglihen Auffaffung, zu der Annahme bestimmt hat, daß es den Vorzug verdiene, die sämmtlichen Vorschriften zu einem und demselben Termin ins Leben treten zu lassen.

Ich werde aber die Frage nohmals erwägen, und ih bin gern bereit, für diejenigen Industriezweige, bei denen es ohne Nachtheil ge- schehen fann, und ohne den Erfolg, daß man künftig zu Korrekturen genöthigt wird, die Sache abgesondert und so s{hnell wie möglich er- ledigen zu laffen.

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.) bestreitet, daß die Sonntags- ruhe, wie sie im Geseße durhgeführt sei, die Unternehmer s{hädige. Im Gegentheil, die Arbeit werde durch die Sonntagsruhe um fo intensiver. Durch meine so oft getadelte Arbeitsordnung ist die Sonntagsrube besser gewahrt als durch das Geseß, und ih glaube niht, dadurch meiner Konkurrenz gegenüber im Nachtheil zu. fein. Die gesonderte Regelung der Sonntagsruhe für die verschiedenen Jn- dustriezweige ist wegen des Inecinanderarbeitens derselben niht durch- führbar. “Aus dem Gange der Debatte haben sich die Konservativen überzeugt, daß die zweite Direktorstelle nothwendig is; es bestehen hon zur Zeit effektiv drei Ab1heilungen, von denen zwei unter einem Direktor stehen. Diesem provisorischen Zustande soll ein Ende ge- macht werden. Daß in Bezug auf die Sonntagsruhe die Regierung sih an die organisierten Arbeiter wenden solle, würde unberechtigt ge- wesen sein; denn in diefen Organisationen sind nur sehr wenig Arbeitervertréter. Uebrigens sind die berufenen Arbeiter meistens von den Fabrikarbeitern selbst bezeihnet worden. i

Abg. Bebel (Soz.): Nach den Erklärungen des Staatssekretärs Dr. von Boetticher scheint wieder eine unabsehbare Zeit ins Lani

ehen zu follen, ehe die Bestimmungen über die Sonntagsrube in Kraft geseßt werden. Bei keiner Geseßgebungsmaterie ist man fo langsam vorgegangen, daß man jahrelange Untersuhungen braucht, ehe man das Geseh auëführt.

Dabei denkt man an das Wort des Staatssekretärs Dr. von Boetticher bei einem Festessen des- großen industriellen Vereins in Westfalen: Meine Herren, wir arbeiten ja nur für Sie! Die absolute Sonntagé- ruhe haben wir niemals verlangt; durch die Konferenzen der Fabrif- aufsihtsbeamten hätte man schnell feststellen können, was man der VIndustrie in dieser Beziehung zumuthen kann. Ist das Rund- schreiben des preußishen Handels-Ministers im allgemeinen oder nur für die hemishe Industrie erlassen? In der chemischen Industrie giebt es Arbeiterorganisationen niht, wohl aber für andere In- dustrien, freilich mit Ausnahme des Gebiets des Abg. Freiherrn von Stumm. Es sind 300000 Arbeiter organisiert; auf den vabk vorigen kommt es dabei nicht an. bin im

egensaß zum Staatssekretär der Meinung, daß für einzelne Industriezweige die Verordnungen über die Sonntagsruhe durhgeführt werden fönnen, fo z. B. für die Bäckerei und ähnlihe Gewerbs- zweige, welhe eine sehr große Sonntagsarbeit haben. Die Verbin- dung der Kesselrevision mit der Fabrikinspektion beeinträchtigt die leßtere; denn der Kesselrevisor muß dem Fabrikanten seine Ankunft anzeigen und wird natürli alles gut vorbereitet finden. Diese Frage ge- höôrt vor die Einzel-Landtage, aber auch vor den Reichstag, weil wir untersuchen müssen, ob an den Reichsgeseßen niht eine Aende- rung vorgenommen werden muß. Bei den Konferenzen über die Sonntagsruhe standen die Fabrikinspektoren auf Seiten der Arbeiter gegenüber den Unternehmern. Redner tritt für die Berufung von Arbeitern und Frauen zur Fabrikinspektion ein.

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Ich möchte nur wenige Worte auf die Ausführungen des Herr Borredners erwidern; ih werde mich dabei jeder Bemerkung er halten über die Frage der Kesselrevision, welhe eine Landes\sache if und über den Inhalt der Berichte der Gewerbe-Aufsichtsbeamter, welhe uns ja voraussihtlich noch in einem späteren Stadiun der Etatsberathung beschäftigen werden und deren Besprehung id bei Gelegenheit der Erörterung über eine neue Direktorstelle nid als geboten ansehen fann.

Der Herr Vorredner hat gemeint, es fehle an Interesse für di: Arbeiter bei der Regierung und bei den betheiligten Beamten ; & fehle der gute Wille, die Ausführung des § 105d der Gewerbe ordnung zu bes{leunigen. Meine Herren, ich muß sagen, diese Be hauptung ist eine ziemlich ftarke Leistung gegenüber einer Regierung die im leßten Jahrzehnt die Arbeiterversiherungsgeseße geschaffen und zur Durchführung gebracht hat. (Sehr richtig! rechts und aut der Mitte) Jh möhte auch glauben, daß es dem Herrn Abg. Bebel außerordentliß \{chwer werden wird, irgend

Sonntagsarbeit zu treffen. Meine Herren, läge die Sache so, daß

Abg. von Holleuffer (dkons.) erklärt gegenüber den Andeu-

welche thatsählihen Anhaltspunkte für scine Behauptung beizubringet

der

Daß die Arbeiter danach auf den Gedanken f fommen, daß sie Staatsbürger dritter Klasse sind, ist begreiflich. F

daß bei der Regierung ein Interesse für das Wohl und Wehe der

arbeitenden Klassen nicht vorhanden sei. Er hat sih auf eine Aeuße- rung berufen, die. i angeblih vor langen Jahren bei einem Festmahl in Westfalen gemacht haben, und die dahin lauten soll : Meine Herren, wir arbeiten nur für Sie. Jh erinnere mi dieser Aeußerung nicht. Wenn ih sie aber gethan habe, fo ift sie jedenfalls in einem Kreise von Vertretern der Industrie gefallen, und in einem folchen Kreise halte ih diese Aeußerung auch durchaus angebraht und unanfechtbar; denn ih rechne zur Industrie niht bloß den Arbeitgeber, sondern auch den Arbeitnehmer. (Beifall rechts und aus der Mitte, Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Jawohl, meine Herren, ih habe nit die mindeste Veranlassung, mich an dem Gegensaß zu betheiligen, den Sie bezüglich der Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers fonstruieren, und ich glaube, Sie würden die Zufriedenheit in der Bevölkerung fehr viel mehr fördern, wie Sie das jeßt thun, wenn Sie anerkennen wollten, daß das Wohl und Wehe des Arbeitgebers au den Arbeitnehmer trifft. (Sehr gut! rechts und aus der Mitte.) Also, meine Herren, ih bin mir nicht bewußt, daß wir es an Interesse und an dem Willen fehlen lassen, die berechtigten und geseßlich fest- stehenden Ansprüche des Arbeiters zu befriedigen. Wenn das auf dem Gebiete, das uns hier augenblicklich beschäftigt, nit in dem erwünschten Maße geschehen ift, so habe ih geglaubt, dur meine früheren Aus- führungen die Gründe dafür so eingehend entwitelt zu haben, daß ih au bei den Mitgliedern der sozialdemokratischen Partei auf cin Verständniß zu stoßen hoffen durfte, weshalb die Arbeit nit schneller hat gefördert werden können. Der Herr Vorredner hat alles in Zweifel gezogen, was ih vorhin gefagt habe, und ich muß deshalb mit stärkerem Geschüß vor- fahren und Sie noch einmal belästigen mit einer Ausführung, die darauf abzielt, den Nachweis zu führen, daß in der That die Sache nit hat schneller erledigt werden können. Jh habe, nahdem die Novelle von 1891 erschien, sofort die Jnangriffnahme der Arbeiten zur Ausführung des § 105d angeordnet, und man hatte damals als eine an sich, wie ih bereits bemerkt habe, werthvolle Grundlage die Sonntags-Enquête vom Jahre 1885 betrahtet. Auf Grund dieser Enquête sind die ersten Entwürfe von Bestimmungen über die Sonntagsarbeit fertiggestellt. Sie sind demnächst an die Regierungen hinausgegeben zu einer gutahtlihen Aeußerung, und welhe Aufnahme sie dort gefunden und zu welchen Folgen die ein- gegangenen Aeußerungen geführt haben, werde ich Ihnen ießt aus einem amtlid\n Bericht vorlesen, den ih vor kurzem erfordert habe, um die sahlize Rechtfertigung für die Verzögerung in der Lösung der Aufgabe zu beschaffen. Der Berichterstatter, der von Anfang an in dieser Materie thätig gewesen ist und, wie ih hinzufügen darf, seine Gesundheit dabei zugeseßt hat, der Geheime Regierungs-Rath Wilhelmi ich nehme feinen Anstand, hier seinen Namen zu nennen berihtet Folgendes :

Diesen Entwürfen haben nun aber im wesentlihen nur die Ergebnisse der Sonntags-Enquête vom Jahre 1885 zu Grunde ge- legt werden können. In zahlreihen der in Frage kommenden ÎIn- dustrien haben jedoch seitdem die technishen Einrichtungen und Verfahren eine eingreifende Aenderung erlitten. Theils sind die früheren Einrichtungen und Betriebsweisen vervollkommnet worden, theils find an ihre Stelle völlig neue Einrihtungen und Betriebs- weisen getreten. Endlich sind au, insbesondere auf dem Gebiet der Chemie, Elektrohemie und Elektrotechnik, früher unbekannte Industriezweige, eingeführt worden.

Aus diesen Gründen konnten die Ergebnisse der Sonntags- Enquête, ' obwohl sie eine werthvolle Grundlage für die Aufstellung der Entwürfe boten, immerhin doch nit ausreichen, weder für eine erschöpfende Ermittelung der in Frage kommenden Betriebsarten, noch für eine hinlänglich sihere Bezeichnung der in den einzelnen Gewerben gemäß § 1054 zuzulassenden Arbeiten.

Es konnte in Rücksicht hierauf niht ausbleiben , daß die ersten Entwürfe bei der von den Bundesstaaten erbetenen Prüfung die naturgemäß nicht ohne erheblichen Zeitaufwand vorgenommen werden

N Veranlassung zu zahlreichen Abänderungsvorschlägen oten. N

Hierbei ergab sih eine noch weit größere Vielgestaltigkeit der Betriebsarten und Betriebsverhältnisse in den einzelnen Industrien, als dies bereits die Enquête von 1885 hatte erkennen lassen. Zu den zahlreichen, bei der Aufstellung der ersten Entwürfe angeregten verwickelten Fragen traten neue, niht minder komplizierte, hinzu. Bei dem Widerstreit der Meinungen, der si nach dem endlichen Eingange der Aeußerungen der Bundesregierungen herausstellte, ftanden sich über tehnische und wirthschaftlihße Fragen die ver- schiedensten Ansichten gegenüber. Das für eine sahgemäße Prüfung unentbehrliche Eingehen in solche strittigen Fragen, deren Ent- {eidung die Vorbedirgung für die Aufstellung der revidierten Entwürfe war, erforderte abermals einen großen Aufwand an Arbeitskraft und Arbeitszeit, zumal der äußere Umfang des in Berichten, Gutachten und Eingaben vorliegenden Stoffes ein außer- ordentli großer war.

Sämmtliche, Ende 1892 herausgegangenen Entwürfe sind an der Hand des Ergebnisses dieses Materials zu revidieren, zu ändern, ¿u ergänzen, zu einem nit unbeträhtlihen Theil völlig neu auf- zustellen, fodann mit den Kommissarien des Herrn Handels- Ministers einer Besprehung zu unterziehen, hiernah für die Sach- verftändigen-Konferenz vorzubereiten und dieser nebst einer in den meisten Fällen neu auszuarbeitenden Begründung vorzulegen. Erst nachdem das Ergebniß dieser Konferenzen vorliegt, kann die end- gültige Aufstellung der einzelnen Bundesrathsvorlagen erfolgen.

Nun spricht der Berichterstatter auch über die Frage, ob man n fürzeres Verfahren hätte einschlagen können, und berichtet zum luß seiner Ausführungen, daß die sämmtlichen Techniker überein- mend dahin geurtheilt haben, daß {ih die Frage auf dem Wege es kürzeren Verfahrens nit erledigen lafse. E ist gegenüber diesen Darlegungen etwas kühn von dem Herrn ir edner, wenn er sich einfach auf den Standpunkt stellt: „Hättet L nur den guten Willen gehabt, dann würdet Ihr weiter wf als Ihr heute seid.“ Den damit erhobenen Vorwurf - iben F 5 C catbas er ist unbegründet. Wir haben iu al hg ait q E E der Herr Vorredner fragt : t: Bestiliiun tas A6 nde sein? Bis zu welhem Termin werden clben e A an hinausgehen können? so habe ih darauf kb N L selber sagen könnte: Läge die Arbeit in der n Vers inzelnen Beamten, beispielsweise in meiner Hand, so würde ih r|prehen dahin geben können, daß bis zu einem bestimmten

Es haben mitzuwirken zunächst die Beamten des Reichsamts des Innern ; es werden dann die Entwürfe den Sachverständigen vor- gelegt, die ad hoc hierher berufen werden, und dann werden die Entwürfe definitiv festgestellt und gehen an den Bundesrath. Welche Zeit dazu nothwendig ist, um alle diese Entwürfe zu verabschieden, kann kein Mensch heute mit voller Bestimmtheit sagen; kommt es aber dem Herrn Vorredner auf einen unver- bindlihen Termin an, dann sprehe ih ihm gegenüber die Hoffnung aus, daß wir, wie ih glaube, bis zum 1. Januar nächsten Jahres mit der Aufgabe werden fertig werden fönnen. Wenn der Herr Vorredner nun endlich au wieder das politische Gebiet gestreift und gemeint hat, es sei ihm garnicht eingefallen, fozialdemokratische Arbeiter in die Sachverständigen - Konferenzen hineinzubringen ; es komme ihm mehr darauf an, daß Arbeiter hinein- kommen, die ein warmes Empfinden und Verständniß für die Inter- essen des Arbeiterstandes befißen so fann ih ihm nur sagen, daß auf diefes Ziel hingewirkt ist und daß etwas Mehreres, als der preußische Herr Handels-Minister nah meiner früheren Aus- führung gethan hat, nicht wird gesehen können. Der Herr Handels- Minister hat in dem von mir besprochenen Fall ausdrüdcklich an- geordnet, daß die vorhandenen Arbeiterorganisationen über die Vor- schläge, die bezüglih der Arbeiter, die zu den Sachverständigen- Konferenzen zuzuziehen sind, gemaht werden sollen, gehört werden. Das ist geshehen, wie ih das ebenfalls bereits ausgeführt habe, und i ih habe gar keinen Anlaß zu der Annahme, daß der Herr Handels- Minister auch rücksihtlih der noch rückständigen Enquêten nicht ganz ebenso verfahren wird, wie er es bei der Enquête über die Metallverarbeitung gethan hat. Nur bei der ersten Enquête, die wir vorgenommen, ist etwas anders verfahren; da sind die Gewerbe-Aufsichtsbeamten an- gewiesen worden, mit den Arbeitern ihres Bezirks aus der betreffenden Branche in Verbindung zu treten und sih selber die Leute aus- zufuchen, die sie für die geeignetsten hielten. Darauf ist aber im weiteren Verlauf des Verfahrens gerade auf die Anregung, die wir von hier aus gegeben haben, auch die Zuziehung der Arbeiter- organisationen erfolgt. Es ist also auch im dieser Beziehung nicht der mindeste Grund zur Klage. Das Ding. geht seinen Gang, und ih hoffe, daß etwas Gutes und etwas Brauchbares herauskommen wird, E brauchbar und gut, aber niht bloß für den Arbeiter, sondern auch für den Arbeitgeber, dessen Jnteresse bei diefen Dingen ein vollständig LALS mit demjenigen des Arbeiters ist. (Bravo!) g. Noesidcke (b. k. F.) bestreitet, i i i Interesse an der Derzügecuis dicie: Angele Eibeit E theil, sie wünschen nicht blo mit Rücksicht auf die Konkurrenz fondern um ihren ganzen Betrieb danach. ordnen zu können, einen E Erlaß dieser Vorschriften. Daß auch Arbeiter zur Fabrik- aufsiht herangezogen werden und daß die Dampffesselrevisionen den Auf-

ichtsbeamten abgenommen werden, billigt Redner, weil dad i erihte der Auffichtsbeamten mehr Glauben finden wilden: ca

Das Gehalt für den zweiten Direktor wird bewilligt ebenso die weitere Besoldung für das Reichsamt des Mera und das Kapitel „Allgemeine Fonds“ nachdem beim [eßteren auf eine Anregung des Abg. Lenzmann (fr. Volksp.) der Staatssekretär Dr. von Boetticher Folgendes er-

klärt hatte: : Die geseßlich verpflichteten Zahlstellen sind die Kreiskassen. Es ist bereits den Regierungen anheim gegeben worden, dafür Sorge zu tragen, daß die Zahlstellen auß über diesen Nahmen hinaus vermehrt werden mögen, und daß man auch in einzelnen Gemeinden, in denen ein Bedürfniß dazu vorhanden ist, solche Zahlstellen einricte. Außer- dem sind auch von seiten der Gemeinden Vorschüsse auf die Unter- stüßungen geleistet worden, und es ist bisher eine Klage darüber, daß der Geschäftsgang ein unbequemer und unzulänglicher sei, bei uns nicht eingelaufen. Jch bin aber sehr gern bereit, die Anregungen des Herrn Vorredners in Erwägung zu nehmen und eventuell den Ne- gierungen zu empfehlen, daß sie auch den von ihm vorgeschlagenen Weg der Uebersendung der Unterstüßungen dur die Post wählen laffen. Ein gesetlihes Bedenken besteht dagegen in keiner Weise, die Zulässigkeit ist vielmehr ganz unzweifelhaft, man kann sih der Post zur Ueberweisung dieser Unterstützungen bedienen.

Darauf wird die weitere Berathung des Et is Diens- tag 1 Uhr vertagt. hung des Etats bis Diens

Statistik und Volkswirthschaft.

Deutsche Volkszählung vom 1. Dezember 1890. Die Ergebnisse der deutshen Volkszählung vom 1. Dezember 1890, aus denen die Hauptzahlen vom Kaiserlichen statistishen Amt im „Reichs-Anzeiger , den „Vierteljahrsheften zur Statistik des Deutschen Reichs“ und dem „Statistishen Jahrbuh für das Deutsche aba i Ee M ors find, Gie O auch in ausführlicher icher Bearbeitung in Band 68, Neue ; „Statisti des D ei p Q E E , Vem Lavellenwerk geht eine Besprehung des gesammten Ma- terials voraus, bei welcher au die Ergebnisse e Züblungen, sowie die Zahlen für fremde Länder zum Vergleich herangezogen sind. Beigefügt ; L kartographishe Darstellungen des Wachsthums und der natürlichen Vermehrung der Bevölkerung des Reichs in den leßten 10 Jahren, ferner folhe über das Zahlenverhältniß der beiden Ge- s{lechter und über die Bevölkerungs-Dichtigkeit 1890. Diese leßteren beiden Kartogramme sind nach kleinen Bezirken preußischen Kreisen und entsprehenden Gebietsabshnitten der anderen Staaten ges zeichnet, und von ihnen dürfte das erstgenannte wegen feiner Neuheit und bemerkenswerthen Resultate besonderes Interesse erregen.

Die O lanyêvertheilung

) : in Preußen nach den Ergeb-

„nissen der Einkommensteuerveranlagung. / Betrachtet man diese Ergebnisse nah Landestheilen, irie nach Stadt und Land, so ergiebt sih, wie die „Statist. Korr." ausführt eine große Ueberlegenheit der Städte und des Westens, sowie ein be- sonders weites Zurückbleiben des Ne der Provinzen Ost- und Westpreußen, Pommern und Posen. ährend die Städte nah den Steuerlisten n 1893/94 11,94 Millionen Einwohner, d. i. gegen 40/0 der Gesammtzahl nahwiesen, zählte man unter den vbyst en Personen Zensiten mit einem ermittelten (nicht veranlagten) Ein- kommen

Proz.

der Ein-

wohner 10,09 1,62

. in den , Städten 900 bis 3 000 A 1 204 589 3000, 9000, T9581 va 9900; 100000: 44 862 ¿100A 1284 * 001 295 0,002 : __ 1444566 12,10 1035212 5,70. J Obwohl also die Bevölkerung des platten Landes rund um die e größer war als die städtische, blieb sie in allen Einkommens- lassèn ziffermäßig weit hinter der städtishen zurück, und zwar nament-

auf roz. dem É G, Lande wohner 965 872 5,27 69 775 0,38 0,38 9 270 0,05

von über

§° 5

900 bis 3000 Æ auf dem -Lande noch reili zahlreich find wie in den Städten, reer Le uten“ von „3000. bis 9500 ‘dort ñur wenig über ein Drittel und le „großen“ von 9500 bis 100000, sowie die „sehr großen“ von mehr als 100000 nur wenig über ein Fünftel fo oft auf dem Lande vor wie in den Städten. Noch auffälliger wird der Gegensaß, wenn man die Verschiedenheit der Bevölkerungäziffer in Betracht zieht. Es zeigt sich dann u. a., daß in den Städten die ersonen mit e0royen Einkommen“ verhältni inâßig genau fo bäufi O E “wg, e enigen Fes MBSER is gutem, nämli

38 °/o der Seelenzahl. on besonderem Interesse i i Vertheilung der 1579 Personen Z E Es kamen davon :

auf das platte Land des Nordostens 21

Vi Lie « der Provinzen, Brandenburg, Schlesien und Sachsen. . 169 das übrige Land . den Stadtkreis Berlin die Städte des Nordostens E « von Brandenburg, Schlesien und Sacsen . « übrigen Städte O

Berlin allein zählte hiernah viel mehr „sehr große“ Einkommen als die sieben östlichen ovinzen font zusammen mit einer etwa zehnmal so großen Bevölkerung. Auf den Nordosten, der weit über ein Fünftel der Einwohner des Staats enthält, kommt von“den „sehr großen“ Einkommen nur etwa ein Dreißigstel.

Was den Antheil der einzelnen Provinzen fowie der städtischen und ländlichen Bezirke an dem Bestande von Zensiten mit „mäßigem“, emittlerem bis gutem“ und „großem“ Einkommen betrifft, so betrugen in Prozenten der Seelenzahl die "Bensiten mit -Einkommen

in den städtischen Bezirken in den ländlichen Bezirken von über von über von über von über von über von über ) 000 9500 900 3000 9500 bis bis bis bis 3 000 9500 100000 100 000 A M A M M, 6600 133 O9 2,64 0,20 608 137 O : 0,25

1659 200 0H 9,20 149 099 8,08 146 024 699 128. 0415 7,69 1/54 028 933 L51038

Gl 173 0/96 # Daner L. 972 176 022 Westsäleû... 1118 138 098 « Hessen - Nassau 10,10 260 40,73 Rhehiland .. 979 150 0,39 8,00 Die „Statist. Korr." knüpft hieran folgende * O, E E geen diese maßzige Zunahme des Antheils aller fteuerkräftigen Klassen, je weiter man nah Westen geht; die besonders Îtffigen Dien aen Hessen-Nassau erklären sih durch den Ein (uß der Stadt Frank- furt a. M. Viel größer ist noch der Abstand des Ostens gegen den Westen auf dem Lande; in Westfalen und Rheinland find die „mäßigen und „mittleren bis guten" Einkommen bis zum zwel- und dreifahen häufiger als im ländlichen Nordosten. Schleswig-Holstein und Sachsen machen sih besonders durch die für das Land fehr starke, den Städten gegenüber allerdings noch sehr niedrige Anzahl „mittlerer bis guter“ und „großer“ Einkommen be- merkbar, welche der hier vorherrschenden sozialen Mischung zwischen etnem nit zu ausgedehnten, aber verhältnißmäßig wohlhabenden Große grundbesitz und einer zahlreichen Großbauerschaft entspriht. Bemerkens- werth ift Ferner Ss die Vertheilung der „großen“ Einkommen auf dem Lande. Man könnte E fein, gerade diese vorzugsweise in dem „aristokratifch“ gegliederten Osten ju suchen; thatsählih sind sie aber am häufigsten in Sachsen, in Brandenburg, wo die B Bororte einwirken mögen , endlich in Schleswig-Holstein. Selbst Schlesien enthält im biet niht mehr solcher Einkommen als die bäuerlichen und kleinbäuerli en Gebiete Rheinland und Westfalen, in denen allerdings die dort vielfa verbreitete ländliche Industrie N ei u genen Amen haben wird. Am eiben auch hier Oft- und Westyreu ä s csen-Nassau A stpreußen, nähstdem Posen ei Würdigung dieser Ziffern darf nun zwar nicht vergess werden, daß dasselbe Einkommen beispielsweise in Stenger aue dem Lande weit größeren Werth hat als in Berlin, daß ferner zah[- reiche ländliche Grundbesißer in städtischen Bezirken veranlagt sein mögen ; während allerdings au umgekehrt zahlreihe auf dem Lande - Gie E nien ganz oder theilweise aus industrieller Thätig- keit ent pringen. Im allgemeinen wird aber nicht viel an dem Er- gebnisse zu Ändern fein, daß die städtische Bevölkerung, obschon fie von der ländlichen in ihrer Gesammtzahl um mehr als die ilite übertroffen wird, weit mehr, im Verhältniß zur Bevölkerung sogar mehr als doppelt so viel einkommensteuerfähige Einkommen als die ländliche aufweist, und daß dieses Uebergewicht fast in geometrischer Progression anwähst, in je höhere Einkommensstufen man hinaufsteigt. Hieraus praktische Folgerungen nach der einen oder anderen Richtung abzuleiten, sei es bezüglih der Werthshäßung städtischer und länd- licher Erwerbsthätigkeit, sei es für die Abwägung des Maßes von ürsorge, deren beide bedürftig erscheinen, ist hier niht der Ort; die” tatistik als solhe hat u a die Feststellung der Thatsachen zu

vier Fünftel so «mittleren bis

mit „sehr großem“ Einkommen.

bis bis 3000 9500

in Ostpreußen Westpreußen . im Stadtkreise Dein. in Brandenburg . - Pommern . . Posen «SPlefiewi. S « Schleswig- De

0,57 0,30 0,15 027 0,62

0,75 0,52 0,43 0,28 ; 0/40. 005; ] idé Erläuterungen : Ziffern eine ziemlih regel«

erliner

beschränken.

Zur Arbeiterbewegung.

_ Der Nürnberger Formeraus stand hat nun, wi i ena tee „Vorwärts* hervorgeht, thatsächlich d 0A Ü 6 burg eine Arbeitseinstellung zur Folge gehabt. In der Mühl en- bau-Gesellf\ chaft von Oerle u. Ko. in Augsburg sollten Arbeiten für Nürnber er Fabrikanten eta werden. Die Former erklärten sich aber mit ihren Nürnberger Berufsgenossen „solidarish“ und ver- weigerten die Anfertigung der Nürnberger Arbeit. Als fie hierzu ge- zwungen werden follten, legten sämmtliche Here die Arbeit nieder. an Ote arbeiten nur noch der Vorarbeiter und ein Lehr- verbeirate der Ausf\tändigen beträgt zwölf, davon sind fieben Aus Hamburg wird der „Voss. Ztg.“ telegraphis daß die dortigen Soziald emokraten zum nächsten eit R LEN öffentliche Versammlungen einberufen, in denen über die Hamburgische De die neuen Steuervorlagen und den „Nothstand“ eie werden soll. B . ier in Berlin wurde, wie die Berliner „Bolksz." beri eine Pia, der Schlächtergesellen Cal a is am Sonntag aufgelöst, als ein Redner eine aufreizende Bemerkung M E I Ado eahagen am Morigzplaßz „Sansfouci“ w v i Boykot: verhängt 8 urde von den Sozialdemokraten der , Aus Wien meldet ein Telegramm des „D. B. H.", daß di Sner und Hilfsarbeiter der C feneleterai E ee Söhne in Stockerau ausnahmslos die Arbeit ein estellt haben, A E A na g d Lohnerhöhung, Einführung der eit un | a felter n { gewährt ze A tederaufnahme zweier entlassener Ar e in Süd-Wales und Monmouthshire beschäfti Grubenarbeiter, soweit sie den L E e e my haben, wie die Londoner „A. K.“ mittheilt, eine Lohnaufbesse- rung von 649% erhalten. Von dieser Maßregel baben 100 000 t hadevs dun ba A Fifageruna gelpieht gemäß der Vereinbarung ohnskala, d. h. so, ie Löhne e Kohlenpreisen richten. dai E a a d

ermin die Sache fertig werden wird. Das ist aber niht der Fall.

lich in den höchsten. Denn während die „mäßigen“ Einkommen von

————_n