1894 / 33 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 07 Feb 1894 18:00:01 GMT) scan diff

4) als Art. V und VI hinzuzufügen: Art. V. Alle Konsum- anstalten, welche von Unternehmern zum Vor der von ihnen be- lestgten Arbeiter und Beamten ins Leben gerufen sind, sowie alle Gesellshaften und Korporationen, deren eigentliher Geschäftszweck es ist, ihren Mitgliedern in dem Bezuge von Waaren des Gebrauchs und des Verbrauchs wirthshaftliche Vortheile zu verschaffen, dürfen ebenso wie die Konsumvereine, die auf Grund des Geseßes, betreffend die Erwerbs- und Wirthschaftsgenofsenschaften, errihtet find, im regelmäßigen Ge- shäftsverkehr Waaren nur an solche Personen verkaufen, E itglieder sind beziehungsweise dem Kreise derer angehören, für welche die obigen Einrichtungen bestimmt sind. Artikel Vl. Die Bestimmungen und Vorschriften des § 8 Absatz 5, 6 und 7 und der 8 145 a, 145 b und 145 c des Geseßzes, betreffend die Erwerbs- und Wirthschaftsger ofsen- schaften, vom 1. Mai 1889 finden auf die Eigenthümer, Vorstände, Verkäufer und Mitglieder der in Artikel V erwähnten Konsum- anstalten finngemäße Anwendung.

___— Der Abg. von Nr dorit, (Np.) hat im Neichstag folgenden Antrag eingebraht: „Der Reichstag wolle beschließen, die verbündeten Regierungen zur Vorlegung eines Reichsgeseßes aufzu- fordern, durch welhes der Bundesrath ermächtigt und verpflichtet wird, bei der Einfuhr von Roggen, Weizen und Mehl in das Deutsche Reich denjenigen Staaten gegenüber, welche Papier-Valuten mit Zwangskurs besißen, bezw. in welhen für Gold ein Aufgeld (Agio) gezahlt wird, Zollzushläge zu erheben, welche dahin fest-

eseßt werden, daß zu dem Doppelzentner Roggen oder Weizen ein

ollzushlag erhoben wird: bei einem bestehenden Disagio von mehr als 109% 1 Æ; von mebr als 20 9/9 2 Æ, unter entsprechender gleichzeitiger Normierung des Zollzushlags auf die Einfuhr von Mehl nach der Werthrelation zwishen Getreide und Mebl.“ Dieser Antrag wurde beute in der Wirthschaftlichen Vereinigung des R berathen, ein bestimmter Beschluß indessen noch nicht gefaßt.

Im Haufe der Abgeordneten haben die Abgg. Dr. EdckelIs (nl.), Freiherr von Plettenberg-Mehrum (konf), Schmit -Erkelenz (Zentr.) und von Tiedemann-Bomst (frkons.) folgenden Antrag eingebraht: „Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: Die Königlihe Staatsregierung zu ersuchen, den am 1. September 1891 versuchsweise eingeführten Ausnahmetarif mit er- mäßigten Streckensäßen (Staffeltarif) für Getreide und Müblen- fabrikate (Nachtrag 8 zum Lokalgütertarif vom 1. April 1890) schleunigst wieder aufzuheben.“

Die X. Kommission des Hauses der Ante zur Vor- berathung des Geseßentwurfs, betreffend das ubegehalt der Lebrer und Lehrerinnen an den öffentlihen nihtstaatlihen mittleren Schulen und die Fürforge für ibre Hinterbliebenen, hat sih folgendermaßen fonstituiert: Hansen, Vorsißender ; von Schenckendorff, Stellvertreter des Vorsißenden; von Kownacki und Schwarze, Schrift- führer; von Bockelberg, Hornig (Liegniß), Dr. Kropatscheck, Graf von Bernstorff, von Sanden (Tilsit), Seyffardt (Magdeburg), Dr. Glatt- felter, Krebs, Neubauer, Wetekamv.

Die X1. Kommission zur Vorberathung des Geseßentwurfs, betreffend Stadterweiterungen und Zonenenteignungen, besteht aus folgenden Abgeordneten: Hobrecht, Vorsitzender; Fretherr von Richthofen (Jauer), Stellvertreter des Vorsitzenden; Dr. Irmer und Dr. Oswalt, Schriftführer; Dr. Klasing, Schmidt (Stegliß), von Trott zu Solz, Lucius, von Voß, Reichardt, von der Acht, Frei- herr von Eynatten, Nadbyl, Schmidt (Warburg).

Kunft und Wissenschaft.

Der Geheime Regierungs- und Provinzial-Schulrath Dr. Klix, der seit ungefähr zwanzig Jahren als Nachfolger Gottschick's den Abiturientenprüfungen an den höheren Lehranstalten des Regierungs-

bezirks Potsdam als NRegierungskommissar beizuwohnen pflegte, ist

gestern ohne vorangegangene Krankheit plößlich im Alter von 70 Jahren gestorben. Noch am Tage vorher hatte der Verstorbene

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Testlaff. Anfang 7 Uhr. Stationen.

in 9 Celsius 59G, == 49NR.

Bar. auf 0 Gr u. d. Meeressp. red. in Millim

| Temperatur

(Perin:

N

7\bedeckt 3'bedeckt 8'wolkig

Belmullet . . | Aberdeen .. | 744 Christiansund | 725 Kopenhagen . | 746 Stodckbholm . | 731 Haparanda . | 725 St. Petersbg. | 746 S Moskau . …. | 760 |NW Cork, Queens-

E 1-700 18 Cherbourg . | 766 |SW Sebi... 757 1SW

T 749 |[WSW Ha „1 T6 100 Swinemünde | 752 |SW Neufahrwafser| 750 |W Memel... | 747 |SW

s L H El «C00 4 Karlsruhe . . | 770 | Wiesbaden . | 767 München .. | 770 Chemniy . . | 763 Peli. ...| 758 E 70 Breslau . …. | 762 le d'Aix. . | T4 Nizza l Sea Et e

1) Nachts Sturm und Regen. ?) Nachts Sturm und Regen. *) Stürmishe Böen. ‘) Nachts stür- misch, regnerisch. Î

Vebersiht der Witterung.

Ein tiefes barometrisches Minimum unter 725 mm liegt über dem nördlihen Skandinavien, im Nord- und Oftseegebiete vielfah Sturm, stellenweise shweren Sturm aus füdwestlißer nnd westliher Richtung erzeugend, auch im deutshen Binnenlande wehen vielfah ftürmische südwestlihe Winde. Das baro- metrishe Maximum über 775 nim liegt andauernd über Franfreich. In Deutschland, wo- vielfah etwas Regen gefallen ift, ift das Wetter trübe und unge- nlid warm. Die Temperatur liegt an der Küste 7 bis 94, im Binnenlande 5 bis 9 Grad über dem Durchschnittswerthe. Fortdauer der warmen, windigen Witterung demnächst noch wahrscheinli.

Deutsche Seéwärte.

749 |SW 7 [WSW [WSW t [WSW 6|Dunft [WSW blbedeckt [S 6'Schnee | 4/Schnee 1'/bedeckt

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6'bedeckt 6|Nebel 8\wolkig 7|bedeckt1) 8|bededt2) 7 Regens) 7'bedeckt4) 7\Regen 3|bedeckt 9 Regen 9\bedeckt 4 'bedeckt 7ibededckt 6bedeckt 5|Regen 2\Nebel 4'bedeckt 2|bedeckt 1ihalb bed, | 1 beiter

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Brahms.)

Senator.

Freitag : und Stadt.

Theater - Auzeigen.

Königliche Schauspiele. Donnerstag: Opern- haus. 34. Vorstellung. Die Zauberflöte. Oper

in 2 Akten von Wolfgang Amadeus Mozart. Dich- | tung nach Karl Ludwig Giesecke, von Emanuel Schikaneder. In Scene geseßt vom Ober-Regisseur Dirigent:

Schauspielhaus. 39. Vorstellung. Donna Diana. Lustspiel in 5 Aufzügen, nah dem Spanischen des | Und Don Augustin Moreto, err Adolf Müller vem Thalia-Theater in Hamburg, als Gast.) Regisseur Max Grube.

Freitag: Opernhaus. leria rusticana {(Bauern-Ehre). 1 Aufzug von Pietro Mascagni. Text nah dem gleich- namigen Volksftück von G. Verga. Gringoire. Oper in 1 Akt von Ignaz Brüll. Banville’'s gleichnamigem Schauspiel von Victor Léon. Slavische Brautwerbung. von Emil Graeb. Musik komponiert und arrangiert von P. Hertel. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 40. Vorstellung. rich von Homburg. von Heinrich von Kleist.

Deutsches Theater. Donnerstag: Der Herr Anfan reitag: Wokblt Sonnabend: Der Herr Senator. Sonntag: Der Herr Senator.

Berliner Theater. Donnerstag: Aus eignem

Necht. Anfang 7 Ubr. 24. Abonnements - Vorstellung.

Sonnabend, Abends 74 Uhr: Maria Stuart.

Lessing-Theater. Donnerstag: Zum 1. Male: Ohne Geläut. i

Freitag: Madame Sans-Gêne.

Sonnabend: Ohne Geläut.

Sonntag: Madame Sans-Gêne.

Wallner-Theater. Donnerstag: Heimath. (M. Reisenhbofer.)

Freitag: Mauerblümchen.

Sonnabend: Heimath.

Sonntag: Mauerblümchen.

Friedrich - Wilhelmfslädtishes Theater. Chausseestraße 25.

Donnerêtag: Der Lieutenant zur See. Operette

in 3 Akten (nah einer älteren Idee) von E. Schlack

und L. ann. Musik von Louis Roth. In | Ouverture.“ „Tanz ite N us Frißsche. Dirigent : Herr | „Springtanz." „Skandinavisher Festmarsh“ von

Scene gesezt von Juli Kapellmeister Federmann. Freitag: Der Lientenant zur See.

dem Königlichen Prinz Heinrich-Gymnasium in Schöneberg in erfreu- licher Rüsti cit einen I. ias Besuch abgestattet. Die Beerdigung findet am Freitag Nachmittag 2X Uhr von der Aula des Nj

“Heinrih-Gymnasiums aus ftatt.

Wie bereits unter den gestern nah Schluß der Redaktion ein- egangenen Meldungen mitgetheilt wurde, ist am 6. Februar in Abbazia der berühmte Chirurg und Kliniker der Wiener Universität, ofrath Professor Dr. Billr oth geftorben. Obwohl er seit einiger Zeit chwer leidend war, fo hatten doch gerade die neuesten Nachrichten Hoff- nung auf die Erhaltung seines Lebens gegeben, dem jedo ein Herzschlag gestern ein Ziel seßte. Mit ihm hat die leidende Menschheit einen der tüchtigsten und erfolgreihsten Operateure verloren, dem die dauernde Einführnng der vollständigen Entfernung des erkrankten Kehlkopfes und der Resecktion des Magens in die Chirurgie zu verdanken ist. Geboren am 26. April 1829 zu Bergen auf der Insel Rügen machte der Verstorbene seine medizi- nischen Studien zu Greifswald, Göttingen., Berlin und Wien. Im Jahre 1855 wurde er unter Langenbeck Afsistent an der Girurgi sen Universitäts - Klinik in Berlin, wo er si im darauf folgenden Jahre habilitierte. Im Jahre 1859 wurde er Professor der Chirurgie und Direktor der irurgishen Klinik in Zürih, 1867 in Wien. Während des deutsch - französischen Krieges übte Billroth eine segens- reiche Thätigkeit in den deutschen Lazarethen am Rhein aus. Im Jahre 1887 wurde er zum Mitglied des österreihischen Herrenhauses ernannt. Unter seinen zahlreichen Werken sind hervorzuheben die Schriften „Ueber den Bau der Sihleimpolypen“ (Berlin 1855); „Beobachtungsstudien über Wundfieber und accideatelle Wundkfranfbeiten“ (Berlin 1862); „Die allgemeine chirurgishe Pathologie und Therapie* (Berlin 1863) ; „Chirurgishe Briefe aus den Kriegslazarethen in Weißenburg und Mannheim 1870“ (Berlin 1872); „Die Krankenpflege in Haus und Hospital“ (9. Aufl. Wien 1889). Mit Pitha gab er das „Handbuch der allgemeinen und speziellen Chirurgie mit Einschluß der topogra- vhishen Anatomie, Operations- und Verbandslehre“ heraus, mit Lüdke seit 1870 die „Deutsche Chirurgie“. Auch war er von Anfang an Mitredakteur von Langenbeck's „Archiv für klinishe Chirurgie“.

Theater und Musik.

Königliches Schauspielhaus. L

Herr Adolf Müller vom Thalia-Theater in Hamburg, spielte gestern Abend als Gast der Königlichen Bühne die Rolle des Mohren in Schiller ?s republikanishem Trauerspiel „Die Vershwörung des Fiesco zu Genua“. Muley Hassan, der s{chwarze Galgen- vogel, foll mit der Beweglichkeit des Geistes eine ungewöhn- lihe Éörperlide Geshmeidigkeit verbinden, die ihn wie der Wind in seiner Spionierarbeit nach allen Eten Sh und ebenso {nell zu seinem gräflihen Herrn zurückträgt. Auf diese shleihende, fkaßenartig gleitende Behendigkeit des Ganges und Sprunges als Spiegelbild des heimtüdckischen und grausamen Wesens des Erzschelms, legte Herr Müller geftern Abend be- deutenden Nachdruck; daneben konnte aber auch feine Ausgestaltung des Charakterbildes nah der Verstandesseite hin befriedigen. Der Dar- steller verband die Freude am Bösen, den schadenfrohen Eifer, der s\ch im Ausklügeln von Niederträchtigkeiten —— auch ungeheißen nit genug thun kann, geshickt mit dem stolz zur Schau getragenen Beroußt!ein der Spißbubenehre, mit dem rückhaltlofen Vertrauen in Fieëco’s Manneswort und mit dem Wohlgefallen an der wilden Größe und unerhörten Unmenschlichkeit der von ibm aus- eführten Verbrehen. Dieses kunstvoll verarbeitete Gemisch der ver- shicbenei Charaktereigenshaften stro8te von einem Galgenhumor, der, urwüchsig und teuflish zuglei, den chwarzen Bösewicht lustig und unter- haltend mate. Es [lag entshiedenTemperament in dem Spiel des Gastes, das sich allgemeine Anerkennung gewann. Die übrigen Rollen lagen in den Händen bewährter heimischer Kräfte. Herr Ludw ig hatte als Fiesco feinen besten Moment bei der Erzählung der Thierfabel in dem Kreise der genuesishen Bürger; der weltkluge Staatsmann, der das Volk mit listigem Geist und geshmeidiger unge zu gewinnen

ß gestern Abend am esten; in der er-

weiß, lag ihm ( t L s Scene au der Leiche feines Weibes erschien das

Kapellmeister Weingartner. | gatte. Vorher: Lolotte. Halévy. Anfang 7# Uhr. Freitag u. folgende Tage: Dienstag, 13. Februar: Fn Scene geseßt vom Ober- | Maskeuball (Veslione).

Anfang 7 Uhr. von Alexandre Bisson.

35. Vorstellung. Caval- S Oper in

von Karl August West.

von Else v. S(abelsky. Freitag : Gisela. Sonnabend: Jugend. Sonntag: Gisela.

Text nah Tanzbild (Mit Einlagen von Johannes Prinz Fried-

Schauspiel in 5 Aufzügen Anfang 7 Ubr.

Donnerstag: 7&4 Ubr.

liche Kleeblatt. Zauberpofsse

ba in Ballet.

tigkeits-Veorstellung.

Dorf

Charley’s Taute. Schwank

Brandon Thomas.

acobson und Benno Jacobson.

Freitag: Dieselbe Vorstellung.

Donnerstag: Zum 12. Male.

Hierauf: Zum 47. Male. in 2 M ilinamn von L. 7X Uhr

(M. Reisenhofer.) ‘Freitag: Dieselbe Vorstellung.

der Stadt

Residenz-Theater. Direktion : Sigmund Lauten- burg. Donnerstag: Zum 46. Male. (Le premier mari de France.) Schwank in 3 Akten von Albin Valabrègue. Lustspiel in 1 Akt von Meilhac

Dieselbe Vorstellung. Zum 1. Male: Schwank in 3 Akten

NUdues Theater. Direktion: Sigmund Lauten-

burg. Donnerstag: Gisela. Schauspiel in 4 Akten Anfang Uhr.

Viktoria-Theater. Belle - Allancestraße 7/8. Mit vollständig neuer Ausstattung. Die Kinder des Kapitän Graut. Ausstattungs- stüdck mit großem Ballet in 12 Bildern.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr, ermäßigte Preise: Lumpaci vagabundus, oder: Das lieder- mit Gesang und

Theater Unter den Linden. Donnerstag:

Der Oberfsteiger. Operette in 3 Akten von M. g Say L. Held. Musik von C. Zeller. Anfang £ Uhr.

Adolph Ernst-Theater. Donnerstag, 74 Uhr: in 3 Akten von Vorher :

Bars ise Pofse mit Gesang in 1 Akt von Cd. Musik von Franz

Roth. In Scene geseyt von Adolph Frnfst.

Peniral-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Herr Conlifset.

Schwank in 3 Akten von E. Blum und R. Toché. Berlin 1893. Revue

Leipziger.

sonst biegsame und wohllautende Organ des Künstlers etwas ang en und verlor ein wenig an Ausdrucksfähigkeit. Fräulein Richter als Bertha konnte zufriedenstellen; ihr Jammer beim An- bliX des greisen Vaters drang wirklih aus der Tiefe der Seele. Im rigen erfülltey alle Mitwirkenden ihre Aufgaben mit der gewohnten Sicherheit und Glätte, die zu einem trefflichen Zusammenspiel un- entbehrlich sind.

Im Königlichen Opernhause geht morgen Mozart's „Zauberflöte“ mit den Damen Leisinger, Herzog, Dietrih, Kopka, Rothauser, Lammert, Weiß, Hiedler und Göße, den Herren Sommer, Mödlinger, Krolop, Lieban, Bet, Philipp, Fränkel, Krasa unter Kapellmeister Weingartner's Leitung in Scene.

Königlichen Schauspielhau})e wird morgen Moreto?3 Lustspiel „Donna Diana“ mit den Damen Poppe, von Hochenburger, Lindner, Conrad, den Herren Matkowsky, Nesper, Arndt, Herßer gegeben. Adolf Müller aus Hamburg gastiert als Perin.

Das Neue Theater bringt morgen, am cios und Sonntag Wiederholungen des Schauspiels „Gifela® von Elsa von Schabelsky.

Mannigfaltiges.

Mittels vom 3. d. M. datierter Höchster Ordre Seiner König- lichen Hoheit des Prinzen Heinrih von Preußen, als des derzeitigen stellvertretenden Protektors der Kaiser Wilhelms-Stiftung für deutshe Invaliden, ist der General-Major z. D. Sasse auf seinen Antrag von der Führung der Geschäfte als Vorsitzender des Verwaltungs-Aus\chufses der Stiftung entbunden und der General- Lieutenant z. D. von Kloeden zum Vorsitzenden dieses Ausschusses ernannt worden. Das Bureau des Verwaltungs- Ausschusses befindet sich nah wie vor in dem Hause Hohenzollernfstraße 3 hierselbft.

Die Vifktoria-National-Invalidenstiftung hielt leute im Reichstag8gebäude ihre 26. Jahresversammlung ab. Dem von dem Vorsitzenden des ges{häftsführenden Auss{husses General von En erstatteten Berichte zufolge hat die Stiftung im leyten ahre 1019 Perfonen bezw. Familien mit 88169 # unterstüßt. 510 Invaliden aus dem Kriege von 1866 und Hinterbliebene Gefallener erhielten laufende Unterstüßungen in Höhe von 64907 4, 487 ein- malige in ME von 20632 M; 16 Invaliden wurden mit 2107 4 Kur- und Badebeihilfen Sein und 6 Invaliden bekamen neue künstlide Glieder mit einem Kostenaufwande von 523 #. 6887 M4 wurden den Zweigvereinen überwiesen; die Gesammtsumme der Aufs wendungen betrug somit 95056 #4, 3868 6 weniger als im Vor- jahre und 128 132 M. weniger als im Verrältungsjahre 1876/77, in welchem Jahre die Ausgaben die «größte Höhe erreichten. Aus der Pflege der Stiftung sind im leßten Jabre ausgetreten 91 Personen, neu in Pflege traten 16 Personen bezw. Familien. Die Verwaltung erforderte 8196 4, einer Offizierswittwe wurde außerdem noh ein zinsfreies Darlehen von 1500 Æ gewährt. Der Gefammt- auëgabe von 105 053 \( standen 44 186 4 Einnahmen gegenüber. Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich schenkte 1500 46, an Zinsen gingen 37783 ein. Zur Deckung - des Defizits mußten dem Vermögen 60867 # entnommen werden, und es verblieb ein Bestand von 920 492 46, eine Summe, die zur dauernden Erfüllung der der Stiftung zufallenden Aufgaben genügend erscheint. Unterstüßt wurde aub im leßten Jahre die Thätigkeit der Haupt- stiftung durch 99 Zweigvereine, welhe ihrerseits an 1001 Personen und zwar an 570: Invaliden und an“ 431 Hinterbliebene 46286 M vertheilten, d. h. 21 Personen mit 353 weniger als im Vorjahre. Das- Kapitalvermögen der Zweig- vereine hat fich von 573436 M auf 5664602 M. bers mindert. Seit der Begründung der Stiftung sind aus dem Zentral- fonds insgesammt 4 808 275 6 verausgabt, und zwar 4499 165 für Unterstüßungen, 23 231 4. für Kautionsdarlehen, - 250 934 46 für die Verwaltung und 34 945 4 an fonstigen Ausgaben.

(Fortseßung des Nichtamtlichen in der Erflen und Zweiten Beilage.)

+

Saal Bechstein. Donnerstag, Abends 74 Uhr:

Der Muster- | Konzert der Sängerin Emily Martinsfen.

[65218] Donnerstag, S. Februar, Abends 8 Uhr: In der Sing-Akademie Der Konzert

Sigismund Blumner.

Mitw.: Herr Konzertmeister Ludwig Bleuer und die Kgl. Kammermusiker Ad. Müller und O. Lüdemann. f Populäre Preise. E F Karten bei Bote u. Bock und Abendkasse. F

BPirkus Renz (Karlstraße). Donnerstag, Abends TE bé:

t Grande Soirée équestre.

100 Pferde in der Manege. U. a. Blondel und Meonstre-Tableau von 60 Pferden, vorgeführt vom Direktor Fr. Renz; Hurdle-Race mit 20 Pferden ; die Post, mit 12 Pferden geritten von Herrn Gustav ; Maëstoso und der Treiger Alep, ger. v. Frl. Oceana Renz; die Trapezkünstlerinnen Geshw. Hoffmann ; der Imitator-Clown Mr. Ybbs 2c. Zum Schluß: Ein Künstlerfest. Ueberra] chende Licht- und Wasser- effekte. Großes Pracht-Feuerwerk.

Freitag: Wiederholung der Parade-Festvorstellung von Kaisers Geburtstag.

Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Olga pon Mertens mit Hra. Major Eberhard von Kurowski (Hannover).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Pfarrer Uhle-Wettler (Obergebra). /

Gestorben: Hr. Major z. D. Eugen von Putt- famer (Eberswalde)- Hr. üjor a. D Ferdinand von Bredow (Potsdam). Hr. Land- erihts-Rath und Major a. D. Anton Ernst

ründler (Kottbus). Verw. Fr. Sanitäts-Rath

Iohanna Saland, geb. Weidehase, (Berlin). Hr. Ober-Amtmann Carl von Coelln (Breslau). Hr. Geh. Rechnungs-Nath Wilbelm Friedri Kraemer (Charlottenburg). Hr. Stabsarzt Dr. Ruprecht Zenthöfer (Charlottenburg).

Anfang

Die Bajazzi.

Anfang

Konzerte.

poniften Herrn Emil

Hartmann.

Anfang 7 Uhr. h ponisten.

Konzeri-Haus. Donnerstag: Karl Meyder-

Konzert unter freundliher Mitwirkung des Kom- Hartmann. Suite Nr. 1.“

Unter persönlicher Leitung des Kom-

Redakteur: Dr. H. Klee, Direktor.

Berlin: Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutshen Buchdruckerei und Verlags- Ansta!t Berlin 8SW.; Wilhelmstraße Nr. 32.

Sechs Beilagen (einshließlih Börsen-Beilage).

«Schottische „Die Sirenen.“

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

M 33.

Erste Beilag.e

Berlin, Mittwoch, den 7. Februa

1894,

Deutscher Reichstag. 42. Sizung vom Dienstag, 6. Februar, 1 Uhr.

Die zweite Berathung des Etats wird fortgeseßt. Die Diskussion über den Etat des Reichsamts des Sanern steht bei dem Ausgabefkapitel „Reichskommissariate“, zunächst „Auswanderungswesen“. i

Aus der Verhandlung, über deren Beginn bereits in der Nummer vom Dienstag berichtet worden is, tragen wir zunächst die beiden kurz erwähnten Reden im Wortlaut nach, welche der Staatssekretär Dr. von Boetticher zur Erwiderung auf die Anfrage des Abg. Bebel über öffentliche Häuser und dergl. in Hamburg gehalten hat.

Die erste Rede lautet:

Ich habe dem Herrn Abgeordneten darauf zu erwidern, daß mir der Vorgang, von dem er gesprohen hat, dur(- aus neu ist. Es ift bei uns feine Beshwerde und fkeine Klage eingegangen, die dazu hâtte Anlaß geben können, bei Hamburg zu intervenieren, und dem von dem Herrn Vorredner behaupteten Handel entgegenzutreten. Die öffentlißen Häuser in Hamburg sind auf Instanz des Bundesraths offiziell aufgehoben und ih weiß nit, ob ungeachtet dieser Verordnung, durch welche sie auf- gehoben worden, thatfächlich noch solche Häuser bestehen. Jh nehme zunächst an, daß dec von dem Hamburger Senat angeordnete Zustand auch polizeilich aufrecht erhalten wird.

Im übrigen halte ih die Bescheide der Staatsanwaltschaft, die der Herr Vorredner die Güte gehabt hat zu verlesen, nah Lage unserer Gesetzgebung für durhaus korrekt. “Sollte sich irgend ein Zu- stand bemerkbar machen, der in unserer Gesetzgebung nach der ange- deuteten Richtung hin eine Lücke erkennen läßt, fo werden die ver- bündeten Regierungen gewiß bereit sein, zur Ausfüllung dieser Lücke mitzuwirken, und ih bin infofern erfreut über die Anregungen des Herrn Vorredners, als sie mir Veranlassung giebt, der Frage näher zu treten, ob auf diesem Gebiet etwas geshehen muß.

Die zweite Rede lautet :

Die Auffaffung des Herrn Vorredners, daß aus meiner Erklä- rung die Existenz einer Lücke in der Gesetzgebung si ergebe, trifft doch nur unter der Vorausfeßung zu, daß die Thatsachen, die er hier berichtet hat, auch wirkli \sich so verhalten, wie er es berichtet hat. Zunächst haben wir es mit einer Denunziation zu thun, die von einem Denunzianten ausgegangen is, dessen Name nicht einmal bekannt is. Jh kann versichern, daß an das Reichs- amt des Innern auf diesem Gebiet bisher irgend welche Anregungen nicht herangetreten find. Die Klage über die öffentlichen Häuser in Hamburg ist allerdin38 wiederholt bei uns vernommen worden, und es ist noch eine Untersuhung hierüber in Hamburg an- läßlih der Vorarbeiten für die sogenannte lex Heinze vorgenommen worden. Bei diefer Gelegenheit hat der Senat in Hamburg uns mit der Auskunft versehen, daß er der Anregung des Bundesraths Folçce gegeben und die öffentlichen Häuser verboten habe. Ich habe vor- läufig keine Veranlaffung, einen Zweifel in die Berichterstattung des Hamburger Senats zu seßen, so lange mir niht Thatsachen vorliegen, die das Gegentheil bereisen.

Dieser Vorfall läßt aber von neuem erkennen, wie rihtig meine wiederholte Aufforderung is, daß man das Material über Mißstände im öffentlihen Leben doch der Regierung zugänglich machen möge ; denn wie fönnen wir darauf kommen, nah irgend welcher Richtung vorzugehen, wenn man uns die Kenntniß der Mißstände vorenthält! Und das ist bisher auf diesem Gebiet geschehen.

Jm weiteren Verlauf der Verhandlung nimmt nah dem Abg. Dr. Hasse (nl.) zur Beantwortung der von diesem ge- stellten Frage, ob die Neuvorlage des Auswanderungs- geseßes zu erwarten sei, das Wort der

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Das Einzige, was mir aus dem eingehenden Vortrag des Herrn Vorredners die Veranlassung zu eirer Bemerkung giebt, ist die Frage bezüglich des Schicksals des Auswanderungsgesetzes, das in der ver- flossenen Wintersession dem Reichstag vorgelegt war. Man hat davon Abstand genommen, den Geseßentwurf dem Reichstag jeßt von neuem wieder vorzulegen, weil man sich gegenwärtig gehalten hat, daß die diesjährige Session doch mit außerordentlich {weren und umfang- reichen Aufgaben belastet ist, und daß es nicht gut sei, au über die Kräfte des Reichstags voraus\ihtlich hinausgehen würde, eine fo wichtige und umfangreiche Vorlage in dieser Zeit au noch in Be- rathung zu nehmen. Ich widerstehe der Versuchung, so interessant das wäre, auf die Bemerkungen des Herrn Vorredners zum vor- jährigen Entwurf einzugehen, weil ih mir im gegenwärtigeu Moment den Dank des Hauses zu verdienen glaube, wenn ih eine Diskussion über die Auswanderungsfrage unterlasse, die ja gegenwärtig feinen reten Zweck hätte, zumal sie angesihts einer späteren Vorlage wiederkommen wird. Ich kann aber dem Herrn Vorredner meinen Dank für seine Bemerkungen aus\prehen; sie werden gewiß bei der Redaktion, welche die künftige Vorlage im Bundesrath erhalten wird, auch einer Würdigung unterzogen werden.

. Abg. Hüpeden (dkons.) befürwortet eine Mébere Fürsorge von NReichswegen für die deutschen Seeleute in frefnden Häfen; unsere [Eta rende deutshe Jugend unterliege in den fremden Häfen den [werten Versuchungen, die ihnen das Geld aus der Tasche ziehen und sie wirthshaftlich jund sittlih ruinieren. Redner weist hin auf das Wesen der Heuerbaase und Slafbaase, die die jungen Leute auf das scamloseste ausbeuten. An die Ohren dieser jungen Leute tônt dort tein religióses Wort ; in Saus und Braus wird das bishen Heuer verjubelt. Es sei eine Pflicht des Deutschen Reichs, den jungen Seeleuten zu Hilfe zu kommen, ihnen in den ausländishen Häfen eine neue Heimath zu (O in der sie eine Zuflucht finden. Solche

éemannsheime mit Lesezimmern u. dergl. würden so segensreih wirken, daß man es auf den Geldpunkt nicht anzusehen brauche. Die privaten “die Geer dieser Art leiden unter dem Geldmangel, und es bestehe die Gefahr, daß eine Station nach der anderen wieder ein- gehen müsse. Dänemark und Schweden gäben N Tausende von Kronen aus dem Staats\äkel für diese Zwecke her; mögen auch die verbündeten Regierungen {ih der Seemannsmission erinnern.

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Die Fürsorge für unsere Seeleute im Auslande liegt der Re- gierung schon jeßt am Herzen. Zu Gunsten unserer hilfsbedürftigen Seeleute im Auslande findet \ihZ bereits im Etat des Auswärtigen

Amts unter Kap. V Tit. 124 eine Position ausgeworfen, welche u. a. E

die Bestimmung Hat, die Kosten der Heimschaffung hilfsbedürftiger Seeleute aus dem Auslande in die Heimath zu bestreiten. Was aber insbesondere die Anregung des Herrn Vorredners an- langt, daß man von seiten der verbündeten Regierungen die Seemanns- mission, die in der That ja außerordentlich woblthuend wirkt, be- denken möge, so sind wir diefer Anregung bereits zuvorgekommen, zwar nihcht durch Einstellung einer Position in den Etat, wohl aber dadur, daß alljährlich seit einer Reihe von Jahren auf Antrag des Zentralaus\chusses für die innere Mission aus dem Allerhöchsten Dis- positionsfonds Mittel bereitgestelt sind, welhe den Zwecken der inneren Mission für Seeleute dienen sollen. Ich habe aus den ein- gehenden Berichten über die Verwendung dieser Mittel die Ueber- zeugung gewonnen, daß dieselben außerordentlich gut und wohlthätig angewendet find, und ih möchte an dieser Stelle nur meinen Dank allen denen ausfprehen, die selbstlos und gewissenhaft für eine zweck- entsprehende Verwendung der von Staatswegen bereitgestellten Mittel bemüht sind. Wenn die Dänen 4000 Kronen in den Etat eingestellt haben, so find wir ihnen noch über: wir haben bis jeßt regelmäßig 6000 bewilligt.

Abg. Dr. es (d. Refp.) ist verwundert, da das von dem Abg. Bebel erwähnte Material der Regierung ul nit genauer befannt gewesen is und daß“auh der Senat der Stadt Hamburg angeblich von garnichts weiß. Es handle sich doch um ganz; offenbare Dinge, um den Mädchenhandel, der in Oesterreich- Ungarn, in Deutschland und Rußland im Schwange ift : einen Handel mit io jen Menschenfleisch, die \{hlimmsten Ausartungen des Menschenkandels. Zufällig seien zahlreihe Personen, die diesen schimpflihen Handel trieben, jüdishen Glaubens. Die Zeitungen be- richten doch fehr häufig von Verlockungen und gewaltsamen Ent- führungen armer Mädchen durch diese europäishen Sklavenhalter. Selten kämen die Unglüdcklichen zurück, sie seien in den Freudenhäusern in Konstantinopel, Bombay u. st. w. lebendig begraben. Den Zeitungs- nachrihten müßten doch die polizeilihen NachforsGungen von Amts- wegen auf dem Fuße nahfolgen; das könne von den verbündeten Re- gierungen verlangt werden. :

__ Die Forderungen für Auswanderungswesen werden be- willigt. Bei der Position „Kommission für Arbeiter- stati tik“ spricht der

Abg. Bebel (Soz.) die Erwartung aus, daß der Bundesrath Beschränkungen der Normalarbeitszeit auf Grund der Gewerbe- ordnung bei den Bäckern und Müllern und sonstigen Arbeitern in der Leben8mittelbranche anordnen wird, über welche die Kommission Er- hebungen angestellt hat.“ Er fordert weiter die Ausdehnung der Unter- suchungen auf die Lokale, in welchen die betreffenden Arbeiten betrieben werden. Seine frühere Privat-Enquête über die Zustände im Bäerei-

ewerbe habe Thatsachen ans Licht gebracht, welche das Publikum mit

Biderwillen erfüllen mußten vor den Zuständen in den Arbeits- stätten, wo die täglichen Lebensmittel hergestellt werden. Die seit- dem von den Väckern und Anderen ebenfalls angestellten Unter- suhungen hätten feine damaligen Feststellungen nur bestätigt; es müsse aber darauf gedrungen werden, daß von Amts- und Polizei- wegen diefe Zustände unter]uht und die Mißstände beseitigt werden. Empörend sei vor allem der Zustand, daß Arbeits-, Schlaf- und Wohnraum in einem Raume vereinigt sind. Die Untersuchungen der Kommission seien demnächst auszudehnen auf die Fleischerei und die Brauerei, wo die Arbeitszeit ebenfalls eine ganz ungebührlih lange sei. Wie in dieser Beziehung, so verführen auch bezüglih des Ver- kehr8gewerbes die Behörden und die Gewerbe-Inspektoren niht mit der nöthigen Umsicht. Den Kutschern auf den Pferdebahnen werde bei einer übermens{lich langen Arbeitszeit zugemuthet, ununterbrochen zu stehen; bis heute habe die Berliner Polizei in dieser Richtung nihts zur Abhilfe gethan. Auch in Wäschereien betrage vielfach die tägliche Arbeitszeit 16—18 Stunden, die Löhne ständen dazu in um- gekehrtem Verhältniß. Redner wiederholt die Bitte um regelmäßige Ueberweisung der Drucksachen der Kommissionen an. die sämmtlichen Mitglieder des Reichstags; hundert Exemplare genügten nicht.

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Was die Nußbarmachung des Materials, das aus den Be- rathungen der arbeiterstatistischen Kommission hervorgeht, anbelangt, so wird der Bundesrath selbstverständlih demnächst in die Lage gesetzt werden, zu prüfen, was mit den Vorschlägen, welche die Kommission an ihre Untersuhungen knüpfen wird, zu machen sei.

Wenn nun der Vorredner des Breiterea sich über die Frage der Beschaffenheit der Arbeitsräume und der Wohnräume der arbeitenden Klassen ausgelassen hat, so glaube ih nicht, daß eine bloße Unter- suhung der thatsähliÞz vorhandenen Zustände ausreichen wird, um den Mißständen, die unleugbar auf diesem Gebiete bestehen, abzuhelfen. Man wird in dieser Beziehung ohne geseßlihe oder polizeilihe Vorschriften niht auskommen. Ich persönlich habe übrigens die Ueberzeugung, daß es außerordentlich {wer sein wird, von Reichswegen eine übereinstimmende Regelung der Beschaffenheit der Wohnräume und der Arbeitsräume vorzunehmen. Was die Arbeitsräume anlangt, so ist bereits vor einer langen Reihe von Jahren es war das im Jahre 1881 hier eine Kommission von Sachverständigen zusammengetreten, welhe sich mit der Frage der Beschaffenheit der Arbeitsräume beschäftigt hat. Diese Kommission is auch zu gewissen Vorschlägen gekommen, aber man hat sich damals davon überzeugt, daß das, was ih für den einen {chickt und für den einen paßt, sih für den andern niht \{chickt und für den andern niht paßt, und daß es, wenn man ganz außer- ordentlihe Schädigungen und Beschränkungen, die dem Zwecke der Sache nicht dienen, vermeiden will, kaum möglich sein wird, in dieser Beziehung eine übereinstimmende Regelung für das ganze Reich und für alle Gewerbetreibende herbeizuführen. Damit ist selbstverständlich nit ausgeschlossen, daß man von Obrigkeitswegen die Abstellung der Uebelstände, die fühlbar geworden find, in die Hand nimmt. Ich glaube aber, daß es viel richtiger ist, diese Abstellung im Wege einer lokalen Anordnung, beziehungsweise in einer Anordnung für ge- wisse größere Bezirke zu machen als von Reihswegen. Wollten wir uns hinseßen und uns zu verständigen suchen über bestimmte Vor- schriften, die bei der Benußung von Arbeits- und Wohnräumen beobahtet werden follen, so würden wir sehr bald zu der Ueberzeu-

gung kommen, daß eine Uebereinstimmung unserer Ans{hauungen über das, was nothwendig, und das, was möglich ist, niht zu erzielen sein wird. Uebrigens ist ja auch diese Frage im Fluß. Man ist in Preußen in verschiedenen großen Kommunen beveits damit beschäftigt, die Fräß#der Beschaffenheit der Wohnräume und der Arbeitsräume in Angriff zu nehmen, und ich kann diesen Bestrebungen nur Fortgang wünschen, denn ih erkenne mit dem Herrn Vorredner an, daß auf diesem Ge- biete noch außerordentlich viel zu bessern ist. Uebrigens will ich zu diesem Punkte noch ausdrücklich bemerken, daß diese Frage auch in der arbeiterstatistishen Kommission angeregt worden ist, und zwar von dem Vertreter der Königlih württembergishen Regierung. Derselbe hat, ausweislich des mir vorliegenden Protokolls, darauf hingewiesen, daß die Wohnverhältnisse der Lehrlinge und Gesellen im Bäckergewerbe überaus ungünstig! seien, und beantragt, die Kommission möge dem Herrn Reichkanzler anheim- stellen, die Bundesregierung üm eine Einwirkung dahin zu ersuchen, daß bei Gelegenheit der hier in Rede ftehenden Erhebungen die Polizeibehörden ihr Augenmerk den Wohnungsverhältnissen zuwenden und gegen vorgefundene Mißstände einschreiten. Dieser Antrag ist aber, nahdem der badishe Gewerbeaufsihtebeamte, Ober-Regierungs- Rath Dr. Wörrishofer fh dagegen ausgesprochen hat, unter Zu- stimmung der ganzen Kommission zurückgezogen worden.

Was nun die Erweiterung der Aufgaben der arbeiterstatistischen Kommission anlangt, so ist es selbstverständlich, daß auch die Gewerbe, deren Untersuhung in Bezug auf die Arbeitszeit der Herr Vorredner angeregt hat, im Laufe der Zeit von der Kommission der Erörterung unterzogen werden. Um in dieser Beziehung allen Wünschen und Ay- forderungen gerecht zu werden, wird aber, glaube ih, eine große Zeit nöthig sein, und man wird es der Kommission nicht verdenken können, wenn sie aus der reihen Auswahl von Industriezweigen zunächst die- jenigen in den Kreis ihrer Erörterungen zieht, bei denen sie eine Ab- stellung von Mißständen als vorzugêweise dringend ansieht.

Was die Arbeitszeit im Verkehrsgewerbe anlangt, bei dem der Herr Vorredner eine Abhilfe der Mißstände, die auf diesem Gebiet vorliegen, wünscht, so kann ich ihm mittheilen, daß der Königlich preußische Herr Minister für Handel und Gewerbe bereits der Frage näßer getreten ist, welhe Mißstände thatsählih auf dem Gebiet des Verkehrsgewerbes vorliegen, und daß sih an diese Untersuchung vor- aus\ichtlih auch Maßregeln knüpfen werden, welche geeignet sind, den vorhandenen Uebelständen zu begegzen.

Von einer übermäßigen Ausdehnung der Arbeitszeit bei den Wüäschereibetrieben is bisher bei uns nichts bekannt geworden. Mir ist die Sache neu. Soweit es sih übrigens um fabrikmäßig betriebene Unternehmungen handelt, ist für die in ihnen bes{chäftigten Arbeiterinnen die Arbeitszeit geseßlih auf 11 Stunden beschränkt.

Wenn der Herr Vorredner endlih den Wunsch ausgesprochen hat, es möchten die Drucksachen der arbeiterstatistishen Kommission sämmt- lichen Abgeordneten mitgetheilt werden, so bin ich zwar gern bereit, diesen Wunsch in nähere Erwägung zu ziehen ; aber ih gebe doh anheim, zu berüdcksihtigen, ob wirklich dem vorhandenen Bedürfniß (Zwischenruf) niht wahr, man erstickt {hon förmlih in dem Papier. Sehen Sie, Ihr Herr Kollege hinter Jhnen ist anderer Meinung (Heiterkeit) A, fo meinen Sie. Na, ich glaube dadurch, daß wir bundert Exemplare dem Reichstag liefern, die weitaus nit abgehoben werden, dem Bedürfniß und der Wißbegierde der Herren Abgeordneten hin- länglih Rechnung getragen zu haben, und da wir dech alle den Beruf haben, sparsam zu sein, so dachte ih, daß wir, wenn es sich auch um keinen großen Betrag handelt, auf diesem Gebiet mit dem, was wir bisher gethan haben, genug gethan haben. Jh werde aber gern bereit sein, namentlich, wenn dieser Wunsh von anderer Seite getheilt werden sollte, die übershüssigen Exemplare noch naczuliefern.

Abg. Bebel: Ih habe das Eingreifen der Reihs8gesetgebung bezüglich der Arbeits- und Wohnräume garniht verlangt. Jch habe nichts weiter gewünscht, als die Anweisung der Polizeibehörde dur ihre Zentralregierungen, von Amtswegen eine Untersuhung der be- treffenden Räume vorzunehmen, auf Grund deren dann Abhilfe dur die Landesbehörde bewirkt werden würde. Wenn die Bakstube zuglei als Gesinde- und Schlaffammer benußt wird, so muß do ofeabar von Polizeiwegen gegen diefen geseßwidrigen Zustand eingeschritten werden; wenn sie Kenntniß davon S hat, fo muß sie dagegen einschreiten, denn die Macht hat sie dazu. Es scheint ihr aber bis jeßt die Kenntniß vielfach zu fehlen. Daß die Wäscherinnen bis spät in die Nacht hinein, bis 10, 11 Uhr Abends und länger arbeiten müssen, kann Jeder sehen, der in Berlin durch die Straßen geht und einen Blick in diese Waschanstalten wirft.

Beim Kapitel „Statistishes Amt“ plaidirt der

Abg. Schönlank (Soz.) für die Einrichtung wirklicher Arbeits- Enquêten, in welchen das Parlament eine Rolle zu spielen hat : Gnquêten, wie sie England besißt und wie sie für die Politik dieses Landes die außerordentlihste Bedeutung erlangt haben. Dort kenne man das fontradiktorische Verfahren, bei uns vernehme man bloß die Arbeitgeber; dort seien sie öffentlich, hier geheim. Die deutschen Enquêten seien nur eine Stückarbeit mit bedingtem Werthe. Das Statistische Amt sei durhaus nicht befähigt, wirklihe Sozialstatistik zu treiben, seiner ganzen Organisation nah. Der Direktor Dr. von Scheel könne zwar eine solhe Statistik machen, aber er allein und mit den geringen Mitteln könne es thatsählich nicht. Redner wünscht nah dem Vorgange des Statistikers Georg von Mayer eine bessere Bevölkerungsstatistik, für welche die I Tabellenwerke nicht ausreihten, fragt nah den Gründen, weshalb seit 12 Fahren keine neue Berufs- und Gewerbestatistik veranstaltet sei, da man ih doch nicht länger mit den durchaus veralteten Zahlen von 1882 begnügen könne, und fordert größere Fühlung der Landesstatistik mit der Neichs- statistik, E bezüglih der allgemeinen Finanz- und der Unterrichtsftatistik. Die Landesstatistik würde dadur nicht gefährdet werden, sie würde vielmehr einen neuen Nimbus erhalten, während If jeßt namentlich in Bayern den Krebsgang gehe; die Reichsstatijtik aber würde an Uebersichtlihkeit sehr gewinnen.

Abg. Dr. Hasse (nl.) unterstüßt diese Anregungen in jeder Beziehung. Das Maß der Verpflichtung der einzelnen Länder zu statistishen Aufnahmen der Bevölkerungsverhältnisse sei viel zu klein; das Reich stelle hier zu erng Wfotdititigin, Eine materielle FeSMerng brauche deshalb.niht einzutreten. Da schon 1895 eine

olkszählung wieder bevorstände, sei es dringend ihn wenn die Reichsinstanz den Kreis der obligatorischen Siflungen der Einzelstaaten erweiterte. Ebenso dringend sei die Wiederholung der Berufs- und Gewerbestatistik.