1894 / 36 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 10 Feb 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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politik des Leiters des Reichs-Postamts, er ist dazu übergegangen, diese Politik eine miserable zu nennen, er hat si gestattet, den Chef des Reichs-Postamts ein fozialpolitishes Petrefakt zu nennen. Meine Herren, erlauben Sie mir, daß ich Ihnen in aller Ruhe einmal den Nachweis antrete, wie es denn mit diefer angeblichen so miserablen Sozialpolitik in Bezug auf die Punkte bestellt ist, die der Abgeordnete hier zur Sprache gebracht hat. Er hat uns vor- geworfen den Spar- und Vorschußverein, er hat uns vorgeworfen die Kaiser Wilbelm-Stiftung, er hat uns vorgeworfen die Lebensversiche- rung. Nun, die Herren, die etwas länger im Meichstage sigen als der Abg. Dr. Schoenlank, werden sich erinnern, daß bis zum Erlaß des Gesetzes vom Jahre 1873 für eine große Klasse von Unter- beamten eine Pensipneberehtigun nit bestand. Die Reichs-Postver- waltung ift in ihrer sozialpolitis en Auffassung der Dinge bereits im Jahre 1868 dazu übergegangen, diefen Mangel des Gefeßes durch eine organifierte Selbsthilfe unter ihrem Perional auszugleichen. Sie {loß Verträge mit guten, soliden Lebensversi herungen, erreichte durch den Abschluß dieser ae Erleichterungen in den Be- dingungen, unter denen die Unter eamten folch2 Verträge ihrer- seits eingehen fonnten, und sie gewährte aus den ihr zu Gebote stehenden Unterstüßungsmitteln einen Zuschuß zu den Prämien, die sonst noch ermäßigt wurden. Auf Grund folher Verträge haben denn viele Tausende von Postbeamten und Post-Unte: beamten ihr Leben versichert, und Tausende von Existenzen, die nach der Lage der da- maligen Geseßgebung sonst nach dem Tode ‘des Ecrnährers lediglih auf Unterstüßungen angewiesen wären, haben es uns gedankt, wenn nach dem Tode des Ernährers das durh diefe soziale Fürsorge angeschaffte kleine Kapital die Grundlage einer Existenz für die binter- bliebenen Wittwen und Waisen geworden ist. Wenn Sie das eine miserable Sozialpolitik nennen, dann verstehen Sie unter diesem Ausdruck etwas Anderes, als viele Parteien in diesem Hause es ver- stehen. Was ift es denn mit dem ‘Spar- und Vorschußverein, dem der Abgeordnete das Prädikat „berüchtigt“, mit dem er fonst au niht sparsam umgegangen ist, angeheftet hat? Meine Herren, die Wahrnehmung wird nit überraschen, daß in eiuer so großen Ver- waltung die Versuchung vielfah an Beamte herantritt. Sie _haben ja die Daten der Kriminalstatistik angehört. Jch kann Ihnen versichern, daß jeder einzelne Fall, wenn er vorkommt, uns fehr nahegeht ; und da wir der Meinung sind, daß, wenn man verwalten will, man nit bloß zu strafen, fondern vorzubeugen hat, damit nicht gestraft wird, fo ist im Jahre 1871 auf dem Boden der wirthscaftlihen Selbsthilfe eine Einrichtung ins Leben gerufen worden, durch welche die Leute, die in Verlegenheit kommen, aus den gemeinsam aufgebrahten Mitteln \ich helfen fönnen. Das sind die „berüchtigten“ Spar- und Vorschußvereine _des Vorredners. Nun weiß ich gar wohl, welche Mühe sich die Herren geben, es so darzustellen, als ob lediglich die shlehte Lage der Postbeamten sie dazu getrieben habe; aber die Sache liegt ganz anders. Es kann au bei dem ausreichendsten Gehalt dur Krankheit, plößlichen Tod eines Familienmitgliedes, durch andere erfreuliche Familienereignisse nehmen Sie einmal Zwillinge an es können Fâlle eintreten, in denen die leinen Ersfparnifse, die gerade im Hause sind, niht aus- reichen. Wenn der Mann niemand hat, der ihm bilft aus seiner Verlegenheit, dann kommt er in die Hände von Leuten, die ganz andere Zinsen nehmen, als der kee ags er kommt in die Hände von Leuten, die man im gewöhnlichen Leben „Kravattenmacher“" nennt, und wir haben in der Postverwaltung viele Fâlle gehabt, wo Geschäftsverbindungen mit dieser {limmen Industrie unsere Unter- beamten nachher auf die Anklagebank gebraht haben, zu Diebstählen und Unterschlagungen u. \. w. verführt haben. Dem haben wir vor- beugen wollen. Ih kann Ihnen versichern, nihts is eine wohl- thätigere Schöpfung gewesen, als diese. Aus eigener Initiative der Beamten hervorgegangen, besitzen diese Spar- Und Vorschußvereine jeßt ein Vermögen von 25 Millionen Mark beiläufig eine Ziffer, die do mit dem Schauergemälde, was der Vorrednèr von den hungernden und darbenden Postbeamten vorgeführt hat, etwas kontrastiert. (Sehr richtig!) Und wenn der Abgeordnete darauf hingewiesen hat, daß nur ein Drittel der Mitglieder von den Vorschußvereinen Gebrauch macht, dann ift gerade der Beweis geführt, wie rihtig diese Ein- rihtung is, wie oft es dort vorkommt, daß nicht bloß die Unter- beamten, sondern daß alle Beamten ich felbst bin Mitglied einmal im gegebenen ple davon Gebrauch machen. Ich weiß nicht, wie man das Herz haben fann, das eine berüchtigte Einrichtung, eine Frucht berüchtigter Sozialpolitik zu nennen. Das Dritte, was er uns vorgeworfen hat, ift die Kaiser Wilhelm-Stiftung. Es sind ja Viele noch zu meiner Freude im Reichstag, die an dem kleinen wohl- thätigen Gesetz von 1871 theilgenommen haben. Der illustre Be- fürworter des Weseyes, der damals nicht das einzige Mal für die Post- beamten das Wort ergriff, der selige Graf Moltke, ist allerdings nit mehr unter uns; aber Sie erinnern sih, um was es sih handelt. Während des französischen Krieges hatten unsere Feldpost- relais nicht bloß den Kriegspo|stdienst zu versehen, sondern au die Landespost, die von den Franzosen verlassen worden war. Sie hatten die Taxen erhoben, und nach Bestreiten der Abzugskosten war ein j kleiner Ueberschuß übrig geblieben von etwa 120000 Thalern; daraus is mit Zustimmung des Reichstags diese Kaiser Wilhelm-Stiftung entstanden, die si inzwischen dur weitere Zuwendungen auf die Summe vermehrt hat, die der Abgeordnete genannt hat. Nun meinte er, diese Stiftung würde bloß für die höheren Beamten verwendet. Er hat sich bezogen, wie es schon im vorigen Jahre ein anderer Herr gethan, auf die Ausgabe- posten, womit einige Freistellen in dem Kaiser Wilhelm-Stift für höhere Töchter errihtet worden sind. Erstens aber gehen die Studien des Abgeordneten doch noh nit tief genug; er übersieht, daß diese Ausgabe zwar unter den laufenden erscheint, aber nicht von den laufenden Einnahmen bestritten worden ist, sondern von dem Kapital, von dem durch Sammlung erworbenen Kapital, wozu wir statuten- mäßig berechtigt sind. Es ist also keineswegs etwa die ganze Summe entzogen worden der Ausgabe des Jahres; das ist durchaus nicht der Fall. Sodann will ih ihm zu seiner Beruhigung mittheilen, daß wir ähnlihe Aufwendungen in anderen Jahren für die Kinder der Le teamen gemacht haben; wir haben die Zahl der Frei- tellen, die wir in dem vortrefflich eingerihteten Waisenhause in Glienide haben, die wir von preußischer Seite vor efunden haben, aus den Kapitalmitteln derselben Kaiser ilhelm- Stiftung auf die Zahl von 12 Stellen erhöht. Sn jener Stiftung, die dem Abgeordneten anstößig ist, haben wir nur vier Freistellen. Wir haben die Zahl der Freistellen in dem Waisenhause zu Bunzlau erhöht. Alle diese sind aus\chließlich für Kinder der Unterbeamten bestimmt. Man kann also durchaus nicht sagen, daß wir die Kaiser Wilhelm-Stiftung aus\{ließlich zu einseitigen Zwecken brauhten. Ich protestiere gegen diese Unterstellung und rathe dem Abgeordneten, ehe er mit folher Zuverlässigkeit Behauptungen aufstellt, künftig in seinen Quellen etwas besser si vorzusehen. Nun komme ih zur Hauptsache. Die Anklage geht dahin, daß die Nang darauf ausginge, die Lage der Unterbeamten möglichst jerabzudrückten und möglichst mit agner, wie der Auêsdruck ge- braucht wird, zu wirthschaften. Der Abgeordnete ist so weit gegangen, zu sagen, wir hätten 100 000 Tagelöhner bei der Neichs-Poîtverwal- tung. Wie er das» ausrechnet, das weiß ih niht. Die Sache ist die, daß unter dem Gesammtpersonal von 137 000 Köpfen, was wir bei der Postverwaltung haben, zunächst eine sehr große Zahl von Leuten auéscheiden, die mit der Post in einem rein kontraftlihen Verhältnisse stehen. In dieser Zahl stecken z. B. die 15- bis 16 000 Posthilfsstelleninhaber, die ehrenamtlich die kleine Mühewaltung des Briefeinsammelns übernehmen, vielleiht eine ganz geringe Ent- schädigung bekommen. Wenn man die als Tagelöhner bezeihnen will, thut man den Leuten außerordentlich unrecht, es sind meistens recht bemittelte Bauernhofbesißer, die si dieser Ehrenleistung unter- ziehen. Es befinden sih ferner darin die 7000 Postagenten, die, wie Sie wissen, nur nebenamtlich das Amt bekleiden, die wir als nicht angestellte Beamte bezeihnen; ferner die Postillone, die Posthalter, weiter die 11 000 Unterbeamten , die nur stundenweise, nur als Aus- helfer am Sonntag und - dergleichen beschäftigt sind zur Durchführung der Sonntagsruhe. Von den 137 000 Menschen {heiden von vorn-

herein also, ih will sagen, etwa 37 000 aus, für die die etatsmäßige Anstellung überhaupt garniht in Frage kommen fann. Es bleiben also 100 000. Nun haben wir in der Reichs-Poftverwaltung 62000 Featdwalige Stellen. Es bleiben also 38 000 Personen, die nicht etatsmäßig, als Beamte und Unterbeamte zusammengenommen, bei der Postverwaltung si befinden. Wir erkennen gern an, daß dieses Verhältniß nicht fo günstig ist, wie es sein sollte; wir geben uns auch alle Mühe, dieses Verhältniß zu verbessern. Der gegenwärtige Etat ist dafür ein redender Beweis, denn er \{lägt Jhnen vor und wir haben die Zustimmung Ihrer Budgetkommission dafür gewonnen —, die DA der oto Beamtenstellen um mehr als 1C00 und die Zahl der etatsmä igen Unterbeamtenstellen um mehr als 2200 zu ‘ver- mehren. Also Sie sehen eine recht fräftige Vermehrung! Und wenn, wie ih hoffe, in gleihem Maße weiter vorgegangen wird, fo wird dieses Verhältniß von 62 : 38 in jedem Jahre si noch besser estalten. Nun aber weiter. Unter diesen 38000 Nichtangestellten efinden sih beinahe 20000 fogenannte ändige Post-Hilfsboten. Gerade in der Behandlung dieser „ständigen Post-Hilfsboten“ kann ih Ihnen nachweisen, wie verschieden in Wirklichkeit unsere Sozial- politik von dem Bilde ist, das der Vorredner entworfen hat. Als der Staatssekretär Dr. von Stephan die Verwaltung übernahm, war die Sache im wesentlichen so, daß wir angestellte Unterbeamte bei größeren Aemtern hatten als Briefträger und Postshaffner. Die Zahl der angestellten Landbriefträger z. B. war eine vershwindend geringe, sie belief sich im Jahre 1870 höchstens auf 3000. Die anderen im Landbestelldienst befindlichen Kräfte wurden ledigli aus Pauschquanten bezahlt. Nun, meine Herren, sind wir dazu übergegangen, bei allen Aemtern der zweiten Gruppe, bei den Postämtern Il und das find zwischen 700 und 800, die wir jeßt haben an Stelle der lediglich im hain i der Vorsteher vorgefundenen Kräfte etatèmäßige Unterbeamte erauszubringen. Infolge dessen hat sih das Verhältniß der etats- mäßig angestellten Unterbeamten zu den nit angestellten Unter- beamten im Laufe der Amtsverwaltung des Staatsfekretairs Dr. von Stephan erheblih verbessert. Die Quelle, aus der der Abg. Dr. Schoenlank ges{chöpft hat, ist mir wohl bekannt ; aber ih fann ihm verfichern, daß alle Ziffern, die er daraus entnommen bat, unvoll- ständig und unrichtig sind. (Lachen links.) Ja, das Lachen wird Ihnen da nichts helfen; es sprechen hier die T und Zahlen, mit denen ih-hier vorgehe. (Bravo! rechts.) un aber weiter: diejenigen Unterbeamten, die als ständige Hilfsboten fungieren, die waren 1870 einfach ad nutum entlaßbar: fie bekamen ihre Löhnung aus der Ade der Vorsteher der Aemter; jegt bekommen sie einen festgeseßten Sold aus Reich8mitteln, jeßt können sie nur ent- lassen werden, wenn nit ganz grobe Vergehen vorliegen die bei allen Beamten sofortige Entlassung nach {ih ziehen, nit bloß bei dieser Kategorie —, nah vierwöchentlicher Kündigung; jeßt wird ihnen im Fall der Erkrankung, so gut wie den angestellten eamten, ihr Diensteinkommen auf 13 Wochen unverkürzt be afen; sie brauchen der Kranken - Unterstützungskasse nicht beizutreten, weil sie virtuell die Rechte der angestellten Beamten bereits haben; und wenn sie in einem solchen alle dienstunfähig werden, wird nit bloß für den Fall der Dienstbeshädigung, wo bekanntlich das Fürsorge- ge!eß von 1886 plaßtzgreift, sondern wenn sie infolge von Krankheit dienstunfähig werden, Pension gewährt. Auf Grund des 8 37 des Reichsbeamtengesetzes bekommen fie dieselbe Pension, die sie bekommen würden, wenn fie angestellte Unterbeamte wären; ja, wenn sie Frau und Kinder hinterlassen, unterstüßen wir diese aus dem Unter- stüßungsfonds nah derselben Analogie wie die Wittwe und Waisen eines angeftellten Beamten. Nun frage ih, is das eine „miserable Sozialpolitik“? Jch meine, daß man da thut, was man kann, und mehr kann man von uns nit verlangen! (Bravo!) Wir vermehren die Zahl der Angestellten, wir beben die Stellung der Nicht- Angestellten, und das follte ih meinen sollte Jhnen genügen ! Und damit will ich \ch{ließen. Ich hoffe, daß, wenn ih etwas Wichtiges vergessen haben sollte, sih noch später Gelegenheit finden wird, das einzeln zu widerlegen. (Bravo!)

Abg. Sch midt- Elberfeld (fr. Volsp.) tritt für die Herabsezung des Briefportos und für die Erhöhung des Höchstgewichts für ein- fahe Briefe ein. Der vom Staatssekretär befürhtete Ginnahmeausfall würde dur die Zunahme der Briefe wieder ausgeglichen werden.

Staatssekretär Dr. von Stephan:

Meine Herren! Wie ih {hon im vorigen Jahre auf die gleiche Anregung seitens des Herrn Abgeordneten, der eben spra, aus- geführt habe, würde es der Postverwaltung für den Verkehr ganz erwünsht sein, wenn diese Maßregel durchzuführen wäre. Es ist aber lediglih eine Finanzfrage. Die Zahl i damals vom RNRegierungstishe aus auf etwa 5 Millionen an- gegeben worden, und zwar nur für Briefe zwishen 15 und 20 g; es ist ein Irrthum, wenn der Herr Abgeordnete an- nimmt, daß die Briefe bis zu 100 g darin begriffen seien. Nur für die Briefe also, bei denen eine Ermäßigung auf 10 4 in Frage käme, würde der Ausfall den Betrag von 44 bis 5 Millionen jeßt wahrscheinlih über 5 Millionen ausmachen. Wir können eine folhe Maßregel niht in dem Augenblick ergreifen, wo im Reich diese großen finanziellen, ich möchte sagen, Bedrängnisse herrschen. wo die Steuervorlagen die Kommission beschäftigen. Es wird ganz unmöglih sein, dem Finanz - Minister jeßt damit zu kommen, und wenn ich so thôriht wäre, dies zu thun, so würde er mich hinauskomplimentieren und sagen: es ist im Augenblick gar- niht denkbar, eine solche Maßregel zu ergreifen. Also überlassen Sie uns die Initiative hierzu, ich bin überzeugt, daß eine günstige Gelegenheit fommen wird. Wir werden hon den reten Augenblick wählen, wo wir Aussicht haben, weiter zu kommen als über die Schwelle des Herrn Reihs-Schaßsekretärs, denn da werden wir fest- gehalten, um nicht vom Bundesrath oder gar vom Reichstag und Ihrer Budgetkommission zu sprechen.

Ich hatte aber hauptfählich um’s Wort gebeten, weil ih noch zwei Generalpunkte erledigen wollte, die mein Kollege Dr. Fischer nicht berührt hat, weil ich ihn gebeten hatte, sich auf die Personalien zu beshränken. Der Herr Abg. Dr. Schoenlank begann seine Rede damit, daß er sagte, die württembergische Regierung habe verschiedene Maßregeln im Lokalverkehr getroffen, mit denen sie der Reichs- Postverwaltung eigentlich vorangekommen sei. Nun, meine Herren, wenn die Königlich württembergishe Regierung diese Maßregeln ergriffen hat und das ist richtig —, so wird sie natürli ihre guten Gründe dafür gehabt haben; sie hat von ihrem Reservat- recht Gebrauh gemacht, was ihr niemand bestreiten kann und bestreiten will. Die Gründe, die sie gehabt hat, mögen in der württem- bergishen Kammer abgefragt worden ; diese Angelegenheit gehört nicht hierher, es is eine res interna der württembergishen Regierung. Das württembergishe Postwesen ist eben eigenthümlih beshaffen; es erweist fih als eine Verquickung des alten Taris’\cen Lehnépostwesens mit einem sogenannten Amtsbotenwesen, welch leßteres sih da als eine Art Nkbenpostierung, wie man es im Mittelalter nannte, seit langen Jahren eingebürgert hat diese alte Tradition besteht dort noch bis auf den heutigen Tag und hat der württembergishen Post- verwaltung, welche im Jahre 1851 an die Stelle der Taris’schen Post getreten ist, vom Standpunkt der Einheit ausgesprochen, {hon mit- unter rechte Verlegenheit bereitet; soviel ih erfahren habe, ist jeßt ein Abkommen getroffen, um dort mehr Einheitlichkeit in die Sache zu bringen.

Nun hat der Herr Abgeordnete verschwiegen ih nehme gan daß er es niht gewußt, selbstverständlih nicht, daß er es absichtli vershwiegen hat —, daß gleichzeitig mit dieser Ermäßigung cine nit unerhebliche Erhöhung der Lokaltaxen in Württemberg eingetreten ift und daß die ganze Maßregel doch in Württemberg selbs sehr erbeb. liche Bedenken erregt hat. Jh habe hier nicht die „Kölnische Zeitung* von der der Herr Abgeordnete meinte, daß sie in ihren postalishe, Artikeln von mir inspiriert wäre, was durchaus niht der Fall it sondern ein württembergisches Blatt, das Ulmer Tageblatt, das, soviel ih weiß, auch ein regierungsfreundlides Blatt ist. Darin beißt es;

Wenig glücklich dagegen war die Portotarifreform seitens der General-Direktion der Posten und Telegraphen. Die Ermäßigung des Loktalbriefportos von 5 auf 3 4 erweist sich mehr und mebr als eine reine fisfalishe Maßregel zur Bekämpfung der Stutt, garter Privat-Stadtpost, während die Erhöhung des Briefportos und noch mehr des Packetportos im Ober-Amtsbezirk und im Zehnkilometer-Verkehr unter den Geschäftsleuten vielfa und mit Necht große Verstimmung hervorgerufen hat. Wie verlautet, fo[[ diese Postangelegenheit auch in der Kammer der Abgeordneten zur Sprache gebraht werden; mehrere Handels- und Gewerbevereine des Landes haben fi gegen diese Portovertheuernng in Resolutionen und Petitionen ausgesprochen.

Ich habe hier ferner vor mir liegen das Amtsblatt der Königlich württembergishen Verkehrsanstalten vom 19. Januar 1894, worin anerkannt wird, daß „diese verschiedenen Taren sowohl feitens des Publikums als auc seitens der Postanstalten theilweise unrichtig ar, gewendet werden“. Und das ist kein Wunder, weil man si dort durd diese neueste Reform vom Prinzip der Einheit und also auch de Einfachheit erhebliG entfernt hat. Es werden da unter, schieden Taxen für den Verkehr innerhalb des Postorts (Post ortsverkehr), zwischen verschiedenen Orten des Bestellbezirks der Aufgabe - Postanstalt (Landbezirksverkehr), zwischen Post- anstalten, welche bis zu 10 km von einander entfernt find (Zehnkilometerverkehr) und zwischen verschiedenen Orten desfelben Ober-Amtsbezirks (Ober-Amtsverkehr). Nun, meine Herren, daß wir diesen Schritt nicht mitmachen können und mitmachen wollen, - davon glaube ich ist die große Mehrheit der Mitglieder des Reichs- tags überzeugt, und îch kann. mi jeder weiteren Ausführung darüber enthalten.

Ich möchte noch das bemerken: Cin Vergleich mit einzelnen Einrichtungen anderer Länder gegen die unsrigen is überhaupt nit statthaft; wenn Sie Vergleiche anstellen wollen, dann stellen Sie sie an zwishen ganzen Zuständen, also etwa zwishen den Post: zuständen in Bayern, Belgien, der Schweiz, Württemberg und den unsrigen überhaupt; das wollen wir uns gern gefallen lassen. Im übrigen nehmen wir sfouft das Gute, wo wir es finden, aber es muß auh in der That etwas Gutes sein.

Dann hat der Herr Abgeordnete an zweiter und legter Stelle seiner generalia über den Fernsprehverkehr in Württemberg gesprochen und hat gemeint, es habe, seitdem die Taxe auf 100 (A ermäßigt sei, eine erheblihe Steigerung stattgefunden. Er hat uns aufgefordert, das nach- zumachen, hat aber dabei übersehen, daß Württemberg uns die Ermäßi- gung nachgemacht hat. Wir sind bereits #885 mit einer Ermäßigung vorgegangen. Wir haben damals {hon den Saß, welcher allgemein 200 46 betrug, auf 150 M ermäßigt. Daß wir jeßt niht weiter ge- gangen sind, liegt einfa daran, daß es einen Ausfall von etwa 5 Millionen Mark jährlih verursahen würde. Jch bin fest überzeugt, wenn diese Angelegenheit im Bundesrath zur Sprache käme, so würde die württembergishe Negierung, die das bei ih selbst wohl einführen konnte, bei der jeßigen Finanzlage des Reichs dagegen stimmen, daß diese Maßregel im Reichs-Postgebiet einträte. Außerdem hat sich der Herr Redner getäusht in Bezug auf die Wirkung der Maßregel. Er hat gesagt, in Württemberg seien die Fernsprechftellen von 1054 im Jahre 1389 auf «3188. m Jahre: 1893 géstieac In Bayern, meine Hérren, wo keine Ermäßigung stattgefunden hat, wo man alfo auf 150 M stehen geblieben ift, waren im erftgenannten Jahr 4071 Sprechstellen vorhanden, und es hat bis 1893 eine Vermehrung auf 8807 stattgefunden, also eine Vermehrung in fast demselben Verhältniß wie in Württemberg. Mithin ist auch die Folgerung, die der Herr Abgeordnete daraus gezogen hat,

vollständig hinfällig. Im. deutshen Reichs - Telegraphengebiet haben ,

wir sogar eine Vermehrung der Fernsprech\tellen um das Fünffache gehabt. In Württemberg kommt jeßt eine: Fernsprechstelle auf 590 Einwohner und im Reichs - Telegraphengebiet auf 570 Einwohner. Stadt-Fernsprechanstalten haben wir in 366 Orten mit 81 093 Sprech- stellen, in Württemberg bestehen solhe Anstalten nur an 21 Orten mit 3188 Sprechstellen. Nehme ih an, daß Württemberg den zwanzigsten Theil des deutshen Postgebiets ausmacht, fo steht in der Beziehung das deutshe Reichs-Postgebiet do voran.

Ich möchte also dem Herrn Abgeordneten rathen, ehe er derartige Zahlen mit einer folHen Wucht vorbringt und daran solche Folge- rungen knüpft, doch zuerst zu untersuchen, wie es bei uns aussieht, um richtige Vergleiche zu ziehen; andernfalls haben solhe Angaben effektiv keinen anderen Werth, als die Zeit zu füllen und Sie hier in Anspru zu nehmen. (Sehr richtig! rechts.)

Das wollte ich noch über diese Sache sagen. /

Ein Eingehen auf die anderen Angelegenheiten behalte ih mir für die einzelnen Titel vor. (Beifall bei ‘den Nationalliberalen

und rechts.) | Abg. S chmidt - Elberfeld (fr. Volksp.) : Es sind im Deutschen Reich 56 Millionen Doppelbriefe versandt worden ; nad) der Angabe des Staatssekretärs müßten also 90 9/6 aller dieser Briefe ein Gewicht bis zu 20 g gehabt haben. Das ist nit der Fall ; jedenfalls müßte der Beweis dafür erst statistish erbracht werden. E Diréttor li Neihs-Postamt, Wirklicher Geheimer Nath Sau führt aus, daß nah einer 1891 erhobenen Statistik die Zahl der Doppelbriefe bis 20 g 45 Millionen betrug, der E würde also 42 Millionen betragen. Wäre die Erhöhung des Gewichts dur- geführt, so würde sie auch im Weltverkehr unumgän N einzuführen ein, das ergäbe einen weiteren Ausfall von 14 Millionen. Die Zahl der Briefe von 15 bis 20 g betrug damals 6,4 Millionen, die Zahl derjenigen zwischen 20 und 250 g 6,8 Millionen aller Briefe. Abg. Shmidt- Elberfeld (fr. Volksp.) bestreitet die Richtigkeit dieser Angabe, da sie mit den von dem Staatssekretär Dr. von Stephan früher geäußerten in Widerspruch stände. Nach der Angabe der Prozentzahl sei die Zahl der Briefe zwischen 15 und 20 g nicht einmal ganz fo viel wie die zwishen 20 und 250 g. Direktor im NReichs-Postamt, Wirklicher Geheimer Rath Sachße bleibt bei feinen Zahlen stehen; es hätte die Zahl der Briefe zwischen n und 20 g 1891 45, die der Briefe über 20 - 474 Millionen etragen.

“92 Millionen. Diese Zahl muß fals

Abg. Schmidt (fr. Volksp.): 45 + 47 Millionen sind Kabi dee sämmtlichèn Briefe üker 15 2 if 56 orge istik ist die er sammtlichen Briefe über 15 g au

ria 2 Dieser Widerspruch ist mehr als seltsam und bedarf drin- gend “der Aufklärung. : E

Abg. Casselmann (fr. Volksp.) wünscht Fernsprechan\s{luß von Eisenah nah Halle resp. Erfurt, außerdem die Zulassung von boxes in größerem Maßstabe für die Kaufleute.

Staatssekretär Dr. von Stephan:

Meine Herren! Die Frage des sogenannten Borxsystems ist in früheren Jahren vielfah von der Postverwaltung studiert worden, auch durch Kommiffarien, die wir ins Ausland entsandt haben. Die Sache hat manches Verführerishe für den Handels\tand, sie hat aber au ihre großen Schattenfeiten, besonders bei den Einrichtungen in Deutschland; wir haben die boxes auch in Bremen und in Mannheim sorgfältig erprobt; es haben sich da aber do verschiedene Uebelstände her- ausgestellt, die es niht wünschenswerth erscheinen lassen, diese Einrichtung in Deutschland zu treffen. Es waltet der große Unterschied ob, daß im Ausélande, in England und Frankrei, die Post mit Geldscheinen nihts zu thun hat. Müssen diese in diese Fächer niedergelegt werden, so ist für das Publikum und die Angestellten in den betreffenden Ge- schäften die Versuhung sehr groß, \ich Nachshlüfsel zu den boxes machen zu lafsen; die Sicherheit tes Postverkehrs if also gefährdet. Die Poftverwaltung kann natürli nicht die Haftpflicht für diejenigen Sendungen übernehmen, die in den Kästen jedem, der einen Nach- hlüfsel besißt, zugänglich sind.

Das ift einer der wichtigsten Gründe. Hierzu kommt aber noch, daß wir unser hauptsächliches Augenmerk auf die Vervollkommnung der Bestelleinrißtungen richten ; denn diese kommen dem ganzen Publikum zu statten und nit bloß den Kaufleuten, oder vielmehr den Groß- faufleuten, die fih besonders unter den Abholern befinden. In an- deren Ländern sind die Bestelleinrihtungen hinter den unseren wesent- lih zurück, und da ist es allerdings nothwendig, folhe Fahwände einzurichten. Uebrigens wird in allen diefen Ländern eine Gebühr, und zwar eine jährliche und niht etwa eine geringe für diese Fächer erhoben; das können wir aber nah dem Gefeß niht und würden es auch nit thun. Nun bedenken Sie die Ausdehnung, welche solche Schränke ein- nehmen würden ! Wenn das Publikum von der Einrichtung viel Gebrauch machte, so würden Sie noch ganz andere Summen für die Posthäuser bezahlen müssen, als bisher {on geschehen ist. Ich möchte meiner- seité alles vermeiden, was etwa die Ansicht hervorrufen oder bestärken föônnte, als ob die Post besonders kostspielig baut. Jm Gegentheil, sie shränkt fich ein wo sie kann, und bemüht sich, die Postbaukosten zu verringern.

Das sind die Grimde, meine Herren, die uns dazu bestimmt haben, diese Einrichtung nicht einzuführen. Es hat ih übrigens noch nirgends ein Bedürfniß herausgestellt, d. h. das, was man wirkli ein Bedürfniß nennt: wohl ein Wunsch mitunter, und zwar meistens von Leuten, welche diese Einzelheiten nit kennen können. Ich nehme das übrigens niemandem übel.

Was die zweite Frage anbetrifft, so hat der Herr Abgeordnete

oder der Herr Bürgermeister in Eisenach bereits Bescheid bekommen, daß die Stadtfernsprecheinrihtung hergestellt werden soll. 2 Abg. Shmidt-Warburg (Zentr): Der Staatssekretär Dr. von Stephan sagte heute und sagte jüngst in einer Gesellschaft, daß bei den Postbauten aller Luxus vermieden werden müsse. Lediglih für Baukosten B aube find Summen von 300 000 M4 bis über 1 Million in den Etat eingestellt. Man projektiert kostbare Sandsteinfassaden mit vornehmer Architektonik, die wirkli nit diesem guten Vorsaß entsprechen. Von der beab}ihtigten Sparsamkeit des Reichstags ist hier auch nichts zu merken, denn die Budgetkom- mission hat faum etwas Nennenswerthes gestrihen. Man follte doch durhweg Ziegelsteinbauten errichten.

Abg. Dr; Enneccerus (nl.) ift im allgemeinen der Meinung wie der Vorredner. Die Ausführungen des Abg. Dr. Swhoenlank dürfen niht ohne Antwort aus dem Hause bleiben. Die Postverwal- tung ist keine Uebershußverwaltung, welhe die Uebershüsse durch leit fe Bedrückung der Unterbeamten herausarbeitet. Von einer Veberschu verwaltung zu reden ist eine Legende. Die Postverwaltung bringt lange nicht alles auf, was fie kostet; fie erhâlt eine Summe von Gratisleistungen der Einzelstaaten, welhe ih für Preußen allein auf 24, im ganzen auf mindestens 40 Millionen verehnet. Hiernach bringt die Post keinen Üebershuß ein, wenn au ein folcher von 24 Millionen zu den Neichseinnahmen gelangt. Die Postbeamten haben ja stets zahlreihe Wünsche geäußert und viele darunter sind berehtigt gewesen. Mit aller Kraft werden wir au für eine Besserung des Verhältnisses der angestellten zu den

nidt angeftellten Beamten eintreten, die gegenwärtig vorgeschlagene

Vermehrung ist nur eine kÉleine Abschlagszahlung. Auch die Unterstüzungsfonds _follen hauptsählich den Unterbeamten zu Gute kommen. „Hält der Abg. Dr. Schoenlank dafür, daß das niht geschehen is, so bätte er in der Kommission amtliche Auskunft verlangen müssen; er hat aber bloß hier im Plenum

einen einzigen Fall angeführt, der niht unter Beweis gestellt ist, Auch für die Poftbeamten sind wir mit demselben Wohlwollen erfüllt wie er. Aber gegen die Art und Weise, wie er die Be- {werden der ostbeamten hier verwerthet hat, erhebe ih energischen Protest. Er hat hier nur eine sozialdemokratische Agitationsrede gehalten. Er hat das Verwaltungss\ystem in den \chwärzesten Farben Pot: Damit mag den Sozialdemokraten gedient sein, niht den Vostbeamten. Auch wir wollen das System der Dienstalterszulagen sür die Postbeamten einführen; der gegenwärtige Etat läßt die Ein- sührung aber niht zu, weil dadurh den Unterbeamten sehr erhebliche Naththeile zugefügt würden.

Staatssekretär Dr. von Stephan:

Meine Herren! Mit der leßten Anführung des geehrten Herrn Vorredners stimme ich vollständig überein, er hat die Rede des Herrn Abg, Schoenlank durchaus rihtig charakterisiert. Jch wollte nur einen etnztgen Punkt berühren, um darüber kein Mißverständniß aufkommen zu lassen. Jm übrigen erkläre ih mich mit allem einverstanden, was er gesagt hat; sowohl bezüglih der Dienstalterszulagen, als wegen der Vermehrung der etatsmäßigen Stellen sind wir vollständig mit ihm einer Meinung. Aber betreffs der

“ftungen dex Gisenbahn für die Postverwaltung, die er auf 24 oder % Millionen Mark beziffert hat, möchte ih mir do die Bemerkung erlauben, auf die Rechtsfrage gehe ih garnicht ein, die ist ja auch farnicht angerührt worden daß die von ihm bezeichnete Summe "ur einseitig von den Eisenbahnbehörden aufgestellt ist, daß die Post- verwaltung niemals darüber gefragt worden ist, und daß wir unserer- led auf diese Zahlen keinen Werth legen, sondern nur eine solche vahl anerkennen können, die in einem fontradiktatorischen j oren : ¡wischen beiden Verwaltungen festgelegt worden N würden dabei ganz andere Zahlen herauskommen. Ich weiß auf t daß für das Nangieren der Postwagen, für jeden Wagen, der id nem Bahnhof hin- und. hergeshoben wird, die Postverwaltung vibt M zahlen hat. Das macht für manche Bahnhöfe 180 4 und 1 weit über die Selbstkosten der Eisenbahn hinaus, die doch die

Maschinen geheizt halten muß, um ibre eigenen Wagen hin-, und her- zuschieben. So finden \sih noh eine ganze Menge anderer Punkte, z. B., nur um eins zu erwähnen: ich habe tdiei Notiz nicht bei mir, aber mir ist [die Sache gegenwärtig wir zahlen 7 % Miethe für die Dienstlokale auf den Eisenbahnen ; in anderen Ländern bestebt die Verpflichtung, die Dienstlokale ganz unentgeltlih herzugeben, und zwar deshalb, weil es ein Aequivalent ist für das abgegebene Postregal, welches die Staaten an die Eisen- bahnen abgetreten haben. Uns maten die Eisenbahnen sehr erheb- lihe Ausgaben ; denn, wenn die Eisenbahnen niht wären, würde die Postverwaltung um 11 Millionen Mark billiger fahren als es jeßt der Fall ist. Das muß doh auch auf Rechnung gestellt werden, und zwar auf der Rükseite des Zettels: „was ih dem Herrn Major schuldig bin*. Ferner bitte ih die Ausgaben zu berüsichtigen, die die Postver- waltung aufwendet für das Militär, die Marine, den Bundesrath, den Reichstag, die Reichs-Justizverwaltung, die Reichs - Eisenbahn- verwaltung u. \. w., deren Postsendungen alle unentgeltlich zu be- fördern find. Es gehören hierhin ferner die Sachen für die Soldaten und für unsere Seeleute. Dafür hat die Post niht ein Aequivalent bekommen, wie die Eisenbahn seiner Zeit durch die Abtretung des fostbaren Postmonopols der Personen- und Sachenbeförderung, welches damals dem Staat gehörle. Auf jährlih zehn Millionen Mark beziffert sh der Werth der Portofreiheit, die als reines Servitut auf der Postverwaltung lastet. Das wird immer von allen Seiten übersehen, und das muß do auch erwähnt werden. 6

Große Aufwendungen erwahsen uns daraus, daß wir doppelte Postanstalten, eine am Bahnhof, eine in der Stadt unterhalten, ferner, daß wir an großen Bahnhöfen hydraulishe Aufzüge u. f. w. haben; es sind das wesentliche Ausgaben, die ih erwähne, nit als wenn die Eisenbahn daran s{chuld wäre, aber wir müssen sie machen, und das läuft ins Geld. Jn einem Bahnhof, in Frankfurt a. M., zahlt die Post für derartige Einrichtungen allein 120 000 6, die sonst nit zu zahlen wären.

Nun, meine Herren, wenn ih außerdem die Belastung durch die sozialpolitishe Geseßgebung noch erwähne, die der Postverwaltung dur einen Federstrich im Gesetz, dur Bundesrath und Reichstag unter Allerhöchster Sanktion des Gesetzes auferlegt is, das müssen wir ausführen, wir sind vorher gar nicht gefragt worden so ift das au ein reines Servitut für die Post von einer Million Mark. Also wenn Sie die Belastung der Eisenbahnen und die Vortheile, die die Neichspost hat, anführen, dann müssen Sie auch die Ausfälle anführen, die ihr dur die Portofreiheit und die fozialpolitischen Aufgaben er- wachsen, und ih hebe noch einmal hervor, das ist eine reine Laft, die der Postverwaltung auferlegt ist, während den Eisenbahnen ein gañz reales Reht abgetreten worden ist. Es ift eigentlich zu bedauern, daß damals, im Jahre 1840, als die Eisenbahn aufkam, der Moment versäumt worden ist, das Postmonopol auf die Eisenbahn auszu- dehnen. Der Staat hatte ja damals nit so viel Geld, die Bahnen selbst zu bauen, und auch die Kreditverhältnisse der Staaten waren noch nicht so entwickelt; der internationale Geldmarkt, die Leichtigkeit, große Anleihen aufnehmen zu können, waren noch nicht fo vorhanden; man mußte zum Privatkapital in Form der Aktiengesellschaften greifen. Damals hâtte man den Eisenbahnen die Konzession, die Bahnen zu bauen, geben, aber den Betrieb der Behörde übertragen sollen. Die Beförderung der Passagiere und Sachen durfte der Staat nit aus der Hand geben, er Tonnte das sehr gut dur seine Organe machen lafsen, namentli durch die Postorgane, und die Eisenbahnen wären dann in das Ver- hältniß zum Staat getreten, wie die Posthalter zum Staat, sie hätten die Bahnen gebaut, der Staat hätte ihnen das Baukapital und das Betriebskapital verzinst und sie hätten einen guten Gewinn gehabt. Aber der Staat hätte alles das bekommen, was seit den 30 bis 40 Jahren in die Taschen der Aktionäre geflossen ift. Das bâtte damals gesehen können, aber man muß \ich mit dem Sate trôsten: was du im Augenblick verloren, bringt feine Ewigkeit zurück. Hätten wir die Uebershüsse von dem dem Staat ge- bührenden Postreht und Transportrecht gesammelt, so hâtte sich das fo angehäuft, daß wir die 5000 Millionen für den Ankauf der Eisen- bahnen nit hätten ausgeben brauen. Außerdem hätte der Staat die Uebershüsse der guten Strecken zum Bau neuer Bahnen in minder produktiven Gegenden anwenden können, ganz so wie die Post- verwaltung die Uebershüsse aus den großen Städten zur Verbesserung der Postverbindungen auf dem Lande verwendet. Also die genannten werthvollen Rechte sind der Eisenbahn übertragen worden. Aehnlich wie bei uns, liegen die Verhältnisse in den anderen Staaten mit Aus- nahme von England, das diese Monopolrechte niht hat, weil es keine Fahrpost besaß. Es ift in Oesterrei, Belgien, der Schweiz so; in Württemberg und Bayern sind zum theil der Eisenbahn noch viel größere Gegenrehnungen gemaht worden, als ih sie versucht habe darzulegen, und sie haben viel größere Leistungen für die Post unentgeltlich übernehmen müssen, als es bei uns der Fall ist. Sie sehen also, es besteht in sämmtlihen Staaten und hat seit Anbeginn der Eisenbahn bestanden, daß der Staat ih seine Monopolrechte . in der Form eines, wie ih es auffasse, sehr billigen Aequivalents gewährleistet hat.

Nun ift davon früher nie die Rede gewesen, erst seit ein paar Jahren, als das Defizit in der preußischen Eisenbahnverwaltung ent- standen, is man darauf gekommen. Sie kennen ja alle die Urfachen, die dieses Defizit herbeigeführt haben, es ist lange vorher im preußischen Herrenhause davor gewarnt worden; es trat aber ein, und erst von dem Moment an wurde versucht, das große Reichsfaß, wenn ih so sagen darf, anzuzapfen, welcher Versuch zur Zeit des ersten Neichs- kanzlers, des Fürsten Bismarck, entschieden zurückgewiesen worden ift, und zwar guf Grund des Berichtes des Reihs-Œisenbahn- und des Reihs-Posfamts. Denn es kommt in Betracht, daß auch der Par- tikularismus hierbei angeregt wird, und wenn Preußen s\ich in dieser Beziehung regt, fo kömmen Bayern, Württemberg, Hessen, Mecklenburg u. \. w. Das Reich hat die einzelnen Post- verwaltungen seiner Zeit mit ihren Rechten und Pflichten über- nommen, namentlich auch mit den Rechten, welche sie den Eisenbahnen gegenüber besessen haben. Ich glaube, es würde si kein Reichskanzler finden, der es übernehmen wollte, dem Reich diese Rechte auf Grund von Anträgen einzelner Staaten zu nehmen. Jm preußischen Abgeord- netenhaus ift diese Sache au angeregt worden. Ich glaube nicht, daß die Durchführung zulässig ist. Andernfalls würde das Briefporto \{chwerlih auf den niedrigen Sägen zu erhalten sein, an welchen, weil dabei der Verkehr im ganzen Lande betheiligt ift, die gefammte Nation ein bedeutendes Interesse hat.

Abg. Dr. Bachem (Zentr.): Der Chef der Postverwaltung hat Recht, wenn er die Einnahmen aus der Post niht s{chmälern will. Verwunderlih ist es aber do, daß die Postgebühren für die Beföôr- derung der Zeitungen noch niht reguliert sind, daß das Svftem der Berechnung des Transportpreises nah dem Abonnementspreis noch immer nicht abgeschafft ift. i

Staatssekretär Dr. von Stephan:

Ich bin sehr gern bereit dazu; um so mehr, als ich nur zu wiederholen“ brauthe, was ih im vorigen Jahre gesagt habe: es ift ein Gese in Ausarbeitung begriffen, bei dem namentlich die Gesichts- punkte berücksihtigt werden sollen, die der Herr Abgeordnete ganz richtig angeführt hat. Der Gefeßentwurf hat aher sehr viele Stadien zu durhlckufen. Es gehört eine Vé- sfändigung mit den beiden Staaten dazu, die in Bezug - auf die Post ein Reservatreht besitzen, eine Verständigung mit dem preußischen Staats-Ministerium, vorher noch eine mit dem MReichs- Schaßsekretär sodann mit dem Bundesrath, und erst, nahdem der Geseßentwurf diese Stadien durhlaufen hat er befindet fch jeßt in dem dritten Stadium —, kann er an den Reichstag gelangen. Ob dies in dieser Session noch mögli sein wird, dafür möchte ih keine Gewähr übernehmen. Mir wird es fehr angenehm sein, wenn wir diese wirklich nothwendige und wichtige Besserung vornehmen

noch einigen Zweifel. Jedenfalls werden wir unsere Anstrengungen darauf richten, daß die Sache möglich\t gefördert wird und daß sie, wenn nicht noch in dieser Session, so doch im November, in der nächsten Session, an den Reichstag gelangt.

Abg. Dr. Schoenlank: Es hat thatsählich eine ungeheure Vermehrung des Gesammtpersonals, aber nur eine winzige Erhöhung der etatsmäßigen Stellen unter dem Regime des Staatssekretärs Dr. von Stephan stattgefunden. Keine meiner Angaben ift von dem Wirklichen Geheimen Rath Dr. Fischer widerlegt worden. Die Zus stände bei der Lebensversicherung, beim Vorschußvereine, bei der Kaiser - Wilhelm - Stiftung habe ih als Belege für die s{lechte Stellung der Beamten vorgeführt. Mit Zeitungen kann doch der Wirkliche Geheime Rath Dr. Fischer nicht gegen uns demonstrieren; wir fönnten ihm ganze Wagenladungen voll von schriftlichen Zeug-

einverstanden erklären und uns dafür danken. Meine Rede erscheint den Herren unbequem, und unbequeme Reden nennt man dann Agitationsreden. Wir können nit hier im Hause so und draußen anders sprehen. Die Unterbeamten stammen aus den Kreisen der kleinbäuerlichen Bevölkerung, der vorhandene Respekt vor der Obrigkeit und ihrer Autorität wird dur die Art, wie das Reich sih dresen Leuten gegenüberstellt, bei ihnen systematis zerstört. Viele Privats- industrielle würden \ich s{ämen, mit ihren Arbeitern so zu ver- fahren, wie die Neichspost. (Präsident v. Leveßow rügt diesen Ausdru.)

Direktor im Reichs-Postamt, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Fischer: Wenn der Abg. Dr. Schoenlank niht gehört hat, daß i vorher seine thatsählihen Anführungen E: babe, so scheint mir fast, daß er nit so gut hört, wie er sprechen kann. Die Ziffern, die ih angab, find amtlich und klar und Sie werden danach entscheiden können, wer Allgemeinheiten vorgebräht hat und wer Thatsachen. Ueber den Fall Hartmann habe ih mir die Akten holen lassen. Was

nommen wurde, fo ist der Mann nicht nur wiederangestellt, sondern hat fogar noch eine Entshädigung erhalten. Wir haben gethan, was wir thun konnten. Ih will gleih noch den anderen Fall er- ledigen, wona die Postsekretäre im Falle von Vergehen anders behandelt werden wie Unterbeamte. Es handelt sih um den E: sekretär H. in Schiltigheim bei Straßburg. Der Vorredner atte es auffallend gefunden, daß der Mann freiwillig aus dem Postdienst geschieden ist. Das hängt einfah so zusammen. Es stellte sih heraus, daß der Mann in seiner Kafse einen Pera hatte. Man hatte den dringenden Verdacht der Unterschlagung, konnte ihm aber nichts beweisen. Da wurde ihm gerathen, freiwillig unter Verzicht auf Rang, Gehalt und Titel aus dem Postdienst auszuscheiden. Das that er. Der Grund wurde bald klar. Er hatte noch andere Unter- s{lagungen auf dem Kerbholz. Sobald diese berausfamen, ift er gerihtlih verfolgt und befindet si jeßt in Untersuhungshaft. Das ist der andere Fall, und damit will ih s{ließen. /

Abg. Gröber (Zentr.): Die Freude über die württembergische Posttarifermäßigung is eine sehr gemäßigte ; die Ermäßigung des Stadtpostportos hat nur den Zweck, die Stuttgarter Privatpost todt zu machen. Zur Nachahmung empfiehlt sih das Beispiel nicht. i

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (dkons.) kommt auf die Frage der Leistungen der Eisenbahnen für die Post zurück. Man müfse der Tendenz des Publikums entgegentreten, immer noch mehr von der Post zu verlangen. Das Publikum müsse mindestens bezahlen, was die Dost effektiv leiste. Natürlich- seien einem so großen Organisator, wie dem Reichs-Postmeister, Organisationen lieber als die Finanzen. Es müsse eine \härfere Finanzkontrole eingeführt werden, so unlieb der Postverwaltung dies fein möge.

Damit schließt die Diskussion. Das Gehalt des Staats- sekretärs wird bewilligt. s

Gegen 51/2 Uhr wird die Fortsesung auf Sonnabend 1 Uhr vertagt.

Statiftik und Volkswirthschaft.

Zum deutsch-russishen Handelsvertrag.

Im Auftrage von Mitgliedern des Zollbeiraths ist im Bureau des Zentralverbandes Deutscher Industrieller eine Broschüre ausges arbeitet: „Materialien zur Beurtheilung des Entwurfs eines deutsch - russischen Handelsvertrags". In der Broschüre wird versuht, die wirthschaftlihe Bedeutung der erlangten Konzessionen für die deutshe Gewerbe- und Handels8- thätigkeit klarzulegen. Den Ausführungen zu den einzelnen Artikeln ist durhweg reiches, sachlihes und statistishes Material beigegeben, Eine besondere Bedeutung gewinnt die Schrift dur den Umstand, daß die in derselben enthaltenen Ausführungen, wie in der Einleitung hervorgehoben wird, durhweg auf dem Urtheile von Sach- verständigen beruhen, die „in hervorragendem Maße in der Lage sind, “die Tragweite der getroffenen Abänderungen zu übersehen“. In der 39 Seiten starken Broschüre wird das Urtheil über den neuen deutsch- russischen Konventionaltarif dahin zusammengefaßt :

„Alles in allem dürfte sih sagen lassen, s durch die vorstehend in Erörterung gezogenen Tariffestsezungen ganz hervorragende Zweige unserer deutschen Gewerbethätigkeit eine wesentlihe Förderung erfahren werden. Wenn troßdem vieles Wünschenswerthe nicht erreiht ift, so darf daraus nicht eshlossen werden , daß bei den Verhandlungen Interessen außer Acht gelassen sind. Die Grundlage der russi- hen Handelspolitik, ebenso wie der deutschen, bildet das

rinzip des Schußes der heimishen Arbeit. Dieses an und ür ih e Prinzip durhbrechen und von Rußland die Preisgabe der Lebensbedingungen etger Industriezweige verlangen zu wollen, hätte den Versuch einer Verständigung von vornherein als ausfihtslos ersheinen lassen müssen. Nur die Anerkennung der That=- fache, daß auch in Rußland ausgeprägte Interessen vorhanden find, die Berücksichtigung erheischen, konnte das Zustandekommen ciner Verein- barung gewährleisten. Der Vertrag selbst aber, wie er ges{lossen ist, er- scheint ohne Zweifel geeignet, weite Kreise nit nur der Industrie, sondern

auch des Handels, besonders in den Oftscestädten, zu neuem Leben erblühen

können. Aber da noch einige Stadien zu durchlaufen sind, habe ih

nissen der Postbeamten zuschicken, die sich mit unserem Auftreten

den Unterbeamten betrifft, der uns{uldig in Untersuchungshaft ge- .

E E: s 2 E: Dr Z6 A L D las E 2 Ei S arer rfen ia pa F e R - “Es L E , D E L t E avs A S E E A M C Lea E Eee T S E E E D A E E O A e B A E R e E E