1894 / 38 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 13 Feb 1894 18:00:01 GMT) scan diff

E E E dn E N

A e I amt E R E E

zugeben fein, wenn fie auf den Antrag eingehen will, ein besonders ermäßigtes Eilporto festzuseßen, um die entgegenstehenden Interessen zu vereinigen. Die Angaben des Staatssekretärs, daß die Sonntags- rube für die Beamten dergestalt geregelt sei, daß jeder bis auf Einen unter 10 000 entweder den dritten Sonntag frei gehabt, oder innerhalb drei Wochen von zwei Sonntagen jeden halben frei habe, entsprechen nach feiner Kenntniß der Dinge nicht den thatsächlichen Verhältnissen. Redner nimmt Bezug auf Petitionen aus der Graf- schaft Mark, wo die Landbriefträger hochftens ein oder zwei Sonn- tage im ganzen Jahr frei hatten.

Staatssekretär Dr. von Stephan:

Ich will nur ein paar Angaben berichtigen, wenigstens dasjenige anführen, was von unserem Standpunkt zu sagen ist. In einer Ein- gabe beißt es: ein Aushelfer habe so und so lange hon keinen freien Sonntag gehabt; ja, meine Herren, das sind eben die Aushelfer, welche für den Sonntag angenommen sind, um es zu ermöglichen, daß die Briefträger am Sonntag vom Dienst befreit werden.

Wenn ferner angeführt ist, die Postwagen, die Packetkarren rafselten am Sonntag durch die Straßen ift das etwa bei den Droschken und Omnibussen niht der Fall? Den ganzen Verkehr fönnen Sie doch unter keinen Umständen verhindern.

Und was die Eingabe von dem evangelischen Verein betrifft, fo zweifle ih nicht an der Nichtigkeit der Quelle, die der Herr Ab- geordnete angegeben hat, noch an der Zuverlässigkeit des evangelischen Vereins; aber er kann sich irren. Er sagt: die Briefträger laufen auf der Straße herum. Das sind aber nicht die Briefträger, die einen freien Sonntag haben, fondern die, deren freier Sonntag auf den dritten Sonntag fällt, die gerade den Dienst an dem betreffenden Sonntag machen, und selbstverständlih sieht man sie dann auf der Straße. Ebenso ift es mit den Aushelfern. Wenn jemand jeden Sonntag Dienst thun will, um etwas zu verdienen, so ift das doch seine Sahe. Wir können ebenfogut einen andern nehmen; aber der Mann will eben wegen des Erwerbs den Dienst freiwillig über- nebmen, und daran werden Sie ihn doch nicht hindern wollen.

Abg. Kröber (südd. Volksp.): Ich stimme in dieser rage mit dem Zentrum überein, wenn ich auch_ in den Motiven nicht ganz mit ihm übereinstimme. Ich überlasse es jedem, den Sonn- tag nach seiner Façon zu feiern. Ich spreche hier als Mitglied einer Handelskammer und als Kaufmann und möte den Abg. Dr. Schaedler darauf aufmerksam machen, daß niht die Kaufleute der großen Städte, sondern diejenigen der kleinen Städtchen von der Sonntagsruhbe überhaupt nichts wissen wollen. Die Großkaufleute und Industriellen haben ihre Komtors an Sonntagen ohnehin ges{chlossen und senden keine Ee ab. Ich persönlih hielt mein Komptor längst geschlossen, evor das neue Gesetz tam; denn ich hatte in England und Amerika den Werth der Sonntagsruhe kennen gelernt. Die Annahme von Packeten am Sonntag möchte ih nit ganz einshränken, weil nament- Lih Dienstboten, kleine Leute, Arbeiter bloß am Sonntag dazu kommen, ihre Packete auszutragen. Es kam mir hauptsählich darauf an, fest- zustellen, daß Handelsstand und Industrie keineswegs gegen die Sonntaggêruhe sind. E N

Nachdem noch Abg. Gröber (Zentr.) für die Resolution eingetretenist und Abg. Dr. Müller-Sagan (fr. Volksp.) auf die Ausführungen des Abg. Singer erwidert hat, wird der Titel bewilligt und die Resolution angenommen.

Bei Titel 20 (Post- und Telegraphenämter) ver- [langt der

Abg. Dr. Müller -Sagan (fr. Volksp.) eine genaue Uebersicht über die Vertheilung der einzelnen Gehaltsstufen von 3000 bis 5400 M auf die Sahabér der sfogenannten Militär-Postämter, welche ver- forgungsberehtigten Offizieren vorbehalten find.

Nach einer kurzen Erwiderung des Regierungskommissars, Direktors im Reichs - Postamt, Wirklichen Geheimen Raths Dr. Fil her wird der Titel bewilligt. j

uf eine Anfrage des Abg. Gröber (Zentr.) erwidert der

Negierungskommissar, Direktor im Reichs. Postamt, Wirkliche Geheimer Rath Dr. Fischer, daß er eine Statistik über die hier in Nede stehenden Beamtenverhältnisse mit Sicherheit niht in Aus- ficht stellen könne. Die ganze Frage scheide aus der Welt von dem Moment ab, wo die Dienstalters\tufen zur Einführung kommen. Im übrigen eröffnete sich den Kassierern beim Uebergang in die

ostinspektorstellen eine fo günstige D daß von unangenehmen mpfindungen bei ihnen nicht die Nede sein könne.

Der Titel wird bewilligt. i E

Bei Titel 21 (Ober-VPostsekretäre und Postsekre- târe) fragt der ; Ï

Abg. Dr. Müller - Sagan (fr. Volksp.), inwieweit die Ober- Fel rlzeltelen mit Beamten beseßt werden, welche aus dem

levenstande hervorgegangen sind, aber nicht die zweite Prüfung be- ftanden haben, und seßt fodann feine am Sonnabend vom Präsi denten unterbrohenen Ausführungen über die Behandlung des Poft- assistentenverbandes durch die Postverwaltung fort: Der Chef der Verwaltung habe das Recht der Beamten zur Unzufriedenheit an- erkannt, aber das Necht, Unzufriedenheit zu erregen, bestritten. Nach zahlreihen Mittheilungen aus der Mitte dieser Beamtenklasse, auf deren Zuverlässigkeit man sih zunächst zu verlassen habe, müsse man zu der Auffassung gelangen, daß die Postassistenten verseßt, vershickt werden ledigli deshalb, weil fie fih an die Spize der Bewegung ftellen, ohne fih irgendwie dienftlich oder außerdienstlich vergangen zu haben. Jn dieser Weise vorzugehen, sollte die Verwaltung unter- lassen, dann würde fie am meisten dazu beitragen, die Unzufrieden- heit im Postassistentenverband zu. verringern.

Abg. Singer (Soz.): Die Stellung der Verwaltung zum Assistentenverband hat troß der vielfachen Erörterungen, welche diese Frage hier erfahren hat, immer noch feine Wandlung in dem Sinne Crfabren, wie wir es dringend gewünscht haben. Fortgeseßt sind Maß- regelungen von Beamten erfolgt, weil sie zu dem Verbande in irgend ein Verhältniß getreten waren, und mit diesen Maßregelungen hat die Verwaltung nicht gekargt ; sie hat sie damit begründet, daß die Betreffenden durch ihre Thätigkeit für den Verband im Dienst las geworden seien. Für Elsaß-Lothringen hat man die Begründung des Verbandes ganz befonders ershwert. In der Kommission ist aus- geführt worden, man wolle ja keineswegs den Beamten den Eintritt zum Verbande verbieten, nur dürften sie in demselben niht agitieren. Eine solche A ist ein Spiel mit Worten; thatsächlich kommt diese Stellungnahme der Verwaltung auf das Verbot des Ver- bandes hinaus. Wenn man das Recht zur Unzufriedenheit zugesteht, so muß doch auch Grund zur Unzufriedenheit vorhanden fein. Wenn der Verband wirklich von 3000 auf 1500 Mitglieder zurück- gegangen is, so \prähe das zwar für die Wirksamkeit der von der Verwaltung ergriffenen Makregeln wäre aber do nur ein Pyrrhusfieg. Mit vollem Unrecht hält die Ver- waltung zwar alle Aeußerungen der Unzufriedenheit dieser Beamten gewaltsam zurück, aber fie erzieht sih dadurch auch Streber und Heuchler. Das Verhalten der Verwaltung in dieser Frage schädigt vor allem den Nuf Deutschlands in der Welt, daß in deutschen Landen Gleichheit aller vor dem Geseß in staatsbürger- licher Beziehung herrs{t. Sonst ist die Verwaltung garnicht blöde, ihre Zwecke auch mit Hilfe des Assistentenverbandes zu verfolgen, so bei Kollekten, bei Demonstrationen und dergleichen. Nimmt fie den Verband aber hier in Anspruch, dann darf sie ihm auch nit verwehren, seine eigenen Angelegenheiten wahrzunehmen; sie darf ihm niht den Verzicht auf seine Rantébüraerliben Rechte zumuthen. Was kann denn der einzelne Assistent, selbs wenn er in der Agitation übertreibt, der Verwaltung shaden? Warum belehrt denn die Verwaltung den Verband nit, anstatt ihn immer und immer wieder nur zu strafen ? Die Reichspost tritt den Assistenten gegenüber als Polizei auf, sie be-

nußt ihre ökonomishe Uebermaht, um den Verband zu ünterdrüden. Das fann das Deutsche Reich, das kann der Reichstag nicht dulden. Der Reichskanzler hat alle Veranlafsung, dafür zu forgen, daß die Post- verwaltung in ihrer Geschäftsführung in Bahnen einlenke, welche auf Anstand und Geseßlichkeit noch Anspruch machen können.

Regierungskommiftar, Direktor im Reichs-Postamt, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Ai her: Ih muß gegen die Unterstellung, welche in den leßten Worten des Vorredners liegt, entschiedene Ver- wahrung einlegen. Ich wiederhole au diesmal: es if uns nit ein- gefallen, den Assistenten die Ausübung ihrer staatsbürgerlichen Rechte irgendwie zu beshränken; es ist uns nicht eingefallen, den Assi- stentenverband zu verbieten oder unseren Beamten zu verbieten, diesem Verein beizutreten. Nicht der Schatten eines Beweises ist für solhe Behauptungen erbracht worden. Wir haben nur darauf aufmerksam gemacht, daß der Verein im Begriff war, finanzielle Unternehmungen einzugeben und sie inzwischen eingegangen hat, welche finanzielle Nach- theile für die dabei betheiligten Beamten zur Folge gehabt haben. Das zu thun, waren wir durchaus berechtigt, ja verpflichtet, denn die Vereine befassen sih keineswegs mit wirthshaftlihen oder geselligen Zielen allein, fondern sie erstreben, wie aus ihren Prehäußerungen hervor- geht, eine Aenderung der bestehenden Dienstordnung. Meinen Sie wirkli, daß es gerehtfertigt wäre, folhen Bestrebungen gegenüber einfach die Hände in den Schoß zu legen? Ih möchte den Teufel niht an die Wand malen; aber wollen Sie es vielleicht erleben, wie man es in Jtalien und Spanien erlebt hat, wo die Beamten eines s{höônen Tages erflärten: wir wollen mal die Bedingungen vorschreiben, unter denen wir das Amt weiterführen; wo die Tele-

raphenbeamten sämmtli ihre Arbeit einstellten? Ich habe ja das Aibere Vertrauen, daß folche Dinge bei uns niht vorkommen, und ih nehme mit der Leitung der Postverwaltung den Assistentenverband keineswegs fo tragisch, wie man ihn hier zu nehmen s{heint. Von Unterdrückung der Meinungsäußerung is gar keine Rede. Die Herren fommen zusammen, sie reden was fie wollen und sie machen den Mund manchmal weit genug auf, sie drucken gut, mögen sie drucken. Innerhalb 4 Jahren ist eine einzige Entlassung eines Postassistenten erfolgt aus Anlaß nit wegen der Zugehörigkeit zum Verbande, weil nämlich der Betreffende sich be- harrlich des Ungehorsams gegen die vorgeseßte Behörde s{uldig gemacht hat und davon nicht abzubringen war. Verseßungen sind allerdings aus Anlaß der Zugehörigkeit zum Verbande erfolgt. Manch- mal liegt die Sache sehr einfa, z. B. in dem Falle des Postassistenten Dietrich. Ich habe hier den Bericht des vorgeseßten Ober-Post- direktors. (Ruf bei den Sozialdemokraten: Vorgeseßten!) Ja, von wem denn font? (Erneute Zwischenrufe. Präsident von Leveßow ersucht, den Redner niht zu unterbrechen.) Ich fann mich unmöglich auf den vom Abg. Singer angedeuteten Standpunkt stellen, daß die Postverwaltung sich jeder Maßnahmen gegen den Verband enthalten müsse, weil sie die Angeklagte sei. Wohin foll das führen? Wir bleiben doch vor allen Dingen ver- antwortlih für die Aufrechthaltung der Ordnung. Nach dem Bericht wurde der Assistent Dietrich nur aus dienstlihen Gründen verseßt. In Schiltigheim waren entsprechend der Bedeutung des Amts vier Post- beamte thâtig, darunter zwei angestellte, und unter diesen Herr Dietrich. Durch Abtrennung zweier Orte, welche ein eigenes Postamt erhielten, verringerten sih die Geschäfte des Postamts in Schiltigheim, und es wäre unverantwortlich gewesen, daselbst noch weiter zwei angestellte Beamte zu behalten. Die Verseßung des Dietrich erfolgte nit so- fort nah Einrichtung des neuen Postamts, weil man vorläufig noch eine Arbeitskraft in Schiltigheim brauchte zur Bewältigung der durch die Neuordnung entstehenden Mehrarbeiten. In dem Postamt dagegen, in welches Dietrich versetzt wurde, war schon lange eine Veränderung der Perfonalverbältnisse geplant. Jch glaube, Sie werden \sih dur diese einfahe Darlegung der Verhältnisse überzeugen lassen, daß die einfachsten dienstlihen Gründe zur Versegung des Dietrich vorgelegen baben. Man wirft uns vor, daß wir den Leuten nicht gestatten, zu agitieren. Mit Unrecht is von dem Abg. Singer den Regierungs- vertretern in der Kommission der Ausfpruch in den Mund gelegt: Das Neht zur Unzufriedenheit habe jeder, aber niht, fie auszusprehen. Die Aeußerung fiel in einem anderen Zusammenhange und lautete: Das Recht zur Un- zufriedenheit habe Jeder, aber nicht das Recht, Unzufriedenheit zu erregen. Wir laffen nur die unerlaubte Agitation nicht durchgehen, und was wir darunter verstehen, mögen folgende beide Fälle illustrieren. Ein Beamter, welcher als Gebilfe des Amtsvorstehers eine Vertrauenéstellung einnahm, hatte diese Stellung benußt, um junge unerfahrene Beamte zu Mitgliedern des Verbandes zu pressen. Um sih_ niht mit dem einflußreihen Mann zu verfeinden, ließen sich die Leute wider Willen zu Mitgliedern des Verbandes machen. Ja, es sind Fälle vorgekommen, wo aus der Verbandskafse das Eintrittsgeld für diese Mitglieder gezahlt wurde. Gegen den bezei- neten Mann sind wir durch Verseßung eingeschritten und dazu haben wir ein Recht. (Zustimmung rechts.) Ein zweiter Fall liegt folgendermaßen. Der Verband sendet in die Provinzen für das Kleidergeshäft Zuschneider. Es ist vorgekommen, daß der Ver- trauensmann des Verbandes mit diesem Zuschneider die jungen Ge- bilfen auf das Zimmer winkte, ja dieselben aus dem Bett berausholte, damit sie sich für die heilige Sache einen Ueberrock machen lassen follten, den die Leute gar niht brauchten, der viel theurer war, als er sein sollte, und s{lechter. Das halte ih für unerlaubte Agi- tation. Wenn wir in einem solhen Falle einschreiten, kann niemand sagen, daß wir etwas thun gegen Gese, Verfassung, Ord- nung, Anstand. Ih möchte Sie bitten, diese Frage mehr von dem Standpunkt der Postverwaltung zu betrahten. Wir sind nicht solche Alba’s, welche die Scheiterhaufen nur so rauchen lassen ; die Sache wird auch weiter so nüchtern behandelt werden, wie bisher.

Präsident von Leveßow: Ih habe mir das amtliche Stenogramm der Rede des Abg. Singer kommen lassen und ersehe, daß er der Postverwaltung den unverhüllten Vorwurf der Unanständig- keit und Geseßwidrigkeit gemaht hat. Ich rufe den Abg. Singer deswegen nachträglich zur Ordnung !

Abg. Liebermann von Sonnenberg (b. k. F.): Der Gang der Debatte nöthigt mi, jeßt hon einzugreifen, obshon ih erst bei späteren Titeln das Wort ergreifen wollte. Jch bedauere fehr, daß die Abgg. Dr. Schoenlank und Singer hier so heftige Reden gegen die Poftverwaltung gehalten haben ; aber noch weit bedauerlicher ist es, daß diese Herren mit ihren Beschwerden fast durhweg Recht haben. Wenn der Abg. Dr. Schoenlank gesagt hat, wenn der Staatssekretär Dr. von Stephan aus Stolp heute Postassistent wäre, er würde der eifrigste Verbändler und der wüthendste Sozialdemokrat sein, so is das nur zur ersten Hälfte vielleiht rihtig; denn ein wüthender Sozialdemokrat würde er nicht sein, da der Verband aus fkönigstreuen Beamten be- steht, die sozialdemokratishe Tendenzen weit von sich weisen. Ich bin sehr befremdet darüber, daß die mir von dem Direktor Dr. Fischer versprochene Untersuhung aller im vorigen Jahre von mir bergeführten Fälle niht eingetreten ist. Ih habe Fälle aufgeführt, wo es sih um eine Verletzung des Brief- und Telegraphengeheimnisses handelte, ich bin auch für Bestrafung unerlaubter Agitationen ; aber dann follte man auß gegen den Ober-Pofidirettor Griesbach eis schreiten, der den Postbeamten in einer {hon nicht mehr {önen Weise das Kleidergeshäft von Eduard Sachs, einem Juden, aufgedrängt hat. Der Verband erstrebt mit Recht eine Aenderung dahin, daß die Assistenten auch zu Sefkretärstellen aufrücken können. Nach meiner Anschauung i Übrigens nicht die Unzufriedenheit, son- dern die Zufriedenheit die Quelle aller Kultur. Die Verseßung des Beamten Dietrih in Schiltigheim geht nach meinen Jn- formationen doh auf die Thätigkeit dieses Tr tüchtigen Beamten bei dem Verbande zurückd. Jn dem laufenden Jahre ist wiederum in einigen Fällen Mitgliedern des Verbandes gegenüber das Brief- und Te agen verleßt worden, und damit wird au eine Geseßesverleßung begangen. (Redner führt einige solcher Fälle ausführlich vor.) Gin Postbeamter darf auch nach einem Geheim- befehl die Verbandstage niht besuhen; einer derselben wurde in

Le eines Verstoßes gegen dieses ihm niht bekannte geheime erbot als Postkassierer niht beftätigt. Die Versetzungen innerhalb

© der Postverwaltung „im Interesse des Dienstes“ finden auch gar häufig, als Maß-

theils als Maßregel gegen den Afsiftentenverband, theils regel gegen den Antisemitismus ftatt. Daß das Liebeswerben der Sozialdemokraten bei den Postbeamten Früchte trägt, glaube ih nit; durch die Berührung mit den Abgg. Singer und Dr. Schoenlank werden diese Beamten doch alle zu Antisemiten gemaht, denn sie fennen nur zu gut den Spyruh: Timeo Judaeos et dona ferentes!

NRegierungs-Kommissar, Direktor im Reichs-Postamt, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Fischer: Die Vorsteher der Telegraphenämter müssen den Inhalt der Telegramme zur Vermeidung von Zeitverlust und zwecks Austarxierung kontrolieren. In dem einen Falle hat der Vorsteher unzweifelhaft seine Befugniß überschritten dadurch, daß er den Absender des Telegramms nachher zur Rede stellte. Er is wegen dieses Uebergriffs von dem ihm vorgeseßten Ober-Postdirektor münd- lich reftifiziert worden. In Halle liegt die Sache vermuthlich ähnli, und wir sind gerne bereit , noch nahträglich eine Rektifikation ein- treten zu lassen. Die angeblihe Verleßung des Briefgeheimnifses in Straßburg hat sih auf Grund amtlicher Vernehmung als unwahr herausgestellt. Dasfelbe gilt von den Mittheilungen aus Bruchfal. Es ift dort keinem Beamten wegen eines Todesfalles der Urlaub ver- weigert worden. Der Vorredner hat dann noh behauptet, daß Ober- Postdirektor Griesbach in Berlin und ein Ober-Postdirektor in ‘Magde- burg sih zu Agenten für jüdishe Geschäftsleute hergegeben bätten. Ich bedauere, daß uns das Material nicht vorher zugänglih gemacht worden ist. In diesem Augenblick kann ih nur versprechen, daß die Fâlle sorgfältig werden geprüft werden.

Abg. Liebermann von Sonnenberg (b. k. F.) wird von der Bereitwilligkeit des Direktors Dr. Fischer gern Gebrauch machen.

Abg. Dr. Förster (d. Refp.) tritt für die Berehtigung der Post- assistenten zum Aufrüken in die Postsefkretärstellen ein. Aus den Mafß- regelungen wegen Zugehörigkeit zum Postassistentenverbande führt Redner den Fall an, daß der Heirathskonjens nur unter der Bedingung ertheilt werden follte, daß der betreffende Heirathskandidat aus dem Verband ausscheide. Warum dulde man die Beamten-, die Offiziers- vereine, die doch auch nur wirthschaftlihe Ziele haben, die innerhalb ihrer Klafsen genau dasfelbe wollen, wie der Postassistentenverband ? Es liegè hier thatsählich die Kürzung eines den Postassistenten zustehenden staatsbürgerlihen Nechts vor. Verseßungen von Breslau nah Köln, von Hagen nach Memel seien nihts Seltenes. Die Ertheilung des guten Raths, dem Postassistentenverband nicht bei- zutreten, fomme do dem dirckten Verbote gleih. Wenn es geheime Verbote niht giebt, wie die Verwaltung behauptet, dann follten doch einmal im „Amtsblatt der Postverwaltung“ die Ober-Post- direftoren angewiesen werden, dem Koalitionêreht der Postassistenten nichts in den Weg zu legen.

Abg. von Kardorff (Np.): Es giebt gar keinen Beruf, wo ein junger Mann so {nell zu Brot kommt, wie in der Post- verwaltung. Im Postassistentenverbande sind wobl so ziemli alle Parteifarben vertreten; denn feine Partei kann ihn für sich in An- ipruch nehmen, nicht die sozialdemokratishe, nicht die antisemitische. Die Assistenten können nicht zu Sekretären befördert werden, dagegen sträubt sih die Postverwaltung mit Recht. Ob vielleicht noch eine Zwischenstufe eingerichtet werden fann, will ich dabingestellt sein lassen; an den Gehaltsverhältnissen wird {werlich etwas verändert werden fönnen. Für die höhere Postverwaltung ist die Ablegung des Abiturientenexamens erforderlich. Diese Bedingung erfüllen die Post- assistenten nicht. :

Darauf wird ein Vertagungsantrag angenommen.

Schluß 58/4 Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 14. Sißung vom 12. Februar 1894,

Im weiteren Verlauf der ersten Berathung des Geseß- entwurfs, betreffend die Erweiterung und Vervoll- ständigung des Staatseisenbahnneßzes (s. den Anfangs- beriht in der Montagsnummer d. Bl.) nimmt nah dem Abg, Mies (Zentr.) das Wort der

Abg. Linke (nl.). Redner führt aus, daß für Stlesien in Bezug auf;Eisenbahnen zu wenig gesehen sei; nur 3,9% der Bahn- länge der in den leßten zehn Sebrén gebauten Strecken seien auf Slesien entfallen, obgleih dieses mehr als 11% des Staats darstelle. Er bittet ferner um eine baldige Aenderung des Enteignungs- geleßes und um eine bessere Verbindung des MRiesengebirges mit Breslau, wofüc sich alle Kreise Schlesiens interessierten; die Wünsche gingen dahin, daß die Linie Bolkenhain—Merzdorf an die Gebirgs- bahn angeschlossen werde, sodaß ein Schnellzugverkehr eingeführt werden fönne.

__ Abg. Sander- Elze (nl.) spriht seine Freude darüber aus, daß die ganze Summe für den Bau von Sekundärbahnen gefordert sei; die Summe hâtte aber größer sein können, da man die M Han- nover wiederum nit berücksihtigt habe. Das müsse Mißstimmung

erregen. Redner empfiehlt eine Berücksichtigung des Kreises Nienburg an der Weser, ferner in seinem Wahlkreise die Linien Gandersheim Bodenburg—Gronau—Elze mit einer Abzweigung von Bodenburg nah Düngen und Wispenstein—Düngen—Voldagfen, für welche die bethei- ligten Kreise bereits Bewilligungen gematht hätten. l

Abg. Dr. Hartmann- Lübben (fkons.) empfiehlt im Anschluß

an die Bahn Königs-Wusterhausen—Beeskow die Bahn Beeskow— Lübben—Lübbenau—Ufro, deren Bau ein Konsortium habe übernehmen wollen, wenn die Linie bis Falkenberg hätte fortgeführt werden dürfen, was die Eisenbahnverwaltung nicht genehmigt habe. :

Abg. Broekmann (Zentr.) tritt für den Bau einer Bahn im Kreise Bitburg ein.

Abg. von Stülpnagel (kons.) bedauert die Verzögerung des Baues der Bahn Jüterbog—Treuenbrießen, der {on 1889 bewilligt worden sei, und empfiehlt die Fortsetzung der Bahn nah Brandenburg.

E Hobrecht (nl.) bedauert, daß die ganze Gegend zwischen Weichsel und Oder in diesem Jahre nit berücksichtigt worden fei. Man müsse die Beruhigung haben, daß die Bahnbauten fortgeseßt werden würden; das sei eine, wenn auch nicht rechtlihe, so doch moralishe Verpflihtung des Staats nah der Verstaatlihung der Eisenbahnen. Vom Staat dürfe man den Ausbau der Nebenbahnen erwarten, welher den Privatbahnen auferlegt gewesen. Solche An- forderungen widersprächen nicht der Sparsamkeit, so lange nit für die aufzunehmenden Anleihen die Steuerzahler in Anspruch genommen würden. Die zahlreihen Wünsche aus allen Kreisen bewiesen, um welhe wichtige Frage es sih bei den Nebenbahnen handele. Hier- durch föônne am ersten der Landwirthschaft geholfen werden und zwar niht vorübergehend, sondern dauernd. ) 8

Abg. Rohde - Wachsdorf (kons.) fragt, weshalb die Linie D D die im Jahre 1890 bewilligt sei, noch nicht gebaut worden.

__ Ministerial- und Ober-Baudirektor Schröder entschuldigt die Ubiwesenheii ves Vinisiers ver öffentlichen Ärbeiten wegen Theilnahme an der Sitzung des Staats-Ministeriums und erklärt, daß der Bau der Linie jeßt angeordnet fei. 5 A, _Abg. von Pappenheim - Liebenau (kons.) bittet, da die Linie Cassel—Volkmarsen wegen eines Tunnelbaus fih verzögern werde, wenigstens die Stree Volkmarsen—Wolfhagen auszubauen.

Abg. Beleites (nl.) empfiehlt die Fortführung der Linie Nakel —Koniß nach Norden, um eine Verbindung zwishen Schlesien und der Ostsee berzustellen. Kleinbahnen könnten dort niht gebaut werden-

Abg. Schwarze (Zentr.) empfiehlt die Aufshließung des Sauer- landes durch Sun der Bahnen Frankenberg—Raumland, Soest —Brilon und Frankenberg—Korbah. - E

Abg. Dr. Porsch (Zentr.) spricht seine Freude über die Linie Glaß—Seitenberg aus, deren Bau beschleunigt werden sollte, um der Arbeitslosigkeit in der dortigen Gegend mden, Die Bewohner von Glaß bedauerten die Abgelegenheit des Bahnhofs und wünschten die Anlegung einer besonderen Personenhaltestelle.

Abg. Freiherr von Epnatten (Zentr.) empfiehlt den Bau einer Linie Heinsberg— Jülich.

Abg. Wellstein (Zentr.): Der Ausbau der Linie Adenau— Mayen habe zuerst als Nebenbabn erfolgen sollen; da aber die Ge- meinden den Grund und Boden nicht hätten hergeben können, so habe man eine Schmalspurbahn bauen wollen, was aber nit genehmigt worden sei. Dadurch feien die dabei engagierten Unternehmer ge\{chä- digt worden. Als eine entgegenkommende Handhabung des Kleinbahn- esepes kônne dies niht angesehen werden. Jedenfalls follte nun die

isenbahnverwaltung ihrerseits die Strecke \{hleunigst ausführen.

Abg. Menken (Zentr.) {ließt sih diesen Ausführungen an.

Abg. Gorke (Zentr.) empfiehlt den baldigen Ausbau der {hon 1890 bewilligten Linie Kofel—Polnisch-Neukirch.

Abg. Szmula (Zentr.) befürwortet die Linie Neustadt—Gogolin.

Abg. von Unruh- Bromberg (frkons.) bemängelt die Hand- habung des Kleinbahngesetes, das niht eine Vermehrung der Ein- wirkung der Polizei, sondern eine Verminderung derselben herbeiführen sollte. Es liege die Gefahr nahe, daß die Sache zu shablonenhaft gebandhabt werde. Redner verweist auf ein Muster der Genehmigungs- bedingungen, welches entshieden zu weit gehe. Der Minister follte erklären, daß die in einer amtlichen S veröffentlichten Vor- schriften niht allgemein bindend sein sollen.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Die erbetene Erklärung will ich sehr gern ab- geben; fie ist aber auch ganz selbstverständlih. Wer nur die erste Nummer der Zeitschrift für das Kleinbahnwesen gelesen hat, ins- besondere die erste Abhandlung, in der die Aufgaben dieser Zeitschrift näher dargelegt worden sind, kann darüber ‘garnicht im Unfklaren sein, daß die Staatsregierung oder das Ministerium der öffentlichen

Arbeiten nur für denjenigen Theil dieser Zeitschrift überhaupt |

eine Verantwortung übernimmt, die als amtlihe Mittheilungen ge- kennzeihnet sind. Es ist ausdrücklich gesagt, daß die Zeitschrift, das Organ für alle das Kleinbahnwesen betreffenden Veröffentlichungen, fich nicht darauf beschränken darf, das thatsähliche Material in dem bezeihneten Umfange zu bringen; seine Aufgabe is es zuglei, die literarishe Thätigkeit auf diesen Gebiet zu fördern, scwohl durch Uebernahme geeigneter Abhandlungen über diejenigen Fragen, deren Lösung für die Entwickelung des Kleinbahnwesens vornehmlih in Betracht kommt, als auch dur eine möglichst vollständige Uebersicht über das Thatfächliche.

Meine Herren, Sie werden sich alle erinnern, daß aus dem Hause früher wiederbolt darüber geflagt worden ist, daß nicht genügend freie Hand gelassen würde den Herren in meiner Verwal- tung zur Betheiligung an der wissenschaftlichen Erörterung der jeweilig auftauhenden Fragen. Nun erscheinen in dieser Zeitschrift unter einem vollständig unverbindlichen Titel und voller Namenëunterschrift derartige Aufsäße; es werden Vorschläge gemaht und Nathschläge ertheilt, Ich finde darin absolut nihts, was das Ministerium binden oder in eine shiefe Lage bringen könnte, vielmehr nur dankenswerthe Be- lehrung und Anregung. Ob die Vors{bläge zweckmäßig sind oder nicht, meine Herren, dafür fann der Minister nit eintreten; es wird Aufgabe derjenigen Herren sein, die finden, daß diese Vorschläge in dieser oder jener Beziehung zu weit gehen, hier auf dem Tummel- plaße der Zeitschrift für Kleinbahnen die veröffentlihßten Ansichten und Vorschläge zu bekämpfen. Im allgemeinen aber, glaube ih, werden die Herren alle mit mir einverstanden sein, daß es durchaus zweck- mäßig ist, daß in der Zeitschrift für Kleinbahnen auch Sachver- ständige aus der Verwaltung zum Worte kommen.

Meine Herren, ih möchte bei der Gelegenheit auf eine Ange- legenheit zurückfommen, die sich leider in meiner Abwesenheit abgespielt hat. Der Herr Abg. Sander hat, wie mir mitgetheilt ist, bemängelt, daß die Nebenbahn Elze—Gandersheim und Bodenburg—Düngen niht in die diesjährige Vorlage mit aufgenommen ist; er hat ins- besondere bemängelt, daß der Herr Finanz-Minist:r nach seiner Auf- fassung ein Hinderniß dadurch bereitet habe, daß er zu große An- forderungen an den braunschweigischen Staat in Bezug auf die Bei- hilfe zu diesen Bahnbau gestellt habe. Meine Herren, das thatsäch- lihe Verbältniß ift folgendes.

Die Vorarbeiten für die Bahn Elze—Bodenburg—Gandersheim und Bodenburg— Düngen sind allerdings fertiggestellt ; es handelte sich darum, zunächst zu konstatieren, ob die betheiligten Kreise willens seien, den Grund und Boden für diese Bahn, wie üblich, ihrerseits ¡u stellen. Der zustimmende Beschluß, der nach sehr vielem Hin- 1nd Herhandeln gefaßt worden ist, liegt seinem Datum nah später als der formale Abschluß dieser Vorlage. Also kann der Herr Abg. Sander aus diesem Umstande für die Regierung keinen Vorwurf berleiten.

Er kann aber ebensowenig daraus einen Vorwurf herleiten, daß niht nur der Herr Finanz-Minister, sondern die preußische Staatsregierung als solche es für angezeigt gehalten hat, bei dem sehr lebhaften Interesse, welches nach unserer Auffassung der braunshweigis{e Staat an diesen beiden Linien hat, eine Beihilfe seitens des braun- shweigishen Staats zu denselben zu beanspruchen. Der Beitrag, der von seiten der preußishen Saatsregierung als angemessen be- trahtet wurde, war auf 500 000 Æ beziffert.

Meine Herren, wenn Sie in der gegenwärtigen Vorlage die Bahn von Probstzella nah Wallendorf finden es find im ganzen, glaube ih, 16 km —, so werden Sie auch in der Denkschrift zu dieser Bahn die Ausführung finden, daß die meiningenshe Regierung für diese kurze Strecke dem preußishen Staat eine Beihilfe von 750 000 M giebt. Sie werden ferner finden, daß die lippeshe Ne- gterung für die 5 km lange Linie von Schieder nah Blomberg sich ¡u einem Beitrage von 200 000 A verstanden hat.

Meine Herren, nah dem Maßstabe dieser beiden Positionen gemessen, kann ih auch heute noh nit einsehen, daß die Forderung, die an den braunshweigishen Staat gestellt worden ist, eine unver- bältnißmäßige war ; nichtsdestoweniger bin i gern bereit, über die Frage des Beitrags des braunshweigishen Staats mit dem Ver-

, a. * _

treter der braunsGmwecigisGen Regterung aufs Neue in Verhandlüügeu zu treten. Das unter solhen Umständen die Bahn nicht in die dies- jährige Vorlage gebraht werden konnte, halte ich für selbstverständ- lich. Jh muß also derartige Sclußfolgerungen, wie fie der Herr Abg. Sander vorgebracht hat, zurückweisen.

Meine Herren, dann is auch der Wunsch ausgedrückt worden, daß irgend eine Erklärung hier folgen möge über das Schicksal der Bahn Kosel —Polnish-Neukirch. Die thatsächliche Lage ift folgende : Für die Linie Kosel —Polnisch-Neukir sind die Vorarbeiten seiner Zeit E worden und dann den betheiligten Kreisen unterbreitet, damit G S in die Lage kommen, sich zu entschließen, ob sie geneigt seien, 2 r den Grund und Boden zu geben. Die Kreise glauben aber, das fe Grund der vorläufigen Vorarbeiten niht thun zn können, weil ‘e niht übersehen konnten, welche Grundstücke davon berührt werden

würden. Weil es \ich theilweise um werthvolle Wiesen und Acker- grundstücke handelte, so war es allerdings vorbêrzusehen, daß es im Interesse der betreffenden Grunderwerbspflichtigen liegen würde, die Situation etwas näher zu übersehen. Daraufhin sind erst speziellere Vorarbeiten, namentlih für diejenigen Strecken angefertigt worden, um die es sich hauptsählich handelt, und nun find die Vorarbeiten, nachdem sie fertig geworden, den Kreisen wieder zur Beschlußfassung zugegangen. .

Außerdem waren sehr erheblihe Differenzen unter den Betheiligten vorhanden über die Linienführung. Die Stadt Kosel hatte ganz andere Wünsche als die anderen, und darüber haben sich die Ver- handlungen auch über eine sehr geraume Zeit hinweggezogen furzum, es war absolut nicht möglich, den Bau der Babn früher zu beginnen. Versprechungen für die Zukunft kann der Minister bekanntlih nicht machen; hoffen wir das Beste.

Abg. Engelsmann (nl.) empfiehlt die Verlängerung der Hunsrück- bahn von Simmern nach Kastelaun einer- und nah Hermesfeil andererseits.

Abg. von Berg (konf.) tritt für die Linien Gifhorn—Uelzen und eine Gabelung von Oebisfelde nah Wittingen cin.

_Abg. Freiherr von Richthofen - Jauer (kons.) emvfiehlt die Beschleunigung der Entscheidung über die Linie Bolkenhain—Merzdorf.

Abg. Thies (nl.) befürwortet den Bau der Allerthalbabn von Gifhorn oder Oebiëfelde über Celle in der Richtung auf Verden.

Abg. Bunzen (frkonf.) dankt der Regierung, daß sie für die Bahn nach Sonderburg sowohl die südliche Linie von Pattburg als auch die nördlihe von Tingleff aus in Aussicht genommen habe. Außerdem bittet Redner um eine coulante Handhabung des Kleinbahngesetzes, namentlich au bezüglich der Anschlüsse an die Eisenbahnen. f _ Abg. van Vleuten (Zentr.) hält die Staatébahnverwaltung für verpflihtet, die Verbindung der Linie Bonn—Euskirchen mit der Ahrthalbahn berzustellen.

Abg. von Veltheim (kons.) vermißt die Fürsorge für den Berliner Vorortverkehr, namentlich an der Nordbahn, der dadur geschädigt sei, daß der Personenverkehr vom Stettiner Bahnhof nach dem Güterbahnhof der Nordbahn am Ererzierplay an der einsamen Pappel verlegt worden. Die eingegangenen Petitionen seien im vorigen Jahre niht zur Beschlußfassung gelangt. Jeßt seien die Petitionen wiederholt eingebraht, namentlich von Anwobnern der Linie Schönholz—Kremmen. MNedner bittet deëkalb den Minister, den Verkehr nah dem Stettiner Bahnhof zurückzuverlegen.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Ih kann durchaus nicht verkennen, daß ein Theil der Klagen, welhe aus den nördlihen Stadttheilen und aus den benachbarten Orten über die Mängel der Nordbabn-Station erboben werden, berehtigt sind. Die Staatsregierung ist bereits seit geraumer Zeit mit dem Studium der überaus \{wierigen und finanziell be- deutungêvollen Frage beshäftigt, in welcher Weise den Uebelständen, die allmählich durch den ganz enormen Verkehrëzuwas entstanden find, abgeholfen werden kann. ?

Die Maßregel, welhe der Herr Abg. von Veltheim beklagt, daß namlich ein Theil der Nordbahnzüge vom Stettiner Bahnhof nah dem Nordbahnhof verwiesen worden ist, war eine absolute Nothwendigkeit geworden, weil in dem Stettiner Bahnhof so viel Verkehr \sih zu- sammengefunden hatte, daß es, wenn die Betriebssicherheit gewahrt bleiben sollte, so nicht weiter fortgehen konnte. Mit sebr schwerem Herzen haben wir uns ents{hlofsen, einen Theil des Verkehrs aus dem Stettiner Bahnhof Herauszulegen, und wir haben denjenigen Theil des Verkehrs aus dem Stettiner Bahnhof herausgelegt, von dem wir vorausseßen fonnten, daß er diese Verkehrs- ershwerung am ersten würde ertragen. Es war von vornherein klar, daß die durchgehenden Schnellzüge und auch der größere Theil der durchgehenden Personenzüge der alten Stammlinie in dem Stettiner Bahnhof bleiben mußten, und daß in der Hauptsache nur ein Theil des Vorortsverkehrs und zwar derjenige Theil des Vorortsverkehrs, der die [{chwächsten Ziffern nahweist, auf den Nordbahnhof zu verweisen wär. Das ist geschehen. Fernerhin bleiben sehr erbeblihe Klagen und Beschwerden bestehen, und es fand dann, wie Herr von Veltheim {on mitgetheilt hat, eine nohmalige Revision statt, die ja aub zur Folge hatte, daß wir theilweise Züge zwishen Nordbahnhof und Stettiner Bahnhof auêwecselten, theilweise auch wieder mehr Züge in den Stettiner Bahn- hof bineinbrahten, als das bisher der Fall gewesen war. Aber den Antrag, sämmtliche Züge wieder in den Stettiner Bahnhof hbinein- zunehmen, muß ih leider als eine vollständige Unmöglichkeit bezeichnen. Ich hoffe, daß die Vorarbeiten, welhe zur Zeit über den endlichen Austrag dieser Frage s{hweben, so weit gefördert werden können, daß sie noch im Laufe dieses Jahres zu Entschlüssen bei der Staats- regierung führen. Für die nähste Zukunft und namentlich noch während der Zeit, daß die Budgetkommission tagt, wird, glaube ih, es nicht mögli sein, hon irgend welche entscheidenden Beschlüsse dem boben Hause zu unterbreiten.

Der Herr Abg. van Vleuten hat an mi eine Anfrage gerichtet und zwar dahin gehend, ob irgend welche Aussiht vorhanden sei, daß der neue Schußzhafen bei Oberwinter am Rhein mit der Eisenbahn verbunden werde. Meine Herren, die Frage tritt jezt zum ersten Male an mich heran, und ich fann deshalb eine Antwort darauf heute nit ertheilen; ich möchte jedo so viel sagen, daß die Schwierigkeiten, die sih der Ausführung dieses Wunsches entgegenstellen, ziemli er- heblich sind, und infolge dessen die Kosten auch ziemlich bedeutende sein werden. Der Herr Abg. van Vleuten hat dann noch einmal darauf hingewiesen und seinerseits geglaubt, feststellen zu müssen, daß die Staatsregierung eine moralishe und rechtliche Verpflichtung habe, die Fortseßung der Bahn von Rheinbah bezw. Meckenheim nah Sinzig zu bauen. Meine Herren, über moralishe Verpflichtungen läßt fih ja überhaupt streiten, eine juristische Verpflichtung kann die Staatsregierung nit anerkennen.

Abg. von Tzshoppe (frkons.) bedauert, daß die Linie von Velzen nah Wittingen mit Abzweigung nah Oebisfelde, die {on seit zwanzig Jahren geplant werdc, in der Vorlage nit enthalten

fei. Darunter leide die Landwirtbschaft in der dortigen Segend.

Abg. Dr. Jrmer (konf.) führt aus, die Verlegung des Vorort- verkehrs babe für die Entwickelung der Vororte eine soziale Be- deutung. Redner fragt nah dem Schicksal der Bahn Lichtenberg== Wriezen, und ob nicht bald ein Umbau des Bahnhofs Rirdorf er- folgen könne, da dort ein Krawall vorgekommen fein solle.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: -

Ich hâtte dringend gewünscht, daß der Herr Abg. Irmer, ebe er dies gesagt, sih die Verhältnisse in Rixdorf persönlich angesehen hâtte; dann würde er wahrscheinlich nit zu dieser Anfrage gekommen sein. Er würde gesehen haben, daß wir dort im Umbau augenblick- lih begriffen sind, und daß bei jedem Umbau, wenn innerhalb des Umbaues das Gebäude noch bewohnt werden und der Gefchäftsbetrieb fortgeführt werden soll, sich Unbequemlichkeiten ergeben.

Die Zeitungsnotizen, die ih ja natürliherweise auch gelesen babe,

denn fo etwas wird zunächst immer dem Minister zugeshickt, bezogen sih darauf, daß angeblich zwei Unterbeamte sich etwas kräftig einigen Arbeitern gegenüber ausgedrückt hätten, infolge dessen eine Heine Séhlägerei entstanden wäre. Die Sache if sofort energish gedämpft, und damit war der große Rixdorfer Krawall erledigt.

Meine Herren, der Bau der Linie Lichtenberg—Wriezen hat zu meinem lebhaften eigenen Bedauern bis jet noch nit zur Ausführung gelangen können, weil die Erfüllung der Vorbedingungen immer noch in der Luft s{hwebt und der Bau nicht eher zur Ausführung kommen konnte, bis die vom Gese vorgeschriebene Grundlage auch wirkli vorhanden war. Es ift zu hoffen, daß die entgegenstehenden Hindernisse nunmehr weggeräumt find; wir werden dann shon im eigensten dringeußen Interesse der Ausführung der Bahn sobald als irgend mödkch nahe treten.

Was nun die Verlegung des Vorortverkehrs anbetrifft, so ift es ja. ohne Zweifel richtig und von vornherein zuzugeben, daß mit einer derartigen Verlegung von einem Punkte zum andern- auch gewisse Verschiebungen in den Werthverhältnissen verbunden sind. Infolge dessen können in diesem Falle die Verschiebungen doch unmöglich sehr erhebliche gewesen sein. Ich bemerke. dazu noch, daß mit der Verlegung des Vorortverkehrs auf die Nordbahnstationen der Vorortverkehr selber erbeblich zugenommen hat, und zwar aus einem sehr einfachen naheliegenden Grunde. Es hat ja der große nördlihe Stadtbezirk, der außerordentlich stark bevölkert ist, eine Station bekommen, deren unmittelbarer Nähe er si bedienen kann, um Sonntags oder an sonstigen Tagen auch einmal an die frische Luft hinauszukommen; die Bevölkerung dieses Stadttheils mußte bisher . entweder auf die Ringbahn gehen oder auf einen Bahnhof, der in der Mitte der Stadt belegen i. Daß aber gleichzeitig damit eine große Unbequemlichkeit, namentli® für die weiter gelegenen Orte, ich will mal sagen, Kremmen, Velten Tegel u. st. w. verbunden sind, unterliegt gar keinem Zweifel; es unterliegt auch gar feinem Zweifel, daß die gegenwärtigen Einrich- tungen, wie fie auf dem Nordbahnhof bestehen, auf die Dauer nicht bestehen bleiben können; es wäre aber unwirtbschaftlich, fo [lange die ganze Frage der fünftigen Gestaltung der Bahnhöfe noch unentschieden ist, jeßt auf dem Nordbabnhof mebr zu thun, als unbedingt noth- wendig ist; das aber ist auch gesehen.

Abg. Hausmann (nl.) empfiehlt dringend die Herstellung der Linien Voldagsen—Salzhemmendorf—Wisvenstein und von Hameln nach Bodenwerder, welche s{chon länger geplant sei als die un- bedeutendere Linie Schieder—Blombera.

Ab. Beinhauer (nl.) {ließt sch den Ausführungen des Abg. von Pappenbeim bezügli der Linie Cafsel—Volkmarsen an.

Abg. Frhr. von Loë (Zentr.) stimmt dem Abg. Fritzen-Rees bei und empfiehlt dringend die Beseitigung der Staffeltarife, die bei Ab- {luß des russischen Handelsvertrages und Aufhebung des Identitäts- nahweises die Landwirtbschaft schwer shädigen müßten.

Präsident von Köller bemerkt, daß dies niht zur Sache gehört. Die Vorlage wird darauf der Budgetkommission über-

E. D

wien Schluß gegen 33/4 Uhr. 11 Uhr.

Nächste Sißung Mittwoch,

Iir. 6 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, berausgegebenim Ministeriumder öffentlihenArbeiten, vom 10. Februar, hat folgenden Inhalt: Nund-Erlaß vom 26. Ja- nuar 1894, betreffend die Bestimmungen über die Anstellung der Königl. Bauschreiber und technishen Sekretäre in der allgemeinen Staatsbauverwaltung. Nichtamtliches: Dovpelwobnhaus in der Kolonie Grunewald bei Berlin. Ausblühungen des Mauerwerks. (Schluß.) Die Tower-Brücke in London. Vermischtes: Wetts- bewerb für die Erweiterung der Martin’shen Frauenklinif in Berlin und für ein Kreishaus in Rastenburg. Evang. Kirche in Ober- Bredow. Die Zukunft der Fahrklassen auf den englishen Eisen- bahnen. Eisenbahnunfälle im Staat New-York.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Hat ein Absonderungsberechtigter seine ganze Forderung im Konkursverfahren angemeldet, an dem Vergleihsverfahren theilgenommen und den auf seine ganze Forderung treffenden Theil- betrag auf Grund des abgeschlossenen Zwangévergleihs in Empfang genommen, fo ist, nah einem Urtbeil des Reichsgerichts, II1. Zivil- jenats, vom 3. Oftober 1893, dadurch seine ganze Forderung getilgt und damit auch das zur Sicherheit derselben dienende Pfand- ret erloschen.

Nach §S 773, 774 und 775 der Zivilprozeßordnung ist dex Antrag auf Zwangsvollstreckung eines Urtheils zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlafsungen bei dem Prozeßgeriht 1. Instanz zu stellen. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, I. Zivilsenat, durch Beschluß vom 14. Oktober 1893 ausgesprochen, daß, falls das Prozeßgeriht, I. Instanz, das Landgericht ist, der Schriftsaß, welcher den Antrag enthält, von einem bei dem Land- geriht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein muß, widrigen- falls er ohne materielle Entscheidung zurückzuweisen it.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zum deutsch- russishen Handelsvertrag.

Ostdeutsche Schiffseigner haben eine Petition an den Neichstag gerichtet, die mit der Bitte \{ließt, den deutsh-russischen Handelsvertrag zu genehmigen. In der Petition wird auf die Nothlage hingewiesen, die im ostdeutshen Schiffahrtsgewerbe vor- handen ift. Während auf den leistungéfähigeren und verkehrs- reicheren westdeutshen Wasßerstraßen die Schiffahrt naturgemäß ih dahin entwickelt habe, daß der Dampferbetrieb und die Ver- wendung sehr großer tragfähiger Fahrzeuge die Kleinshiffahrt immer mebr zurückgedrängt habe und zurückdränge, seien derartige Be- triebsänderungen bei den ganz anders gestalteten ostdeutshen Ver- kehrsverbältnissen niht wahrnehmbar. Jn den Gebieten der ostdeutshen Wasserstraßen, die in ihrer Leistungsfähigkeit denen des Westens weit nachstehen, sei nah wie vor die Kleinschiffahrt mit Fahrzeugen von 50 bis 200 Tons Tragfähigkeit vorherrschend geblieben. Ihr Bestand gründe sich aber niht auf ein vorbandenes Verkehrsbedürfniß, sondern theilweise auf den Zuwachs aus den westlich gelegenen Wasserstraßen, aus denen die kleineren Fahrzeuge immer mehr nah dem Osten verdrängt werden. Gegen- Über diejen, über Bedarf sih mehrenden Schiffsräumen sei aber der ostdeutshe Frachtenverkehr stetig und erheblich zurückgegangen, und die demgemäß sinkenden Frachtsäße hätten das ohnehin wenig ein- träglihe, aber verantwortliche und mühevolle Gewerbe seit lange schon unlohnend gemaht. Die mißlihe Lage sei in den leßten Jahren nes durch ungünstige ferstände und Grhöbhungen von Kanalabgaben und Arbeitslöhnen neben den steigenden Ausgaben für die Arbeiterversicherung verschärft wordens