1894 / 40 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Feb 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Ernst Günther zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg und der Herzog Friedrih Ferdinand zu Schleswig-Holstein- Sonderburg-Glücksburg. Neu eingetreten sind die Herren von der Gröben, von Kalïreuth, von Beer und Fürst Leopold zu Salm-Reifferscheid.

Eingegangen sind: die Uebersicht über die Darstellung des Er Fbuistes der 1893 gepflogenen Verhandlungen des Landes- Eitenbahnrathes, der Bericht über die Ergebnisse der 1886 be- wirkten Umwandlung von Prioritätsanleihen verstaatlichter Eisenbahnen in konsolidierte Staatsschuld, der Bericht über die Bauausführungen in der Eisenbahnverwaltung pro 1892/93 und die Denkschrift über die Verwendung von Staatsgeldern für Flußregulierungen.

Die ersten drei Berichte werden der Kommission für Eisen- bahnangelegenheiten, die Denkschrift der Kommission für den Staatshaushalt überwiesen.

Auf der Tagesordnung stcht zunächst die Wahl von drei Mitgliedern für die statistishe Zentralkommission. Die bis- herigen Mitglieder Geheimer Justiz-Rath Professor Dr. Hinschius und Ober-Forstmeister von Alvensleben erklären sich bereit, ihr Amt auch für die diesjährige Legislaturperiode beizubehalten. An Stelle des Staatssekretärs Dr. von Stephan wird General- Auditeur Jttenbach gewählt.

Es folgt die Berathung und Beschlußfassung über die geschäftlihe Behandlung der Novelle zu den Staats- gefeßen über die evangelishe Kirchengemeinde- und Synodalordnung und die Kirchenverfassung.

Nach kurzer Debatte beschließt das Haus, die Novelle nah voraufgegangener Generaldiskussion schon heute einer Kom- mission zu überweisen. Es meldet sich jedoch in der all- gemeinen Besprechung nicmand zum Wort. Die Vorlage wird dahcr einer Kommission von 15 Mitgliedern über- wiefen, welche in der nächsten Sißung von der Plenarsizung gewählt werden foll.

Schluß 28/4 Uhr. Nächste Sißzung Donnerstag 2 Uhr. j 4 U) ZUNg

Haus der Abgeordneten. 15. Sißung vom 14. Februar 1894,

Die zweite Berathung des Staatshaushalts - Etats für 1894/95 und zwar zunähst des Etats des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, wird fortgescßt. (S. den Anfangsberiht in der Mittwochs- Nummer d. Bl.) f

Unter den Besoldungen für die Gesandtschaften sind 36 000 M für den Gesandten in Stuttgart ausgeseßt. Im vorigen Jahre waren ebenfalls 36 000 A angeseßt, aber davon 6000 Æ als künftig wegfallend bezeihnet. Die Budget- tfommission beantragt, das Gehalt für den Gesandten in Stutt- gart auf 30 000 M zu ermäfkigen.

Wirklicher Geheimer Legations-Rath von 30 000 M besteht feit 1867, als St s billige Stadt war. Die württembergishe MNegierung bat ihren : amten 1889 bereits eine Gebaltëzulage von 15 9/ gewährt. Außer

E 2 c c D S cui “- ce P dem besteht eine große Nepräsentationspflicht; der preußische Gefandte hat den König von Preußen und Deutscken Kaiser zu vertreten und daber mehr zu repräsentieren als der russische Gesandte, welcher 63 000 Æ, und der österreichisde Gesandte, weler 36 000 M bezieht; beide haben daneben freie Wohnung bezw. Wobnungsentschädigung. Dazu tommt, daß der gegenwärtige Gesandte sich nicht in der glänzenden Vermögenslage befindet wie sein Vorgänger. In der Kommission is geltend gemacht worden, daß man bei Be- willigung der Erböhung für Stuttgart au die Gehälter für Dresden, Hamkèurg und Karlsruhe erböben müßte. Aus Karlsruhe ift ein solcher Antrag gefommen, aber nah langer Erwägung abgelehnt worden. Von den andern beiden Plätzen ijt ein folcher Antrag nit gestellt.

Abg. von Eynern (nl.): Wenn ein Etat vom Finanz-Minister mit fo zur Sparsamkeit mahnenden Worten begleitet wird, wie der vorliegende, dann baben wir älle Ursache, sparsam zu sein, und wenn die Kommission hier gestrichen hat, so wird der Finanz-Minister wobl damit einverstanden sein. Ich glaube, daß wir, wenn wir Geld hätten, andere, nothwendigere Ausgaben machen würden. Vebrigens if das Gebalt für die Gesandten ohnehin {on sehr ho; es ist fo hoh wie ein Ministergehalt. Ih habe schon früher darauf aufmerksam gemacht, daß die Eisenbahnverwaltungen der anderen deutscben Staaten ibre Bestellungen im Auslande machen. Der preußische - r À r - ! CzZL! : R: Handels-Minister hâtte wobl die Fähigkeit, dem entgegenzutreten. Die Gefandten in Karlsruhe, München, Stuttgart und Dreéden könnten an dem Siß der dortigen Staatébahnverwaltungen ihren Einfluß aus- üben dabin, daß dieselben nicht das Ausland begünstigen; ebenso fönnte das in Hamburg bei der dortigen Finanzdeputation geschehen. Bayern betrachtet die preußisden Werke sogar als Auslandswerke. Die preußischen Gesandten hätten doch wohl die Pflicht, über derartige Vorkommnisse an das Auswärtige Ministerium zu berichten, weldes an die übrigen Reffort-Minister Mittheilungen zu machen bâtte. Es handelt sich um bedeutende Interessen. Die Frage der Arbeitsloîen tritt in jedem Winter an uns heran, und die Arbeitslosigkeit rührt daher, daß die inländishen Werke vernach- ässigt werden zu Gunsten der auéländisden. Der Schutzoll für

ie Eisenindustrie wird vollständig aufgewogen dur die Lasten, welche sozialpolitis@e Gesetzgebung der Industrie auferlegt. Auslän-

_ Staaten geben ihre Aufträge überhaupt nur ihrer inländischen nduitrIe.

Finanz-Minisier Dr. Miquel:

Meine Herren! Man kann ja bei jedem Etat einen künstlichen Zusammenhang mit allen Fragen der Welt fkonstruieren (Heiterkeit), und ih glaube, von dieser Kunst hat Herr von Eynern einen sebr reihlichen Gebrauch gemaht. Zunächst möchte ih ihn fragen, woher er weiß, daß die Vorkommnisse, von denen er spriht, durch unfere Gesandten an den deutsden Höfen niht nah bier berihtet werden, und daß der betreffende Neffort-Minister davon keine Kenntniß er- halten hat. Jch bin überzeugt, daß das Gegentheil der Fall ift, daß von allen derartigen Vorfommnissen hierher Kenntniß gegeben wird von unseren diplomatischen Vertretern; und daß die betreffenden Resjort-Minister dann Kenntniß ‘erhalten, das betrachte ih nah der Praxis in unserer preußishen Staatéëverwaltung für ganz selbst- verständlich. Ich glaube alfo, in dieser Beziehung bängt die Frage, die hier angeregt ift, garnicht zusammen mit dem Etat für unseren Gesandten in Stuttgart. Jn dieser Beziehung bat Herr Abg. von Eynern sich selbft widerlegt, indem er im Aufang seiner Rede sagte, diese Herren wären da eigentlich ganz unnüß, es wäre nidt nöthig, dafür soviel Geld auszugeben, und er führt selbst cinen sehr wichtigen Gegenftand an, woraus hervorgeht, wie nüßlich die Wirksamkeit unserer Vertreter in den übrigen deuts{en Staaten sih gestalten kann.

Meine Herren, von der Thatsache selbst, von der der Herr Abg. von Eynern spricht, habe ich keine Kenntniß. Wenn er aber gewisser- maßen den Rath giebt, Preußen möge in der gleichen Weise verfahren, wie nah seiner Behauptung andere deutshe Staaten in Bezug auf die Vergebung der Bestellungen verfahren, so möchte man si diese Frage toch mehr als einmal überlegen. Zur Zeit kann ih noch nit

1mbert: Das Ge art noch eine zien

Hl uttg Nec

glauben, daß es geratben ift, daß die deutshen Staaten untereinander sih als Ausland betrachten. Ih bin der Meinung, daß in allen diesen Dingen die Deutschen sih als Deutsche betrachten müssen und daß demgemäß auch die einzelnen Regierungen verfahren sollten. Wirklicher Geheimer Legations-Rath Reichardt stellt fest, daß

die Gesandten über diese Dinge um so mehr berihten müßten, als Preußen in den Einzelstaaten nicht durch Konsuln vertreten fei.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Ich habe doch übersehen, auf cine Bemerkung des Herrn von Eynern zu antworten, in welcher er andeutete, daß die Ablehnung der Gehaltserhöhung für den Gesandten in Stuttgart dem Finanz- Minister wohl sehr erfreulih sein würde. Meine Herren, die That- sahe, daß ich diesen Etat vorgelegt habe, widerlegt das ja schon ge- nügend. Wenn das Finanz - Minist-rium auch in der gegenwärtigen Lage zu seinem Bedauern daran festhalten muß, daß es bedenkli ist, Gehaltserhöhungen in einzelnen Fällen eintreten zu lassen wegen der Konsequenzen, die wir nicht erfüllen können in Bezug auf dié allgemeine Aufbesserung der Gehälter unserer Beamten, so glaube i, kann doch die Stellung eines Vertreters -Preußens außerhalb Preußens ad consequentias nit gezogen werden für die Gestaltung der Ge- haltsverhältnisse in Preußen selbst; dabei sind solhe Bedenken nicht vorhanden, die anerfannt werden müßten in anderen Fällen, wo in Bezug auf Beamte, die in Prcußen selbst fungieren, folhe Fragen erwogen werden. Wir haben uns überzeugen müssen, daß allerdings der Gehalt namentlich unseres Gesandten in Stuttgart niedrig ist, daß der Gesandte wird genöthigt scin, aus eigenen Mitteln bedcutend zuzuschießen, um die Stellung, die er feiner ganzen Aufgabe gemäß dort einzunehmen hat, richtig auszuführen, und das ist der Grund, warum der Antrag auf Erböhung seines Gehalts gestellt ift.

Abg. von Kröcher (konf.): Meine Freunde haben keine Ursache, von -dem Beschlusse der Budgetkommission abzuweichen, da die Debatte feine andern Gründe vorgebraht hat, als in der Kommission vor- gebracht sind. Theurer als in Hamburg wird es in Stuttgart auch nicht sein. Wird das Gehalt für Stuttgart erhöht, so wird die Er- böbung an andern Pläßen folaen. Die Anträge, die bisher nicht vorgelegen haben, würden bakd erfolgen. Man kann ja nah Stüttgart einen von den wohlhabenden Herren hinshicken, dem es feine Ver- hâltnifse gestatten, aus feinear Vermögen etwas zuzulegen. Der Ber- gleih mit anderen Großstaaten ift unzutreffend; wir sind ein armes Land, und der Nimbus hêngt {ließlih nicht am Gelde.

Wirklicher Geheimer Légations-Nath Humbert: Die Frage, ob die Gesandtschaften an den deutshen Höfen aufrecht erhalten werden sollen, ist vom Haufe früher eingehend besprochzen worden. Man hat sih damals für die Aufre(terholtung ausgesprochen. Der Vergleich mit den Ministern ift nicht zutreffend; die Gesandten sind sonst ziemlich auéreichend dotiert; die preußischen Minister sind aber nicht aus- reichend dotiert.

Akg. von Eynern (nl.): Daß Berichte üker die von mir be- sprochenen Fragen nicht eingegangen sind, habe ih nicht behauptet; ih babe nur gefragt, ob fie eingehen. Ich bin erfreut, aus der Antwort des Y des Auswärtigen Ministeriums zu entnehmen, daß solhe Berichte eingehen. Allen Ministern scheinen sie aber nicht be- fannt zu sein. Denn der Finanz-Minister bezweifelt, daß Bayern die anderen deutschen Werke als ausländische behandele. Daß die ganze Angelegenheit zum Etat gehört, wird das Haus wohl zugeben. Fch boffe, daß die Berichte in Zukunft besser fruktifiziert werden als bisher. ]

Abg. van Vleuten (Zentr.) erflärt, daß das Zentrum ebenso wie in der Kommission gegen die Bewilligung stimmen werde.

Der Antrag der Budgetkommission auf Streichung wird hierauf einstimmig angenommen. :

Jm übrigen wird der Etat des Auswärtigen Ministeriums ohne weitere Debatie genehmigt.

Es folgt der Etat der Münzverwaltung.

Abg. Dr. Arendt (fr. kons.): Die 5 400 000 4 Silbermünzen, die im vorigen Jahre ausgeprägt wurden, find heute höchstens 2 400 000 M werth. Solche unterwerthigen Münzen find fast nur in der Kipper- und Wipperzeit geprägt worden und in der Zeit der Kriegsnoth unter Friedrich dem Großen. Kommen wir, wie ih hoffe, zur Doppel- währung, dann müssen die Münzen in vollwerthige umgeprägt wer- den; bleiben wir bei der Goldwährung, dann ist die Ausprägung so unterwerthiger Münzen erst reht niht zu verantworten. Wir haben vielleiht den Umlauf an Silberthalern biéher unterschößt; es follen 2354 Millionen Silberthaler in der Bankliegen. Oder es haven vielleicht schon bctrügerishe Nachprägungen stattgefunden. Es ift dem Minister- Präsidenten sehr zu danken dafür, daß er auf diesen Punkt die Auf- merksamkeit der Behörden gelenkt hat. Für die Deckung einer fo großen Menge unterwerthigen Geldes reiht der Kredit des Deut:chen Reichs nicht aus. Schließlich wird das Gold au noch für den Um- lauf nöthig werden, wenn das Volk sich der unterwerthigen Siiber- münzen erwchrt. Wenn man die Goldwährung durchführen will, dann muß man entweder die Silbecthaler verkaufen oder die Silbermünzen vollwerthig machen. Beides kostet aber 4 Milliarde Mark. So viel wird ja wohl die Goldwährung werth sein. Die Silbermünzen müßten freilich außerordentlich groß werden, und es ist nicht aus- geschlossen, daß das Siber noch etwas im Preise fällt. Man hat gesagt, die Silbermünzen könnten durch Zusaß von Gold vollwerthig gemacht werden. Ja, wenn wir nur sonst schon Gold genug hätten, aber wir leiden überal unter einem Goldmangel. (Widerspruch links.) Geben Sie doch nur nah Oesterreich-Ungarn, Jtalien oder nah der City in London. Es ift auf die Dauer niht zu ertragen, daß Silbermünzen 60% unter dem Werth ausgeprägt werden.

Unter-Staatssekretär Mecinecke: Die Ausprägung der Münzen ist durh Neichégeseß geregelt; davon kann niht abgewichen werden. Preußen könnte allerdings erflären, daß es die Silbermünzen nicht prâgen will. Aber das würde doch seitens der Präsidialmacht des Reichs ein Einbruch in die Verhältnisse sein. Der Zweck würde da- durch garnicht erreiht werden, denn die Hambutger Münze würde sofort auëgebaut werden. Die Scheidemünzen sollen unterwerthig fein ; es ist niemand verpflichtet, Silbermünzen im Betrage über 20 46. an- zunehmen. Es wird auch nur ein bestimmter Betrag pro Kopf auës- geprägt.

Abg. von Eynern (nl.): Es handelt sih hier um eine Reichs- angelegenheit, und es ist zu bedauern, daß Herr Arendt nit ein Reichétagsmandat erhalten hat, daun würde er uns bier nicht in jedem Iahre eine ‘Silberrede halten. Seit Jahren propbezeiten Herr Arendt und seine Freunde, daß Maßregeln gefunden werden könnten, um den Silberpreis zu heben. Es giebt Leute, welche daran glauben, und dazu gehören auch einige Mitglieder der preußishen Staats- regierung. Die Frage ist, ob es möglich ift, unterwerthiges Metall im Preise 2u heben. Die Negierung bat fi darüLer noch feine feste Meinung gebildet. Die große Steigerung der Silberproduktion hat das Silber zu einer Marktwaare ge- macht, wie alle auderen Metalle. Ich habe bedauert, daß der Minister-Präsident Graf Eulenburg in seinem bekannten Reskript davon gesprochen hat, daß der Silberpreis wohl seinen tiefsten Stand erreicht hâtte; seitdem is der Silberpreis von 31 auf 29 Leue gesunken. Daß wir von diesen Schwankungen und Erschütterungen verschont geblieben sind, verdanken wir nur der guten Reichs-Münzgeseßgebung. Die Frage foll nun in einer Kommission gelöst werden, in welGer Herr Arendt ja auch seinen Play finden wird. Was soll die preußishe Regierung eigentlich machen ? Cine Wiederherstellung der Silberrelation ‘ohne England ift nicht msglich. Ich glaube, die Silberenquête wird ergeben, daß der biéherige Standpunkt der preußischen und deutschen Regierun der richtige ist. Im englischen Unterhause is erst vorgestern E

ertlârt worden, daß die indien Münzstätten nicht wieder

würde sich ein

geöffnet werden follen, - daß auch fein Einfuhrzoll auf Silber erhoben werden soll. England weiß also niht mehr, was es mader foll gegenüber der anwacfenden Produktion von Silber, dessen Preis wie bei. jeder anderen Waare durch den Konsum be- stimmt wird. Nach einer mir aus Kalkutta zugegangenen Depesche schließen die Engländer ihre Geschäfte unter der Annahme ab, daß der Kurs des Silbers im nächsten Jahre ebenfo niedrig sein wird wie jeßt; sie spekulieren wohl eber auf einen niedrigeren Preis. So fassen die praktischen Engländer die Dinge auf; allertings, die Doktrinäre von Profession find ja nicht zu überzeugen.

Abg. Dr. Arendt (fr. konf.): Der Betrag der Silbermünzen soll 10 Æ pro Kopf nit übersteigen; es ift also nit nothwendig, daß dieser Betrag erreiht wird. Deshalb könnte die Prägung ein- geschräntt werden, da die Zwei- und Fünf-Markftücke doch nur an die Stelle der Thaler treten, die noch etwas mehr werth find als die Neichsmünzen. Herr von Eynern irrt, wenn er meint: wenn ich im Reichstag säße, würde ich dicse Währungsrede hier nit halten. Ich würde die Nede ganz genau fo halten wie jeßt; denn es fann von diesen wichtigen Dingen nicht genug zesprohen werden. Statt Zahlen anzugeben, spriht Herr von Eynern von der kolossalen Ueber- produfktion, obgleich doch die Goldproduktion schr viel größer ist. Daß das Silber eine Waare fei, ist schon vor dreißig Fahren von den Nationalöfonomen abgethan. Aber solche älteren Schriften hat Herr von Eynern ebenso wenig gelesen, wie meine älteren Schriften, in denen ih ausgeführt habe, daß die Doppelwährung ohne England wünf{tnswerth und durhfülbar ist. Wenn das Silber jeßt im Preise gesunken ist, fo ist das nit eine Folge der gestiegenen Pro- duttion, denn es sind ja jeßt vieleMinen geschlossen. Der Preissturz ift eine Folge davon, daß dem Silber die Gigen'chaft als Münzmetall entzogen ist. England wird durch die Verbältuisse in Judien ge- zwungen werden, zur Hebung des Silberpreises beizutragen. Die Wahrheit wird fih endlid) Bahn brechen, und ih glaube, der Kampf wird früher zu Ende gehen, als man denkt. Db die Silberenquête nah der Art ihrer Zusammenfeßung die Gewähr eines guten Er- gebnisses für sih hat, weiß ih nicht. Man hat dafür gesorgt, daß die Ansihten des Herrn von Eynern die Mehrheit erhalten.

Abg. von Eynern (al): Wenn Thatsachen verdunkelt werden, fo geschieht das nur von Herrn Arendt, der die Silber- produktion fals darstellt. Seine Schriften habe ih alle gelesen; eine Turzweilinge Beschäftigung war das gerade nicht. Er operiert immer mit „Wenn“ und „Über“, führt aber teine Thatsachen an. Wenn England und alle anderen Staaten zur Doppelwährung übergehen, dann wird der Silberpreis steigen. Das . ist selbstverständlich, aber das „Wenn“ geht niht in Erfüllung. Warum disfreditiert Her Arendt die Silberenquête {hon jeßt? Er sicht wohl die Unfrucht- barkeit dieser Berathung schon jeßt ein.

Abg. Dr. Paasche (nl.): Obgleich mein Freund von Eynern sid mit doftrinäâren Professoren nicht abgeben will, will ih ihm doch zu Hilfe kommen mit den Zahlen über die Produktion, welche

Arendt selbst in der „Währungskorrespondenz“ gegeben hat.

Silberproduktion ist seit den fünfziger Jahren auf

Sechsfache gestiegen; die Goldproduktion is nur von

auf 592 Millionen gestiegen. - Es steht eher eine weitere Auéëdehnung der Goldprodultion als, eine Einschränkung der- selben zu erwarten. Das Urtheil des öfterreihischen Geologen Sueß wird von den deutschen Geologen bestritten; Redner verweist auf einen Brief eines deutschen Professors, der ihm zur Verfügung steht. In Südwest-Afrika find primäre Lagerstätten von Gold vor- handen in einer Ausdehnung, wie font nirgends. Darüber sollte auch Herr Arendt Bescheid wissen. Professor Lexis weist darauf hin, daß wir mit der Thatsahe rechnen müssen, daß jährli 600 Millionen Mark Gold produziert werden. Da wird das Zerren an der turzen Golddeckte bald aufhören. Der Vorrath an Gold in den Banken und Tresors hat sich seit 1890 um 2 Milliarden Mark verinehrt. Oesterreih hat 430 Millionen Mark Gold aus dem Weltverkehr herausgenommen. (Zuruf des- Abg. Arendt: Sie beweisen zu viel!) Sie haben Zahlen verlangt, sonst würden Jhnen diefe unangenehmen Zahlen nicht vorgehalten werden. Durch die indische Maßregel ift der Werth gesunken, aber der Konfum von Silber ist dort derselbe geblieben. Die Silberproduktion wird höchstens in mäßigem Umfange eingeschränkt werden und dann ift die Gefahr da, daß Silber wie Kupfer oder Blei behandelt wird. Den Silber- preis von 29 auf 60 zu erhöhen, dazu hat Deutschland am aller- wenigsten, Veranlassung. .

Abg. Fuchs (Zentr.) stellk sich auf die Seite des Abg. Arendt und meint, daß man {on wegen der s{wankenden Münzverhbältnisse zu einem Vertrage 1nit Rußland niht kommen könne. Es werde in dieser doch rein praftishen Frage viel zu viel mit wissenschaftlichen Argumenten gestritten. Mit der Einführung der Goldroährung beginnt 1873 der Fall des Silberpreises. (Ruf: Zufall!) Die Be- rufung auf den Zufall ift das Eingeständniß der Unwissenheit. Nicht der Uebergang zur Dopvelwährung, fondern die Einführung der Goldwährung war ein Sprung ins Dunkle. Die Doppelwährung war vorher in Geltung, darüber haben wir Erfahrungen. -An dem Widerspruch Deutschlands auf der Münzkonferenz ist die Doppel- währung gescheitert. Daß England jeßt von der Doppelwährung nichts wissen will, liegt daran, daß die Doppelwährungësmänner dem Premier-Yinister Gladstone keine Opposition machen wollen. Jch schließe mich vollständig dem Abg. Arendt an und hoffe, daß seine Anfchauungen bald siegen werden.

Abg. Dr. Arendt (fr. fonf.) dankt dem Vorredner für seine Unter- stüßung und wendet sich gegen den Abg. Paasche, der von den 50er Jahren gesprochen habe. (Zuruf Paasche’s: Die Zusammen- stellung haben Sie ja selbst gemacht.) In den 30er Jahren war die Goldproduktion 20 Millionen, jeßt 190 Millionen; sie hat si also verzehnfat, und denno ist keine Entwerthung des Goldes eingetreten, troßdem die Nationalöfonomen wie Michel Chevalier und Richard Cobden das befürchteten, als die große Steigerung der Gold- produttion eintrat; sie wollten sogar die Verwendung des Goldes zu Münzzwecten beseitigen. Dem gestiegenen Goldvorrath der Banken steht eine Steigerung des Notenumlaufs gegenüber; das ist ein Beweis für die Knappheit des Goldes, daß die Banken es so festhalten und dafür Noten ausgeben. Die unbekannte Autorität des Herrn Paasche großes Verdienft erwerben, wenn er die Forschungen des Professors Sueß widerlegte. Meine Schriften hat Herr von

ynern nicht blcß mit zweifelhaftem Vergnügen, sondern au mit zweifelhaftem Erfolge gelesen, weil er behauptet, i wollte die Doppelwährung - nicht ohne England machen. Diskreditieren will ich die Silberenquête niht; aber man darf sich nicht wundern, daß die Ergebnisse nicht gut ausfallen, wenn man der einen Richtung von vornherein dieses Ueber- gewicht giebt. Von einer Ueberproduktion des Silbers ist durchaus leine Nede; das Silber begegnet einer immer größeren Nachfrage bei der Industrie. Wird dann das, was übrig bleibt, eine so große Umwälzung hervorbringen? Man thut immer fo, als wenn das ganze Silber auf Deutschland stürzen würde: wir wollen doch keine isolierte, sondern eine internationale Doppelwährung. (Zuruf : Kaniß, Kardorff!) Daß Herr von Eynern überzeugt ist von dem, was

vorgetragen Hat, ijt selbstverständlii); aber von anderer Seite die Thatsachen verdunkelt worden.

Abg. Broemel (fr. Vg.): Wir stehen wohl alle unter dem Eindruck, daß die Debatte eigentlich nicht in dieses Haus gehört. Herr Arendt behauptet, die Silberkommission sei einseitig im Siune der Goldwähbrung zusammengeseßt. Die Zusammenfetzung der Kom- mission ist Neichsfsache; wenn hier darüber fritisiert wird, fo leidet darunter das Ansehen dieses Hauses. Vertreter der Neichêregierung sind bier nicht anwesend, um den Vorwurf zurückzuweisen, und el preußisher Minister is zur Zurückweisung mit bereit. _ Nad meiner Meinung sind eher die Silberleute zu sehr berücksichtigt. Gerade die Einseßung der Kommission hätte es verhinde:n sollen, heute das Haus mit einer Währungsdebatte zu be- lästigen. Herr Fuchs macht sich mit seiner Praxis sehr breit. Æ habe immer die Grfahrung gemadit: die Herren nennen Praxis, w0? sie nicht beweisen können, Theorie, was sie nicht widerlegen tönn und daun find sie shôn heraus. Redner widerspricht der Behauptung,

daz dic Silberentwerthung ein Siuken der Waarenpreise mit sich gebracht hâtte; er suht aus der Statistik nachzuweisen, daß seit 1873, wo dic Silberentwerthung aon. die Butterpreise gejtiegen und gesunfen seien nah den wirthschaftlihen Verhältnissen und nah der EntwidLelung der Butterproduktion; es sei aber nirgends eine Ein- wirlung der großen Silberentwerthung zu merken. Das zeige sich au bef andern Bedarfsartikeln: Fleisch, Eiern u. s. w. Die Brüsseler Münztonferenz, fährt Redner fort, beschäftigte sich gar nicht mit der Frage der internationaleu Doppelwährung, sondern bloß mit vem Silberpreife. Ein anderes Ergebniß als die Brüsseler Münzkonferenz wird au die neue Silberkommission, mag fie zusammengeseßt sein, wie sie will, kaum haben. Wenn wir das 2- und 5 Mark-Stück vollwerthig auévrâgen wollten, dann würden wir zu so {weren Stücten kommen, daß die Bevölkerung diese unbrauchbaren Stücke zurückweisen würde. Bei.inter- nationaler Regelung der Währungsfrage würde Deutschland die s{hwerste Aufgabe haben; es müßte den anderen Staaten die Kastanien aus dem Feuer holen. Wenn der Silberpreis wieder von 30 auf 61 er- höht würde, würde die Produktion steigen. Man is daher bei den Bimetallisten zu der Ueberzeugung getommen, die gane Silber- produtiion müsse überall verstaatliht werden. Professor Wagner hat ih diesen Vorschlag zu eigen gemacht. Dieses Problem ift wohl noch viel weniger lösbar, als die internationale Dopyelwährung. Gegen die Sueß’fche Theorie sind schon die erbeblichsten Einwendungen gemacht worden. (Zuruf rechts: Aber niht von Geologen!) Hätie Herr Arendt der Debatte eine praktis&e Folge geben wollen, so hätte _ er den Antrag stellen müssen, die Regierung folle keine unterwerthigen Silbermünzen mehr ausprägen. Das hat er unterlassen. Herr Fuchs hat auf den russischen Handelsvertrag verwiesen. Nußland hat ein Papiervaluta, und die Preise richten si) dort niht nah dem ent- werthetcn Silber. Ich möchte bitten, daß Herr Arendt es an der heutigen Debatte genug sein lasse, daß er sie niht beim Bergwerks- Etat wiederholen möchte. f

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Jch hâtte an und für fi gar keine Veranlassung, mi in diese sehr interessante aber ih möchte sagen akademische Unterhaltung des Hauses zu mischen, denn in der ganzen Debatte sind irgend welche bestimmte Anfragen oder Anträge oder Beschlüsse gar- nidt zu erwarten. Die Regierung bat also an und für ih gar feine Veranlassung, fsich hier zu äußern. Der einzige praktische Wunsch, der hervorgetreten ist und den Herr Dr. Arendt aus- gesprochen hat, daß die preußische Staatsregierung erwägen möge, ob sie diejenigen Münzen in ihren Münzstätten prägen wolle, deren Aus- prägung die Neichsbehörden als die allein kompetenten Behörden unter Erwägung des praktischen Bedürfnisses und in Ausführung des be- stehenden Münzgeseßes verlangen, ist bereits von dem Herrn Unter- Staatssekretär genügend beantwortct worden, und ich bin sicher, daß au Herr Dr. Arendt diesen Wunsch eigentlich nur als den Zipfel betrachtet hat, an dem diese ganze Münzdebatte si aufrollen sollte. (Heiterkeit.) Denn daß er selber nit glaubt, daß die preußishe Regierung ein soles Verfahren eintreten lassen Eönnte, das nehme ic ohne weiteres an. Ich würde mich daher garniht weiter geäußert haben, wenn nicht hier und da, namentlich von Herrn Abg. von Eynern, der ja in allen diesen Dingen eminent genau unterrichtet ist (Heiterkeit), von einer bekannten Stimmung zu der Münzfrage in der preußisdWen Regierung gesprochen worden wäre. Ich weiß nicht, welhe Stimmung er meint. Diese Stimmung der preußishen Negierung oder diese Stellung derselben zu der vom Reich eingeleiteten Enquête - ift hier bercits von dem Herrn Minister für Landwirthschaft und dem Herrn Handels-Minister ganz bestimmt bezcichnet, und es würde eine Wiederholung sein, wenn ih darauf noch einmal zurücktommen wollte.

Meine Herren, die preußishe Regierung ich habe das auch schon früher ausgesprochen hat sehr gern dem Beschluß der Neichs- behörden, namentlich des Herrn Reichskanzlers, die Münzfrage durch eine objektiv geführte Untersuhung einmal wieder prüfen zu lassen, zugestimmt. , Die Bedeutung dieser Enquête lag oder liegt nah der Meinung der preußischen Staatsregierung darin, daß die NReichsbehörden damit die Stellung eingenommen haben: es sei gegenüber den gewaltigen Veränderungen auf dem Gebiete des Münzwesens in der ganzen Welt seit dem Jahre 1873, gegenüber den wachsenden Meinungsverschiedenheiten auf diesem Gebiete, gegenüber den vermeinilihen oder wirklichen großen Interessengegensäßen, die in dieser Frage steckcn, erwüns{ht, einmal wieder objektiv die ganzen Thatsachen und Verhältnisse untersuchen zu lassen und zu erwägen, ob irgend eine Aenderung in unserem Münzwesen gerathen und möglich ist, welhes Ziel dabei etwa ins Auge zu fassen und welhe Mittel vorhanden sein möchten, dieses Ziel zu erreichen ; das ist die Bedeutung der Enquête. Weder, glaube id, die Reichs- regierung noch jedenfalls die preußishe Regierung geht in diese En- quête hinein mit einer bestimmten vorgefaßten Meinung. Die Enguête soll uns ja gerade den Anhalt gewähren, um eventuell die rihtig sheinenden Beschlüsse zu fassen. Daraus ergiebt si von selbst, meine Herren, daß jener übrigens von mir auch garniht gehörte Vor- wurf, als wenn die Reichsbehörden dabei von vornherein in der Zu- sammenseßung dieser Enquête parti pris haben fönnten, von vornherein absichtlih die Mehrheit der Enquête so gestalten, daß nach einer bestimmten Richtung hin konkludiert werde, völlig ausgeschlossen ist. Die Zusammen seßung derEnquête ist ausschließlich, wie HerrBroemel mitNecht gesagt hat, Sache der Reichsbehörden ; ih bin nicht im stande, eine Auskunft zu geben über die Erwägungen, welche bei dieser Zusammenseßung und der Auswakk der einzelnen Personen stattgefunden haben. Aber das kann ih von vornherein als ganz unzweifelhaft behaupten, daß man dabei seitens der Reichsbehörden den bestimmten Willen gehabt hat, in ganz objektiver Weise diese Enquêtekommission zusammenzusetzen. Daß das sehr shwierig ist, bei der Auswahl namentlich von Personen, bei der Verschiedenheit der Meinungen, bei den feinen Nuancen in den abweichenden ‘Meinungen, da es jedem recht zu machen, und daß ent- weder von der Seite oder von der anderen Seite Bemängelungen stattfinden konnten, das {eint mir flar genug. Was mich betrifft,

10 würde ih persönlih auf die Mehrheitsabstimmung einer solchen Enquêtekommission nur ein verhältnißmäßig geringes Gewicht legen. (Sehr richtig! links.) Die Resultate der Verhandlungen selbst, der Inhalt der ermittelten Thatsachen, die Beweisführung werden nah meiner Meinung \chließlich entscheidend sein, nicht eine vielleiht zu- fällige oder formale Abstimmung.

_JIch glaube daher, daß es richiig wäre, \sich von vornherein allseitig auf den Standpunkt zu stellen: daß der ehrlihe und seste Wille besteht, das ganze Münzwesen und die Nük- wirkung der großen Veränderungen in den Münzverhältnissen der ganzen Welt au auf unsere eigenen Zustände und Münzverhältnisse objektiv flarzustellen; daß das der Zweck der Enquête ist, und alle Welt, camentlih die Neichsbehörden, allein diesen Zweck verfolgen, daß alle Parteiert sich auf diesen Standpunkt \tellen möchten und nicht von

vornherein die Verhandlungen diefer Kommission mit einem gewissen Mißtrauen anzusehen. E

Im übrigen habe ih keine Veranlassung, an der hier vorgetra- genen Frage selbst mich zu betheiligen, und zwar um fo weniger, als ja {on gerade eine Kommission von dem Reich eingesetzt ist, die die Frage eingehend zu prüfen hat. Aber ih kann mir nicht verhehlen, daß ih von dieser Debatte wiederum den Eindruck bekommen habe, daß, wenn es schon an si etwas bedenklich ist, daß die einzelnen Landtage im Uebermaß ohne befondere Veranlassung, wie das jeßt Sitte wird, sh mit den reinen Reichsfragen beschäftigen und daß die Münzfrage eine reine Reichsfrage, nicht nur mit Rücksicht auf die Gesammt- interessen Deutschlands, fondern sogar noch mehr eine internationale Frage von der größten Bedeutung ist, das kann garnicht bezweifelt

werden —, diese Richtung, die nun doc schr überhand nimmt, um fo

bedenkliher is, wenn diese Debatten feinen bestimmten, unmittelbar praktis%Gen Zweck- verfolgen. Sehr rihtig) Es is vielleicht an \ich gefährlih nah meinem Gefühl, fo einigermaßen zu reden ohne bestimmte Anträge und Beschlüsse im Parlament. Immerhin aber ist die Debatte gewiß sehr interessant, sie kann auch lehrreich gewesen sein für Viele: aber sie hat do kaum einen anderen Zweck, als daß sie im besten Falle im Reichstag noch einmal wiederholt werden wird. (Heiterkeit.) i Abg. von Eynern (nl.): Wer nicht Anhänger dez Doppel- währung ist, wird als Gegner der Landwirthschaft angegriffen; deëhalb müssen wir unsere Gründe angeben, weshalb wir die Doppelwährung als ein Phantom betrahten müssen und doch gute Freunde der Land- wirthschaft sind. Könnten wir die Doppelwährung im Verhältniß von 1: 153 berstellen, so würde ih mit beiden Händen zugreifen. Aber das ist unmöglih. Auch wenn drei Viertel der Kommission aus Doppel- währungsleuten bestehen, so wird fie zu keinem anderen Eraebniß Tommen. Herr Arendt bätte auf der Brüsseler Münzkonferenz au nichts ausgerichtet. Wenn Sie (rechts) au internationale Doppel- währung wollen, fo hate ih nichts dagegen. Ich arbeite nur nicht in vergeblihen Dingen; ich frage immer: was soll werden, wenn der Silberpreis noch immer tiefer sinkt? Daß die Preise der landwirth- schaftlichen Produkte infolge der Silberentwerthung allgemein gesunken sind, ist von Herrn Broemel {hon widerlegt worden. 1890 waren ¡ie Preise für Getreide fo enorm gestiegen, daß man die landwirth- schaftlichen Zölle suspendieren wollte; damckls war die Silberentwerthung vorhanden wie jeßt, und troßdem waren die Preise so hoch.

Abg. Dr. Paasche (nl.) erklärt, daß der Geologe, auf welchen er sh berufen habe, der Meinung fei, daß die meisten Geologen der Sucß’schen Theorie durcha!s nicht beitreten ; es fei durchaus nicht eine baldige Erschöpfung der Goldvorräthe zu erwarten. Die Steige- rung. der Goldproduktion hobe in den 70er Jahren auch eine Gold- entwerthung mit ch gebraht. Die Informationen über die Gold- vorrätbhe habe Nedner von Professor Emanuel Kaiser in Marburg, dessen geologisce Autorität mindestens ebenso groß fei wie die volks- wirthschaftliche des Professors Sueß.

Abg. Fus (Zentr.): Wenn man vom allgemeinen Steigen und Fallen der Preise spriht, dann darf man nicht einen einzelnen Artikel herausgreifen. Es ist nachgewiesen, daß dite Preise bon den sicbziger Jahren bis jeßt um 33} 9/9 zurückgegangen sind, was eine Steigerung des Goldwerthes bedeutet. Bezüglich des russischen Handelsvertrags kann ih nur feststellen, daß allgemein anerkannt wird, daß eine unterwerthige Valuta wie cine Äusfuhrprämie wirkt. Wenn der Goldwerth s{wankt, dann eignet das Gold sih nit als alleiniger Werthmesser; es muß ein anderes Metall als Werthmesser hinzugenommen werden.

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (kons.): Wir würden eine fole Debatte nit angeregt haben, weil wir der Meinung sind, daß die Sache jeßt vor den eingeseßzten Ausschuß gehört. Ich will mich auf die theoretische Auseinandersezung garnicht einlassen. Jch habe den Eindruck gewonnen, daß keiner den anderen überzeugt, daß jeder Behauptungen aufstellt, die der andere niht anerkennt, und teiner ist in der Lage, seine Behauptungen zu beweisen. Wenn der eine behauptet, daß die Decke nicht zu kurz fei, so alauben es die anderen nicht und meinen, daß sei nur eine Schäßung. Wenn von anderen Seiten behauptet wurde, es werde zu viel Silber produziert, um ein festes Verhäliniß aufrecht zu erhalten, so wird das auch wieder bestritten. Cs tommt also darauf an, was die Leute wollen. Wenn man das Silber wicder einfeßen will, dann wird- es gemacht. Wir glauben, daß es möglich ist, daß- das Silber in eine bessere Relation geseßzt wird, daß diese Relation aufrechterhalten werden kann, daß nit genügend Gold produziert wird. Wir werden in diesem Sinne weiter wirken. 4 :

Der Etat der Münzverwaltung wird darauf genchmigt.

Es folgt der Etat der Staatsarchive.

Bei dem Gehalt dcs Direktors der 9000. M, weist

Abg. von Strombeck (Zentr.) darauf bin, daß im Jahre 1886 die Verlegung des Archivs von Magdeburg nach Halle vorgeschlagen, aber vom Hause abgelehnt worden fei. Die Räume in Magdeburg seien für unzulänglih erklärt worden. Es sei aber troßdem nichts geschehen. Redner fragt, ob demnächst ein Bau aufgeführt werden werde.

Direktor der Staatsarchive, Wirklicher Gehcimer Ober-Negie- rungs-Nath Dr. von Sybel spricht die Hoffnung aus, daß im nächsten Etat eine Forderung dafür erscheinen werde. N

Abg. Dr. Freiherr von Heereman (Zentr.): Die Klagen der Gelehrten über die nicht gestattete Benußung der Archivschäßte haben nachgelassen; aber niht beachtet ist meine Klage darüber, daß die Archivbeamten statt mit der Ordnung der Archive und der Be- kanntmachung der Repertorien, mit der Geschichts\chreibung beschäftigt werden. Dafür find die Universitätsprofessoren u. |. w. da, nicht die Archivbeamten. Zu tadeln is es, daß die jungen Archiy- beamten immer von einem Archiv zum anderen verseßt werden, sodaß sie sih nirgends ret einleben. Man müßte auf die Wünsche der Beamten und ihre Zugehörigkeit zum Lande mehr Rücksicht nehmen.

Direktor der Staatzarchive, Wirklicher Geheimer Ober-NRegierungs- Nath Dr. von Sybel: Das Zugeständniß des Vorredners, daß die Liberalität in der Vorlegung von Archivalien zu wissenschaftlicher Benuzung gewachsen sei, nehme ih gern entgegen. Auch ist jeßt ge- wissen Beschwerden, die früher gegen mich laut geworden sind, abge- holfen. Vom ersten Tage meiner Amtsführung habe mein Augen- merk darauf gerichtet, die Benußung des Archivs möglichst zu er- leihtern. Es freut mich, den Frieden8zustand zwischen uns hergestellt zu fehen. Die Beschwerde, daß unsere Archivbeamten vorzugéweise mit Aufgaben der Geschichts\chreibung behelligt werden, muß ih nah bestem Wissen und Gewissen zurückweisen. Im Gegentheil, diejenige wissenschaftliche literarishe Thätigkeit, zu der sie zwar nicht amtlich Befehl haben, auf die sie aber in allgemeiner Anregung hingewiesen werden, ift gerade die Veröffentlihung von Queen, die Herr von Hezre- man felbst als wünschenswerth bezeihnet hat. Darstellende Geschichts- werke sind in den zwanzig Jahren meiner Amtsführung so gut wie garnicht geliefert worden. Ich“ erinnere mih nur eines Buches, das noch nicht einmal vollendet ist, einer Geschihte von Hannover seit 1643, die in die Reihe der Archivveröffentlihungen aufgenommen ift, deren Verfasser aber kein Archivbeamter, sondern ein Gyumnasiallehrer ist. Die fonstigen Veröffentlihungen find durchweg Urkunden- bücher, Korrespondenzen und sfonstige geschichtlihe Quellen. Daß die Repertorien niht abgedruckt werden, hat seinen Grund darin, daß sie zu umfangreich sind und zu viel Kosten daraus entstehen würden. In Frankreich giebt es allerdings gedruckte NRepert1orien, die aber den Vtangel haben, daß aus ihnen nichts zu lernen ist, als was man sich schon von vornherein sagen kann. Sie bewegen ih nur in allgemeinen Bemerkungen. Es fehlt aber eine einzelne Auf- zählung der ÜUrlunden oder der Korrespondenzen, aus denen man be- stimmte geschichtliche Kenntniß erlangen kann. Ich will nicht besonders

und“ Unterredungen gar

Staats3archive,

«„ebenbürtig.

fi

betonen, daß zwischen Archiven und Bibliotheken in Bezug auf die Benußung do immer noch ein Unterschied ist. Die Bestände einer Bibliothek sind aus dem Wunsche der Schriftsteller entstanden, mög- lichst in die Oeffentlichkeit hineinzukommen : deshalb lassen sie ein Buch drucken. - Die Bestände der Archive dagegen sind dur den Geschäfts- betrieb öffentlißer Behörden entstanden und sind im Augenblick ihres Entstehens ganz gewiß nit oder nur zum geringsten Theil zu öffent- lichen Zweden beitimmt gewesen. Hier muß aljo doch immer eine Erwägung stattfinden, ob von der ursprünglichen Geheimhaltung ab- gewichen werden taun oder nicht, und {on deshalb würde ein Ab- druck der gesammten Repertorien nit zulässig sein, sondecn bei jedem Wunsch auf eine Archivbenußung immer noch eine Kontrole stattfinden müssen. Da kann man nur sagen, daß diese Kontrole bei den preußi- {hen Archiven in der allerliberalsten Weise fortdauernd geübt wird, daß auf die 12- bis 1500 jäâhrlihen Benußungswünsche in manchen Jahren gar keine abs{lägige Answort ertheilt worden ist. Zsedem ungünstigsten Jahre, dessen ih mi entsinne, sind einmal drei Gesuche abgewiesen worden. Ih wüßte nit, wie irgend eine andere Archiv- verwaltung liberaler verfahren sollte. Ih nehme davon felbît die heutige Verwaltung des Vatikanishen Archivs nicht aus, der ich übrigens als Korsher mit Freuden das Zeugniß ausftelle, daß fie mit ihren Schätßen so liberal wie möglih verfahren is, nämli ebenso wie die Berliner Verwaltung. Ja, ich kann da mit voller connaissance des choses reden, da unter meiner Direftion im Nöômisch-bistorishen Institut j-t {hon mehrere Bände der vatika- nis{en NRepertorien berausgegeben sind, und zwar beiiner Behörde, wo die größte Vorsicht geboten war ; bei einer Behörde, wo sich damals zufällig nur ein Kathelik und vier Protestanten befanden, die nun aber den Plan vorlegten, die Berichte der päpstlihen Nuntien aus Deutschland im 16. Jahrhundert, aus der Reformationszeit zum Abdruck zu bringen. Man“ sollte denken, - eine pedantische oder ängst- liche Verwaltung hätte hundertmal auf den Gedanken kommen tönnen : da muß man beide Augen aufmachen, da muß man vorsichtig scin. Uns ist in keinem Augenblick irgend eine Schwierigkeit in den Weg gelegt worden, fondern wir haben mit vollen Händen aus diesen Nach- weisungen s{öpfen können, und das ift so fortgegangen bis auf den heutigen Tag. Ich kann alfo sagen, beide Verwaltungen, die preußische und die römische, sind si in Liberalität der Benutzung vollkommen ü Was dann die Verseßung der Beamten betrifft, so kann nian sih in einem Staat, der mehrere Archive zu seiner Verfügung hat, für die Verseßungsfrage verschiedene Systeme vorstellen. Fn Italien hat jedes Archiv für sih ein Aufrücken der Beamten bis zu den höchsten Stufen, wenn Gott den Beamten \o lange das Leben verleiht. Bei unfern 17 Archiven kat von jeher der entgegengesetzte Grundsaß bestanden. Beförderungen und Verseßungen gehen dur den ganzen Kreis bindurch und wir waren biéher noch niemals darüber im Zweifel, daß unser- Grundsaß sowohl sahlich als au für die Beamten besser und zweckmäßiger ist. Der Aspirant wird nah einiger Zeit an ein anderes Archiv verseßt, um auf mebreren Sätteln reiten zu lernen. För die praktishe Geschäftskenntniß, die Hand- habung der Journale u. st. w. is es nöthig, daß ein junger ans gebender Beamter an verschiedenen Stellen geübt wird. Ist er etats-

maßig geworden, fo wünscht die Verwaltung geräde fo bestimmt, wie

Freiherr von Heereman es schildert, daß cine gewisse Stetigkeit im Ort

eintritt, daß der Beamte die örtlichen Verhältnisse ‘der Provinz, der

er zugewiesen ift, gründlihst kennen lernt. Aber es fommen Fälle - vor, daß das AufrücCen durch das ganze Archivpersonal gebt, daß

etn Beamter an die Reibe kommt, aufzurücken, hier in Berlin aber

feine Stelle mehr für ihn ist. Man muß ihm also die Wahl lassen :

willst du die Vorzüge deiner Berliner Existenz weiter kosten, dann

mußt du noch Geduld haben, odez wünschs\t du aufzurücken, dann mußt

du verseßt werden. Natürlich wählt er in der Regel die Verseßung.

Manche Beamte kommen aus persönlichen Gründen darum ein. (Redner

führt einige Beispiele dafür an.) Ich komme den Wünschen jüngerer

Beamten gern entgegen, um sie bei frischer Laune und Arbeitslust zu

erhalten; im übrigen aber geschieht, was geschehen kann, um gründ- lihe Studien namentlich in den Provinzialarchiven zu veranlassen. Durch eine ganze Reihe von ardchivalischen Beröffentlihungen, von

Ouellenveröffentlihungen verschiedener Art ist das günstige Ergebniß dieser Bestrebungen zu aller Welt Kknntniß gekommen. Jch glaube, ich fann das Haus mit gutem Gewifsen auffordern, zu den Grund- säßen der Archivverwaltung und zu den Grundsätzen der Anstellung und Verseßung der Beamten Vertrauen zu hegen.

Abg. Dr. Freiherr von Heereman (Zentr.) dankt für die ent- gegentommende Erklärung; den Druck der Repertorien habe er nicht verlangt, fondern nur ihre Zugänglihmahung. Im Vatikan verfahre man wohl ebenso liberal wie im preußischen Staatsarchiv.

Der Titel wird hierauf bewilligt.

_ Vei dem Titel „Direktor des Geheimen Staatsarivs, Geheime Staatsarchivare und Staatsarchivare 1. und 2. Klasse“ bemängelt

__ Abg. Dr. Paasche (nl.) die niedrigen Gehälter dieser wissen- {aftli vorgebildeten Beamten, die eine lange diätarishe Wartezeit dur@machen müßten, um mit 1800 f anzufangen und nur langsam aufzurücken. Sie ständen s{lechter als die Subalternbeamten der UArchivverwaltung und als die Oberlehrer an den höheren Lehr- anstalten.

_Gebeimer Ober-Finanz-Rath Lehnert: Auch andere Verwaltungen haben den Wunsch nah Gehaltserhöhung für ihre Beamten, und die Finanzverwaltung möchte gern allen diesen Wünschen gerecht werden ; aber die Grfahrungen, die sie bei der Bevorzugung einer einzelnen Begintentlasse gemacht hat, ermuntern nicht zu einem \olhen Vor- geben, weil die Forderungen dann von allen Seiten auftauchhen. Des- halb müssen wir große Vorsiht üben. Ih möchte daher keine, Zu- fage ertheilen, daß die Archivbeamten zuerst aufgebessert werden; sie werden warten müssen, bis eine allgemeine Erhöhung der Beamten- gehälter erfolgen fann;

_ Abg. Graf zu Limburg-Stirum (kons.): Ih stehe vollständig auf dem Standpunkte des Regierungsvertreters, indeß die Staats- archivare find doch zu {let gestellt. Wenn die Finanzverhältnisse es gestatten, würden diese Beamten zuerst bedaht werden müssen. Aber für das nächste Jahr will ih das noch nit verlangen.

Der Etat der Staatsarchive wird darauf genehmigt.

Schluß 4 Uhr. Nächste Sißung Donnerstag 11 Uhr. (Etat der Justizverwaltung.)

Entscheidungen des Reichs8gerichts.

Verweigert der Vater eines von seiner Mutter oder Stief- mutter mißhandelten Kindes die Stellung des zur Strafver- folgung erforderlichen Strafantrags, so ist, nah einem Urtheil des Neich2gerichts, 1. Strafsenats, vom 2. November 1893, im Gebiet der preußischen Vormundschastsordnung vom 5. Juli 1875 das Vor- mundschaftsgeriht befugt, einen Pfleger behufs Stellung des Straf- antrags zu bestellen, welher den Strafantrag zu stellen hat.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zum deutsch-russischen Handelsvertrag.

Der Magistrat und die Stadtverordneten von Danzig nahmen, wie der „Köln. Ztg." gemeldet wird, einstimmig ein Gesuch an den Reichstag für den deutsch-russishen Handelsvertrag an.

__ Der Magistrat und die Stadtverordneten von Junsfter- burg faßten, wie der „Voss. Z.* berihtet wird, in ihrer Sizung am Dienstag einstimmig den Beschluß, in einer Petition an den MNeichs- tag um die Annahme des russishen Handelsvertrags zu bitten.

Die vom Geheimen Kommerzien-Rath Schihau nah Elbing gestern einberufene Versammlung der Vertreter der metallur- pes Industrie Eren ens) Westpreußens und Posens

at einstimmig folgende Resolution gefaßt: „Der deutsch-russische.