1894 / 53 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 02 Mar 1894 18:00:01 GMT) scan diff

bei der _Feld-Artillerie 10 000, bei der Fuß-Artillerie 5000, bei den i ieren 3000; bei der M 450 der Reserve auf : De und 450 der Landwehr auf 12 Tage; bei der Luftschiffer- Abtheilung 100 der Reserve auf 20 Tage und 60 der im Luftschiffer- dienst ausgebildeten Reservisten anderer Waffen auf 20 Tage; bei dem “Train 5440, und zwar aus der Reserve bezw. Landwehr des Trains 3690 auf 14 Tage nah Beendigung der Herbstübungen, aus der Re- serve der Kavallerie 750 auf 20 Tage im Mai, ferner zur Bil- dung von Sanitäts - Detahements 1000 auf 12 bis. 13 Tage. Die nähere Anordnung der Uebungen erfolgt durch die General- Kommandos beziehungsweise die obersten Waffenbehörden nach Ver- einbarung mit den ersteren. Bei dieser Anordnung ist die Einzel- ausbildung der Mannschaften und die Festigung. der Disziplin als erster Gesichtspunkt ins Auge zu fassen. Die General-Kommandos 2c. sind befugt, die vorstehenden Üebungsstärken in geringem Umfange zu beshränken, falls besondere Verhältnisse dies erwünsht erscheinen lassen. Jn Betreff der Uebungs-Formationen und der Abgabe von

fizieren, Unteroffizieren, Aerzten, Lazarethgehilfen, Zahlmeistern 2c. an die Uebungs-Formationen sind den Bestimmungen besondere Ueber- sichten beigegeben.

Die Sluberufiiigin der Reserve- und Landwehr-Offiziere sind von den General-Kommandos beziehungsweise obersten Waffenbehörden me Maßgabe der Heeresordnung zu veranlassen. Insbesondere ist au darauf hinzuwirken, daß die gestatteten besonderen beziehungsweise frei- willigen Uebungen in möglichst umfangreihem Maße stattfinden. Vor Beginn einer bereits verfügten Uebung gestellte Gesuche auf Auf- hebung, Abkürzung oder Verschiebung der Üebung von Reserve-Offizieren, welche einem Truppentheil eines anderen e angehören, sind, dur das Bezirks-Kommando begutachtet, unmittelbar dem Truppen- theil zuzusenden. Leßterer hat die Entscheidung der zuständigen obersten Waffenbehörde auf dem Dienstwege herbeizuführen. Bezüglich der Zutheilung älterer Offiziere der Landwehr 1. Aufgebots zu den Land- wehr-Uebungs-Kompagnien is der Erlaß vom 6. März 1885 maß- gebend. Die General-Kommandos werden ermächtigt, inaktive oder dem Beurlaubtenstande angehörige Offiziere, welche für den Mobil- E als Adjutanten der stellvertretenden General-Kommandos, der Inspektion der immobilen Garde-Infanterie oder der stellvertreten- den Infanterie-Brigaden bezeichnet sind oder für den Dienst als Adjutanten von Bezirks-Kommandos ausgebildet werden follen jedoch, soweit sie niht NReserve-Offiziere und als folhe noch übungspflichtig sind, nur im Fall ihres Cinverständnisses —, zu einer sechs- bis ahtwöchigen Dienstleistung einzuberufen. Offiziere, welche für den Mobilmachungs- fall als stellvertretende Bezirkskommandeure bèzeihnet sind, dürfen zu einer sehs- bis ahtwöchigen Dienstleistung herangezogen werden, insofern es sih um Personen handelt, welche noch niht Gelegenheit gehabt haben, den Dienst bei einem Bezirkskommando kennen zu lernen, oder bei welchen eine längere Reihe von Jahren vergangen ist, seitdem dies der Fall war. In gleicher Weise können diejenigen Kavallerie-Offiziere des Beurlaubtenstandes, welhe im Mobilmachungsfall zur Ver- wendung bei Reserve- und Landwehr-Jnfanterie-Bataillonen bestimmt sind, zur Dienstleistung bei der Infanterie, und zwar während der Herbstübungen herangezogen werden. Dieselben haben sih gegebenen- falls gemäß § 24 des Reglements über die Nemontierung der Armee beritten zu machen. Nach Schluß der Herbstübungen finden nah näherer Anordnung der General - Kommandos bei der Feld - Artillerie vierzehntägige Uebungen von Kavallerie - Offizieren des Beurlaubten- standes behufs ihrer Ausbildung als Kommandevre bezw. Zugführer der Munitions - Kolonnen stait. Es is anzustreben, daß möglichst alle Kavallerie - Offiziere, welhe im Mobilmachungsfalle für solche Stellen bestimmt sind, mindestens eine derartige Uebung mit Erfolg abgeleistet haben. Jn zweiter Linie können auch Offiziere des Beurlaubtenstandes der Feld-Artillerie, insoweit sie für die genannte Mobilmachungsverwendung in Ausficht genommen sind, herangezogen werden. In gleicher Weise find auch diejenigen Kavallerie-Offiziere des Beurlaubtenstandes, welhe im Mobilmachungsfalle der Fuß-Artillerie zugetheilt werden, zu Uebungen bei der Feld-Artillerie heranzuziehen. Außer den oben aufgeführten ÜUebungsstärken sind zu Uebungen heranzuziehen: die Volksschullehrer der Reserve, die ehemaligen Ein- jährig-Freiwilligen aller Waffen, welche niht Offizier-Aspiranten sind; die Offizier-A piranten 2c. aller Waffengattungen, sofern sie nicht ledigli zu den durch Anlage 1_ festgeseßten Landwehrübungen einberufen werden; Böcker und Schlächter der Neserve, Unter- offiziere der Reserve der Kavallerie behufs Ausbildung für Sergeautenstellen bei den Train-Kolonnen der Telegraphen - Ab- theilungen; die in die Garnifon-Lazarethe einzuberufenden Lazareth- gehilfen und Unter-Lazarethgehilfen sowie Krankenwärter ; diejenigen zum Waffendienst nit heranzuziehenden, dem Mannschaftsstande an- gehörenden Geistlihen, welhe gemäß Verfügung des Kriegs- Ministeriums in die Garnison - Lazarethe einzuberufen sind: die Zahlmeister - Aspiranten, die im Magazin - Verwaltungs- und Sanitätsdienst auszubildenden Unteroffiziere und Ge- meinen, die Militär - Telegraphisten und die Arbeitssoldaten. Wo es bei einzelnen Mannschaften im Interesse der Ausbildung für wünschenswerth erachtet wird, kann die auf 14 Tage festgeseßte NVebungszeit für Reservisten, je nah dem Ermessen der General- Kommandos bezw. obersten Waffenbehörden, bis zu 20 Tagen ver- längert werden. In diesem Falle ist dafür eine entsprehend geringere Zahl von Mannschaften einzuziehen. Bei denjenigen Armee-Korps, welche Kaisermanöver haben, finden bei der Infanterie, den Jägern, der Feld-Artillerie und den Pionieren allgemeine Uebungen der Reserve und Landwehr nicht statt.

Von den Ersaß-Reservisten Js bei jedem Armee-Korps 40 zu einer 1. (zehnwöchigen) Uebung behufs Ausbildung im Krankenwarte- dienst einzuziehen. Für das Garde-Korps sind diese Mannschaften aus dem Bereich des I11. Armeekorps zu überweisen. Nähere Ver- fügung über militärische Ausbildung, Einkleidung, Verpflegung 2c. bleibt vorbehalten.

Das „Armee-Verordnungsblatt“ veröffentlicht eine Verein - barung mit dem Kaiserlih und Königlich österreihisch- ungar1schen Reichs-Kriegs-Ministerium, betreffend militär- ärztlihe Untersuhung von Mannschaften des Beurlaubtenstandes und von Freiwilligen. Die Vereinbarung is unter Gegenseitigkeit zur militär- ärztlihen Untersuhung von: a. Mannschaften des Be- urlaubtenstandes behufs Feststelung der Marsch- bezw. Uebungsunfähigkeit, þ. Freiwilligen behufs Jnformation des Truppentheils über die Brauchbarkeit zur Einstellung ab- geschlossen worden. Die Untersuchungen zu a erfolgen dur alle aktiven Militärärzte auf Verfügung ihrer Truppen- theile bezw. Bezirks - Kommandos (K. und K. Militär- Stations-Kommandos), an welche die bezüglihen Anträge unmittelbar zu richten sind. Die Untersuchungen zu b finden nur an den Sigzen der Vertretungsbehörden (Botschaften, Konsulate) statt, soweit daselbst aktive Militärärzte vorhanden sind. Leßtere werden ein für alle Mal von den General- kommandos (K. und K. Militär-Territorial-Kommandos) be- stimmt und den Vertretungsbehörden bezeichnet. Der Antrag auf ärztliche Deo erfolgt von der Vertretungsbehörde unmittelbar an den Militärarzt, welcher dieser auch das ärzt- liche Gutachten einreicht. : j

Der Kriegs-Minister bringt die Vereinbarung zur Kenntniß der Armee mit dem Hinzufügen, daß bezüglich der Untersuchung von Freiwilligen die betreffenden Sanitäts-Öffiziere für Berlin vom General-Kommando des Garde-Korps, für die übrigen Orte, an denen sich österreichish-ungarische Vertretungsbehörden befinden, ausshließlich Geestemünde, von den O General-Kommandos, zu deren Befehlsbereih dieje Orte gehören, zu bestimmen und den Vertretungsbehörden fort-

laufend Ns sind. E Geestemünde wird ein Marine-Arzt seitens des Reihs-Marineamts bestimmt und dem Konsulat daselbst namhaft gemacht werden. Ferner wird noch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ärztlihe Untersuhungen Militärpflichtiger behufs Grundlage für eine endgültige Ent- scheidung über ihr Militärverhältniß von der Vereinbarung grundsäßlih nicht betroffen werden jollen.

In einem Erlaß des Ministers der geistlichen 2c. An- elegenheiten vom 1. Mai v. J. wurde angeordnet, daß bei er Wiederbesezung von O reren sowie bei der Neuregelung von Lehrerbe}oldungen darauf Bedacht ge- nommen werden solle, die niedern Küsterdienste, welche mit den betreffenden Stellen verbunden sind, davon abzutrennen.

Die Zweifel und Schwierigkeiten, welche sih bei der Aus- führung vielfa ergeben haben, haben den Minister, im Ein- verständniß mit dem Evangelishen Ober-Kirchenrath, zu fol- gender, den Regierungen und Konsistorien mittels Erlasses vom 27. Februar d. J. bekannt gegebenen Ergänzung und Erläuterung der erwähnten Anordnung veranlaßt :

I. Der Umfang der niedern Kirchendienste im Sinne dieser Be- stimmung is von der Königlichen Regierung im Einvernehmen mit dem Konsistorium nach den provinziellen und örtlichen Verhältnissen zu bestimmen. Nur im allgemeinen ist zu bemerken, daß Kantorat, Orga- nistendienst, Kirhenschreiberei, ferner der Altardienst, Aufsicht über die äußere Ordnung des Gottesdienstes niht hierher gehören, andererseits aber das Reinigen der Kirhe sowie des Kirhplayes und der Kirch- wege, Fürsorge für Glocken und Thurmuhr, Läuten und Anschlagen der Betglocke, Heizen der Kirche, Anzünden der Lichter, Auf- und Zu- ließen der Kirche in der Regel hierher zu rechnen sein werden.

11. Wo eine vollständige Abtrennung der niedern Küsterdienfste unter entsprehender vermögensrechtliher Regelung bereits im Gange ist oder sonst ohne Schwierigkeiten im Einvernehmen mit den bethei- ligten Schul- und kirchlichen Interessenten durchführbar erscheint, ist den N Anträgen nah den bisherigen Vorschristen Folge zu geben.

111, Wo aber eine solche Abtrennung nach den bisherigen Vor- schriften nit zu stande kommt, ist allgemein jeßt eine anderweite Me G dieser Verhältnisse nah folgenden Gesichtspunkten herbei- zuführen :

1) Statt eine gänzlihe Abtrennung der mehrerwähnten Dienste von der Stelle im Wege der Vermögensauseinanderseßzung herbei- zuführen, ist dem Lehrer die Befugniß beizulegen, sih bei der Ver- richtung dieser Dienste vertreten zu lassen.

Es bleibt der Anordnung im einzelnen nach den örtlichen Um- ständen überlassen, ob die zur S bestimmte Person vom Küster oder vom Gemeindekirchenrath bestellt und angenommen wird. Dem Küster verbleibt die Aufsicht und Verantwortlichkeit über die Ausführung der Dienste.

2) Zur Vergütung für die gedachten Dienste ist ein angemessener Betrag aus dem Diensteinkommen der vereinigten Schul- und Küster- stelle aus8zufondern und im Schul-Etat als solcher kenntlih zu machen. Dieser Betrag bleibt aber im übrigen Theil des Lehrer- und Küster- einkommens. ,

3) Bei der Berehnung der Vergütung, welhe nach den all-

gemeinen Bestimmungen über die Negulierung der Lehrerbesoldungen den Inhabern der vereinigten Lehrer- und Küsterstellen für die ihnen dur das Kirchenamt erwachsende Mehrarbeit überhaupt zugebilligt wird, ift arauf Rücksicht zu nehmen, daß aus diesem Mehrbetrage die Entschädigung für die anderweite Ausrihtung der niedern Küster- dienste zu bestreiten ist und daß gleihwohl dem Stelleninhaber noch eine angemessene Vergütung für die von ihm persönlich zu verrichtende Mehrarbeit verbleiben muß. ___ Der Betrag, um welchen hiernah das Einkommen der vereinigten Lehrer- und Küsterstelle über das Einkommen einer gewöhnlichen Lehrerstelle zu erhöhen ist, darf die Gesammtsumme der aus kirh- lihen Quellen stammenden Einkommenstheile zwar nicht übersteigen ; es ist dabei aber zu beachten, daß hierher auch der Werth der etwa von den kir{lihen Interessenten gewährten Dienstwohnung gehört.

Der General - Lieutenant Hänisch, Kommandeur der

36. Diviston, ist in Berlin eingetroffen.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Senator der freien und Hansestadt Hamburg Dr. Burchard ist von hier wieder abgereist.

Der neuernannte Regierungs-Assessor Ven s ke aus Erfurt ist der Königlichen Ministerial - Militär- und Baukommission zu Berlin zur dienstlichen Verwendung überwiesen worden.

Der neuernannte Regierungs-Assessor Dr. Conze aus Stade ist dem Landrath des Kreises Jnsterburg, Regierungs- bezirk Gumbinnen, und der neuernannte Regierungs-Assessor von Puttkamer aus Stettin dem Landrath des Kreises Usedom-Wollin, Regierungsbezirk Stettin, bis auf weiteres zur Hllfeleistung in den landräthlihen Geschäften zugetheilt worden.

Die Beamten der deutshen Schußgebiete und die An- gehörigen der Schußtruppe für Deutsch-Ostafrika sind unter dem 15. Februar d. F. aus Anlaß neuerer Seeunfälle darauf hingewiesen worden, daß es in ihrem dringenden Interesse liegt, bei den Reisen von und nah den Schuzgebieten ihr Privatgepäck jedesmal gegen Seegefahr zu ver- sihern, da in Fällen» des Verlustes ein Ersaß aus amtlichen Mitteln nicht gewährt werden kann.

Kiel, 1. März. Der Kommandant der österreichisch- ungarischen Kriegsmarine, Admiral Freiherr von Sterne ck hat, wie das „Kiel. Tgbl.“ meldet, an den kommandierenden Admiral, Admiral Freiherrn von der Goltz folgendes Telegramm gerichtet :

„Von innigster Trauer über die Katastrophe auf dem Schiffe „Brandenburg“ erfüllt, bringe ih Eurer Excellenz in meinem und im Namen der Kaiserlichen und Königlichen Kriegsmarine die Gefühle treuer, kameradschaftliher Theilnahme tiefbewegt zum Ausdruck mit der Versicherung, daß wir in Leid und Freude mit unseren deutschen Waffenbrüdern eines Herzeus sind.“

Vavern.

Die Kammer der Abgeordneten seßte gestern die Generaldebatte über den Kultus-Etat fort. Der Kultus- Minister Dr. von Müller hob Veo die Einschränkung der freien Forschung sei mit der Au N der leßteren gleichbe- deutend und hs jedes Unterrichtswesen daher undenkbar. Das Militärjahr der Einjährig-Freiwilligen werde, wie bereits den Juristen, künftig auch den Philologen niht in die Studienzeit eingerehnet werden; auch die Lernfreiheit sei zur allgemeinen Bildung ebenso unerläßlich wie die Lehrfreiheit. Die Duellfrage habe der Kriegs-Minister in Uebereinstimmung mit dem gesammten Kabinet dargelegt, die Mensuren. seien lediglih ein Studentensport.

Mecklenburg-Strelitßz. :

Jhre Königliche Hoheit die Großher ogin ist, wie die Mel Nachr.“ E, von ihrer Erkrankung wieder voll- ständi hergestellt und konnte bereits am vergangenen Montag Die ile Spazierfahrt unternehmen.

Sachsen-Coburg-Gotha. L

Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Sachsen

traf gestern Mittag zum Besuch des en Hofes in

Gotha ein. Höchstderselbe wurde am Bahnhof, wo eine Kom-

pagnie des 6. Thüringischen Jnfanterie-Regiments Nr. 9 als

Ehrenwache aufgestellt war, von Seiner Königlichen Hoheit dem Herzog begrüßt und nah dem Schloß geleitet.

Elsasz-Lothringen.

Der Landesausshuß sehte in seiner vorgestrigen Sibßung die erste Berathung der Gemeindeordnung fort. Es sprachen noch die P Jeanty, Back, Zorn von Bulach, Fürst, Bägert, Spies und Ditsch, von denen die ersten fünf der vorgeschlagenen Neuordnung grundsäßlih zustimmten und lediglich einzelne Bestimmungen des Entwurfs als abänderungsbedürftig bezeichneten, während die Abgg. Spies und Ditsh einen mehr ablehnenden Standpunkt vertraten, leßterer insbesondere das Schiksal der ganzen Vorlage als von der Lösung der Bürgermeisterfrage abhängig erklärte. Der Abg. Jeanty stellte die Forderung auf, der Bürgermeister mise aus dem Gemeinderath hervorgehen und von diesem ge- wählt werden, und sprach sih_ im Verein mit den Abgg. Bâägert, Zorn von Bulach und Spies gegen das in dem Ent- wurf vorgesehene Wahlsystem für die Gemeinderathswahlen aus. Von seiten des Abg. Back fand die Vorlage die wärmste Be- fürwortung. Redner schilderte die Vorzüge der vorgeschlagenen Geseßgebung, bei der die Regierung wesentliche Rechte geopfert habe, gegenüber der bestehenden und hob als beson- deren Vortheil der Vorlage die Beseitigung aller der Schranken hervor, die bisher der freien Bewegung der Gemeinderäthe ge- seßt sind: ein Vortheil, dem gegenüber die Bedeutung der Bürgermeisterfrage zurücktrete. Bei Besprechung der Einzel- bestimmungen des Entwurfs erklärte er eine bloße Regelung der Verhältnisse der Städte als vorläufig ausreichend, sprach den Wunsch aus, daß in den größeren Städten der Bürgermeister direkt der Aufsicht des Bezirks-Präsidenten unterstellt werde, und befürwortete für die Wahl des Bürgermeisters das im größten Theile von Preußen geltende System, wonach der Regierung erst nah zweimaliger Nichtbestätigung des von dem Gemeinderath vorgeschlagenen Bürgermeisters das Necht zusteht, einen einstweiligen Kommissar für die Gemeindeverwal- tung einzuseßen. Der Abg. Zorn von Bulach wünschte eine gleiche Behandlung der Stadt- und Landaemeinn bei der Bürger- meisterfrage; der Abg. Fürst endlich befürwortete eine noch weitere Ausdehnung der den Gemeinden verliehenen Befugnisse und stimmte in der Frage der Aufsicht über die Gemeinde- verwaltung der größeren Städte, speziell der Kreishauptstädte, dem Vorschlage des Abg. Bak zu. Schließlih wurde die Vor- lage ciner besonderen Kommission von 21 Mitgliedern über- wiesen.

Deutsche Kolonien,

Nach einem am 22. Januar in Dar-es-Salam einge- troffenen Briefe dés Gouverneurs Freiherrn von Schele, der vom 16. Dezember v. J. Ulanga- Fähre datiert war, hat seine Expedition nah der Vereinigung mit der Abtheilung des Kompagnieführers Ramsay mehrere Orte der Mafiti zerstört und war im Begriff, die Haupträuber Nubikira mtua und Pepo, dessen Bruder von Ramsay geschlagen worden ist, zu züchtigen. Etwa am 22. Dezember gedachte Freiherr von Schele, den Ulanga aufwärts marschierend, bei Kiwanga ein- zutreffen. Wenn Zeit vorhanden, beabsichtigte er, bis zum Nyassa vorzudringen, um die Station Langenburg zu be- sichtigen. An der Ulanga-Fähre, dem Ausfallthor der Masiti, gedachte er nah Ablauf der Regenzeit eine Station anzulegen.

Der Kompagnieführer Prince, welcher seiner Zeit nah dem Nyassa-See gesendet worden war, um den Wissmann- Dampfer für das Kaiserlihe Gouvernement zu übernehmen, ist nah Dar-es-Salam zurücgekehrt.

Die Sendlinge der Leipziger Mission, die infolge ver kriegerischen Verhältnisse am Kilimandjaro längere Zeit an der Küste zurückgehalten wurden, sind jeßt seit einigen Monaten im Kilimandjarogebiet angelangt und haben im Orte Kwarango in der Landschaft Madjame ihre erste Niederlassung gegründet. Ein provisorisches Haus ist bereits vollendet, der Bau cines festeren Wohn- und Schulhauses ist für die nächste Zeit ins Auge gefaßt. Sie können von den Eingeborenen und deren Häupiling Schangali thatkräftige Hilfe beim Bau und Ent- gegenktommen in jeder Beziehung erwarten.

Der Kaiserliche Gouverneur von Zimmerer ist von seinem Urlaub am 17. Februar d. J. in Kamerun wieder eingetroffen und hat die Geschäfte übernommen. Der dem Kaiserlichen Gouvernement in Kamerun zur Beschäftigung überwiesene Regierungs-Assessor von Salzwedel is am 17. Februar d. J. in Kamerun eingetroffen.

er Kaiserlihe Landeshauptmann für Togo von Putt- ka mer ist von seinem Erholungsurlaub in Klein-Popo wieder eingetroffen und hat die Geschäfte übernommen.

Der zur Vertretung des Kanzlers bei der Kaiserlichen Landeshauptmannschaft in Klein - Windhoek, Assessors Köhler bestimmte, bisher in der Kolonial-Abtheilung seit zwei Jahren beschäftigte Regierungs-Assessor von Linbeauist hat am 24. Februar die Reise über London nach seinem Bestimmungs- ort angetreten. :

Der Kaiserlihe Landeshauptmann für die Marshall- Jnseln, Archivar a. D. Dr. Jrmer hat am 20. Februar von Genua aus die Reise nah seinem Posten angetreten.

Oesterreich-Ungarn.

Der Kaiser ist gestern früh 51/5 Uhr in Mentone ein- etroffen. Ein offizieller Empfang fand, wie „W. T. B.“ er- fährt, nicht statt. Die Kronprinzessin-Wittwe Erzherzogin Stephanie hat sih gestern in Triest nah Egypten ein- geschifft. Die Erzherzogin trifft in Kairo mit dem Prinzen und der Prinzessin Philipp von Sachsen-Coburg- E zusammen und wird voraussichtlich mit Höchstdenselben eine Nilreise bis zum ersten Katarakt machen. Der Minister des Auswärtigen, Graf Käálnoky stattete G E serbischen Minister-Präsidenten Simic einen esuh ab. Im Budgetaus\chuß des Abgeordneten hauses entwickelte gestern der Handels-Minister Graf Wurmbrand

das Programm der Regierung hinfichtlih der Förderung hes U bebamesens. Die Regierung sei si der Rothwentigkeit der Organisation zum Zweck der beshleunigten Durhführung der Lokalbahnbauten und des Lokalbahnbetriebs bewußt. Es sei nothwendig, daß die Länder vom Staat in der Durchführung der Projekte Dae oa unterstüßt würden und die Bildung von Landes-Eisenbahnämtern gefördert werde, während dem Staat die großen verkehrs- politischen Fragen bezüglich der Hauptbahnen vorbehalten blieben. Der Entwurf des Lokalbahngeseßes sei in der Aus- S begriffen; die Regierung hoffe ihn noch in dieser Session des Reichsraths einbringen zu können.

Bei der vorgestrigen Reichsrathswahl für den Wahl- kreis Budweis wurde als Vertreter des nicht fideiklommissari- hen Großgrundbesißes Graf Chotek (konservativ) mit 44 Stimmen gewählt. Sechs Großgrundbesißer der nationalen Partei, welche erschienen waren, enthielten sich der Stimm-

abgabe. Großbritannien und JFrlanDd.

Der Großherzog von Hessen ist nah einer Meldung des „W. T. B.“ gestern Nachmittag zum Besuch der Königin in Windsor eingetroffen.

Das „Reuter’she Bureau“ meldet : Der Privat - Sekretär des Premier - Ministers Gladstone theilte auf eine Anfrage mit, die Sehkraft Gladstone's habe in den lezten Monaten, und zwar seit dem Tage, an welchem Gladstone auf dem Bahnhof in Chester ‘durch einen Wurf in das Auge verleßt worden sei, schnell Eee Die Demission Gladstone?’s könne nicht mehr lange hin- ausgeshoben werden. Gladstone habe seine vorgestrige Audienz bei der Königin benußt, um die wachsenden Schwierig- keiten anzudeuten, die sich der Erfüllung seiner Amtspflichten entgegenstellten, Die „Pall Mall Gazette“ meldet, der Premier-Minister Gladstone werde am nächsten Sonnabend von der Königin empfangen werden, um sein Entlassung s- gesuh zu überreichen. Die Königin werde den Earl of RNosfebery berufen. Es sei nit beabsichtigt, das Parlament sofort aufzulösen. Gladstone werde seinen Siß im Unter- hause behalten, aber wahrscheinlih niht Mitglied des Kabinets bleiben. Die „Daily News“ von heute Morgen \hreiben, sie bedauerten, ankündigen zu müssen, es sei keine Hoffnung vorhanden, daß der Premier-Minister Gladstone die Erfüllung seiner Aufgaben in der nächsten Session werde fortseßen können.

Die irischen Nationalisten werden der „Allg. Korresp.“ zufolge, im Falle der Premier-Minister Gladstone zurücktreten \ollte, von jedem Nachfolger desselben bindende schriftliche Ver- sprehungen über seine Haltung in der Homerule-Frage fordern. Der Abg. Sexton jolle bereits Schritte in dieser Richtung gethan haben. Das „Freeman's Journal“ fagt in diefer Beziehung: „Die irishe parlamenta- rische Partei wird der Homerule die Stelle in ihrem politishen Programm weiter gewähren, die sie bis jeßt ge- habt hat. Die Ordnung der irischen Frage soll auh fernerhin das Hauptziel jedes Ministeriums bleiben. Die Partei wird Sorge tragen, daß die große Politik Gladstone’s unter allen Wandlungen die Oberhand behält. Die Partei wird sich in Del dabei von Gladstone’s kluger Geschäftsführung leiten lassen.“

Im Unterhause gab gestern der Kanzler der Schaß- kammer Sir W. Harcourt die Erklärung ab, die Negierung habe feinerlei Mittheilung von dem Wunsche irgend einer Regierung nah Wiedereinberufung der internationalen Münzkonferenz. Die britishe Regierung beabsichtige niht, die Einberufung vorzuschlagen, da sie keinen Vortheil darin erblide. Jm weiteren Verlaufe der Sigzung erklärte der Premier- Minister Gladstone anläßlich der Berathung der Amendements des Oberhauses zur Kirchspielraths-Bill, die Regierung habe beschlossen, um nicht die einzige Frucht der Session zu verlieren, die Amendements unter Protest anzunehmen ; sie betrachte die Annahme der Amendements nicht als den Schluß, sondern als die Eröffnung einer Kontroverse, die offen bleibe, bis sie befriedigend gelöst sei. Diese Amendements und die Behandlung anderer wichtiger Vorlagen seitens des Ober- hauses würfen eine Frage ernstesten Charakters auf. Seit 50 Jahren werde das Verfahren des Oberhauses von verschiedenen Seiten als höchst unbefriedigend erachtet, jeßt sei die Lage akuter geworden; die Frage sei die, ob das Oberhaus niht nur das ganze Werk einer Session solle modifizieren, jondern auch vernichten können. Die Differenzen mit dem Ober- hause seien nit temporär oder zufällig, sondern fundamentalen Charakters. Dieser Zustand könne nicht fortdauern. Die zwischen der Volksvertretung und der ernannten Kammer ent- standene Frage müsse fortbestehen, bis sie zum Austrag ge- bracht sei, Jn einer oder der anderen Weise müsse eine Lösung dicses unaufhörlichen Konflikts gefunden werden; \chließlich habe die Nation die Sache zu entscheiden. (Beifall. Zurufe von den Oppositionsbänken: Sofort!) Die Zeit, wann, und dic Umstände, unter welchen das Urtheil der Nation anzurufen sein würde, habe die Regierung zu entscheiden. Nach kurzer Debatte, worin Balfour die Rede Gladstone’s als Kriegserklärung gegen die Reichsverfassung bezeichnete, E die das Oberhaus feinen ernsten Grund gegeben habe, nahm das Haus den An- trag Gladstone’'s auf Genehmigung der Amendements des Oberhauses mit 273 gegen 37 Stimmen an. Hierauf wurde das Haus bis Montag vertagt; alsdann wird der Schluß der Session erfolgen. Die neue Session wird, wie der Parla- mentssekretär des Schaßes Majzjoribanks im Laufe der Be- rathung erklärte, am 12. d. M. eröffnet werden.

Eine Deputation von zwanzig Mitgliedern der Nadi- kalen hatte gestern Abend eine Zusammenkunft mit dem offiziellen Sekretär der Gladstoneanischen Partei Majoribanks, um aus prinzipiellen Gründen gegen die Wahl eines Oberhausmitgliedes zum Premier-Minister Ein- spruch zu erheben. Majoribanks übernahm es, der Regierung von diesen Wünschen Mittheilung zu machen.

i Frankreich.

__ Der Präsident Carnot hat, wie „W. T. B.“ be- rihtet, an den Kaiser von Desterreich nah Kap St. Martin folgende Depesche erichtet :

i „Ich schäße mi ) gt0dlid, Eurer Majestät bei Ihrer Ankunft in : rankreich meine Willkommenégrüße zu übersenden und ergreife mit Vergnügen diese günstige Gelegenheit, um Jhnen die Gefühle meiner aufrichtigen Freundschaft zu wiederholen.“

Der Kaiser erwiderte:

„Ich bin tief gerührt dur die lieben8würdigen Worte Ihres

Telegramms und beeile mi, Jhnen dafür zu danken. Der Aufenthalt U Kap St. Martin wird, davon bin ih im voraus überzeugt, mir le lebhafteste Genugthuung bereiten. Ich bitte Sie, den Ausdruck

meiner vorzüglichen Hohahtung und der Gefühle aufrichtiger Freund- schaft entgegenzunehmen.“ Gestern Vormittag sind in Paris 26 Anarchisten zur L gebracht worden. Jn Toulon verhaftete der „Köln. tg.“ zufolge die Polizei nah heftiger Gegenwehr einen sehr gefährlihen Anarchisten Namens Camoin, der verdächtig ist, den gegen das Haus des Kommandanten des X V. Armee- Fabi in Marseille gerihteten Bombenanschlag ausgeführt zu aben.

Rußland.

Wie der „Politishen Korrespondenz“ aus St. Peters- burg gemeldet wird, verlaute daselbst bestimmt, daß der Kaiser und die Kaiserliche Familie sih in den ersten Tagen des April nach Livadia zu vier- bis fünfwöhigem Aufenthalt begeben würden.

Das gestern Nachmittag 5 Uhr ausgegebene Bulletin über den Pan des Ministers des Auswärtigen von Giers besagt dem „W. T. B.“ zufolge: Jn Bezug auf die Herzthätigkeit und das Allgemeinbefinden dauert die Besserung fort, die Anfälle von Herzbeklemmung wiederholen sih nicht.

Jtalien.

Die gestrige Sizung der Deputirtenkammer wurde dem „W. T. B.“ zufolge durch Erwiderungen der Jnter- pellanten und Fragesteller auf die gestrigen Reden des Minister- [Ea Crispi und des Justiz-Ministers Calenda aus- gefullt.

Spanien.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Barcelona hätte die Schildwache des Kreuzers „Navarra“, auf dem die verhafteten Anarchisten in Gewahrsam gehalten werden, auf ein Boot geschossen, das die Herzogin von Uzès an Bord der französishen Fregatte „Jphigenie“ geführt habe. Die Untersuchung sei eingeleitet.

Portugal. __ Der General - Direktor für Handel und Jndustrie im Ministerium der E Arbeiten Madeira Pinto ist, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern von Lissabon nah Paris abgereist.

Amerika.

Das Repräsentantenhaus hat, wie „W. T. B.“ aus Washington erfährt, den Geseßentwurf Bland's wegen Aus- A von 2 Millionen Dollars monatlich aus em im Staatsschaß befindlichen, von der Prägegebühr her- rührenden Silber angenommen.

Bei der heute in Brasilien stattfindenden Mel dentenwahl dürfte nah einer Meldung aus Rio de Janeiro die Wahl von Morales zum Präsidenten als fast gewiß an- zusehen sein, da es an einer organisierten Opposition voll- ständig fehle. Das Resultat der Wahl werde bei dem Zu- sammentritt des Kongresses im Mai amtlich verkündet werden. Die Wahlen zum Kongreß finden ebenfalls heute statt. Jn Rio de Janeiro herrsht vollkommene Ruhe.

Nach einer Meldung des „Reuter’'shen Bureaus“ aus Montevideo hat die gestern daselbst vorgenommene Wah| eines Präsidenten dur den Kongreß kein Resultat er- geben, da fein Kandidat die nöthige Majorität der Stimmen erhielt. Es fanden vier Wahlgänge statt, die ohne Resultat verliefen; zwischen dem Kandidaten der Regierungspartei und dem Kandidaten der Volkspartei ist eine Stihwahl nothwendig. Es herrscht eine lebhafte Erregung. Die Truppen sind konsigniert.

Aus Santiago wird gemeldet, daß die Wahlen zur Deputirtenkammer auf den 4. d. M. anberaumt seien. Während der Wahlperiode sei der Belagerungszustand aufgehoben.

Afien.

Dem „Reuter schen Bureau“ wird aus Kalkutta ge- meldet : Jn der gestrigen Sißung des General-Gouvernements- rathes kündigte der Finanz-Minister Westland an, daß er beabsichtige, einen allgemeinen Werthzoll von 5 Proz., auch auf die Einfuhr von Silber, einzuführen, von diesem Zoll aber baumwollene Garne und Gewebe auszuschließen.

erner beabsichtige er, den Einfuhrzoll auf Petroleum zu ver- doppeln. Er schâäße die Einnahme aus diesen neuen Zöllen auf 14 Millionen Rupien. Afrika.

Aus Bathurst erfährt das „Reuter'she Bureau“, daß daselbst von Sierra Leone militärishe Verstärkungen ein- getroffen seien; die Lage sei unverändert. Der Feind befestige von neuem seine Stellung bei Busumballa. Fodi Silah drohe mit cinem Angriff auf Sabojeec.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sißung des Rei chs'- tags befindet sih in der Ersten, der Schlußbericht über die estrige Sißung des Hauses der Abgeordneten in der Zw eiten Beilage.

Zn der heutigen 61. Sißung des Reichstags, welcher der Königlich preußishe Kriegs-Minister Bronjart von Schellendorff beiwohnte, wurde die Berathung des Etats mit dem Militär-Etat fortgeseßt.

Bei ‘dem Ausgabeposten „Gehalt Ministers“ kommt der __ Abg. Bebel (Soz.) auf den Spielerprozeß in Hannover zurück. Bei der ersten Lesung des Etats habe der preußische Kriegs-Minister fih in nachdrückliher Weise gegen die Angriffe gewendet, welche anläßlich dieses Prozesses gegen die einreißende Spielsucht im Offizier - Korps der Armee erhoben worten seien; er habe sich dafür verbürgt, daß die Offiziere das Spiel verdammen und verurtheilen. Diese Meinung werde er wohl nicht aufreht erhalten können. Es sei bekannt, daß die Reitshule in Hannover eine Art Hochschule für das Spiel, namentlih der Kavallerie- Offiziere sei. Der preußishe Kriegs-Minister Bronfart von Schellendorff und der Reichskanzler Graf von Caprivi hätten doch als frühere Kom- mandeure des XR. Armee - Korps in Hannover davon Kenntniß haben müssen. Die ehrengerihtlihe Bestrafung der kompro- mittierten Offiziere sei innerhalb des Offizier-Korps so milde aus- gefallen, daß der oberste Kriegsherr sih geweigert habe, diese Urtheile anzuerkennen. In fonderbarem Gegensaß dazu stehe die Maßregelung des Rechtsanwalts Hertwig, des Vertheidigers des Abg. Ahlwardt, der die Offiziersehre niht hinreihend gewahrt haben solle. Sehr merk- würdig kontrastierten damit ebenfalls die neuesten Nachrichten, wonach konservative Neichstags - Abgeordnete, die Reserve- und Land- wehr-Offiziere seien, den Abschied nehmen wollen, weil sie nicht als Opponenten gegen die Staatsregierung in der Frage des ruffishen Handelsvertrages auftreten zu dürfen glauben.

des Kriegs-

Ein. fo widerspruhsvolles Verfahren fordert die Kritik heraus. Eine Durchführung dieses Grundsazes würde E alle sogenannten \taats- erhaltenden Parteien verwüstend einwirken. Ein Doktor Oppenheimer, Sozialdemokrat, in Straßburg, wurde daran verhindert, das zweite halbe Jahr seines Dienstes als Unterarzt abzudienen, weil er als Sozialdemokrat \ich dieses Privilegiums unwürdig gemacht habe. Dabei war anerkannt, daß der Erwähnte in jeder Beziehung seine volle Schuldigkeit gethan hat. Der preußische Kriegs-Minister hat bestritten, daß die Militärbehörden {ih die Ueber- wachung der als Sozialdemokraten in das Militär einberufenen Mannschaften angelegen sein lassen. Es wird aber eine solche Ueberwahung in großartigem Maßstabe betrieben, zunächst von den Zivilbehörden, dann von den Militärbehörden. Ein Erlaß der Königlichen Regierung der falz, der die Namhaft- machung aller derjenigen ilitärpflihtigen anordnet, welche fich irgendwie als Sozialdemokraten bemerkbar gemacht haben, beweist dies. Daß dadurch nur ein höchst gemeingefährlihes Denunziationssystem groß gezogen wird, ist selbstverständlih,. Dieses System \heint fich über ganz Deutshland zu erstrecken; denn auh von dem BZivilvorsißenden der Ersaßkommission ina Nassau ist ein ähnliher Erlaß uns bekannt geworden (Redner verliest die betreffenden Schriftstüke). Auh in der Armee selbst findet eine sehr scharfe Ueberwahung statt. Leute, welhe als Redner oder Führer in der Oeffentlichkeit hervorgetreten sind, werden blau, folhe, welche an den Versammlungen sich betheiligt haben, in den Präsfenzlisten roth angestrichen. Wenn die So- zialdemokratie eine so gefährlißze Partei is, die eine folhe Ausnahmebehandlung erfordert, dann wäre es doch vielleicht tonsequenter, Anhänger der Sozialdemokratie vom Militärdienst aus- zuschließen. Im vorigen Jahre hielt der Höchstkommandierende eine Nede, in der nah den Berichten der Freise es heißt: Ihr habt die Chre, unter meinem Kommando zu stehen (Präsident von Leveßow ersuht den Redner, die Allerhöchste Person nicht in die Debatte zu ziehen). Dann will ih nur allgemein sagen, daß Soldat nur foll werden können, wer sein Vaterunser zu beten versteht. Damit find Juden „ausgeschlossen, und au sonst gerathen wir mit folchen Satte allmählich in die Gefahr, uns vor dem Auslande lächerlich zu machen.

Bei Schluß des Blattes nimmt der Königlich preußische Bevollmächtigte zum Bundesrath, Kriegs-Minister Bronsart von Schellendorff das Wort zu einer Erwiderung, die wir morgen in Wortlaut mittheilen werden.

Der heutigen 26. Sißung des Hauses der Abge-

ordneten wohnte der Minister der geistlichen 2c. Angelegen- heiten Dr. Bosse mit Kommissarien bei. __ Vor Eintritt in die Tagesordnung erklärte der Abg. Dr. Beumer (nl.), daß nah seiner Gewährsmänner, der Herren Kommerzien-Rath Lueg und Jngenieur Schrödter, Aus- sage die er dem Präsidenten schriftlih überreichte die von ihm in der Sißzung vom 23. Februar vorgetragene Sache sich vollständig so verhalte, wie er sie ge- schildert; der genannte Assessor habe bei Berathung von Bestimmungen über RNöhrengießereien in einer Zwischen- frage gemeint: Sie meinen wohl Mannesmann-NRöhren? Er kfonne also von seinen früheren Ausführungen nichts zurück- nehmen.

Darauf wurde die Berathung des Staatshaushalts-

Etats für 1894/95 und zwar des Etats des Ministeriums der geistlichen 2. Angelegenheiten bei dem Kapitel „Gehalt des Ministers“ fortgeseßt. ___ Jn der Debatte, über welhe wir morgen ausführlich be- richten werden, nahmen die Abgg. Träger (fr. Volksp.), - a e von Zedliß-Neukirch (frkons.), Rickert (fr\. gg.), von Eynern (nl.) sowie der Staats-Minister Dr. Bos)e das Wort.

Die Budgetkommission des Reichstags hat beim Militär-Etat folgende Abstrihe vorgenommen: In den fort- dauernden Ausgaben 1842031 # bei der Viktualien- verpflegung ; ferner bei der baulichen Unterhaltung der Magazingebäude 9996 4; im Kapitel Garnisonverwaltungs- und Serviswesen 618 893 A, insgesammt an fortdauernden Ausgaben 2 516 500 M Bei den einmaligen Ausgaben im ordentlihen Etat wurden verschiedene Neubauten gestrichen, und zwar 39 500 M erste Rate für den Neubau von Magazingebäuden in Langfuhr, 70000 A für ein Dienstgebäude bei Arys, 104900 Æ für cin Stab8gebäude in Tilsit, 400000 A erste Baurate für eine Kaserne der Feld-Artillerie in Brandenburg, 200000 A für Erweiterung der Brükenkopfkaferne in Torgau, 200 000 4 für eine Kaserne in Glogau, 10 000 für eine Garnisfonfkfirhe in Breslau, 200 000 4 für eine Kaserne in Schweidniß, 5000 Æ für ein Dienstgebäude und Kaserne in Hamburg, 8000 A für eine Kaserne in Celle, 300 000 4 für eine Kaserne in Karlsruhe, 40000 4 für Erweiterung der Kavallerietaserne in Riesenburg, 100 000 Æ zur Anstellung eines Ver- sus auf einem Remontedepot, die Nemonten erst im Herbst an die Truppen auszugeben, 15 000 4 für den Neubau der Kriegsschule in Potsdam, 37 000 Æ für ein Exerzierhaus für die Unteroffiziershule in Potsdam, 10000 A für Neubauten bei dem Militär- Knaben - Erziehungsinstitut in Annaburg, 14000 A für ein General-Kommando-Dienstwohnungsgebäude in Metz, 50 000 4 für den Neubau von Magazinanlagen in Leipzig, 50000 # für das Kriegs- arhiv in Dresden, 300 000 für eine Garnisonkirhe in Dresden, zusammen 2153 400 A Hierzu kommen Herabsetzungen in den ein- maligen Ausgaben des ordentlihen Etats von 153 200 46, sodaß also in8gesammt von den einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats 2 306 600 A gestrihen find. Im außerordentlihen Etat sind abgeseßt 6 078 700 4 für artilleristishe Zwecke und Handwaffen. Insge]ammt sind also bei den fortdauernden Ausgaben 2516 500 4, bei den einmaligen des ordentlichen Etats 2 306 600 Æ, bei den ein- maligen Ausgaben des außerordentlichen Etats 6 078 700 , zu- fammen 10 901 800 Æ gestrihen und ftatt 538353401 4 nur 927 451 601 6 bewilligt worden. Ferner hat die Kommission folgende Resolutionen in Vorschlag gebraht: 1) Bei Kap. 18 Militär-Justizverwaltung die verbündeten Regierungen wieder- holt zu ersuchen, nah dem Vorgange der Veröffentlichungen über die all- gemeine Kriminalstatistik auch die Veröffentlihung einer Statistik über die von den Militärgerihten abgeurtheilten Strafsachen zu veranlassen. 2) Bei Kap. 34 Tit. 1 Reisekosten und Tagegelder den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, a. Einleitung zu treffen, daß die Reisekosten und Tagegelder der Reichsbeamten, der Angehörigen des Reichsheers und der Marine einer Regelung im Wege eines Reichsgeseßes unterworfen werden; b. dabei in Erwägung zu ziehen, auf welche Weise für Dienst- reisen auf Eisenbahnen und Dampfschiffen die wirksamste Einrichtung zu treffen ist, daß die Reisekosten in möglichster Berüksichtigung der wirklichen Auslagen zur Vergütung kommen. 83) Zu Kap. 41 Tit. 3. Zur Unterstüßung von Unteroffizieren und Gemeinen mit Familie die verbündeten Regierungen zu ersuchen, für die Hinterbliebenen solcher Militärpersonen des aktiven Dienstes und des Beurlaubtenstandes, welche infolge der bei Friedens- übungen erlittenen Beschädigung gestorben sind, eine entsprehende Fürsorge treffen zu wollen.

In der beutigen Sibßung der Budgetkommission des Reichstags, in welcher in die Spezialberathung des Marinc-Etats eingetreten wurde, erbat bei dem Titel „Staatssekretär“ der Abg. Dr. Müller -Sagan (fr. Volksp.) eine Auskunft über den Unfall des Panzershiffs „Brandenburg“. Der Staatssekretär Hollmann erklärte: Derartige Unfälle find leider unabwendbar ; wer in einen Mascbinenraum gebe, seße sich immer einer Gefahr aus. Sämmtliche Maschinen und deren Theile würden stets vor ihrer An- wendung auf das peinlichste und genaueste 'untersucht und erprobt; sie