1894 / 53 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 02 Mar 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Tatholishe Lehrer an? Ich glaube, daß ih so die Beschwerde: des Herrn Abg. Dr. Bachem richtig aufgefaßt habe. Ja, meine Herren, von den Schwierigkeiten, die das machen würde und die das auch bei den anderen Universitäten haben würde, hat der Herr Abg. Dr. Bachem, wie ih glaube, nit die rihtige Vorstellung.

Es ift erstens nit zutreffend, wenigstens niht unumstritten, daß das, was wir jeßt die Akademie Münster nennen, eine katholische Stiftung ist. Was in früheren Jahren dort bestanden hat an Lehr- anstalten ähnlicher, zum theil aber au sehr unähnlicher Gestalt, find katholische Anstalten gewesen. Aber daß die jeßige Akademie in Münster als folhe, abgesehen von der katholischen Fakultät, eine aus\{ließlich fkatholisde Stiftung sei, ist niemals von der Staats- regierung anerkannt, das ist auch rechtlich ganz außerordentli fraglich. Ich will die Frage und kann sie jeßt hier nicht urgieren, es ist eine Frage, die nit einmal, die hundertmal im Kultus - Ministerium erörtert worden ist, und wir find immer dahin gekommen, daß eine ganz ausshließliche Besetzung mit katholishen Lehrern ihre großen Bedenken hat. Wollte man das statutenmäßig festlegen, fo würde es sih überhaupt fragen, ob man eine philosophische Fakultät mit Konfessionszwang als einer andern Fakultät gleihwerthig würde anertennen wollen. Ih habe aus einer andern Veranlassung jeßt eine Art Engête über deù Begriff der Universität veranstaltei unter den hervorragendsten Universitätslehrern nit bloß Preußens, sondern auch über dessen Grenzen hinaus, und diese find fast alle einig auch die katholischen, soweit es sih nicht um die katholish-theologischen Fa- Éultäten handelt —, daß ein solher Konfessionszwang mit der Lehr- freiheit, die das Wesen der deutschen Universitäten ausmacht, überhaupt unvereinbar is. Wir würden also möglicherweise, wenn wir auf diesen Gedanken eingehen würden, die Akademie in Münster nicht heben, fondern s{chädigen. Das sind Fragen der heikelsten Natur: sie werden bei uns forgfältig erwogen, und das werden auch die Herren aus Westfalen uns nicht nahsagen können, daß wir zur Zeit irgendwie mit konfessionellen Ungleichheiten in der Beseßung von Professuren in Münster vorgehen. Das is niht der Fall; wir kommen Ihnen da sehr weit entgegen, ih brauhe nux an gewisse Vorgänge im vorigen Jahre zu erinnern.

Meine Herren, die Ausführung des Jesuitengeseßes ist freilich Landessache, und es ist rihtig, daß religiöse Vorträge von Jesuiten nicht zugelassen sind. Sie sind gehalten worden, und es is nachher denen, die sie gehalten haben, gesagt worden, je nah Umständen, daß es cine Ordensthätigkeit sei. Wir haben vor Erlaß dieser Entschei- dung die Statuten der Societas Jesu schr sorgfältig geprüft, und danach ist Ordensthätigkeit alles, was auf religiösem Gebiet liegt. Also, meine Herren, wir Éönnen rein wifsenschaftlihe Vorträge sehr wohl zu- lassen. Wenn z. B. der Pater Secchi hierher käme oder vielmehr hierher gekommen wäre und astronomische Vorträge gehalten hätte, fo würde das gar kein Bedenken haben. Aber, meine Herren, wir müssen uns an die Urkunden halten, die uns die Societas Jesu selbst giebt. Es ift rihtig, man kann gewiß einen sozialwissenshaftlihen Vortrag halten, ohne das religiöse Gebiet zu berühren, aber man kann unter der Firma sozialwissenshaftliß und wissenshaftliß über- haupt auch Vorträge halten, die sehr weit ins religiöse Gebiet übergreifen. (Zwischenruf : Ist das ein Unglück?) Gewiß nicht, aber so lange das Gesetz besteht, müssen wir das Gese ausführen. Das ist gerade der Unterschied in unserer Auffassung; wir finden uns in unserem Ge- wissen durch das Geseß gebunden, und solange wir durch das Gefeß gebunden find, müssen wir es auch ausführen.

Nun möchte ih bei diesem Titel nicht nochmals auf die Kreis- und Lokal.Schulinspektionen zurükkommen. Jh will nur in Bezug auf Krefeld sagen: es ist rihtig, daß dort die Vertretung in der Stadt- \chuldeputation den Zahlenverhältnissen der Konfessionen, wie sie in den Schulen vertreten find, nit entspriht. Aber, meine Herren, die städtische Schuldeputation wird gewählt, und ich wollte einmal den Sturm fehen, wenn ih anfangen wollte, hier Leute in die Schuldeputation hineinzuernennen! Dieses Stü der Mitwirkung der Kommunen haben wir bisher sorgfältig respektiert und werden es auch weiter respektieren. Deshalb müssen die Katholiken in Krefeld dafür sorgen, daß ihre Leute in die Stadtverordneten-Versammlung und die städtische Schuldeputation gewählt werden. (Zurufe und Widerspruch.) Der Stadt- Schulinspektor ist ja auch ein \tädtis@er Beamter. Also ih kann auch mit dem beften Willen nichts machen. Ich erkenne aber an, daß die Verhältnisse in Krefeld als für die Katholiken unerwünscht be- zeichnet werden müssen. Indessen steht auch hier eine Hilfe in Aus- sicht. Wir gehen im Rheinland damit um, überall da, wo mehr- flafsige Schulen sind, an deren Spiße Hauptlehrer und Nektoren stehen, leßtere zu Schulinspektoren zu machen. Und das kann ih Sie versichern, über eine katholische Schule wird gewiß kein evangelischer Rektor zum Schulinspektor ernannt werden.

Meine Herren, das is wohl das wesentliche, was ich auf die Ausführungen des Herrn Dr. Bachem zu erwidern wüßte. FJch will gern, was an mir ist, thun, um eine friedsame Parität zwischen Evangelischen und Katholiken herzustellen, zu pflegen und aufrecht zu erhalten ; aber darüber hinaus kann ich nicht gehen, ich muß an das Gesetz gebunden bleiben, und auf eine mechanische Parität lasse ih mich nit ein, das würde Ihnen auch nihts nügen, sondern schaden. (Lebhaftes Bravo.)

Abg. Sey ffardt- Magdeburg (nl.) wünscht die Vorlegung eines Schuldotationsgeseßes. Der Minister habe allerdings seine Bereit- willigkeit, für die äußere Lage der Schule das Möglichste zu thun, {hon früher kund gegeben, und man könne volles Zutrauen zu ihm haben, aber «8 müßten noch größere Erfolge erzielt werden. Auch dite Imparität, wo sie noch bestehen sollte, werde mehr und mehr beseitigt werden. Eine fahmännische Schulaufsicht sei durhaus noth- wendig. Könne man mit dem bisherigen Verhalten des jeßigen Ministers im allgemeinen einverstanden sein, so träfen die Verfügungen über die Schulpfliht doch niht das Nichtige. Vor vollendetem sechsten Lebenejahr könne man den Schulbesuch nicht beanspruchen. Ferner sei die Verfügung unhaltbar, wonach Geistlihe ein Schul- inspekiorat übernehmen können, ohne die geseßlien Prüfungen für Lehrer absolviert zu haben.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Hecrèn! Der Herr Abg. Seyffardt hat als den leitenden Gedanken, der mich bei der Führung der Unterrichtsverwaltung be- herrscht, ridtig hingestellt: die sahlie Nücksiht auf das Schul- interesse. Und wenn die Verfügung bezüglich der Nektoren, von der er gesprochen hat, wirklich den Zweck und die Tendenz gehabt hätte, die der Herr Abg. Seyffardt. voraus\eßtt, so hätte er mit seiner Be- hauptung vollkommen Recht, daß ih mit diesem meinem leitenden Prinzip in Widerspruch getreten wäre lediglih zu Gunsten einer bestimmten Klasse von Theologen. So liegt aber die

Sache keineswegs, und die ganze Auffassung, wie sie der verehrte Herr Abgeordnete eben dargelegt hat, ist do mit wesentlihen Frrthümern durchseßt.

Zunächst war die Absicht der Verfügung, daß kein“ Ungeprüfter ins Amt kommen dürfe, also au kein Theologe, der nicht die NRektor- prüfung gemacht hat. Diese Verfügung war nöthig, weil es zu großen Unzuträglichkeiten geführt hatte, daß die jungen Theologen zunächst nur das Mittelshullehrerexramen machten, dann provisorisch in eine Rektorstellung kamen und nun mit den Arbeiten für die noch niht gemachte Rektorprüfung belastet wurden; darunter litt das Schul- intecresse. Weitere Unzuträglichkeiten erwuchsen, wenn die Theologen, welche Jahr und Tag in der Rektorstellung kommissarisch thätig ge- wesen waren, inzwischen sich verheirathet und Kinder bekommen hatten, nun das NRektorexramen absfolvieren follten. Da mag manchmal ein Auge zugedrückt fein; es follte aber nicht zugedrückt werden, und deshalb habe ich durch die Verfügung vom 23. August v. J. angeordnet, daß kein Theologe in ein Schulamt eintreten darf, der die Nektorprüfung nicht gema{ht hat.

Nun habe ich allerdings auch verfügt: es foll zulässig sein, daß die Theologen die Mittelshullehrerprüfung niht mehr zu machen brauchen. Aber das bietet unter diesen Umständen nicht die geringste Gefahr. Es ist doch eine unnöthige Häufung von Prüfungen, erst die

.Mittelshullehrerprüfung und hinterher noch die Rektorprüfung zu

verlangen. Dagegen habe ich die Theologen nicht von dem Nachweis ihrer anderweiten Tüchtigkeit, insbesondere ihrer praktischen Lehrbefähigung vor der Ablegung der Nektorprüfung entbunden. Es ist also alles gesehen, was im Schulinteresse nöthig war, um ein richtiges und gutes Verhältniß herbeizuführen. Ih glaube in der That, daß nach dieser Seite hin auch nit der leiseste Anlaß zur BVe- unruhigung vorliegt.

Was die Schulpflicht anlangt, fo sind auch hier die Zeitungs- nachrichten nicht ganz zutreffend. Eine Verfügung über die Ver- fürzung der Schulpfliht is von mir überhaupt nicht erlassen worden. (Zuruf links.) Ich habe ja im „Reichs - Anzeiger“ dargestellt, wie sich die Sache verhält. Es hatte eine Regierung, aber ohne bei mir anzufragen, die Schulinspektoren darauf aufmerksam gemacht, man könnte ja die Eltern, die eine möglichst zeitige Ent- lassung ihrer Kinder aus der Schule erstrebten, darauf hin- weisen, daß sie ihre Kinder nun auch möglichst zeitig, näm- lih vor dem sechsten Jahre, in die Schule schickten. Das habe ich auêdrüdlih gemißbilligt; ih wünsche das nicht. Ich bin ganz der Ansicht des Herrn Abg. Seyffardt: als Regel muß man, wie es unsere Geseßgebung thut und wie es unsere ganze Praxis bisher gethan hat, das sechste Jahr für den Beginn des Schulbesuchs fest- halten. Daß es dabei auf zwei, drei Tage oder Wochen nicht an- kommen kann, daß da die Lage des einzelnen Falles ents@eiden muß, versieht sich von selbst; aber ih will keine behördlihe Ein- wirkung auf die Eltern dahin, daß sie die Kinder vor dem sechsten Jahre in die Schule s{chicken sollen, damit fie naher ein halbes oder dreiviertel Jahre früher, vor dem vierzehnten Fahre entlassen werden können. Ich wünsche die ahtjährige Schulpflicßt als Regel innegehalten zu sehen. Das ist sofort, als die Sache in der Presse eine schiefe Gesialt annahm, von mir im nichtamtli{en Theil des „Reichs-Anzeigers“ dargelegt worden , und seit dieser Zeit ist au eine vollständige Beruhigung eingetreten. (Bravo! links.)

Abg. Dauzenberg (Zentr.): Der Minister will keine mechanische Parität, aber es besteht doh jeßt eine mechanische Imparität. Wenn die Katholiken nicht das nöthige Material für die höheren Beamtenstellen haben, so liegt das daran, daß in den unteren Instanzen die Katholiken keine Gelegenheit erhalten, fi für den höheren Dienst vorzubereiten. Daß uns die leßte Hoffnung auf Abänderung des Geseßes über die Vermögensverwaltung genommen ist, ist bedauerlih. Mit der Säkularisation der katholishen Güter und Stiftungen hat der Staat doh nicht nur die Nechte, sondern auch die Pflichten derselben überkommen; diesen entzieht er sich aber, wenn er stiftungsmäßig daraus zu zahlende Gehälter einbehält. Redner unter- ütt die einzelnen Klagen des Abg. Dr. Bachem dur eine ein- gehende ziffermäßige Aufstellung über Zurücksezung der katholischen Bewerber, namentlich im Ministerium und in der Schulverwaltung, und verlangt ebenfalls die Wiedererichtung der katholishen Abtheilung im Ministerium, die man seinerzeit niht mit Gründen, sondern nur mit Borwänden beseitigt habe.

Minister der geisilichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Der Herr Abg. Dauzenberg hat mich persönlich so freundlih behandelt, daß ih am allerliebsten auf die Punkte, in denen ih mit ihm nicht ganz übereinstimmen ftann, nit einginge. Aber ih halte es doch für meine Pflicht, einige Dinge, in denen er nicht recht berichtet ist und die er niht recht durchs{chaut hat, hier zu berichtigen, weil sie mein Ressort betreffen. Das wird auch der Herr Abg. Dauzenberg mir nicht zutrauen, daß ich in unserer heutigen ernsten Zeit die Hand dazu bieten möchte, die Lbenszadern der Kirche zu unter- binden, weder der evangelischen noch der katholischen. Im Gegentheil!

Aber etwas ganz Anderes und damit garnicht zusammenhängend ist die Wiederherstellung der katholischen Abtheilung im Kultus- Ministerium. In dieser Beziehuna wolle mir der Herr Abg. Dauzen- berg es niht verargen, wenn ih ihm sage, daß er über den that- sählichen Geschäftsgang im Kultus-Ministerium absolut nicht orientiert oder falsch orientiert ift.

Zu der Zeit, als die katholische Abtheilung bestand, da kann ih Sie versichern, daß gerade das Bestehen der katholischen Abtheilung ein gegenseitiges Mißtrauen unter den Mitgliedern des Kultus- Ministeriums herbeiführte. Die Mitglieder der katholisGhen Ab- theilung standen in einem sehr ausgesprochenen Gegenfaß nicht bloß lonfessionell, sondern auch. persönlich zu ihren anderêgläubigen Kollegen, und umgekehrt, und es fehlte das Vertrauen, welches zu einer ge- meinsamen Arbeit mit gemeinsamen Zielen nöthig is. Fragen Sie do meine Herren Kollegen im Kultus - Mini- sterium, die fkatholishen Kollegen, von denen Sie gewiß nit behaupten wollen, daß es Namens-Katholiken find! Fragen Sie doch, ob sie unter den jegigen Umständen Ursache haben, si darüber zu beklagen, daß auch nur eine einzige katholishe Sache im Kultus-Ministerium jemals bearbeitet würde, ohne daß einer der katholishen Herren als Neferent, als Korreferent oder gar daß zwei Herren als Korreferent und Referent betheiligt wären. Ich lasse es mir _ angelegen sein, in dieser Beziehung die äußerste Gerechtigkeit, ja eine peinliße Gerechtigkeit und Vorsicht zu üben; ich will nicht zu Mißtrauen nach der Seite hin Anlaß geben. Zu den allerwihtigsten katholischen Angelegenheiten ziehe ih die fkatholishen Näthe hinzu: Beseßung der Domstifter, Bischofslisten, Verwaltung des fatholischen Stiftungsvermögens u. a. Fragen Sie, ob eine einzige Sache im Kultus-Ministerium behandelt

wird, bei der nit die katholishen Meinungen, das katholische Urtheil, die katholische Anshauung zur vollen Geltung kommen. Aber ih komme viel weiter damit, wenn das im Angesiht der protestan- tis@en Mitgliezer des Kultus-Ministeriums geschieht, als wenn bei vers{chlossenen Thüren die katholischen Angelegenheiten und bei ver- \{hlossenen Thüren die evangelischen behandelt werden (sehr richtig!) ; ih komme viel weiter damit, und die Sache geht jeßt so friedsam und so ordentlich, daß Sie vollkommen damit zufrieden sein können.

Nun hat man mir gesagt: du müßtest mehr katholishe Räthe haben, im Verhältniß zu der Bevölkerungsziffer sind die vier katholischen Näthe nicht ausreichend. Ja, nah der bloßen Bevölkerungsziffer läßt sih das sfreilich niht berechnen; denn die ganze Verwaltung der katholischen Kirche bringt naturgemäß sehr viel weniger Arbeit in das Ministerium, in die Ministerialinstanzen hinein als die der evange- lischen Kirche. Die katholischen Kräfte, die wir jeßt haben, haben ihre volle Last und Arbeit, aber sie reihen au vollkommen aus, um die Sachen gut und gründlih zu erledigen. Jch ftann hier ausdrücklich aus- sprehen: ih bin sachlich gut und katholis korrekt berathen von fleißigen und treuen Näthen, mit ' denen wir alles im gegenseitigen Vertrauen bearbeiten, obwohl wir wissen, daß wir in unseren kon- fessionellen Anschauungen geschieten sind, daß sie auf der katholishen Seite stehen, wir auf der evangelischen. Aber sie haben au das Zutrauen zu uns, daß wir ein Verständniß für ihre Stellung, für ihr Gewissen und für ihre Bedürfnisse haben. Wenn ih jeßt die fkatholishe Abtheilung wiederherstellen wollte, dann müßte ih das ganze Ministerium zunächst desorganisieren. Jch müßte alle katholischen Angelegenheiten aus beiden Unterricht8- abtheilungen herausnehmen und sie in die katholishen Abtheilungen verweisen; ih müßte die katholischen geistlihen Sachen dort hineinbringen und sogar fatholishe Medizinal - Angelegen- heiten in die fkatholishe Abtheilung verweisen (Heiterkeit) ; ih würde, wie ih wiederhole, mein ganzes Ministerium desorganisiren. Ich wünschte, der Herr Abg. Dauzenberg hätte Gelegenheit, einmal einer unferer Sißungen beizuwohnen und sich die Sache anzusehen; das wäre der beste Beweis für ihn, er würde für immer davon schweigen und sagen : die Sachen sind jeßt im Kultus-Ministerium gut aufgehoben. Es ist ganz richtig, daß in Ihrer Presse und dadur im katholischen Volk aus der Kulturkampfzeit her die Anschauung verbreitet ist : die Katholiken hätten keine genügende Vertretung im Ministerium. Nein, Sie könnten do einmal eine katholische Abtheilung haben, tie Jhnen recht unbequem werden kann; wer garantiert Ihnen denn dafür, daß nur Ihnen genehme Katholiken in die Abtheilung hineinkommen ? Wie die Sache jeßt gemaht ifi und wie sie thatsächlih besteht, sind die katholischen Interessen im Kultus-Ministerium vollkommen gewahrt.

Es ist au) nit richtig, daß die Angelegenheit der Franziskaner in Essen: von den proteftantishen Näthen bei mir bearbeitet wäre ; im Gegentheil, die Angelegenheit is von einem meiner katholischen Herren Mitarbeiter bearbeitet. Jh will Ihnen auc die Gründe sagen, weshalb ich nah einer wiederholten sehr cingéhenden Erwägung gerade bei dieser Angelegenheit, von der ih wußte, daß sie jedenfalls wieder hier zur Sprache kommen würde, dennoch zu dem Resultat gekommen bin, daß es besser sei, die Niederlassung der Franziskaner nit zu genehmigen. In Essen find 24 katholishe geistliße Pfarr- stellen, und es shweben jeßt Verhandlungen über die Gründung von vier neuen Pfarrstellen; damit wird das Bedürfniß der Seclsorge nah meinem Dafürhalten auf das vollkommenste gedeckt. Genügt aber diese Zahl von Geistlichen, so ist es besser, daß das kirchliche Bedürfniß dur geordnete geistlihe Kräfte im Pfarramt als durch Ordensmitglieder gedeckt wird. (Lebhafter Widerspru im Zentrum.) Das ist der Grund gewesen, weshalb die Niederlassung nicht genchmigt worden ist. Ich habe es für besser gehalten, daß in Essen eine geordnete Pfarrseelsorge cintritt, als daß auf einige Zeit Ordensmit- glieder hinkommen, für die ein dauerndes Bedürfniß bis jeßt nicht hat nahgewiesen werden können.

So hat die Sache gelegen, und ih wiederhole: sie ist ebenfalls von katholischen Mitgliedern bearbeitet. Seieu Sie überzeugt, daß ih bereit bin, gerecht und friedsam diese Sache zu erledigen. Jch würde mich sehr beklagen, wenn auf mich das paßte, was der Abg. Dauzen- berg von dem neuen Kurs gesagt hat, daß man die Katholiken mit lieben8würdigen Redensarten abspeiste. JIch will lieber unliebens- würdig sein, aber gerecht und ein gutes Gewissen haben, als liebens- würdig erscheinen und hinter dieser Liebenswürdigkeit JFhnen dann das verweigern, was Ihnen von Gottes- und Rechtswegen zukommt. Ich werde Ihnen das zukommen lassen, aber mehr kann ih nicht thun. (Lebhaftes Bravo rets.)

Abg. Dr. Kropatscheck (fkons.): Herr Bachem hat gar keinen Vorschlag gemacht, wie die angeblihe Disparität beseitigt werden fol. Die Katholiken müssen selbst zunächst dafür sorgen, daß das nöthige Material zur Beseßung der höheren Beamtenstellen mit Ka- tholiken herangebildet wird. Auch nach den heutigen Erklärungen des Ministers können meine Freunde mit dem Herrn Minister nur zufrieden sein. Die volle Berücksichtigung der Fachmänner bei der Kreis-Sculinspektion wünschen wir; aber wir können nicht mit einem Mal alle Kreis-Schulinspektoren im Nebenamt beseitigen. Sehr lebhaft wünschen wir, die Einwirkung der Familie auf die Schule zu verstärken. Wenn einmal wieder an ein Bolklsschulgeseßz Ae werden sollte, müßte dieser Faktor besonders berüdsichtigt werden.

Abg. Dr. von Jazdzews ki (Pole) bedauert, daß der Minister das Gesetz über die fkirchlihe Vermögensverwaltung niht ändern wolle. Nedner vertritt sodann die sprachlichen Ansprüche der polnischen Bevölkerung, namentlih auf dem Gebiete der Seelsorge, und fordert ungehinderte Entfaltung der Ordensthätigkeit gegenüber den Gefahren der Sozialdemokratie, welche sih nur auf dem Boden der Religion wirksam bekämpfen lasse. Auf dem Gebiete der Schule werde er die Streichung aller antipolnischen Titel des Etats beanspruchen. Stiftungs- mäßige fkatholishe Fonds zur Unterstüßung von Studierenden würden niht den Bestimmungen entsprechend verwendet. Der Provinzial- \hulverwaltung in der Provinz Posen follte cin fatholisä)er Scul- rath zuertheilt werden; fkatholishe Gymnasien gebe es ja in Posen, aber sie würden von protestantishen Schülern besucht, denn die Schulverwaltung ließe die katholishen garniht hinein. Auch in Bezug auf die Volksschulen herrsche dieselbe Disparität. Ueber die Zulassung der polnischen Sprache beim Religionsunterricht habe der Minister im vorigen Jahre entgegenkommende Maßregeln in Aussicht gestellt: er frage an, wie es jeßt damit stehe. Daß die Polen mit der preußischen Regierung Handelsgeschäfte treiben wollten, um auf anderen Gebieten Konzessioncn zu machen, müsse er entschieden be- streiten. Die Polen verlangten nur, was ihnen von Rechtswegen zukomme.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse: Meine Herren ! Der leßte Theil, der von dem Herrn Abg. Dr. von Jazdzewéki zur Sprache gebraht wurde, war der interessanteste ; ih will aber do auf den ersten Punkt wenigstens mit ein paar

Worten zurü@cktontmen. Er sagte mit Bezug auf das Vermögens- verwaltungsgeseß, es stehe auf einer von fatholishem Standvunkt aus durhaus falschen Basis. Aber er gab doch zu, wo ein ver- nünftiger Pfarrer fei, lasse sich das Geseß auch vernünftig handhaben. Nun muß ic sagen, daß wir eigentlih von der Anschauung ausgegangen sind, daf überall vernünftige katholische Pfarrer sind. (Große Heiterkeit.) Jch habe deshalb in der Ausführung des Herrn Vorredners ein sehr freundliches Zugeständniß für mich dahin begrüßt, daß ein Bedürfniß zur Abänderung diefes Gesetzes überhaupt nit vorliegt.

Es ift gesagt worden, das Falsche liege eben in der Fassung des Geseßes und in gewissen Klauseln desselben. Nun gestatte ih mir aber darauf aufmerksam zu machen, daß es sich in den ganzen bis- herigen Debatten lediglih um die Frage der Gemeindevertretung gehandelt hat: Abschaffung der Gemeindevertretung oder niht. Irgend cine Klausel in dem Gesetz, die für das katholische Gewissen verletend, drückend wäre, ist mir wenigstens bis jeßt nicht genannt worden; das muß ich ausdrücklich hervorheben. Und ih will außerdem noch hervor- heben, daß ih keineêwegs mi so ablehnend gegen das Verlangen der Herren verhalten habe, wie hier vorausgeseßt worden ist; sondern ih habe bezüglich des einzigen Beschwerdepunkts, der bisher an uns herangetreten ist: nämlih der Beseitigung oder Verringerung der Ge- meindevertretung in den dazu geeigneten Fällen, mih ausdrütlih

bereit crflärt, durch eine Anweisung des Ober-Präsidenten die Hand -

zu derjenigen Vereinfachung im Verwaltungsapparat zu bieten, welche von katholischer Seite anscheinend so dringend gewünscht wird.

Was die Orden in der Provinz Posen anbelangt, so will ih mich auf die Erklärung beschränken, daß ih von dem, was ih im vorigen Jahre gefagt habe, und was Herr Dr. von Jazdzewski heute hervor- gehoben hat, nichts zurückzunehmen habe. Daß die Ansammlung und Niederlassung von polnisch redenden Elementen in ‘ten westlichen Provinzen auch die Aufmerksamkeit der Staatsregierung nach den Richtungen hin, die der Herr Abgeordnete betont hat, in Anspruch zu nehmen sehr wohl berehtigt is, erkenne ih in vollsten Maße an. Aber ih habe doch eine Aufklärung darüber vermißt, warum nicht Priester, die von ihren Bischöfen ent- sandt werden, diese Leute sollen pastorieren können, und warum sie es nicht ebenso gut sollten machen können als Ordensleute. Ich bin einmal am Nord-Oftsee-Kanal gewesen, wo wir ja auch polnische

ter haben, und habe selbst einem katholischen Gottesdienst bei- gewohnt, der von einem Geistlihen gehalten wurde, den der Bischof

n Osnabrück dorthin gesandt hatte. Da habe ih mich sehr gefreut, und ih kann es dem Herrn Vorredner bestätigen, es war rührend, mit welcher Liebe diese Leute an ihrem Gottesdienst hingen, und mit welcher Andacht und Erbauung sie dem Gottesdienst beiwohnten. Aber weshalb gerade Ordensleute den Gottesdienst halten müssen, dafür, muß ih sagen, habe ih den Beweis bisher ver- mißt. (Sehr richtig!)

Was die Fonds in Posen anlangt, so muß ih doch dem Herrn Abg. Dr. von Jazdzeroski bemerken, daß bei mir im Ministerium absolut nichts davon bekannt is, daß aus dem Tremessener Fonds jemals Unterstüßungen oder Stipendien an Nichtkatholiken gegeben worden seien. Richtig ist, daß der Alumnatsfonds in Posen auch für Nichttatholiken verwendet worden is (hört! Hört! bei den Polen), und zwar in einem Fall, den ih nit billige. Jch habe aber bereits Schritte gethan, um das festzustellen, und ich werde dafür sorgen, daß in Zutunfst der Fonds stiftungsmäßig verwendet wird. (Bravo !)

Wenn der Herr Abgeordnete den Unmstand, daß in Posen angeb- lih niht genug katholische Kreis: Schulinspektoren seien, darauf zurück- führt, daß früher den Philologen verboten gewesen ist, ihr Probejahr in der Provinz abzulegen, so kann ich ihn beruhigen: dieses Verbot ist von mir aufgehoben, und ih gehe mit der Erwägung um, oh man nit die Herren nach Ablegung des Probejahres zunächst wenigstens kommissarisch in der Provinz Posen weiter beschäftigen kann. Die Anstellung muß ih mir vorbehalten, und es wird davon ab- hängen, wie die Herren sih bewähren, ob man ihnen in vollem Maße zutrauen kann, daß sie die Jugend in der Provinz Posen in dem patriotishen Sinne erziehen, wie wir dies von jedem verständigen Lehrer an unseren höheren Lehranstalten fordern.

Nun, meine Herren, komme ih auf die Volks\hule. Mit vollem Recht hat der Herr Abg. Dr. von Jazdzewski angeknüpft an die Ver- fügung meines Herrn Amtsvorgängers, des Grafen von Zedliß vom 11. April 1891, durch welche gestattet wurde, daß unsere Lehrer in den Sqhullokalen polnischen Privatunterriht ertheilen. Jh habe im vorigen Jahre und ih glaube {hon im Jahre 1892 hier nah meiner Reise in Posen anerkannt, daß dies der {wache Punkt in unserer Schulverwaltung ist, den ih dort empfunden habe. Denn die Hoffnungen , die von seiten meines Herrn Amtsvorgängers und au der Staatsregierung denn die Verfügung ist mit Zustimmung des Staats - Ministeriums erlassen an diesen Erlaß geknüpft worden sind, haben sich leider nicht erfüllt (hört, hört !); der pelnishe von unseren Lehrern in den Schulen ertheilte Unterricht hat vielmehr zu den allergrößten Uebelständen und Miß- ständen geführt, die Kinder sind oft viele Stunden am Tage mit diefem polnischen Privatunterriht belastet worden. Damit aber nicht genug! Dieser Privatunterriht, der naturgemäß nur außerhalb der Zeit des öffentlichen BVolks\chulunterrihts gehalten

werden konnte, seßte, da man ihm weit über die Absicht des Erlasses hinaus eine Menge Unterrichtsgegenstände aufpackte, auf die er gar nicht berechnet war, eine Arbeit der Kinder voraus, ja, au eine Arbeit des Lehrers, durch welche thatsählich die Erfolge des deutschen Unterrihts und des Volks\{ulunterrichts wesentli beeinträchtigt wurden. Ich habe das sehr s{chmerzlih empfunden. Weiter ist es gesehen, daß am Schlusse des Semesters in diesem polnischen Privatunterriht förmlich demonstrative polnishe Prüfungen veran- staltet, polnishe Prämien ausgetheilt, kurz die Sache ausgenußt wurde zu einer polnischen Demonstration (hört! hört!), die uns natürli im höchsten Grade mißfallen muß.

Das alles, meine Herren, sind Uebelstände, die wir sehr {wer in der Unterrichtsverwaltung empfinden. Auch das will ich nicht ver- s{chweigen, daß man da, wo das Geld für den Unterricht aufgebracht werden fonnte, die Kinder den Unterricht empfangen ließ. Aber es sind zweifellos auch viele polnische Kinder, gerade arme Kinder übrig ge- blieben, denen das, was dur diesen Unterricht gewährt werden follte, ein Lesen und Schreiben des religiösen Memorierstoffes, niht gewährt werden konnte. Endlich und das ist sehr wesentlih wurden unsere Lehrer abhängig von den polnischen Comités, die sich gebildet hatten, um die Kosien dieses Privatunterrichts zu beschaffen. Das hat zu ganz unerträg- lichen Zuständen geführt: Seit länger als Jahreéfcist, eher als von einer Militärvorlage und von der Möglichkeit, andere Geschäfte mit der polnischen Fraktion zu machen, auch nur die Rede fein konnte, habe ich die Beseitigung dieses polnischen Privatunterrichts als sach- liche, dur das Schulinteresse gebotene Nothwendigkeit ins Auge ge- faßt. Das mußte ich thun; wir können den Privatunterriht in den Ausschreitungen niht dulden. Man kann mir auch nit einwenden, wir könnten den Privatunterriht - ja fkontrolieren. Nein, meine Herren, wir können ihn nicht fkontrolieren ; das ist gerade das Unglülihe. Er wird gehalten in den Stunden, die außerhalb der lehrplanmäßigen Stunden liegen, und {hon dadur wird es für die auswärtigen Schulinspektoren unmöglich, überall hin- zuhören und inhaltlih den Unterricht ordnungsmäßig zu überwachen. Der Unterricht is fo zerstreut, daß die Kontrole nur eine fehr dürftige ist. Mit einem Wort: unsere Lehrer sind uns aus der Hand gegeben und haben nun zum Dank dafür, daß sie diesen polnischen MNeligionsunterriht ertheilt haben, und zum theil gewiß gegen Remuneration, die fie von den polnishen Agitationscomités bekommen haben, das Vertrauen zu uns verloren, daß es uns mit unserer Schulpolitik und unserer ganzen Schulmethode, auf die wir den aus\{chlaggebenden Werth legen, Ernft ift.

Diese Mißstände ich habe mich darüber ganz offen und ehrlih ausgesproden haben mich ohne jede Nücksicht auf irgend einen volitishen Nebengedanken, rein vom s{ultechnischen Standpunkt aus dazu bewogen, die Frage auf das allerernsteste zu erwägen: wie ist der polnise Privatunterriht zu beseitigen, wie ist für ihn ein ver- ständiger, in richtigen Grenzen liegender und unser deutsches Lehr- system niht gefährdender Ersay zu finden? Ich habe die Maßregeln, zu denen wir gekommen find, auf das eingehendste erörtert mit dem Herrn Ober-Präsidenten, mit der Regierung und mit einer Zahl von Kreis-Schulinspektoren. Und ih bin allerdings zu dem Nesultat gekommen, daß ih unter Beseitigung des polnischen Privat- unterrichts bereit bin und beabsichtige, demnächst auf der Mittel- stufe den

polnischen Lese- und Schreibunterriht zur Förderung des Religions- untercihts für diejenigen Kinder polnisher Muttersprache, welche den shulplanmäßigen Neligionsunterriht auf der Mittel- oder der Oberstufe in der von ihnen besuhten Volks\{hule in polnischer Sprache empfangen, fakultativ einzurichten.

Ich will hier gleich erklären, daß „fakultativ“ bedeutet: ih will den Unterricht nur dann einrichten, wenn es die Eltern verlangen. Jch will nicht deutsche Kinder zwingen, an diesem polnischen Unterricht theilzunehmen, und deshalb will ih ihn nicht obligatorisch machen. Wenn die Eltern es verlangen, und wenn die Kinder wirklih polnishe Kinder sind, wenn sie den Neligionsunterricht an der Mittel- oder Oberstufe polnisch empfangen, dann follen die Kinder an dem polnishen Lese- und Schreibunterricht theilnehmen ; dann wird der Unterricht selbstverständ- lih behandelt wie jeder andere Schulunterricht, und zwar foll der Unterricht in der Weise geregelt werden,

daß dafür eine bis zwei Stunden wöchentlih unter Verkürzung der Stundenzahl anderer Lehrgegenstände mit Ausnahme des Ne- ligionêunterrihts verwendet werden und der Unterricht, sofern nicht zur Erreichung seines Zweck8 {hon ein kürzerer Zeitraum genügt, niht länger als zwei Jahre dauert. Diese zwei Jahre sind fehr reichlich bemessen, und es wird in vielen Fällen möglich sein, den Unterricht {hon früher wegfallen zu lassen; denn es ift zweifellos, daß ein Kind, das überhaupt in einer deutschen Schule schreiben lernt, namentli die lateinishen Buchstaben, dabei sehr leiht das polnishe Schreiben mitlernen kann, und daß wir in zahlreichen Fällen diefe zwei Jahre in vollem Umfange garnicht ge- brauchen werden.

Meine Herren, in diefer Abgrenzung bin ich zu dem Entschluß gekommen, jene Unterrichtsertheilung au innerhalb des Rahmens der Bolks\chule in der Provinz Posen einzuführen und dafür den polnischen Privatunterricht in der bisherigen Weise zu beseitigen. Ich habe mir

nit verhehlt, daß diefe Maßregel, wenn es mir nit gelingt, Ihnen hier klar zu machen, daß ih dabei von aus\hließlid sachlichen Ge- sihtspunkten ausgegangen bin, sehr leiht mißverstanden und miß- gedeutet werden kann. Aber, meine Herren, die Beseitigung des polnischen Privatunterrichts und die Zurückführung des polnischen Schreib- und Lese-Unterrihts auf ein festes und bestimmtes Maß unter einer sicheren Kontrole, auf die es mir vor allen Dingen an- kommt, ist nicht das erkläre ich nochmals ausdrücklich ein Ver- laffen unferer bisherigen Stellung in der polnischen Sprachenfrage, nit ein Schwanken unserer dur Geseß, Pflicht und Erfahrung ge- botenen Stellung zur Frage der Jugendbildung in dieser Provinz, sondern die ganze Maßregel bedeutet lediglich die Aufgabe eines Ver- sus, der sh schultechnis{, erziehlich und politisch nicht bewährt hat. / Hat man also einen solchen Versuch gemacht, so würde es na meiner Ueberzeugung eine falsche Konsequenz sein, wenn man fagen wollte: wir müssen das unter allen Umständen aufrecht erhalten, wir dürfen nicht eine einmal getroffene Anordnung wieder ändern. Das ist auf diesem Gebiet ganz gewiß nicht richtig; denn dann würden die Kinder darunter ebenso leiden wie die Schule. Nichts Anderes als das fahliche Schulinteresse hat mich bestimmt, jenen Versuch aufzugeben und dafür einen entsprechenden Ersaß zu finden. Deshalb bedeutet der Schritt, den ih jeßt zu thun beabsichtige, nachdem er von allen Sachverständigen gutgehcißen wurde, von unferen deutschen Kreis-Schulinspektoren eins{chließlih, einen konfequenten Fortschritt auf dem Wege zu dem Ziele, das wir auch bisher hon verfolgt haben, nämli den deutschen Unterricht in der Volksschule in Posen zu pflegen und zu fördern und den Kindern die Bildung zu gewähren, die sie befähigt, im deutschen Verkehrsleben, in der deutschen Armee, kurz in der Sprache ihres Vaterlandes und in dessen Amts- sprache ihre Bildung zu vérwerthen. Daran wird und darf nichts geändert werden. Aber, meine Herren, ih bin auch überzeugt, daß wir dieses Ziel viel mehr erreihen, wenn wir jeßt klare Grenzen vorzeichnen für das, was geschehen soll, als wenn wir den jeßt nit offensihtlichen Zustand, wie wir es bisher gehabt haben, hätten weiter bestehen lassen, ohne uns um diese haltlosen Zustände zu kümmern. Der Kreis- Schulinspektor, der im vorigen Jahre die hier angefohtene Ver- fügung getroffen hat, hatte in der Form derselben manches übersehen. Ich bin dadurch in die Nothwendigkeit verseßt gewesen, die Verfügung zu sistieren; aber in der Sache hatte der Mann ein ganz richtiges Gefühl; es mußte in der Sache eine Kontrole eintreten, eine Besserung nach dieser Richtung gesucht werden.

Ich bin ganz gewiß, daß die beabsichtigte shultehnishe Maßnahme zum Guten führen wird, weil sie aus dem redlihen und ernsten Streben getroffen ist, eine innerlih begründete und gute Ordnung zu schaffen. Darum zweifle ih nicht, daß, wenn es uns gelingt, sie mit Geschick, Konsequenz, Wohlwollen und Gerechtigkeit durchzuführen, der Volksschule in der Provinz Posen damit eine fegensreihe Ent- wickelung ermögliht wird. (Bravo! rechts und bei den Polen.)

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (kons.): Unser Dom in Berlin ist nicht geplant als eine evangelische Kirche, \ondern als eine Kirche für unser Königshaus. Soweit können wir also die Parität nit erstrecken, sofort au eine folche fatholishe Kirche zu bauen. In der Beseßung der höheren Beamtenstellen und in der Beförde- rung der Beamten habe ih bisher keine Disparität bemerken können. Ich würde mich freuen, wenn auch tüchtige Katholiken in den Negie- rungen säßen. Wer soll denn bei der Ernennung von Beamten darüber entscheiden, wer das Vertrauen des katholishen Volkes bat? Vom Vertrauen des Volks können wir die Ernennung von Beaniten nicht abhängig machen, das widerspräche unserem monarcischen Gefühl, denn der König ernennt die Beamten. Was käme bei der katholischen Abtheilung heraus? Die Herren würden sich als die Vertreter der aus\{ließliden fatholishen Interessen betrahten, und so würde nur Mißtrauen bei den anderen erregt. Nachdem Herr von Jazdzewski ein Handelsges{äft in Bezug auf die Dinge am anderen Ende der Leipzigerstraße so bestimmt bestritten hat, darf ih es nit mehr glauben; aber diese Meinung hatte sich {hon versciedentlih geltend gemacht. Jedenfalls ist es auffallend, daß die Erklärung des Ministers über den polnischWen Sprachunterricht gerade mit der Berathung des russishen Handelsvertrags zusammenfällt. Gegenüber der festen Gesclossenheit der polnischen Bestrebungen müssen wir das Interesse des Deutshthums wahren. Die neue Maßregel bezüglich des pol- nishen Sprachunterrichts sieht aber wie eine Konzession an das Polenthum aus, das immer mehr verlangen wird; diese Maßregel ih Q das Deutshthum zu s{wächen und deshalb bedauere

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Die Befürchtung, die ih von vornherein gehabt habe, daß diese Maßregel, die hier eben als eine Konzession bezeichnet wurde, von seiten der Deutschen in der Provinz Posen leicht miß- verstanden werden könnte, ist in der That cingetreten. Die Maßregel ist niht dazu bestimmt, das Deutschthum zu chwächen, sondern sie ift dazu bestimmt, die Pflege des Deutschthums in der Schule zu stärken. Denn wir hatten bisher nah der Seite des Privatunterrichts ein ge- brohnes Schwert. Wir haben aber jetßt eine feste Linie. Ob weiter- gehende Forderungen von seiten der Polen werden gestellt werden, das kann ih nicht wissen; aber daß diese weitergehenden Forderungen von hier aus auf Erfüllung nit zu rechnen haben, dafür kann ih einstehen.

Darauf wird um 4 Uhr die weitere Berathung auf Freitag 11 Uhr vertagt.

R Fat

Li Untersuhungs-Sachen.

2. Aufgzbote, Bustellungen u. dergl. : Unfall- und Invaliditäts- 2c. Versichzruag. . Verkäufe, Verpachtungen, Verdingungen 2e. . Gerloofung 2c. von Werthpapieren.

=

Desfentlicher Auzeiger.

. Kommandit-GefeilsGaften auf Aktien u. Aktien-Gesells. . Erwerbs- und Wirthschafts-Genofsenschaften. . Niederlaffung 2c. von Rechtsanwälten. ; Ne

10, Verschiedene Bekanntmachungen.

1) Untersuchungs-Sachen. [71055] Steckbrief. boren 15. März 1870 in Putnok, Kreis Tornaalja

in Ungarn, welcher flüchtig ist, if die Untersuhungs- | das Königliche Schöffengericht hierselb zur Haupt-

haft wegen Betruges verhängt.

gefängniß abzuliefern. Gr. Salze, den 7. Mai 1892. Königliches Amtsgericht.

[71056] Ladung. Der Reservist Hüttenarbeiter Anton Jbrom aus Schwierkle, geboreu am 9. Juni 1867, wird be-

\{uldigt, ohne Erlaubniß der Militärbehörde aus- | [70458] gewandert zu sein Uebertretung gegen § 36083 Reichs. Strafgeseßbuchs S | Gegen den Komtoristen Anton Neumann, ge- den 7, Ani TROA, Döcmittags A a Ube: N

Fs wird ersucht verhandlung geladen. T A denselben zu verhaften und in das nächste Gerichts- S Ra, an y eon e olidhen Bezirks- Kommando zu Gleiwiy ausgestellten Erklärung vom

Grof:-Strehlit, den 26. Februar 1894.

Auf Anordnung des | Aufenthaltsortes, zuleßt in

otsdam, Lindenstr. 54, zur

Kommando zu Pctsdam ausgestellten Erklärung ver-

Der Bâergeselle Otto Bischoff, z. Zt. unbekannten | urtheilt werden. ( otsdam, Waisenstraße 5, wohnhaft gewesen, am 25. Februar 1866 zu Königs- berg i. Pr. geboren, wird beschuldigt, als beurlaubter NRejervist ohne Erlaubniß ausgewandert zu sein, ohne Bei uncntshuldigtem Aus- | von der bevorstehenden Auswanderung der Militär- | [71054] behörde Anzeige erstattet zu haben. gegen § 360 Nr. 3 des Strafgeseßbuchs. wird auf Anordnung des Königlichen Amtsgerichts | Bauer von Maubach, O.-A. B 15. Februar 1894 verurtheilt werden. II. E. 20/94. | hierselbst auf den 9. Mai 1894, Vormittags | legung der Wehrpflicht, ist durch Beschluß der 94 Uhr, vor das Königliche Schöffengeriht zu | hiesigen Strafkammer vom 1. Februar 1894 die am Gorr, H i Hauptverhandlung ge- | 23. April 1885 angeordnete Vermögensbeshlagnalhme

Gerichtsschreiber des Königlihen Amtsgerichts. aden. Bei unents{uldigtem Ausbleiben wird der- | aufgehoben worden. A selbe auf Grund der nach § 472 der Strafprozeß- ordnung von dem Königlichen Landwehr-Beztrks-

Potsdam, den 17. Februar 1894. Balke, Gerichtsschreiber des Königlichen Amtsgerichts. Abtheilung V.

K. Staatsanwaltschaft Heilbronn. In der Strafsache gegen Karl David Rombold, acknang, wegen Ver-

Uebertretung Derfelbe

Den 27. Februar 1894. Staatsanwalt Hartmann.