1894 / 54 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 03 Mar 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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wurden nicht beanstandet. Einvernehmen bestand, den ersten Saß des § 1476, der von der Prozeß ähigkeit des Ehe- manns in dem Rechtsstreit über die Anfehtungsklage und von der Zulässigkeit der Erhebung der Anfechtung s- klage durch den geseßlichen Vertreter des geschäfts- unfähigen Ehemanns handelt, mit der in leßterer Hinsicht aus dem Beschlusse zu § 1474 sih ergebenden Aenderung in die Zivilprozeßordnung zu verweisen. Die Vorschriften des weiten und dritten Saßes des S 1476 über die Wirkung er Saa me der Anfechtungsklage sowie über die

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Wirkung ciner im Laufe des Rechtsstreits erfolgen- den Anerkennung des Kindes durch den Ehemann wurden mit der Abweichung genehmigt, daß die Zurücknahme der Anfehtungsklage niht das Erlöschen des Anfechtungs- rehts nah ih ziehen sol. Der 8 1477, der den subjektiven Umfang der Rechtskraft eines auf die Anfechtungsklage erlassenen Urtheils regelt, soll in die Zivilprozeßordnung eingestellt werden. Die Vorschriften des § 1478 über die Anfechtung der An- erkennung des Kindes sowie die Vorschriften des S 1479 über die Lösung der Unsicherheit, welhe sich ergeben kann, wenn eine Ehefrau sich binnen des Zeitraums von dreihundert Tagen nach Auflösung ihrer Ehe wiederverheirathet und inner- halb dieser Zeit ein Kind geboren hat, wurden sahlich in der Hauptsache nah dem Entwurf angenommen.

Die Berathung wandte sih sodann dem Titel über die Unterhaltspflicht (88 1480 bis 1496) zu.

Nach dem § 1480 sind niht nur Verwandte in gerader Linie, sondern auch Geschw ister verpflichtet, einander nach den S8 1481 ff. Unterhalt zu gewähren. Ein Antrag, die gegenseitige Unterhaltspfliht auf Verwandte in gerader Linie zu beschränken, fand die Zustimmung der Kommision. Der adlide Inhalt der 88 1481, 1482, welche die Voraus- sezungen des UÜnterhaltsanspruchs (Bedürftig- keit des Berechtigten, Leistungsfähigkeit des Verpflichteten) näher bestimmen, erfuhr keine Anfehtung. Der § 1482 Abs. 1 soll jedo eine Fassung erhalien, welche ergiebt, daß bei einem Streite über die Leistungsfähigkeit die Beweislast abweichend von dem Entwurf insoweit denjenigen trifft, der als unter- haltspflichtig in Arspruh genommen wird, diesem mithin der Beweis feiner Leistungsunfähigkeit obliegt. Gegen die Vorschriften des § 1483 Abs. 1, 2, welche die Fälle regeln, in denen det Unterhaltsanspruch eincs Verwandten mit dem Unterhaltisanspruch eines anderen Verwandten oder eines Ehegatten zusammentrifft, erhob sich kein Widerspruch. Die Beschlußfassung über den Abs. 3, welcher den Fall behandelt, wenn der nah 8 1454 einem geschiedenen Ehegatten zustehende Anspruch mit dem Anspruch eines gegen- wärtigen Ehegatten oder mit dem Anspruch von Verwandten zusammentrifft, wurde ausgeseßt, um in Verbindung mit dem zurückgestelllen § 1454 demnächst berathen zu werden. Die Vorschriften des § 1484 über das Verhältniß V ter yalspfliGl der Verwandien zu dex Unterhaltspfliht der Ehegatten gelangten sahlich nah dem Entwurf zur Annahme, ebenso die Vorschriften der S8 1485, 1486 über die Reihenfolge, in welcher De BELwandten für die Unterhaltsgewährung M u Wer a Unfang dex Haftung, wenn mehrere Verwandte zur Unterhaltsgewährung gleich- zeitig verpflichtet sind. Abgelehnt wurde ein Antrag, die Be- stimmung in § 1485 Saß 2, wonach die Mutter vor dem Vater haftet, wenn ihr die elterliche Nußnießung zusteht, durch die Bestimmung zu erseßen, daß in einem solchen Falle der Vater nur insoweit vor der Mutter hafte, als die Erträgnisse der Nuznießung zur Gewährung des Unterhalts nicht aue- reihen. Ebensowenig fand der Antrag Zustimmung, mehrere neben einander zur Gewährung des Unterhalts Verpflichtete statt nach dem Verhältnisse der ihnen gebührenden Erbtheile dem Berechtigten gegenüber als Gesammtschuldner haften zu lassen. Die Vorschriften des 8 1487, wonach ein Verwandter, der zur Gewährung des Unterhalis nicht im stande oder gegen den die Rechtsverfolgung im Jnland aus- geschlossen oder erheblich ershwert ist, für die Haftung der übrigen Verwandten nicht - in Betracht fommt, wurden mit dem Zusatz - genehmigt, daß in dem zweiten Fall der Anspruch des Bedürftigen gegen den zunächst Verpflichteten auf den in Anspruch genommenen Verwandien übergeht, zum Nachtheil des Unterhaltsberechtigten aber nicht geltend gemacht werden kann. Zu dem 8 1488, der den Jnhalt und das Maß der Unterhaltspflicht bestimmt, war beantragt, die Unterhaltspfliht auch auf den Unterhalt des Ehegatten und der minderjährigen unverheiratheten Kinder des Bedürftigen zu erstrecken, soweit dieser seinem Ehegatten und seinen. Kindern den Unterhalt zu gewähren ver- pflichtet ist. Ein anderer Antrag ging dahin, dem Abs. 1 des S 1488 hinzuzufügen, daß der Unterhalt auch den Unterhalt der mit dem Berechtigten in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehefrau umfasse, sofern sie nicht sich selbst zu unterhalten im stande oder berechtigt sei, von ihren Verwandten die Gewäh- rung des Unterhalts zu verlangen. Die Mehrheit trat jedoch unter Ublehnung der Anträge dem Entwurf bei, der den Unterhalt auf die Bedürfnisse der Person des Bercchtigten beshränkt. Jm übrigen wurde der § 1488 nicht beanständet.

Der § 1489, welcher für den Unterhaltsanspruh der Geschwister nur die Gewährung des nothydürftigen Unterhalts vorsieht, wurde infolge des zu § 1480 gefaßten Beschlusses ge- strichen. Nach § 1490 beschränkt sich der Anspruch eines jeden Berechtigten dann auf Gewährung des nothdürftigen Unterhalts, wenn seine Bedürftigfeit auf eigenem sittlichen Verschulden beruht oder wenn er sich gegen den Pflichtigen in einer Weise betragen hat, die diesen zur Entziehung des Pslichttheils berehtigen würde. Unter Ablehnung eines Antrags, die Be- shränkung nur in dem zweiten Falle eintreten zu lassen, stimmte die Kommission dem § 1490 zu. Auch die Vorschriften des 8 1491 über die Art der Gewährung des Unter- halts gelangten mit einigen nicht erheblichen Aenderungen nach dem Entwurf zur Annahme. Abweichend von dem Entwurf sollen insbesondere die Vorschriften des Abs. 4 und des Abs. 5 auf den Fall beshränkt werden, wenn Eltern ihren unver- héeiratheten Kindern Unterhalt zu gewähren haben. Auch soll die Entscheidung über den Antrag eines Kindes, daß ihm der Unterhalt in einer von der Bestimmung der Eltern ahb- weichenden Art gewährt werde, niht dem Prozeß- gericht, sondern dem Vormundschaftsgericht zustehen. ‘Der S 1491, welcher bestimmt, inwieweit der Berechtigte für die Vergangenheit Zahlung der Geldrente oder Entschädigung wegen Nichterfüllung der Unterhaltspfliht verlangen kann, wurde unter Ablehnung eines ouf Streichung gerichteten An- trags gebilligt.

Die Nr. 3 der „Amtlichen Nachrichten des Reichs- Versicherungsamts“ vom 1. März 1894 enthält einc Bekanntmachung vom 5. Februar 1894, betreffend die Berechnung des Kapitalwerths der von der Tiefbau- Berufsgenossenshaft und den Versicherungsanstalten dieser Genossenschaft und der ausshließlieh dem Reichs- Versicherungsamt unterstellten Baugewerks - Berufsgenossen- schaften zu zahlenden Renten. Ferner sind Ünfall- verhütungsvorschriften der Steinbruhs-Berufs- genossenschaft für a. Steinbrüche und Gräbereien, þ. unter- irdische Betriebe, c. Sprengarbeit, d. Unterhöhlungsarbeiten in Steinbrüchen, e. Unterhöhlungsarbeiten in den im Tagebau betriebenen Kroßenbrüchen, f. Transportbahnen mitgetheilt.

In der „Sonderausgabe der Amtlichen Nach- richten“, Jnvaliditäts- und Altersversicherung, von demselben Tage wird der Geschäftsbericht des Neichs- Versicherungsamts für das Fahr 1893 veröffentlicht. Außerdem sind darin folgende Revisionsentscheidungen und Bescheide mitgetheilt :

Die nachträglihe Verwendung von Beitrags- marken für Zeiten versiherungspslichtiger Beschäftigung ist zulässig; der Nentenbezug hat alsdann im Negelfalle nach Zurücklegung derjenigen Kalenderwohe zu beginnen, für welche zur Erfüllung der vorgeschriebenen Wartezeit die leßte der nahträglih verwendeten Marken beigebracht ift.

Der Rentenbewerber ist, nachdem er im Sinne des S 9 Absag 3 des Invaliditäts- und Altersversicherungsgeseßzes dauernd erwerbsunfähig geworden is, nicht mehr bere ch- tigt, zur Begründung oder Steigerung seines Anspruchs auf Jnvalidenrente noch für die dem Ein- tritt der Juvalidität vorhergehende Zeit die Selbstversiherung gemäß 8 117 a. a. O. nachzu- holen. Die von einem an sich noch versicherungs- fähigen Siebzigjährigen nah Vollendung des siebzigsten Jahres verwendeten Doppelmarken sind dagegen für diejenigen Wochen anzurechnen, die unmittelbar auf den Eintritt des Versicherungsfalles, also bei der Altersrente auf die Vollendung des sicbzigsten Lebensjahres folgen.

Lohnfuhrwerker, die mit eigenem Wagen und Gespann Fuhren für Dritte leisten und davon ihren Unterhalt be- streiten, unterliegen im allgemeinen nit der Versicherung gegen JFnvalid ität und Alter.

Die Uebergangsbestimmungen des Jnvaliditäts- und Altersversicherungsgeseßes finden auch An- wendungaufdie Hausgewerbetreibenden der Taba ck- fabrikation. Als Zeitpunkt des „Jakrafttretens des Gesehes“ im Sinne der S8 166 ff. a. a. O. qilt der 4. Januar 1092, der Tag des Inkrafttretens des Bundesraths- Beschlusses über die Erstreckung der Versicherungspflicht auf die vorgedachten Hausgewerbetreibenden. Dieser Grundsatz ist auch bei der Vertheilung der Renten gemäß 8 160 a. a. O. als maßgebend erachtet worden.

Der Einspruch gemäß § 90 des Jnvaliditäts- und Altersversicherungsgeseßes kann nur von derjenigen Ver- siherungsanstalt oder Kasseneinrichtung erhoben werden, welche

lich dur die Vertheilung der Rente für belastet hält.

Sachsen. In der Sigung der Zweiten Kammer vom 27. v. M.

gelangte bei der Berathung des Etats des Ministeriums des Fnnern, und zwar bei Kap. 53 Gendarmerie- anstalt, die bereits in der Ersten Kammer behandelte Pe- tition von 42 Gemeindevorständen der Umgebung Dresdens, die Unsiherheit des Verkehrs und sonstige Mißstände betreffend, zur Berathung. Die Erste Kammer hatte die Petition, insoweit sie cinen allgemeinen Nothruf gegen die Ausschreitungen der Sozialdemokratie enthält, der Königlihen Regie- rung zur Erwägung überwiesen. und hierbei die Ér- wartung ausgesprochen, daß. die Regierung mit allen zulässigen Mitteln dem Umsichgreifen und den Ausé- schreitungen der staatszerseßenden Elemente entgegentreten werde. Die Finanzdeputation A empfahl der Zweiten Kammer, diesem Beschlusse ooll und ganz zuzustimmen, war jedoch noch weiter gegangen in der Berücksichtigung des eigentlichen Jnhalts der Petitionen, indem sie der Ansicht war, daß da, wo

Ausschreitungen, welhe den Landfrieden bedrohten, statt- fänden, die Staatspolizei cinzutreten und der Gemeindepolizei zu Hilfe zu kommen habe, und da derartige Ausschreitungen, wie sie in der Umgebung von Dresden stattfanden, auch ander- wärts im Lande nicht ausgeschlossen, ja bereits vorgekommen seien, halte sie es für geboten, Abhilfe durh zweckentsprechende Einrichtungen bei der Staatspolizei zu suchen. Hiernach lomme es darauf an, ‘der Regierung die Mittel zu bewilligen, um jeweilig durch Zusammenshluß einer größeren Anzahl von Gendarmen und Entsendung derselben unter geeigneter Führung in ein gefährdetes Gebiet die Autorität dér Obrigkeit zur Geltung bringen, sowie Ruhe und Vertrauen der belästigten und aufgeregten Bevölkerung zurückgeben zu können. Die Deputation habe daher kein Bedenken getragen, dem Antrage der Regierung entsprehend, die Be- willigung eines Berehnungsgeldes in Höhe von 30 000 M zu empfehlen, auf das sowohl die Anstellung weiter erforder- lichen Gendarmeriepecsonals, sowie dessen Ausstattung, als auch die Gewährung von Auslösung bei Abkommandierungen und sonstige, aus Anlaß erforderlih gewordener Zusammen- ziehungen von Polizei-Exekutivorganen in einzelnen Theilen des Landes nothwendige Ausgaben anzuweisen sein würden.

Die Deputation beantragte demgemäß:

„Kap. 53 in den Einnahmen nach der Vorlage mit 13 650 6 zu genehmigen, in den Ausgaben unter Tit. 21 zur Bestreitung des Auf- wands für außerordentliche Vermehrung dex Gendarmerie transitorisch 30 000 6 mehr, im übrigen aber die Gesammtausgaben von Kap. 53 mit 962 336 46, zu bewilligen.“

Weiter beantragte die Deputation:

„Die Petition der Gemeindevorstände der Umgebung Dresdens, insoweit sie einen aligemeinen Nothruf gegen die Ausschreitungen der Sozialdemokratie enthält, der Königlichen Staatsregierung zur Er- wägung zu überweisen und hierbei die Erwartung auszusprechen, daß die Königliche Regierung mit allen zulässigen Mitteln dem Umsich- greifen und den Ausschreitungen der staatëzerseßenden Elemente ent- gegentreten werde, im übrigen aber dur die zu Kapitel 53 gefaßten Beschlüsse für erledigt zu erklären.“

Die Anträge der Deputation wurden mit allen gegen 13 Stimmen angenommen.

¡ Sir W. Harcourt für den Posten des Premier-Mini

Württemberg.

Dem Präsidium des ständishen Ausschusses ist, wie der „St.-A. f. W.“ mittheilt, der Entwurf eines Geseßes wegen Abänderung einiger Bestimmungen der Geseße über die Volksschulen vom 29. September 1836, vom 6. No- vember 1858 und vom 22. Januar 1874, sowie des ae vom 30. Dezember 1877 über die Rechtsverhältnisse der Volksschullehrer zur weiteren Behandlung zugegangen.

Braunschweig. Seine Königlihe Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen, Regent des Herzogthums Braunschweig , ist

| von Schloß Reinhardshausen wieder in Braunschweig ein-

getroffen. / j

Der Landtag trat, wie der „Hann. Cour.“ berichtet, vor- gestern in seiner ersten Sizung nah der im Februar er- folgten Vertagung in die Berathung des Berichts der Finanz- kommission über den Etat der Herzoglichen Kammerkasse vom 1. April d. J. bis ult. März 1896 ein. Für die Finanz- periode 1890/92 war der an die Naa abzuliefernde Ueberschuß mit 2000000 eingestellt, )rend der wirkliche Ueberschuß 2945731 4, also nahezu eine Million über den Voranschlag, betragen hat. Jn dem Bericht der Finanz- kommission ist ausgeführt, wie die Reinerträge des Kammer- vermögens in den leßten zwanzig Jahren gestiegen sind.

Elsaß-Lothringen.

Jn der vorgestrigen Sißung des Landesausschusses wurde der vom Abg. Köchlin und Genossen eingebrachte Jnitiativ- geseßentwurf über die Besteuerung des Bergwerkeigen- thums nach Begründung durch den genannten Abgeordneten und einer kurzen Debatte der vierten Kommission überwiesen. Zweck des Entwurfs is, neben der Bergwerksteuer cine Be- steuerung des verlichenen Bergwerkeigenthums in den Fällen einzuführen, in denen ein Jahr nah der Verleihung die ZFnbetriebscßung noh nicht erfolgt ist. Nächstdem wurden die Etats der Verwaltung für Handel und Ge- werbe, der Landwirthschaft und der Forstverwaltung mit Ausnahme der an die Spezialkommission überwiesenen Positionen in zweiter Lesung den Kommissionsanträgen ent- sprehend angenommen. Dem Abg. Bägert wurde vom NRegierungsvertreter wohlwollende Erwägung seines Wunsches auf Einführung einer periodishen Nachaihung der Wein- gefäße 2c. zugesagt und auch dem Antrag des Abg. H öffet auf Einführung einer fortlaufenden Statistik der Tuberkulose beim Vieh vom Unter - Staatssekretär von Schraut thun- lichste Berücksichtigung zugesichert.

ODefterreich-Ungarn.

Der Minister des Auswärtigen Graf Kälnoky hat sich, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Abend nach Budapest be- geben, woselbst morgen ein gemeinsamer Ministerrath über die österreihisch-russischen Handelsvertrags- verhandlungen abgehalten werden wird. An den Berathungen werden auch die beiderseitigen Handels- und Atcerbau - Minister theilnehmen. Wie die „Poli- tishe Korrespondenz“ meldet, hat Graf Kälnoky bei seinem vorgestrigen Gegenbesuch bei dem serbischen Minister - Präsidenten Simic auch die Gerüchte über die militärishen Vorkehrungen in Kroatien und Slavonien erwähnt und bestimmt erklärt, daß sie durchaus unbegründe! seien; für Oesterreich - Ungarn liege keinerlei Anlaß zu der- artigen Maßnahmen vor.

In der gestrigen Sißung des Abgeordnetenhauses erflärte in Beantwortung der Interpellation wegen der De fraudation bei der Staatsschuldenkasse der Finanz Minister Dr. von Plener: der ehemalige Hauptkassierer eFerles habe es verstanden, alles zu verbergen, was Mißtrauen zu er- regen geeignet gewesen wäre. Die Leitung eines Kaffeehauses durh die Frau eines Kassenbeamten sei unzulässig; von einem zweckwidrigen Vorgehen der Kontrolorgane sei keine Nede.* Die schuldigen Beamten würden zur Verantwortung gezogen werden. . Der Abg. Mar chet (deutsch-liberal) inter- pellierte die Regierung über das Verhalten, das sie gegenüber dem Ansinnen Frankreichs bezüglih der Gewährung von Wein- zollbegünstigungen zu beobachten gedenke.

MVieldungen aus Prag zufolge is gegen mehrere czehishe Mittelshüler Untersuchung eingeleitet worden, weil sie verdächtig seien, Zettel hochverrätherishen Fnhalts ver- breitet zu haben; zwei Schüler wurden verhaftet.

Jn Budapest veranstalteten gestern über tausend Studenten Kundgebungen vor dem Hause des Grafen Apponyi und vor der Redaktion des „Pesti Naplo“, woselbst sie Exemplare dieses Blattes verbrannten. Die Studenten zogen hierauf vor das Haus des liberalen Klubs und acclamierten dem Präsidenten des Klubs Podmanigky sowie dem Justiz- Minister von Szilagyi. Leßterer erklärte: „Wir werden troß aller Anfeindungen tapfer ausdauernd für die Kirchen- reformen fämpfen.“ Sodann brachte der Minister ein „Eljen“ auf den Sieg aus, das mit stürmischem Beifall aufgenommen wurde. Die Studenten gingen unter fortwährenden Eljenrufen auseinander.

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Großbritannien und JFrland.

Nach einer Meldung des „Reuter'shen Bureaus“ waren der Premier-Minister Gladstone und Gemahlin gestern zum Diner bei der Königin in Windsor. Die Königin habe die Entlassung Gladstone's angenommen und dieser die Wahl des Earl of Nosebery zu seinem Nachfolger em- pfohlen. Lord Nosebery sei bereit, den Posten des Mvemier- Ministers anzunehmen und zu heute nach Windsor ge- laden worden. Man glaube, daß nur zwei Veränderungen im Kabinet eintreten würden. Der heutigen „Times“ zufolge hätte die ärztliche Untersuchung ergeben, daß Gladstone sich wahrscheinlih einer Staaroperation werde unterziehen müssen. |

Der Abg. Labouchère hat an den offiziellen Sekretär der liberalen Partei Majoribanks ein Schreiben gerichtet, worin er hervorhebt, die Liberalen sowie die Radikalen seien entschieden gegen die Ernennung eines Pairs zum Promier- Ministeb: das Haus der Gemeinen büße durch eine Abwesenheit des Premier - Ministers an Würde ein; den Vol!ksvertretern fehle die Kontrole über die Exekutive, falls der Négierungschef niht unter ihnen sei. Labouchère klagt ferner varüber, daß die Partei über die Wahl“ eines Parteileiters vit befragt worden, sei und empfiehlt O

ters.

Fraukreich,

Der Prinz von Wales traf gestern in Paris ein und stattete, wie „W. T. B.“ berichtet, Mittags dem Präsidenten Carnot einen Besuch ab, den dieser später erwiderte. :

Die außerparlamentarishe Marinekommission beshloß, nächsten Dienstag eine Abordnung nah Toulon zu entsenden, welche die Frage, betreffend die Torpedoboote, sowie den Zustand des Panzerschiffs „Magenta“ untersuchen soll. pin beschloß die Kommission, infolge eines in der gestrigen

ißung vorgekommenen Zwischenfalls wegen der Reparaturen des Kreuzers „Cecille“/ eine Unterkommission mit der Unter- suhung über diese Angelegenheit zu beauftragen.

Gestern Vormittag wurden in Paris 22 Anarchisten verhaftet, darunter zwei Deutsche.

Nußland.

Die Besserung in dem Befinden des Ministers des Aus- wärtigen von Giers ist, wie „W. T. B.“ aus St. Peters- burg erfährt, so weit vorgeschritten, daß nunmehr keine Bulletins mehr ausgegeben werden.

Ftalien. Ÿ

Nachdem, wie „W. T. B.“ berichtet, in der gestrigen Sißung der Deputirtenkammer die Jnterpellanten ihre Repliken fortgeseßt und beendigt hatten, sprachen noch zahlreiche andere Deputirte, die in die Liste der Redner zu den von Crispi abgegebenen Erklärungen der Regierung eingetragen waren.

Der Papsst empfing gestern Mittag anläßlich der Feier seines Geburt sfestes und seiner Krönung das Heilige Kollegium und erwiderte auf die vom Kardinal Monaco La Valletta zum Ausdruck gebrahten Wünsche:

„Am Abend unseres Lebens stehend, werden wir uns gleichwohl bis zum leßten Tage der Aufgabe widmen, den wohlthätigen Einfluß der Kirche allgemein zum Bewußtsein zu bringen. Das Bedürfniß darnah ist ein um so größeres, als die Begriffe von Necht- shaffenheit und Gerechtigkeit, Autorität und Freiheit und von den sozialen" Nechten und Pflichten auf den Kopf gestellt worden sind. Die Kirhe i daher bestrebt, bei den Nationen die Grundsäße des Glaubens und der Moral zu festigen, die wahren Urfachen der bestehenden Uebel zu zeigen, die freimaurerishen Pläne aufzudecken, die nütlichen Einrichtungen mit der Wahrheit undGerechtigkeit inEinklang zu bringen, im christlichenFamilien- leben aller Gesellshaftsklassen den Sinn für Billigkeit und Nächstenliebe, unter den herrschenden Klassen den Sinn für Lauterkeit, unter den Völkern den Sinn für Unterthänigkeit und bei Allen das Verlangen nah dem von Gott kommenden Fricden zu wecken. Ebenso stellt sih die Kirhe die Aufgabe, die Studien durh die Regeln der christlichen Weisheit zu läutern, wie dies in der jüngsten Encyklika über die Aus- legung der heiligen Schriften geschehen is. Wir flehen, daß die durch das Wirken der Kirche ausgestreute Saat eine reihlice Ernte geben möge, und ertheilen Euch als Unterpfand hierfür unsern Segen.“

Der Papst, der sich des besten Wohlseins erfreut, hieli diese Rede ohne Zeichen von Ermüdung.

Die in Nom zum Generalkapitel versammelte Kon- gregation der Redemptoristen wählte den luxem- burgishen Pater Matthias Reus, welcher seit dem Tode des General-Superiors Mauron die Funktionen eines General- Vikars ausübte, zum General-Superior.

Serbien.

Die „Politische Korrespondenz“ meldet aus Bélarad, in dortigen Hofkreisen verlaute, der König Milan beabsichtige im Laufe des Monats März nach Paris zurüzukehren.

Bulgarien. Die „Agence Balcanique“ bezeichnet die Meldung mehrerer

Blätter über eine im April beabsichtigte Reise des Prinzen und der Prinzessin Ferdinand von Sachsen - Coburg nah Abbazia als unrichtig. Jn kompetenten Kreisen sei von einem solchen Neiseprojekt nichts bekannt.

Amerika.

Jn Paris eingetroffenen Meldungen aus Buenos Aires zufo!ge, wären die brasilianischen Aufständischen von Rio Grande bei Sarandi ges{chlagen worden. Vierhundert Mann seien gefallen und zahlreiche Gefangene gemacht worden.

Aus Montevideo wird gemeldet : Angesichts des negativen Kesultats der Präsidentenwahl hat der Senats - Präsident zuncan Stewart provisorisch die Präsidentschaft übernommen. Die Kammern traten vorgestern Abend behufs Wiederholung des Wahlganges zusammen. Jn diejem wurde, wie das „Reuter {he Bureau“ erfährt, Dr. José Ellauri mit 54 Stimmen zum Präsidenten ge- wählt. Dieser lehnte aber die Wahl ab, und der Kongreß vertagte sih bis heute. Zwischen der Polizei und den An- hangern Taje's is es zu einem Zusammenstoß ge- Uet, wobei eine Person getödtet und fünf verwundet wurden.

Afien.

__ Das „Reuter sche Bureau“ meldet aus Kalkutta von geßiern, es verlaute, daß der feindliche Aborstamm, gegen den jüngst eine Expedition nah der Nordostgrenze gesandt worden war, den in Bordax zurückgelassenen Posten von lo Sepoys und eine gleiche Anzahl der im Lager zurük- gelassenen Angehörigen niedergemacht habe.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Bericht über die gestrige Sitzung des Neichs- tags befindet sich in der Ersten, der Bericht über die gejtrige Sißung des Hauses der Abgeordneten in der Zweiten Beilage.

In der heutigen (62.) Sigzung des Reichstags stand auf der Tagesordnung die zweite Berathung des Ent- wurfs eines Geseyes, betreffend die Feststellung des Ne i hs- haushalts-Etats- für das Etatszahr 1894/95. Die Be- rathung sollte fortgeseßt werden bei dem Etat für die Dil MeA Reichsheeres, und zwar mit dem Kapitel 18: Militär-Ju oen A: Auf Antrag des Abg. Gröber wurde jedoch beschlo sen, zunächst in die Berathung des Er traordina- riums einzutreten, weil die für dasselbe bestellten Referenten in der nächsten Zeit voraussihtlih verhindert sein werden, ihrer Referentenpflicht zu genügen. Das Wort erhielt zunächst der Abg. Gröber, um über die Verhandlungen in der Kom- mission zu berichten.

(Schluß des Blattes.)

Jn der heutigen 27. Sißung des Hauses der Abge- ordneten, welcher der Staats-Minister Dr. Bosse mit Kommissarien beiwohnte, wurde die Spezialberathung des

Etats des Ministeriums der geifilihen 2c. Angelegen- heiten bei der Position „Gehalt des Ministers“ weiter fortgeseßt.

Abg. Dr. Sattler (nl.): Herr Stöer nahm die Oas, die Namen derjenigen zu nennen, die nacher den von ihnen mit- gemahten Sturm gegen das Schulgesez bereut haben, anscheinend übel; ich wollte seinen Worten dadur, daß er Namen nannte, nur einen tieferen Inhalt geben, denn font wiegen solhe Andeutungen, wie er sie gemacht hat, federleicht. Die liberale Gesetzgebung, die Herr Stöcker beklagte, haben die meisten Konservativen unter dem Fürsten Biêmarck mitgemaht. Die Wiedervorlegung des Zedlißz’shen Volks\chulgeseßzes hat Herr Stöer noch für diese Session verlangt; die Konservativen haben das bei den Wahlen niemals gefordert, sondern sie haben ein Schulgesey für später ver- langt, aber von dem Zedliß’\{en Entwurf haben sie niht gesprochen. Warum hat Herr Stöcker niht vor den Wahlen seine Worte über die Lehrer gesprohen? Herr Porsch hat die Art des Scheiterns des Volksschulgeseßes beklagt. Wenn ein Fehler gemaht worden ift, fo ist er bei der Einbringung des Gesetzes gemacht, und als seine Folgen hervortraten, da nahm die Krone ihr hohes Vorrecht wahr und warf, wie Hobrecht sih ausdrückte, den weißen Stab zwischen die streitenden Parteien. In wirthschaftlichen Fragen ist das Zentrum gespalten, aber die Gunst der Stunde ist für das Zentrum. Während im Reichstag der russishe Handelsvertrag verhandelt wird, kommt hier der Kultus-Etat zur Verhandlung und bietet dem Zentrum Gelegenheit, seine Generalforderungen anzumelden und seine Noth- wendigkeit für die Wahrung der katholischen Interessen zu bekunden. Was Herr Bachem über die Imparität gesagt hat, hat sich vielfa schon als irrthümlich erwiesen. Daß die Katholiken niht in staat- lide Stellungen gehen, liegt an der ganzen Anschauungsweise der Katholiken, denn danah is der Staat ein unvoll- fommenes Gebilde und soll dazu ausgestaltet werden , daß er die Befehle der Kiche vollzieht. (Widerspruh im Zentrum.) Das sollten die Herren Bachem und Fuchs wissen, daß die Herren das leugnen! Ist es da nicht natürlich, daß die Katholiken nit gern dem paritätishen Staate dienen? Das Zentrum verlangt eine Schonung feiner Gefühle; folhe Gefühle haben wir auch ; s{honen Sie unsere Gefühle! Wir halten die ganzen Orden für eine An- griffsorganisation gegen den Protestantismus: also verlangen Sie nicht die Nückberufung der Orden. Daß die Zustände des pol- nishen Privatunterrihts nit erträglich waren, mag richtig sein, aber dann sollte der Minister nicht ein neues Experiment machen, fondern zu dem früheren Zustand zurückehren. Bezeichnend ist doch, daß die Polen mit der neuen Maßregel zufrieden sind, daß fie die Ausdehnung derselben auf Weslpreußen und Oberschlesien ver- langen. Diesem allgemeinen Ansturm wird \{ließlich der Minister nicht widerstehen können. Die früheren Minister wehrten ih gegen eine Einführung des polnischen Unterrichts in die Schule, gegen die Aufwendung staatlicher Mittel dafür. Der fakultative Unterricht wird ebenso sich gestalten wie ein obligatorisher. Mit diesem Zugeständniß wird allgemein die veränderte politische Haltung der polnischen Abgeordneten in Zusammenhang gebracht, troß aller gegentheiligen Versicherungen des Ministers. Es scheint ein Unstern über diesen Dingen zu walten, daß jeder Minister einen neuen Bersuch macht, damit der spätere Minister sih von der Erfolglosigkeit

überzeugt. Wir haben keine feste dauernde nationale Politik gehabt.

Eine Bevölkerung fühlt si besser unter einer gerechten, wenn auch harten Negierung, als unter so {chwankenden Verhältnissen.

Abg. Knörke (fr. Vp.) hält die Klagen der Polen zum theil für berechtigt und bemängelt die Verschiedenartigkeit der Ferien in den Volksschulen und den höheren Schulen, die vielen amilien, welche Kinder in beiden Schulen haben, Unbequemlichkeiten bereite. Daß die Lehrer von den Gemeinden in die Schulvorstände gewählt werden sollen, sei allgemein als berechtigt anerkannt; derMinister sollte nun auch seine Autorität geltend machen, daß die Gemeinden danach verfahren. Wenn in Berlin {hon danach verfahren wäre, würden mandbe Mißs- verständnisse und Schwierigkeiten vermieden worden fein. Auch dte Schulaufsicht soll möglich den seminaristisch gebildeten Personen übertragen werden. Daß Herr Sattler den Standpunkt des Ministers tadelt, weil die Polen damit zufrieden sind, kann man niht als rihtig bezeiGnen. Denn es fann doch nicht die Aufgabe der Verwaltung sein, die Polen unzufrieden zu machen. Die Zufriedenheit wird die Polen veranlassen, sich dem Staat enger anzuschließen. Das Schulgeseß wird von Herrn Stöcker noch für die gegenwärtige Legislaturperiode verlangt. An und für sich wünscht Redner ein folhes Gese au, aber ex fürchtet, daß [hon ein bloßes Dotationêgeseß großen Schwierigkeiten be- ge gnen werde. Nothwendig sei aber eine Feststellung der Lehrergehälter, die zum großen Theil ungenügend seien. Daß die Geistlihen nicht für die Schulaufsiht qualifiziert seien, behaupte niemand; aber die Volksschullehrer seien es ebenfalls und deshalb follte man fie auch zu Kreis - Schulinspektoren und Schulräthen machen, das würde der Entwickelung der Schulen nur förderlich sein. Den Lehrern mache man allerlei Vorwürfe, daß sie die Schule entchristlißen wollten 2c. Dem widerspreche der Ausspruch eines Führers der Lehrerschaft auf einer Lehrerversammlunag : unter lebhaftem Beifall habe dieser gesagt: Die deutschen Lebrer wollen den Religionsunterricht in der Schule behalten. Wenn der Minister Gerechtigkeit und Wohlwollen nach allen Seiten walten lasse, dann werde setne Verwaltung dem Vaterlande zum Segen gereichen.

Jm weiteren Verlauf der Berathung, über welche wir in der Montagsnummer berichten werden, nahmen bis zum Schluß des Blattes noch der Minister der geistlichen 2c. An- gelegenheiten Dr. Bosse, sowie die Abgg. Riesch (fr. kTonf.), Zohannsen (Däne), Graf zu Limburg-Stirum (kons. ), Dr. Pors\ch (Zentr.), Dr. von Heydebrand und der Lasa (konf.) und Dr. Dittrich (Zentr.) das Wort.

Die X1I]I. Kommission des Reichstags zur Vorberathung des Handels- und Schiffahrtsvertrages zwishen dem Reich und Nußland besteht aus folgenden Abgeordneten : Dr. Ham- macher, Vorsißender; Freiherr von Stumm-Halberg, Stellvertreter des Vorsißenden; Dr. Bachem, von Salish, Schippel, Schriftführer : Aichbichler, Ancker, Dr. von Bennigsen, Freiherr von Buol-Beren- berg, Dr. von Frege, Freiherr von Hammerstein, Dr. Freiherr Heere- man von Zuydwyk, Herbert, Holt, von Kardorff, Klose, von Koscielski, Lenzmann, Dr. Lieber (Montabaur), Lote, Freiherr von Manteuffel, Graf von Mirbach, Möller (Dortmund), Rickert, Schultze (Königê- berg), Schulze-Henne, Weber (Bayern), Weidenfeld.

In der heutigen ersten Sizung der Kommission zur Berathung des Handelsvertrags mit Rußland wurde fofort in die Berathung des Artikels 1 des Vertrags eingetreten, der nah längerer Diskussion über die etwaige Verstärkung der Einwanderung russisher Juden mit 13 Stimmen (Nationalliberale, Centrum, Freifinnige, Sozialdemokraten, Polen und Freiherr von Stumm) gegen 8 Stim men (der Konser- vativen, Reformpartei, der Abgg. von Kardorff und Holtz von der Reichspartei und des Abg. Aichbihler vom Zentrum) an- genommen wurde. Bei der Abstimmung fehlten: vom Zentrum die Abgg. Lieber, von Heereman, Weber und Klose: von den Konservativen Abg. Frege, von den Sozialdemokraten die Abgg. Schulße und Herbert, Zur Debatte gelangte sodann Artikel F welcher von den Erwerbsbefugnissen der beiderseitigen Staats- angehörigen handelt. Nah längerer Diskussion wurde der Artikel mit 12 gegen 9 @Stimmen angenommen. Weiter wurden Artikel 3, 4 und 5, leßfêter mit 13 gegen 9 Stimmen ange- nommen, ebenso Artikel 6, welcher von der gleichartigen Behandlung der Boden- und Gewerbeerzeugnisse handelt. Ueber Artikel 7, welcher Bestimmungen über die Verzollung enthält, wurde die Abstimmung ausgeseßt. Artikel 8 (Gleichartige Belastung dur innere Abgaben), 9 (Ausgangsabgaben), 10 (Abgabenbefreiung des Transithandels), 11 (Ausnahmebestimmungen) und 192 (Behandlung der Kauf- leute u. st. w. bei Ausübung ihres Geschäfts) wurden obne Tebatte angenommen und die Berathung der weiteren Artikel

O um das Schlußprotokoll in Diskussion zu zichen, Von diesem wurden die ersten 18 Punkte angenommen, dar- unter die Bestimmung, daß Rußland bei Zollzahlungen deutshe Gold- münzen durch die Zollämter annehmen läßt und zwar 1000 M Gold als Gegenwerth von 308 Rubel Gold. Die Fortseßung der Debatte wurde fodann auf Montag vertagt.

In der Kommission des Reichstags zur Berathung der vom Zentrum beantragten Novelle zur Konkursordnung wurden gestern die : m Es Paragraphen in folgender Fassun angenommen: § 208 f. Nach Beendigung des Konkursverfahrens i die Wiederbefähigung zu ertheilen, wenn der Gemeinschuldner nach- weist, daß sämmtlihe in dem Konkursverfahren angemeldete Forde- rungen der Konkursgläubiger an Hauptsumme, Zinsen und Kosten durch Zahlung, Erlaß oder in anderer Weise vollständig getilgt sind. Ist in dem Verfahren ein Zwangsvergleih zu stande gekommen, so muß der Nachweis geführt werden, daß die nah dem Vergleich zu be- friedigenden Forderungen der Konkursgläubiger durch Zahlung oder in anderer Weise vollständig getilgt sind. & 208 g. Zur Ertbellung der Wiederbefähigung ist das Konkursgericht zuständig, welches die Eröffnung des Konkursverfahrens bezw. wegen mangelnder Konkurs- masse die Ablehnung der Konkurseröffnung verfügt hat. Der Gemein- s{uldner hat mit dem Gesuh um Ertheilung der Wiederbefähigung die Quittungen der Gläubiger und die sonstigen Beweisstüccke dem Gericht einzureihen und, soweit er die Befriedigung einzelner seiner Gläubiger niht nachzuweisen vermag, den Besiß der zur Befriedigung dieser Gläubiger hinreichenden Mittel darzuthun. Das Gesuch ist den Gläubigern, deren Aufenthalt bekannt ift, mitzutheilen und außerdem öffentlih bekannt zu machen, daß jeder Gläubiger das Gesuch auf der Gerichtsschreiberei einsehen und, falls er für fein Guthaben noch nit vollständig besriedigt ist, binnen zwei Monaten Einspruch gegen die Ertheilung der Wiederbefähigung erheben kann. 8 208 h. Nach Ablauf der Frist hat das Gericht die erforderlichen Erhebungen durch Vernehmung des Gemeinschuldners und der Einspruch erhebenden Gläubiger vorzunehmen und über das Ges su durch Beschluß zu entscheiden. Gegen den Beschluß ist die so- fortige Beschwerde unter entsprehender Verwendung des S 147 zu- lässig. Wird dem Gesuch stattgegeben, fo ist der Beschluß öffentlich bekannt zu machen und, sofern der Gemeinschuldner ein zur Führung von Handelsbüchern verpflihteter Kaufmann ist bezw. war, der Be- hörde für die Führung des Handelsregisters mitzutheilen. Wird das Gesuch verworfen, so kann der Gemeinshuldner dasselbe nicht vor Ablauf von zwei Jahren seit der Abweisung des Antrages wiederholen. § 208 i. Die Kosten des Verfahrens hat der Gemeinschuldner zu tragen, soweit dieselben nicht durch den unbegründeten CEinspruch eines Gläubigers verursacht sind, in welch? leßterem Falle die Kosten des Einspruchs- verfahrens dem mit feinem Einspruch abgewiesenen Gläubiger zur Last fallen. § 208k. Die Wiederbefähigung tritt ohne gerihtlihe Ent- scheidung in allen Fällen cin mit dem Ablauf von fünf Jahren, vom Tage der Eröffnung des Konkursverfahrens bezw. vom Tage der Ab- lehnung der Konkurseröffnung wegen mangelnder Konkursmasse an ge- rechnet, mit dem Ablauf von zehn Jahren im Fall des § 208b Abs. 1, und wenn der Gemeinschuldner wegen betrügerishen Bankerutts bestraft ist. § 210 erhielt folgende Fassung: „Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Bermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden wegen ein- fahen Bankerutts mit Gefängniß bestraft, wenn fie l) durch übermäßigen Aufwand, durch Spiel oder Wetten übermäßige Summen verbraucht haben oder s{uldig geworden sind, 2) aus Leichtsinn ihren Erwerbsbetrieb vernachlässigt haben, 3) obwohl sie ihre Ueberschuldung kannten, Vermögensstücke von erheblichem Werthe um Schleuderpreise veräußert, Waaren von erheblihem Wertbe auf Borg gekauft, um dieselben zu verpfänden oder zu geringeren Preisen als den laufenden Marftpreisen wieder zu verkaufen oder an Zahlungs- statt hinzugeben, Wechselreiterei getrieben oder ähnliche, den Gläubigern verderbliche Mittel angewendet haben, um si Gelder oder Geldwertbe zu verschaffen; 4) Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Führung thnen geseßlih oblag, oder dieselben verbeimliht, verni&tet oder so unordentlich geführt haben, daß sie keine Uebersicht ihres Vermögenszustandes gewähren, oder 5) es gegen die Bestimmung des Handelsgeseßbuchs unterlassen haben, die Vilanz ihres Vermögens in der vorgeschriebenen Zeit zu ziehen; 6) durch Differenzhandel mit Waaren oder Börsenpapieren übermäßige Summen verbraucht baben oder s{uldig geworden sind.“

Von den Abgg. Dr. Osann, Dr. Paashe und Möller (Dortmund) (nl.) ist im Reichstag folgende Intervellation ein- gebracht worden: Durh Sat 2 und 3 des erften Absatzes des § 120 des Geseßes vom 1. Juni 1891 ift der Fortbildungéunterriht an Sonntagen nur gestattet, wenn die Unterrichts\tunden so gelegt werden, daß die Schüler nit gehindert werden, den Haupt-Gottesdienst oder einen mit Genehmigung der firchlihen Behörden für se eingerichteten besonderen Gottesdienst ihrer Konfession zu besuhen. Aus- nahmen sind für nicht obligatorishe Fortbildungs\Gulen bis zum 1. ODftober 1894 gestattet. Die Unterzeichneten fragen hbierdurch an: 1) Erkennen die verbündeten Regierungen an, daß na den an vielen Orten hervorgctretenen Schwierigkeiten vom 1. Oktober 1894 an der Fortbestand und die gesundé Entwickelung der für den gewerblicen Mittelstand unentbehrlihen Fortbildunas\chulen in vielen Theilen Deutschlands ernftlich gefährdet it? Y Beabfichtigen die verbündeten Regierungen noch in dieser Session dem Reichstag eine Gefetzeévorlage zu unterbreiten, welche diefe Gefährdung des Fort- bildung8gunterrihts an Sonntagen bes

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vejeiltgt, ohne die reltigiöten Inter- of 4 Nt E chien zu s{ädigen ?

Aus Königsberg i. Pr. meldet ein Wolff’sches Telegramm : In etner geitern abgehaltenen Verfammlung der Wähler des Reis -

tags8wablkreises Königsberg (Land) - Fischhausen bielt der Abge-

ordnete Graf Dönhoff-Friedrichstein einen Vortrag, in welchem er für den deuts-russishen Handelsvertrag eintrat. Es wurde darauf von der Versammlung eine Entschließung angenommen, die den Grafen Dönhoff von seinem Versprechen, gegen den Vertrag zu stimmen, entbindet und ihm bei der Abstimmung im Reichstag freie Hand läßt.

Theater und Mufik.

Nesidenz-Theater.

Gestern Abend wurde der S{wank „Vermischte A nzeigen", nach dem Französischen des N. Drev fuß bearbeitet von Marimilian Kern, auf diefer Bühne zum ersten Mak gegeben und von den Zuschauern freundlich aufgencmmen. Das dur eine in falshe Hände gerathene Zeitung8anzcige hervorgerufene Mißverständniß, welches einem leihtsfinnigen Lebemann Veranlassung giebt, an der Tugend einer jungen Frau zu zweifeln, hat viele komisde Situationen zur Folge, die noch verwickelter werden dadur, daß der Ede- mann der für ledig gehaltenen Dame während ihres Gesprädhs unerwartet dazu kommt und nun selbst glaubt, ein Recht zu haben, an der Treue seiner Gattin zweifeln zu können. Zu allgemeiner Befriedigung klärt fh jedo bald alles auf und auch dem Gatten, welcher hinter dem- Rücken seiner Frau auf Abwege gee rathen war, wird von der Gattin gegen das Versprechen der Besserung die erbetene Verzeihung bewilligt. In der Nolle der jungen Frau Leonie Fourinet entwickelte Fräulein Forten viel Anmutb, während ibr Kammermädchen Juliette von Fräulein Brock mit ausbrecendem Humor gegeben wurde. Die Verlegenheiten des jungen Ebemannes Öerrn Fourinet kamen in der geschickten Darstellung des Herrn A derer gut zur Geltung. Herr Pagay bewies dur die gelungene Charak- terifierung des abgewiesenen Versuchers von neuem sein Talent für Ttomisfhe Rollen

Der darauf folgende Shwank „Der Maskenball“ (Veglione) von Akerxrander Bisson und Albert Carré. deuts von Benno Jacobfon, verseßzte dur seine übermüthige Laune, wie allabendlih feit der ersten Aufführung, die Zuschauer în andauernde