1894 / 54 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 03 Mar 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Ich glaube, das ist in der That ein günstiges Zeichen des Niveaus - des geistigen Bildungss\tandes.

Dann hat der Abg. Bebel in seiner damaligen Rede noch von den brillant verlaufenen Manövern in der Schweiz gesprochen, die mustergültig gewesen seien und au nr1ustergültig für uns sein könnten. Das ist ja im höchsten Grade erfreulih und für mich interessant. Auswärtige Urtheile über unsere Manöver habe ih jedoch ebenfalls gehört, die so lauten, daß wir auch. damit zufrieden sein können.

Wir können in dieser Beziehung jeden Vergleich mit jeder anderen Armee aufnehmen. Ih möchte in Bezug hierauf, wie auch in Bezug auf das, was er über unsere geistige Inferiorität gesagt hat, nur be- merken: er muß sih das Lob und die Anerkennung dafür bei Denen suchen, die er auf unsere Kosten verherrliht. Er wird es aber auch da nicht finden, weder bei den Franzosen, noch in der Schweiz.

Nun komme ih zu dem interessantesten Theil der Rede des Herrn Abg. Bebel. Er sprach nämlich über unsere Manöver im Elsaß. Ja, meine Herren, er hat zunächst eine sehr scharfe Kritik daran geknüpft und gefragt, ob niht große Zweifel darüber bestän- den, ob die Armee im Falle eines Krieges auch in den richtigen Händen wäre. Er beruft ih dabei auf auswärtige Fachurtheile. Nun, auf mich mat das keinen großen Eindruck, da im Aus- lande meist der Wunsch der Vater des Gedankens ist. Herr Bebel giebt aber auch etwas von seinem eigenen militärischen Wissen zum Besten. Er sagt, den Gedanken und Plänen, die der Führung der Kavallerie im Elsaß zu Grunde gelegen haben, denen wäre ein für alle Mal durch die Erfahrung des Krieges ein Riegel vorgeschoben. Ich weiß nun aber nicht, aus welchem Kriege der Herr Abg. Bebel seine Erfahrungen gesammelt hat. (Heiterkeit.)

In den drei Feldzügen, die ih mitgemacht habe, habe ih den Eindruck und die Ueberzeugung gewonnen, und die ist au bisher niht erschüttert worden, daß eine gute Kavallerie, die im richtigen Moment, in der rihtigen Zahl und mit dem richtigen Schneid an der rechten Stelle eingeseßt wird, nah wie vor Tod und Verderben in die Neihen des Feindes tragen kann.

Herr Bebel muß bei einem Manöver gewesen fein. Jh ließe es daraus, weil er davon spriht. Beim Zusehen eines Manövers können Sie kein Urtheil darüber gewinnen, wie es im Ernst aus- sieht. Im Frieden reitet die Kavallerie zur Attaque und alle sind und bleiben gesund. Die Infanteristen sind auch alle am Leben und jede Flinte geht los: da sieht es natürlih sehr ängstlih aus, als ob die ganze Kavallerie getödtet werden müßte. Davon ist nun glülicher- weise nicht die Rede, sie bleiben alle gesund. (Heiterkeit.)

Auf dem Schlachtfelde sieht es dagegen anders aus. J weiß nicht, ob der Herr Abg. Bebel s{chon ein Schlachtfeld gesehen hat. Da liegt die Sache oft so: Der Feind hat nur noch lose Trümmer în der Hand, ershöpfte Kräfte, über die er kaum noh verfügen kann. Dann ift eine energisch und geschickt herangeführte Kavallerie vollständig im stande, eine reie Ernte zu halten. Es ist eben eine falsche Annahme, wenn Sie glauben, daß dur das klein- kalibrige Gewehr die Kavallerie zu abdizieren hätte.

Mit meinen bisherigen Ausführungen wollte ich nur dem Herrn Abg. Bebel gegenüber das Versprechen einlösen, welhes ih ihm am 27. November gegeben habe, auf diesen Punkt zurückzukommen. Nun hat Herr Bebel mir heute noch verschiedene Dinge vorgehalten ; zunächst den Fall Oppenheimer. Das ist ein außerordentlich inter- essanter Fall. Jch hatte geglaubt, er wäre schon erledigt, nahdem wir in der Budgetkommission eigentlih {on bündig festgestellt hatten, daß streng nah den Geseßen und Bestimmungen da verfahren ist. Ich hâtte kaum erwartet, er würde noch einmal vorgebraht werden. Wenn der Herr Abgeordnete nun den Fall auf breiterer Grundlage zu behandeln wünscht, so bin ih dazu bereit; ih fürhte nur, ich werde die Zeit des hohen Hauses damit sehr in Anspru nehmen, weil ih da einige Dinge vorausnehmen muß.

Junge Mediziner, die die Berechtigung zum einjährigen Militär- dienst haben, können ihr Jahr mit der Waffe abdienen und erstreben, Reserve-Offizier zu werden. Sie können aber auch ein halbes Fahr mit der Waffe dienen, dann zurücktreten, ihre Studien vollenden, und wenn sie das Doktorexamen gemacht haben, können sie den zweiten Theil des Jahres als dem Sanitäts-Korps angehörend absolvieren und die Beförderung zum Sanitäts - Offizier anstreben. In beiden Fällen find an diese jungen Leute bestimmte Forderungen und Bedingungen zu stellen.

Zu diesen Forderungen und Bedingungen gehört, daß sie nach Dienst, Applikation, Führung, Haltung und auch nach Gesinnun g den Anforderungen entsprechen, die wir an einen Borgesetten stellen, d. h. an einen Mann, der berufen ist, eventuell zu tommandieren, zu leiten, zu dirigieren und au seinen Untergebenen ein Beispiel zu sein.

Bei denen nun, die mit der Waffe dienen, besteht die Borschrift, daß, wenn sie ein halbes Jahr absolviert und ein gutes Zeugniß be- kommen haben, fie dann Gefreite werden und nachher vermehrten Unterricht haben als Vorbereitung zum Reserve-Offizier. Es kommt zuweilen aber vor, daß, obwohl sie nah einem halben Iahr ein gutes Zeugniß bekommen haben, sfich nach neun Monaten {hon erweist, daß sie niht mehr diese Eigenschaften besitzen. Dann verzichten wir auf die weitere Beförderung, und suchen ihn also nicht an eine Stelle zu bringen, wo er als Vorgesetzter sicher den Anforderungen nicht entspräche.

Bei den jungen Medizinern, die nicht mit der Waffe dienen wollen, sondern das zweite halbe Jahr im Sanitätskorps absolvieren, ist es ganz analog. Wenn der junge Mann das erste halbe Jahr ab- gedient hat, dann wird er ins Beurlaubtenverhältniß des Sanitäts- forps entlassen und bekommt da den Sammelnamen Lazarethgehilfe. Wenn er sein Examen als Doktor gemacht hat, wird er listlich von den Bezirks-Kommandos als Unterarzt der Reserve geführt. Dies Verhältniß kann also als analog hingestellt werden demjenigen, in welhem sih die mit der Waffe Dienenden befanden und die im zweiten halben Jahre zum Unteroffizier befördert werden.

Dies vorausgeschickt, lag der Spezialfall so: Der Herr Dr. Oppenheimer hatte beim 9. Königlich bayerischen Infanterie-Regiment in Würzburg gedient und nah dem ersten Halbjahr ein gutes Zeugniß bekommen, daß er nah Haltung, Führung und Applikation wohl geeignet erschiene, um als Vorgeseßzter im Sanitätskorps Ver- wendung zu finden. Dann reiste er nach Straßburg, vollendete dort seine Studien, und nah Absolvierung dieser Studien bestand er sein Doktorexramen. Darauf wurde nun am 20. Juni vorigen Jahres, wenn ih niht irre, dem Bezirkskommando Straßburg die Mittheilung gemacht, daß Herr Dr. Oppenheimer si

an deuts{-feindlichen und fozialdemokratishen Bewegungen betheilige und namentlich in der Wahlbewegüng sehr lebhaft agitierte ih glaube für den Herrn Abg. Bebel. (Heiterkeit.) Das war sein gutes Recht. Aber das Bezirks-Kommando trug ernste Bedenken, ob der Herr Dr. Oppenheimer nun auch wohl die Qualifikation besitzen würde, um als Vorgeseßter seinen Untergebenen als Vorbild zu dienen. Die Thatsache an sih aber bewog troßdem das Bezirks- Kommando noch garnicht, den Herrn aus der Liste derer zu streichen, die zum Sanitäts-Offizier eventuell geeignet sind. Das Bezirks- Kommando fragte bei der Universität an, und ih glaube, vor dem Disziplinaramt der Universität erklärte der Herr Dr. Oppenheimer, das wäre garnicht der Fall, er stehe in gar keiner Weise mit der fozialdemokratishen Partei in irgend welhen Beziehungen; er ver- leugnete eigentlih den Herrn Abg. Bebel und das finde ih nicht {ön. (Große Heiterkeit.) Ja, und hinterher stellte sich und das ist eigentlih das s{chlimme heraus: er ging do auf den Bahn- hof und empfing den Herrn Abg. Bebel. Nun, das ist auch sein Recht.

Herr Bebel hat dann nachher in Kombination mit einigen anderen Fällen es so hingestellt, als ob wir eine Art Spionage übten. Ich habe mir {hon in der Kommission erlaubt, Herrn Bebel zu bemerkten, daß wir dazu nicht die Polizei brauchten, um zu erfahren, ob dieser oder jener den Herrn Abg. Bebel auf dem Bahnhof empfangen hat; denn das stand «in allen Zeitungen, ausländischen wie inländischen, ih glaube, ih habe es sogar im „Figaro“ gelesen. Ich habe ferner dem Herrn Abgeordneten gesagt: ein Parteiführer von seiner Bedeutung reist heutzutage niht mehr inkognito. (Heiterkeit.)

Nun aber, um wieder auf Herrn Dr. Oppenheimer zurückzu- kommen. Herr Dr. Oppenheimer meldete sich am 10. oder ih weiß nicht am wievielten August zum Eintritt beim Bezirks- Kommando und wünschte einem Truppentheil überwiesen zu werden, bei dem er den Rest seiner Zeit als Mitglied des Sanitäts-Korps abfolvieren könnte. Da traten nun die vorerwähnten Bedenken des Bezirks-Kommandos in vermehrtem Maße auf, und alle übrigen Vor- geseßten bis hinauf zum Kriegs - Ministerium waren au der Meinung, daß diese Bedenken au begründet wären; aus diesem Grunde wurde bestimmt, daß er, wie auch alle anderen, die den Anforderungen nit entsprechen, einfa den Rest seiner Zeit mit der Waffe abdienen müsse.

Das ist der Fdürre Thatbestand. Es i} dabei streng nah den Vorschriften und nach den Gesetzen gehandelt. Jch weiß also keine andere Frage noch zu beantworten, als die von Herrn Bebel ge- stellte, warum der Mann nicht zum Vorgeseßten geeignet sei als Sozialdemokrat. Ich habe das auh s{chon Herrn Bebel in der Kommission gesagt: ih wüßte nicht, wie ein zielbewußter Sozial- demokrat die Verfolgung seiner Parteitendenzen in Einklang zu bringen wüßte mit dem geleisteten Fahneneid. Der Herr Abg. Bebel hat gesagt: Sie zwingen ja die Leute dazu, und wenn sie den Eid nicht leisten, werden sie bestraft. Das is doch gerade ein Grund mehr, daß wir nicht Leute in der Armee zu Vorgesetzten machen werden, die widerwillig, die mit dem äußersten Widerstreben den Eid geleistet haben. Bedenken Sie doch: der Soldat soll jeden Augenblick bereit sein, sein Leben für König und Vaterland einzuseßen; er soll jeden Augenblick seinem Borgesetßten folgen, er soll immer an Hingebung und Pflichttreue wetteifern mit den anderen, und er soll, wenn er gar Vorgeseßter ist, ihnen ein Beispiel sein. Wie können Sie verlangen, daß jemand, der widerwillig, nur mit dem äußersten Widerstreben, nur um der Strafe zu entgehen, den Eid geleistet hat, als Vorgeseßter wirken kann? Wenn ih mir selbst den Fall denke, daß ih als Kompagnie-Chef Ihre ganze Fraktion unter meinem Befehl gehabt hätte (große Heiterkeit), ich bin ein verträg- licher Mann am ersten Tage wären wir ganz gut ausgekommen, am zweiten Tage hätten wir einen Krach gehabt, der nie wieder gut zu machen gewesen wäre. (Stürmische Heiterkeit.) Jh habe Ihnen keine Unfreundlihkeit damit sagen wollen. (Heiterkeit.)

Nun, meine Herren, der Fall Hertwig. Es thut mir leid, daß ih da auch vielleicht etwas weitschweifig sein werde. Der Rechtsanwalt Hertwig war Vertheidiger des Abg. Ahlwardt. Ihm find Vorwürfe gemacht worden in Bezug auf sein Verhalten bei dem Prozeß. Ich habe mich um die Sache garniht wesentlich gekümmert, ih habe nur er- fahren, daß das Ehrengericht der Anwaltkammer, nicht das Ehren- gericht eines Offizierkorps, ih mit dieser Sache beschäftigt hat. Es hat einen Beschluß gefaßt, eine Bestrafung oder so etwas Aehn- liches verfügt. Dagegen is dann später die Berufung eingelegt worden, aber der Ehrengerichtshof in Leipzig hat das erste Urtheil bestätigt. Damit war also die Sache zunächst er- ledigt. Nun trat ein ganz anderes Moment dazwischen, daß die Militärbehörde sih mit Herrn Hertwig beschäftigte, und das kam so: Es traten in den Wahlkämpfen in verschiedenen Zeitungen Be- \chuldigungen gegen Herrn Dr. Hertwig hervor, die sehr gravierender Art waren. Das erregte unter seinen Kameraden im Beurlaubten- verhältniß Anstoß, und das Bezirkskommando forderte ihn auf, sich darüber zu äußern. Ja, meine Herren, das kommt jeden Augenbli vor; wenn von jemand eine falsche Thatsache verbreitet wird oder gar irgend etwas Böses, und es steht in den Zeitungen fo fragt man ihn höflih, man theilt es ihm mit und bittet ihn, sich über die Sache zu äußern. Das geschah auch hier. Darauf hat der Dr. Hertwig gar nicht geantwortet; er is nochmals ersucht worden, er hat wieder beharrlich die Antwort verweigert. Ja, meine Herren, wenn man in einem militärischen Verhältniß sih befindet, dann ist man seinen Vorgeseßten Rede und Antwort \{uldig, und wenn es im Dienst- wege von ihm verlangt wird, muß er antworten, und wenn er es nicht thut, wird er bestraft, und wenn er sich dem niht fügt, unter Umständen auch verabschiedet. Einstweilen ist er wegen Beharrens im Ungehorsam und das wird bei uns nah dem Gesetz streng gerihtet bestraft worden . mit einigen Monaten Festung. Weiter ist mir von der Sache nichts bekannt. Ich glaube also auch, daß wir uns mit dieser Sache weiter nicht zu befassen brauchen; die Ge- schichte hat damit ihre Erledigung. (Heiterkeit.)

Der Herr Abgeordnete hat auch zur Sprache gebracht im Anschluß, glaube ih, an diesen Fall, daß bei uns eine volle Organisation be- stände, um die Sozialdemokraten im Auge zu behalten. Meine Verren, das ist nicht richtig! Wir legen Werth darauf, zu erfahren, ob Wehrpflichtige, die zur Armee einrücken, zielbewußte Anhänger der sozialdemokratischen Partei find. Ob sie mal in fozialdemokratischen Versammlungen gewesen sind oder ein Lokal besuht haben, wo So- zialdemokraten verkehren, das hat für uns wirklich kein großes Inter- esse. Und wenn einzelne von Denen, die vielleiht zu dieser Kategorie gehören, in der Armee sih ausgezeichnet führen, so fehe ich darin

bloß den Beweis, daß das für sie vielleiht noch kein Nachtheil ge- wesen ist, daß sie gelegentlich an einer folchen Versammlung theil genommen haben oder in einem solchen Wirthshaus gewesen find. Aber von Denen, die widerwillig dienen, glaube ih nimmermehr, daß sie sich gut führen werden. Wer widerwillig feine Pflicht thut, zu dem ist mein Vertrauen s{chwach. Ferner sagte er, alle Sozial- demokraten sollten vom Heeresdienst ganz ausges{hlossen werden. Das wäre gegen die bestehenden Geseße, darauf könnte ih nicht eingehen. (Heiterkeit.)

Weiter hätte ih vorläufig nichts zu erwähnen. (Lebhafter Bei-

fall rehts und aus der Mitte.)

Abg. Roesicke (b. k. F.) regt die Frage der Ableistung der Dienstpfliht durch die Volksschullehrer an. Der Landesverein preu- ßisher Volksschullehrer fordere die Zuerkennung des Rechts des ein- jährigen Dienstes für die Seminar-Abiturienten. Nach der Auf- hebung der Ersaßreserve-Einrichtung sehen die Lehrer in der gel- tenden Vorschrift, wonach sie nur sechs8 Wochen zu dienen brauchen, niht mehr einen Vorzug, sondern eine Zurükseßung; sie wollen nicht mehr als Soldaten dritter Klasse gelten. Der Aeiraedoerein weist mit Recht darauf hin, daß eine Einrichtung, wie die von ihm er- strebte, in Oesterreih und Bayern besteht. Die Forderung ist um fo eher zu gewähren, als die Lehrer mehr leisten wollen, als das Geseß von ihnen verlangt. Hoffentlich werden auch die Konservativen diese Forderung unterstüßen. Die anhaltishen Lehrer wünschen eben- falls lebhaft eine Regelung in diesem Sinne.

_ Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath,

Kriegs-Minister Bronsart von Schellendorff:

Meine Herren! Die preußische Militärverwaltung beschäftigt ih hon längere Zeit mit der Frage, wie die Dienstverhältnisse der Volksschullehrer besser und anderweit zu regeln seien. Sie ift deshalb mit dem zunächst betheiligten Ressort des Kultus-Ministers in Verbindung getreten, und da find wir zu dem erfreulichen Resultat gekommen, im Prinzip vollständig übereinzustimmen, und zwar zu einer Uebereinstimmung, die sih mit dem Projekt, was der Herr Vor- redner eben wünschte, ungefähr deckt. (Bravo! links.) Es ist nur \{wierig, die Aenderung sofort zum Ausdruck zu bringen, ohne die Interessen der Ünterrichtsverwaltung zu schädigen, denn es sind ich weiß die Zahl nicht auswendig ein- oder zweitausend Lehrer, die alljährlich in den Dienst treten. Wenn wir also plöglih zu einem Lermin, wo die Schulverwaltung auf die Schullehrer rechnet, ihr den Zufluß abschneiden, kann eine Verlegenheit entstehen. Wir ver- handeln darüber, wie wir ein Üebergängsstadium schaffen wollen, und das, hoffe ih, wird gelingen. Ich persönlih bin überhaupt überzeugt, daß die Volksschullehrer ein sehr wichtiges und nüßliches Element in der Armee fein können (sehr gut !), namentlih im Kriegs- falle. (Bravo!) * Sie werden dadur geeignet, in vorgeseßte Stellungen zu treten, und dur ihr Chrgefühl, ihre Intelligenz und die guten Eigenschaften, die sie auch sonst an den Tag legen, uns gerade im Kriegsfalle nüylihe Dienste zu leisten, und zwar bessere als die, die widerwillig dienen. (Bravo!)

Abg. Rickert (fr. Vg.) ist über diese Auskunft sehr erfreut ; er nimmt an, daß die bestehenden Schwierigkeiten sich leiht über- winden lassen werden. Nedner wünscht über den Stand der Revifion der Militär - Strafprozeßordnung eine Erklärung der Militär- verwaltung. Die Angelegenheit \chwebe schon seit zwanzig und mehr Jahren, und es fei wiederholt der baldige Abschluß des Nevisions- werkes in Aussicht gestellt worden. Seit 12 Jahren seien Resolu- tionen angenommen worden im Sinne einer Beschleunigung dieser Arbeiten.

__ Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Kriegs-Minister Bronsart von S eEITENDOLTI:

Ich kann dem Herrn Abg. Nickert nur erwidern: die preußische Militärverwaltung ist nach wie vor aufrihtig und ernst bestrebt, eine einheitliche Strafprozeßordnung für das gesammte deutsche Heer zu schaffen. Die zu diesem Zweck bis jeßt innerhalb meines Ressorts erforderli gewesenen Verhandlungen haben ihren Ab\{luß gefunden, einen vorläufigen wenigstens. Jch habe bei Antritt meiner neuen Stelle den wenige Tage zuvor fertiggestellten Entwurf einer neuen Strafprozeßordnung vorgefunden. Wann dieser Entwurf dem hohen Hause zur Berathung und Verabschiedung wird zugehen können, das kann ih allerdings nicht vorhersagen und vorher bestimmen, denn dieser Entwurf wird noch verschiedene Stadien der geschäftlichen Verhandlung zu durchlaufen haben. Ich halte es aber nicht für aus ges{lossen, daß die in dem Zivilprozeß geplanten Aenderungen nit ganz ohne Nückwirkung bleiben werden auch auf die ¿reststellung der Militär-Strafprozeßordnung. (Bravo! links.)

Abg, Wei ß - Nürnberg (fr. Volksp.) spricht dem Kriegs-Minister für seine Erklärung in Sachen der Volksschullehrer feinen Dank aus, namentli wegen der Motive, welche thn dabei geleitet haben. Der Abg. von Kardorff habe die Aenderung bei der ersten Lesung des Etats dahin befürwortet, daß dann der Lehrer niht mehr mit dem heutigen Haß gegen das Heer aus der Kaserne herauskomnmie. Die auch von dem Abg. von Kardorff erhobene Forderung wurde von den Lehrern schon seit 1879 erhoben, aber niht aus Haß gegen die Armee strebe das Lehrerthum diese Aenderung an, fondern weil es die Ableistung des Militärdienstes für eine Ehrenpflicht betrachtet. Hiernach werde der Abg. von Kardorff wohl diese Aeußerung wieder zurücknehmen. Die Zusammenziehung der Lehrer in ein Bataillon habe bei den Lehrern und bei den Borgesetzten im vorigen Jahre einen gleih günstigen Cindruck gemacht; aber darin habe man überein- gestimmt, daß die eigentliche militärishe Ausbildung in der kurzen Dienstfrist sehr viel zu wünschen übrig lasse. Die heutige Erklärung des preußischen Kriegs-Ministers werde ganz besonders freudig von den Lehrern begrüßt werden. Auch nah dem französischen Gefeß feien die Volksschullehrer zum einjährigen Dienst zugelassen. Allerdings laufen im Lehrerstande arme Teufel genug herum; aber daran wird die Durchführung dieser Aenderung nicht scheitern.

O: DY, Dae (nl): Der Lehrermangel, welcher für Preußen die Durchführung der Maßregel zur Zeit noch nicht s besteht für Sachsen nit mehr; dort ist bereits ein kleiner Ue erschuß an Lehrern eingetreten. Wer das Seminar absfolviert hat, besißt eine höhere allgemeine Bildung als diejenigen, die durch die Presse gegangen find und die höheren Schulen bis zur Sekunda besuht haben. Diese Bildung qualifiziert ihn durchaus zum Einjährig-Freiwilligen. Ein großer Theil der Lehrer ist zur Zeit nit in der Lage, die finanzielle Last zu tragen, aber auch da _ werden sih Auswege finden. Daß der Volksfchullehrer mit der Waffe dient, liegt im Interesse der Armee und feiner felbst. Der Lehrer ist doch der geborene Instruktor der Rekruten. Andererseits ist es durchaus vortheilhaft für unsere männ- liche Jugend, wenn fie in der Hand von Lehrern ist, die die Armee nicht nur als ein Schreckgespenfst kennen, sondern der Jugend aus eigener Erfahrung die Wahrheit des Liedes darlegen können : D: welche Luft, Soldat zu sein !“ :

_ Abg. Freiherr von Manteuffel (dkons.): Der Abg. Bebel hat feiner Zeit angedeutet, daß die Nothlage der Landwirthschaft damit R anang daß die Söhne der Großgrundbesitzer in Hannover viel Geld ver)pielten. Die Entdeckung, daß der Noggenpreis mit dem Grfolg des Vazardspiels zusammenhänge, war ihm vorbehalten. Die Nachricht der Zeitungen, daß konservative Abgeordnete ihren Abschied als Offiziere fordern werden , ist falsch und erfunden; die Ab- geordneten, die das Net zum Tragen der Uniform haben, sehen in

der „Kreuzzeitung“ abfällig in derselben Weise besprochen,

diesem Recht auch eine heilige Pflicht. Die Lehre der Sozial- demokratie steht in direktem Widerspru mit unserer gesammten staat- lihen und gesellshaftlihen Ordnung, und daher muß die Armee, welche diese Tay aufrecht erhalten foll, naturgemäß darüber wachen, daß folche Lehren Aufnahme in der Armee nicht finden oder doch möglich# wenig verbreitet werden. Thun diese Leute ihre Pflicht und Schuldigkeit als Soldaten, so werden sie a verständlih ganz ebenso wie die anderen Soldaten behandelt; daß sie aber nicht in Stellungen gebraht werden, welche eine gewisse Autorität an sich haben, ist ebenso selbst- verständlih. Schlösse man die Sozialdemokraten von der Dienstpflicht aus, so wäre das ein Nachtheil ; gerade dur die Dienstpflicht werden die Sozialdemokraten gebessert oder wieder vernünftig gemacht, Auf die Bemerkungen über das Vaterunser einzugehen, ist mir widerlich ; darüber zu sprechen ist dieses Haus nicht der Plaß. Selbstverständlich müssen Sie gegen Christenthum und Armee kämpfen, weil diese beiden die festesten Stühßen der Monarchie sind und weil Sie die Monarchie bekämpfen. O /

Abg. Graf Driola (nl.) weist darauf hin, daß einige vor- handene brauchbare und gute Kasernen nicht benußt werden, während andere, die gleihfalls noch brauhbar und gut sind, demnächst angeblich aufgegeben werden sollen. Jn Gegenden, wo folhe Kasernen vor- handen sind, sollte man diese niht 'unbenuyt lassen und dafür nicht neue bauen. Der preußische Kriegs-Minister möge eine genaue Ueber- siht über diese Kasernements geben, damit man über das Bedürfniß an Kasernenneubauten orientiert werde. Zu den brauchbaren Kasernen, die verlassen werden follen, gehört diejenige in der hessishen Stadt Bußbach. Dreimal habe der Reichstag die Aufgabe dieses Kaserne- ments abgelehnt ; jeßt versuhe man auf einem Umwege die Verlegung der beiden Schwadronen aus Bußbah nah Darmstadt zu erzwingen. Die Bevölkerung sei über den drohenden Verlust der Garnifon in höchster Aufregung. ;

Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, General- Lieutenant Freiherr von Funck: Meine Herren, die Militärver- waltung is ja vollkommen einverstanden mit FJhnen darin, daß schon aus dem einfachen Gebot der Sparsamkeit brauhbare Kasernen nicht leer gelassen werden follen; aus dem einfahen Gebot der Syar- samkeit, weil die Militärverwaltung sih felbst am besten bewußt ist, daß fie nicht nur in der Vergangenheit mit zahlreichen For- derungen für die Herstellung von Kasernements an Sie herangetreten ist, sondern solhe Forderungen an Sie auch noch în Zukunft in mannigfaher Art herantreten zu lassen hat. Wenn in der letzten Zeit einzelne in ihrem Umfange recht unbedeutende und für die Ge- fsammtheit garnicht in Betracht kommende Kasfernements leer ges lassen worden sind es find dies, ih wiederhole es, nur sehr wenige und fehr unbedeutende Kasernements —, so ift dies eben aus zwingenden Gründen geschehen: aus dem Grunde, daß seiner Zeit er- hebliche Berschiebungen nah den Grenzen stattgefunden haben, wozu Sie bercitwilligst die Mittel bewilligt haben, und ferner, weil es nothwendig gewesen ist, in anderen Fällen Truppen, die schleunig marschbereit zu sein haben, an der Grenze in Garnisonen zu ver- einigen und ihre Mobilmachung zu erleihtern. Meine Herren, das find aber nur ganz vereinzelt seltene Fälle gewesen, und auf die Gar- nisonen, von denen der Vorredner gesprochen hat, trifft es nicht zu. Was zunächst Diet anbetrifft, so muß allerdings Diez von dem gegen- wärtig dort garnisonierenden Bataillon geräumt werden. Es ist aber in Aussicht genommen, einen anderen Truppentheil dahin zu verlegen, und in Northeim und Stade giebt es überhaupt keine Kasernements, die brauch- bar zu nennen find. Was endlih den Fall Bußbach anlangt, so kann ih den Vorredner beruhigen. Es hat ein Projekt bestanden und besteht vielleicht noch, die Shwadronen, die gegenwärtig in Butzbach garni- fonieren, nah Darmstadt heranzuziehen, aber dieses Projekt, welches dem Kriegs-Ministerium vor längerer Zeit vorgelegt worden ift, ist hier erheblihen Bedenken begegnet, und ist eben wegen dieser Be- denken der betreffenden Stelle zurückgegeben worden, auch nicht wieder zur Vorlage gelangt. Also eine Entscheidung in dem Sinne, wie der Vorredner muthmaßt, ist in keiner Weise getroffen worden. Die Schwadronen stehen und bleiben vorläufig in Butzbach stehen. :

Abg. Graf Noon (dkons.): Ich bin einer derjenigen Offiziere, welche angebli ihre militärishe Stellung von ihrer parlamentarischen Thätigkeit niht zu trennen vermögen. Es fällt uns das garnicht ein. Der Abg. Bebel ist sehr unvorsihtig und sehr leihtgläubig gewesen, font müßte er doch wissen, daß fünf Sechstel von allem, was in den Zeitungen steht, erlogen ist. Wir werden unserer parlamentarischen Pflicht eingedenk sein, und danah handeln, wenn es nicht anders geht, als allergetreueste Opposition. Die Sozial- demokraten haben ih hier in reine Kommandoangelegenheiten des Allerhöchsten Kriegsherrn eingemischt. Die Ansprachen des Aller- hôchsten Kriegsherrn gehen Sie gar nihts an. Wir müssen dankbar sein für alles, was geschieht, um die Disziplin in der Armee aufrecht zu erhalten. Wir sind auch dankbar dafür, daß in der Armee für eine sittlihe Erziehung gesorgt wird, die auf Gottesfurt, der Wurzel der Treue, beruht; diese Verhältnisse dürfen hier nicht zu Gespött gemacht werden. (Präsident v. Leveßow ersucht den Redner, jolhe Ausdrücke zu unterlassen.) Wenn der Abg. Bebel meint, Juden würden mit jenen Kaiserlihen Worten ausgeschlossen, so müsse er das zurüdweisen, wenn damit gesagt sein sollte, daß die Juden in der Armee besondere Nücksiht verdienten. Große Passion für die Armee hätten die Juden bisher nit gezeigt.

Abg. Bebel (Soz.): Der Lehrermangel ist hauptsächlich dur die {lechte Bezahlung der Lehrer verschuldet worden ; giebt es d noch Tausende von Pehirern in Preußen, die unter 750 4. jährliches Einkommen haben. In Sachsen ist heute von Lehrermangel nicht mehr die Nede und zwar weil man die Gehälter aufgebessert hat. Indem man die Lehrer von ihrem alten, ihnen lästig gewordenen Privilegium befreit, will man sie aber nicht den Uebrigen glei tellen, sondern ihnen ein neues Privilegium geben, das Necht des einjährig-freiwilligen Dienstes. Gegen dieses Privilegium des Geld- sackes erklären wir uns auf das allerbestimmteste. Ein großer Theil der Lehrer kann au dafür die materiellen Opfer nicht bringen; es wird also immer ein erheblicher Theil derselben von dem Privilegium ausgeshlofsen sein und zwei Jahre dienen müssen. Will man eine Aende- rung, dann führe man die allgemeine zweijährige Dienstzeit auch für die Lehrer cin. Zum Offizierexamen soll jeder zugelassen werden, der die Fähigkeit aufweist, einerlei wie seinemateriellen Mittel beschaffen sind. „Das Volk“, ein konservatives Blatt, hat die Nachricht gebraht, welche die Abgg. Freiherr von Manteuffel und Graf Roon fo lebhaft bekämpfen. Die Notiz ist aht Tage alt, das Blatt steht der Vartéi auf der Nechten sehr nahe. Weshalb haben die Herren die Notiz nicht richtig gestellt ? Jhr Desaveu trifft niht mi, sondern „Das Bolk“, „Kommandierangelegenheiten“ foll ich widerrechtlich berührt haben! Wenn die Presse dieses Recht hat, dann haben wir es mindestens au, und ih lasse es mir nit nehmen ; die Dinge gehören zu unserer Kompetenz, wir werden uns nit verschränken lassen, uns darum zu kümmern. Allerhöchste Verordnungen sind 1890 ergangen bezüglich) der Militärmißhandlungen , denen ebenso wenig nachgelebt wird, wie dem Erlaß, betreffend den Luxus und die Ver- shwendungsfucht der Offiziere. Wir kommen später auf dieses Kapitel zurück: Den Ausdruck „militärishes Gigerlthum“ habe ich nicht er- funden. Der ist mir in der Presse entgegengetreten. Man versteht darunter die hohen Kragen, die Stiefel mit langen Schnäbeln, die Vügelfalten in den Beinkleidern und ähnlihes mehr. Diese Zeichen der Verweichlichung follten durch den Kaiserlichen Erlaß getroffen werden. Verwahren muß ih mich energisch dagegen, daß ich hier etwa ein Vertreter der Shmußfinten wäre, ich bin persönlich ein großer Freund derNeinlichkeit. Videant consules! babe ih ebenso wie zahlteiche andere Redner aus dem Hause seiner Zeit zitiert; das Urtheil dieser Shrift schien mir Anspruch auf Werth zu haben. Der Kriegs- Minister erklärt auch nur, die Schrift sei aus mißvergnügten Offi- zlerskreisen hervorgegangen. Also das Mißvergnügen ist {hon eine tadelnswerthe @taeniGat: der Offizier darf nicht mißvergnügt fein und das zeigen, sondern er hat zu schweigen. Der Kavallerieangriff bei den Manövern in Elsaß-Lothringen ist von allen Blättern, auch von wie ih

hier es gethan habe. Oppenheimer is} direkt von der Straßburger

Polizeibehörde dem Bezirks-Kommando denunziert worden. Wenn der Fahneneid überhaupt nicht existierte, würde die Armee an S({hlag- fertigkeit und Zusammenhalt nicht eine Idee verlieren. Der Fahneneid hat gar keine Bedeutung für diese Fragen. Selbst konfer- vative und religiöse junge Leute wollen davon nihts wissen, aber die Sozialdemokraten sind viel zu kluge Leute, um niht mit den Wölfen zu heulen. 1870 hat Hasenclever als Unteroffizier voll und ganz seine Schuldigkeit gethan; er war damals auch Abgeordneter. Disziplin muß sein; ohne Disziplin kann die Armee nicht existieren. Unteroffiziere und Feldwebel als Sozialdemokraten haben wir heute in der Armee in Hülle und Fülle. Wenn die Landwehr- foldaten unferer Partei, welhe hier im Hause sißen, im Kriegsfalle wieder eintreten müssen, wird der preußische Kriegs-Minister doh wohl nit dazu übergehen, ihnen, weil sie hier eine böse Opposition gemacht haben, die Tressen zu nehmen. Wo kommen Sie denn mit „einer folchen Behandlung der Sozial- demokraten in der Armee hin ? Der nächste Krieg wird für Deutsch- land ein Vertheidigungskrieg von niht gefehenem Umfange sein; Sie werden froh sein müssen, wenn dann die Sozialdemokratie mit ihren Mannschaften mitkämpft. Wir haben feine Veranlassung, geseß- geberischen Maßregeln zuzustimmen, die den Preis des Roggens und Weizens recht hoch treiben, damit die Großgrundbesiger und ihre Söhne noblen Passionen fröhnen können.

Abg. von Kardorff (RNp.): Die Aufforderung des Abg. Weiß, für meine Verdächtigung Material beizubringen, nimmt mi Wunder. Weiß er denn garnichts von den zahlreichen Petitionen und den darüber hier geführten Verhandlungen, welhe die Klagen der Lehrer über die jeßige Art der Dienstableistung betrafen? Es ist darin in der Hauptsahe von der Unlust, von der Vbneigung die Rede, welche die Lehrer gegen die Armee bei dieser Art des Dienstes erfüllen muß. Natürlich kann der Lehrer nur unter den Vorausseßungen zur einjährigen Dienstzeit zugelassen werden, welche fonst vorgeschrieben sind, Wie den Lehrern finanzielle Erleich- terungen zu gewähren sind, diese Frage bleibt wohl vorläufig besser in SUSPens0o.

Abg. Werner (d. Refp.) kommt auf den Rechtöanwalt Hertwig zurück. Nach der disziplinarishen Bestrafung wegen Ungehorsams sei gegen diesen ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, weil er die mlitärishen Sachverständigen, feine militärishen Vorgeseßten, niht rücksichtsvoll „genug behandelt haben sollte. Das sei sehr be- fremdlih. Es scheine dana, als ob ein Rechtsanwalt NReserve- oder Landwehroffizier niht sein fönne. Der preußische Kriegs- Minister werde hoffentlich noch nähere Auftlärung geben. Den Lehrern wünschen au die Antifemiten den einjährigen Dienst und zwar mit staatlicher Unterstüßung. Schließlich plädirt Redner für die Belassung der vorhandenen Garnisonen in Hersfeld und Nothenburg an der Fulda, wo die Stadtgemeinden kostspielige Kasernements gebaut haben. Die paar Juden ließen fich schr wohl bei jedem Armee-Korps in ein Halbbataillon stecken und von jüdischen Offizieren befehligen, dann werde man ja sehen, wie kriegstüchtig die Juden seien. _ Abg. Freiherr von Manteuffel (dkonf.) verwahrt sih gegen die Replik des Abg. Bebel. Zum Offizierexamen müsse zugelassen werden, wer die Eigenschaften zum Offizier hat, niht aber jeder, der bloß die Fähigkeiten dazu hat. „Das Volk“ ist kein konservatives Blatt, fondern ein deuts-soziales Blatt.

Abg. Tutauer (Soz.): Ich möchte die berechtigten Beschwerden der Zivilmusiker zur Sprache bringen. Sle werden durch die Kon- kurrenz der 20 000 Militärmusiker, die sie mit unterhalten müssen, in der schwersten Weise geschädigt. Die Zivilmusiker verlangen, daß den Militärmusikern verboten wird, auf Tanzmusiken Uniform zu tragen, und daß ihnen nicht gestattet wird, auf ihren privaten Reisen zu Borstellungen in anderen Städten die ermäßigten Militärbillets zu benugen.

Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Kriegs - Minister Bronsart von Schellendorff:

Meine Herren! Was der Herr Abg. Tutzauer soeben vorgebracht hat wegen der Konkurrenz der Militärmusiker mit den Zivilmusikern, das wird noh bei einer anderen Gelegenheit hier zur Sprache fommen. Es liegt nämli, glaube ih, eine Petition des Musiker- verbandes dem hohen Hause vor, und in der Petitions- kommission ist meines Wissens bereits beschlossen worden, dem Hause vorzuschlagen, eine Resolution zu beschließen. Bei der Verhandlung hierüber wird ja die beste Gelegenheit sein, auf diese Angelegenheit zurückzukommen.

Was die Bemerkung des Herrn Abg. Werner betrifft in Bezug auf den Rechtsanwalt Hertwig, so will ich nur kurz bemerken, um was es sich dabei handelt, was ihm vom Ehrengeriht der Anwalts- kammer zum Vorwurf gemacht wurde. Er hatte nämli an eine Anzahl von Offizieren als Zeugen eine Anfrage gerihtet, ob sie auf Offizierparole versichern könnten, daß sie fih bei ihren Ausfagen nicht in einem Widerspruch befänden zwischen ihrem Fahneneide und ihrem Beugeneide und ob sie sih nit einem gewissen Zwange ihrer Vor- geseßten gegenüber befänden, sodaß fie als Offizier etwas Günstiges über die Löwe’schen Gewehre aussagen müßten. Ja, meine Herren, Das. finde (M Do ist nicht Gebrauch. (Heiterkeit.) An einer Stelle der Verhandlung äußerte der Herr Vertheidiger, die militärishen Sachverständigen meine Herren, es waren alles ältere Offiziere machten so lange Ausführungen, damit sie die Zeugen verwirrten und den Thatbestand verdunkelten. Das is au eigentli nicht gebräuhlich. (Heiterkeit.) Und fo sind noch mehrere Dinge die Ursahe gewesen, daß gegen den Herrn vorgegangen ist. Aber, wie gesagt, es ist mir nichts davon bekannt, daß ein ehrengerihtliher Spruh über ihn gefällt wurde. Der Herr Abgeordnete meinte, es würde das noch kommen, darauf muß ih also auch noch warten.

Was nun Hersfeld betrifft, ja Hersfeld behält seine Kriegs\chule, und das wurde ja von dem Herrn besonders gewünscht.

Nun wende ih mich zu dem Abg. Bebel. Zunä@hst muß ih meine große Befriedigung darüber aussprechen, daß ih aus der Rede des Herrn Bebel habe heraustönen hören: wenn Noth am Mann is und wenn wir Krieg bekommen, können wir uns auf die Sozialdemokraten so gut verlassen wie auf alle anderen, Das ist mir ein werthvolles Zeugniß; und die Besorgniß, die man haben könnte, daß es anders wäre, wird dadur bei uns vermindert.

Er sagte, er lege auch einen großen Werth auf die Disziplin

das ist uns aus der Seele gesprochen wir auch! (Große Heiterkeit.)

Nun hat der Herr Abgeordnete in Bezug auf die Dinge, welche er zur Sprache brachte, gesagt: Jch habe das nicht gesagt, das habe ih gelesen, gehört, das ist mir mitgetheilt. Ja, ih muß ehrlich ge- stehen: ih würde es niht thun, wenn ih etwas nit ganz genau weiß, dann spreche ih es niht aus. (Sehr gut!)

Dann bemängelte der Herr Abgeordnete von mir, daß ih mich auf das staatsrechtlihe Gebiet begeben und behauptet hätte, der Hannoversche Prozeß, der wieder ausgegraben sei, gehöre nicht zu den Gegenständen, über die das hohe Haus verfassungsmäßig be, rufen wäre, zu berathen und zu beschließen. Ja, darüber kann kein Zweifel fein und es liegt mir ganz fern,

mit diesem Ausspruch einen Mangel an Achtung vor den Prärogativen

und Gerehtsamen des Hauses ausdrücken zu wollen; das ist ganz undenkbar; das ergiebt ih ja auch \ch{on aus der Thatfache allein : die Herren können über alles hier sprehen, und die jedem Abgeordneten gewährleistete Redefreiheit ist ja {hon konstatiert. (Sehr gut !}

Also ih bestreite nit, daß darüber gesprochen werden darf, aber es ist doch ein großer Unterschied, ob alles, was hier gesprochen wird, auch wirkli zu den Gegenständen gehört, über die zu be- rathen und zu beschließen ist, darüber können doch die Meinungen sehr auseinandergehen. Wir unterhalten uns hier nach meiner Ansicht über viele Dinge, die faktisch hier niht gefördert werden. (Sehr gut! rets.)

Was das Kavallerie-Divisionsexerzieren anbetrifft ich habe doch die Ueberzeugung: ih werde wohl nicht in die Lage kommen ; aber wenn ich wirklich genöthigt wäre, den Antrag auf Entwurf eines neuen Exerzierreglements für die Kavallerie zu stellen das ift garnicht denkbar; aber wenn es der Fall wäre, so würde der Herr Abg. Bebel doch wohl nit das Präsidium übernehmen wollen. (Große Heiterkeit.) Also, was follen wir hier darüber beschließen? Der Bedarf in der Armee i} gedeckt.

Die Frage hier zu lösen, wie Kavallerie geführt werden soll oder niht ih bitte um Entschuldigung, wenn ih jemanden verlete, aber ih glaube wirkli, daß das nit hierher gehört.

Nun, der Herr Abgeordnete sagt ja: wir können darüber reden, wir reden über Bußbach und über die Reitschule. Meinetwegen also. Um wieder auf Bußbah zu kommen, dann müßten wir die Herren bitten, uns die Mittel zu bewilligen, um wieder eine Kaserne in Darmstadt zu bauen. Das is eine Geldfrage für das hohe Haus, Aber in Bezug auf das Militär-Reitinstitut haben wir feinen Posten im Etat, wo wir Mittel fordern, um die Kosten zu decken, die etwa der Prozeß verursacht hat. Nein, wir bitten um ih glaube 700 000 Æ, die nothwendig sind für Bauten am NReitinstitut, um die große Zahl der inzwischen hinzugekommenen Offiziere dort unterzubringen.

Sonst wüßte ih weiter nihts, was ih noch zu beantworten bätte. (Heiterkeit)

Abg. Dr. Förster (D. Refp.) tritt dafür ein, daß die Ein- jährig-Freiwillgen, die das Dffizierseramen niht bestehen, ein zweites Jahr nachzudienen haben. Redner hält es für das Beste, wenn das Institut der Einjährig-Freiwilligen überhaupt nicht bestände.

Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Kriegs-Minister Bronsart von Schellendorff:

Ich hatte vergessen, zum Schluß auh noch auf einen Punkt des Herrn Abg. Bebel zu antworten, den er zur Sprache gebracht hat. Der Herr Abg. Bebel meinte, daß meine Angaben nit richtig wären. Jch glaube, er hat es auch nur so gemeint, daß ih mich geirrt hâtte, denn ih habe heute das Zeugniß erhalten, es ist in dem sozialdemoktratishen Zentralorgan heute gesagt : es ist nicht anzunehmen, daß er der Volksvertretung wissentlich unrihtige Angaben machen wird. Ich nehme also an, daß der Herr Abg. Bebel auch von mir nicht angenommen hat, daß ich wissentlih unrihtige Angaben gemacht hätte, wenn ih gesagt habe: „Oppenheimer hätte ihn verleugnet und hätte abgeleugnet, irgend welhe Beziehungen zu ihm zu haben". Ih erlaube mir vorzulesen :

Disziplinaramt der Kaiser - Wilhelms - Universität Straßburg. Straßburg, den 11. Juli 1893. Antoesend: Der Syndikus der Universität Prof. Dr. Otto Mayer,

Protokollführer Dr. Hausmann.

An den Nuhestörungen des 15. und 24. Juni war ih in keiner Weise betheiligt. Am 24. Juni ging ich um #11 Uhr nah Hause, ih kam mit der Polizei in keine Berührung.

In der Taverne alsacienne bin id rie in meinem Leben gewesen.

Mit hiesigen Sozialistenführern verkehre ich nicht. Ich kenne mehrere vom Sehen und mit einem stehe ih insofern in geshäftliher Beziehung, als ih gelegentlich Zeitungen dur ihn beziehe.

Nun ist noch eine weitere Mittheilung, die das Bezirkskommando macht, wonach Oppenheimer wiederholt und bestimmt abgeleugnet hâtte, Beziehungen zu Mitgliedern der fozialdemokratischen Partei zu haben. Also ih glaube do, daß ich nichts Unrichtiges gesagt habe. Dann aber habe ih es bona fide gesagt; denn ich kann nit glauben, daß dies hier Fälshungen find. Jch glaube alfo, es is ein Miß- verständniß Jhrerseits.

Abg. Dr. Osann (nl.) tritt der Ansicht des Abg. Bebel ent- gegen, daß den Lehrern das Privileg des einjährigen Dienstes nicht verliehen werden dürfe. Damit stelle der Abg. Bebel die Lebrer unter ein Ausnahmegeseß.

Abg. Dr. Müller-Sagan (fr. Volksp.): Unter die Zahl der Lehranstalten, welhe Berechtigungszeugnisse zum einjährigen Dienst ausstellen dürfen, find bisher die Schullehrerseminare nicht aufge- nommen. Es fragt sih also, ob die Seminare soweit vorgeschritten sind, um diese Berechtigung fordern zu können. Der Reichstag wird diese Frage zu prüfen haben. So lange das Institut der Ein- jährigen besteht, sollte man es auch den Lehrern zugänglih maten.

Abg. Bebel (Soz.): Was der Abg. Dr. Osann ein unbedingtes Recht jeden jungen Mannes nennt, if in Wirklichkeit an eine Reibe finanzieller Bedingungen geknüpft, welche seine Ausübung für einen großen Theil illusorisch machen. Meine Bemerkungen über das Vater- unser sind von den Abgg. Dr. Förster und Werner mißverstanden worden. Das Vaterunser können Juden und Atheisten nicht beten. Diefe müßten also logisher Weise vom Militär freigelassen werden. Weiter habe ih nichts gesagt. Daß „Das Volk" nicht konservativ sein soll, ist mir sehr erfreulih, aber es ftebt doc einer der nächsten Parteifreunde des Abg. Freiherrn von Manteuffel, Herr Stöcker, in den allerengsten Beziehungen zu diesem Blatte. Die betreffende Notiz war um fo glaubwürdiger, als fie dur die ganze Freise ging, ohne dementiert zu werden. Wir würden eine solche Notiz, wenn sie unbegründet ist, fofort in aller Form desavouiren. Fn {weren Befreiungs- oder Vertheidigungskämpfen hat allerdings der Be der Fähigkeit genügt, um Offizier zu werden, und bat man nicht mit dem Abg. Freiherrn von Manteuffel nach den Eigenschaften gefragt.

Das Kapitel „Kriegs-Ministerium“ wird bewilligt: des- gleihen ohne Debaite die Kapitel „Kassenwesen“, „Jnten- E im preußischen, sächfishen und württembergischen Stat.

Beim Kapitel „Militärgeistlichkeit“ regt der

Abg. Schall (dkons.) eine Vermehrung der Militärgeistlichkeit an; er bittet ferner um Beseitigung der harten Bedingungen, daß die eldgeistlichen bei ihrem Uebertritt in eine Pfarre #ich den Zutritt zur Wittwenkasse dur Nachzahlung der gesammten über 1000 4 betra-

genden Beiträge erkaufen müssen.