1894 / 56 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 06 Mar 1894 18:00:01 GMT) scan diff

wurden, sind folgende Resolutionen gefaßt worden: 1) Die Stundung oder unpünktlihe Zahlung der in Krankheitsfällen aus Gemeinde- mitteln bezahlten Kurkosten entzieht das Wahlrecht nit; vielmehr wird die Berechtigung zum Wählen ersi durch Erlaß oder durch fest- estellte Uneinziehbarkeit dieser Kosten aufgehoben. Die Verfamm- ung ersucht den Magistrat, bei Aufstellung der Wählerlisten den vor- stehenden S ARTen entsprechend verfahren zu wollen. 2) Der Magistrat wird ersucht, Maßnahmen zu treffen, daß bei Verausgabung von Büchern aus den Volksbibliotheken, insbesondere bei Cinforderung von Bürg- E Cnes für dieselben Erleichterungen eintreten. Beim Etat des Fachshulwesens is die Tischlershule von der Stadt neu übernommen worden. Nach den Bestimmungen für dieselbe foll das Kuratorium aus Mitgliedern der Innung gebildet werden. Der Ausschuß hat diese Bestimmung dahin abgeändert, daß das Kuratorium zur Hälfte aus Innungsmitgliedern, zur anderen Hälfte aus Mitgliedern, welche von der Gewerbe-Deputation gewählt werden, zusammengeseßt fein foll. Beim Etat der Hochbauverwaltung is die erste Baurate für den Bau der X. höheren Bürgerschule, Auguststraße 21, mit 15 000 Æ neu zum Etat gebraht worden, da hierfür das Projekt der Versammlung bereits vorliegt; dagegen sind die für den Neubau der X1. Realschule (an der Urbanstraße) eingeseßten 150 000 A4 ge“ strichen worden mit Rücksicht darauf , daß ein Grundstück für das Projekt noch nicht zur Verfügung steht. Die für die Ueberführung des Gewächshauses vom MNieselgut Gütergoß nah dem Treptower

ark in den Etat eingestellte Summe von 10000 Æ hat der Aus-

Guß gestrichen.

Die Wiederkehr jener ernsten Märztage, welhe vor sechs Jahren dem deutschen Volk seinen greisen Heldenkaiser nahmen, erweckt von neuem die Erinnerung an jene Zeit, wo Hunderttausende von Deutschen sih nah dem alten Gotteshaus im Herzen von Berlin drängten, um noch einmal ihren dort aufgebahrten geliebten Herrscher zu sehen. Der Dom, in welchem sih jene bedeutsamen Scenen ereigneten, ist jeßt vom Erdboden vershwunden, jedoch die Quadern, auf welchen der Sarkophag Kaiser Wilhelm's I. stand, wurden in Gedenk- steine verwandelt. Die Huld Seiner Majestät des Kaisers ertheilte einer in unserer Stadt sehr segensreih wirkenden E r Oetmath für junge Mädchen und NeQuen gebildeter Stände“ das Recht, aus jenen Quadern Briefbeschwerer zu fertigen und diese zum Besten der „Heimatb“ zu verkaufen. Das ‘schwer zu bearbeitende Material erlaubte kein \hnelles Anfertigen ; und fo konnten niht immer alle Forderungen nach Gedenksteinen Le werden. Jeßt sind bei den bekannten Firmen, welhe den Verkauf der Denksteine in gütiger Weise übernommen haben, noch einige Hundert von den letzten dieser B rief- beschwerer vorräthig, und angesichts der jeßigen Gedenktage fowie der nahenden Konfirmationen werden uns gewiß manche unserer Leser für diesen Hinweis dankbar sein; denn neben der Erwerbung eines historisch werthvollen Steins fördert man ein Werk der Nächstenliebe. Die Gedenksteine bestehen aus poliertem Marmor oder s{wedischem Kalkstein, sie tragen eingraviert die vergoldete Inschrift „Aus dem Dom zu Berlin. 1747—1892.“ und auf der Nückseite den Stempel „Mit Genehmigung Seiner Majestät des Kaisers und Königs“. Jeder Stein is in einem Holzkisthen postfertig verpackt und dem- selben das „Lied der Domsteine“ von E. von Wildenbruh sowie ein Bild des Domes beigefügt. Der- Preis mit Verpackung beträgt 10 4.

Ueber einen Unglücksfall, der sih Mo früh auf der Stadtba hn ereignete und bei welhem fünf PVeänner sofort getödtet wurden, ein sechster lebensgefährlich verwundet worden ist, entnehmen wir der „Nat.-Z.* nachstehenden Bericht : Am Savigny-Platz, zwischen den Haltestellen Charlottenburg und Zoologischer Garten, befinden sich 4 Gleise, und zwar eins für die Fern- und Vorortzüge der Richtung Charlottenburg Zoologischer Garten, ein zweites für dieselbe Art von Zügen der entgegengeseßten Richtung, ein drittes für Stadtbahnzüge von Charlottenburg und ein viertes für solhe nach Charlottenburg. Gestern Morgen um 74 Uhr hatte eine Kolonne von aht Arbeitern auf dem zweiten Gleise zu thun. Sieben von ihnen unterstopften Schienen und Schwellen, der ahte war mit einem Horn ausgerüstet, um beim Heranbrausen der Züge Warnungszeichen ertönen zu laffen.

Vorortzug nah Erkner von Charlottenburg ab. Als er den Savi D Y überfuhr, ließ der Maschinenführer Dampf ab. Dieser fówohbl, wie der Rauh aus dem Schornstein fenkten n zur Erde, sodaß die aht Arbeiter völlig in eine Dampfwolke gehüllt waren und der Aufseher das Heranfahren anderer Züge nicht wahr- nebmen fonnte. Nun waren sechs Arbeiter dem ausströmenden heißen Dampf dadurch ausgewichen, daß sie. auf das dritte (Stadt- bahn-) Gleise übergetreten waren. Der Hornist war aber in der Nauchwolke geblieben und konnte den von Charlottenburg nah Stralau - Rummelsburg {ih bewegenden Zug nicht bemerken. Als dieser an ihm vorbeisauste, hörte er ein Fiistern und Knattern, als wenn die Näder über dürre Baumzweige hinweggingen. In diesem Augenblick kreuzte ein dritter Zug nach Westend die Stelle. Als sih der auf der Strecke lagernde Rauh verzogen hatte, zeigte sich ein schrecklihes Bild. Im dritten Gleise lagen fünf fürchterlih" verstümmelte Leichen. Dem einen war der Kopf abgetrennt, einem anderen Arme und Beine abgefahren, mehrere waren völlig zermalmt. Zwischen dem zweiten und dritten Gleise lag der 31 Jahre alte Arbeiter Richard Kappel aus der Thurmstraße 12 zu Berlin, der Lebenszeichhen von sih gab und vom sofort unterrichteten vierten Charlcttenburger Polizei-Revier nah dem dortigen Krankenhause gebraht wurde. Nach einer späteren Meldung follen seine Verleßungen nicht lebensgefährliher Natur sein. Todt sind der 68 Jahre alte Arbeiter Eduard Schulz, Aerstraße 132, der %Hiährige Reinhold Gohlke aus Charlottenburg, Nettelbeckstraße 24, der 34jährige Arbeiter Otto Schmidt, Krummestraße 26 zu Char- lottenburg, der 46 Jahre alte Arbeiter von Koßkorowsky aus der Birkenstraße 70 und der Arbeiter Franz Brofssart, Lehrterstraße 14/15. Die zerstreut umherliegenden Körpertheile wurden zusammengetragen und theils * mit Decken, theils mit Kies überdeckt, um dadur den vorüberfahrenden Reisenden den s{chaurigen Anhlick einigermaßen zu entziehen. D Der S zur Fortschaffung der _ Körpertheile nicht ausreihte, so wurde ein großer Möbelwagen zur Stelle geschafft. Auf diesem standen fünf Särge, in welche die Opfer der Katastrophe gebettet wurden. Etwa um 9 Uhr seßte ih der Zug nah dem Friedhof in Westend in Bewegung, wo die Särge in der Leichenhalle vorläufig Aufstellung fanden. Eine genaue Untersuchung. ist bereits eingeleitet. Wie das Königliche Cisenbahn-Betriebsamt (Stadt: und NRingbahn) der „N. A. Z." mittheilt, ist das Unglück dadur herbeigeführt, daß die Arbeiter dem von Charlottenburg um 7 Uhr 11 Minuten abgefahrenen Zug A I. auf Ferngleis Charlotten- burg— Zoologischer Garten auêgewichen und bestimmungs8widrig statt nah der Bahnkante in das Stadtgleis Charlottenburg—Zoologischer Garten übergetreten sind. Infolge des Dampfes der Maschine haben fie den auf diesem Gleise von Charlottenburg kom- menden Südringzug 1215 niht rechtzeitig wahrgenommen und wurden von ihm überfahren. Die Untersuhung is indeß noch nicht abgeschlossen, und es steht noch niht fest, ob auch einem Dritten eine Schuld beizumessen is. Der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Il ist Anzeige erstattet. Wie ein Berichterstatter dem- selben Blatt meldet, spielten sih vor dem Charlottenburger Leichen- \chauhause gestern Mittag ergreifende Scenen ab. Die Angehörigen der Verunglückten waren hier ershienen, um ihre Männer bezw. Näter zu rekognoszieren. Dies war durch die entseßlihe Verstümme- lung der Leichen nahezu unmöglich und kounte nur durch einzelne Theile von Kleidungsftücken überhaupt noch bewerkstelligt werden.

21 jährige

Auf den Antrag der Direktion der Berliner Pferde-Eisenbahn- gesellshaft (J. Lestmann u. Comp. in Charlottenburg) hat die städtishe Bau-Deputation in ihrer jüngsten Sißung beschlossen, bei den Gemeindebehörden die grundsäßlihe Zustimmung zu dem von der Gesellschaft vorgelegten Projekt zum Bau einer neuen Pferde- bahnlinie von der Paulstraße über die Luther-Brücke dur die Bellevue-Allee, über den Kemperplaß dur die Bellevuestraße, über den Potsdamerplaß, durch die Königgräßerstraße (unter Benußung der Gleise der E Berliner Pfetde-Cisenbahngesellshaft) und Zimmer- straße bis zu ihrem Endpunkte an der Lindenstraße zu beantragen.

In der Urania wird morgen, Abends 75 Uhr, Herr Geheimer Regierungs-Rath, Professor Dr. W. Foerster, Direktor der Berliner

Um 7 Uhr 6 Minuten fuhr nun auf dem ersten Gleise der

Sternwarte, seinen im Abonnements-Zyklus hervorragender Gelehrten gehaltenen Vortrag über „Die Bewohnbarkeit der Himmelskörper* wiederholen. Am Donnerêtag Abend hält Herr Spies zum ersten Mal den seit längerer Zeit vorbereitetenExrperimental-Vortrag

„Ueber die magnetische Kraft“.

Im Verlag von Alexius Kießling in Berlin SW., Kleinbeeren-

straße 26, erschien soeben in 7. Auflage: Kießling's Neuer gear Plan von Berlin und den nige egenen Ortschaften im

aßstabe 1 : 15 000, mit Angabe der Weichbildgrenze, des Bebauungs- plans, der Straßen- und Häusernumerierung, der Postbezirke, des vollständigen Pferdeeisenbahn- und Dampfbahnneßes, fowie der Stadt- und Ringbahn-Linie, nah amtlichen Mittheilungen. In sauberem fünffarbigen Dru und kartonniert 2 4, elegant gebunden 25 M, auf Leinwand gezogen und gebunden 4 4, vierfarbig kartonniert 13 4, dreifarbig kartonniert 1 4. Diese neue Auflage des Kießling’schen Plans ist bis auf die neueste Zeit berichtigt und ergänzt worden und zeichnet ih dur große Uebersichtlihkeit und geschmadckvollen Farben- druck vortleilhaft aus.

Posen. Die unmittelbar an die Stadt Posen grenzende Land- gemeinde Jers mit einer Einwohnerzahl von 11 700 Seelen hat seit dem 1. Dezember 1893 eine bisher vorzüglih funktionierende Straßenbeleuchtung eingerichtet. Jhrem Beispiel ist die Ge- meinde St. Lazarus, gleichfalls ein Vorort Posens, gefolgt, welche in wenigen Wochen eine öffentliche elektrische Beleuchtung, verbunden mit einer Quellwasser-Hochleitung, eröffnen wird. Eine gleiche kom- binierte Anlage wird in dem dritten Vororte Posens, der Landgemeinde

Wilna geplant. L

Köln, 5. März. Wie der „Köln. Ztg.“ aus Trier gemeldet wird, is der Kommandeur der 16. Kavallerie-Brigade, Oberst von Voigt auf dem Euerner Exerzierplaß mit dem Pferde gestürzt und hat sih dabei {were Verletzungen zugezogen.

Bochum, 6. März. Nach einer Meldung der „Rhein - Westf. Ztg.“ wurden in der Naht vom Sonntag zum Montag an verschiedenen Stellen der Stadt Dynamit-Attentate verübt. Der Urheber iff in der Person eines 2 jährigen, aus Düsfsel- dorf gebürtigen, seit längerer Zeit von einer benachbarten Zeche ent- lassenen Bergmanns entdeckt worden, welcher bei feiner Verhaftung noch aht s{hußfertige Dynamityatronen in der Tasche trug. Eine weitere Mittheilung des „W. T. B.“ besagt: Im ganzen sind sieben Dynamitpatronen aufgefunden worden. Als Thäter ist gestern Abend der Bergmann Pfeiffer aus Düsseldorf verhaftet worden. Diefer hat auf der Zeche „Carolinenglück“, woselbst er früher Mae war 37 Dynamitpatronen entwendet. Er gestand ein, seine eigentliche Absicht sei gewesen, das neue Landrathsamt in die Luft zu sprengen. Außer auf dem Flur des Landrathsamts wurde auch vor der Wohnung des Polizeisergeanten Bennewiy eine Dynamitpatrone zur Explosion gebracht, wodurch mehrere Fensterscheiben zertrümmert wurden. Ferner wurden an der Treppe des Nathhauskellers und vor dem katholishen Waisenhause je eine, im Briefkasten des Postgebäudes zwei aufgefunden. Wie dem „Bochumer Anzeiger" mitgetheilt wird, soll in der vergangenen Nacht auh in Hamme eine Explosion stattgefunden haben.

Leipzig. Der Verband der Elektrotechniker Deutsch- lands wird scine zweite ordentlihe Jahresversammlung in der Zeit vom 8. bis 10. Juni in Leipzig abhalten. Die Tagesordnüng wird demnächst bekannt gemacht ; es wird jedo {hon jeßt mitgetheilt, daß Herr Gisbert Kapp, der bekannte Elektrotechniker, welcher zur Zeit in England lebt und als General-Sekretär des Verbandes in Aus- sicht genommen is}, einen Vortrag halten wird. Die Leipziger Elektrotechnishe Gesellschaft und der Leipziger Elektretechnishe Verein find zu einem Festausshuß zusammengetreten, der das Festprogramm in nächster Zeit veröffentlichen wird.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten

Beilage.)

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Stationen. Wetter.

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Bar. auf 0 Gr. Temperatur | og =4°R.

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halb bed. wolkig bedeckt 3/Schnee !) Schnee Schnee bededckt . heiter

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2) Nachts Regen. 2) Nachmittags 5) Nachts Schnee. 8) Gestern

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Sie v'A a E Ee oes 1) Dunst. Regen. #4) Nachts Regen. 6) Gestern Graupeln. 7) Früh Schnee. Regen und Graupeln. Uebersicht der Witterung.

Ein tiefes barometrisches Minimum von etwa 735 mm, ostwärts fortschreitend, liegt über der nördlichen Nordsee und veranlaßt stürmische westliche und nordwestlihe Winde über den Britischen Inseln und stark auffrishende südlihe und südwestliche Winde im westlihen Deutschland. Am höchsten, über 770 mm, is der Luftdruck über Südwest- rankreih. In Deutschland is} bei ziemlich starker uftbewegung aus vorwiegend südlicher und südwest- licher Richtung das Wetter trübe, regnerisch und durchschnittlih etwas kälter; am meisten Regen ist in den nordwestlihen Gebietstheilen gefallen; im Binnenlande fanden vielfah Nachtfröste statt. Im nordwestlichen und zentralen Rußland i} wieder

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M D O, s i D L P O

Theater - Anzeigen.

Königliche Bchauspiele. Mittwoch: Opern- haus. 59. Vorstellung. Die Medici. Historische E in 4 Akten, Dichtung und Musik von R. Leoncavallo. Uebersezung von Emil Taubert. Tanz von Emil Graeb. In Scene geseßt vom Ober-Regisseur Teblaff. Dirigent: Kapellmeister Sucher. Anfang 74 Uhr. : j

Schauspielhaus. 66. Vorstellung. Neu einstudiert: Die Hermannsschlaht. Ein Drama in 5 Auf- zügen von Heinrich von Kleist. In Scene geseßt vom Ober-Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr. Donnerstag: Opernhaus. 60. Vorstellung. Jn deutscher Sprache. Falstaff. Lyrische Komödie in 3 Akten von Giuseppe Verdi. Text von Arrigo Boito, deutsch von Max Kalbeck. Slavische Brautwerbung. Tanzbild von Emil Graeb. Musik komponiert und arrangiert von P. Hertel.

Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 67. Vorstellung. Faust von Wolfgang von Goethe. Der Tragödie erster Theil. Die zur s gehörende Musik von Anton O Radziwill und von Peter Joseph von Anfang 7 Uhr.

indpaintner.

Deutsches Theater. Mittwoch: Zum 50. M. Der Herr Senator. Anfang 7# Uhr.

Donnerstag: Der Herr Senuator,

Freitag: Der Talisman.

Berliner Theater.

Anfang 7ck Uhr. Donnerstag: Ein Tropfen Gift. Freitag: 28. Abonnements-Vorstellung.

Richard Alx. (Ludwig Barnay.)

Mittwoh: Narzife.

König

Lessing-Theater. Mittwoch u. folgende Tage: Mavame Sanus-Gêne.

Wallner-Theater. Mittwoh: Mauer- blümchen. (Leßte Wiederholung). /

Friedrich - Wilhelmstudtisches Theater. Chausseestraße 25. Mittwooch:

Sag, perette in 3 Akten von Hermann Hirschel. ußik von F

In S seßt Julius Frig\ce it : n Scene gefeßt von Julius Friß)cche. rigent : Herr Kapellmeister Federmann. Anfang 7x Uhr. Donnerstag: Brautjagd. /

Residenz-Theatex. Direktion: Sigmund Lauten- burg. Mittwoch: Zum 16. Male. Der Masken- ball (Veglione), Schwank in drei Akten von Alexandre Bisson und Albert Caró. Deutsch

von Benno Jacobson. Regie: Hermann Haack.

1 Akt, nah dem Französischen des R. Dreyfuß, von Maximilian Bern. Anfang 74 Uhr. Donnerstag und folg. Tage: Dieselbe Vorstellung.

Ueues Theater. Direktion: Sigmund Lauten- burg. Mittwoch: Z. 21. Male. A Bass0 Porto. Scenen aus dem neapolitan. Volksleben in 3 Akten von Goffredo Cognetti. Deutsch von Emil Dürer. In Scene geseßt von Sigmund Lautenburg. Vorher: Lolotte. Schwank in 1 Akt von H. Meilhac und Ludwig Halcvy. Deutsh von Josef Grünstein.

Anfang 7 Uhr. Donnerstag: Zum 1.Male. MargueriteBernard.

Schauspiel in 4 Akten von Fred. Carmon. Deutsch von Paul Blo.

Viktoria-Theater. Belle - Allianceftrafie 7/8. Mittwoch: Mit vollständig neuer Ausstattung. Der Südstern. Ausstattungstück mit Gesang und großem Ballet. Anfang Uhr.

Thegter Unter den Linden. Mittwoch: Der Obersteiger. Anfang 7 Uhr.

Adolph Ernst-Theater. Auf Wunsch Seiner Königlichen Hoheit des Herzogs Alfred von Sachsen- Coburg-Gotha findet am Mittwoch eine Aufführung von Charley’s Tante mit den Mitgliedern des Adolph Ernst-Theaters im Hof-Theater zu Gotha bie Die Vorstellung fällt daher an diesem Tage ter aus.

Der Billet-Vorverkauf zu den nächstfolgenden Tagen findet ununterbrohen von Vormittags 10 Uhr ab an der Theaterkasse statt.

Donnerstag: Charley's Tante. Vorher: Die Bajazzi.

Pentral-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Mittwoch: Zum 2. Male. Novität! Ein ge- sunder Junge. Posse mit Gesang und Tanz von Fean Kren. Musik von Julius Einödshofer. An- fang 7F Uhr.

Donnerstag: Ein. gesunder Junge.

_ Konzerte.

Konzert-Haus. Mittwoh: Karl Meyder- Konzert. Ouv. „Der shwarze Domino“" von Auber. „Santa Chiara“ von L. H. z. S. „Frau Meisterin“ von Supp6ó. „Unser Liebling“, Walzer von Loepke. Polonaise von Stôr. Phantasie aus „Der Prophet“ von Meyerbeer. 1. Ung. Rhapsodie f. d. Violine

Sing-Akademie. Mittwoch, Abends 74 Uhr: 111. Abonnements-Konzert. Flor. Zajic u. Heinr. Grünfeld, unter güt. Mitwirkung der Konzertsängerin Fräulein Clara Polscher aus Leipzig.

Birkus Renz (Karlstraße). Mittwoch, Abends 74 Uhr: Auf auf zur fröhlichen Jagd. Par- force- und Kaskadenritt. Ballet von 100 Damen. Meute von 40 Hunden. Außerdem: der ostpreußische Hengst Blondel, vorgeführt von Herrn R. Renz; Mikado und der Steiger Solcn, geritten von Frau Nenz-Stark; das Schulpferd Kandelaber, geritten von Herrn Ernst Renz; die ikarishen Spiele in der Luft, ausgeführt von der Troupe Daineff; die hervorragenden Handakrobaten Gebr. Detroit ; Mr. Lavater Lee 2c. Donnerstag: Auf auf zur fröhlichen Jagd.

Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Margot Becker mit Hrn. Lieut. Alfred Schroeder (Stralsund). Frl. Käthe Hoppenrath mit Hrn. Rittergutsbesiver Georg Friße (Lankow—Dammen, Kreis Stolp). —Frl. Gertrud von Heineccius mit Hrn. Prem.-Lieut. Ludwig Holy (Rastatt). /

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Grafen von Schwerin (Potsdam). Eine Tochter: Hrn. Ritter- gutsbesißer Bernhard Frhrn. von Minnigerode (Silkerode-Allerberg). Hrn. Gymnasiallehrer Dr. F. Schwarz (Rosto). :

Gestorben: Hr. Ober - Regierungs - Nath a. D. Wilhelm Dietlein (Wiesbaden). Hrn. von Weiher-Gr. Boshpol Sohn Georg (Hohenhonnef am Rhein). Hr. Superintendent Hermann Schrecker (Seehausen i. A.). Fr. Auguste von Engelbrecht, geb. von Vietsh (Düsseldorf). Hr. Lieut. a. D. Georg von Livontius (Goldau). -Hr. Ober - Forstmeister Matthias Karl August Friedri Wellenberg (Marienwerder). Hr. Lieut. a. D. Oscar von Kleist (Görliß). Hr. Oberst- Lieut. z. D. Carl Ludwig Friese (Königsberg i. Pr.).

Redakteur: Dr. H. Klee, Direktor.

Berlin: ————— Berlag der Expedition (S holz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags- Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32, Acht Beilagen (einschließlichq Börsen-Beilage),

sowie die Inhaltsangabe zu Nr. 6 ves öffent- lichen Angen (Kommanditgesellschaften auf Aktien und Aktiengesellschaften) für die Woche

von Hauser (Herr Neumann). „Deine blauen Augen“

ziemlich strenge Kälte eingetreten; Archangelsk meldet 284 Grad. Deutsche S eewarte.

Vorher: Vermischte Auzeigeu. Schwank in

für Piston von Bohm (Herr Werner).

vom 26, Februar bis 3. März 1894,

Deutscher Reichstag. 63. Sißung vom Montag, 5. März, 2 Uhr.

Uober den Beginn der Sihung is} bereits in d nmer vom Monta berichiét Can Sd nid aaen Mie ean kurz erwähnte Rede, mit welcher der Königlih preußishe Kriegs - Minister - Bronsart von Schellendorff, bei Fortseßung der zweiten Berathung des Militär-Etats, über das Kapitel „Militär-Justiz- wesen“ auf die Ausführungen der Abgg. Bebel und Len z- mann vom Sonnabend antwortete, hat folgenden Wortlaut.

Königlich preußisher Bevollmächtigte r Kriegs-Minister N art von S Renten D

Meine Herren! Ich habe nah der persönlichen Bemerkung des Herrn Abg. Lenzmann am Sonnabend niht wieder das Wort er- beten, um nicht die Diskussion von neuem zu eröffnen. Jh hatte den Eindruck, daß das hohe Haus befriedigt war, und ih war es auch. Ich benußte diese Gelegenheit, die erste, die sih mir bietet, um dem Herrn Abg. Lenzmann es auszudrücken, daß ih nicht im ent- ferntesten die Absicht hatte, ihn irgendwie zu kränken. Jh thue das um fo lieber, als er mir selbst in liebenswürdigster Weise zu er- kennen gab, daß auch seinerseits nicht im entferntesten daran gedacht war, mir irgend etwas Böses sagen zu wollen.

Ich bemerke nur beiläufig: Die Tonart in Moll is mir lieber als die in Dur, weil ih in ersterer immer den Eindruck habe, mi leihter mit jemand in ernsten Dingen verständigen zu können. Jch habe das namentlich in der Kommission erfahren, da if es mir allerdings auch passiert, daß ih erfahren mußte, daß man felbst mit den fanftesten Mollaccorden einem Fraktionsbes{chluß gegenüber mahtlos ist. Das ficht mih aber nicht an.

Ich komme nun zunächst zurück auf den Rest der Nede des Herrn Abg. Bebel und ih muß da noch einmal eingehen auf den Fall Kirchhoff, den ih eingehend bereits beleuchtet habe.

Zunächst, meine Herren, is am Sonnabend unmittelbar nah der Sißung hier im Hause die Frage aufgeworfen: Wie ift es denn überhaupt möglih gewesen, daß eine solche Notiz, wie sie im „Berliner Tageblatt" stand, überhaupt darin erscheinen konnte? Die Antwort i} sehr einfa zu geben: Ein erbärmliher Mensch, der sich auch andere Verfehlungen hatte zu Schulden kommen lassen, er- fand die Geschichte und verbreitete sie in seinen Kreisen. Da kam sie auh an das „Berliner Tageblatt“. Hinterher hat der Mann vor Gericht einfa eingestanden, daß er die ganze Geschichte erfunden, daß sie erlogen und erstunken war. (Hört, hört!) Das ist doch empörend, meine Herren, und da werden Sie sih doch niht darüber wundern, wenn ih einmal erregt bin. Wenn der Herr Abg. Bebel z. B. sagt, ih lasse es dahingestellt, ob es wahr oder niht wahr is der Herr Abg. Bebel hat es nicht gewußt, und nun er es weiß, wird er es auch wohl nicht mehr sagen. Aber ih sage nur, wenn ih einmal erregt bin, können sich die Herren nit darüber wundern.

Der Herr Abgeordnete hat es dann abfällig kritisiert, daß von

Allerhöchster Stelle dem General Kirhhoff mildernde Umstände zuge- billigt sind. Meine Herren, das Necht der Begnadigung und der Ver- leihung von Dekorationen ist ein souveränes Recht Seiner Majestät des Königs von Preußen, über das hier im hohen Hause keine Kontrole geübt werden darf. Wenn es troßdem geschieht, wenn unter dem Schuß der Nedefreiheit darüber gesprohcn wird, meine Herren, dann protestiere ih dagegen, als gegen einen Eingriff in die Nechte der Krone Preußens. (Bravo! rechts.) Meine Herren, man beruft ih sehr oft auf die öffentlihe Meinung; ih berufe mi auf das öffentliße Gewissen. Ih behaupte, daß in diesem Prozeß, wenn er vor einem Geshworenen- gerihte verhandelt wäre, der Herr General Kirchhoff freigesprodhen wäre (sehr richtig! rechts), und ganz sier, wenn er die Freude gehabt hâtte, vertheidigt zu werden, z. B. von dem Herrn Abg. Träger oder dem Herrn Abg. Munckel, dann wäre er zweifellos freigesprochen worden. (Heiterkeit rets, Unruhe links.) Meine Herren, wir durften das garnicht. Er ist nach Gesetz und Recht verurtheilt, und darum bitte ich Sie, meine Herren, schelten Sie nicht zu viel auf unser allerdings reformbedürf- tiges Verfahren. Vor allen Dingen bitte ih Sie, meine Herren von der sozialdemokratishen Seite, tasten Sie niht das Recht der Krone an, Gnade zu üben! Sie können garnicht wissen, meine Herren, ob Sie es nicht selbs dermaleinst dankbar empfinden werden, wenn dann das Recht der Krone, Gnade zu üben, noch besteht. (Lebhafte Bewegung. Bravo! rets.) Der Herr Abg. Bebel is nachher in seiner Rede zurückgekommen auf die Militär-Strafprozeßordnung. Er hat gesagt das war ungefähr der Sinn seiner Worte der gute; Eindruck, den ih bisher auf ihn gemacht bâtte, wäre durch meine Aeußerungen über den Gegenstand ershüttert. Nun, meine Herren, ih muß Trost in der Erkenntniß suchen, daß einige von den Herren wieder mit meinen Aeußerungen zufrieden gewesen sind. (Bravo! rechts.) Es Allen recht zu machen, das betrahte ih auch niht als meine Aufgabe; der Eine oder Andere wird doh nicht zufrieden sein. / Dann hat der Herr Abg. Bebel sich auch verbreitet über das Befchwerdereht ; da verwahre ih mich vorweg dagegen, daß, wenn das Béeschwerdereht geändert werden \ollte, und etwa gar in nächster Zeit, es dann nicht geschicht auf Anregung des Herrn Abg. Bebel. Derselbe nimmt einen Standpunkt ein, auf den ih mich nicht stellen , selbst nicht einmal vorübergehend stellen kann. Er nimmt an, daß die Soldaten, welhe Zeugen einer Mißhandlung gewesen seien, vor Gericht die Wahrheit verschweigen und die Unwahrheit sagen werden aus Furcht, nachher es eingetränkt zu bekommen. Meine Herren, dann müßten sie cinen Meineid leisten; der Herr Abg. Bebel, sage ih, kennt unsere Einrichtungen wieder niht und au nicht die Ehr- liebe unserer Soldaten.

Ueber die Frage, wie jemand, wenn er \ich mißhandelt sich zu verhalten hat, hat der Herr Abg. Bebel m a V Ea gaben oder wenigstens Angaben gemacht, bei denen er sich irrt. Es steht dem Mann frei, sih zu beshweren; er kann die Beschwerde uh zur Geltung bringen. Aber das ist do ein sehr großer Unter-

: Erste Beilage zum Deulschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

. M2 96.

Berlin, Dienstag, den 6. März schied, wenn Sie sagen : der Mann wird bestraft, sowie er sich beshwert, und er wird bestraft, wenn er \sich nicht bes{chwert! Ja, Herr Bebel, Sie haben es so ausgedrückt; Sie haben gesagt, wenn er ih nihti beschwert wegen erlittener Mißhandlungen, so wird er bestraft, und er wird au im anderen Falle bestraft, wenn er sich be- {wert ; denn bei den erlittenen Mißhandlungen, meint er, passiert es jedesmal, daß die Sache fo und so hingestellt wird, die Zeugen sagen falsch aus; {chließlich ist der Kläger derjenige, der verurtheilt wird, weil er die Unwahrheit gesagt hat. Ich will auf die Sache jeßt nicht weiter eingehen; ih komme vielleiht darauf noch einmal zurü.

Der Herr Abgeordnete hat sodann die Frage der Meißhand- lungen besprohen und eine ganze Reihe Fälle angeführt. Diese Mißhandlungen werden nit ressortmäßig im Kriegs - Ministerium erledigt, sondern bei den Kommandobechörden und den ordentlichen Gerichten ; der Herr Abgeordnete kann nit von mir verlangen, daß ih mir bereits sämmtliche Akten darüber hätte kommen lassen, um fie darauf hin zu studieren, in wie weit die Angaben, die er hier gemacht hat, rihtig, übertrieben oder entstellt sind; natürlih nit vom Herrn Abg. Bebel, sondern von denen, die ihn mit den Nachrichten versehen haben. Ja, meine Herren, ih kann mir von der Erörterung solcher Spezialfälle hier überhaupt keinen Nutzen versprehen. (Sehr richtig! rechts.) J will das auch glei an einem Beispiel erläutern. Nehmen Sie z. B. den Fall Frey. Der Herr Abg. Bebel hat selbst am Sonnabend in sehr dankenswerther Weise erklärt, daß er sih geirrt hat. Jch finde aber doch, daß diese Erklärung etwas spät abgegeben ist. (Sehr richtig! rets.) Der Vauptmann Frey war durch die Darlegung des Heren Abg. Bebel doch fehr {wer angegriffen. Nun bin ich ganz fest davon überzeugt, daß im gewöhnlihen Leben der Abg. Bebel, der für Höflichkeit ein so feines Verständniß hat, jeden, dem er unabsichtlich weh gethan hat, fokort um Verzeihung bitten würde. Ich habe nicht erfahren, daß er dies dem Herrn Hauptmann Frey gegenüber gethan hätte. Der Herr Abg. Bebel hat nachher hier er- flärt, daß es si bei der ganzen Sache um ein Mißverständniß handelt. Er hat gesagt, er sei mystifiziert. „Mystifiziert“ finde ih eigentlich sehr zart ausgedrückt; denn, wenn jemand eine Mittheilung bekommt, wie sie Herr Abg. Bebel von einem Schreiber erhielt, wenn jemand darin nicht bloß die Unwahrheit schreibt, sondern einen chrenwerthen Offizier auf das allers{hwerste verleumdet, dann, glaube ich, könnte man sih auch anders auédrücken und auf gut deutsch sagen: „gröblih belogen“; aber ich will zugeben, man kann auch fagen „mystifiziert“. (Heiterkeit.) Nun habe ih hier vor mir den \teno- graphischen Bericht und au die Aussagen des Herrn Abg. Bebel vor Gericht. Da hat nun der Herr Abg. Bebel hier gesagt :

Im übrigen muß ih bemerken, daß die Thatsachen wohl nah den Militärakten sih so darstelle, wie sie der Herr Kriegs- Minister angab, daß aber nah den! Mittheilungen, die darüber in die Oeffentlichkeit dur die Zeitungen gelangt find, und nah den Nachrichten, die mir von Personen zugegangen sind, die an den Vorgängen direkt betheiligt waren, die Sache sfih wesentli anders darstellt.

In der Ausfage, die Herr Abg. Bebel später vor Gericht machte, lauten die Worte etwas anders; kurz, es deckt sich nicht ganz genau, was hier im Reichétag gesprochen wurde und was er später sagte. Ich brauche die Aussagen wohl nicht vorzulesen; es ist auch vollständig ausreichend, daß der Herr Abgeordnete erklärt, es hat ein Mißverständniß seinerseits vorgelegen, und er hat nicht sagen wollen, was er wirklih gesagr hat, und das finde ich in der Hitze der Debatte begreiflih und erklärlih. Jch frage nur: wer hat von dieser Erörterung des ganzen Falles einen Nutzen ge- habt? 1) Das hohe Haus hat sich am 10. und 21. März v. J. und am 3. März d. J., ‘sowie am heutigen Tage mit der Sache beschäftigt. Ich hoffe, für diese Session ist die Sache erledigt. 2) Der Hauptmann Frey is sehr shwer verleumdet und angegriffen worden. Die Mittheilung hat in tausend Blättern gestanden, sie ist

und ein großer Theil hat es geglaubt, jedenfalls bis zum Sonnabend? glaubt es aber vielleiht auh heute noch. Angenehm ist das für den Offizier nicht gewesen. Mein Herr Amtsvorgänger, der General von Kaltenborn, hat es hinnehmen müssen, daß seine amtlihen Angaben angezweifelt wurden. Lieb wird es ihm auch niht gewesen fein: Der Herr Abg. Bebel hat die ganze Sache zurückgenommen, angenehm wird es ihm ebenfalls niht gewesen sein, und ih, meine Herren, ih muß die ganze Geschichte hier zu Ende führen. Vergnügen habe ih auch nicht davon. (Heiterkeit. Sehr gut! rechts.) Nun frage ih die Herren ganz höflih: wer hat denn Nutzen von der Sache ge- habt? Niemand! Das hohe Haus, der Hauptmann Frey, der frühere Kriegs-Minister? Der Herr Abg. Bebel und ih, wir haben die Geschichte ausbaden müssen.

Nun muß ih sagen, bei den Mißhandlungen kann es sich doch wirklih nur darum handeln, zu fragen, wie denkt die Militärver- waltung darüber. Es handelt sih hier um Verbrehen und Ver- gehen, die auch anderwärts bestraft werden, die man zu vermeiden und abzuwenden suht. Da kann ih nur sagen, daß die höheren Kommandobehörden und ih persönlih niht nur, sondern auch alle unsere Offiziere auf dem Standpunkt stehen, daß die Mißhandlungen auf das allershärfste zu verurtheilen sind. Denn der Mißhandelte ist immer ein Wehrloser; wir bestrafen deshalb auch die Mißhand- lungen ftrenger, als es in analogen Fällen von den Zivilgerichten geschieht, und wir vershärfen diese Strafen noch durch eine ganze An- zahl von Disziplinarmaßregeln, unter denen neuerdings die Beseitigung des Angeschuldigten mit die gebrauchteste ist. Das if unter Umständen eine sehr harte Strafe, denn der Betreffende verliert gleichzeitig die partiell bereits erworbenen Ansprüche auf Zivilversorgung. Das ist uns aber ganz gleihgültig, wir wollen , die Mißhandlungen ausrotten, denn Seine Majestät befiehlt es und da we.cka wir es auch thun. Es ist ja richtig, die Zahl der Mißhandelten is immer noch für mein Ge- fühl eine viel zu große ; aber ich will doch einige Zahlen anführen,

aus denen die Herren ersehen werden, daß die Bestrebungen, dem

von Hunderttaäufenden von Lesern gelesen und weiter verbreitet; ja, *

1894,

Nebel zu steuern, nicht ganz ohne Erfolg geblieben find. Wir haben im Jahre 1830 nach Prozenten 1,41, 1891 1,28, 1892 1,28, 1893 1,14. Es ift alfo ein stetes Fallen doch wahrzunehmen. Nun, meine Verren , aus diefer erfreulihen Thatsache glaube ih doch den Schluß ziehen zu dürfen, daß es uns möglich sein wird, die Zahl weiter herabzudrücken. Daß wir auf Null kommen werden, das kann ih natürlih nicht verbürgen. Ih würde aber die Garantie dafür übernehmen, wenn einer von den Herren mir ein Mittel angeben könnte, wie man den Gefreiten vor der Beförderung zum Unteroffizier daraufhin prüfen könnte, ob er befähigt ist, bei der Verwendung in diesem Verhältniß Mißbrauch von seiner Gewalt zu machen. Meine Herren, wer das. Mittel erfände, würde in furzer Zeit ein reiher Mann werden; es würde in den ersten drei Tagen vergriffen sein, namentlich unsere Kompagnie- Schwadrons- und Batteriehefs würden sih darum reißen, denn gerade diese Herren leiden am meisten darunter und empfinden es am {chmerzlichsten, wenn sie sih in der Wahl einer Person getäuscht haben. Bedenken Sie, meine Herren, - daß es sehr viele Menschen giebt, deren angeborene oder anerzogene Rohheit, deren gewaltthätiger Sinn lange verborgen bleibt und immer erst zum Ausdruck kommt wenn ihre Nehte und Freiheiten vermehrt werden. (Lebhafte S stimmung rechts.) Das müssen Sie bedenken und das werden die Herren selbst hon erfahren haben bei anderen Gelegenheiten. Uebrigens war es mir fo, als ob der Herr Abg. Bebel dem Gedanken Aus- druck geben wollte ich kann mich in der Beziehung aber geirrt haben, dann bitte ich um Entschuldigung —, als gäbe es immer noch Einige, die den Unteroffizieren vorgesetzt sind, die annehmen, daß die Mißhandlung ein legitimes Ausbildungsmittel sei. Meine Herren, das würde gegen die gesunde Logik, gegen den Menschenverstand verstoßen. Wir verfolgen bei der Ausbildung nit nur das Ziel, den Mann tehnisch zum guten Schüßen, zum guten Reiter auszubilden, sondern auch zum ehr- liebenden braven Soldaten zu machen, und wenn er diese guten Eigen- schaften mitbringt, wollen wir diese im Soldatenstande noch weiter fördern. Wir verlangen von dem Soldaten, daß er wirklich bereit set jeden Augenblick das Leben zu lassen für König und Vaterland, en Vorgeseßten überall zu folgen und ihn nicht zu verlassen in Noth und Gefahr, stets bestrebt zu bleiben, dem Feinde immer nur das Weiße vom Auge und nie den Rücken zu zeigen; er soll unentwegt und fest bleiben gegenüber den Verlockungen derer, die die bestehende Gefellshaftsordnung beseitigen, Thron und Vaterland umstoßen wollen (Beifall rets); er soll fest und unentwegt bleiben gegenüber den Verlockungen, namentli einer Partei, natürli außerhalb des Hauses die sich nit entblödet, den Soldaten zum Bruch des Fahnencides aufzufordern. Diesen Forderungen entsprehen und diesen Verlockungen widerstehen nur ehrliebende Soldaten. Wir würden gegen uns felbst wirken, wenn wir nicht danach trachteten, ehrliebende Soldaten zu erziehen. Nur verkommene, heruntergekommene Soldaten, auh solche, denen durch Mißhandlung vielleicht das Ehrgefühl ausgetrieben ist, fallen jener Partei in die Hände, von der ih vorhin gesprochen habe. (Sehr richtig! rets.)

Nun, meine Herren, ich will die Armee gar nicht mit einer Werkstatt oder Fabrik oder irgend einem anderen Betriebe vergleichen ; aber das werden mir die Herren von der Sozialdemokratie, die das praktische Leben nach dieser Richtung hin kennen, zugeben: kommt es dort nicht auch vor, daß Leute, die die Gewalt haben, Mißbrauch da- mit treiben? (Sehr richtig! rechts.) Das i} zwar aufs äußerste zu beklagen. Wir wollen es jedoch ändern und werden es ändern, und die Mißhandlungen werden in der Armee zurückgehen: und das ift die Hauptsache.

Außerdem bedenken Sie und vergessen Sie nicht, daß wir auch gewisse Schwierigkeiten zu bekämpfen haben, die Ihnen vielleiht un- bekannt sind. JIch möchte nur hinweisen auf ein paar Zahlen ih meine die Verrohungsstatistik. Wir sind seit dem Jahre 1882 bis 1890 in Bezug auf einfahe Körperverlezung immer auf 100 000 der Bevölkerung von 36 auf 44 gestiegen; wir sind in Bezug auf gefährlihe Körperverleßungen von 84 bis auf 124 ges stiegen und, was Sachbeschädigung anbetrifft, von 25 auf 28. Jh fühle mich gar nit berufen, hier zu erörtern, worauf diese Zu- nahme der Verrohung zurückzuführen is; aber ih möchte doch das Eine hervorheben: wir müssen mit diesen Zahlen im prozentualen Ver- hältniß rechnen, auch bei dem jungen Zuwachs, den wir alljährlih be- kommen und aus dem wir nuc wählen können.

Dann hat \{ließlich der Herr Abg. Bebel si noch über die Selbstmorde verbreitet und diese in Verbindung mit der Soldaten- mißhandlung gebraht. Ja, neu ist diese Behauptung nit, und fie ist namentli häufig hon von sozialdemokratischer Seite aufgestellt worden, aber irrthümlich.

Dex Herr Abgeordnete hat si bei der Gelegenheit auf die An- gaben einer Arbeit berufen, die kürzlih über die Selbstmorde in der Armee erschien und, auf streng wissenschaftlihem Boden stehend, den Gegenstand auch vom ärztlichen Standpunkt aus beleuchtet und be- trahtet hat. Da is es mir wirklich ein Räthsel, wie der Herr Abgeordnete die Schlüsse ziehen“ konnte, die er hier vortrug. Von dem Erscheinen der Brofhüre an habe ich noch keinen Menschen gefunden , der niht gerade das Gegentheil von dem gefolgert bätte, was der Herr Abgeordnete Bebel sagt. Er ist da, glaube i, in einem Punkte in einem Irrthum. Er sagt: Euere Angaben sind fals, total falsch; er sagt, wir hätten in den Angaben eigentli eine wissentlihe Täushung publiziert. Ja, das finde ih nit {ön. (Heiterkeit.) Die Selbstmorde in der Armee werden ganz anders untersucht als die in der bürgerlichen Be- völkerung; jeder Selbstmord wird gerihtlich genau unter- suht auf die Motive, die dem Selbstmord zu Grunde gelegen haben; es werden die Zeugen, das heißt die, welche Auskunft geben können über die vermuthlihen Motive, gerichtlih vernommen, und es wird über jeden Fall ein Aktenstück angelegt. Das geht in das General-Auditoriat, welches die Sache eingehend prüft und, wenn noch. irgend ein Zweifel ist, neue Erhebungen vornimmt. Nun weiß

ih nicht, wie der Herr Abg. Bebel da glaubt, daß wir dabei falsche