1894 / 58 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 08 Mar 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Die Königliche Eisenbahn-Direktion in Köln (rechtörbeinische) T

macht bekannt, „daß für den Personen- und Gepäckverke mit London über Ines vom 1. April d. I. ab erheb- li ermäßigte Tarif Ide que Einführung gelangen. Wie uns mitgetheilt wird, werden die Ermäßigungen fac einzelne Verkehrs- beziehungen bei einfaher Fahrt in L. lasse etwa 18 Æ, in II. Klasse eiwa 15 M, bei Hin- und Rüfahrt in 1. Klasse etwa 25 4, in Il. Klasse etwa 21 A betragen.

Bremen, 8. März. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Postdampfer „Graf Bismarck" ist am 6. März Vormittags in Dporto angekommen. Der Reichs-Postdampfer „Gera“ ist am 6. März Nachmittags in Suez angekommen. Der S(hnelldampfer „Spree" ist am 7. März Vormittags von Genua nach New-

orf abgegangen. Der Postdampfer „Berlin“ hat am 7. März

achmittags die Reise von Antwerpen nah Corunna fortgesetzt. Der Postdampfer „Pfalz“ is am 4. März in Montevideo an- gekommen. Der Postdampfer „Roland“ ist am 7. März Nach- mittags mit voller Ladung, bei 174 Fuß Tiefgang, im hiesigen Frei- hafen angekommen.

London, 7. März. (W. T. B.) Der Uniondampfer «Tartar“ ist heute auf der Ausreise von Madeira abgegangen.

Theater und Musik.

Königliches Schauspielhaus. L Heinrih von Kleist’s geshihtliches Drama „Die Hermann- \chlacht“, das gestern neueinstudiert in Scene ging, bedeutet für die Königlichen Bühnen einen neuen {chönen Erfolg. Die dichterische Schönheit der Sprache, die ursprüngliche Kraft der Leidenschaft und realistishe Entwickelung der Charaftere des Schauspiels machten im Verein mit dem patriotischen Grundgedanken der Handlung im ganzen einen erhebenden Eindruck auf die Zuschauer; aber auch die einzelnen Scenen waren von großer Wirkung, wozu die kunstsinnige Insce- nierung und die zumeist vortreffliche Darieilung gleichmäßig beitrugen. Fesselnd hoben si die idyllishen Scenen in E Hause von den gewaltigen politishen Vorgängen und den Ausbrüchen der Volks- Teidenschaft ab. Die Mafsenentfaltungen und das ganze scenische Bild im Teutoburger Wald waren von berückender geheimnißvoller Schönheit. Die Hauptdarsteller machten sich fast alle gleihmäßig verdient um den Erfolg der Vorstellung; in erster Linie aber fanden die Rollen Hermann's und Thusnelda's in Herrn Matkowsky und Fräulein Poppe ausgezeihnete Vertreter. Herrn Matkowsky gelangen die launigen Momente fast mehr als die ernsten und leidenschaftlichen, die ihn zuweilen zur Ueberstürzung der Worte verleiteten; aber im ganzen bot der Darsteller ein volles und klares Bild des für sein Vaterland be- en und opferfreudigen Helden und Fürsten. Fräulein Poppe steigerte die Kraft und Wirkung ihrer Rolle von Scene zu Scene ; erschien ihre Seele anfangs fast zu weich und weiblich, so wuchs sie in der großen Scene, die des Ventidius Geschick entscheidet, zu männlicher Kraft und Bestimmtheit. Einen derben, aber natürlihen und eindrucksvollen Marbod gestaltete Herr Molenar, und Herr Purschian brachte den treuen und muthigen Jüngling Luitgar prächtig zur Geltung. errn Klein gelang der Ausdru der etrva in der Varus- rsheinung und in der Ee vortrefflih; auch alle übrigen mit- wirkenden Künstler verdienen Anerkennung.

Konzerte.

Das dritte Abonnements-Konzert der Herren Florian Zajíc und Heinrich Grünfeld, welches gestern im Saal der Sing- Akademie unter zahlreiher Betheiligung des Publikums stattfand, wurde mit dem selten * gehörten Oktett (op. 20) für vier Violinen, zwei Bratschen und zwei Celli von Mendelssohn eröffnet. Die Aus- führung, bei der sih Fräulein Baginsky (zweite Violine) und die Herren e (dritte Violine), Pflug (vierte Violine), Krelle (erste Bratsche),

iggers (zweite Bratsche) und Herr B. Schmidt ‘als zweiter Cellist den Konzertgebern angeschlossen hatten, war eine präzise und \{wungyvolle. L _Dajíc spielte hierauf zwei ges{chmackvolle Violinsoli von . Ries und Leclaire, während der Cellist Herr Grünfeld noh mit zwei beifällig aufgenommenen Piècen von Moszkowski und J. Hofmann erfreute. Den gesanglichen Theil des Abends hatte die

Wetterbericht vom 8. März, 8 Uhr Morgens.

Dirigent: meister. : | von Beethoven. | 4 mann.

3 halb bed.

Stationen. Wind. Wetter.

Bar. auf 0 Gr.

Belmullet SW Aberdeen W 3 wolkig Ghristiansund D 4 wolkenlos Kopenhagen . D) 2/bededckt Stockholm . {till wolkenlos Spazanda ; ffill|Nebel t. Petersbg. till B Moskau . …. | 764 |NNW 1[Dunît Cork, Queens- T l (D2 I08 Cherbourg . | 7566 |SSW lder... | 7566 |SSO Ut... 759 |CSSW mburg .. | 760 |WSW winemünde | 759 |NNO Neufahrwasser| 758 |NNO Memel . .. | 758 |ONO

1760 S

ünfter. .. | 760 |SO Karlsruhe . . | 763 |S Wiesbaden . | 762 |W München .. | 764 |\NW Chemniy .. | 763 |W Berlin... . | 761 |NW Mm... 761 |[W wolkig Breslau .…. | 759 Regen | e d'Aix .. | 759 |OSO Z2sheiter

E. 02 [D 4\wolkenlo8 Triest L702 : till [wolkenlos

1) Abends Regen. 2) Gestern Regen. 3) Gestern anhaltend Regen.

Uebersicht der Witterung.

Ein tiefes barometrishes Minimum, welches gestern westlich von Schottland lag, ist nordostwärts nach den Bartersor! eschritten und beherrs At Wind und Wetter auf den Britischen Inseln und im Nordseegebiete, wäh- rend das andere gestern erwähnte Minimum von der west- lihen Ostsee ostsüdostwärts nach Polen sich fort- gepflanzt hat. Zwischen beiden Depressionen verläuft eine Zone hohen Luftdrucks vom westlichen Mittel- meer nordnordostwärts nah Lappland. In Deutsch- [and ist das Wetter ruhig, vorwiegend trübe und meist etwas kälter; vielfa is Negen gefallen; im südlihen Deutschland fanden Nachtfröste statt. In

inland und im nördlichen [Rußland herrsht ftrenge

älte. Da der Einfluß der ression im Nord- westen sih weiter ostwärts ausbreitet, so dürfte für

Anfang 74 Uhr.

Opernhause.

wolkig

bededt bedeckt wolkig wolkig!) bededckt Nebel bededckt halb bed. wolkig wolkig?) wolkig bededt bedeckt?)

mit Chören.

Sonnabend :

(+4 Uhr. maunsschlacht.

M O S L A i DO O] 5 DO DI S C S

U R UI B DO D R O N a

lisman.

S 2 S

I 000

Freitag:

winden demnächst zu erwarten sein.;

Deutsche S eewarte. Herr Kapellm

Theater - Ænzeigen.

| Königliche Schauspiele. S-S, | haus. LTX. Symphonie-Abend der Königl. Kapelle.

Herr Felix Weingartner, Königl. Kapell- 1) Ouverture „Die Weihe des Hauses“ 2) Symphonie B-dur von Shu- 3) Auf vielfahen Wunsch: Ouverture „Die verkaufte Braut" von Smetana. Hochzeit“, Symphonie in 5 Säßen von Goldmark.

Billets zu 6, 5, 4, 3, 2 und 1 M4 sind in der Hofmusikalien-Handlung von Bote u. Bo, Leipziger- straße 37, und an der Abendkasse zu haben. :

Oeffentliche Hauptprobe heute Mittag 12 Uhr im

Billets zu 2 und 1 M sind bei Bote u. Bock und an der Kasse des Opernhauses zu haben.

X. Symphonie - Abend am 24. März. Programm : egen Bach: Suite U-mol]1 mit obligater Flöte. Hayn: Orford-Symphonie.

Schauspielhaus. Keine Vorstellung. Opernhaus. 61. Oberon. Romantische Oper in 3 agen. Musik von Carl Maria von Weber. Die Necitative von Franz Wüllner. Ballet von Gmil Graeb. Anfang

Schauspielhaus. Heinrich von Kleist.

Deutsches Theater. Anfang 7} Uhr. Sonnabend : Der Herr Senator. Sonntag: Der Herr Senator. Montag: Köuig Lear.

Berliner Theater. ments-Vorstellung. Köni Barnay.) Anfang 7# Uhr.

Sonnabend: Nora.

Sonntag, Nachm. 24 Uhr: Aus eignem Recht. Abends 7} Uhr: Kean.

LCessing-Theater. Madame Sans-Gêtte.

Wallner-Theater. Sonntag: Das zweite Geficht. (Letzte Gastvorstellung des Lessing-Theaters.)

Friedrich - Wilhelmstädtisches Theater. Chaufseestra

; i Brautjagd. Deutschland Erwärmung mit auffrishenden Südwest- A os N line Fie D efiter Federmann. ane 74 Uhr. /

Konzertsängerin Fräulein Clara Polier aus Leipzig übernommen. Ihr klangvoller und gut geshulter Mezzosopran war mit seelenvoller Vortragsweise vereinigt, die den Liedern von Umlauft, Neinecke, Liszt und andern vortrefflich zu statten kam. Den Beschluß machten die Variationen aus dem Streichquartett in D-moll von Schubert, denen Herr Zajic noch das Perpetuum mobile von Weber-David folgen ließ. Sämmtlichen h bat: dieses interessanten Konzerts folgte lebhafter und wohlverdienter Beifall.

Gleichzeitig fand im Saal Bechstein ein Konzert der Damen Gertrud Woydt (Alt) und Olga Kiellberg (Klavier) aus Schweden statt. Die Sängerin besiyt eine besonders in der Tiefe sehr kräftig flingende Stimme; thr Vortrag elegischer Lieder wie Schubert?s „Der Tod und das Mädchen“ und Grädener's „Ach, weh mir armen Maid“ gelang der Künstlerin ganz vorzüglich. Die Pianistin besißt eine tehnishe Fertigkeit und eine anmuthige Ark des Vortzags für feinere Salonstücke, bewies jedoch nicht Kraft genug, um Beethoven?s roße C-dur-Sonate und Chopin’s As-dur-Polonaise vollständig be- Perefcben zu können. Allen Vorträgen folgte lebhafter Beifall.

Im Königlichen Opernhause findet morgen der neunte Symphonie-Abend der Königlichen Kapelle unter Kapellmeister Wein- gartner’s Leitung mit nachstehendem Programm statt: Beethoven, Duvertüre „Zur Weihe des Hauses"; Schumann, Symphonie in B-dur; Gmetana, Ouvertyre „Die verkaufte Braut“ (auf allgemeinen Wunsch); Golomark, Symphonie „Ländliche Hochzeit“. Die öffent- liche Me rone ist morgen Mittag 12 Uhr. :

ach der gestrigen Aufführung der „Hermannsshlacht“ von H. von Kleist im Königlichen Schauspielhause ließ Seine Majestät der Kaiser durh den General - Intendanten Grafen von Hochberg sämmtlihen Mitwirkenden den Ausdruck Allerhöchstseiner außer- ordentlichen Befriedigung übermitteln und den Darstellern der beiden Hauptrollen Fräulein Poppe und Herrn Matkowsky besondere An- erkennung aus\prechen.

Wie der Direktor des Lessing - Theaters Herr Dr. Blumenthal mittheilt, hat er infolge eines mit Herrn Kommissions-Rath Emil Groß- kopf abgeschlossenen Pachtvertrages das Berliner Theater vom 1. September ab zunächst auf die Dauer eines Jahres übernommen. Herr Dr. Blumenthal beabsichtigt, das überlieferte Programm des Berliner Theaters auch in Zukunft festzuhalten und dem Hause den Charakter zu wahren, den es unter feiner bisherigen Führung als ein Volks- schauspielhaus und Familien-Theater gewonnen hat. Somit werden die literarishen Aufgaben der beiden von ihm geleiteten Bühnen aufs s{ärfste von einander abgegrenzt sein. Während das Lessing-Theater aus\ließlich den Schöpfungen der Lebenden gehört, foll fih dagegen der Spielplan des Berliner Theaters aus Werken der Klassiker, aus literarish vollwerthigen Volks\chauspielen, aus No- vitäten, welche das Kulturleben der deutschen Vergangenÿeit entrollen, und aus erprobten Stücken zusammenseten, die dem ständigen Besiß der deutshen Bühne angehören. Herr Dr. Blumenthal will soweit wie mögli die Verträge aufrecht erhalten, die der verstorbene Felix Lüpshüß mit feinen künstlerishen und tehnishen Mitarbeitern ab- geschlossen hat. /

Im F1iedrih-Wilh elmstädtishen Theater geht amSonn- abend die Strauß’sche Operette „Der lustige Krieg“, neu einstudiert, in Scene. Die Hauptrollen sind mit den Damen E. Schmidt, Rhoden, Zimmer und den Herren Wellhof, Klein, Bru, Broda, Matthias, Ernsthaft und Unger beseßt.

Im Neuen Theater geht der morgigen Aufführung von „A Bass80 Porto“ ein neuer Einakter, das Lustspiel ,Das Recht der Frau“ von Eduard Kraemer voraus; auch wird der dritte Akt von „A Bass0 Porto“ an diesem Abend in einer von dem Autor Goffredo Cognetti bewirkten neuen Bearbeitung gegeben.

Wie alljährlich, so wird auch in diesem Jahre morgen in Keller’s Festsälen, Köpnickerstr. 96/97, eine Abendunter- haltung stattfinden, welhe von Mitgliedern des hiesigen König- lichen Dpernchors arrangiert is und deren Ertrag der Pensions- kasse deutscher Chorsänger zu gute kommen soll. Auch diesmal haben erste Kräfte der Königlichen Bühne ihre Mitwirkung zugesagt.

Die Trauerfeier für Hans von Bülow findet morgen Mittags 12 Uhr in der Philharmonie statt. Die Gedächtnißrede wird Herr Josef Kainz sprehen. Der Philharmonishe Chor und das

- zum Bortrag bringen.

Philharmonishe Orchester bringen Stücke von Ba, Beethoven u Brahms zum Vortrag. Fräulein Anna Trippen bah wird B ihrem zweiten hiesigen Konzert, welhes morgen Äbend Ubr im Saal Bechstein stattfindet, Lieder von Schumann, Franz Mendelsfohn, Jensen, neuere Gesänge von Bungert, A. Wandelt. E. Heß, Afferni und eine Romanze aus Thomas’ Oper „Mignon“ 1 Die instrumentale Mitwirkung übernimmt Herr Nudolf Len (Violine). Frau Ernestine Epstein aus FFrankfurt a. M. wird in ihrem am Sonnabend Abends 7k Uhr im

aal Bechstein stattfindenden zweiten Lieder-Abend unter anderem Lieder von Schumann, Rob. Franz, Chopin, Rubinstein, Alb. Foerster, Stange 2c. und einen Koloratur-Walzer von Venzano zu Gehör bringen. Der Kontrabassist der Velde Pri in Kopenhagen Ludwig Hegner wird sih bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal hier hören lassen und zwar mit einer Elegie von Bottesini fowie zwei eigenen Kompositionen. -— Frau Professor Selma Nicklaß- Kempner hat das aas für ihren dritten Liederabend, zu der- selben Zeit im Saal Bechstein, nunmehr festgestellt. Sie fingt diesmal Lieder von Mozart, Brahms, Schumann (darunter „Der Nußbaum“), Schubert (u. a. „Der Erlkönig“), Rubinstein, Weber, sowie eine ganze Reihe neuerer Kompositionen von Seyffert, Zepler, Brüll, W. Taubert und Goldmark.

Mannigfaltiges.

In der zweiten diesjährigen öffentlichen Sitzung des Vereins für die Geshichte Berlins, am Sonnabend, 10. März, Abends 7 Ubr (im Bürgersaal des Rathhauses), wird Herr Oberlehrer Dr. E. G. Bardey einen Vortrag halten, dessen Thema lautet: „Die Franzosen im Havellande 1806 bis 1808."

In der Deutschen Kolonial-Gesellschaft, Abtbeilung Berlin, wird am Montag, 12. März, Abends 8 Uhr (im Saal B des Architektenhauses, Wilhelmstr. 92), Herr Premier-Lieutenant Maerter seinen „Ritt dur das nördliche Klein-Asien“ schildern. Am Sonn- abend, 17. d. M. findet ebendaselbst die ordentliche nung der Deutscen Kolonial-Gesellschaft statt (Beginn: Nachmittags 5 Uhr).

Junge Mäbchen, die sih zu Kinderpflegerinnen ausbilden wollen, machen wir auf den neuen Kindergarten des Zentrums, Neue Friedrichstraße 35, Erdgeschoß, bei Dräsel, aufmerksam. Der Kursus dauert 6 Monate, doch können nur gut beanlagte und vorgebildete junge Mädchen in dieser Zeit ein genügendes Zeugniß erhalten. Die Nachfrage nah guten Kinderpflegerinnen ist sehr groß. Einige Mel- dungen für den Kursus, der am 1. April beginnt, können noch ange- nommen werden durch die E Frau Rechtsanwalt Bieber, Sililerime t 39 I1. Hier können fich ferner melden: Schülerinnen für Haushaltung, Schneiderei, Put (Kursus 6 4), sowie Lehrmädchen für Kravatten und Schürzen, die in dem Heim des „Jugendschußtz“ billige, gute Wohnung und Kost, sowie Be- lchäâftigung erhalten.

__ Christianssand, 7. März. Das Schiff „Twe Gebroders“, Kapitän H. Kok Hanwink, in Ballast von Harlingen nah Chriftians- sand unterwegs, i} laut Meldung des „W. T. B.“ gestern Nacht unter dem Leuchtthurm von Songvar gescheitert. Das Schiff ist wrack ; der Kapitän, der Steuermann und der Kajütsjunge sind um- gekommen.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Sofia, 8. März. (W. T. B.) Dem Vernehmen nach begiebt sih die Prinzessin Maria Louise von Sachsen- Coburg A Herstellung ihrer Gesundheit in das Ausland, da ihr Fieberzustand eine Luftveränderung nöthig macht.

(Fortseßung des Nichtamtlichen in der Erslen und Zweiten Beilage.)

3 Akten von Zell und Genée.

Freitag: Opern- | Strauß.

burg. Freitag: Zum 18. Male.

ball (Veglione),. 4) „Die ländliche

von Benno Jacobson. Regie :

Vorher: Vermischte

Marimilian Bern.

Beethoven: 1X. Symphoni

Borher: Zum 1. Male. c# UDE, Sonnabend : Bernard. Carmon.

Vorstellung.

Zum 1. Male.

Preisen.

« A Bass0o Porto.

68. Vorstellung. Die Her- A

Ein Drama in 5 Aufzügen von Anfang 7# Uhr.

Freitag: Der Ta- | Zallet. Anfang 74 Uhr. Einen Ju sang in 8 Bildern.

Freitag: 28. Abonne-

Richard IUxL. (Ludwig Der Obersteiger.

Sonntag, Nachm. 3 Uhr: Kaffenpréise.)

Adolph Erust-Theater. Charley’s Tante. Brandon Thomas. Vorher:

Freitag u. folgende Tage: Parodistische Posse mit Gesang in

Freitag: Zum 4. Male. sunder Junge. ranz von Suppó. | 3 Akten von Jean Kren.

hofer. Anfang 7} Uhr.

fe 29, perette in 3 Akten von usik von

Sonnabend: Der lustige Krieg. Musik von Johann

Residenz-Theatex. Direktion: Sigmund Lauten- Der Masëkeu- Schwank in von Alexandre Bisson und Albert Caré. Hermann Haak. Anzeigen. 1 Akt, nah dem Französischen des N. Dreyfuß, von Anfang 7F Uhr. :

Sonnabend und folg. Tage: Dieselbe Vorstellung.

Neues Theater. Direktion: Sigmund Lauten- burg. Freitag: Zum 23. Male. A Bass0 Porto. Scenen aus dem neapolitan. Volksleben in 3 Akten von Goffredo Cognetti. Deutsch von Emil Dürer. In Scene geseßt von Sigmund Lautenburg. Das Recht der Studie in 1 Akt von Eduard Kraemer.

Schauspiel in 4 Akten von Deutsch von Paul Block Sonntag: Nachmittags-Vorstellung zu ermäßigten Anfang 24 Uhr.

Viktoria-Theater. Belle - Alliancestraße 7/8. Freitag: Mit vollständig neuer Ausstattung. Der üdstern. Ausstattungsstück mit Gesang und großem

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr, ermäßigte Preise: will er fich machen. Posse mit Ge-

Theater Unter den Linden. Anfang 7{ Uhr. Sataniel.

Freitag, 74 Uhr: Schwank in 3 Akten von Die ads è 1 Akt von Ed. Zacobson und Benno Jacobson. Musik von Franz Roth. Jn Scene geseßz1 von Av. (Frust. Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

BPentral-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Novität! Posse mit Gesan Musik von Julius Einöds-

Sonnabend: Ein gesunder Junge.

Operette in Konzerte.

Konzert-Yaus. Freitag: Karl Meyder- Konzert, unter freundl. Mitw. des Komponisten Been Emil Hartmann. Eine Faust-Ouverture von Wagner. Serenade für Flôte und Horn von Titl. Schottische Ouverture von Hartmann. Fünf nor- dishe Volkstänze von Hartmann. Berceuse von Hartmann, unter persönl. Leitung des Komponisten. „Klänge aus Steyermark* für Piston von Hoh (Herr Werner).

drei Akten Deutsch

Schwank in

Daal Bechstein. Freitag, Abends 75 Uhr: IT. Konzert der Sängerin Anna Trippenbach.

BPirkus Renz (Karlstraße). Freitag, Abends 74 Uhr: Auf auf zur fröhlichen Jagd. Par- force- und Kaskadenritt. Ballet von 100 Damen. Meute von 40 Hunden. “Außerdem: 4 arabische Schimmelhengste als Fahnenpferde, vorgef. vom Dir. Fr. Renz; das Schulpferd Cyd, geritten von, Herrn M. Renz; Jeu de la rose, geritten von ¿Frau Renz-Stark und Miß Edith; die ikarischen Spiele in der Luft, ausgeführt von der Troupe Daineff; die Handakrobaten Gebr. Detroit 2c.

Sonnabend: Auf auf zur fröhlichen Jagd.

Sonntag: Zwei Vorstellungen.

Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Gertrud Müller mit Hrn. Ritter- gutsbesißzer Richard Schröder (Wernigerode— Mönkhagen). —— Frl. Anna Hoepfner mit Hrn. Md Ber Julius Ploch (Böhmenhöfen—

. Pinnau).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Geh. Finanz-Nath Havenstein (Berlin). Hrn. Prem.-Lieut. Kurt von Holleben (Berlin). Hrn. Rechtsanwalt Henschel (Breslau). Hrn. Professor Küstner A Eine Tochter: Hrn. Marine-

aumeister Flach (Kiel).

Gestorben: Hrn. Pastor Tiesmeyer Sohn Grnst (Bremen). Hr. Landrath a. D. Hermann von Busse (Lottin). Frl. Emma von Schenkendorff (Berlin). gr. Ober-Amtmann Welly Giesche, geb. Toepffer (Hirschberg).

‘rau, Anfang

Mar uerite rederic

Freitag:

(Halbe

Redakteur: Dr. H. Klee, Direktor.

Berlin: Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags- Anstalt, Berlin SW,, Wilhelmstraße Nr. 32.

Sieben Beilagen (einshließlih Börsen-Beilage).

Ein ge- und Tanz in

Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger. D,

Berlin, Donnerstag, den §8. März

1894,

Deutscher Reichstag.

65. Sißung vom Mittwoch, 7. März, 2 Uhr.

Ueber den Beginn der Sigzung ist bereits in der Nummer vom Mittwoch berichtet worden. Die in diesem Bericht kurz erwähnte Rede, mit welher der Staatssekretär Dr. Graf von Posadowsky die erste Berathung über den auf der Tagesordnung stehenden Geseßentwurf wegen Abänderung des a vom 15. Juli 1879 (Aufhebung des «„«dentitätsnachweises) einleitete, hat nachstehenden

Wortlaut: Staatssekretär Dr. Graf von Posadowsty:

Meine Herren! Der Ihnen vorliegende Geseßgentwurf beabsichtigt, der Landwirthschaft die Möglichkeit zu geben, im Hinblick auf die gesunkenen Preise ihrer Produkte wenigstens bessere Konjunkturen für den Exporthandel zu schaffen. Die neulihen Verhandlungen, welhe in diesem hohen Hause über die Handelsverträge statt- gefunden, haben sowohl den Vertretern der verbündeten Regierungen wie den Vertretern der Parteien reihlihe Gelegenheit gegeben, die Lage der Landwirthschaft zu erörtern; ih habe die Ueberzeugung, daß diese eingehenden Verhandlungen wesentlich dazu beigetragen haben, selbst solhen Mitgliedern dieses Hauses, die infolge ihrer politischen Auffaffung und ihrer bürgerlihen Verhältnisse den Verhältnissen der Landwirthschaft kühl gegenüber \tehen, die Ueberzeugung einzu- flôßen, daß sih die deutshe Landwirthschaft in der That in einer ernsten Krisis befindet. Meine Herren, ich glaube, daß durch diese Verhandlungen in immer weitere Kreise der Bevölkerung die Er- kenntniß gedrungen ist, daß die Klagen der Landwirthschaft niht nur

- Geifenblafen der Agitation sind, sondern auf \{chwerwiegenden wirth-

shaftlihen Thatsachen beruhen. Ich habe hier bereits bei der Be- rathung des Finanzreformplans für die Lage der Landwirthschaft im Osten ein Beispiel aus einem östlihen Kreise angeführt, durch welches nahgewiesen wird, wie der Zustand namentlich des selbständigen Gutsbesißes im Osten ist. Es sind damals gegen dieses Beispiel Bedenken erhoben worden, weil das gesammelte Material auf privater Grundlage beruht. Wenngleich ih auch heute die damals von mir ge- machten Angaben in vollem Umfang aufrecht erhalte, so möchte ih doch heute, um noch einen weiteren Beweis für die Lage der Landwirthschaft in den östliden Provinzen zu erbringen, eine auf amtliher Grund- lage beruhende Zahl hier vorführen. Vor mir liegt der Bericht der westpreußishen Generallandshaft. Aus diesem Bericht ergiebt sich, daß in der Zeit von 1872 bis 1892, d. h. in einem zwanzigjährigen Zeitraum, von etwa 1000 selbständigen Gütern 237 zum Zwangs- verkauf gelangt sind und von diesen 22 thats\ählich subhastiert sind. Jch bitte zu erwägen, was es heißt, wenn der fünfte Theil des selbständigen Grundbesißes einer Provinz zur Subhastation im Laufe von 20 Jahren gelangt; was das bedeutet für das Tommunale Leben der Provinz, der Kreise, für das Leben in Kirhe, Schule, Gemeinde. Darin liegt in der That das Bild einer enormen Schädigung der allgemeinen Landeskultur, wenn der fünfte Theil des Grundbesißes einer Provinz innerhalb 20 Jahren zur Subhastation gelangt, durch das Elend des Bankerotts gegangen ist.

Meine Herren, die verbündeten Regierungen waren sich ja hon im Jahre 1879 klar über die Gefahr, in der sich die deutsche Land- wirthshaft befand. Es kann das auch niht anders sein. Früher wirthshaftete unsere Landwirthschaft sozusagen im isolierten Staat. Die Preise ihrer Produkte regelten sich nah der Ernte, nah Angebot und Nachfrage und nach den lokalen Produktionsverhältnissen. Durch die enorme Entwickelung des modernen Verkehrs is indeß unsere heimische Landwirthschaft gezwungen, zu konkurrieren mit den Pro- dukten von Ländern, die unter ganz anderen klimatischen, Boden- und Arbeiterverhältnissen produzieren. Das ist einer der Hauptgründe, wenn auch nicht der alleinige, der s{chwierigen Lage unserer Landwirthschaft. Aus dieser Erwägung ist bereits im Jahre 1879 die Zollshußgeseßgebung, insoweit sie sich auf die landwirthschaftlihèn Produkte bezieht, hervor- gegangen. Leider aber muß man zugestehen, daß der Zweck der Zoll- geseßgebung von 1879 und der nachträglichen beiden Erhöhungen nicht ganz erreicht ist. Thatsächlih is der Zollschuß weiten Theilen des Vaterlandes auf dem Gebiete der landwirthschaftlihen Produk- tion niht voll zu statten gekommen.

Ich gestatte mir, darauf hinzuweisen, daß nach der amtlichen preußischen Statistik Weizen pro Tonne im Durchschnitt der Jahre 1870 bis 1879 einen Preis von 221,8 M. gehabt hat, dagegen im Durchschuitt der Jahre 1880 bis 1889 einen Preis von nur 184,5 im Handel. Jm zehnjährigen Durchschnitt nah der Zollgeseßgebung von 1879 war also der Weizenpreis pro Tonne durhschnittliÞß um 37,3 # niedriger, als vor Erlaß des Zollshugtes.

Ganz ebenso stellt es \sich beim Roggen. Der Roggenpreis war in den zehn Jahren 1880 bis 1889 pro Tonne um 14,7 M niedriger, als in den zehn Jahren vor Erlaß des Zollshußes. Nach den Feststellungen desselben preußischen Statistishen Amts hat der Durchschnittspreis für 100 kg Weizen im Jahre 1893 in Königsberg 14,30 4 betragen, und in Königsberg und Breslau is verzollter Weizen im Dezember v. J. mit 132 4 pro Tonne notiert worden. Man muß in der That bis in die zwanziger Jahre zurückgehen, um ähnliche niedrige Getreidepreise zu finden. ;

Meine Herren, ih fagte vorhin: der Zollshutz is für unser heimishes Getreide niht voll zum Ausdruck gelangt. In der Zeit vom

_ September 1892 bis zum November 1893 hat der Durchschnittspreis

pro Tonne Jnlandsweizen in Königsberg nah den Mittheilungen der dortigen Vorsteher der Kaufmannschaft nur 21,1 4, und der Durch- shnittspreis für die Tonne Roggen nur 16,8 4 mehr betragen als Unverzollte Transitwaare, mit anderen Worten: der Zollshußz is nur mit 60 bezw. 48 9/9 des normalen Zollsaßes zum Ausdruck gelangt. Aehnliche Verhältnisse ergeben sich aus den Preisverzeichnissen von Danzig und Stettin.

Obgleich mithin die Preise fo niedrig waren, gestalteten sie si doh noch zu hoch, um mit zollbelastetem Getreide Deutschlands auf dem Weltmarkt erscheinen zu können.

Nun, ih meine, daß diese Erscheinung, daß die Preise für unser Getreide nah Erlaß der Zollgeseße niedriger wurden wie vorher, eine gewisse kaufmännische Erklärung findet; dur die Zollgeseßgebung, dadurch, daß dié Inlandspreise zu hoch wurden, wenn auch der Zoll- niht ganz zum Ausdruck kam, so doch zu hoh wurden, um auf dem Weltmarkte zu konkurrieren, war das Getreide, welches einmal bei uns gewachsen und welches bei uns importiert war im freien Verkehr, in Deutschland zu bleiben gezwungen und konnte niht mehr hinausgehen auf den Weltmarkt in dieser Richtung wirkte der Zollshuß in der That wie eine Art Prohibitivmaßregel gegen die Ausfuhr. (Sehr richtig! links.) Hieraus erklären sich die minderen Preise nach der Zollgeseßzgebung gegenüber den höheren Preisen vor der Zollgeseßgebung.

Meine Herren, ih glaube, auch die enragiertesten Vertreter der landwirthschaftlichen Interessen sind darüber einig, daß es kein Universal- mittel, kein Lebenselixir für die siehe Landwirthschaft giebt. Wir werden viele Kuren anwenden müssen, um die Landwirthschaft zu heilen. (Sehr richtig! rechts.) Wir werden viele gesetzliche Mittel

anwenden müssen, und die Vertreter der Landwirthschaft troy ihrer

s{wierigen Lage werden auch Geduld haben müssen, bis der Erfolg der geseßlichen Maßregeln für sie eintritt.

Meine Herren, der Gesetzentwurf, wie er hier vorliegt, soll eins der Mittel sein, um wenigstens einem Theile der deutshen Landwirth- schaft bessere Preise für ihre Produkte zu verschaffen. Die Aufhebung des Identitätsnachweises kann selbstverständlih nur so lange wirken, wie der Inlandspreis nicht niedriger wie der Weltmarkts- preis stebt, und so lane die Einfuhr großer ist “als die Ausfuhr. Es foll durch die Aufhebung des IJIden- titätsnahweises niht eine allgemeine Erhöhung der Preise er- reiht werden, sondern nur, daß unsere Qualitätswaare in dem Auslande angemessen verwerthet werden kann. Es ist ja bekannt, daß man in England darüber klagt, daß der Weizen dort zu kfleberhaltig und zu wenig stärkehaltig ist, während andererseits Sach- verständige behaupten, daß durch die fortgeseßte Anwendung von künstlihen Düngemitteln der deutshe Weizen immer weniger kleber- haltig wird. Aus diesen beiden Gesichtspunkten heraus spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, daß bei Aufhebung des Jdentitätsnach- weises unser Weizen dieselbe günstige Aufnahme im Auslande, vor allem in England, finden wird, die er früher hatte. Ebenso if aber auch zu hoffen, daß Hafer und Gerste wieder den alten Exportmarkt finden werden.

Es hat mich überrascht, meine Herren, daß auf den Versamm- lungen des Bundes der Landwirthe wiederholt die Aeußerung hervor- trat: wir werden gegen die Aufhebung des Identitätsnachweises stimmen. Bei näherer Nachfrage habe ih indessen gefunden, daß dem wohl nur ein taktisches Motiv zu Grunde lag ; man sagte si: wir wollen dem Osten niht Vortheile auf Kosten der süd- und westdeutshen Landwirthschaft gewähren, wir wollen in unsere land- wirthschaftlißhe Bewegung keine Spaltung bringen. Ich glaube, diese taktishe Maßregel wäre doch nur richtig, wenn wirklich der Beweis geführt würde, daß durch die Aufhebung des Identitäts- nachweises, wie ihn der Geseßentwurf plant, thatsählich die Land- wirthschaft des Westens und Südens einem Preisdruck an ihren Produkten ausgeseßt wäre. Trifft diese Voraussezung nicht zu, dann hoffe ih auch, daß die Vertreter des Bundes der Landwirthe, soweit sie im Hause sigen, ihre damalige Erklärung einer noh- maligen Erwägung unterziehen werden.

Meine Herren, was zunächst die Verhältnisse in Süddeutschland

und am Rhein betrifft, so is es ja bekannt, daß man in Süddeutsch- -

land viel mehr Werth legt auf Mehlausbeute als auf feine Qualitäten. Es ist eine Thatsache, daß gegenwärtig der leihte Noggen am Rhein ebenso gut bezahlt if wie guter, {werer Roggen, weil man auf Qualitätsgewicht dort keinen Werth legt. Was befonders den Weizen betrifft, so ist in der That für den Süden und Westen die Kon- kurrenz des östlihen Weizens nicht so groß wie die Konkurrenz des La Plata-Weizens. Ich habe mir von Sachverständigen Preislisten geben lassen, aus denen hervorgeht, daß La Plata-Weizen im Februar des Jahres in Notterdam cif plus Zoll mit 142 Æ pro Tonne gehandelt ift. Das sind Preise, mit denen meines Erachtens auch der ostpreußishe Weizen niht mehr konkurrieren kann. Die Befürchtungen Süddeutshlands und Westdeutshlands gehen nun dahin, daß bei der Form der Einfuhrscheine so zu sagen eine brief- weise Uebertragung des Getreideüberflusses des Ostens nach dem Westen stattfindet; man befürchtet, daß für das Getreide, für dessen Ausfuhr in den Ostseehäfen Einfuhrvollmacht ertheilt wird, die äqui- valente Menge thatsächlich eingeführt wird im Westen. Jch glaube, daß die Befürchtung eine begründete nicht ist. Wesentlih für Süd- und Westdeutschland ist allerdings die Form, in der die Zollvergütung stattfindet. Man kann dabei zwischen zwei Systemen wählen: entweder das von mancher Seite befürwortete System der Zoll- quittungen, oder das System der Einfuhrvollmahten. Bekanntlich eristiert in Frankreich für das Eisen das System der titres d’acquits à caution; es werden dort folhe titres ausgestellt für die Einfuhr von Eisen; diese titres haben gegenüber ihrem Nennwerth nur einen Kurs von 10—15%. Es läge auch bei dem System der Zoll- quittungen unzweifelhaft die Gefahr vor, daß sie sehr erheblih niedriger stehen würden als ihr Nennwerth, aus dem einfahen Grunde, weil die Einfuhr bei uns etwa fünfmal so groß ist als die Ausfuhr, und in- folge dessen. das Angebot an Zollquittungen im umgekehrten Ver- hältniß der Einfuhr zur Ausfuhr stehen würde, das heißt mit anderen Worten, die Einfuhrscheine werden nur den fünften Theil ihres Nenn- werths im Handel haben.

Meine Herren, dies find die Gesichtspunkte gewesen, die uns dieses System nicht haben adoptieren lassen, vielmehr haben wir im Gesey das System der Einfuhrvollmachten gewählt. Wir geben uns dabei der Hoffnung hin, daß mit Rücksicht darauf, daß die Einfuhr stärker ist in Deutschland als die Ausfuhr, diese Einfuhr- vollmachten im vollen Nennwerth werden bezahlt werden, abzüglih vielleiht eines geringen Diskonts, der jedoch auf die Abbröckelung

des Zolls keinen Einfluß üben dürfte. Wir haben dieses System der Zolleinfuhrvollmahten auch der Mühlenindustrie geglaubt zu- gestehen zu müssen, und zwar aus folgenden Gründen: Aus den Kreisen der Landwirthschaft is wiederholt der Vorwurf erhoben worden, daß, nahdem für die Mühlen im Jahre 1882 der Identi- tätsnahweis aufgehoben ist, die Mühlen eigentlich inländishes Ge- treide gar nit mehr vermahlen, sondern lediglich ausländishes Getreide. Meine Herren, die Statistik, das will ich nicht leugnen, bietet für diese Behauptung ausreihenden Beweis. Leider ift bis 1884 über den Mühlenlagerverkehr in den statistischen Tabellen keine Auskunft gegeben; ich fann meine Angaben deshalb nur geben von 1884 ab. Wenn man nun annimmt, daß das Mehl und das, glaube ih, muß man ohne weiteres annehmen welches ausgeführt ist und durh seine Ausfuhr zu einer Abschreibung im Mühlenlagerkonto ge- führt hat, durhgehends aus ausländishem Getreide hergestellt ist; wenn man ferner annimmt, daß die Differenz zwischen diesem Mehl und der gesammten Ausfuhr an Mehl aus inländishem Getreide hergestellt ist, so ergiebt sih allerdings, daß seit 1884 in unseren Mühlen immer mehr Auslands getreide vermahlen wird und immer weniger Inland s getreide. Ih möchte mir gestatten, um Sie nicht zu sehr zu ermüden, nur die Zahlen des Jahres 1893 mitzu- theilen. Im Jahre 1893 hat die gesammte Auefuhr an Mehl 146 004 & betragen; hiervon sind vom Mühlenlagerkonto 145 543 & abge- schrieben, mit anderen Worten, es würden danach nur 461 & aus in- ländishem Getreide hergestellt sein. Meine Herren, ih habe nun mit den verschiedensten Sachverständigen darüber gesprohen, ob auch bei dem System, welches hier in dem Geseß angewendet worden ist, die Gefahr vorliegt, daß die Einfuhrscheine zum Gegenstand des Handels- und Börsenverkehrs gemacht werden, und man hat mir von ver- trauenswerthester Seite die übereinstimmende Erklärung abgegeben, daß das nach keiner Richtung hin zu befürhten wäre; das Geschäft würde lokal „in \ich“ gemaht werden, die Exporteure seien über- wiegend auch Importeure, und man würde niht daran denken, die Scheine zu verkaufen, sondern sie selbst verwenden, schon deshalb, um keinen Diskontabzug zu erleiden. Meine Herren, wenn diese Annahme aber richtig ist, dann fällt für West- und Süddeutschland auh jede Befürchtung einer Abbröckelung des Zolls fort.

Aus diesen Befürchtungen heraus, die dem Gesetz gegenüber be- stehen, ist seitens des Generalcomités des bayerischen landwirthschaft- lichen Vereins ein Beschluß gefaßt worden: dahin zu wirken, daß die verbündeten Regierungen in das Geseß eine Bestimmung aufnehmen lassen möchten, daß Einfuhrsheine nur an den vom Bundesrath bestimmten Zollstellen an Zahlungsstatt Verwendung finden sfollen. Meine Herren, dieser Vorschlag entspriht ja dem Gedanken, der früher {hon bei den Debatten über den Antrag Ampach hier im Reichstag Ausdruck gefunden hat, nämlich diese ganze Frage regional zu ‘regeln mit Rücksicht darauf, daß östlich von der Elbe ein Ueber- {chuß an Produktion ist, daß zwishen Elbe und Weser die Pro- duktion die Konsumtion etwa deckt, und westlid# von der Weser mehr konsumiert als produziert wird; mit jenem bayerischen Antrage ist wohl bezweckt, diese Einfuhrvollmachten ebenfalls nur nah einem gewissen regionalen System zuzulassen.

Die verbündeten Regierungen haben aber diesem Gedanken keine Folge gegeben, weil sie von der Ansiht ausgingen, daß, je weniger die Einfuhr mit Bedingungen belastet werde, je unbeschränkter der Markt sei, in dem sie angewendet werden können, desto geringer fih auh die Gefahr gestalte, daß sie einen Abzug beim Verkauf er- fahren und demgemäß der Zoll abbröckele. Meine Herren, die verbündeten Regierungen find auch der Ansicht, daß dur die Bestimmung des Geseges, wonach der Bundesrath, falls in der;That ein erhebliher Diskont für die Einfuhrscheine berechnet wer- den und damit die Gefahr der Zollabbröckelung eintreten follte, bevoll- mächtigt wird, die Einfuhrscheine als kurantes Zollgeld zur Bezah- lung aller Zölle zuzulassen, alle Befürchtungen West- und Süddeuts{- lands beseitigt sein dürften. Nun is hier bei der Berathung über den russishen Handelsvertrag der Wunsch ausgesprohen worden, in dem Geseß jene Bestimmung dahin zu ändern, daß diese Einfuhr- vollmachten nit als Zollgeld angenommen werden können, fondern sollen. Die verbündeten Regierungen haben bei den Berathungen ja diefen Fall auch erwogen, es aber doch für vortheilhafter gehalten, erst an der Hand der Erfahrungen \sich davon zu überzeugen, ob in der That die Einfuhrvollmachten einen wesentlichen Kursverlust erleiden, weil sie von der Ansicht ausgingen, daß es sahlih erwünscht sei, auch im Interesse einer klaren Finanzverwaltung, daß die Ausfuhr und die dabei ertheilten Einfuhrvollmachten ihr naturgemäßes Korrelat finden nicht in der Bezahlung der Zölle für beliebige andere Gegenstände, sondern in der Zollentrihtung für Getreide derselben Art.

Aber immerhin, meine Herren, ist das eine Frage, die als eine offene behandelt werden könnte und über die sih reden läßt. Jch kann aber die Versicherung geben, daß, wenn man diese Bestimmungen, die jeßt im Gese enthalten sind, und die nur eine Fakultät für den Bundesrath konstruieren, bestehen läßt, doch der Bundesrath ent- {lossen ist, von dieser Fakultät Gebrauh zu machen, fobald infolge Minderwerths der Einfuhrvollmachten eine Zollabbröckelung herbei- geführt wird. Jch glaube aber: darüber werden wir alle einig sein, daß, wenn diese Einfuhrscheine in der That den Charakter von kurantem Zollgeld erhalten, damit jede Befürhtung einer Verminde- ‘rung des Zollschuyzes beseitigt wird. Man wird mit den Einfuhr- vollmachten den Zoll für Kolonialwaaren bezahlen. Jh möchte aber auch behaupten, daß Süd- und Westdeutshland von der Aufhebung des Identitätsnahweises nicht nur niht Schaden, sondern unter ge- wissen Bedingungen sogar noh einen Vortheil hat. (Sehr richtig)

Meine Herren, wir hoffen, namentlih daß, falls dieser Geseß- entwurf angenommen wird, Süddeutschland für seine Gerste und seine Malzprodukte wieder den alten Markt fich erobern wird; wie bekannt, ist ja besonders die Malzindustrie bei dem bisherigen Zollsystem ganz außerordentli geschädigt worden durch die Festhaltung des Identitäts- nahweises. Wie die dem Geseßentwurf beigefügte Tabelle nahweist, ist ja die Malzindustrie bei uns auf ein Minimum zurückgegangen,