1894 / 64 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Mar 1894 18:00:01 GMT) scan diff

um Versiherungswesen so siher noch komme, wie bei den Verkebrseinrihtungen. Das Geld bleibe dann im Lande. Die Leistungen der Privatgesellshaften an die Staats- fasse seien unwürdig. Die Aachen - Münchener Gesell- [all besonders sei politisch und E seiner Partei ndselig. Sie bilde mitten in der katholishen Kaiserstadt achen eine feste Burg des Lutherthums. Redner kritisierte Tau scharf die Einzelheiten der Versicherungsbedingungen es deutschen Verbandes, welche die Regierung niemals hätte migen sollen, und verlangte strenge Durchsicht der aßungen. Die Debatte sollte heute fortgeseßt werden.

Sachsen.

Der feierlihe Schluß des Landtages durch Seine Majestät den König wird, wie das „Dr. J.“ meldet, morgen Nachmittag 1 Uhr im Thronsaal des Königlichen Schlosses stattfinden.

Württemberg.

Der Kammer der Abgeordneten ist gestern der Ent- wurf eines Gesezes über die Handels- und Gewerbe- kammern zugegangen. Bei Beginn der Sißzung machte der Präsident von Hohl die Mittheilung, daß in den ersten Tagen des April eine Vorlage über eine andere Zu- sammensezung beider Kammern eingehen werde. Das Haus nahm sodann die Nothstandsvorlage in namentlicher Abstimmung einstimmig an und begann die Einzelberathung des Pensionsgeseßes für die Körperschaftsbeamten.

Hefsen.

Zn der vorgestrigen Sißung der Zweiten Kammer äußerte sih bei der Debatte über die von den Abgg. Ulrich, Pennrih und Hans gestellten Anträge wegen der neuen Reichssteuern der Staats-Minister Finger nah der „Darmst. Ztg.“ wie folgt:

Die Vertreter der Regierung seien im Hause anwesend, mehr um zu hören, als um Erklärungen abzugeben. Aber auf den Entschluß der Regierung bezügliÞ der Instruktion des Bundesrathsbevoll- mächtigten könnten die Verhandlungen des Hauses einen Einfluß nicht mehr üben. Ob für spätere Fälle ein solher Einfluß auf die Regierung vielleiht möglich wäre, könne er bier nicht entscheiden. Die Negterung habe außer dem Landtag noch andere Quellen, aus denen le ihre Information über die Verhältnisse des Wein- und Tabackbaues chöpfe und diese Quellen \hienen ihm besser mit denselben vertrautzu sein. Auch sei einer so sahkundigen Behörde, wie dem Bundesrath gegen- über, eine viel eingehendere Behandlung der Sache nothwendig, als er sie hier bis jeßt vernommen. Aber die Regierung bilde sih ihre Meinung nicht aus\{ließlich auf Grund der Erkundigungen, sondern auch auf Grund von Ueberzeugungen. Im vorliegenden Falle nun sei sie überzeugt, daß eine andere Stellung des Neichs zu den Bundeë- staaten in Beziehung auf die Finanzen eintreten müsse. Das Reich müsse höher und selbständiger gestellt werden. Das finanzielle Ver- hältniß zu den Bundesstaaten bedürfe einer festeren, sicheren Gestaltung, damit man niht mehr in die Lage komme, daß die einzelnen Bundesstaaten Steuern erheben müßten, die in die Reichskasse flössen, Steuern, die sie selbst gar nicht votiert hätten. Das Reich müsse in die Lage verseyt werden, künftig für seine eigenen Angelegenheiten selbst zu sorgen. Darüber scheine im Hause ja Ein- verständniß zu herrschen, daß die Regierung bezüglich der Fnstrufktion des Bundesrathsbevollmächtigten gänzlih freie Hand hahe; aber be- tonen wolle er doch noch einmal, daß sie sich in dieser Hinsicht nichts ofktroyieren lasse, wenn sie auch bereit sei, Auskunft zu er- theilen und Rede und Antwort zu stehen. Aber wie bedenklich es sei, wenn derartige Fragen, die vor das Forum des Neichs- tags gebörten, in den Landtagen verhandelt würden, habe der Abg. JIöst deutlich gezeigt, indem er betont habe, man wolle dadurch etnen moralischen Zwang auf den Reichstag ausüben; denn der Versuch, einen solhen Druck auf den Neichstag ausüben zu wollen, sei doch wahrlih sehr bedenklich. Ausnahmsweise könne cine derartige Ver- handlung ja geboten erscheinen, und auch im bayerischen Landtag sei, wie bereits erwähnt, über die Frage der neuen Neichsfteuern verhandelt worden, aber gleihwohl habe Bayern nicht über die Frage abgestimmt, fondern habe es bei der Besprehung darüber bewenden lassen. Der Berhandlung habe er zwar bis jeßt angewohnt, aber fruchtbar sei sie für ihn nit gewesen, i

Der Finanz-Minister Weber sagte:

Nach dem, was der Staats-Minister ausgeführt habe, bleibe ihm nur noch wenig zu sagen übrig. Er möchte aber doch auch sein Herz von manchem erleihtern, womit es im Laufe der Verhantlung belastet worden sei. Er wisse ja sehr wohl, daß die Verhandlung hier eigentlih nit für das hohe Haus geführt werde, wie ja auch der Abg. Iöst ausdrücklich erklärt habe, es gelte, eine Vression auf die Reichstags-Abgeordneten auszuüben; zum theil aber auh hätten die Herren ihre Herzen zu erleihtern ihren Wählern gegenüber. Wolle man immer über Reichssachen hier debattieren, so könne es leiht dahin kommen, daß in gewichtigen Fragen, die das Deutsche Neih bewegten, die Einzelvertretungen sich in Widerstand seßen möchten mit der Gesammtvertretung des deutshen Volks, dem Neichstag. Das sei ein Bild er wolle es niht weiter ausmalen das er nicht herbeiwünshen möchte; und das seien die Punkte, welche die Regierung, wie er glaube, in recht gemäßigter und be- sheidener Weise in den Ausshußverhandlungen geltend gemacht habe, und auch ùa Ausschuß sei bereits auf das Bedenkliche bei der ganzen Sache hingewiesen worden. Jm übrigen habe er als Finanz-Minister noch einige Worte zu sprechen, und da müsse er gestehen, es sei eine recht s{chwierige Stellung für einen Finanz-Minister, wenn es sich um neue Steuern handle, weil es sehr wenige gebe, die damit völlig zufrieden seien. Der Abg. Schmitt habe da ein Bild ebrauht, die Regierung sei darauf aus, dem Hund den Schwanz stüdweise abzuschneiden. Aber die Regierung habe nie daran gedacht, eine solhe Operation vorzunehmen; so weit gehe sie niht. Es fei das ja ein eigenthümlihes Bild, aber da es doch einmal gebraucht sei, wolle er es auch weiter ausführen: cs müßten gewiß Haare gelassen werden. Dann müsse er die Herren doch fragen: ift es denn wirklich gar fo unbillig, daß, wenn der Biertrinker, der Branntweintrinker Steuer zahlen müssen, auch der Weintrinker Steuer zu zahlen hätte ? Aber man träfe sih ja bei Philippi wieder, dann werde man si weiter darüber zu unterhalten haben. Daß der Posten für die Weinsteuer in das Budget eingestellt worden fei, fei eine normale Noth- wendigkeit, denn das Gesetz bestehe ja noch weiter fort, nur die Er- hebung der Steuer sei für 3 Jahre ausgeseßt worden. Er denke, daß wenn die Weinsteuer als Landes-Weinsteuer bestehen bleibe, sie nicht auf der Grundlage des früheren, sondern auf der eines neuen Gesetzes zur Erhebung gelangen werde, mit dem, wie er hoffe, die Herren ein- verstanden sein würden. Die Sache liege ja doch fo: wir brauchen Geld. Man brauche ja nur ins Budget zu sehen bei den Matrikular- umlagen. Es seien im vorigen Budget 380 Millionen Matrifular- umlagen ausgeworfen worden, im Jahre vorber 327 Millionen, das bedeute eine Steigerung um 53 Millionen; jeßt \tiegen sie wie- der vorausfichtlid) um 40 Millionen. Wo solle da das Geld her- fommen? Man habe von 1879 an in der Abrehnung mit dem Reich steigende Herauszahlungen von dem Reich bekommen, von 228 000 Æ in 1882 fteigend auf eine Herauszahlung von 712 000 Æ im Jahre 1889/90. Das sei aber jegt heruntergegangen und habe sich im vorigen Jahre auf eine Herauszahlung unsererseits in Höhe von 340 000 M gestellt. Jett zahle Hessen bereits also 340 und wenn diesmal die Steigerung und die könne hier gar nit ausbleiben infolge der Heeresergänzung, infolge des Aus- falls an Getreidezöllen eintrete, so müsse doch auf irgend eine Weise Deus eschaffen werden. Diesmal balanciere man noch im Budget, frei ih nur darum, weil man die Reserven mit 1} Millionen

sonst hâlte man bereits diesmal por einer Steuererhöhung gestanden. Vorläufig könne man das Fronte durch Matrikularbeiträge aufbringen, weil eine Reichs- inkommensteuer nicht vorhanden fei, ja in einigen Staaten noch nicht einmal eine Landes-Cinkommensteuer existicre. Von den Matrikular- beiträgen wird es dann auf die direkten Steuern gewälzt. Auf welche nun? Auf die Grundsteuer? Das wolle der Herr Abg. Möllinger niht; auf die Kapitalrentensteuer? Da Tommt nichts dabei heraus, die ist zu gering; auf die Gewerbesteuer werden die Herren es auch nicht wälzen wollen, da bleibe \{chließlich nur die Einkommersteuer übrig! Diese erhöhe sich dann um 36 9%, das bedeute 6 S, also ein Steigen von 16 4 auf 22 94. Er glaube, wenn die Herren ihren Steuerzettel bekämen, dann würden sie sagen: Ja, wir wollen auch keine Einkommensteuer. Aus alle dem gehe hervor, daß auf dem Wege der direkten Be- steuèrung keine Rettung zu erblicken sei. Deshalb habe sich die Ne- gierung auch für die Annahme der Tabakfabrikat- und der Börsen- steuer ausgesprochen; die Reichs-Weinsteuer dagegen habe sie nicht billigen fönnen. Er glaube, daß die Handlungsweise der Negierung eine korrekte, dur die Nothwendigkeit gebotene gewesen sei, daß die Regierung das, was sie gethan habe, wohl vertreten könne; hätte sie es anders gemacht, so würde sie hier und im Lande nur Unzufrieden- heit erregt Dare j i : / In ihrer gestrigen Sißung genehmigte die Zweite Kammer die Aufnahme einer Anleihe von 3850 000 s für Zwecke der Landeskreditkasse, sowie 115181 A als Darlehn an die betheiligten Gemeinden für Beitragsleistungen zum Bau

der Bahn Hungen-Friedberg. Sachsen-Coburg-Gotha.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen ist gclern zum Besuch des Herzoglichen Hofes in Coburg ein- getroffen. ;

Mark herangezogen habe,

Hamburg.

Die Bürgerschaft wählte in ihrer gestrigen Sißung den bisherigen Präsidenten Hinrichsen wieder zum Präsi- denten der Bürgerschaft für das Jahr 1894/95.

Elsaf;-Lothringen.

Jn der vorgestrigen Sißung des Landesausschusses fand die zweite Lesung der der Spezialkommission über- wiesenen, sowie der ausgeseßten oder vorbehaltenen Etats - positionen und des Entwurfs des Finanzgeseßzes statt. Nachdem der Abg. Fleurent über die Thätigkeit der Kom- mission Bericht erstattet und deren Wünshe für die Zukunft vorgetragen hatte, erklärte der Unter- Staats- sekretär von Schraut, daß die Negierung nicht alle von der Kommission vorgeschlagenen Abstriche für nüglich halte. Angesichts des Umstandes, daß die nun- mehrige Feststellung des Neichshaushalts - Etats sowie die sehr wahrscheinlihe Annahme des Börsensteuergeseßes im Reichstag den Landeshaushalts-Etat um cine Summe von 1 200 000 6 entlasten werde, sei es vielmehr möglich, die ursprüngli}h von der Regierung eingesetzten Forderungen zu bewilligen. Sämmtliche zur Berathung V bortea Positionen wurden hierauf, den Kommissionsanträgen entsprechend, ange- nommen. Auch der Entwurf des Finanzgeseßes fand mit den von der Kommission vorgeschlagenen Abänderungen die Zu- stimmung des Hauses. Der Etat für 1894/95 balanciert nah den bisherigen Beschlüssen in Einnahme und Ausgabe mit der Summe von 56 751 944 M,

Oefterreich-Ungarnu.

Das österreichisheHerrenhaus hat, wie „W. T. Y“ meldet, gestern die Regierungsvorlage über die provisorische Regelung der Handelsbeziehungen mit Rußland unverändert angenommen. Jm Abgeordnetenhause theilte gestern der Finanz-Minister Dr. von Plener mit, daß im Laufe des Sommers eine Kommission, bestehend aus Ver- tretern sämmtlicher Ministerien, zusammentreten werde, um eine Vorlage wegen Neuregulierung der Bezüge der Staats- beamten auszuarbeiten. Er hoffe den bezüglichen Gesezentwurf im Laufe des nächsten Jahres dem Hause unterbreiten zu können. Im weiteren Verlauf der Sißzung nahm das Haus die Vor- lage über die Wiener Verkehrsanlagen an. :

Zm Valutaausschuß des Abgeordnetenhauses, der gestern die Berathung der Valutavorlagen beendete, erklärte der Finanz-Minister Dr. von Plener, wenn die Verquickung der Staatsnoten mit den Salinenscheinen aufhören werde, könne die Ausgabe von Scheinen der s{chwebenden Staatsschuld allenfalls in Erwägung gezogen werden.

Der bisherige Zweite Vize-Bürgermeister Gruebl ist mit 88 von 131 abgegebenen Stimmen zum Bürgermeister von Wien gewählt worden. Der antisemitishe Gegenkandidat Lueger erhielt 43 Stimmen.

Das ungarische Oberhaus hat gestern die Vorlage über die provisorische Regelung der Handelsbeziehungen mit Rußland unverändert angenommen.

Großbritanuien und Jrlaud.

Die Königin hat gestern in Begleitung des Prinzen und der Prinzessin Heinrih von Battenberg die Reise nach Florenz über Vliessingen und Straßburg angetreten.

Jn der gestrigen Sizung des Unterhauses erklärte nah dem Berichte des „W. T. B.“ der Kanzler des Schaßcints Sir W. Harcourt, die Regierung könne die Adresse in der Form, die sie durch das Amendement Labouchere's erhalten habe, der Königin nicht überreihen. Die Regierung eigne si im vollsten Umfange die Erklärungen Gladstone's betreffs des Widerstandes gegen das Oberhaus an (lebhafter Beifall sei- tens ver Ministeriellen), aber eine so ernste Frage müsse von der Regierung und dem Hause mit sorgfältiger Ueberlegung behandelt werden. Der Königin müßten klare Rathschläge Men werden. Die Regierung werde daher nach erfolgter

urchberathung der Adresse deren Ablehnung und eine neue Adresse beantragen, worin der Königin einfah für die Thron- rede gedankt werde. Balfour und Chamberlain sagten der Regierung ihre Unterstüßung iei dieses Verfahren zu. Chamberlain fügte hinzu,derAugenblick, andas Land zu appellieren, sei gekommen. Labouchere betonte, sein Amendement bedeute kein Mißtrauensvotum, sondern habe den Zweck gehabt, die Aktion der Negierung hinsichllih des Oberhauses zu be- schleunigen. Der Antrag Sir W. Harcourt's, die Zeit bis zum 29. März aus\chließlih der Erledigung von Regierungs- Erg zu widmen, wurde angenommen. Nach mehrstündiger

ebatte verwarf sodann das Haus ohne besondere Abstimmung

die vorliegende Adresse und nahm eine neue N an.

__ Jn dem Etat des Kriegs-Ministeriums für 1894/95 sind die Ausgaben auf 18 081 Lstrl. gegen 17 802 900 Lstrl. im Vorjahre veranschlagt.

Frankreich.

Das Budget für das Jahr 189 ist, wie „W. T. ye

meldet, in seinen Grundzügen nunmehr festgestellt. Um den Fehlbetrag von ungefähr 140 Millionen Francs zu decken, von denen 55 Millionen auf den Minderertrag dey Einnahmen und 80 Millionen auf neue Ausgaben, darunter 36 Millionen für das Heer, die Marine und die Kolonial: Armee entfallen, sollen die aus der Konversion herrührenden 68 Millionen verwendet werden. Ferner soll die Handhabun der Zinsgarantie für die Eisenbahnen geändert und de Steuer auf die Einkommen aus der Vermiethung von Wohnungen eingeführt werden. Diese Steuer soll die Perfonal- und Mobiliarsteuer, sowie die Thür- und Fenlster- steuer erseßen. Der Ertrag dieser Steuer ist auf 137 Millionen

rancs veranschlagt. Gleichzeitig wird im Budget die

teuer auf Wein, Obstwein und Bier auf 75 Millionen herabgeseßt und die Alkoholsteuer auf 190 Millionen Francs erhöht.

Nußland.

Der Berathung des deutsh-russischen Handelzs- vertrags im Reichsrath wohnte, wie „W. T. B.“ qus St. Petersburg erfährt, auch der Großfürst-Thron- folger bei. :

JFtalien.

Der Geburtstag des Königs wurde nah ciner Mel- dung des „W. T. B.“ gestern im ganzen Lande festlich be- gangen. Der König hielt in Rom eine Parade ab und wurde lebhaft begrüßt.

Zn der Deputirtenkammer erklärte gestern der Kricegs- Minister Mocenni, eine österreichische Firma habe ein Angebot auf die Lieferung von Gewehren für die italienishe Armee mit kurzer Lieferungszeit gemacht; er habe das Angebot jedo niht beantwortet und nehme es auch ohne Zustimmung des, Parlaments nicht an; er werde niemals etwas zum Nachtheil der italicnishen Arbeiter und der nationalen Arbeit unter- nehmen.

Der „Jtalie“ zufolge befände sih die Polizei auf der Spur der Urheber des Bombenattentats auf dem Monte Citorio. Es sei festgestellt, daß der Zünd: holzverkäufer, der Zeuge des Attentats gewesen sci, mit zwei Jndividuen gesprochen habe, die das Kisthen mit der Bombe getragen hätten. Diese Jndividuen hätten den Ver- läufer dafür bezahlt, daß er das Kisthen vor dem Kammergebäude niederlege. Ueber diese Umstände solle ein Anarchist, der bei den Vorfällen am 1. Mai 1891 verhaftet worden war, Angaben gemacht haben. Bei diesem und anderen in der legten Nacht verhafteten Anarchisten seien Papiere über eine anarchistishe Vershwörung und über den Plan eines Attentats in Rom gefunden worden. Eines der verhafteien Jndividuen sei von dem Zündholzverkäufer ieder erkannt worden.

Schweiz.

Die Kommission des Nationalraths für das Jnitiatio- begehren, betreffend das Recht auf Arbeit, hat, wie der „Bund“ erfährt, 1hre Berathung vorgestern beendigt. Sie be- schloß einstimmig Ablehnung des Jnitiativbegehrens ohne Motivierung; dagegen befürwortete sie ebenfalls cin- stimmig folgendes Postulat: Der Bundesrath wird eingeladen, 1) der Bundesversammlung baldigst Bericht und Antrag einzubringen, wie und unter welchen Bedingungen die von Kantonen, Gemeinden oder Vereinen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Beschäftigung oder Unterstüßung unverschuldet Arbeits- loser geschaffenen Jnstitutionen durch den Bund zu subventionieren seien; 2) zu untersuchen und darüber Bericht zu erstatten, ob und in welcher Weise eine noch weitergehende Mitwirkung des Bundes für wirksamen und unentgeltlichen öffentlichen Arbeitsnachweis, sowie für die Versicherung gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit möglih und gerechtfertigt sei.

Velgien. Das „Journal de Bruxelles“ meldet, der König, der auf dem Schloß Ciergnon in der Provinz Namur verweilt habe, fei gestern nah San Remo abgereist.

Rumänien. Die Deputirtenkammer hat dem „W. T. B.“ ziß folge gestern die Generaldebatte über die Handelskonvention mit Oesterreich-Ungarn begonnen.

Serbien.

Der serbische Gesandte in Konstantinopel Velimirovic ist, wie „W. T. B.“ aus Belgrad erfährt, zur Disposition gestellt worden.

Schweden und Norwegen.

Beide Kammern des Reichstags bewilligten, wie „W. T. B.“ meldet, 11/4 Millionen Kronen zu Schiffs- neubauten.

Das Storthing verwies gestern auf Antrag des Abg. Skaar die Vorlage über das Gehaltsregulativ für Marine- Offiziere an die Kommission zurück. Skaar beantragte außerdem, den Sold der höheren Marine-Offiziere evabaueten.

Amerika.

Eine dem „Norddeutschen Lloyd“ aus Nio de Janeiro zugegangene Depesche bestätigt, daß der Aufstand daselbst beendigt sei. Die beiden Schiffe der Aufständischen „Aquidaban“ und „Republica“, die sich unter Admiral de Mello bei Jlha Grande befinden, dürften sih wahrscheinlich ebenfalls ergeben. Aus Rio de Janeiro vom gestrigen Táâge meldet „W. T. B“: Die Stadt ist ruhig, die GE schäfte werden wieder aufgenommen. Während des Bom- bardements am Dienstag war niemand an Bord der Jnsurgente!- Schiffe; die Schiffe waren {hon am Montag verlassen worden, die Mannschaften hatten sich auf die Jlha Enchadaó geflüchtet. Alle Offiziere der Aufständischen, mit Ausnahme der Aerzte, sind abgereist. Ungefähr sechzig Aufständische haben sih ergeben. Fünfhundert Gefangene wurden auf Befchl Peixoto’s in Freiheit geseßt.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Siyungen dis Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage. j

= Fi der heutigen 72. Sißung des Reichstags, welcher der Reichskanzler Graf von Caprivi, die Staatssekretäre Pr. von Boetticher, Freiherr von Marschall, Nieber- ding und Dr. Graf von Posadowsky beiwohnten, erklärte oor Beginn der Tagesordnung der

Vize-Präsident Freiherr von Buol: Jh mache darauf aufmerk- sam, daß der Herr Präsident für den Fall, daß die dritte Berathung des Etats nicht zu Ende geführt wird, heute eine Abendsißung zu diesem Zweck zu Hilfe zu nehmen gedenkt. i

Auf der Tagesordnung steht die dritte Berathung des Neihshaushalts-Etats für 1894/95 in Verbindung mit der dritten Berathung des Etats für die Schußgebiete, cines Nachirags-Etats für 1893/94 und des Anleihegeseßzes.

Abg. Liebknecht (Soz.) weist darauf hin, daß der Militarismus cine Schraube ohne Ende sei. In Frankreich habe man jekt eine neue Kanone erfunden, welche für Frankreih eine Mehrausgabe von 500—600 Millionen hervorrufe und eine ebenso große Revolution im Waffenwesen mit sich bringen werde, wie das kleinkalibrige Gewehr. Man wird in Deutschland auch bald wieder eine neue Militärvorlage machen. Der Militarismus is die hervor- ragendste Ursahe des Bankerutts der meisten Staaten. Die Strömung wächst " daher begreifliß, zu einem andern Ver- theidigungssystem überzugehen : zum Milizsystem, welches allein eine Bürgschaft des Friedens ist. 1871 haben wir den Vorshlag gemalt, auf die Annexion von Elsaß-Lothringen zu verzihten, Frankrei dafür einige Milliarden mehr aufzuerlegen und vor allem die Bedingung, sein Heer in eine Miliztruppe zu verwandeln. Hätte man diesen Ge- danken aufgenommen, dann wäre Deutschland heute um12 bis 13 Mil- liarden reiher. Beim Beginn der nächsten Tagung werden die Sozial- demokraten den Antrag einbringen, die os einzuführen. Der Vertrag mit Rußland war eine Nothwendigkeit, wir {timmen für ihn, nicht für die Persönlichkeiten, welhe ihn geschlossen haben. Die Mauer, welche Nußland umgab, wird durhbrochen, der Verkehr mit Nußland wird von großem Vortheil sein für die friedlichen Ver- hältnisse. Deutschland wird einen Absay für seine Ueberproduktion finden, und daß billiges Getreide aus Nußland kommt, is auch nit zu untershäßgen. Freilich die Agrarier halten eine gute Ernte und hilliges Getreide für einen Fluch.

Abg. Graf Kanit (dkons.) erklärt, daß er si geirrt habe, als er am 15. Dezember vorigen Jahres behauptet habe, daß ein \ächsisches Bataillon im Kriege großen Abgang gehabt hätte, weil die industrielle Bevölkerung niht so widerstandsfähig sei wie die landwirthschaftliche ; er habe sih dabei auf einen früheren \ächsis{chen Abgeordneten berufen. Es sei ihm aber erklärt worden, daß kein sächsisher Abgeordneter cinen solhen Ausspruch gethan habe. :

Damit ließt die Generaldiskussion.

Beim Etat des Auswärtigen Amts regt der

Abg. Schmidt- Warburg nohmals die Frage an, ob {hon Schritte zu Gunsten der deut|hen Inhaber griehischer Papiere ge- shehen seien. : |

Zur Beantwortung dieser Anfrage nimmt bei Schluß des Blattes der Staatssekretär Freiherr von Marschall das Wort.

In der heutigen 9. Sißung des Herrenhauses, welher der Justiz - Minister Dr. von Schelling -und der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse mit Kommissarien beiwohnten, wurde zunächst mitgetheilt, daß in das Haus berufen und eingetreten sind der Rittergutsbesißer von Bredow (Buchow-Karpzow) und der Präsident des evangelischen Ober - Kirchenraths, Wirklihe Geheime Rath D.Dr. Barkhausen. e

Auf der Tagesordnung steht der Bericht der TX. Kommission über die Novelle zu dem Geseh, betreffend die evangelische Kirhengemeinde- und Synodal-Ordnung und be- treffend die evangelishe Kirhenverfassung.

Berichterstatter, Minister des Königlichen Hauses von Wedel: Die Organisation der kirchlichen Organe bedarf bis jeßt der Mit- wirkung der Staatsgesetgebung, ebenso auch die Abänderung der kirh- lien Geseßgebung. Dies ist von den kirhlihen Organen {merzlich empfunden worden, da der beschlußfassende Landtag nicht allein aus Evangelischen, sondern au aus Andersgläubigen besteht. Auf Antrag der General-Synode hat die Staatsregierung genau diejenigen Materien umgrenzt, welhe fortan der Mitwirkung der Staatsgesetgebung unterliegen sollen. Die Kommission hat diese Grenze er- weitert. Bisher bedarf ein von der General-Synode zur Königlichen Sanktion vorgelegtes Gese einer ministeriellen Erklärung, daß dagegen nihts von Staatswegen zu erinnern fei. Die General-Synode hat vorgeschlagen, daß diese Erklärung vom Kultus-Minister zu geben ist und zwar in der Form: ob gegen das Gefeß etwas zu erinnern ist. Die Negierungsvorlage überträgt die Erklärung dem Staats- Ministerium. Die Kommission {loß sich dem an. Endlich hat die Regierung auf Wunsch der General-Synode den Saß von 4 9/6 der zu erhebenden Kirchensteuer auf 6 %/ erhöht. Auch damit war die Kom- mission einverstanden.

__ Vürgermeister Struckmann glaubt niht, daß dur Annahme dieser von der General-Synode beantragten geseßlihen Aenderung Nuhe werde geschaffen werden. Die kirhlihen Organe würden nicht ruhen, bis die vollständige Loslöfung der Kirchengeseßgebung von der Staatsgeseßgebung erreicht fei. Dieses Geseh könne nur zu einer starken Schädigung und Sprengung der evangelishen Landes- êirhe führen. Die bisherige Haltung der Orthodoxie zu den freiheitlien firchlihen Elementen lasse darüber keinen Zweifel, daz man sih in Zukunft aller „kirhenfeindlihen“ Bestandtheile ent- ledigen werde. Daß diese Befürchtung nit unbegründet sei, bewiesen die Aeußerungen des Herrn von Kleist-Reßow beim Antrag Kleist- Hammerstein. Es handle sich hier niht um eine reine Etiquetten- srage, wie es nach den Motiven scheine, sondern um eine Frage der Herrschaft. Resligiosität im wahren Sinne werde diese neue Ordnung am wenigsten herbeiführen, Aeußerliche Freiheit und innerlihe Gebundenheit sei die Signatur dieses Geseßes, während er (Redner) und seine Freunde auf dem Boden des Evangeliums ständen und der Glaubens- und Gewissensfreiheit in Bezug auf die Ausgestaltung der Dogmen im einzelnen freien Spielraum gewähren wollten. Glaube man etwa der Religion zu nüßen, wenn man die freieren Elemente zur Heuchelei oder zum Austritt treibe? Liege niht die Gefahr nahe, daß Tausende und bertausende von evangelischen Christen \sich von der Religion ganz abwenden ? Diese Vorlage ershüttere also die Grundlagen der evan- gelischen Kirche, Fortan würden es die General-Synode und die Provinzial- Synoden in der Hand haben, alle diejenigen von sih fernzuhalten, welhe nicht auf dem Boden des Apostolikums ständen, und das Staats-Ministerium werde dagegen nichts machen können, ebensowenig der Landesherr als summus episcopus, da er seit der Konstitution niht mehr souverän und auf den Rath seiner Minister angewiesen sei, Darum sei es für den Landesherrn eine Stüge, wenn er nicht auf seine Räthe allein angewiesen sei, sondern wenn ihm die Cuern zur Seite stehen. Es müsse geseßlich festgelegt werden, Kirchenangehörige, auch geistliße, wegen ihrer abweichenden Danatif en assung niht aus der Kirche ausgestoßen würden. O Geseß sei ein viel siherer Schuß vor der Knebelung A ischen Gewissen als intolerante Synoden. Suche man doch in dieser weren Zeit einen gemeinschaftlihen Boden im Evangelium. Wolle ey aufrichtig sein, so müsse man zugeben: kein Einziger stehe noh au dem Boden des Dogmas. Lassen wir, {ließt Redner, das dog-

atishe Gezänk bei Seite zum Heil der evangelischen Kirche! bin Ninister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse: Jch x anfbar, daß die Kommission, auch in der Opposition, die Vor- t rein sahlich geprüft hat. Jh kann aber nit zugeben, daß in Firde Vorlage ein Glaubens wang geübt oder jedes Glied der Landes- wid de den Buchstaben Mlaenagele werden soll. Noh weniger le Vorlage Zustände schaffen, welche die Glieder zur Heuchelei

oder zum Austritt aus der Kirhe treibt. Herr von Kleist sei viel weiter gegangen als die Foage: und die General-Synode hat dessen Wünsche auf das richtige af beschränkt. Perx Struck- mann kämpft also gegen Gespenster, er ift staatlicher als der Staat selber und die Majorität des Landtags von 1876. Nach seinen Wünschen gäbe es eine kirchlihe Gesetzgebung überhaupt niht mehr. Glaube und Evangelium seien die Grundlagen der Kirche, nicht die Fesseln der interkonfessionellen Staatsgeseßgebung. Wir werden dafür sorgen, daß staatlihe Interessen niht verleßt werden. Wo steht im Geseß irgend etwas, was nah „finsterer kirchlicher Reaktion“ aussähe? Der Entwurf hat das aufrichtige Bestreben, den Wünschen der evangelischen Kirhe auf ihrem Verfassungsgebiet, soweit sie berechtigt sind, freundlih entgegenzukommen. halte es für eine Pflicht jedes Patrioten, auch auf diesem Gebiet auf Vereinfahung der Gesetzgebung zu wirken. Wir brauchen Frieden mit der Kirche, insonderheit mit der evangelischen in dieser Zeit. FIch habe allerdings anfangs den Wünschen der General-Synode ein geringeres Entgegenkommen gezeigt; ih bekenne, daß ih mi geirrt und die Beschlüsse der General-Synode in ihrer Tragweite nicht richtig erkannt habe. Selbst ein fo liberaler Mann wie Professor Beyschlag, theilt nicht die Besorgnisse, welhe Herr Struckmann geschildert hat. Die Vorlage hat lediglih den Zweck, zwischen Staat und Kirche in Preußen ein friedlihes Verhältniß herzustellen. Wir brauchen die reichen Segenskräfte der Kirche in Staat und Gesell- schaft, um die {weren Mißstände zu bekämpfen, mit denen wir es augenblicklih noch zu thun haben. Die Vorlage bildet den Abschluß der kirhlihen Gesetzgebung. (Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten erledigte in seiner heutigen 37. O, welcher der Finanz-Minister Dr. Miquel und der Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen bei- wohnten, zunächst in zweiter Berathung die Sekundärbahn- vorlage und nahm folgende, von der Budgetkommission be- antragte Resolution an:

Die Regierung zu ersuchen, eine Aenderung des bisherigen Ver- fahrens bei der Heranziehung der Betheiligten zu den Grund- age add bei dem Ausbau von Nebenbahnen in Erwägung zu ziehen.

Den übrigen Theil der Sißung, über die wir morgen ausführlih berihten werden, bildete die Berathung von Petitionen.

Schluß 123/4 Uhr. Nächste Sißung: Freitag 10 Uhr.

Die XIV. Kommission des Reichstags zur Vorberathung des Entwurfs cines Gefeßes, betreffend den Schuß der Brieftauben undden Brieftaubenverkehr im Kriege, besteht aus folgenden Abgeordneten: Prinz von Arenberg, Vorsitzender; von Salisch, Stell- vertreter des Vorsißenden; Dr. Müller (Sagan) (Schriftführer) ; Baümbach, Lenzmann, Walter, de Witt.

Nach dem „Posener Tageblatt“ wurden bei der Necichstags-Ersaßwahl im Wahlkreise Meseriß-Bomst bis heute Vormittag gezählt: für von Dziembowski (Reichspartei) 4583 Stimmen, für von Mosch (Antisemit) 2975 Stimmen, für Szymanski (Pole) 7180, für Stolze Sozialdemokrat) 193 und für Dau (fr. Volkspartei) 33 Stimmen. Zersplittert 196 Stimmen. Wahrscheinlich findet cine Stichwahl zwishen Szymanski und von Dziembowski statt.

Die Kommission des Hauses der Abgeordneten zur Berathung des Geseßentwurfs über die Aufsuchung und Gewinnung der Kal i- und Magnesiasalze hat das Geseh mit der Aenderung, daß die Provinz Hannover von dem Geltungsbereih des Gesetzes aus- ge{chlossen sein soll, mit 13 gegen 4 Stimmen angenommen.

Nr. 11 der „Verdöffentlihungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 14. März hat folgenden Inhalt: Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten (Cholera, ÎIn- fluenza u. st. w.). Zeitweilige Maßregeln gegen Cholera 2c. Gesundheitsstand in Niederländish-Indien, 4. Vierteljahr. —— Gesetz- gebung u. s. w. (Ungarn). Kunstweine. (Großbritannien). Vieh- einfuhr. (Belgien). Gesundheitsatteste der Seeschiffe. (Kolumbien). Gesundheitskommission. Gang der Thierseuhen in Dänemark, 4. Vierteljahr. Desgl. in der Türkei, 2. Halbjahr. Desgl. in Bulgarien, 4. Vierteljahr. Zeitweilige Maßregeln gegen Thier- seuhen. (Deutsches NKeich, Belgien.) Rechtsprehung. (Laud- geriht- T Berlin). Experimente mit Morphin und Autropin an Menschen seitens eines Arztes. Verhandlungen von geseßgebenden Körperschasten. (Deutsches Reich.) Prüfung der Nahrungsmittel- Chemiker. Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Groß- städte. Desgl. in deutschen Stadt- und Landbezirken. Witterung. Beilage. Gerichtlihe Entscheidungen zum Nahrungsmittelgesetß. (Butter, Kunstbutter, Fett.)

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Die dem amtlihen Waarenverzeihniß zum Vereins- zollgeseß eingefügten „Anmerkungen* sind, nah einem Urtheil des Neichs8gerihts, 1. Strafsenats, vom 14. Dezember 1893, für die ih terliche Beurtheilung der Zollpfliht der Waare ebenso _maß- gebend, wie sie es für die Beurtheilung durch die Zollbehörde sind.

Gesundheit8wesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Cholera.

Rußland. Vom 17. bis 23. Februar wurden den „Ver- öffentlihungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ zufolge die nah- stehend aufgeführten Erkrankungen und Todesfälle amtlich angege. In Kowno vom 4. bis 19. Februar 10 erkr., 6_gest.; in Kowno (Stadt) vom 11. bis 17. Februar 17 bezw. 8; in St. Petersburg vom 4. bis 17. Februar 8 bezw. 0. A i

JFtalien. Zufolge einer amtlichen Mittheilung wurden in den Ses Neapel und Caserta während der epidemishen Ver- reitung der Cholera von Mitte Juli bis Ende Oktober 1893 die nachstehend verzeichneten Erkrankungen und Sterbefälle festgestellt : In der Provinz Neapel: im Bezirk Neapel in 14 Gemeinden 963 Er- krankungen, 623 Sterbefälle; im Bezirk Castellamare di Stabia in 14 Gemeinden 214 bezw. 120; im Bezirk Casoria in 18 Gemeinden 85 bezw. 47; im Bezirk Pozzuoli in 8 Gemeinden 32 bezw. 21; zu- sammen in 54 Gemeinden 1294 bezw. 811. In der Provinz Caserta : im Bezirk Caserta in 21 Gemeinden 101 bezw. 55; im Bezirk Nola in 11 Gemeinden 85 bezw. 42; im Bezirk Formia in 13 Gemeinden 146 bezw. 44; im Bezirk Sora in 20 Gemeinden 352 bezw. 177 ; zu- fammen in 65 Gemeinden 684 bezw. 318,

Paris, 14. März. „W. T. B.“ meldet: In der heutigen Plenar- sizung der Sanitätskonferenz erstattete Pagliani über die anitätspolizei am Rothen Meer Bericht. an glaubt, daß die

Konferenz ihre Arbeiten noch vor Ostern beendigen werde.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Koblen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 14. d. M. gestellt 11 090, nit rechtzeitig geftellt keine Wagen. _In Oberschlesien sind am 13. d. M. gestellt 3984, nit ret- zeitig gestellt keine Wagen. :

Vom oberschlesischen Steinkohlenmarkt berichtet die „Schles. Ztg.“ : Die Flauheit am oberschlesishen Kohlenmarkt hat bis jeßt niht nachgelassen, und weder durch Eröffnung der Wasserverladung noch durch den Beginn des Picgeieihetrebs ist eine Wendung zum Besseren eingetreten. Die Verladeordres gehen sehr \pärlih ein. Nur wenige von den Generalabnehmern, wahrscheinli der billigeren Fraht wegen bevorzugte Gruben sind uo in der Lage, vollschihtig zu fördern, während die meisten anderen Gruben immer noch eine bis zwei Feiershichten in der Woche einzulegen genöthigt sind. Stückkoblen werden gegenwärtig sehr wenig begehrt und finden nur als Eisenbahn- betriebsfohle noch einigen Absay. Würfel und Nuß 1 gehen wegen mangelnder Aufträge zum ren Theil in die Bestände. Nuß 11 und Erbskohlen find etwas mehr begehrt, jedoh nicht ganz der Produktion entsprehend. Gries und Staub gehen gegenwärtig am besten, da die Staubkohle nicht allein zur Betriebsfeuerung verstärkte Abnahme findet, sondern sie wird au in neuerer Zeit in bedeutenden Quanti- täten zur Briquetfabrikation bezogen. Im Koks ge\chäft war bis jeßt eine wesentlihe Aufbesserung noch nicht zu bemerken. Der Absatz an Hochofen- und Schmelzkoks hat sich zwar infolge stärkerer Beschäftigung im Hochofen- und Gießereibetriebe etwas gehoben, reicht jedo zur Aufnahme der vollen Koksgewinnung noch immer nicht hin. Für Theer- und Theerprodukte dürfte sih die Nachfrage bald heben, und werden geringere Quantitäten {hon geschlossen.

Die Saal- Eisenbahn vereinnahmte im Februar d. J. nah vorläufiger Feststellung 94 073 (+ 6357) 4; vom 1. Januar bis Ende Februar d. I. 188 552 (+ 20170) M

Die nächste Börsen versammlung zu Essen findet am 19. März im „Berliner Hof“ statt.

In der gestrigen 21. ordentlihen Generalversammlung der Dresdner Bank waren 35 Aktionäre anwesend, die 5704 Stimmen vertraten. Der Geschäftsbericht und die Bilanz wurden ohne Debatte durch Zuruf genehmigt, ebenso der Vorschlag der Verwaltung bezüg- lich der Gewinnvertheilung. Die Dividende von 54% gelangt sofort zur Auszahlung. Das ausscheidende Aufsichtsrathsmitglied wurde wiedergewählt. :

Die Mannheimer Volksbank ändert, wie die „N. Bad. Landeszt.“ meldet, laut Beschluß der Generalversammlung ihre Firma D Ne Bank“ ab und erhöht demnächst ihr Aktien-

apital.

Verdingungen im Auslande.

Egypten.

16. April. Eisenbahnverwaltung Kairo: Lieferung von Eisen- beshlag für Thüren und Fenster. Verzeihniß und Lastenheft beim Magazin-Inspektor von Gabbari erhältlich.

17. April. Verwaltung der Daira Sanich Kairo: Lieferung von 30 000 englishen Tonnen Kohle, 6500 t Brigquettes, 2000 t Koks, 400 franzöfishen Tonnen Knochenkohle, 800 000 Zuckersäcken, 29 000 k Talg, 1500 kg Schmalz, 50 000 kg Olivenöl, 40 000 kg Rangunsl, 2500 kg Leinöl und 6000 ke Valvolinesl. Lastenheft in Kairo und Alexandrien erhältlich.

Verkehrs-Anstalten.

Bremen, 14. März. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Reichs-Postdampfer „Gera“ hat am 12. März Nachm. die Reise von Genua nah Neapel, der Reihs-Postdampfer , Sachsen * Abends die Reise von Neapel nach Genua fortgeseßt. Der Schnelldampfer „Kaiser Wilhelm 11.“ ist am 12. März Vorm. in New-York angekommen. Der Postdampfer , Graf Bismar ck“ hat am 12. März Nachmittags Santa Cruz passiert. Der Post- dampfer „Darmstadt“ ist am 13. März Morgens auf der Weser angekommen. Der RNReichs-Postdampfer „Preußen“ hat am fet A, Abends die Reise von Southampton nah Antwerpen ortgeseßt. '

__ London, 14. März. (W. T. B.) Der Union - Dampfer „Merxican“ ist heute auf der Heimreise von Madeira abgegangen. Der Castle-Dampfer „Hawarden Castle“ ist gestern auf der Aus- reise in Kapstadt angekommen. Der Castle- Dampfer „Norham- Castle“ hat heute auf der Ausreise Madeira passiert.

Theater und Musik.

Königliches Schauspielhaus.

Friedrih Haase begann gestern Abend als Marinelli in Lessing's „Emilia Galotti“ die Reihe seiner Gastvorstellungen auf der Königlichen Bühne. Der feinfühlige Charakterspieler ift gestern wie früher zu jeder Zeit warm begrüßt und lebhaft bewundert worden ; die Anziehungékraft seines durchgeistigten Spiels war stets so groß, daß man über den Darsteller den Werth oder Unwerth der Dramen, die seine Gastspiele in ihrem Kreislauf auf die Bühne brachten, vergaß. Man war eben gewöhnt, Friedrich Haase in einem gewissen Nollenkreise sih bewegen zu sehen, der seine eigenartige Gabe der Charakteristik in feinen Strichen und in der Kleinmalerei befonders hervortreten ließ. In diesen Kreis gehört nicht gerade die Marinelli - Gestalt; um so lebhaftere Befriedigung ite es gewähren, Haase's Auffassung der Rolle zu beobahten. Dieser Marinelli glich den Figuren, die unsere Schauspieler gewöhnlich auf die Bühne gestellt haben, sehr wenig und entsprach auch niht ganz der Vorstellung, die Lessing's Marinelli wohl in dem Leser des Trauerspiels zu erwecken pflegt. aase stellte die servile E natur vor dem eingeteufelten Nänkeschmied in den Vordergrund. Es war fast die cinfältige Art des Hofsmarschalls Kalle, bei dem nur die verblüffende Geistesgegenwart, die bliyschnelle Findigkeit im Erdenken immer neuer Auswege und boshafter Hilfemittel überraste. Wer die Lasterhaftigkeit so im großen betreibt, wie Marinelli, von dem erwartet man die Anzeichen eines scharfen, gegen unerwartete Angriffe gewappneten Verstandes auch in der äußeren Gestalt und im Wesen zu finden ; aber der Darsteller zeihnete seinen besonderen Marinelli mit genialer Einheitlichkeit und Anschaulichkeit, mit allen feinen Schattierungen des Charakters, die gerade im ummen Spiel öfters ebenso überrashend wie überzeugend wirkten. Noch ein zweiter Gast des Abends verdient gebührende Anerkennung. gee Pauline Ulrich aus Dresden, die für das er- rankte Fräulein Poppe eingetreten war, spielte die Orsina mit kluger Ueberlegung und warmer Empfindung ; aber der Ton glühender Leiden- schaft, der die Sünden des Bluts erklärt, trat vor threr klaren vor- nehmen Diktion mehr zurück. Die heimischen Mitglieder der Bühne boten zumeist {chöne, harmonische Leistungen, die uneingeshränktes Lob verdienen. Herr Matkowsky war als Prinz besonders in der Liebes- ive mit Emilia voll feuriger Zärtlichkeit ; Herr Ludwig als

ppiani trug seine Shwermuth mit edlem Anstand, und Frau von Hochenburger war eine lieblihe und großer Auen fähige Emilia. Der reihe Beifall der Zuschauer galt neben den auts- gezeichneten Gästen au der trefflichen Gesammtvorstellung.

Konzerte.

Eine junge italienische Sängerin Fräulein Julia Miramar hoher Sopran), welche ihre Ausbildung bei Frau Artôt-Padilla er- balten hat, gab am Dienstag in der Sing-Akadem ie ein Konzert, in welchem fie Arien von Leoncavallo, Verdi, Meyerbeer und Lieder von Alexander Dorn und Boe Maurice vortrug, denen sie noch die beliebte Walzer-Arie aus „Romeo und Julia“ von Gounod hinzu-

fügte. Ihre sehr ausgiebige, nur in der Mittellage 'zu hell klingende