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Sachsen-Altenburg.
__ Das Befinden Seiner Durchlaucht des Prinzen Ernst hat sich, wie die „Magd. Ztg.“ erfährt, in der vergangenen Woche weiter gebessert; insbesondere konnte der Prinz seit Mittwoch täglich aus dem Bett in den Lehnstuhl gehoben wer- den und darin längere Zeit sißend verweilen. Die Bewegungen im kranken it jedes werden allmählih immer freier, die Schwellung des Beins ist so gut wie beseitigt.
Sachsen-Coburg-Gotha,
Im NRiesensaale des Herzoglichen Residenzschlosses in Coburg fand gestern Mittag die feierlihe Eröffnung des e n m N Landtags der Herzogthümer
oburg und Gotha statt. :
Seine Königliche Hoheit der Herzog hielt vom Thron aus folgende Ansprache :
Meine Herren Abgeordneten ! i
Zum ersten Male, feitdem Ich die Regierung Meines Landes übernommen habe, heiße Jch Sie versönlih willkommen. :
Unter der Regierung Meines in Gott ruhenden Herrn Oheims haben alle Zweige des geistigen und wirrhschaftlichhen Lebens einen hocherfreulihen Aufshwung genommen. Ich hoffe, daß es auch Mir beschieden sein möge, unter verständnißvoller Mitwirkung der Landtage arent des Landes und die Zufriedenheit der Bevölkerung zu inehren.
Die zur Vertheidigung des Neichs unbedingt erforderlihen Aus- gaben haben eine erhebliche Verschlehterung der seither blühenden Finanzlage zur Folge gehabt; Ich hoffe aber bestimmt, daß es dem einmüthigen Zusammenwirken der verbündeten dentschen Regierungen gelingen werde, die für Neichszwecke erforderlihen Mittel aus den dem Reich überlassenen Einnahmequellen vollständig zu decken und die Einzelstaaten zur energishen Förderung der ihrer besonderen Fürsorge verbliebenen Kulturaufgaben zu befähigen. :
Die Landwirthschaft befindet sih zufolge theilweiser Mißernte und außergewöhnlich niedriger Preise ihrer Hauptprodukte in shwieriger Lage; das Gedeihen dieses überaus wihtigen Erwerb8zweiges wird Gegenftand Meiner besonderen Aufmerksamkeit sein.
Für dringend nöthig erachte ih die engere Verbindung beider Landestheile, die Ausdehnung des Kreises der gemeinschaftlichen An- gelegenheiten und die Vereinfahung der Verwaltung. Die hierauf unabläfsig gerihteten Bestrebungen Meiner erlauhten Vorgänger in der Regierung werde Jch aufnehmen und fortseßen ; Jch bin fest über- zeugt, daß dieselben dem wirklihen Interesse beider Herzogthümer entsprechen und durch deren Verhältniß zum Reich erfordert werden, hoffe au, daß Sie si von der Nothwendigkeit dieser Entwickelung Unseres Staatswesens überzeugen und Meine Regierung bei den darauf abzielenden Maßregeln kräftig unterstützen roerden.
Außer Borlagen von geringerer Bedeutung wird dem gemein- schaftlichen Landtag, seinem Antrag entsprechend, ein Geseßentwurf zu- gehen, bestimmt, das Gebührenwesen- der freiwilligen Gerichtsbarkeit und inneren Verwaltung umfassend und einheitlih zu regeln, zugleich auch, soweit dies ohne allzu harten Druck der Bevölkerung möglich ist, den durch wachsende Ausgaben belasteten Staats- und Kommunal- kafsen eine neue Cinnahmequelle zuzuführen. Sie wollen di:se Vor- lage in Berathung nehmen, welhe, wie Jh erwarte, zu voller Ver- a mit Meiner Regierung führen wird. S
n einem gedeihlichen Zusammenwirken wird es nie fehlen, wenn allerscits das Interesse Einzelner, auch einzelner Stände und Körper- schaften dem gemeinschaftlihen und höheren des Staats und des Reichs untergeordnet wird; diese opferwillige und patriotishe Ge- en glaube Ih bei einem jeden von Jhnen vorausseßen zu ürfen. / Nach Beendigung der Thronrede brachte der Präsident des gemeinschaftlihen Landtags, Geheime Rath Berlet aus Gotha auf Seine Königliche Hoheit den Herzog ein Hoch aus, in welches die Versammlung begeistert einstimmte.
Der Staats-Minister von Strenge erklärte hierauf im Namen und Auftrag Seiner Königlichen Hoheît des Herzogs den gemeinschaftlihen Landtag der Herzogthümer Coburg und Gotha und den Speziallandtag für Gotha für eröffnet.
Seine Hoheit der Herzog von Sachsen-Altenburg ist ‘am Sonntag von Coburg wieder abgereist.
Deutsche Kolonien,
Ueber den weiteren Verlauf der Expedition des Gou- verneurs von Deutsch-Ostafrika Freiherrn von Schele hat der stellvertretende Gouverneur auf Grund ihm zugegangener, bis zum 25. Dezember 1893 reihender Nachrichten, dem „D. Kol.-Bl.“ zufolge, Nachstehendes berichtet :
Die Expedition hat die Gebiete der Mahenge und Mafiti durdh- zogen und glaubt durch Hinrichtung mehrerer der bedeutendsten Häupt- linge, die dem Sklavenraub gewohnheitsmäßig oblagen, zum theil auch auf frischer That gefaßt wurden, die Macht und Raublust dieser Stämme endgültig gebrohen zu haben. Am oberen Nuaha wie au) am oberen Ulanga bat die Expedition ein dicht bevölkertes, rei angebautes, besonders fruhtbares Land gefunden, dessen Haupterzeugnisse Neis, Mtama, Mais, Taback und Kaut- \chuk bilden. Nah Unterdrückung der NRaubzüge soll dort das Aufblühen eines fleißigen, Atkerbau treibenden Volks zu erwarten fein. Die Naubzüge dieser Stämme haben übrigens ledigli den
weck, Weiber und Sklaven zu stehlen, deren sie zur Bearbeitung der
elder bedürfen. Die Feldarbeit findet mit {weren Hacken in sorg- ältigerer Weise als an der Küste statt; der Boden wird tiefer be- arbeitet, und regelmäßige, erhöhte Beete werden auf den Feldern an- o auch werden Wasserläufe häufig zur Berieselung nußbar gemacht. , Die Sklaverei ist au bei diesen Stämmen eine durchaus milde. Die Sklaven werden gut behandelt und ernährt. Es ist ihnen völlig gleichgültig, ob sie befreit werden oder niht; arbeiten müßten sie zu Hause aut, Nahrung finden sie in der Gefangenschaft oft reichlicher als in ihrer Heimath, und Anhänglichkeit an Eltern, Geschwister oder Kinder kennen sie nicht.
Kiwanga, woher die leßten Nachrichten stammen, hat die Expe- dition sehr gut aufgenommen. Sie befand ih dort etwa 10 bis 14 Tagereisen vom Nyassa entfernt. Von dort beabsicßtigte Freiherr von Schele in der Nacht vom 25. zum 26. Dezember nah der Nord- spite des Sees aufzubrehen, um die Station Langenburg zu besichtigen und Einblick in die dortigen Verhältnisse zu gewinnen. Der Marsch führt mehrere Tage durch Uhehe, wobei etwa 50 Krieger des Kiwanga die Aufklärung übernehmen sollen. Der Rückweg ist einstweilen auf verfelben Straße bis zu Kiwanga, von da über Schabruma nach der Küste bei Kiêwere geplant.
Die Hiße wird als außerordentlih groß geschildert: mittlere Temperatur im Schatten 3329 C.; bei einer Tiefe von einem Zoll unter der Erdoberfläche steigt die Temperatur auf 529, fodaß die Träger vielfah von Brandblasen an ten Fußsohlen zu leiden hatten; bei Mondschein wurde deshalb vielfah Nachts marschiert. Besonders lästig foll ein sich oft bis zur Sturmstärke sleigernder sehr heißer Winb gewesen sein, der einen feinen {chwarzen Staub, von den Steppen- D herrührend, mit \ich führt und in die Poren der Haut eindringt.
Troßdem ist der Gesundheitszustand unter den Europäern gut.
„Vie der stellvertretende Gouverneur, Kanzler Leist be- richtet, hat am 27. Januar die feierlihe Enthüllung des auf der Joßplatte in Kamerun zum Andenken an den Königlich bayerishen Hauptmann Freiherrn von Graven- reuth errichteten Denkmals in Gegenwart der Gou- vernementsbeamten, . des S S M S. „Hyäne“ sowie der deutschen issionare und Kauf-
leute stattgefunden. Nachdem die Kapelle S. M. S. |
„Hyäne“ einen Choral gespielt hatte, fiel nach einer kurzen Ansprache des stellvertretenden Gouverneurs die Hülle des Denkmals unter präsentiertem Gewehr und dreimaligem Salvenfeuer einer aus der Besaßung des Kriegsschisfs ge- bildeten Ehrenkompagnie. Das von der Professor von Miller schen Erzgießerei in München in Bronze ausgeführte Denkmal stellt einen ruhenden Löwen dar, der, in bender Stellung mit erhobenem Kopfe in die Ferne blickend, mit den Vordertaßen die deutsche Kriegsflagge {hüßt. Das auf zwei Stufen sih erhebende Postament i aus karrarishem Marmor hergestellt; an der Vorderseite befindet sich ein Bronze- Medaillon mit dem wohlgetroffenen Bildniß des gefallenen
Helden. Die Gesammthöhe des weithin sihtbaren Denkmals
beträgt etwa 3,60 m. j Die Anlage einer Gesundheitsstation im Kamerun- ebirge ist der Verwirklichung näher gerückt. Der Präfekt ieter von der Mission der Pallotiner gedenkt noch in dieser Trockenzeit in Buëa ein Sanatorium, zunächst für erholungs- bedürftige Missionare, zu gründen. Auch die Baseler Mission scheint, neueren Nachrihten zufolge, ihre Bestrebungen, für ihre Missionare im Kamerun- gebirge eine Erholungsstätte zu begründen, wieder aufgenommen zu haben. — Der Leiter der bekannten großen Kaffeeplantagen in San Thomé, Vize-Konsul Spengler, hat sich bereit erklärt, das Kamerungebirge behufs Untersuhung seiner Anbau- fähigkeit zu besuchen.
Oesterreich-Ungarn.
Bei der gestern vorgenommenen Wahl zum NReichsrath für Wien (Junere Stadt) wurde, wie „W. T. B.“ berichtet, der Deutsch - liberale Nos ke mit 2173 Stimmen gewählt. Dev Demokrat Ofner erhielt 1017, der Antisemit Rabenlechner 532 Stimmen.
Der jungcezechische Neichsraths- und Landtags-Abgeordnete Schwarz hielt in einer in Pilsen abgehaltenen Wähler- versammlung eine Rede, worin er ausführte, die Koalitions- regierung werde vermuthlih von langer Dauer sein. Es sei nicht leicht, einer solhen Regierung, deren Kassen intakt seien und deren Kriegsmacht von keiner Seite bedroht werde, Opposition zu machen. Die jungezechishe Opposition müsse so eingerichtet sein, daß ein künftiges Kabinet auf die czechishen Ansprüche Rück- nicht nehmen könne. Nachdem der Vorsißende der Versamm- lung Bürgermeister Petak erklärt hatte, mit prahlenden, drohenden Schlagworten werde der Nation nicht genüßt, ihr fromme nur rechishaffene Arbeit, wurde einc Nesolution im Sinne des Redners angenommen.
Großbritannien und JFrland.
Jn der gestrigen Sizung des Unterhauses theilte, wie „W. T. B.“ berichtet, der Parlaments-Sekretär des Augs- wärtigen Sir E. Grey auf eine Anfrage mit, die Wirkung des deuts -russishen Handelsvertrags auf den eng- lischen Handel werde in der am 15. d. M. ersheinenden Aus- gabe des „Board of Trade-Journal“ dargelegt werden. Auf eine weitere Anregung erklärte Sir E. Grey, gegenwärtig sei kein englisches Kriegsschiff in Samoa. Der dortige englische Konsul habe am 22. v. M. telegraphish gemeldet, daß Un- ruhen stattgefunden hätten. Gleichzeitig habe aber der Konsul hinzugefügt, daß die Entsendung eines Kriegs schiffes nicht nöthig sei, da die Nuhe wiederhergestellt und der Abschluß eines befriedigenden Friedens gesichert sei. Jm weiteren Ver- laufe der Sißung beantragte der Sekretär für Schottland Sir G. Trevelycn die Ernennung eines großen, aus sämmtlichen Abgeordneten Schottlands und fünfzehn anderen Abgeord- neten bestehenden Ausschusses, dem alle Schottland aus- schließlich betreffenden Vorlagen zur Spezialdebatte überwiesen werden sollten. Die Regierung betrachte diesen Antrag nicht als eine Parteisahe, sondern als eine Maßregel zur Beschleu- nigung der Geschäfte. Der Abg. Balfour bekämpfte diesen Antrag, der die Gebräuche des Unterhauses umstürze und das Nationalitätsprinzip in die Zusammenseßung der großen Aus- schüsse einführe. Er beantrage daher, in cinem Unterantrage zu erklären, das Haus lehne die Vorlage, die nur auf einen Theil des Königreichs sih beziehe, ab, bis es Gelegenheit gehabt haben werde, einen allgemeinen, auf alle Theile des Vereinigten Königreichs sih erstreckenden Plan zu erwägen.
Rußland.
Nach einer Meldung der „Pol. Korresp.“ aus St. Peters- burg ist die Vermählung der Großfürstin Xenia Alexandrowna mit dem Großfürsten Al e ¿ander Michai- lo witsch endgültig für den Monat Juni festgéfebt.
Wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg erfährt, ist gestern amtlih der Kaiserliche Befehl veröffentliht worden, wonach gegenüber den österreih- ungarishen Boden- und Nou fete-Erzcugnifsen die ermäßigten Tarifsäße angewendet werden, die dur die russish-französische Konven- tion vom 17. Juni 1893 und den russish-deutschen Handels- vertrag vom 10. Februar 1894 festgeseßt worden sind. Vesterreih-Ungarn wendet während des Véooiforiums gegen- über den russishen Boden- und Jndustrie-Erzeugnissen die ermäßigten Zölle seiner Konventionaltarife an mit gegenseitig vereinbarten Ausnahmen, die sih nicht auf andere meist: begünstigte Staaten beziehen.
Eine Verordnung des Finanz-Ministers hebt die obliga- torishe Forderung von Ursprungszeugnissen aller Jm- portwaaren seitens der Zollämter auf, mit Ausnahme der Ursprungszeugnisse für Arak, Num 2c. (siehe Art. 27 des Zolltarifs), für Wein in Flaschen, Fishkonserven, Blei in Rollen 2c. (siche Art. 146 Punkt 2 des Zolltarifs) und für Zink.
Nach dem vorläufigen RNeichskassenberiht pro 1893 be- laufen sih die gesammten Einna hmen, ordentliche wie außer- ordentlihe, auf 1220 500 000, die gesammten Ausgaben auf 1 055 900 000 Nubel. Der Ueberschuß beträgt mithin 164 600 000 Rubel. Die ordentlichen Einnahmen pro 1893 überstiegen diejenigen des Jahres 1892 um 67 700 000 Nubel.
Jtalien.
Die Deputi rtenkammer trat gestern wieder zu einer Sißzung zusammen. Der Präsident widmete, dem „W. T. B.“ zufolge, Kossuth einen Nachruf und erhielt die Ermächtigung, dessen Hinterbliebenen das Beileid der Kammer auszu- sprechen. Der Minister-Präsident Crispi legte einen Geseß- entwurf wegen mehrfacher Abänderungen der Gesehe über die politishen und Munizipalwahlen, sowie einen Geseßentwurf über Explosivstoffe vor.
___ Der Papst empfing gestexn den Kardinal Dunajewski in Audienz. |
Spanien.
Der Ministerrath beschäftigte sich gestern, wie ,W. T. B.“ meldet, mit der andalusishen Arbeiterfrage und beschloß die Ausführung öffentlicher Arbeiten in den Provinzen Cadix U O, um den Arbeiterklassen Beschäftigung zu ver-
afen.
Es sind umfassende Vorsichtsmaßregeln getroffen, um die Sicherheit des Parlaments gegen anarchistishe Um- triebe zu shüßen. :
Jn Madrid eingetroffenen Meldungen zufolge plünder- ten am Sonntag ungefähr 1000 Arbeiter die Bäckereien in San Lucar; die Gendarmerie konnte nichts dagegen thun. Auh in Ecija (Provinz Sevilla) fanden Aus- \chreitungen statt.
Belgien.
Die Regierung hat, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, in einer bei dem Minister-Präsidenten de Burlet abgehaltenen Versamm- lung der Rechten die Mittheilung gemacht, daß sie den Gese t- entwurf über die verhältnißmäßige Vertretung zurückziehe und keine neue Vorlage einbringen werde, sodaß also ay das Wahlgeseß das bisherige System der absoluten Mehrheit beibehalten bleibt. Die Regierung kündigte ferner an, daß die Kammersizungen nicht länger als bis Mitte Zuli dauern werden, daß sie, die Regierung, aber vorher noch die
Einführung von Zöllen beantragen werde, die „für den
Augenblick auf nicht als Nahrungsmittel dienende landwirth- schaftliche Erzeugnisse, auf Hafer und Butter, beschränkt werden Cre Jm Einverständnisse mit der Rechten beschloß ferner ie Regierung, daß die Provinzialrathswahlen zwar noch in diesem Jahre stattfinden, aber unter Anwendung des bisherigen Wahlgeseßes abgehalten werden sollten, so Zwar, a8 man zuw namliden Zet. wo die 1 200 000 Wähler des erweiterten Stimmrechts die Abgeordneten und Senatoren erwählen würden, die 400 000 Zensuswähler und die 60 000 „Kapazitätswähler“ des Gescßes vom Jahre 1883 zur Wahl der Provinzialräthe berufen werde, die dann ihrer- seits, dem neuen Wahlgeseß zufolge, einen Theil der Senatoren. ernennen müssen. Dieje Beschlüsse werden voraussichtlich den Hauptinhalt einer auf heute angekündigten Erklärung des neuen Ministeriums an die Kammer bilden, nah deren Ver- lesung der liberale Abgeordnete Bara die Regierung wegen der jüngstenMinisterkrisiszu interpellieren beabsichtigt.
Serbien.
JZnfolge der aus persönlichen Motiven eingereichten emission des Finanz-Ministers Mijatovic trat gestern Mittag eine Ministerkrise ein, welche mit dem Rück- tritt des Kabinets Simic abschloß. Mit der Bildung des neuen Kabinets wurde der bisherige Minister des Znunern Nikolajevic betraut. Das neue Kabinet ist wie folgt zusammengeseßt: Nikolajevic Präsidium und Inneres, der bisherige Handels-Minister Lozani c Aeußeres, der bisherige Justiz - Minister Gjorgjevic Unterricht, Vukacsin Petrovic Finanzen, der bisherige Sektionschef im Handels-Ministerium Fovanovic Handel, der Rath am Kassationsgériht Antonovic Justiz. Der Bauten-Minister Zoravkovic sowie der Kriegs-Minister, General Pavlovic behalten ihre bisherigen Portefeuilles bei. Simic und die anderen ausscheidenden Minister sind vorläufig zur Disposition gestellt worden. Die politishe Richtung des neuen Kabinets bleibt in allen inneren und äußeren Fragen unverändert die-
selbe, wie die des Kabinets Simic.
Amerika. __ Der Senat hat, nach einer Meldung des „W. T. B.“,/ gestern die Berathung der Tar ifvorlage begonnen. Der mexikanische Kongreß ist gestern eröffnet worden. Die Botschaft des Präsidenten besagt, daß das Ergebniß der neueren Steuern und Ersparnisse den Vorausseßungen der Regierung entsprehe, und daß ohne die inzwischen eingetretene Verschlechterung des Wechselkurses und die daraus resultierenden Mindereinnahmen aus Einfuhrzöllen das Gleichgewiht im Budget für 1894/95 hergestellt worden sein würde. Diese durch die Münz- politik verschiedener Länder und deren Haltung in der Silberfrage hervorgerufenen Störungen hätten die Berechnungen der Re- ierung alteriert und zwängen sie im Interesse des Landes zur Auf- Muni neuer Lösungen. Jndem die Regierung sich dieser Aufgabe unterzieche, sei sie in gleicher Weise entschlossen, den Kredit Und die Ehre des Landes zu s{hüßen — wie sie sich bewußt sei, un: mittelbar nah Votierung des Budgets den Steuerzahlern und Staatsbeamten neue Opfer nicht auferlegen zu können. Wie dem „New-York Herald“ vom Sonntag aus Rio de Fanciro gemeldet wird, hätten die dortigen Gesandten
Eflands und Jtaliens kürzlih den nordamerikanischen Staatssekretär Gresham ersucht, dem nordamerikanischen Gesandten in Rio de Janeiro Thompson Anweisung zu geben, gemeinsam mit ihnen bei der brasilianischen Regierung dahin vor: stellig zu werden, daß Brasilien diean Portugal gerichtete Forderung, auf Auslieferung da Gama’s zurückEziehe. Der Staats- sekretär Gresham habe erwidert, es liege kein Grund zu einer Jntervention vor, da da Gama JInsurgent sei. —— Nach Mel- dungen aus Buenos Aires sei der Gesundheitszustand auf den portugiesischen Schiffen ein \chlehter. Der Admiral Saldanha Da Gama habe telegraphish der portugiesischen Regierung scinen Dank ausgesprochen für das ihm gewährte Asyl und gleichzeitig die Ermächtigung nachgesucht, die brasilianischen ruppen ans Land zu seßen.
Dem „Reuter’schen Bureau“ wird aus Lima gemeldet : Der Vize-Präsident del Solar habe sih geweigert, die Prä- sidentschaft zu übernehmen, die darauf der Zweite Vize - Prä- sident Borgoño übernommen habe. ‘Das Kabinet habe demissioniert. Jn dem neuen Kabinet habe Garcia Urrtia den Vorsiß und das Ministerium des Auswärtigen, der Ge-. neral Ant ayo das Departement des Krieges, Dulano das der Justiz, Ferreros das des Jnneren, und Delapuenta das des Handels übernommen. Die Stadt sei ruhig, die Banken seien iedoh geschlossen; die Geschäfte stockten. — Einer Meldung der „Agenzia Stefani“ zufolge sei es wahrscheinlich, daß der Zweite Vize-Präsident Borgofño an Stelle des ver- storbenen Präsidenten Bermudez zum Präsidenten der: Republik werde gewählt werden.
e _ Afrika.
_ Wie dem „Reuter'shen Bureau“ aus Kairo gemeldet wird, find die Gerüchte von einer bevorstehenden M inister- krisis, die durch die Berufung der Minister nah dem Land- sige a doe Di D O wurden, R unbegründet.
ceive ave die Minister nur zur Erledigung der laufen- den Geschäfte zu sich berufen. \ E M
Parlamentarische Nachrichten.
Auf der Tagesordnung der heutigen 39. Sigzung des auses der Abgeordneten, welher der Justiz-Minister ge von Schelling und der Finanz-Minister Dr. Miquel beiwohnten, stand zunächst die erste und zweite Berathung des (Gesezentwurfs, betreffend die Aufhebung der im Gel- tungsbereih des Rheinishen Rechts bestehenden Vorschriften über die in die Geburtsregister ein- zutra enden Vornamen.
Abg. Böttinger (nl.), der die hierauf bezüglichen Be- schwerden beim Etat des Justiz-Ministeriums zur Sprache gebracht hatte, empfiehlt den Gesegentwurf zur Annahme.
Abg. Olzem (nl.) beantragt, die Regierung aufzufordern zur Beseitigung allzu französisher Bestimmungen über die Anpreisung von Geheimmitteln, die besser durch Polizei- vorschristen erseßt werden könnten.
Der Antrag wird angenommen und in zweiter Berathung auch der Gesezentwurf genehmigt.
In Bezug auf den 45. Bericht der Staats\chulden- kommission für das Rechnungsjahr 1892—93 wird von seiten des Hauses Decharge ertheilt.
Die Rechnungen der Kasse der Ober-Nechnungs- kammer für das Jahr vom 1. April 1892—93 werden der Rechnungskommission überwiesen.
Es folgt die Berathung des Antrags des Abg. Dr. Eckels und Genossen: ,
Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, eine geseßliche
Aenderung des § 39 Abs. 1 der Vormund schaftsordnung vom 3. Juli 1875 dahin gehend herbeizuführen, daß die dauernde Belegung von Mündelgeldern bei den Sparkassen kommunaler Korporationen für zulässig erklärt wird.
Abg. Dr. Eckels (nl.) empfiehlt den Antrag mit Nücksicht auf die Wünsche des Hannoverschen Sparkassenverbandes, der sih wehre gegen eine Verfügung des Ober-Landesgerihts-Präsidenten von Celle, welcher die Belegung von Mündelgeldern bei Sparkassen als unzulässig bezeichnet habe. Das Kammergericht Rabe diese Geseßzesauffassung gebilligt, während verschiedene Amtêgerichte bisher die Belegung der Mündelgelder bei Srar- fassen nohzugelasjen hätten. Dadurch entstehe eine gewisse E heit. Das neue Bürgerliche Geseßbuch wolle die Frage allerdings im Sinne der Sparkassen regeln, aber bis dieses Geseßbuh fertiggestellt sei, würde noch manches Jahr vergehen, und és wäre wünschenswerth, diese Frage baldigst zu regeln.
Justiz-Minister Dr. von Schelling: Ich stehe insofern auf dem Standpunkt des Vorredners, als auch ih die Benußung der Sparkassen bei Belegung von Mündelgeldern, namentlich von geringerem Betrage, für zweckmäßig halte. Etwas Anderes aber ist es, ob diese Frage durch ein besonderes Landesgeseß geregelt werden foll. Jch habe aus Anlaß früherer Kommissionsberathungen eine Umfrage bei den Ober-Landes- gerichten gehalten. Es sind dabei verschiedene Ansichten geltend gemacht wor- den, namentli) au der niedrige Zinssaß der Sparkassen. Ich habe mich mit dem Minister des Innern, der für die Sparkassen die Haupt- instanz ifi, in Verbindung geseßt und auch den Finanz-Minister zu einer Aeußerung veranlaßt, weil vielleiht durch Zuströmen der Mündel- gelder die Sparkassen die Kurse der Konsols beeinflussen könnten. Die Verhandlungen haben aber noch niht zu einem folchen Er- gebniß geführt, daß ih darüber Mittheilungen machen könnte. Da aber der Antrag sich in der von mir gebilligten Richtung bewegt, so habe ih nihts gegen feine Annahme einzuwenden.
Nach weiterer Berathung (über die wir morgen aus- führlich berihten werden) wird der Antrag mit der Aenderung, ihn der Regierung als Material für die Revision der Spar- fassengesezgebung zur Erwägung zu überweisen, angenommen.
(Schluß des Blattes.)
Entscheidungen des Reichsgerichts. Unter „Sekundant“ im Sinne des § 209 des Strafgeseßbuchs
. (welcher Sekundanten für s\traffrei erklärt) sind, nah einem Urtheil
des Neichsgerichts, TV. Strafsenats, vom 16. Januar 1894, diejenigen Perfonen zu verstehen, welche den Duellanten bei der Austragung des Zweikampfes selbst Beistand leisten. Ein Sekundant aber, welcher vorher im Auftrage des Herausgeforderten von dem Kartellträger des Herausforderers die Bedingungen des Zweikampfes an- nimmt und seinem Auftraggeber übermittelt, ist wegen Bei- hilfe zum Zweikampf zu bestrafen. „Der Begriff des Sekundanten nach § 209 Str.-G.-B. is auf diejenigen von den Duellanten erwählten Perfonen zu beshränken, welhe jenen bei der Austragung des Zweikampfes selbst Beistand leisten und deren Auf- gabe im wesentlichen darin besteht, die Beobachtung der verabredeten oder eraalin ben Kampfesregeln auf dem Kampsfplate zu sihern. Das Straf- geseßbuch scheidet ausdrücklih den Kartellträger, d. h. denjenigen, welcher den Auftrag zu einer Herausforderung übernimmt und ausrihtet (§ 203 Str.-G.-B.), von dem Sekundanten. Daraus folgt, daß der Begriff des Sekundanten nah dem Geseß nicht auch die Vermittelung unter den Gegnern und die Verabredungen über die Wahl der Waffen, Zeit, Ort und Bedingungen umfaßt, wenn au in der gewöhnlichen Rede- weise das Wort „Sekundant* nicht selten in dieser weiteren Be- deutung gebraucht wird. Die erweiterte Anwendung des Wortes be- ruht darauf, daß diejenigen Perscnen, welhe mit der Vermittelung der Erklärungen zwischen dem Herausforderer und dem Heraus- geforderten sowie mit der Vorbereitung des Zweikampfes nah Art, Zeit und Ort betraut werden, berkömmliher Weise in der Regel zugleich als erwählte Beistände bei Ausführung des Zweikampfes selbst fungieren.“ (4042/93.)
— Die Bestimmung des § 22 der Zivilprozeßordnung, wonach gegen den Inhaber einer Geschäftsn iederlaf sung, von welcher aus unmittelbar Geschäfte geshlossen werden, — Filiale — Klagen die auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung Bezug haben, bei dem Gerichte des Orts erhoben werden können, wo die Niederlassung sich befindet — findet nach einem Urtheil des Reichsgerichts, VI. Zivil- fenats, vom 22. Januar 1894, keine Anwendung auf eine dauernde Geschäfts vertretung an einem anderen Orte, welche jedoch in jedem erbeblihen Falle an die Genehmigung des Prinzipals ge- unden ist. „Wenn der Gerichtsstand des § 22 Zivilprozeßordnung" begründet sein soll, so müssen unmittelbar von der Niederlassung aus Geschäfte ges{chlossen werden. Nach den Motiven zur Zivilprozeß- ordnung ift der Gerichtsstand der Niederlassung dem forum domicilii nachgébildet. Das Etablissement wird, was die auf den Geschäfts- betrieb desselben bezüglihen Klagen“ anbelangt, dem Wohnsiß gleich geachtet. Ein dem Domizil entsprehendes Verhältniß ist aber nicht vorhanden, wenn der Vertreter, durch dessen Vermittelung ein Geschäftsunternehmer an einem anderen Ort Geschäfte A läßt, in jedem einzelnen Fall von R an die Genehmigung des Prinzipals gebunden ist, mag auch die Geschäftsvermittelung des Vertreters eine regelmäßige und dauernde fein.“ (287/93.)
Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.
Hat bei den Stadtverordnetenwahlen ein Wähler deuienigen, welchen er wählen will, irrthümlih mit einem unrihti- gen Namen oder auch nur mit einem unrichtigen Vornamen be- zeichnet, ohne sich zu berichtigen, so ist, nah einem Urtheil des Ober- Verwaltungsgerihts, 11. Senats, vom 14. November 1893, die Wablstimme niht demjenigen anzurechnen, welchen der Wähler in Wirklichkeit zu wählen beabsichtigt hatte. Die von dem „Wähler
gleichzeitig abgegebene Stimme für einen zu wählenden zweiten Stadt- verordneten wird aber dadurch nicht ungültig, daß seine erfte Stimmabgabe wegen der falschen Namensnennung ungültig is. — Bei der Wahl zweier Stadtverordneten in einer westpreußischen Stadt wurden für den Kaufmann Julius B. und den Uhrmader N. je 20, für die Kaufleute K und L, je 19 Stimmen abgegeben, und die beiden Ersteren für gewählt erklärt. Die Wahl des Julius B. wurde sodann von einem Gemeindemitgliede deshalb angefochten, weil ein Wähler bei der Wahl nicht, wie das Protokoll besage, den Namen des Julius B., sondern den eines längst verstorbenen Louis B. genannt habe. Der Bezirksaus\huß stellte durch Beweisaufnahme fest, daß jener Wähler zwar den Julius B. zu wählen beabsichtigt, thatsäGlih aber den Namen Louis B. genaant, fih auch nit berihtigt habe. Die Wahl wurde demzufolge vom Bezirksausshuß für ungültig erklärt. Gegen dieses Urtheil legte die beklagte Stadtverordneten-Versammlung Be- rufung ein, mit dem Antrage, die Wahl des Julius B. für gültig zu erklären, event. aber ebenfails die Wahl des Uhrmachers N. tür un- gültig zu erklären. Das L gg bestätigte jedoch die Borentscheidung, indem es begründend ausführte: „Die Städteordnung vom 30. Mai 1853 bestimmt über den Wahlakt nur Folgendes:
S 29. Jeder Wähler muß dem Wablvorstand mündli und laut
zu Protokoll erklären, wem er feine Stimme geben will.
Hiernach wird der Akt mit der Stimmabgabe und ihrer Proto- kollierung ges{lossen. Der Wähler, dessen Rehtsausübung DB Nd auf den einen Moment der Stimmabgabe konzentriert wird, muß si somit für diesen Augenblick gesammelt halten und wird dur das Geseß noch besonders auf die Nothwendigkeit einer lauten Erklärung hingewiesen — offenbar, damit insbesondere bei dem aus mebreren Personen bestehenden Wahlvorstand kein Zweifel darüber entstehen könne, wem die Stimme gegeben wurde. Dabei kommt feine um- fassende und mehrdeutige Willenserklärung in Frage, sondern kurz und bündig die Nennung eines Namens oder auch mehrerer Namen. Da diefe einfache Namensnennung den ganzen Akt ausmacht, ergiebt fich von selbst, daß nicht etwa hinterher, wie Beklagte auszuführen versucht, bei dem Zusammenzählen der Stimmen irgend welche Konstatierungen bezüglich des geschlossenen Akts vorgenommen werden können. Mag auch der Wähler noch im Augenblick der Stimmabgabe sich verbessern und namentli) zweck8 einer genauen Protokollierung die Klarstellung des Namens des Gewählten herbeigeführt werden dürfen, fo ist doch mit der Protokollierung und dem Uebergang zu einer ferneren Stimm- abgabe jedenfalls die Grenze für die Ausübung des Wahlrechts gegeben. — — Die Gleichzeitigkeit der Wahl des N. hat nicht den von der Beklagten behaupteten engen Zusammenhang derart, daß die Ungültigkeit der einen Wahl die der gleichzeitigen Wahl nah sich zôge. Diese fernere Wahl ift vielmehr unabhängig und neben der B.’schen Wahl vollzogen, hat 20 Stimmen für N. ergeben und ist auch formell unangefochten geblieben.“ (II. 1252.)
— Die Bestimmung des § 10 des Preußischen Einkommensteuer- geseßes vom 24. Juni 1891, wonach ihrem Betrage nach un- bestimmte oder \chwankende Einnahmen nah dem Durch- schnitt der drei bezw. zwei der Veranlagung unmittelbar voran- gegangenen Jahre zu berechnen sind, findet, nah einer Entscheidung des Dber-Verwaltungsgerihts, V. Senats, vom 20. November 1893, fcine Anwendung bei einer Domizilveränderung des Steuer- pflichtigen während dieses Zeitraums, dessen Geschäft infolge dieser Veränderung die bisherigen Beziehungen mit dem Publikum, die alte Kundschaft verloren hat und eine neue gewinnen muß. In diesem Falle sind nur die Einnahmen nah dem Durchschnitt des Zeitraums nah der Domizilveränderung, nöthigenfalls nah dem muthmaßlichen Jahres- ertrage in Anfaß zu bringen. — Ein Rechtsanwalt und Notar war bis zum November 1890 in einer Stadt als folcher thätig. Mitte November 1890 verlegte ex sein Domizil und seine Berufsthätigkeit nach einer anderen Stadt. Am 12. September 1891 verlegte er sein . Domizil und feine Berufsthätigkeit nah einer dritten Stadt. In seiner Steuererklärung pro 1892/93 am 11. Januar 1892 gab er den Verdienst aus seiner Praxis, diesen lediglich nah der Zeit feiner Thätigkeit in dem leßten Domizil vom 12. September 1891 bis 11. Januar 1892 auf ein Jahr berehnend, zu 3700 (A an. Dagegen veranlagte ihn die Steuerbehörde unter Zugrundeleguug des weit höheren Durchschnitts feines Einkommens aus seiner Praxis während der beiden Jahre 1890 und 1891 in den verschiedenen Domizilen. Hieran hielt au die Berufsentscheidung fest. Auf d'e Beschwerde des Rechtsanwalts wies das Ober-Verwaltungsgeriht die Sache zu anderweiter Entscheidung an die Berufungskommission zurück, indem es begründend ausführte: , Es muß für den vorliegenden Fall anerkannt werden, daß das Einkommen zum Zwecke der Besteuerung nicht nah dem zweijährigen Durchschnitt zu berechnen ist. Es hat während dieser Zeit ein zweimaliger Wechsel des Orts der erwer- benden Thätigkeit stattgefunden und zwar, wie mit dem Beschroerde- führer anzunehmen ist, in einer Weise, daß die alten Beziehungen mit dem Publikum, die alte Kundschaft verloren gegangen it und eine neue gewonnen werden mußte. Wenn auch die persönliche Befähigung zum Erwerbe dieselbe geblieben ist, so sind doch die nothwendigsten Grundlagen für die Ergiebigkeit der Praxis durch die Ortswechsel vollständig verändert worden, sodaß auch der Effekt der Thätigkeit, wie die Ausführungen des Beshwerdeführers in glaubhafter Weise er- geben, nothwendig nah dem Ort derselben verschieden sein mußte. Die Erwerbsthätigkeit war thatsächlich, wenn au nicht der Art und dem Namen nach, so doch unter ganz verschiedenen örtlihen Bedingungen neu zu begründen; die Quelle des s\teuerpflihtigen Einkommens ist somit, worauf es hier ankommt, seit der Thâtigkeit des Pensiten in seinem leßten Domizil materiell eine andere als in den Vorjahren. Folglih fann für die Besteuerung nur mit der Zeit nah dem 12. Sep- tember 1891 gerechnet werden . . . .“ (33/93.)
Statistik und Volkswirthschaft.
Ansprägungen von Reihs-Gold- und Silbermünzen. Im Jahre 1893 sind auf den deutschen Münzstätten an Gold- münzen 4011 385 Doppelkronen und 3019 326 Kronen, zusammen im Betrage von 110420960 A mit einem wirklichen Gewicht von 87 949,686 Pfund (geseßlihes Sollgewiht 87 949,788 Pfund) aus-
geprägt worden. : . An Silbermünzen wurden geprägt 534319 Fünfmarkstüe, 1 644 605 Zweimarkstüde, 2 836 309 Einmarkstücke im Betrage von 8797 114 _ mit cinem wirklihen Gewicht von 97 744,174 Pfund (gesebliches Sollgewicht 97 745,711 Pfund). Fünfzig- und Zwanzig-
pfennigstücke (in Silber) sind im Jahre 1893 nicht geprägt worden.
Verein für Sozialpolitik. L
Der Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik hat, wie die „Nat.- Ztg.“ erfährt, beshlossen, die nächste Generalversammlung am 28. und 29. September d. J. in München abzuhalten. Auf die Tages- ordnung ist gesezt worden: 1) die industriellen Kartelle: 2) das ländliche Vererbungsreht. Bezüglich des ersten Gegenstandes werden von dem Verein zwei Bände Beschreibungen verschiedener in- und aus- ländischer Kartelle vorbereitet, die im Juni erscheinen werden. Mit der zweiten Frage hat sih der Verein bereits mehrfach in feinen Schriften beschäftigt. Bezüglich) der speziellen Referenten werden noch weitere Bestimmungen von dem Vorsigenden getroffen werden. Als Ort der Versammlung ist München, besonders mit Rücksicht auf die ôsterreichishen Volkswirthe gewählt worden, feitens deren ein zahl- reicher Besuch in Aussicht steht.
Zur Arbeiterbewegung. : Der Beschluß der Deutschen Tertilarbeiter, den inter- nationalen Kongreß in Manchester niht zu beschicken (vgl. Nr. 77 d. Bl.), wurde von der in Hof in Bayern am 25. und 26. Mär abgehaltenen Generalversammlung der deutschen Textilarbeiter gefaßt. Auch zu dem Kongreß der Arbeiter der Bekleidungsindustrie, der noch in diesem Jahre in Gotha oder Erfurt tagen wird, werden,
wie die Berliner „Volks-Z.“ mittheilt, die Tertilarbeiter Delegirte nicht entsenden. — : Hier in Berlin soll, wie im „Vorwärts“ mitgetheilt wird, zu d s ein Kongreß fozialdemokratisher Radfahrer attfinden. : Aus Wien berihtet „W. T. B.“ zum Ausstand der Ar- beiter der Gasan stalten, deß die Ausständigen in einer neuen Versammlung gestern beschlossen haben, den Ausftand fortzuseßen. Der „Voss. B wird gemeldet, daß die Gasgesellshaft ihre Arbeits- kräfte bereits vervollständigt habe. Aus Zürich berichtet der Berner „Bund“, daß der Stadt- am Pestalozzi für den drohenden Ausstand der Zimmer- eute seine Vermittelung angeboten hat. — Die Züricher Glas er- gehilfen hegen mit der Forderung um neunstündige Arbeitszeit und Ubschaffung der Accordarbeit an die Meister, die Meinung, die Sache auf friedlihem Wege erledigen zu können. — 37 Mitglieder des Züricher Schneidermeister-Vereins bestätigen im Amts- und Tagblatt mit Unterschrift ihre Soslidaritätserklärung mit den Berner Meistern. Zugleich gewähren sie den ausständigen Gefellen drei Tage Bedenkzeit zur Wiederaufnahme der Arbeit, widrigenfalls sich die Unterzeichner verpflichten, keinen der Ausständigen mehr in ihren Geschäften anzustellen. — Der Zentralvorstand des chweizerischen Schreinermeisterverbandes ladet alle \chweizerishen Schreinermeister in einem Rundschreiben ein, keinem von Zürich kommenden Schreiner Anstellung und Arbeit zu geben. Gin genaues Verzeichniß der Namen der Ausständigen wird auf den 7. April versandt werden. : Aus St. Gallen schreibt man dem Berner „Bund“: Die organisierten Schneidergehilfen des Plaßes St. Gallen erklärten sih am Donnerstag folidarisch mit den \trikenden Berner Berufs- genossen. Es wurde beschlossen, keine von Bern übernommene Arbeit auszuführen und die Namen der Meister, die Berner Arbeit über- nehmen, in den Arbeiterblättern zu veröffentlichen.
Kunst und Wissenschaft.
Mit dem Dampfer „Bundesrath“ sind, wie das „D. Kol. Bl.* mittheilt, eine Reihe bedeutsamer Aufzeichnungen Emin Pascha’s von Dar-es-Salam abgesandt worden und vor kurzem in Berlin eingetroffen. Der Inhalt der Sendung besteht vornehmlich aus fechs Tagebüch ern, umfassend die Zeit vom 15. Oktober 1874 bis zum 2. Dezember 1889, und enthält ferner ein E Vogelmaße vom März 1888 bis zum Februar 1890, ein Heft äugethiermaße, ein Heft Noutenaufnahmen, ein Heft zoologishe Notizen (am Scchchluß Briefjournale), ein loses Heft anthropologishe Messungen sowie drei Packete Briefschaften.
— Bei dem Königlichen Museum für Naturkunde ist dem „D. Kol.-Bl." zufolge eine von dem Botaniker E. Baumann in Misahöhe im Togogebiet zusammengebrahte Sammlung zoologisher Objekte eingegangen. Diese Sammlung enthielt 39 Felle, 13 Schädel und 10 einzelne Hörner von Säugethieren sowie 32 Vogelbälge. Der wissenschaftlihe Werth dieser Sendung ist bedeutend, da von den Säugern und' Bögeln je 6 Arten für das TogSebiet noch niht nachgewiesen waren. 5
— Die Arbeiten des internationalen medizinishen Kon- gresses wurden, wie dem ,W. T. B.“ aus Rom E wird, gestern in den Sektionssißungen eifrig gefördert. Die behandelten The- mata betrafen namentli das Gebiet der inneren Medizin, aus welcher - 82 Vorträge von Aerzten aller Länder, darunter eine große Anzahl über Tuberkulose angemeldet sind. In der Sektion für Nerven- Pathologie machten Dr. Heuschen - Upsala und Dr. Marina - Triest wichtige Mittheilungen, ersterer über das Sehzentrum, leßterer über Paralyse der Augenmuskeln. An chirurgischen Thematen sind 77
emeldet; darunter befindet sich ein Vortrag von Dr. Demosthenes- Bukarest über die Schußwirkungen des neuen, in Rumänien einge- führten 5,5 Millimeter-Geschosses des Manlicher-Gewehrs nah Ver- suchen auf dem Bukarester Schießplaß. — Am Nachmittag fand in dem Garten - des Quirinals ein von Ihren Majestäten dem König und der Königin zu Ehren der Kongreß - Theilnehmer ge- gebenes Gartenfest statt, zu welhem Einladungen an mehr als dreitausend fremde Delegirte ergangen waren. Außerdem wohnten dem Fest hervorragende italienishe Aerzte, zahlreiche Offiziere, Deputirte und Senatoren, die Minister Baccelli, Blanc und Mocenni, sowie viele Damen bei. Abends war das ganze Gebiet der alten römischen Baudenkmäler feenhaft beleuhtet. Durh weselnde Farben der Lichter und bengalishe Flammen wurden glänzende Lichtwirkungen erzèugt ; große Neflektoren warfen das elektrische Licht abwechselnd auf die alten Monumente bis zu dem Grabe der Cäcilia Metella und den Albanerbergen hin. Dazwischen wurde ein prachtvolles Feuerwerk abge- brannt. Mehrere Kapellen konzertierten und Luftballons stiegen auf. Die Königlichen Majestäten wohnten, lebhaft begrüßt, dem Fest auf der in den Câfarenpalästen errihteten Mitteltribüne bei, welche von anderen mit Kongreßtheilnehmern beseßten Tribünen umgeben war. Um 107 Uhr erreihte das Fest sein Ende.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.
: Portugal. Durch Verfügung des Königlich portugiesishen Ministeriums des n sind die Häfen Rußlands seit dem 15. März für rein von E erklärt worden. (Vergl. „R.-Anz.“ Nr. 206 vom 28. August Ie
Handel und Gewerbe.
Bei den Abrechnungsjtellen der Reichsbank wurden im Monat März abgerechnet: 1546 114800 A gegen 1 293 832 600 4 im Februar d. J., 1396613300 #4 im März 1893, 1447798300 #4 im März 1892 und 1 366 365 200 (4 im März 1891.
Zn der Zeit vom 16. Juli bis 6. August d. J. soll in Amsterdam unter dem Protektorat Jhrer Mazestät der Königin-Wittwe, Regentin der Niederlande, eine inter- nationale Ausstellung für Müllerei, Bädlerei, ins- besondere Pasteten- und Zuckerbäckerei, Chokoladen- fabrikation und andere damit zusammenhängende Jndustrie- ¿weige stattfinden. Anmeldungen sind bis spätestens den 15. d. M. an das Ausstellungsbureau im Judustriepalast in- Amsterdam zu richten.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. | / An der Nuhr sind am 2. d. M., einem katholischen Feiertage, gestellt 2488, nit rechtzeitig geftellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 31. v. M. gestellt 1747, nicht reht- zeitig gestellt Leine Wagen. E Zwangs-Versteigerungen. i: , Beim Königlihen Amtsgericht T Berlin standen am 2. April die nachbezeihneten Grundstücke zur LVersteigerung: 1) die- ideelle Hälfte des hinter der Müller s r. 110 a belegenen, dem Kauf- mann Heinr. Homann und dem Rentier Heinr. Cosse Salo-- mons gehörigen, 5 ha 23 a und 67 qm großen Grundstüds; für das Meistgebot von 148000 # wurde der Kaufmann Leonhard: Friedländer zu Rixdorf, Kottbuser Damm 63/64, Ersteher. — 2) Marienstr. 26, dem Maurermeister Franz Klein ggbbcia; : für das ens ebot von 346 500 6 wurde der Rentier Walter Hasse, Anhaltstr. 15, Grsteher. — 3) Theilung halber Am Kösönigs- graben 15, 15a. und 15b.,, dem Kaufmann K. W. L. Deutsch- mann gehörig; Fläche 19,48 a; Nußzungswerth 13 240 4; für das Meistgebot von 314 000 ( wurde der Banquier Robert Druhm,