1894 / 80 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 05 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

lier uud industrieller Beziehung so hervorragendem Gebiete, welches die Elbe durchströmt bis nah Böhmen hin. Daß das in Bezug auf diese Gebiete, auf ihren Absaß von erhebliher Bedeutung ist, kann man von vornherein sagen. Meine Herren, unsere Ausfuhr nach den baltischen Ländern i doch gegenwärtig f{chon sehr bedeutend. Ich habe hier nur vor mir die Statistik vom Jahre 1889. Da betrug doch diese Ausfuhr mehr als 250 Millionen Mark, und von diesem Betrage entfielen über 100 Millionen auf Lübeck, troydem Lübeck einer direkten Verbindung durch eine Wasserstraße mit seinem natürlihen Hinterlande vollständig entbehrte. Wenn nun diese zweck- mäßige und tief ins Land hineingehende Verbindung hergestellt wird, “so ift anzunehmen, daß die alten, immer festgehaltenen Verbindungen Lübecks im baltishen Handel und die Tüchtigkeit und Erfahrenheit seiner Kaufmannschaft sehr wohl die Ausfuhr ¡erheblich zu steigern in der Lage sein werden. Wir haben eine Reihe von Produkten, die auch gerade als landwirthschaftlißhe Pro- dukte bezeihnet werden können, für welche in den baltischen Ländern ein entschiedener Bedarf ist. Die baltischen Länder werden z. B. nie im stande sein nach ihrer Lage, auch Schweden nit, ihren Zucker allein zu produzieren, und wenn in den leßten Jahren England uns in dieser Beziehung in der Konkurrenz übergekommen ist, so wird gerade der deutsche Zucker in seiner Ausfuhr nah den baltishen Ländern nah meiner Meinung sehr erheblich dur diesen Kanal gewinnen. Das is aber wesentlich gerade ein landwirth- s{aftlihes Produkt, und daran partizipiert keineswegs bloß allein die Provinz Sachsen, sondern alles, was in einer leiten Verbindung mit der Elbe steht, wird an dieser Vermehrung der Ausfuhr dieser und anderer deutschen Waaren partizipieren.

Meine Herren, man hat darauf hingewiesen, daß der Nord-Ostsee- Kanal möglicherweise überhaupt für die Ostseehäfen sehr bedenkliche Folgen haben könnte; man hat darauf hingewiesen , daß Hamburg übermächtig werden würde, und mehr oder weniger auch den Handel und die Schiffahrt in der Ostsee an sich reifen möchte. Nun, ich trete der Auf- fassung, die vorher ausgesprochen ist, bei, daß es durchaus nicht den deut- \henInteressen, von \pezifish preußischen ganz abgesehen,entsprehen würde, wenn in dieser Weise eine einzige große See- und Handelsstadt über- mächtig würde und all’ die kleineren Häfen und Ausfuhrgelegenheiten allmählih versiegen möchten. Daß Lübeck erhalten wird, ist gegen- über dem großen preußischen Hinterlande, welches naturgemäß auf Lübeck als Ausfuhrhafen tendiert, ebensowohl ein deutshes Interesse, als daß Stettin und Königsberg und Danzig erhalten werden, und dieser Kanal wird auch dazu nah meiner Meinung beitragen.

Frage ih mich nun, ob eine Sicherheit gegeben ist, daß wenigstens . demnächst, wenn auch nicht in den ersten Jahren, die Gebühren dieses Kanals hinreichen werden, niht bloß die Betriebs- und Verwaltungs- kosten zu decken, sondern auch eine mäßige Verzinsung der von uns aufzuwendenden 7 Millionen zu garantieren, so wage ih allerdings die Frage mit Sicherheit niht zu bejahen. Aber, wenn ih bedenke, daß wir für zwei Drittel dieser Kanalkosten nicht zu sorgen haben; wenn ih bedenke, daß wir nur die Rente eines ODrittels des Anlagekapitals zu betrachten haben, so ist dieses Risiko an sich nicht sehr groß, und bei einer erhofften Entwickelung des Verkehrs glaube ih do, daß allmählich bei entsprehend steigender Normie- rung der Gebühren {ließlich eine mäßige Verzinsung herauskommen fann. Jedenfalls wird niemand hier sein können, der bestimmt das Gegentheil behauptet, der sagen könnte: wir geben die 7 Millionen unbedingt à fonds perdu. Meine Herren, ich fann nur die Worte des Herrn Dr. Sattler unterschreiben, daß, wenn wir diese Vorlage ablehnen, und die Folge davon wäre, daß die alte Handelsstadt Lübeck mehr oder weniger als Handels\tadt versiegen würde, auch diejenigen, welche heute aus finanziellen Bedenken die Vorlage ablehnen, daran später Neue haben werden. (Bewegung.) Wir können auch den großen geshicht- lichen Hintergrund, den in dem ganzen deutschen Leben die Stadt Lübeck hat, nicht einfa von uns weisen. Abgesehen von den materiellen Inter- essen, haken wir hier große historishe ich möchte sagen Ge- müthsinteressen. Jeden von uns würde es s{hmerzen, wenn dieser alte Vorort des deutschen Städte- und Handelslebens zu Grunde gehen würde. Ich bin überzeugt, daß keine Stadt mehr auf das Wohl- wollen Preußens angewiesen ist als Lübeck. Andererseits können wir aber behaupten, daß keine Stadt deutscher und preußisher von jeher gesinnt gewesen ist als Lübeck; Preußen ift einmal die Vormacht Deutschlands. Hier haben wir einen Fall, wo es, wie ih gern Herrn von Buch zugebe, zwar s{chwer ist, in so {weren Zeiten folche mögliche Opfer zu bringen, wo man aber sagen soll: Preußen muß die Verpflichtungen aus seiner Stellung als Vormacht Deutsch- lands auch hier gegenüber dieser alten und doch jungen Hansestadt Lübeck einlösen. (Bravo!)

Abg. Wentorp (fr. kons.) spriht für seinen Antrag (die Be- willigung nur eintreten zu lassen unter der Vorausseßung des An- {lu}ses des Kanals an das Rayteburger Seeengebiet). Redner legt das große Interesse dar, welches die Stadt Naßteburg haben müsse, ihren Anschluß an den Kanal zu erlangen.

bg. Schreiber-Nordhausen (fr. kons.) erkennt namens der Mehrheit der Freikonservativen an, daß eine moralische Verpflichtung Breu vorliege, und erklärt sich deshalb für die Vorlage. Für die ndustrie im Innern Deutschlands sei es nicht gleichgültig, wenn ein Kanal den Export erleihtere. Wenn ein Krieg ausbrehe, würden die Eisenbahnen durch den Truppentransport so belastet sein, daß alle anderen Transporte auf die Wasserstraßen angewiesen sein würden.

Abg. Hauptmann (Zentr.) erklärt sih gegen die Vorlage; Preußen könne solhe moralischen Verpflichtungen nit erfüllen, weil es immer mehr zurügehe.

Abg. Bueck (nl.): In politisher Beziehung ist jedenfalls von einem Rückgang nicht zu \prehen. Jn Bea er Beziehung liegt allerdings jeßt eine Nückfluth vor; aber es ist bei der Wellenbewegung des wirthschaftlichen Lebens immer zu beachten, daß der spätere Rückgang immer weniger weit zurückgeht als der frühere. Wenn ein Geschäftsmann sich in s{chlechter Lage befindet, so sucht er sein Geschäft zu verbessern, damit es mehr Einnahmen abwirft. Das Au der Staat auch thun. Der Staat muß jeßt seinen Kredit in Anspruch nehmen, um seine e zu verbessern. Von einer Anleihewirthschaft in s{hle{chtem Sinne kann man bei folchen produktiven Mng niht sprehen. Preußen hat eine moralische Verpflichtung übeck gegenüber: das muß voll anerkannt werden. Die Zentralisation der Betriebe, der großen In- ‘dustrien an gewissen Knotenpunkten i eine f\oziale Ge- fahr; dem entgegenzuwirken i} eine Aufgabe der Kanäle. Für den Nord-Ostsee-Kanal, der Hamburg zu gute kommt, hat Preußen das meiste beizutragen, deshalb muß es auch für Lübeck eintreten. Die Herren Landwirthe möchte ih darauf aufmerksam machen, daß wir noch andere Kanäle brauchen, namentli in Ostpreußen, welches sehr günstig für Kanäle ift. Welche Wirkung hat allein der unbedeutende oberländische Kanal gehabt! Wir müssen jährlih für 500000 Menschen Arbeit und Brot mehr schaffen, wir müssen unsere vaterländische

roduktion fördern und s{üßen. Das geschieht namentlih dur die chaffung billigster Gütertransporte.!

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Wenn ich mir gestatte, nochmals das Wort zu ergreifen, so geschieht es, um Sie zu bitten, den Antrag Wentorp ab- zulehnen und den Geseßentwurf in der Vorlage, wie er von der Staats- regierung Ihnen unterbreitet ist, anzunehmen. Ich kann mich hierbei im allgemeinen auf die Ausführungen meines Kommissars beziehen, möchte mir indessen gestatten, noch einige Worte hinzuzufügen.

Der Herr Abg. Wentorp hat geglaubt, daß, wenn die Staats- regierung von dem Bestande der Schiffahrt auf dem Raßzeburger See und der Wakenißz bereits Kenntniß gehabt hätte bei Beginn der Verhand- lungen, sie wahrscheinlih besser für diese Schiffahrt gesorgt hätte.

Meine Herren, ih kann es eigentlich nur als selbstverständlich bezeichnen, daß, wenn die Schiffahrt auh noh so klein, die Staats- regierung sich nach den Verhältnissen und Bedingungen derselben doch vorher eingehend erkundigt hat und bemüht gewesen ist, ihr Interesse bestmöglichst zu vertreten. Wenn sie aber auch wirklich von dieser Schiffahrt nichts gewußt hätte, was niht der Fall, so wäre sie doch dur die Verhandlungen, die darüber in dem Kreise Lauenburg geführt worden find, darauf aufmerksam gemacht worden.

Meine Herren, ganz genau derselbe Antrag, wie er hier von den Herren Abgg. Wentorp und Genossen gestellt worden ist, hat au be- reits den Kreistag des Kreises Lauenburg beschäftigt. Jn den Ver- handlungen vom 4. April 1893, die über den Beitrag des Kreises Lauenburg zu den Kosten des Kanals geführt wurden, ist der Antrag gestellt worden, daß das Ratzeburger Seegebiet {hiffbar an den Kanal angeschlossen werden möge. Meine Herren, über diesen Antrag ist weitläufig verhandelt worden, und er ist im Kreistag abgelehnt wor- den. Zu der Ablehnung haben, wie ih annehme, dieselben Erwä- gungen geführt, die vorhin hon durch meinen Herrn Kommissar dar- gelegt worden sind. Ich möchte mir nur gestatten, noch Folgendes kurz hinzuzufügen.

Der Unterschied der Niveauverhältnisse zwischen der Wakeniß und der Trave beträgt 5 m, bei niedrigem Wasser m. Zwischen der Wakenitz und der Trave liegen jeßt drei Dämme, sodaß auch jeßt von einer direkten Schiffahrt von Ratzeburg durch die Wakenig in die Trave zur Verbindung mit der Seeschiffahrt nicht die Nede ist. Der Herr Abg. Wentorp hat deswegen auch anerkannt, daß die Verhältnisse, wie sie durch den Vertrag geschaffen werden, wesentlich besser sind als die bisherigen. Dazu kommt, daß, wenn dem An- trage Wentorp entsprohen werden, und Lübeck sich wirklich darauf einlassen sollte, die gewünshte Schleuse einzulegen, der etwa demnächst erforderlich werdenden Erweiterung des Binnenhafens Lübeck in so fern erheblihe Schwierigkeiten bereitet würden, als die Erweiterung des Binnenhafens es nothwendig machen würde, diese Schleuse wieder zu beseitigen und die Schleuse an einem anderen Orte mit noch größeren Kosten wieder anzubringen. Die Er- weiterung des Binnenhafens Lübecks wird aber unzweifelhaft erforder- lih werden, wenn die Hoffnungen sich auch nur zum theil erfüllen, die Lübeck auf die Herstellung des Elbe-Trave- Kanals gesetzt hat.

Meine Herren, die Lage der Schiffahrt durch die Wakeniß würde aber auch, wenn dem Antrage Wentorp entsprohen werden würde, nah meiner Auffassung sih nicht verbessern, sondern sich ungünstiger gestalten. Nach dem Vertrage besorgt die Stadt Lübeck die Umladung zwischen den Wakeniß-Schiffen einerseits und den Trave-Schiffen; bezw. den Seeschiffen und der Eisenbahn andererseits unentgeltlich, wenn die Schleusen eingebaut werden würden, so würden die Wakenißz- Schiffer erstens die Schleusenabgaben zu entrihten und zweitens die Umladekosten zu bezahlen haben, wie jeder andere. Aber es kommt drittens hinzu, daß bei dem von mir {on bezeihneten hohen Unter- schiede zwischen den Niveauverhältnissen der Wakeniß und der Trave mit jeder Schleusung eine verhältnißmäßige Entleerung und Senkung des Wasserspiegels der Wakeniyß und des NRateburger Sees herbei- geführt werden wird. Diese Effekte summiert würden dahin führen, daß voraussichtlih in verhältnißmäßig kurzer Zeit von einer Schiffahrt auf der Wakeniß überhaupt nicht mehr die Nede sein. könnte, es sei denn, daß sehr umfassende und kostspielige Arbeiten für die Schiff- barmachung der Wakenit und für die Kanalisierung durh den Naye- burger See gemaht werden würden. Meine Herren, die jeßige Schiffahrt, wie sie auf der Wakeniß besteht, ist wesentlih darauf an- gewiesen, die Produkte der Landwirthschaft und Forstwirthschaft Industrie besteht zur Zeit noch nicht und einiger Ziegeleien nah Lübeck zu bringen und dafür die Waaren, die Lübeck importiert, den betreffenden Orten zuzuführen. Diejenigen Bestimmungen, welche für die Schiffahrt auf der Wakeniß und der Trave vorgesehen sint- bieten gerade für diesen Verkehr ganz außerordentlihe Er- leihterungen. Es entstehen der Wakeniß - Schiffahrt durch die Umladung gar keine Nebenkosten ; und sie kommt an einen Punkt, wo sie niht nur die Trave, sondern auch die Eisenbahn in die Stadt Lübeck auf kürzestem Wege erreichen kann.

Ich möchte aus diesen Gründen dringend bitten, daß die Herren fich dem Antrag Wentorp nicht anschließen, der meines Erachtens ganz unnöthige Kosten der Stadt Lübeck auferlegen würde: Kosten, die in Zukunft, wenn eine Vergrößerung des Binnenhafens eintreten wird, als weggeworfen zu bezeichnen sein würden, und die im wesent- lichen keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung der Wakenihz- \hiffahrt herbeiführen würden.

Ich bitte Sie dringend, den ursprünglihen Entwurf der Staats- regierung anzunehmen.

Abg. Wentorp (fr. kons.) geht auf die Vorlage im Lauenburger Kreistage ein: die Vorlage fei etwas geheimnißvoll und auh mit e Schnelligkeit erledigt worden. Redner bleibt dabei, daß für

abeburg etwas geshehen müsse. Er bestreitet, daß dadurch zu große Mehrkosten entstehen würden.

Abg. Rickert (fr. Vg.): Für zukünftige Vorlagen kann Jhrer heutigen Abstimmung über diese Vorlage kein Präjudiz entnommen werden. Es handelt fih um eine moralische Verpflichtung Preußens, und der konservative Redner hat am 8. Februar ausdrücklich an- erkannt, daß die Höhe des Zuschusses PYER bemessen sei. Welche Gründe find denn inzwischen eingetreten ? die Weinsteuer und die Tahacksteuer im Reichstage niht angenommen werden würden, war \{chon am 8. Februar bekannt. (Widerspruch rechts.) Wenn ein nobils officium vorliegt und nobel pflegen Sie do gern zu sein —, was wird dadur gewonnen , daß die Sache einige Jahre verschoben wird? Heute wurde lediglich von der See gesprochen ; in der Kommission aber \prach man von der Verstärkung der auswärtigen Konkurrenz für die Landwirthschaft und davon, daß diese die Kosten hauptsächlih tragen müsse. Wollen Sie sparsam sein, dann können Sie das bei der dritten Lesung des Etats noch beweisen. Die Ausgaben für den Dom in Berlin sind do niht wichtiger als die für diesen Kanal? Allerdings die Annahme des russischen 0 Man p Ga können Sie (rechts) immer noch nicht verwinden.

afür können wir doch nit, daß der Bund der Landwirthe mit

leeren Händen vor seine Mitglieder treten muß. Es ift vielleicht eine fleine Siegestrophäe, daß diese 74 Millionen gerettet werden. Ich bin der An s, daß dur die Aenderung des Etats im Reichstag sich die finanzielle Situation seitdem erheblih gebessert hat. Es wäre geradezu beschämend für den Ju führenden preußischen Staat, wenn er si so weit bankerott erklärte, daß er diese 7} Millionen Ehrenschuld nicht zahlen könnte. i

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (kons.): Von einer Ehren- schuld Preußens kann nicht die Rede sein; wenn eine solche Ehrenschuld besteht, E diejenigen einzutreten, welhe den Nord- Ostsee-Kanal gebaut haben. on dem Elbe-Trave-Kanal wird auch das Königreih Sachsen Vortheile Haben. Unter sehr günstigen De ältnissen würde gegen die Ausgabe nichts einzuwenden sein.

egenüber der ungünstigen Finanzlage müssen wir aber prinzipiell entscheiden, wie wir uns zu folhen Kanalbauten stellen. Wir haben unrecht gethan, daß wir niht bei früheren Bewilligungen dafür ge- sorgt haben, daß die Kanäle nicht bloß ihre Unterhaltungskosten, fondern auch ihre Verzinsung aufbringen. Wir wollen nicht weitere Fehler machen. Herr Rickert meint, wegen des russishen Handels- vertrages seien wir Gegner dieser Vorlage. Wenn wir auch in einzelnen Punkten mit der Regierung nicht einverstanden find, fo stimmen wir doch nicht aus NRanküne gegen alle ihre Vorlagen. Nicht weil wir persönlich verleßt sind durch unsere Niederlage; aber fahlich wird es das Land noch lange nit verwinden können, daß der russishe Handelsvertrag zum Schaden der deutschen Land- wirthschaft angenommen wurde.

Abg. Neichardt (nl.) weist darauf hin, daß in der Provinz Sachsen alle Industriellen und alle Kaufleute, welhe Interessen an der Ausfuhr haben, Freunde des Kanals seien. Es komme dabei hauptsächhlich der Umstand in Betracht, daß Lübeck intime alte Be- ziehungen zu den baltishen Ländern habe. y

Abg. Richter (fr. Volksp.): Die nachtheiligen Wirkungen des russishen Handelsvertrags, der angekündigte große Preissturz des Ge- treides ist durhaus nicht eingetreten. Die Preise zeigen eine gewisse Stetigkeit, obgleich die inländishen Landwirthe jegt ihr bisher zurüd- gehaltenes Getreide auf den Markt gebraht haben. Die Industrie aber erklärt überall, daß die Bestellungen aus Rußland sich mehren. Die Vortheile sind also eingetreten, die Nachtheile aber niht. Die Finanzlage stellt sih jeßt weit günstiger als zur Zeit der ersten Be- rathung, wo auf der rechten Seite keine Dpposition sich geltend machte. Wenn alle Steuervorlagen angenommen worden wären, 10 io für Preußen [9 viele Gelder uit vor- handen sein wie jeßt. Denn die Steuervorlagen hätten erst im nächsten Jahre ihre Konsequenzen gezogen. Die Rechnung der preußishen Staats-Eisenbahnverwaltung hat sih für 1893/94 noh erheblich günstiger gestaltet, als im Januar angenommen werden konnte, und der Eisenbahn-Etat für 1894/95 wird fich auch noch günstiger gestalten, als man bisher annehmen konnte. In Bezug auf die Kanalpolitik stehe ih den Herren von der Rechten nicht so fern; aber ih halte die Vorlage nicht für geeignet, hier die Grund- säße zu erproben. Jch habe niht zu den Schwärmern_ für den Nord-Ostsee-Kanal gehört; Graf Moltke hatte in seiner Opposition dagegen vollkommen recht. Aber dieser Elbe - Trave - Kanal ist eine Konsequenz des Nord-Ostsee-Kanals , für welhen Preußen ein Drittel der Kosten im voraus leistete. Dasselbe Verhältniß müßte auch hier eintreten. Die Konservativen bedauern jeßt, für den Dortmund - Ems - Kanal gestimmt zu haben. Ich habe ein solhes Bedauern nicht auszusprehen ; denn obwohl ih westfälischer Abgeordneter war, habe ih damals dagegen gestimmt. Ee Wirkung der finanziellen Knappheit ift es, daß man die Eisenbahn- verwaltung billiger gestalten will. Ich leugne überhaupt, daß man bisher zu sehr die Frage der Rentabilität der Wasserstraßen vernach- lässigt hat. Jm vorigen Jahrhundert hat man den entgegengeseyten Standpunkt innegehalten. Man hat die Wasserstraßen fiskalish ausgebeutet, ohne Aufwendungen zu machen für dieselben, namentlich wo eine Wasserstraße mehrere Territorien durchschnitt. Jetzt ist man in das andere Extrem hineingekommen, daß man es gewissermaßen für selbstverständlich hält, daß der Staat Aufwendungen für Wasserstraßen ohne Gegenleistungen macht. Das Prinzip der Leistung und Gegenleistung hat auch bei den Wasserstraßen eine gewisse Bedeutung. Bei bereits vorhandenen Wasserstraßen wird die Durchführung br schwierig sein; aber um so s{chärfer muß man zusehen, wenn es sih um die Schaffung einer neuen Wasserstraße handelt. Namentlich hat der Staat ein Interesse daran als Besitzer der Eisenbahnen, deren mäßige Ueberschüsse sich durh die Steigerung des Wasserverkehrs vermindern. 1873 hatten wir außerordentli viel Geld. Das französishe Kanalsystem rief damals in Preußen eine wahre Kanalbegeisterung hervor. Es wurde ein ganzes Bündel von Kanalprojekten vorgelegt. Jch fragte damals gelegentlich der Lahn- Kanalisation, wie viel denn nach der Kanalisation an Massen- gütern mehr gefahren werden würden. Die Antwort erfolgte prompt, und ih rechnete aus, daß die unentgeltlihe Transportierung der Zukunftsgüter auf der konkurrierenden Eisenbahn viel billiger sein würde als die Lahn-Kanalisation. Ich führe das an, weil mir die Gefahr nahe zu liegen scheint, daß an gewissen Stellen fich wieder eine Liebhaberei für Kanäle geltend maht. Diese Vorlage ist allerdings nur eine Konsequenz des Nord-Ostsee-Kanals, die ich ziehen werde, obwohl ich nicht dafür gestimmt habe. :

Abg. von Waldow (kons.): Der Preisfturz ist allerdings nicht jeßt erst eingetreten, sondern {on im vorigen Herbst ; denn man wußte sehr wohl, daß der russishe Vertrag angenommen werden würde. Die geringe Preisherabseßung, die jeßt eingetreten ift, wenn sie auch nur 2 oder 3 #. beträgt, ist eben das leßte; die Landwirthe können nit cine Mark mehr entbehren. Für die Industrie ist der russishe Vertrag auh niht von allgemeiner Bedeutung. Im Osten hofft man davon Vortheile zu ziehen; aber im Westen klagt die Industrie, daß die Arbeiter ihr weglaufen, weil sie in Oberschlesien mehr Geld zu verdienen hoffen.

Der Antrag Went orp wird darauf gegen die Stimmen einiger Freikonservativen abgelehnt.

Die Vorlage wird gegen die Stimmen der Konservativen (mit Ausnahme der Abgg. Bartels und Bülow-Eckern- föórde) und des Abg. Hauptmann (Zentr.) angenommen.

Darauf folgen Wahlprüfungen. e

Die Wahl des Abg. Jorns (nl.) wird für gültig erklärt.

Zur Wahl der Abgg. vom Rath (nl.) und Dr. Oswalt (nl.) (Frankfurt a. M.), welche von der Kommission ebenfalls für gültig erklärt worden sind, liegt ein Antrag der Abgg. von der Acht (Zentr.) und Genossen vor: die Wahl zu bean- standen und Beweiserhebungen über verschiedene Punkte zu veranstalten.

Abg. Schmieder (fr. Volkép.) hält es für nothwendig, die Sache nohmals an die Wahlprüfungskommission zurückzuverweisen, und stellt einen noch weitergehenden A ntrag auf Beweiserhebung.

Abg. Dasbach (Zentr.) hält ebenfalls die Beanstandung der Wahl für nothwendig. Die behaupteten Unregelmäßigkeiten bei der Wahl - seien in einem nachträglich eingereichten Protest geltend gemaht worden. Die Kommission habe diesen Nachtragsprotest nicht als zu Necht bestehend anerkannt, weil fie ihren Beschluß schon efaßt hatte, während das Haus früher anerkannt habe, daß solche Proteste noch berüsihtigt werden follten, wenn das Haus noch nit Beschluß gefaßt hat. i i i

Abg. Rickert (fr. Vgg.) {ließt sich diefen Ausführungen an; denn sonst würde es von dem Zufall, ob eine Wahl früher oder später die Kommission beschäftigt, abhängen, ob folhe sachlichen

roteslpunkte noch berücksihtigt werden oder niht. Nach der früheren raxis würde die Sache ohne weiteres an die Wablprüfungs- ommission zurückverwiesen werden müssen.

Abg. Dr. Stephan (Zentr.) hält auch dafür, daß ergänzende, deklarierende Proteste auch nah der Auss{hlußfrist eingereiht werden fönnten; aber neue Protestpunkte dürften nah dieser Ae nicht mehr eingereiht werden, sonst würde eine ordnungsmäßige Behandlung der Wahlen niht möglih sein. Mehrere der angeregten Beweis-

(

erhebungen seien von erbhebliher Bedeutung, aber nicht alle. Er, Redner, werde deshalb nur einzelne Theile der gestellten Anträge annehmen.

Nachdem noch der Abg. von Neumann (kons.) für den Antrag der Kommission eingetreten, wird derselbe, unter Ab- lehnung der Gegenanträge, gegen die Stimmen des Zentrums und der Freisinnigen angenommen.

Schluß 41/4, Ühr. Nächste Sißung Donnerstag 11 Uhr. (Wahlpcüfungen, Nachtrags-Etat, betreffend die Neuorgani- sation der Elsenbahziveewa tung, Eisenbahn-Etat.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Arbeiterprämien.

Det Dar fiema Forde u. Blankerß in Berlin haben bereits 28 Arbeiter ihr fünfundzwanzigjähriges Jubiläum gefeiert. Bei jeder N erhalten die Jubilare ein Geschenk nach freier Aus- wahl im Werthe von 100 Æ aus der Kasse, die zu diesem Zweck gestiftet worden ist, und neben dem Geschenk noch eine Gabe von 150 M seitens der Firma.

Arbeitsvermittelung.

Der Vorstand des Gewerbevereins für Köln und Umgegend hat beschlossen, seine Wirksamkeit durch Einrichtung eines Arbeits- nachweises zu erweitern. Die Leitung und Ueberwachung soll dur einen vom Vorstand des Vereins gewählten ständigen Aus\{chuß von zehn Mitgliedern erfolgen, welcher zur Hälfte aus Arbeitgebern und zur anderen Hälfte aus Arbeitern besteht.

Handfertigkeitsunterricht.

In der Gemeinde Gr.-Zunder in der Danziger Niederung ist eine ländliche Knaben-Handfertigkeits\{chule eingerihtet. In derselben wird in der Zeit vom 2. Januar bis Ende März 1894 wöchentlich am Dienstag und Freitag von 1 bis 3 Uhr Nachmittags unentgelt- lih Unterricht ertheilt werden.

In Köln hat sich die tat eines Rheinischen Lehrerverbandes zur Förderung der erziehlihen Knaben-Handarbeit vollzogen.

__ Der Kreistag des Kreises Beuthen hat beschlossen, den Hand- fertigkeit8unterriht als stehende Einrichtung auf seinen Etat zu nehmen und ein Kreiéstatut darüber zu erlassen.

Haushaltungsunterricht in der Schweiz.

__ Weiblihe Fortbildungëshulen sind im aargauishen Bezirk Zofingen dur die Veranstaltung der dortigen Kulturgesellshaft ein- geführt worden. In Aarburg, Brittnau, Uerkheim und Strengelbah besteht diese nüßlihe Einrichtung. Jn Zofingen hauptsächlich eristiert eine Koh- und Haushaltungs\hule mit erweitertem Programm. Das foll jeßt auch auf andere Gemeinden ausgedehnt werden. So ergeht nun ein Aufruf an die Fabrikanten und Arbeitgeber auch der übrigen Gemeinden des Bezirks, daß sie ihren Arbeiterinnen den Besuch solcher Einrichtung, wo sie in Scene geseht werden soll, erleihtern und ihnen, wenn die Unterrichts\tunden mit der Fabrikarbeitszeit fkollidieren sollten, die erforderliche Zeit freigeben ohne Kürzung des Lohnes.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Frankfurt a. M. wird dem „Vorwärts“ über eine Lohn- bewegung der Maler mitgetheilt: In einer am leßten Freitag ab- gehaltenen Versammlung wurde beschlossen, daß in allen Werkstätten vor weiteren Maßnahmen mit den Meistern Nücksprahe genommen werden solle. Die nächste Versammlung, in der Listen aufgelegt werden sollen zur Einzeihnung derjenigen, die sich am Strike be- theiligen wollen, wird endgültig über den Ausstand zu entscheiden haben.

In Stettin haben die Steinseßer mit Ausnahme von drei Mann die Arbeit niedergelegt, weil sie sich der von den Innungs- meistern geplanten, angebli 20 %/, und mehr betragenden Lohnherab- seßung niht fügen wollen. Als Grund soll von den Arbeitgebern eine vom Magistrat verfügte Herabseßung der Preise für Reparatur- arbeiten angegeben werden.

In Wandsbeck haben, wie der „Vorwärts“ berichtet, die Zim - merer über den Play des Zimmermeisters Ko ch die Sperre verhängt.

Aus M ünchen wird gemeldet, daß der in der lithographisd)en Kunstanstalt der Gebr. Obpacher drohende Buchbinder - ausstand (vgl. Nr. 79 d. Bl.) infolge der Bewilligung des von den Arbeitern aufgestellten Lohntarifs unterbleibt.

Aus Nürnberg berihtet man dem „Vorwärts*", daß die Lohn- bewegung der dortigen Schneider beendet ist. In allen Geschäften, in welchen Arbeiter im Ausstand waren, ist der vorgelegte Tarif be- willigt und unterschrieben worden. Die Gehilfen haben infolge dessen die Arbeit bereits wieder aufgenommen.

In Leipzig fand am Dienstag eine Versammlung der sozial - demokratischen Partei statt, in der die Erörterung über die Gründung einer eigenen Partei-Druckerei in Leipzig (vgl. Nr. 77 d. Bl.) fortgeseßt wurde. Fast alle Redner sprachen sich für die Aus- führung des Plans aus. Nur die Führer Geyer und Pinkau traten mit Entschiedenheit dagegen auf. Ihres Widerspruchs ungeachtet beschloß, wie die „Lpz. Ztg.“ berichtet, die Versammlung: zur Herstellung des Parteiblatts die Gründung einer eigenen Druckerei und beauftragte

1. ÜntersuGungs-Sachen.

2. Aufgebote, Zustellungen u. dergl.

2. Unfall- und Invpaliditäts- 2c. Versicherung. . Verkäufe, Verpachtungen, Verdingungen 2c. . Verloofung 2c. von Werthpapieren.

das Prefcomité, alle hierzu nöthigen Schritte zu thun. Ferner \prach die Versammlung die Erwartung aus, daß der Parteivorstand in Berlin durch ein zu gewährendes Darlehen aus Pacteimitteln das Unternehmen unterstützen werde.

In Bremerhaven und Umgegend sind einer Meldung des

„Vorwärts“ zufolge die Maler am leßten Montag in einen Au s- stand eingetreten. Sie verlangen eine neunstündige Arbeitszeit mit einem Minimallohn von 45 S für die Stunde. Aus Bern liegen im „Bund“ Nachrichten über den dortigen Schneiderausstand vor, die eine baldige Beilegung turch eîne gemeinschaftliche nen der Meister und Gehilfen unter dem L eines Unbetheiligten als Obmann in Aussicht stellen.

Aus Winterthur schreibt man dem Berner „Bund“: Ein von den Sozialistenführern gemachter Versuch, die hiesigen Bauhand- werker in die Zürcher Strikebewegung hineinzuziehen, is vollständig mißlungen. Ein Ausstand is hier troß aller Anstrengungen nicht zu befürhten, da die Arbeiter die Aussichtélosigkeit eines soldhen Unter- nehmens wohl einsehen.

__ Aus Antwerpen meldet ,„W. T. B “: Die Ziegelbrenner in Hoboken, Rungst, Niel und Hemixem haben die Árbeit nieder- gelegt. Der Mittelpunkt der Bewegung is Hemixem, dessen By Truppen von der Regierung erbat. In der Dl Ztg.“ wird als Grund des Ausftaños Lohnstreitigkeit an- gegeben.

__ In dem Kohlengebiet des westlihen Pennsylvanien ist, wie ein New-Yorker Telegramm des „W. T. B.“ berichtet, ein Strike der ungarischen Arbeiter ausgebrochen, wobei ernste Un- ruhen vorkamen. Die Ausständigen tödteten mehrere Fabrikarbeiter und machten auf die Fabrik von Frick in Davidson einen Angriff, wobei ein Ingenieur durch Steinwürfe getödtet und ein Ungar von Schußzleuten ershossen wurde.

Literatur.

/ : Geschichte.

Von dem auf Veranlassung Seiner Hochseligen Majestät des

Kaisers Friedrich als Kronprinzen von Preußen ins Leben ge- rufenen Werke „Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrih Wilhelm von Brandenburg“ is jeßt im Verlag von Georg Reimer in Berlin der XV. Band erschienen. Es ist dies der dritte Band der ständishen Verhandlungen, und zwar der erste Theil der auf das Herzogthum Preußen bezüglichen, herausgegeben von Kurt Breysig. Der Herausgeber ist in der Einrichtung und Anlage dieses Bandes in vielen Stücken von seinen Vorgängern auf dem Gebiete der \tändishen Verhandlungen, die den V. und X. Band des Werkes bilden, abgewichen und hat eine viel breitere Basis gewähli. Namentlih hat er es für nöthig gehalten, die allgemeine Einleitung viel weiter zurück zu führen, weil die preußischen Stände des 17. Jahr- hunderts in so hohem Maße auf alten überlieferten Rechten fußten, daß ihre Schriften nicht verstanden werden könnten, wenn man nicht in der Lage ift, sih die ganze historishe Entwickelung zu vergegen- wärtigen. Vor allem hat der Herausgeber dabei fein Augenmerk darauf gerichtet, im allgemeinen den Zusammenhang der Geschichte des Ständethums mit der des Landes überhaupt zu zeigen und im besonderen die staatsrechtlihen Aenderungen des Verhältnisses der Stände zum Landesherrn bis ins einzelne zu verfolgen. Demgemäß geht die Einleitung von dem Beginn des Ständethums zu Zeiten der Ordensherrschaft aus und behandelt dann weiter das Ver- halten der Stände unter dem ersten Herzog, sowie das Anwachsen der ständishen Macht während seiner leßten Regierungsjahre und unter seinem Nachfolger. Weiter werden sodann die Revolution von 1566 und das ständishe Interregnum, der Uebergang des Herzog- thums an das Kurhaus Brandenburg und die Befestigung der polni- hen Oberhoheit, die Konflikte der Regierung mit den Ständen unter den Kurfürsten Joachim Friedrich und Johann Sigismund, die Her- stellung des inneren Friedens durch den Kurfürsten Georg Wilhelm, die sich daran anshließende Verbindung der Monarchie mit dem Adel, die Opposition der Städte, deren wahsender Widerstand und \chließ- liche Unterwerfung ausführlih geschildert, sodaß die Lage bei Antritt del i Lan durch den Großen Kurfürsten vollständig klar dar- gelegt ist. __ Auch bei den Urkunden und Aktenstücken hat der Herausgeber die Grenzen viel weiter gesteckt, als seine Vorgänger dies gethan haben. Er hat nämlich die Aktenstücke niht nur, wie jene, so weit auf- genommen, als sie verfassungsgeshichtlich interessant sind, sondern alles reproduziert, was überhaupt zur Verhandlung kam. Es liegt somit das ganze verwaltungs-, wirthschafts-, rechts- und kirchen- geshihtlihe Material vor, das die Verhandlungen jedes Landtags jener Zeit darbieten. Dies Verfahren rechtfertigt sich um fo mehr, als die Stände damals niht nur verfassungs-, sondern auh verwaltungsrechtlihe Befugnisse besaßen und ein voll- ständiges Bild der s\tändishen Entwickelung nur dann gegeben werden kann, wenn leßtere in demselben Umfang berücksichtigt werden, wie erstere. Zu der Erweiterung des Stoffs nach der verwaltungs- geschichtlihen Seite ist dann noch der Umstand hinzugetreten, daß für den Landtag von 1661 bis 1663, dessen Abschied den Abschluß der ständishen Epoche und den Anbruch der monarchischen Herrschaft nicht nur im Herzogthum Preußen, sondern in Brandenburg überhaupt bedeutet, eine außerordentlich große Menge von Akten vorhanden ift, die es erlaubt, die Politik des Kurfürsten Fricdrich Wilhelm von Schritt zu Schritt zu verfolgen.

Deffentlicher Anzeiger.

Die in dem vorliegenden Bande veröffentlichten Urkunden und Aktenstücke zerfallen in zwei Abschnitte, deren jedem eine historish- politishe Einleitung voraufgeht. Der erfte umfaßt die beiden Jahr- zehnte der Regierung des Großen Kurfürsten und behandelt den ersten ras Jahre 1640, die ständishen Berathungen in der Zeit von 1643 bis 1652, die Konvokation von 1655 und die Landtage von 1666 und 1657. Der zweite Abschnitt bringt die. erste Hälfte - der Aktenstüke des großen Landtags von 1661 bis 1663, und betreffen die einzelnen Abtheilungen 1) die geit vom Friedens{luß zu Oliva bis zur ersten Vertagung des andtags am 3. August 1661; 2) von da bis zur Resumtion des Landtags am 13. Oktober 1661; 3) vom 20. Oktober bis zum Erlaß der neuen Is am 24. November 1661; 4) die Zeit bis zur zweiten Nesumtion am 20. Januar 1662; 5) die Zeit bis zur Bewilligung der Accise am 14. März 1662. Was die Provenienz der Aktenstücke anbetrifft, so sind diese in der über- wiegenden Mehrzahl dem Berliner Geheimen Staatsarhiv, die übrigen dem Staatsarchiv zu Königsberg entnommen, da weder das Stadtarchiv, die städtische, die Wallenrodt’he Bibliothek, noch das ständische Archiv des Provinzialverbandes in Königsberg und die Familien-Archive der Provinz Preußen dem Herausgeber irgend welche Ausbeute gewährten.

Politishe Geschichte der Gegenwart. Begründet von Wilhelm Müller und fortgeführt von Dr. Karl Wipper- mann. XXVII. Das Jahr 1893 (Berlin, Julius Springer). “i 4 M Der soeben erschienene 27. Jahrgang der von Professor W. Müller begründeten „Politishen Geschihte der Gegenwart“ enthält als zweite, von Dr. Wippermann besorgte Fortseßung das Jahr 1893. Darin wird, in derselben Weise wie Lider ein um- fassendes Rundgemälde der wesentlihsten politischen Vorgänge in allen Staaten der Erde geliefert. Bezüglich Deutschlands sind die das Zustandekommen der Militärvorlage betreffenden Vorgänge, namentlich die verschiedenartigen Kundgebungen für und wider, eingehend behandelt und diese fowie alle sonstigen Ereignisse in Deutsch- land in ihrem oft ziemlich bunten JIneinandergreifen zu schildern gesuht. Ausgedehnter als in den leßten Jahren mußten diesmal die nichtpreußishen Staaten des Reichs, besonders die füd- deutschen, berücksihtigt werden. Hinsichtlih Oesterreihs werden vor allem die Verhältnisse Böhmens und der Ministerwehsel hervor- A Die Darstellung wendet sih fodann den fkirchenpolitischen Verhältnissen Ungarns zu, der Lage Rußlands, der Panamasache

rankreihs, dem Flottenbesuh in Toulon, den Schifsalen der britischen

omerulevorlage, den Vorgängen in den britishen Kolonien, der Danken- und Finanzfrage Italiens, dem Kriege Spaniens in Nord- Afrika, der Verfassungsfrage Belgiens u. a. Dem Auslande, ins- besondere den Großmähten, ist überhaupt ein etwas ‘größerer Raum als früher gewidmet worden. Die im Augenblick minder wichtigen Staaten des Balkan und der andern Erdtheile sind im Interesse der von dem Werke stets angestrebten Uebersichtlichkeit räumlih kürzer gehalten worden. Dem sahlihen Inhaltsverzeichnisse, der Chronik der Greignisse und dem Verzeichniß der hervorragenden Perfonen ist besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

Militärischef

Armee-Eintheilung und Quartier-Liste des Deut- schen Neihs-Heeres und der Kaiserlihen Marine 1894. 39. Jahrgang. 318. Gesammtauflage. H. Gerstmann's Verlag. Berlin 1894. Preis 60 g . Dieses mit dem Bildniß Seiner Majestät des Kaisers in der Uniform des Regiments der Gardes du Korps gcschmüdckte, seit vielen Jahren bewährte, nah amtlichen Quellen bearbeitete Nachschlage- und Instruktionsbuh zeichnet sih dur feine leiht übersihtlihe tabellarishe Form, welhe die Organisation der ganzen Armee klar erkennen läßt und! die Namen der Chefs und Kommandeure bis herab zu den Regiments- und selbständigen Bataillons - Kommandeuren nachweist, vor ähnlichen Zusammén- stellungen vortheilhaft aus. Die neuesten Formations- und Dislo- O sind bis zum 1. April d. I. berücksichtigt. Der die Kaiserliche Marine behandelnde Theil des Werks umfaßt die Flotten-Formationen für den Frühling dieses Jahres und die neu- errihteten Küsten-Bezirks-Inspektionen. Am Schluß if} eine dur 34 Abbildungen erläuterte Beschreibung der wichtigsten Königlich preußischen Orden und Ehrenzeichen gegeben. Um die Anschaffung für die Instruktionszwecke bei den Mannschaften zu erleichtern, hat die Verlagshandlung den Preis bei Abnahme von 12 Exemplaren auf 35 , bei 50 Exemplaren auf 26 und bei 100 Exemplaren auf 22 - herabgeseßt.

Der Kriegshund, dessen Dressur und Verwendung von Ernst von Otto-Kreckwiß in München. München 1894. Verla von I.. Schön. Der Verfasser, welcher sich erfolgreich versönlid mit Züchtung und Dressur von guten Hunden beschäftigt hat, ift der Ansicht, daß der hon an mehreren Stellen militärifch verwendete Collie (shottishe Schäferhund) für militärishe Zwecke weniger geeignet ist als der Airedale - Terrrier, und führt als Grund sür seine Behauptung an,+ daß der erstere zu \{chwer dressier- bar sei, man aber von einem im Kriegsdienst zu gebrauchenden Hunde verlangen müsse, daß er niht nur ausdauernd und wetterhart, sondern auch leicht, d. h. von Unerfahrenen leiht zu dressieren und zu führen sei. Diesen Anforderungen genüge der Airedale-Terrier in hohem Maße. Nach einem einführenden Vorwort wird in dem Buch eine genaue Anweisung über die Dressur dieses Hundes gegeben und durch praktishe Vorschläge zur Lösung dieser niht unwichtigen mili- tärishen Frage beigetragen.

6. Kommandit-Gesellschaften auf Aktien u. Aktien-Gesell!@. 7. Erwerbs- und Wirthschafts-Genofsenschaften.

8. Niederlassung 2c. von Rechtsanwälten.

9. Bank-Ausroeife.

10. Verschiedene Bekanntmgchungen.

1) Untersuchungs-Sachen.

[1122]

Der gegen den Kommis Franz Staudt aus F A ten 13. März v. J. erlassene Steckbrief ist erledigt.

Hanau, den 1. April 1894. zu haben.

Der Untersuchungsrichter am Königlichen Landgericht. Strafgeseßbuchs. [72723]

Der Knecht Ersatreservist Johann August Gott- helf Steinke, geboren 5. Juli 1860, zuleßt wohn- haft in Hohengrape, wird beschuldigt, als beurlaubter Reservist ohne Erlaubniß ausgewandert zu sein, Uebertretung n, S 360 Nr. 3 des Strafgeseß- bus. Derfel e wird auf Anordnung des König- lichen Amtsgerichts hierselbst auf den 28. Juni 1894, e tttago 9 Uhr, vor das Königliche Angen zu Berlinchen zur Hauptverhandlung

en.

Bei unentschuldigtem Ausbleiben wird derselbe auf

geladen.

urtheilt werden.

wohnhaft, geboren am 6. März 1865 zu Droschkau, Kreis Namslau (Aktenzeichen E. 81. 94),

werden beschuldigt, zu Nr. 1 als Wehrmann der Land- wehr, zu Nr. 2 als beurlaubter Reservist ohne Erlaub- niß ausgewandert zu sein, ohne von der bevorstehenden Auswanderung der Militärbehörde Anzeige erstattet

Üebertretung gegen § 360 Nr. 3 des

des Königlichen Amtsgerichts hierselbst auf den 4. Juni 1894, Vormittags 9} Uhr, vor das Königliche Schöffengericht zu L Steinstraße 61, Zimmer 41, zur Hauptverhandlung Bei unentshuldigtem Ausbleiben werden dieselben auf Grund der nah § 472 der Strafprozeß- ordnung von dem Königlichen Bezirks-Kommando zu Brandenburg a. H. ausgestellten Erklärungen ver-

Brandenburg a. H. den 24. März 1894. S Nippe, Gerichts\hreiber des Königlichen Amtsgerichts.

Montag, 830.

Dieselben werden auf Anordnung

Zrandenburg a. H., |— 4 a 40 qm

gegeben. Landftuhl, 31. März 1894.

Grund der nah § 472 der Strafprozeßordnung von

dem Königlichen i wai ah Samter

ausgestellten Erklärung verurtheilt werden. Berlinchen, den 5. März 1894.

: / Wagner, Gerichtsschreiber des Königlichen Amtsgerichts.

[1105]

1) Der Schiffbauer Gustav Thiele, zuletzt i Lehnin wohnhaft, geboren am 18 Biber 1860 t ehnin, und

2) der Arbeiter Johann Gladies, zuletzt in Deetz

[1164]

2) Aufgebote, Zustellungen ind dergl.

Oeffentliche Zustellung.

jährig und gewerblos, in Mackenbach wohnhaft, Gläubigerin, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, Notariatsgehilfen Schreiner in Landstuhl, gegen Jakob Krick, Musiker, früher in Mackenbah wohnhaft ge-

[1137]

In dem Verfahren,

nung des

wesen, dermalen ohne bekannten Wohn- und Auf- enthaltsort abwesend, Schuldner, hat der K. Notar Schwarzwaelder in Landstuhl zur Wiederversteigerung der dem Schuldner Jakob Krick gehörigen nach- bezeichneten Liegenschaften Termin anberaumt auf. April 1894, Nachmittags 2 Uhr, zu Mackenbah, in der Wirthschaft von Andreas Geib: Liegenschaften: im Dorf und in der Steuergemeinde Mackenbah, Amtsgerichts und Rentamts Landstuhl, Lesiß Nr. 357: Plan Nr. 691 R K Fläche, worauf ein Scheuer, Stall, Hofraum und Zubehörungen; Plan Nr. 690 2 a 10 qm Pflanzgarten dabei; Plan Nr. 689 3 a 40 qm Wiese in den Weiherwiesen ; Plan Nr. 689} 3 a 40 qm Wiese allda, zu- sammen ein Ganzes bildend und gelegen zu bach neben Johann Mettendorf und Valentin Scheer.

Dies wird dem abwesenden Jakob Krick zum Zwecke der bewilligten öffentlihen Zustellung hiermit bekannt

Gerichtsschreiberei des K. Amtsgerichts. Ko h, K. Sekretär.

j betreffend die Zwangs- versteigerung des dem Schuhmacher Rudolf Mundt iche , zu Rostock früher gehörigen, allhier an der Mar- In Sachen der Philippine Schramm, ledig, groß- Jae en ta sub Nr. 1256 XII1b., Nr. 19 be-

egenen Hausgrundstücks ist zur Abnahme der Rech- eguesters, zur Erklärung über den Theilungsplan, sowie zur Vornahme der Vertheilung ein Termin auf Donnerstag, den 12, April 1894,

Vormittags 107 Uhr, im Amtsgerichtsgebäude Zimmer Nr. 1 hierselb anberaumt, und werden die bei der Zwangsversteigerung Betheiligten dazu mit dem Bemerken geladen, daß der Theilungsplan zu ihrer Einsiht auf der Gerichtsschreiberei nieder- gelegt ist. Rostock, den 30. März 1894. Großherzogliches Amtsgericht. Piper.

ohnhaus mit [34504] Aufgebot.

Der Kaufmann Rud. Gauer zu E (Ostpr.), vertreten N den Rechtsanwalt Koe zu Löten, hat das Aufgebot der Preußischen Staatsschuldscheine von 1842 Litt. G. Nr. 43 121 über 50 Thaler und Litt. H. Nr. 43 467 über 25 Thaler beantragt. Die Inhaber der Urkunden werden aufgefordert, spätestens ‘in dem auf den 12. Juli 1894, Mittags 12 Uhr, vor dem unterzeichneten Ge- richte, Neue Friedrichstraße 13, Hof, Flügel B. part., Saal 32, anberaumten Aufgebotstermine ihre Rechte anzumelden und die Urkunden vorzulegen, widrigen- falls die Kraftloserklärung der Urkunden erfolgen wird.

Berlin, den 7. September 1893.

Das Königliche Amtsgericht 1. Abtheilung 81.

acken-

[1138]

Das unterzeichnete Amtsgeriht hat beschlossen, zum Zwecke der Kraftloserklärung des abhanden ge- kommenen 3 9/6 Pfandbriefs des erbländischen ritter- schaftlihen Kreditvereins im Königreihe Sachsen vom 1. Juli 1886 Sèr. XIV. Lit. C Nr. 0301 auf Antrag des Herrn Rittergutsbesißers Kammerherrn