1894 / 82 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 07 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

internationaler Vercinbarungen !) Keineswegs! Die Gefahr der Nach- prägung laufen alle anderen Staaten ebenso wie wir, Frankreich mit seinen Fünffranks\tüccken, Amerika mit seinen Silberdollars; diefe Gefahr kann zur Bekämpfung der geplanten Maßregel niht ins Feld eführt werden. Auch is} in der Schweiz die Nachprägung fremder

ilbermünzen niht etwa geseßlih erlaubt; ebensowenig in Amerika, wenn auch mögliherweise dort die Gesetze weniger strikte gehandhabt werden und die Justiz lockerer sein mag. Wenn der Abg. von Kardorff so empört is über die minderwerthi en Silber- Scheidemünzen mit dem Bildniß des Kaisers, so müßte er doh noch ergrimmter sein über die Reichskassenscheine, welhe doch auch nur den inneren Werth des bedruckten Papiers haben, und bei den 3800 Millionen unterwerthiger Scheidemünze, welhe die beiden Abgg. Graf von Kaniß und Graf von Mirbach uns vor einem halben Jahre besheeren wollten, kam doch auch das Bildniß des Kaisers in Frage. Mit der Befriedigung des praktischen Verkehrs- bedürfnisses können wir niht warten, bis die Reichs-Silberkommission den Stein der Weisen gefunden hat. Diese Kommission wird genau so enden, wie alle biéherigen ähnlihen Kommissionen; man wird eine Reihe von Monaten berathen und naher steht die Sache auf dem alten Flecke. Ich halte das außerdem für die glücklihste Löfung der Frage. Inzwischen hat ja die Legende von der kurzen Golddecke als Vegende thatsächlich si erwiesen; es hat si herausgestellt, daß die Goldfunde sich immer stärker entwickeln, und daß zur Zeit mehr Gold gefunden wird als je vorher.

Ein Schlußantrag, gestellt von den Abgg. Möller und Dr. Rin telen, wird abgelehnt.

Abg. Graf Kani (dkons.): Ich bin auf die Debatte nicht vorbereitet, folge aber dem Wunsche des Interpellanten, Abg. Grafen Mirbach, der durh dringende Geschäfte heute verhindert ift, hier zu erscheinen. Nicht nur in Deutschland, sondern in zahlreichen anderen Ländern wird die Hebung des Silberpreises verlangt und dur Ausprägung von Silbermünzen angestrebt. Wird Silber an- gekauft: und vollwerthig ausgeprägt, so ergiebt sih daraus ein Ge- winn von 13 Millionen auf 22 Millionen. Dieser Profit ist au garniht zu vermeiden. Was aber wird aus dem Geld, welches der- gestalt dabei gewonnen wird? Es würde . doch sehr zweckmäßig zur

Schuldentilgung verwendet. Jn derselben Weise is mein hier an- gezogener Antrag gedacht.

Geht es mit dem Wobhlstande des Landes weiter, so sehe ich kein Bedenken in einer vermehrten Silberaus- prägung. Die ganze Reichs\{uld könnte auf diese Weise getilgt werden. Das Münzgeseß von 1873 hat ein totales Fiasko erlitten, wie es grade Herr Mohl vorausgesagt hat. Der Preissturz des Silbers ist ein- getreten und hat die Zustände heraufgeführt, welche wir diesem Gesetz verdanken. Mit gutem Willen und ein wenig Energie brauchten wir den Weg zur Remonetisierung des Silbers garniht zu lang machen. Die Zustände sind überhaupt unhaltbar geworden, feit wir die Handelsverträge mit Ländern mit unterwerthiger Valuta ab- geschlossen haben. Unsere Bauern begreifen sehr wohl, was die unterwerthige russishe Valuta bedeutet. Ein solcher oftpreußischer Bauer hat mir gesagt: Wäre das Deutsche Reich nicht gegründet worden, so. hätten wir noch die Silberwährung, und der Scheffel . Roggen kostete noch heute 2 Thlr. Warum follen die Thaler nicht das Bedürfniß decken? Ich nehme sie gern. In der geplanten Maßregel erblicke ih ein Mißtrauensvotum gegen das Ergebniß der Berathung der Silberkommission. Statt der Maßregel hätte ih die Einbringung eines Gesetzentwurfs zur Erhöhung des Umlaufs von 10 auf 12 4 vorgezogen. S i

E De Mee Balle 0e V0)! Daß die Agrärier die Thaler ungern nehmen, hat der Präsident des Reichsbank-Direktoriums auh wohl nicht behauptet; es handelte sih dabei um das große Publikum. Das Vorhandensein der Thaler is der Schönheitsfleck, der auf unserm Münzwesen ruht und den zu beseitigen wir ernstlich bemüht sein müssen. Eine Münze, welche nur im Tresor der Bank liegt, ist keine Münze. Wenn wir das Silber zu 90 #- auf das Pfund ausprägen, fo wird sich doch der nationale Reichthum um nichts ver- mehren, wenn mit der Gewalt des Geseßes dekretiert wird, daß der Silberwerth von nun an ein höherer sei. Der Reichthum der Nationen wächst nur durch Vermehrung der Produktion; eine folche liegt aber nicht darin, daß man dem Silber einen höheren Werth aufdekretirt. John Law hat schon vor 150 Jahren ganz ebenso mit Scheinwerthen gerechnet. Der Abg. Graf Kaniß zeigte heute, wie man mit einem Federstrihe Geld [haffft. Jeder folcher unberectigte Eingriff führt dazu,- eine Klasse zu bevorzugen auf Kosten der Benachtheiligung der anderen Klassen der Bevölkerung. Der: Werth- sturz des Silbers war schon vor dem deutshen Münzgeseß ein- getreten. Von einer empörten Stimmung im Lande weiß ich nichts und werde davon auh nit ershüttert; Unzufriedenheit Hat es zu jeder Zeit gegeben. Wenn der Bauer des Abg. Grafen Kanitz glaubt, der Scheffel Roggen würde heute noch e Thaler kosten, wenn wir nicht die Goldwährung hätten, fo widerspricht das allen Ausführungen Der Agrarier seit-20 Jahren, von ‘der Ueberschwemmung mit fremdem Getreide, von der Verkehrtheit unseres Eisenbahntarifs.

Staatssekretär Dr. Graf von Posadowsky:

Meine Herren! Der Herr Abg. Graf von Kaniß hat auch zu Gunsten der Interpellation gesprochen und hat dabei ausgeführt, wie er sich die vollwerthige Ausprägung der Silbermünzen denkt nah dem von ihm eingebrahten Geseg. Jh muß nun sagen, die Aus- führungen des Herrn Abg. Grafen von Kaniß haben mich über- rast. Vollwerthig im Sinne der Interpellation und in dem Sinne, wie ér, der die Interpellation vertheidigt hat, den Begriff „voll- werthig“ bei den Silbermünzen verstehen muß, kann nicht die Ausprägung nach dem Thalerfuße sein; sondern vollwerthig im Sinne der Interpellation, die der Reichsregierung daraus einen Vorwurf macht, daß sie jeßt Scheidemünzen ausprägt, die 60 9/9 unterwerthig find, kann nur die Ausprägung der Silbermünzen sein, bei denen fich der Nennwerth deckt mit dem Metallwerth, ausgedrückt im Goldwêrth. Das ist vollwerthig in dem Sinne der Interpellation. Aber Silbermünzen, die in diesem Sinne vollwerthig ausgeprägt würden bei einem Silberpreis von heute von etwa 28 Pence pro Unze, würden vom Verkehr nicht aufgenommen werden, sie sind zu unhandlih. (Sehr richtig! links.)

Es ift ferner von dem Herrn Abg. Grafen von Kani unangenehm bemerkt worden, daß ih mich auf die Motive des Münzgesetzes von 1873 berufen habe. Es is natürlih nit meine Aufgabe und es würde viel zu weit führen, wenn ih das Münzgeseß von 1873 heute hier vertheidigen wollte. Jh habe aber aus den Motiven nur nach- gewiesen, daß man bei Bemessung eines Bestandes von Silber- \cheidemünzen in Höhe von 10 #4 pro Kopf auch mit in Nechnung gezogen hat, daß noch ein erhebliher Bestand Thaler im Umlauf ift, und man nicht der Ansicht war, daß 10 # pro Kopf ohne diesen Thaler-Umlauf genügend wäre für den Verkehr. Jch glaube alfo, aus dieser Berufung auf eine in den Motiven enthaltene Deduktion folgt noch nit, daß ih irgendwie für das Münzgeseß Pplaidoyiert habe; ebensowenig wie ih anerkennen fann, daß es ein Fiasfo ist.

Ferner hat der Herr Abg. Graf von Kaniß gesagt, es hätte ihn nicht sehr angenehm berührt, daß ih gesagt hätte, bis zur inter- nationalen Regelung der Silberfrage sei noch cin weiter Weg. Ja, ih muß gestehen, einen Taxameter besiße ih dafür niht (Heiterkeit), wie lange das wohl dauern kann, bis man sich mit sämintlichen handeltreibenden Nationen über eine künftige Relation von Gold zu Silber geeinigt hat. Aber ich will Jhnen einen Zeugen anführen, den die Herren Bimetallisten doch werden meines Erachtens voll- werthig anerkennen müssen, das ist der holländishe Finanz-Minister

Pierfon. (Zuruf rechts.) Gewiß, der ist bekanntli Bimetallist (Zuruf rets), au heute noch, ih berufe mich dieserhalb auf Herrn Dr. Arndt (Zuruf und Heiterkeit links), ein Mann, der wiederholt für den Bimetallismus Propaganda gemacht hat und der in einer Rede vom 18. Dezember 1893 im holländischen Landtag eine Rede, die ih drucken lassen werde für die Silberkommission,

weil sie wirklih außerordentli interessant ist —, ih folgender-

maßen äußert: : L ; Es will mir \cheinen, daß an eine bimetallistische Union, fo

wie man sich dieselbe ursprünglih gedacht hat, bei der freie Prägung in einem vereinbarten Verhältniß beider Metalle erlaubt fein sollte,

niht mehr zu denken ist

(hört, hört! links), : : und zwar deshalb, weil in Betreff des zu vereinbarenden Verhält-

nisses keine Einigkeit mehr würde erzielt werden können. Und Herr Pierfon sagt weiter:

Wenn eine Basis von 1:25 angenommen würde, betrüge z. B. das von Frankreich zu bringende Opfer eine Milliarde. Nun frage ih einen Jeden, der gewohnt ist, die finanzielle Tagesliteratur zu verfolgen, ob er der Meinung ist, daß man sich in Frankreich würde bereit finden lassen, zur Erlangung einer bimetallistischen Union auf der Basis von 1: 25 dieses Opfer zu bringen ?

Sehr richtig! links.) /

Fch glaube, Frankreih würde dafür keine halbe, keine Viertel- Milliarde übrig haben. Ich will nicht behaupten, daß in Frank- reih niemand Interesse für die Münzfrage zeigt ; aber dieses In- teresse ist doch nur bei sehr vereinzelten Personen vorhanden.

Wenn ih dem gegenüber gesagt habe, ih halte den Weg für weit, aber doch nicht bestritten habe, daß eine internationale Verhandlung vielleicht zu irgend cinem positiven Resultat und damit zur Hebung

zie * ° " c , , , des Silberpreises beitragen könnte, so glaube ih, habe ih mi gegen- über Herrn Pierson noch ziemli optimistisch ausgedrückt.

Ich gestatte mir aber noch, eine Schlußbemerkung des Herrn Pierson zu zitieren, die deshalb sehr interessant ist, weil sie ergiebt, wie er im allgemeinen die bimetallistischen Bestrebungen ansieht. Er, der selbs Bimetallist ift, sagt:

Fn Betreff der Münzpolitik der Regierung darf kein Zweifel obtvalten; namentli ist dies von Bedeutung für ein Handels- volk wie das unsrige. Unsere Politik kann jedo keine andere sein, als diese: so lange keine Möglichkeit für den Bimetallismus vorhanden is, müssen wir festhalten an dem, woran wir so lange festgehalten haben, nämlich an der Goldwährung. Wir müssen dafür sorgen, daß wir troß unserer Silbermünzen die Goldwährung besißen.

Ich glaube also, meine Herren, daß ih mich nicht im pessi- mistischen Sinne gegen diese Bestrebungen ausgedrückt habe, die auf die Hebung des Silberwerths zielen, und das ift etwas, was die Goldwährungsleute auch für sehr nüßlich halten würden, wenn wir den Silberpreis heben könnten —, daß ih mich diesen Bestrebungen gegenüber .nicht irgendwie vpessimistisch ausgedrückt habe. Und wenn {licßlich gesagt ist, daß doch darin ein leises Mißtrauensvotum gegen den eventuellen Erfolg der Silberkommission läge, wenn jeßt, wo die Silberkommission tägt, mit einer weiteren Prägung von Silber- münzen vorgegangen würde, fo gestatte ih mir, darauf hinzuweisen, daß sich auch Wege denken lassen, den Silberpreis zu heben, die vielleiht gar keine Umprägung der vorhandenen Silbermünzen noth- wendig machen; daß vielleiht Vorschläge in der Enquêtekommission gemaht werden, die möglicher Weise von Herrn von Kardorff befürwortet werden, die dahin gehen: Silber nur als Bankdeckung zu verwenden.

Abg. Dr. Paasche (nl.): Die phantaslishen Ausführungen des Abg. Grafen Kani hâtte ih von einem so bedeutenden Vertreter des Bimetallismus nicht erwartet. Wie wir 3800 Millionen Mark Silber ausprägen follen, ohne es theuer zu bezahlen, is uns niht nachgewiesen. Nach diesen Ausführungen könnte man fast glauben, die Vimetallisten arbeiten nur im Interesse der Silber- barone! Dann kann man ja wirklih auch ftatt Silber Papier nehmen , dann würden an 100 # nicht mehr 50, fondern 100 46 verdient werden. E / i __ Abg, von Kardorff (Np.): Die Mittheilung, daß nur etwa fünf Millionen zunächst ausgeprägt werden follen, hat mich wesentlich beruhigt. Einen Punkt umgehen unsere Gegner auch heute wieder geflissentlih: die Steigerung des Goldwerthes und die damit wissen- shaftlih festgestellte Entwerthung der Güter seit 1873. Unter dieser Entwerthung kann die deutsche Landwirthschaft nicht bestehen, weil sie ihre Schulden in Gold bezahlen muß und für ihre Produkte nur Silber bekommt. Jch will die deutsche Landwirthschaft kräftigen und aufblühen lassen, und das kann bei dem heutigen Münzsystem nicht geschehen. Herr Cleveland is kein Gold-, sondern ein internationaler Doppelwährungs8mann. Der nieder- ländishe Minister Pierson hat seine Meinung gewcch{selt, er ist Goldwährungsmann geworden und zwar, soweit ih weiß, seit er seine jeßige Stellung inne hat. Aus der jeßigen Enquêtekommission wird doch wohl etwas mehr als aus den früheren herauskommen, weil die anderen Staaten, zumal England wegen Indien und die Vereinigten Staaten, si in viel größerer Währungsschwierigkeit als vordem befinden S

Abg. Graf Kaniß (dkons.) wendet sich gegen die Abgg. Dr. Meyer und Dr. Paashe. Er habe keineêwegs gemeint, daß man am Pfund Silber 50 oder 60 4 verdienen würde; er nehme eben an, daß mit der fuccessiven Ausprägung der Preis des Silbers steigen und mit der leßten Ausprägung der Vebershuß völlig {winden würde. Er habe sich deshalb au [ehr gehütet, bestimmte Zahlen für diesen Uebershuß zu nennen. Z

Abg. Dr. Paa sche (nl,): Der Abg. Graf Kanitz hat ausdrüklih auf den Betrag der NReichsschuld hingewiesen, der durch den zu machenden. Profit gedeckt werden könne, und die Neichsshuld beträgt 2 Milliarden. i N j d Abg. Graf Ka nit (dkons.): Die Neichs\huld beträgt 1600 Mil-

ionen.

Darauf schließt die Diskussion. ledigt. :

___Jn die zweite Berathung des Stempelsteuergeseßes wird nicht mehr eingetreten.

„Abg. Nichter (fr. Volksp.) bemerkt zur Geschäftsordnung: Es kursieren unter uns Gerüchte, daß die Regierung beabsichtigt, in

Len l ) 0 i etwa 3 Wochen die Session zu {ließen oder zu vertagen. Andererseits hat heute der Reichs-Schaßsekretär an den Vorsißenden der Steuer- tommission das Ersuchen gerichtet, erst nach 10 Tagen die nächste Sizung anzuberaumen. Da von der Erledigung der Steuervorlagen die Dauer der Session abhängt, so möchte es angezeigt sein, wenn der Präsident sich hierüber informierte und dem Hause oder dem Seniorenkonvent von den Absichten der Regierung Kenntniß gäbe.

__ Präsident von Levezow: Jch glaube befugt zu sein, zu er- widern, daß nach den Unterredungen zwischen mir und den Vertretern der verbündeten Regierungen an einen so nahen Schluß, wie ihn der Abg. Nichter bezeichnete, niht zu denken ist. Wir werden jedenfalls Zeit haben, eine ganze Menge von Vorlagen zu erledigen.

Schluß 41/2 Uhr.

Der Gegenstand it ere

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Koblen und Kofs an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 6. d. M. gestellt 10971, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind aw 4. d. M. geftellt 3844, ni®t recht, zeitig gestellt keine Wagen; am 5. d. M. find gestellt 3597, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

Zwangs-Versteigerungen.

Beim Königlihen Amtsgericht T Berlin standen am 6. April die nachbezeihneten Grundstücke zur Versteigerung: Perle. bergerstr. 46, dem Viehhändler Ludw. Heyden gehörig; Nußungs- werth 14 900 6; Mindestgebot 154 700 4; für das Meistgebot von 202700 M wurde der Malermeister M. Holländer Calvinstr. 12, Ersteher. Waldstr. 6, dem Töpfermeister Fo DHielêé - géehortai Flähe 9,76 a; Nußtungswerth 16000 für das festgeseßte Mindestgebot würde die „Preußishe Hypotheken-Aktien-Bank“, Charlottenstr. 42 Ersteherin. Buttmannstr. 6, dem Kaufmann Carl Güttner zu Charlottenburg, jeßt zu Berlin gehörig; Fläche 9 a; für das Meistgebot von §6 000 /( wurde der Kausmann Paul Lindenau Potsdamerstr. 129, Ersteher. :

Vom oberschlesischen Eisen- und Zinkmarkt kbe, richtet die „Schl. Ztg.“ : Die Lebhbafttgkeit im oberschlesishen Eisen- geschäft hat auch in der leßten Woche angehalten. In Noheisen und Puddeleisen sind namhafte Abschlüsse zu erhöhten Preisen namentlich für inländishe Werke gemaht worden; die vorhandenen Bestände dürften bereits sämumtlih verkauft sein. Weitere Nachfragen für größere Posten Gießerei-Roheisen konnten von einigen Hochofen- verwaltungen nicht berücksichtigt werden, da diese zunächst die eigenen Werke befriedigen müssen. Am Schlusse des ersten Quartals waren im Bezirk an Hochöfen im Betrieb: auf Königs-Laurahütte 7, Julien- hütte 3, Donnersmarckhütte, Hubertushütte, Falvahütte, Borsigwerk, Friedenshütte und Tarnowiter Hütte je 2, Gleiwiter- und Redenhütte je 1, zusammen 24 Oefen. Wie mitgetheilt wird, sollen demnächst auf Hubertushütte und Friedenshütte je 1 Hochofen angeblasen werden. Die Walzwerke sind. mit Aufträgen auf Handelseisen reihlich ver- sehen und ihre Fabrikate auf Monate hinaus ausverkauft, sodaß der Be- trieb auf sämmtlichen Werken wieder voll aufgenommen wurde und der Verband mit einer Preiserhöhung nicht lange mehr zögern dürfte, Feineisen und zu Bauzwecken fich cignendes grobes Walzeisen ist vor- läufig noch mäßig gefragt. Für Feinbleche liegen zahlreiche Be- stellungen vor, und neue gehen in genügender Anzahl ein; für Grohb- bleche ist der Bedarf noch gering. Bei den Stahlwerken sind in leßterer Zeit größere Aufträge auf Hauptbahnschienen nicht eingegangen, die Werke sind jedoch infolge der früheren Bestellungen genügend beschäftigt. Draht- und Nägelwer ke befinden sich in vollem Be- triebe, und auch die Röhrenwalzwerke waren in verflossener Woche besser beschäftigt und erfreuen sich eines regeren Eingangs an lohnenden Aufträgen. Bei den G ießereien if insofern eine Besserung zu verzeichnen, als auch bereits für Bau- und Maschinenguß die Aufträge sih mehren. Handelsguß hat dagegen in leßter Zeit weniger Absatz gefunden. Im Zinkgeschäft ift in verflossener Woche eine Aenderung nicht zu verzeichnen gewesen.

Die gestrige ordentliche und außerordentliche Generalversamm- lung der Aachen-Burtschcider Pferdeeisenbahn-Gesell ä \chaft beschloß, 24 9/9 Dividende zu vertheilen, ferner wegen des vor- theilhafteren eleftrischen Betriebes das Aktienkapital um 400 000 M herabzuseßen, sowie cine vierprozentige Anleihe bis zur Höhe von einer halben Million Mark aufzunehmen.

Made ata C S D) Zudlerbericht. Kornzucker exfl., von 92% —,—, neue 13,55, RKornzucker exkl. 88 9/6 Rendement —,—, neue 12,85, Nachprodukte extl., 75 ?/6 Nendement 10,00. Ruhig. Brotraffinade l. —,—, Brotraffinade U. —,—, (Hem. Raffinade mit Faß 26,25, Gem. Melis 1, mit Faß —,—, Ruhig. Nohzucker. 1. Produkt Transito f. a. B. Hamburg pr. April 12/059. BL.,

1295 G0 1260 D r eal 12,625. ber, E SUNE: 12 0Tn Bei, L202 E E V U 20 Od 12/80 Dr. Stetig. Wochenumsaß im Nohzuckergeschäft 85 000 Ztr.

Levi 60 Q T D) Kam mzüUgeTerän- handel. La Plata Grundmuster B. per April 3,40 #. - per Mai 3,427 4, per Juni 3,45 46, per Juli 3,47€ 4, per August 3,50 M, ver September 3,527 4, per Ottober 3,55 #4, per No- vember 3,575 M, per Dezember 3,60 4, per Januar # Umsaß 35 000 kg. 3

BLêmen 6. Al Q T D) Börsen - Schlußbericht. MNaffiniertes Petroleum. (Offizielle Notierung der Bremer Petroleums- Bote) Mubia Lol 475 B Baumwollïle. Nuhig. Upland middling, loko 397 «4. Sch malz. Sehr fest. Wilcox 39 ., Armour shield 38 F; CEudahy 39 3, Faäirbänks 33 Z Speck. Höher. Short clear middling loko 35. Wolle. Umsay: 201 Ballen. Taback. Umfag: 151 Seronen Carnen.

London, 6. April. (W. T. B.) 96/0 Javazucker loko 15} ruhig, Nüben-Nohzudcker loto 124 fest, Zentrifugal-Kuba- Zudcker 142. Chile-Kupfer 402, pr. 3 Monat 415/16. P M Q Warm ollen Wochenbericht.) Wochenumsfayt gegenwärtige Woche 66 000 (vorige Woche 31 000), do. von amerikanischen 55 000 (27 000), do. für Speku- lation 1000 (1000), do. für Export 1000 (1000), do. für wirklichen Konsum 53 000 (25 000), do. unmittelb. ex. Schiff 66 000 (43 000), wirkliher Export 5000 (5000), Import der Woche 63 000 (67 000), davon amerikfanische 5000 (50 000), Vorrath. 1 768 000 (1 859 000), davon amerikanische 1 512 000 (1557 000), s{chwimmend nah Großbritannien 80 000 (125 000), davon amerifanishe 60 000 (105 000).

Manchester, 6. April. (W. T. B.) 12r Water Taylor 54,

30r Water Taylor 7, 20r Water Leigh 64, 30r Water Clayton 7, 32r Mock Brooke 62, 40r Mayoll 7}, 40 r Medio Wilkinson 8, 32r Warpcops Lees 64, 36r Warvcops Kowland 77, 36r Warpcops Wellington 7&, 40r Double Weston 84, 60r Double courant Qualität 11, 32" 116 Yards 16 X 16 grey Printers aus 32r/46r 153. Stetig. Ola C E Œ D D) De Vorratbe von Noheisen in den Stores belaufen sih auf 315 304 Tons gegen 342 526 Tons im vorigen Jahre. Die Zahl der im Betrieb befind- lichen Ho höfen beträgt 72 gegen 71 im vorigen Jahre,

St. Petersburg, 6. April. (W. T. B.) Die Getränke- Accise ergab im Februar gegen den Voranschlag 20 Millionen Rubel mehr und gegen den CEffektiveingang im Februar des vorigen Jahres 10 Millionen mehr.

Amsterdam, 6. April. (W. T. B.) Java - Kaffee good ordinary 527. Bankazinn 445.

New-YVork, 6. April. (W. T. B.) Die Börse eröffnete höher, wurde im weiteren Verlaufe lebhaft und allgemein fest und {loß lustlos, bei festen Kursen. Der Umsay der Aktien betrug 210 000 Stück. Der Silbervorrath wird auf 185 000 Unzen

elegt. i L i

eizen durhweg angeregt, fiel einige Zeit nah Eröffnung, dann lebhafte Reaktion auf umfangreihe Käufe und s{lechte Ernte- \{äßungen in Kansas und Nebraska, fowie auf Deckungen der

Baissiers, später infolge allgemeiner Liquidation wieder fallend. Mais fallend einige Zeit nah Eröffnung, dann lebhafte Reaktion auf die Festigkeit des Weizens; später auf Nealisfierungen wieder fallend. Schluß williger.

__ Baumwollen-Wochenberiht. Zufuhren in allen Untons- häfen 55 000 Ballen, Ausfuhr nah Großbritannien 27 000 Ballen, E nah dem Kontinent 66 000 Ballen. Vorrath 707 000

allen.

__ Chicago, 6. April. (W. T. B.) Weizen anfangs fallend infolge reihlihen Angebots, dann lebhafte Neaktion auf Berichte über Ernteshäden, später wieder fallend, Schluß flau. Mais fallend einige Zeit nah Eröffnung, dann Neaktion. Schluß williger-

E E S, ett S a O S

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Sonnabend, den 7. April

1894.

M 2.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

42. Sigzung vom 6. April 1894.

Die zweite Berathung des Etats der Staats-Eisen- bahnverwaltung leitete der Minister der öffentlihen Ar- beiten mit folgender, im Anfangsbericht der Freitags-Nummer d. Bl. nur auszüglich mitgetheilten Rede ein.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Von der Annahme ausgehend, daß es Ihnen nicht unwillkommen sein wird, vor dem Eintritt in die zweite Lesung des Etats sih wenigstens in großen Zügen über die finanzielle Lage der Eisenbahnverwaltung unterrichtet zu sehen, gestatten Sie mir einige kurze einleitende Bemerkungen.

Bereits in der Plenarsißung dieses hohen Hauses vom 18. Juni v. J. habe ih über das Betriebsergebniß der Staatseisenbahnen für das Jahr 1892/93 nähere Mittheilungen gemaht. Um die Shäßungen für 1893/94 und die Etatspositionen für 1894/95 richtig beurtheilen zu können, möge es mir gestattet sein, hier die wesentlihen Zahlen von 1892/93 nochmals zu wiederholen. Die gesammten Betriebs- einnahmen des Jahres 1892/93 betrugen rund 921 Millionen Mark; wiewohl sie die Einnahmen des Vorjahres noch um rund 1 200 000 4. überstiegen, Llieben sie gegen den Etat um rund 45 Millionen Mark zurü.

Meine Herren, zur Zeit, als der Etat aufgestellt wurde, stand der Weizen auf dem Felde der Eisenbahnverwaltungen so viel- versprechend, daß man annehmen mußte, es würde eine ausgezeichnete Ernte werden. Wind und Wetter sind im Laufe des Jahres nicht sehr günstig gewesen, und die Annahmen, von denen der Etat aus- ging, erlitten eine bittere Enttäushung. Meinerseits habe ih daraus, ih glaube, mit Recht, die heilsame Lehre gezogen, in der Zukunft mit den Etatsveranschlagungen vorsichtiger zu sein und jederzeit einen Sicherheitskoeffizienten vorzusehen. Das ist auch im Etat von 1894/95 geshehen und muß meines Erachtens geschehen bei jedem vorsichtig auf- gestellten Etat, insbesondere bei dem Etat eines so großen Betriebs- unternehmens, welches von allen möglichen Konjunkturen abhängig ist. Es muß die Wahrscheinlichkeit vorhanden sein, daß unter normalen Ver- hältnissen si ein höherer Uebershuß ergeben wird, als im Etat vor- gesehen ist, damit man einer ungünstigen Konjunktur, ungünstigen Verhältnissen bezüglich der Einnahmen und Ausgaben mit einiger Ruhe entgegensehen kann.

Meine Herren, andererseits weisen aber und das war ein schr beruhigendes Moment die Ausgabetitel im Jahre 1892/93 einen ziemlih erheblichen Rückschritt auf. Während in den Jahren der großen Mehreinnahme auch die Ausgaben in ganz außerordentlicher Weise gestiegen waren, der Betriebskoeffizient, also das Verhältniß von den Ausgaben zu den Einnahmen, bereits die Höhe von 65% erreiht hatte, gingen die Ausgaben im Jahre 1892 seit 1888/89 zum ersten Mal wieder herunter, und zwar um den verhältnißmäßig erheblichen Betrag von 147 Millionen Mark. Sie waren veranschlagt auf rund 5954 Millionen Mark und haben nur 581 Millionen Mark betragen, gegen die wirklißen Ausgaben des Vorjahres 1891/92 rund 20 8000003 X weniger. Der Betriebs- koeffizient ging dadurch auf 63,9 9/6 zurü.

Das relativ günstige Ergebniß ist in erster Linie das muß ich hier hervorheben zu verdanken der Pflihttreue und Umsicht der mir unterstellten Beamten, welche der ihnen obliegenden Aufgabe, sparsam zu wirthschaften, in voller Erkenntniß der dur die gegen- wärtigen Finanzverhältnisse des Staats gegebenen Lage gerecht ge- worden sind.

Meine Herren, im Jahre 1892 i} zum ersten Mal ein System beobachtet worden, dem meines Erachtens au ein erheblicher Antheil an den erzielten Ersparungen beizumessen ist, das aber auch in anderer Richtung von den wohlthätigsten Folgen für die Eisenbahnverwaltung gewesen ist. Es sind insbesondere in den tehnishen Titeln im Anfang des Jahres Summen zurückgestellt worden und der Disposition der Dienststellen vorläufig entzogen in der Absicht, keinerlei Ausführungen vornehmen zu lassen, die niht in dem gegebenen Moment sihch noch als nothwendig herausstellen, und zweitens in der Absicht, auch im Laufe und namentlich gegen Ende des Jahres noch Mittel in der Hand zu haben für sich ergebende dringlihe Aufgaben. Die Er- sparnisse des Jahres 1892/93 sind daher nicht etwa dadurch erzielt, daß man nothwendige Ausgaben unterlassen oder der Sorge der spätern Jahre überlassen hat, sondern es sind diejenigen Ausgaben, welche in dem Etat als nothwendig vorausgesehen waren, auh sämmtlich, abgesehen davon, ob sie bereits wirklich zur Nealisa- tion gekommen waren oder nicht, dem Etatsjahre 1892/93 zur Last gelegt und, soweit deren Uebertragung nach den Etatsvorschriften zulässig ist, in das Etatsjahr 1893/94 übernommen. Die Summe

der so zurückbehaltenen Ausgaben betrug zu Anfang des Jahres |

30 Millionen Mark. Von diesen 30 Millionen Mark ift naturgemäß allmählih im Laufe des Jahres 1892/93 der größere Theil und auch noch ein Theil im Laufe des Jahres 1893/94 zur Verauêsgabung gelangt. Es ist also durchaus vorsichtig gewirthschaftet und nichts zu Lasten der Zukunft vershoben, was die Gegenwart hätte tragen müssen, aber andererseits ist auch jeder Posten unmittelbar vor der Verausgabung auf seine Nothwendigkeit geprüft worden.

Der Eisenbahnverwaltung ist damit zugleich die Möglichkeit gegeben, unvorhergesehene dringliche Ausgaben auh dann noch zu bestreiten, wenn sie im Laufe oder zu Ende des Jahres nöthig werden, und so dazu beizutragen, daß die allgemeine Finanzverwaltung des Staats vor großen Schwankungen der Erträge der Eisenbahn thunlichst be- wahrt wird. Auf diese Weise ist es gelungen, den Betriebsübershuß, welcher imm Jahre 1891/92 317 884 000 M betrug, für 1892/93 auf 339 890 000 M, also um 22 Millionen zu steigern.

Die Gesammteinnahme, welche 1892/93 rund 921 000 009 A be- trug, [ist im Etat für 1893/94 auf rund 937 400 000 4 veranschlagt, also um 16 409/000 4 höher. Die bis jeßt festgestellten, theilweise durch wirklihe Abrehnung, theilweise durh Schäßung, leßteres

namentlich bezüglih der direkten Verkehre, bekannten Ergebnisse vom April 1893 bis Ende Februar 94 zeigen gegen die gleiche Periode des Vorjahres ein Mehr von 39} Millionen. (Hört! Hört!) Daran ist betheiligt der Personenverkehr mit 10 000 000 (hört! hört!), der Güterverkehr mit 26 000 000 Æ, und die fonstigen Einnahmen mit 2 447 000 M. immer in runden Zahlen. Es ergiebt \fich mithin ein Mehr gegen den Etat von 23 000 000 A Jch nehme an, daß der Monat März ungefähr die gleihe Einnahme bringen. wird, wie im Vorjahre; der Personenverkehr wird wegen des in diesem Monat fallenden Osterfestes voraussichtlich etwas mehr, der Güter- verkehr aber etwas weniger ergeben. Danach würde sih das Ge- fammtergebniß für 1893/94 auf rund 960 009 000 4 tellen.

Die Gesammtausgabe, welche 1892/93 rund 581 000 000 betrug und im Etat für 1893/94 auf rund 595 000 000 veranschlagt war, wird nah den leßten Shäßungen ungefähr die Höhe des Vorjahres erreichen; es ergiebt fich also gegen den Etat eine Ersparniß an Aus- gaben von etwa 13 000 000. Die Schäßung der Ausgaben ist immerhin eine etroas \{chwierige Aufgabe, und ih möchte bitten, mih auf diese Ziffern niht festzunageln; es kann in den EXen und Winkeln noch allerhand \tecken, wovon wir hier in der Zentralinstanz noch keine Kenntniß haben, es können auch unvorhergesehene Fälle eintreten, die noch Ausgaben mit sich bringen.

Nur das möchte ih bezüglich der Ausgaben für 1893/94 bemerken, daß dasfelbe System weiser Zurückhaltung etatsmäßiger Ausgaben au im laufenden Jahre zur Ausführung gekommen is, wenn auch nicht in dem hohen Maße wie 1892/93, Es ist auch hierin vorgebaut, daß wenigstens große Etatsüberschreitungen uns nicht überraschen. Wenn diese Zahlen von Einnahme und Ausgabe richtig sind, wird sich der Betriebskoëfizient des Jahres 1893/94 auf rund 6009/6 ermäßigen ; wix find also in zwei Jahren von 65,44 auf rund 60% herunter- gekommen; also das Verhältniß der Ausgaben zu den Einnahmen ist um 5 9/9 günstiger geworden. Der Betriebsübershuß, welher 1891/92 317 844 000 MÆ, 1892/93 339 844 000 Æ betrug, verspriht 1893/94 auf rund 378 Millionen zu steigen. Meine Herren, die finanzielle Lage der Eisenbahnverwaltung is daher wohl unzweifelhaft eine günstigere geworden, und ich darf die Hoffnung ausfprechen, daß, wenn nicht unvorhergesehene Ereignisse auf Einnahmen und Ausgaben einen ungünstigen Einfluß ausüben, wir auch im Jahre 1894/95, dessen Etats wir heute in zweiter Lesung berathen, nicht ungünstige Erfahrungen mit der Eisenbahnverroaltung machen werden. (Bravo!)

Auf die Ausführungen des Herrn Berichterstatters möchte ih nur in cinem einzigen Punkte zurückommen. Das betrifft nämlich die von der Budgetkommission angeregte und befürwortete Einreihung der Etats der Gasanstalten und der Werkstätten in den Haupt-Etat. Meine Herren, es find fofort. in dieser Beziehung die erforderlihen Ermittelungen und Erörterungen mit den betheiligten Ressorts, also namentlich dem Herrn Finanz-Minister und der Königlichen Ober- Rechnungskammer eingeleitet, und das Ergebniß dieser Erörterungen läßt mit ziemlicher Sicherheit erwarten, daß im nächsten Etat {hon Ihrem Wunsche entsprohen werden kann. (Bravo!)

Bei den Einnahmen aus dem Personen- und Gepäckverkehr nahm nach den Abgg. Graf von Kan (kons.) und von Brand (kons.) (siehe den Anfangsbericht in der Freitags-Nummer d. Bl.) das Wort der

Abg. Broemel (fr. Vgg.): Mich wundert, daß Graf Kaniß nicht den Antrag gestellt hat, alle Tarifermäßigungen abzuschaffen. Denn nur ein Beschluß des Hauses würde eine Wirkung haben, nicht die Bitte eines einzelnen Abgeordneten. Was die Wirkung der gesammten Kultur- entwickelung ist, führt Graf Kaniß auf die Perfonentarife allein zurück. Eine solche Auffassung kann nur bei der einen Partei herrshen (Widerspruch des Abg. von Schalscha), bei der Partei der agrarischen, wirthshaftlihen Reaktion. Ich wäre neugierig, ob der Minister auch das Wort, daß wir im Jahrhundert des Verkehrs leben, für einen Grundirrthum hält. Nah dem Grafen Kaniß wäre es umso besser mit dem Lande bestellt, je weniger Verkehr herrsht. Gerade auf dem Gebiet des Wohnungswesens in Berlin ist von der Eisenbahnverwaltung früher viel gesündigt worden, weil die Möglichkeit fehlte, die Arbeiter in den Vororten esunder als in den engen Quartieren der Stadt unterzubringen. Die Entleerung der Miethskasernen dur Ansiedelung der Arbeiter in den Vororten ist ein sozialer Fortschritt, den die Eisenbahnen fördern müssen. Je mehr es gelingt, eine große Zahl Bewohner in die Vororte zu bringen, desto mehr vermindert sich die Nachfrage nach Wohnungen und dadur werden die Miethen in Berlin ver- hältnißmäßig herabgedrückt. Es ist zweifelhaft, ob die Tarife aus- reichen, um eine solche Entwickelung zu fördern. Das zeigt nament- lich die Entwickelung der Berlin zunächst gelegenen Vororte, wie Friedenau 2c. Die erste Zone des Nahverkehrs, die jeßt 73 km beträgt, sollte erweitert werden, damit die Möglichkeit wächst, die Arbeiter ansässig zu machen. Die Einführung des Zonentarifs im Nahverkehr war eine Großthat, und die Regierung sollte auf diesem Wege zum Heil der Bevölkerung fortfahren. Die Tarife im Berliner Vorortverkehr entsprehen den Selbstkosten der Eisenbahnen und bringen der Staatskasse Vortheil. Nicht bloß die Arbeiter, sondern alle Bevölkerungsklassen haben ein Interesse an dem erleichterten Verkehr. Die Mittheilungen des Ministers „haben gezeigt, daß der Pessimismus, der in früheren Jahren in Bezug auf die Eisenbahneinnahmen herrshte, unberehtigt war. Redner weist darauf hin, daß der Reichstag die Einnahmen aus den Reichs-Eisenbahnen der Wirklichkeit entsprehend erhöht habe, und beantragt, die Einnahmen aus dem - Personenverkehr um 2300 000 4 zu erhöhen. Von Reformen, fährt Redner fort, hat man bei der jeßigen Verwaltung nichts bemerkt; nit einmal die zehntägigen Rückfahrkarten, die man in Süddeutschland jeßt auf eigene Faust eingeführt hat, will man in Preußen einführen. Eine Neuerung is nur das System der Plaßkarten, durch welches 13 Millionen Mark Mehreinnahmen erzielt werden. Wer eine Fahr- karte gekauft hat, dem muß doch ein Plaß gegeben werden. ozu noch der Zuschlag, der für kurze Strecken ebenso hoch is, wie für lange Strecken? Ueber diese indirekte Tariferhöhung beshweren sich namentlich die nahe aneinanderliegenden Stationen, Daß die Reisenden ih einen besonderen Play ausfuchen können, gilt nur für die Kopfstationen, niht für die Zwischenstationen. Die Reisenden werden an ihren Plaß gefesselt und können niht einmal tauschen. Selbst die E sind bei dem starken Schütteln der Wagen nicht besonders günstige. Jedenfalls sollte man dieses System, dur welhes das System der Nückfahrtkarten durchbrochen wird, nicht weiter ausdehnen.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren, ‘gestatten Sie mir, daß ich auf die einzelnen An- führungen zunähst des Herrn Abg. Broemel antworte und zwar der Einfachheit halber rückwärts schreite, also zunächst mit den Harmonika- zügen anfange.

Meine Herren, über die Harmonikazüge is bereits im vorigen Jahre hier ausführlich ungefähr denselben Einwendungen gegenüber gesprochen worden; ih kann mich daher in dieser Beziehung wohl kurz fassen.

Der Hauptvorzug der sogenannten Harmonikazüge oder, wie sie amtlich heißen, D-Züge Durchgangszüge, so stehen sie auch im Kursbuche besteht darin, daß diese Züge zusammengeseßt sind aus Wagen, die vermöge ihrer Bauart eine viel größere Sicherheit und eine viel größere Bequemlichkeit während der Fahrt bieten. Ich will von den Einrichtungen der Wagen im Innern nicht reden, nur von der äußeren Bauart. Ieder, der mit diesen Zügen gefahren ift, muß dies bestätigen; wenn Herr Broemel dies niht gefunden hat, so liegt das wohl nur daran, daß er nur zweimal mit diesen Zügen ge- fahren ist (Heiterkeit); wäre er zwanzigmal mit den Zügen gefahren, so bin ih davon überzeugt, er würde begeisterter Anhänger dieser Züge sein. Die Züge carakterisieren \sich ihrer ganzen Einrichtung, ihrer Bauart nach als Luxuszüge; sie bieten besondere Bequemlichkeiten, die {hon von mir hervorgehobene sanftere Gangart; sie bieten ferner die Annehmlichkeit, daß man nit auf das Abtheil allein angewiesen is, sondern daß man bei längeren Fahrten, für welche diese Züge allein bestimmt sind, auch mal den Platz verlassen, dur den Zug gehen, sich seine Mitmenschen ansehen kann, furzum, man ist nicht so fixiert, wie das bisher in den Wagen mit Abtheilungen der Fall gewesen ist. Man kann ferner und darauf legt weitaus der größte Theil der Reisenden do ein er- heblihes Gewicht auch seinen Bedürfnissen an Speise und Trank, die bekanntlih auf der Reise stärker fih geltend machen (Heiterkeit), Befriedigung verschaffen, und ih meine, daß die Einrichtungen, die in dieser Beziehung getroffen sind, namentlich au die Sorgfalt, die wir der Auswahl der Wirthe zugewendet haben, die berechtigten Ansprüche der Reisenden wohl befriedigen werden Ausnahmen natürlicherweise immer abgerechnet. Jedes Ding hat aber bekanntlih seine zwei Seiten. Es finden ih ja auch den Vortheilen gegenüber Nachtheile ; einzelne von denen, die der Herr Abg. Broemel angegeben hat, will ih von vornherein gerne anerkennen. Aber in der Hauptsache ist es ein außerordentlicher Fortschritt, ein Fortschritt, den zu thun wir seit Jahren angeregt worden sind. In allen Verkehrszeitschriften, in allen tehnishen Kreisen ist uns stets gesagt worden: fahrt do mal nach Amerika und seht Euch an, wie dort die Reisenden befördert werden, und davon lernet!! Nun, meine Herren, wir haben die amerikanishen Einrichtungen an Ort und Stelle studieren lassen und das, was für uns paßte, gern angenommen. Daß unsere Wagen in den D-Zügen vor den amerikanischen manche Vorzüge haben, wird felbst von den Amerikanern anerkannt. Die Einführung derselben bedeutet unzweifelhaft einen Fortschritt für die Beförderung der Reisenden auf den preußischen Staatsbahnen.

Meine Herren, der . Charakter diefer Züge als Lurxuszüge für den großen durhgehenden Verkehr rechtfertigt es auch meines Erachtens vollständig, einen Zuschlag zu erheben. Wenn der Herr Abg. Broemel seine Reisen mal - ins Ausland erstreck1, dann werden ihm ganz andere Zuschläge abgefordert werden als die geringen 2 4, die dies\feits verlangt werden. Es kann ja in Frage kommen, ob es nit in der Zukunft gerechtfertigt ift, die fleinen Distanzen einigermaßen durch eine Herabseßung der Taxen zu begünstigen; das kann überlegt werden. Allein, meine Herren, wir wollen erst die Erfahrungen sammeln, und dazu ift der Zeitpunkt seit der Einführung der sogenannten Harmonikazüge noch etwas kurz. Daß wir die Sache forgfältig beobachten und, wenn die Nothwendigkeit si herausstellt, auch dazu übergehen werden, das versteht fich von selbst ; dazu sind wir verpflichtet. Wir haben auch diese Uebelstände zum theil dadurch zu beseitigen gesucht, daß anstatt der D.-Züge für die benachtheiligten Verbindungen neue Lokal-Züge eingelegt worden sind. Das wäre das Thema: Harmonikazüge und Plaßtkarten.

Ich wende mich nun zu der Gültigkeitsdauer der Rückfahrkartén. Der Herr Abg. Broemel hat sehr bedauert, daß die preußische Staatseisenbahnverwaltung dieser nach seiner Meinung segensreichen Reform der süddeutshen Verwaltungen fich niht angeschlossen hat, und nicht dadurh im Deutschen Reich eine Einheit her- gestellt worden ist, die in den allgemeinen Grundzügen von mir ja auch als durhaus wünschenswerth erahtet wird. Jch habe bei jeder Gelegenheit, wo über die Reform der Personen- und Gepätarife geredet ist, es als das Ziel bezeihnet, welhes man an- zustreben hätte, daß innerhalb des Deutschen Reichs einheitliche Grundsäße und einheitlihe Taxen für den Personen- und Gepäck- verkehr eingeführt werden. Aber, meine Herren, das enthebt mich doch nit der Verpflichtung, nun Reformen, die ein anderer ausführt auch von meinem Standpunkte und unter Berücksichtigung unserer Verhältnisse zu prüfen, und diese Prüfung ergab, daß die Reform in Bezug auf die Gültigkeitsdauer der Rülkfahrkarten für unsere Ver- hältnisse nicht als zweckmäßig anzusehen fei.

Meine Herren, zu welhen Bedenken diese Reform auch in Süd- deutshland Veranlassung giebt, mögen Sie mir gestatten Jhnen aus einer Mittheilung des „Staats-Anzeigers für Württemberg" vor- zulesen.

In letzer Zeit sind wiederholt Fälle einer betrügerischen Be- nußung von Fahrkarten auf den württembergishen Staatsbahnen vorgekommen, die gérihtlißes Einschreiten und gerihtlihe Ver- urtheilung zur Folge hatten. Diese Vorkommnisse in Verbindung mit der Wahrnehmung, daß die Aufforderungen der Schaffner zur Vorzeigung der Fahrtausweise und zur Abgabe der Karten nah Ab- lauf der Gültigkeit bezw. bei Beendigung der Fahrt niht durchaus das wünschenswerthe Entgegenkommen beim Publikum finden, weisen die Eisenbahnverwaltung darauf hin, eine \{chärfere Kontrole hinsicht-