1894 / 84 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 10 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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stimmen: ih halte aber seine Vortheile für so groß, daß dieser cine Mun lt nit entscheidend sein kann, und rede daher der Ab- ehnung nicht das Wort. Ich bitte aber dic Regierung energisch und dringend, im Interesse der Beseitigung dieses Mißstandes die Diplo- matie in Bewegung zu seßen und event. die Kündigungsklausel in An- wendung zu bringen. j j l

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.) bestreitet, daß hier mit Recht von einer concurrence déloyale gesprochen werden fann; au das Anstandsgefühl könne man nicht ohne weiteres hier gegen die Schweiz ins Feld führen. / e /

Abg. Dr. eta (nl.) bleibt bei seiner Auffassung stehen und giebt der Besorgniß Ausdruck, daß die Darlegung des Abg. Frei- herrn von Stumm die Schweiz nicht gerade nahgiebiger gegen die berehtigten Interessen der deutshen Industrie stimmen werde.

Abg. Dr. Bachem (Zentr.): Die schweizerischen ZOA haben deutsche, zum theil unter grobe Kosten gemachte Crfindungen einfa nachgeahmt und die deutshen Erfinder damit aufs stärkste be- nachtheiligt. Dieses Verfahren ist unfair, und eine Gefeßgebung, die es gestattet, muß reformiert werden. Wir hoffen, daß die diplomatischen Bemühungen in dieser Hinsicht ihre Wirkung nicht versagen werden.

Abg. Frhr. von Stumm (Rp.) bemerkt, daß es doch früher auch in Deutschland erlaubt gewesen sei, die Patente fremder Länder

8zunußen. i A . s E Dr. Müller --Sagan (fr. Volksp.) tritt dieser Ausführung entgegen. Es fei zwar unter einem shlehten Patentgeseß solches möglih gewesen, außerdem aber _komme doch au der Unterschied zwischen Geseß und Recht sehr wesentlich in Betracht. i

Darauf wird die Vorlage unverändert angenommen ; die dazu eingegangenen Petitionen werden dnr diesen Beschluß für erledigt erachtet. /

Die Novelle zum Gesetz, betreffend die Abwehr und Unter- drücckung von Viehseuchen ist von der VIII. Kommission vorberathen worden. : : is

In § 4 des Gesetzes foll cine Erweiterung der Befugnisse des Reichskanzlers dahin aufgenommen werden, daß derselbe, wenn eine Seuche in einem für den inländishen Viebstand bedrohlichen Umfange auftritt, die Negierungen der betheiligten Bundesstaaten zur An- ordnung und einheitlichen Durchführung der nah Maßgabe dieses Gesetzes erforderlichen Abwehrmaßregeln zu veranlassen hat.

Jn der Debatte, an welcher sh die Abgg. Graf zu Jnn- und Knyphausen (dkons.), Stephan - Beuthen (Zentr.), Dr. Mül er-Sagan (fr. Volksp.) betheiligen, wird die Frage erörtert, ob nicht diese Befugniß des Reichskanzlers zu weit in das selbständige Verfügungsreht der Einzelstaaten eingreift. Auf die Frage, wie weit überhaupt eine Sperre zur Verhinderung der Einschleppung von Seuchen wirksam sein kann, erwidert der : i E

Negierungskommissar, Geheime Regierungs-Rath“ im Reichsamt des Innern Hauß, daß in den leßten 25 Jahren günstige Erfolge thatsächlich erzielt worden sind. So sei es gelungen, 20 Jahre lang die Rinderpest von Deutschland abzuhalten. Natürlich sei die Sache sehr s{hwierig. Von der Verschärfung der Sperrmaßregeln im Sinne des beantragten Zusaßes dürfe man sih gleichfalls einen erheblihen Erfolg versprechen. An Stelle der Grenzsperren Land- Quarantäneanstalten zu errihten, würde niht rathsam sein; man müßte solcher Anstalten eine ganze Anzahl einrichten und es fei die Besorgniß nicht abzuweisen, daß dieselben sid) gerade zu Seuchenherden ausbilden würden, von denen die Scuchen strahlenförmig ins Land getragen werden würden. E i /

Abg. Gröber (Zentr.) bekämpft die neue Bestimmung mit ver- fassungsmäßigen Bedenken. Die Verfassung Üüberweise dem Neichs- fanzler nur die Beaufsichtigung der betreffenden Gebiete der Geseß- gebung, davon seien aber direkte Anordnungen des Reichskanzlers doch etwas Verschiedenes. Das Zentrum werde aus diesem Grunde gegen den Zusaß stimmen. E

Abg. Müller verweist demgegenüber darauf, daß nah dem Wortlaut der Bestimmung der Kanzler die Einzelregierungen zu An- ordnungen veranlassen solle. : i

8 4 wird in der neuen Fassung gegen die Stimmen Des

Dentrums angenommen. 9 Die in L 17 vorgeschriebene Beaufsichtigung aller Pferde- und Viehmärkte dur beamtete Thierärzte soll nah der Novelle ausgedehnt werden auf Gastställe, Schlachthäuser und Ställe von Viehhändlern. i y

Abg. Dr. Boeckel (d. Refp.) befürwortet einen Antrag, der dem Viehhändler die regelmäßige Führung eines Buches über sämmtliche einzelne Stücke seines Bestandes vorschreiben will. Der Antrag foll mit dazu helfen, dem zum überwiegenden Theile unehrlich betriebenen Viehhandel stärker zu Leibe zu gehen und dem Thierarzt die Kontrole zu erleichtern. Die Kontrole des Viehhändlers könne nicht scharf genug wahrgenommen werden. :

Abg. Dr. Kruse (nl.) bittet, diesen Antrag wegen der damit verbundenen Ershwerung des Handels und wegen der Schwierigkeiten der Durchführung abzulehnen. : e

Abg. Birk (Soz.) macht darauf aufmerksam, daß die öffent- lichen S@ladithäuser doch bereits unter thierärztliher Aufsicht stehen und also eine nochmalige Stellung derselben unter thierärztliche Aufsicht widersinnig sei. Er beantragt eine entsprehende Aenderung des Textes in § 17.

Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von Heyden:

Fhre Kommission hat bei diesem Paragraphen cine Abänderung an der Vorlage der verbündeten Regierungen gemacht, und zwar inso- fern, als, während in der Vorlage der verbündeten Regierungen nur die Möglichkeit eröffnet werden sollte, auch die Schlachthäufer unter thierärztlihe Kontrole zu stellen, die Vorlage der Kommission positiv bestimmt, daß alle öffentlihen Schlachthäufer dur beamtete Thier- ärzte beaufsichtigt werden müßten. Nun is} seitens des Herrn Abg. Dr. Kruse die Frage aufgeworfen, ob die genügende Anzahl beamteter Thierärzte vorhanden sein wird. Ich glaube diese Frage unbedingt bejahen zu können; denn wenn auch bestimmt wird, daß alle ôffent- lihen Schlahhthäuser beaufsichtigt werden sollen, so erfordert das noch nicht, daß zu jeder Tages- und Nachtzeit ein beamteter Thierarzt an- wesend sein muß. | |

Von anderer Seite ist gewünsht, man möchte dies wieder ab- schwächen, und nicht alle Schlachthäuser von beamteten Thierärzten beaufsihtigen lassen, namentlih die Schlachthäuser nit, welche {on unter kommunaler thierärztliher Aufsicht stehen. Jch muß das dem hohen Hause anheimstellen. Die verbündeten Regierungen wollten nur die Möglichkeit schaffen, alle Schlachthäufer unter Auf- sicht stellen zu können. Ihre Kommission hat es für nothwendig ge- halten, alle öffentlichen Schlahthäuser beaufsihtigen zu lassen; vom Standpunkt der verbündeten Regierungen kann an sih hiergegen kein Bedenken vorliegen.

Der Antrag Boeckel wird abgelehnt, die Kommissions- fassung angenommen. l

8 18 des Gesetzes soll dahin abgeändert werden, daß auch schon vor der ens des Ausbruches einer Seuche durch den beamteten Thierarzt die Veterinärpolizei zur Anordnung allgemeiner Schußgmaßregeln berechtigt sein soll. :

Abg. Birk (Soz.) hält diese Bestimmung für unzureichend ; es müsse etwas Durchgreifendes geschehen. Gin wirksamer Schuß gegen Biehseuchengefahr werde dur dieses Geseß gar nicht (rreicht, weil die

kranken Vieh kommen, die Seuche aber inzwischen no stark um sih gegriffen hat. Außerdem sind dic Thierärzte für den kleinen Mann viel zu fostspielig. In Oberbayern hat man vielfach aus der Gemeinde einen Mann angestellt, der auf die erste Anzeige vom Vorkommen eines Krankheitsfalles die Ställe sofort desinfiziert und die Anzeige an den Bürgermeister erstattet. Zu den Polizeiorganen, denen man diese Dinge überlassen wolle, habe der kleine Landmann fein Vertrauen. Zur dritten Lesung wird Redner einen bezüglichen Antrag stellen. Art. 2 bis 5 werden darauf unverändert nah den Kom-

missionsvorschlägen angenommen. A / Art. g! Ti besondere Bestimmungen für die Magul- und Klauenseuche. Es soll ein neuer § 44a eingeschaltet werden, welcher in seinem ersten Absaß nach festgestelltem Aus- bruch der Seuche die Polizei ermächtigt, die Impfung aller Thiere auf demselben Gehöft oder auf derselben Weide an- zuordnen. Ferner soll das Weggeben von Milch aus einem Seuchengehöft oder einer der Sperre unterworfenen Feldmark oder Orlschaft verboten oder an die Bedingung geknüpft werden können, daß die Milh vorher abgekoht wird. Das Weg- geben ungekochter Milh aus Sammelmolkereien soll nah dem dritten Absay ebenfalls für die n der Seuchen- gefahr verboten werden können. Für die Zwangsimpfung hat die Kommission sich einstimmig ausgesprochen; heute indeß beantragt die Mehrheit der Kommissionsmitglieder die Streichung des ersten Absatzes unter Berufung auf die zweifelhaften Er- fahrungen, welche mit der Zwangsimpfung gemacht worden sind. Die Abgg. Dr. Kruse (nl), Dr. Stephan -Beuthen (Zentr.), von Kardorff (Rp.) und Birk (Soz.) befürworten diefen Antrag. Es wird demgemäß beschlossen, der Rest der Vorlage jedoch in der Fassung der Kommissionsbeschlüsse angenommen. Die Kommission beantragt ferner folgende Resolution: An die verbündeten Regierungen das dringende Ersuchen zu richten:

1) In Betreff der Einshleppung von Viehseuchen aus dem Auslande, E der N und Klauenseuche, die allerstrengsten Maßregeln zu ergreifen, und zwar: |

en die Strb, in denen die veterinär-polizeilihen Maß- regeln genügende Garantie für die Seuchenfreiheit nicht geben, vollständige dauernde Grenzsperre einzurihten, :

b. gegen die übrigen Länder die Grenzsperre so lange fest- zustellen, bis der Gesundheitszustand der Thiere daselbst in aus- reihendert Weise als gesichert ersheint, soweit die Befugniß hierzu nicht dur besondere Vereinbarungen beschränkt ift, :

c. die Einfuhr von ausländishem Schlachtvieh nur nach jenen Schlachtviehhöfen zu gestatten, an denen Einrichtungen zur voll- ständig getrennten Ausladung, Aufstellung und Abschlachtung des-

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selben getroffen sind, und zwar nur unter Bedingung sofortiger Abschlachtung ; S .

9) zu veranlassen, daß in Bezug auf die Tilgung der Maul- und Klauenseuhe im Inlande dur Instruktion feitens des Bundesraths bestimmt werde, daß : S

a. im Falle größerer Ausdehnung der Senche die Desinfektions- maßregeln sofort in Vollzug geseßt werden, L :

insbesondere b. Vorschriften erlassen werden, daß die Thier- ärzte, welhe einen Seuchenstall besucht haben, bevor sie andere Gehöfte oder Ställe betreten, durch Desinfektion die Uebertragung der Seuche durch ihre Person verhindern.

Abg. Birk (Soz.) führt Klage über die bei Vichverladung vor- fommenden abscheulihen Mißhandlungen des Viehes. :

Abg. von Kardorff (Np.) bestreitet dies und empfiehlt die Annahme der Resolution. Die Durchführung der vorgeschlagenen d würde manche Fehler der leßten Zeit endlih wieder gut machen.

Königlich preußisher Bevollmächtigter zum Bundesrath, Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von Heyden:

Meine Herren! Ih will die Diskussion über die Resolution nicht zu sehr verlängern, aber die leßten Worte des Herrn von Kar- dorf nöthigen mich doch zu einigen Bemerkungen. Herr von Kardorff hob hervor, daß die Maul- und Klauenseuche und die zeitweise steigende Verbreitung derselben bei uns in einem unverkennbaren Zu- sammenhang mit ihrem Auftreten in den österreichishen und den russishen Gebieten gestanden hat, und {hob die gesteigerte Verbreitung der Maul- und Klauenseuhe bei uns auf die Lockerung - der Einfuhrverbote, welhe seit dem Jahre 1891 bei uns stattgefunden habe. Ich nehme an, daß er auf die Vieh- seuchenkonvention abzielt, die mit Desterreich abgeschlossen ift, während von anderer Seite immer auf das Iahr 1890 deshalb befonders Gewicht gelegt worden ist, weil in diesem Jahre der Herr Neichs- kanzler Graf von Caprivi durch die Gestattung der Einfuhr aus Oesterreich die früheren Bestimmungen gelocktert habe.

Um zunächst hierbei zu bleiben, bemerke ih, daß im Deutschen Reich seit dem Jahre 1875 die Maul- und Klauenseuche überhaupt nur in einem einzigen Quartal nit geherrscht hat. Wenn nun auch zuzugeben is , daß sie vielleiht erstmalig aus dem Osten ein- geführt if, oder aus Oesterreih über Bayern, so ist jedenfalls seit 1875 der Stand der Maul- und Klauenseuche bei uns derartig gewesen, daß jeder neue stärkere Ausbruch bei uns sih auf ganz natür- lichem Wege aus unseren eigenen Verhältnissen erklären läßt. Es ist richtig, daß in der Begründung zum Viehbseuchengeseß steht, daß die Maul- und Klauenseuche fortgeseßt aus dem Osten eingeführt werde. Das hat aber nicht durch den Import in die Schlachthäusern statt- gefunden, sondern überhaupt durch den dauernden Verkehr; sie wird meiner Ueberzeugung nah weit mehr durch Menschen vershleppt, als durch Vich. -

Nun aber zur Thatsache der Einfuhr-Erleihterung! Gegen Oester- reih wurde 1889 bekanntlich ein Einfuhrverbot für alles Vieh er- lassen; aber schon vierzehn Tage oder vier Wochen später, {hon im August 1889 erfolgte die erste Wiederzulassung aus Oesterreich, und es folgten in demselben Jahre noch weitere Zulafsungea; also nicht erst im März 1890. Im übrigen ist infolge der Viehseuchenkonvention mit Oesterrei in den bestehenden Zuständen bisher absolut nichts geändert worden. Wir hatten, sobald die Konvention am 1. Februar 1893 in Kraft trat, Fälle von Einschleppung aus Oesterreich in unsere Laudeêtheile konstatiert und deshalb ist sofort von neuem die Einfuhr verboten. Vielleicht sind über Sachsen und Bayern, welche nicht gleichzeitig mit Preußen die Bekanntmachung erließen, einige Tranéporte hineingekommen. Im übrigen ist bis jeyt durch den Ab- {luß der Konvention nichts geändert worden, und die Lockerung, die gegenüber Oesterreih-Ungarn bereits früher stattgefunden hat, ist lediglich die, daß in die Schlachthäufer bei uns die Schlachtthiere in geschlossenen Wagen eingeführt werden können. Das ist geblieben und auch erweitert worden. Es ist mögli, daß damit in die Shlachthäuser selber die Seuche eingeführt wurde, und wenn von dem Herrn Referenten angeführt worden ist, daß im Vichhof in Berlin die Maul- und Klauenseuche verbreitet worden sei, so ist das rihtig, das is vorgekommen; aber wir wollen nicht vergessen zu fragen, ob hier in Berlin die Maul- und Klauenseuche gerade immer aus dem

die Zahlen und Thatsachen vergegenwärtigen, wie oft die Seuche aug dem Inland auf den Berliner Viehhof gekommen ift, so werden Sie zu dem Schluß kommen, daß wir die Seuchenvershleppung von dem Berliner Viehhof zu verhüten suhen müssen, gleichviel, ob fie aus dem Ausland oder Inland dorthin eingeschleppt ist.

Abg. Gescher (dkons.) tritt nachdrücklich für die Resolution ein: Ihre A e einen allgemeinen langjährigen Wuns der niederrheinischen Viehzüchter erfüllen, die fest davon überzeugt scien, daß die Maul- und Klauenseuhe bei ihnen aus Holland eingeshleppt ift.

Königlich preußisher Bevollmächtigter zum Bundesrath, Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten v on Heyden: ;

Meine Herren! Nach dem soeben Gehörten muß es beinahe den Eindruck machen, als ob wir überhaupt gar keine Sperre gegen das Ausland hätten, wenigstens nicht eine genügende. Thatsächlich ift das Verhältniß gerade umgekehrt. Jh glaube, wenn der Herr Vorrcdner einmal perlustriert, wie weit die Grenzen gesperrt sind, wird er zu der Ueberzeugung kommen, daß, abgesehen von der Einfuhr in Schlachthäuser, die Sperre eine ziemli vollständige ist. Die Frage der Sperrung der Grenzen ist ja bisher und bis das jeßt berathene Gesetz verabschiedet ift, niht so sehr Neichssache wie Landesfache, und deshalb antworte ich noch mit einigen Worten auf die von dem Herrn Vorredner wie auch von dem Herrn Grafen von Knyphausen zur Sprache gebrachte Einfuhr von Vieh aus den Niederlanden. Jh habe den Eindruck, daß bei der Art und Weise, wie die Frage be- handelt wird, der veterinärpolizeilihe Standpunkt zurückgetreten ist hinter dem Wunsche, das niederländishe Vieh von der Konkurrenz mit deutschem fern zu halten. Außer der Landwirthschaft. am Nieder- rhein und dem betheiligten Theil der Provinz Hannover giebt es auß noch andere landwirthschaftlihe Distrikte. Der ganze Import aus den Niederlanden besteht aus Zuchtvieh; auf das dringende Verlangen anderer Landestheile ift die Einfuhr von Zuchtviehmaterial aus den Niederlanden troß der veterinärpolizeilihen Bedenken unter Kautelen zugelassen.

Wenn es nun nach der Diskussion hier im Reichstag den Anschein hat, als wenn unsere Landwirthschast den Wunsch hätte, derartige Ausnahmen zu Gunsten unserer Züchter und der Verbesserung unserer Nindviehbestände niht eintreten zu sehen, so kann allerdings, wenn h keine Stimmen dafür erheben, dies Votum auf die Regierung bei späteren Erwägungen einen gewissen Einfluß haben. Zur Zeit kann ich nur wiederholen, ist die Zulassung auf das dringendste Verlangen landwirth\scaftliher Kreise erfolgt, und, meine Herren, wie id betone, bewiesen ist mir nit, auch von den Herren nicht, die gesprochen haben, daß dur die Zulassung dieses niederländishen Zuchtviehs bei uns ein Seuchenausbruh stattgefunden habe; ih glaube auch nit, daß der Nachweis geführt werden kann.

Abg. Dr. Müller -Sagan (fr. Volksp.) bestreitet, daß cine wirksame Sperre überhaupt durchzuführen sei. Mit dem Erlaß einer Sperrverfügung werde zwar der ordnungsmäßige Import unterbunden, aber niht der Schhmuggel.

Abg. Gescher (dkons.) bleibt dem preußishen Landwirthschaftê- Minister von Heyden gegenüber dabei, daß die Maul-. und Klauen!euche einges{leppt sei, wenn das auch im einzelnen niht mehr ‘zu konstatieren sei. Wenn die Seuche im Lande sei, sei die Grenzsperre jedenfalls eine sehr nüßlihe Maßregel. Daß die Einfuhr von Vieh aus Holland hauptsächlich zu Zuchtzwecken erfolge, müsse er auf das entschiedenste in Abrede stellen. Aber auch für die Zuchtthiere müsse eine strenge Quarantäne gefordert werden, Die Furht vor Zunahme des Schmuggels dürfe nicht zu einer Unterlassung der Grenzsperre führen.

Königlich preußisher Bevollmächtigter zum Bundesrath, Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von HOEYDEN :

Meine Herren! Mit der letzten Ausführung des Herrn Vor- redners, daß man auch die Interessen der Fleishkonsumenten am besten dur den Schutz unserer Viehbestände sichere, kann ih mich vollständig einverstanden erklären. Aber ih möchte der Meinung, die mir bei ihm entgegengetreten zu sein scheint, entgegentreten, als ob ich an sih die Sperrung der Grenzen gegen ausländishes Vieh niht als bestes Mittel für die Verhinderung von Seucheneinshleppung bereitwilligs anerkenne. Gewiß thue ih das und ebenso die verbündeten Negie- rungen. Die Sperre is eine der wesentlihsten Grundlagen unserer ganzen Seuchengeseßgebung. Demgemäß sind und werden Einfuhr- verbote bei gegebener Gelegenheit ausgesprochen und sind an unseren Grenzen in Kraft. Ich habe mir erlaubt, vorhin auszuführen, daß gerade die Ausnahme, welhe gegen Holland eingeführt ist, von uns eingeführt ward auf spezielles Verlangen unserer eigenen Landwirthe. Wenn der Herr Vorredner gesagt hat, daß nah seinen Erfahrungen aus Holland nicht bloß ein Import zu Zuchtzwecken sondern au Schlachtzwecken stattfinde, so hat er vielleiht seine Erfahrungen und Wahrnehmungen in einem früheren hinter uns liegenden Zeitraum gemacht.

Wir haben neuerdings die Einfuhr von Zuchtvich, die früher für jedermann freigegeben war, auf den Import durch landwirth- schaftliche Vereine und Genossenschaften beschränkt. Findet bei dieser be- \chränkten Einfuhr noch ein Mißbrauch statt und kommt er zu meiner Kenntniß, dann bin ih von meinem Standpunkt vollständig kereit, in weitere Erwägungen einzutreten und Maßregeln in Aussicht zu nehmen, welche fichern, daß ein derartiger Mißbrauch nicht stattfinde! Man kann dann die Frage diékutieren, ob die Einfuhr auf Jungvieb zu beschränken sein wird. Solange man jedo die Interessen unsere Landwirthschaft durch Zulassung des Imports von Zuchtvieh fördern will, is es nicht nothwendig, derartige immer weitergehende Ve- \{ränkungen eintreten zu lassen, bis die Nothwendigkeit hervortrit!

infolge stattgehabten Mißbrauchs. i

Nachdem noch die Abgg. ron P O Hilper! (b. k. Fr.) und Bantleon (nl.) für die esolution plädier! haben, wird dieselbe angenommen. E E

Die Petition des deutschen Veterinärraths, für die Vol bildung der Thierärzte allgemein das Abiturientenexamen vol ushreiben, und diejenige des Vorstandes des Vereins de! {hleswig-holsteinischen Thierärzte, daß der Reichstag eine fir lehnende Stellung zu dem Antrage Preußens, die Reife b die Prima einer Ober-Realschule unter gewissen Vorausseßung als genügend zu erklären, annehmen" möge, sollen nah #/ Kommissionsantrag den verbündeten Regierungen zuk t, wägung mit dem Bemerken überwiesen werden, daß der Nel e tag die Erwartung ausspriht, daß die Anforderungen an Vorbildung der Thierärzte nicht herabgeseßt werden. 1

Ueber diesen Antrag wird die Beschlußfassung noch d

eseßt. h Schluß 51/4 Uhr.

Thierärzte durhscnittlich erst 2—3 Tage nah der Meldung zu dem

Ausland hereingekommen is oder aus dem Inland? Wenn Sie sih

“tarife für Salze von Magdeburg nah Böhmen eingeführt worden

„nehmen müßte. Amerika stehe in dieser Beziehung den deutschen

, empfiehlt bei durchgehenden Transporten eine einheitlihe Abferti-

i muß vielmehr, gleihwie der Herr Vorredner, den Wunsch haben,

‘nit zur Befriedigung wenigstens nur sehr selten lokaler

Zweite Veilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger. M 84.

Berlin, Dienstag, den 10. Ayril

1894,

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Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 44. Sizung vom 9. April 1894. Im weiteren Verlauf der zweiten Berathung des Etats der Staats - Eisenbahnverwaltung, und zwar des weiten Titels der Einnahmen: aus dem Güterverkehr 659 700 000 6 und dem dazu von dem Abg. Gothein (fr. Vg.) eingebrachten Antrage (s. den Anfangsberiht in der Montags- nummer d. Bl.), nahm nach dem Abg. Dr. Lotichius (nl.) das Wort der , __ Abg. Bueck (nl.): Die Frage der Staffeltarife ist nah den leßten Verhandlungen eine sehr prekäre; meine Partei hat keine Ge- legenheit gehabt, sich damit zu befassen und wird daher kaum in der Lage sein, auf diesen Antrag einzugehen. Ermäßigungen der Tarife, ‘welhe mit Einnahmeverminderungen verbunden sind, sind nah der Auslafsung des Finanz-Ministers nicht zu erwarten; er hat aber diesen Ausspruch eingeschränkt dahin, daß Ermäßigungen zugelassen werden können, wenn dadur andere Interessen gefördert werden. Eine solche Ermäßigung erwartet die Steinkohlenindustrie {hon lange; 1889 hat auch Herr von Maybach eine solche Tarifermäßigung für Kohlen und Koks {on dem Landes-Cisenbahnrath empfohlen. In guten Zeiten ist die Eisenbahnverwaltung aber darauf niht eingegangen und in {lehten Zeiten erst recht niht, obgleih gerade da die Grmäßigung der Industrie zu gute gekommen wäre. Zu den gewünschten Aus- nahmetarifen gehört auh derjenige, von welhem der Vorredner sprach. Die Regierung hält sich an den Wortlaut, daß der erwähnte Tarif gelten foll für Erze von der Fundstätte bis zur Hochofen- station; deshalb wird die Umschlagsstation Dberlahnstein niht mit diesem Tarif bedaht. Wegen eines Frachtausfalls von 50- bis 60 000 M geshicht das wohl nit, sondern wohl nur zum Schuß der Werke an der Dill, Sieg und Lahn, welche ein gewaltiges Ueber- gewicht hatten in der Reinheit ihrer Erze. Diese Verhältnisse haben sich gründlih geändert. Man kann jeßt am besten die Erze ver- wenden, welche fih dur ihren Phosphorgehalt für das Thomas-Ver- fahren eignen. Dadurch sind die Werke an der Dill, Sieg und Lahn benachtheiligt. Aber diesen Nachtheil kann man nicht beseitigen durh eine Benachtheiligung der anderen Werke NRheinlands und Westfalens. L Geheimer Ober-Regierungs-Rath Hoeter erkennt an, daß der Bezug von Minette-Erzen aus Luxemburg abgenommen habe. Aber ein Zusammenhang mit dem Tarif bestehe nit, denn die Wasser- fraht sei dieselbe wie früher. Es müsse also in den Preisverhält- nissen der Erze der Grund liegen. Den Werken am Niederrhein würde die Ermäßigung des Auénahmetarifs nicht genügen ; sie müßte mindestens das Doppelte der jeßigen Ermäßigung betragen. Fis- falishe Erwägungen seien dabei ganz aus dem Spiel geblieben ; lediglich wirthschastlihe Erwägungen seien maßgebend gewesen. Gegen den Ausnahmetarif seien {on mancherlei Klagen wegen begünstigter Konkurrenz erhoben worden, die sih mit weiterer Herabseßung des- selben natürli} vermehren würden.

N Auf eine Anregung des Abg. Dr. Friedberg (nl.) erklärt Geheimer Ober-Regierungs-Rath Ulrich, daß die Ausnahme-

seien, weil die Elbe zeitweise für die Transporte niht ausreichenden Wasserstand gehabt habe. Eine Konkurrenzmaßregel gegenüber der Elbschiffahrt fei damit nicht beabfichtigt.

Abg. von Mendel-Stein fels (kons.) bedauert, daß Deutsch- land in Bezug auf den Viehtransport nicht die Stellung einnehme, die es mit Nücksiht auf seine Viehzuht und ihre Bedeutung ein-

Eisenbahnen weit voran und habe den geringsten Gewichtsverlust beim Viehtransport, troßdem unsere Eisenbahnen wesentlihe Ver- besserungen in den leßten Jahren eingeführt hätten in Bezug auf Schuß gegen die Sonne, auf Tränken des Viehs 2x. Redner

gung, auch wenn der Transport durh den Bezirk mehrerer Direk- tionen geht. Als besonders nothwendig bezeihnet er aber eine gründ- lihe Desinfektion der Viehwagen, da schon vielfach Vieh auf dem Tranêport angesteckt worden sei. Auf den Antrag Gothein könne man wohl jeßt nicht eingehen, weil er so umfassend sei, daß fih seine Tragweite nicht übersehen lasse. Der Antragsteller sei niht Autorität enug, als daß man daraufhin den Antrag ohne weiteres gutheißen önnte. Der Eisenbahnverkehr fei niht das Mittel, der Landwirth- {aft zu helfen ; ihr fehle es auf anderen Gebieten. Redner {ließt sich den Ausführungen des Grafen Kaniß an. Die Landwirthschaft leide an Arbeitermangel wegen der zunehmenden Genußsucht der Arbeiter ; sie werde börsenmäßig behandelt wie die Aktiengesellschaften und sei abhängig von Wind und Wetter, während die Industrie bei ungünstigen Konjunkturen ihren Betrieb einstellen könne. "Der Land- wirth müsse aber seinen Boden beackern, weil dieser sont verunkraute. Der Landwirth würde sein Bodenkapital gern vertauschen mit dem Industriekapital, wenn er es nur könnte.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen: Meine Herren! Auch die Staatsregierung ist nicht in der Lage, ¿zu dem Antrag Gothein eine Erklärung abgeben zu können. Sie

daß das hohe Haus über den Antrag Gothein heute zur Tagesordnung übergeht.

Meine Herren, die Stellung, welche die Staatsregierung zu der Reform der Gütertarife einnimmt, ist bereits in der leßten Sitzung von dem Herrn Finanz-Minister dargelegt worden. Der Herr Finanz- Minister hat bereits ausgeführt, daß ein Fortschreiten in der Reform der Gütertarife wirthschaftlich nothwendig, aber in größerem Umfange finanziell erst dann durchführbar werden würde, wenn die Finanzlage des Staats sih wieder günstiger gestalte. Meine Herren, es ist ja durhaus nicht zu verkennen, daß auch in Betreff der Gütertarife eine Bunt- heckigkeit Plaß gegriffen hat, welhe demnächst zu beseitigen durchaus wünschenswerth ist. Aber diese Buntscheckigkeit hat doch weitaus niht den Nachtheil bezüglich der Gütertarife, den sie bezüglich der Personentarife hat. (Abg. Broemel : hört! hört!) Es ist dies auh bereits, Herr Abg. Broemel, hier im Hause anerkannt worden. (Sehr richtig!) Insbesondere is der Umstand, daß der Gütertarif êine große Zahl von Ausnahmetarifen enthält, nicht als ein Uebel, fondern meines Erachtens als Zeichen zu betraten, daß man mit der Entwickelung der Verkehrsbedürfnisse auch in der Ausgestaltung der Tarife fortgeschritten is. (Sehr richtig!) Die Ausnahmetarife sind

Interessen gebildet worden, sondern weitaus in den meisten Fällen ¿ur Befriedigung allgemeiner Interessen. Die Ausnahmetarife sind gebildet zur Förderung der gewerblichen oder landwirthschaftlichen Produktion, zur Förderung des Absatzes einheimisher Produkte in den

besonders bemerkenswerthem Grade zur Erleichterung der Ausfuhr deutscher Erzeugnisse ins Ausland; sie sind ferner gebildet worden zur Unterstüßung der deutshen Handelspläße, namentlich der deutschen Seehäfen der Nord- und Ostsceküste gegen den Wettbewerb fremder Pläße; sie sind endlich gebildet worden zur Hebung der Rente der in heimischen Verkehrsanstalten angelegten Kapitalien, insbesondere also auch zur Erhöhung der Einnahmen der preußishen Staatseisen- bahnen.

Meine Herren, wenn wir heute mit einem Shwamm über die sämmtlihen Ausnahmetarife wegwishen würden und in einer wohl- durhdachten allgemeinen Reform einheitlihe Gütertarife herstellen würden, so würden wir morgen doch wieder damit beginnen müssen, Ausnahmetarife einzuführen. (Sehr richtig!) Wenn wir das nicht thäten, so würde unser ganzes Verkehrswesen in Stagnation gerathen zum großen Nachtheil unserer wirthschaftlihen Verhältnisse. Meine Herren, die Staatsregierung steht auh, wie das wiederholentlih ja bereits aus- gesprochen worden ist, heute noch auf dem Standpunkt, daß das System der Staffeltarife, d. h. die Bildung der Tarife mit fallender Skala nah Maßgabe der weiteren Entfernung wirthschaftliß und finanziell ein durhaus berechtigtes ist, und sie ist auch durchaus nicht willens, dieses Tarifsystem darum für die Dauer fallen zu lassen, weil sie aus Gründen, die ih hier niht zu wiederholen brauche, weil sie jedermann bekannt sind, seiner Zeit sih in die Lage verseßt sah, die Staffeltarife vom 1. September 1891 für Getreide und Mühlenfabri- kate zum 1. August d. J. wieder aufzuheben. Die Staatsregierung ist der Meinung, daß bei jeder sih als nothwendig zeigenden Tarif- änderung au in Zukunft die Frage wird erörtert werden müssen, ob diese Tarifermäßigung in Form der Staffeltarife gemacht ! werden kann, oder ob die wirthschaftlihen Verhältnisse es räthlih erscheinen lassen, von der Staffelung abzusehen und gleihförmige Kilometer- Tarife einzuführen.

Meine Herren, ih meine, die heutige Erörterung müßte bei jedem Mitglied dieses hohen Hauses die Ueberzeugung hervorgerufen haben, daß, wenn jedes Ding in der Welt seine zwei Seiten hat, doch bei jeder Aenderung von Gütertarifen dies in ganz besonderer Weise zutrifft (Nuf! drei und vier!) ja, auch drei und vier Seiten. Jede Tarifveränderung, fei es eine Tariferhöhung oder eine Tarifermäßigung, verschiebt die Produktionsbedingungen. Wir haben heute plädieren hören gegen Tariferhöhungen sowohl wie gegen Tarifermäßigungen, und so wird es auch immer sein. Die shwierigste Frage, die wohl gestellt werden kann, ist die: welche Wir- kungen wird eine Veränderung der Gütertarife auf die Verhältuisse der betreffenden Wirthschaftszweige ausüben ?

Meine Herren, so dankbar die Staatsregierung jederzeit i und sein muß für die Anregungen, die ihr in Bezug auf die Ausgestaltung der Gütertarife zu theil werden, sei es in diesem hohen Hause oder dem Herrenhause, sei es in den Beiräthen, die der Staatsbahnver- waltung durch das Geseß zur Seite gestellt worden sind, sei es in den Erörterungen der Presse oder einzelner Interessenten: so entheben alle diese Unterstüßungen die Staatsregierung doch niht der Pflicht, ihrerseits mit fritischem unparteiishem Blick diejenigen Gründe zu prüfen, die angeführt werden für ein Bedürfniß der Umgestaltung, und diejenigen Wirkungen festzustellen, welche die etwa ausgeführte Umgestaltung wirthschaftlich und finanziell zur Folge haben wird. Die Staatsregierung darf, wie ih glaube, ohne Ucberhebung geltend machen, daß sie in keinem einzigen Falle und, wenn er anscheinend noch fo unerheblih war, ohne eingehende Prüfung der Tarife zu einer Umgestaltung derselben sich entschlossen hat, und fie gedenkt fo au in Zukunft zu verfahren. Meine Herren, schon aus diesem Grunde würde es heute für die Staatsregierung ganz un- möglich sein, irgendwie Stellung zu dem Antrag Gothein einzu- nehmen, und ich bitte Sie daher, über denselben zur Tagesordnung überzugehen.

Meine Herren, ich möchte mir dann noch gestatten, auf einzelne Dinge zurückzukommen aus den Ausführungen der Herren Vorredner, und zunächst meinen Dank aussprehen dem Herrn Abg. von Mendel für die Anerkennung, die er der Staatseisenbahnverwaltung dahin gezollt hat, daß bereits namhafte Fortschritte in Bezug auf den Viehtrans- port auf den Staatsbahnen eingeführt worden sind. Die Staats- eisenbahnverwaltung hat \sich für die Viehtransporte stets ganz be- sonders interessiert: einmal aus dem Grunde, weil die Trans- porte sehr lohnend sind, ferner aus dem Grunde, weil diese Transporte für die Landwirthschaft wie für die Ernäh- rung unserer Bevölkerung ja von ganz erhebliher Bedeutung sind, und drittens weil es Pflicht der Staats-Eisenbahnverwaltung ist, Ke Viehtransporte so auszuführen, daß eine Verbreitung von Viehseuchen mögli verhütet und dem Wohlbefinden des Viehs während des- Transports möglichste Berücksichtigung zu theil wird. Wir sind stets in Verbindung geblieben mit denjenigen Stellen, die uns mit Nath und That in Bezug auf die zweckmäßige Aus- führung der Viehtransporte an die Hand gehen konnten. Die Anschauungen haben indessen auch bei diesen Instanzen im Laufe der Zeit sehr gewechselt. Wir haben die verschiedensten Einrichtungen \chon getroffen, um den Wünschen der Landwirthschaft und des Vieh- handels nachzukommen. Es sind Versuche gemaht worden, in den Wagen selbst das Vieh zu füttern und zu tränken. Diese Versuche haben sh im allgemeinen niht bewährt. Die Einrichtungen, die in der Beziehung getroffen worden sind, haben zum großen Theil wieder entfernt werden müssen.

Wir wurden von sachverständiger Seite darauf aufmerksam ge- macht, daß das Vieh überhaupt während des Transports nicht säuft, und die Beobachtungen, die wir dieser befremdlihen Behauptung gegenüber gemaht haben, scheinen dies zu bestätigen. Ich unterwerfe mi natürliherweise, da ih als Sachverständiger niht gelten kann, der viel sachverständigeren Erfahrung der Herren Landwirthe.

Was die Desinfektion anbetrifft, so ist bekannt, daß die Des- infektionsvorschriften seitens des Reichs erlassen sind. Das Reich wacht mit außerordentliher Schärfe über die Ausführung der Des-

durh fremde Konkurrenz bedrohten Bezirken des Inlandes, sowie in

wird, greift sofort das Reichs-Eisenbahnamt ein, und es wird insorg- fältigster Weise der Schuldige ermittelt und es erfolgt die Be- strafung des Schuldigen seitens der Eisenbahnverwaltung mit unnachsichtliher Härte. Aber längst sind wir dahin gekommen, daß die Detiufektion an und für sih sehr wenig bedeutet in der Beziehung stimme ih mit dem Herrn Vorredner überein —, sondern daß die gründliche Reinigung die Hauptsache ist. Das bischen Karbol thut es nicht, aber das warme Wasser oder die heißen Dämpfe, die thun es, wenn sie richtig angewendet werden, wenn damit in den Rißen und Ecken gründlich vorgegangen wird. An allen wichtigeren Stationen für den Viehtransport besteht die Kontrole durch einen Vieharzt, und sie wird au scharf gehandhabt. Sie besteht aber niht bloß für Reinigung und Desinfektion der Wagen, sondern sie besteht au für die Reinigung und Desinfektion der Rampen und aller Geräthe, die beim Vieh- transport gebrauht werden. Soweit ih unterrichtet bin, finden zur Zeit Verhandlungen unter den Behörden des Reichs statt über weitere Maßregeln, und es is ja auch in der leßten Sitzung darauf hingewiesen, daß sih empfehlen möchte, die Desinfektion nicht allein auf die Wagen, sondern auch auf die Begleiter des Viehs zu erstrecken.

Es ist ferner der Wunsch ausgedrückt worden, daß beim Rangieren mit etwas größerer Nücksiht auf die Viehwagen verfahren werden könnte. Ich gebe darin dem Herrn Vorredner vollkommen Recht, in der Beziehung wird unzweifelhaft noch viel gefehlt; ih bin sehr gern bereit, die mir unterstellten Behörden speziell darauf hinzuweisen, daß in der Beziehung mit größerer Sorgfalt und Aufmerksamkeit der NRangierdienst vollzogen wird.

4 Die direkte Expedition besteht bereits. Es sind Vorschriften er- lassen, wonach die Viehwagen direkt erpediert werden können von der Anfangs- bis zur Verladungsstation, soweit das überhaupt eisenbahn- tehnisch möglich is. Auch werden die Gitter, von denen der Herr Vorredner spra, und die namentlich im Sommer durchaus noth- wendig sind, um dem Vieh frische Luft zuzuführen, {hon jeßt von den Entladestationen wieder zur Absendestation zurückgeführt.

Bezüglih der Beleuchtungsfrage muß ih mich zu- nächst allerdings noch ffkeptisch verhalten. Ich glaube nit, daß es von großem Werth sein möhte, wenn wir die Viehwagen auch noch mit Beleuchtungseinrichtungen versehen; es würde das aus Betriebsrücksichten sehr \{chwierig sein; denn wir können unmögli alle Wagen nur für die Viehtransporte einrihten, es müssen in diesen Wagen auch andere Güter befördert werden, für deren Verladung die Beleuchtungseinrichtung hinderlich jein würde.

Aber im großen Ganzen ist die Staats-Ei¡enbahnverwaltung sehr geneigt, diesem Zweig ihres Betriebes die größte Aufmerksamkeit zuzUs- wenden, und insbesondere bei nahgewiesenem Bedürfniß der Herstellung besonderer Viehzüge und dem Zusammens{chluß derselben für längere Routen noch eine größere Ausdehnung zu geben, als das bisher der Fall gewesen ift.

Abg. Seer (nl.) bittet den Minister, die Verfrachtung von Vieh

niht nach Waggonladungen, sondern nah Gewicht in Betracht zu ziehen. Auf den Antrag Gothein will Redner nicht eingehen. f

_ Abg. Dr. Gerlich (fr. kons.) erflärt das leßtere ebenfalls namens feiner Parteigenossen und fragt, weshalb denn die Staffeltarife hätten aufgehoben werden müssen. Wie könne Bayern die Aufhebung der Staffeltarife verlangen, während es felbst seine Durchgangstarife für österreichisches Getreide habe? Die Landwirthschaft werde durch diese Aufhebung geschädigt, das werde auh der Minister bald durch die Abnahme des Verkehrs spüren. Redner bittet den Minister, die Wiedereinführung der Staffeltarife in Betracht zu ziehen.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Ich möchte gegenüber den Ausführungen des Herrn Abg. Gerlich doch darauf hinweisen, daß die Aufhebung der Staffeltarife im wesent- lichen erfolgt ist, weil der Osten, von dem der Herr Abg. Gerlih ge- sprohen hat, bereits bei Berlin anfängt und nicht etwa an der preußishen Grenze von Bayern. Der Herr Abg. Dr. Gerlih wird sich doch. wohl erinnern all? der Erörterungen, die nit nur hier im Hause, sondern im ganzen Lande, in der Presse und Versamm- lungen stattgefunden haben, die dahin gingen, daß unsere eigenen mittleren Provinzen, Brandenburg, Sachsen, Hannover, Westfalen, Hessen-Nassau, Rheinprovinz, behauptet haben, die Staffel- tarife shädigen ihre Landwirthschaft. Daß sie ihre Industrie nit schädigen, das war ja ganz klar; die Industrie kann \ih nur freuen, wenn die Getreidepreise heruntergehen, aber sie behaupteten direkt, sie schädigen ihre Landwirthschaft.

Meine Herren, ziffermäßig zu beweisen war das nicht, im Gegentheil, die ziffermäßige Kontrole, die wir auf das sorgfältigste ausgeübt haben, ließe eher das Gegentheil entnehmen. Aber, meine Herren, das müssen wir doch anerkennen, daß die wirth\{chaftlichßen Wirkungen eines derartigen Tarifs sich niht bloß in den Ziffern der Statistik darstellen, sondern daß es außer ziffermäßigen nahweisbaren Verschiebungen doch noch manche andere giebt, die sich nit ziffermäßig darstellen lassen. Auch nur so ist es erklärlih, daß ganz übereinstimmend westliÞ von Berlin sich die Landwirthschaft gegen die Staffeltarife erklärt; nur so ist es erklärlih, daß behauptet wird, die Staffeltarife hätten niht nur die Produktionsverhältnisse der verschiedenen Landestheile gegen einander verschoben, fondern hätten auf die Preisbildung des Getreides in den belastenden Gegenden ungünstig beeinflußt. Jch bin der festen Ueberzeugung und stimme mit dem wahren Worte, welches der Herr Abg. von Mendel vorhin ausgesprochen hat, vollkommen überein: die Hoffnungen, die man auf den Staffeltarif geseßt hat, sind vielleicht übertrieben gewesen, aber die Befürhtung und Be- forgniß, die man gegen ihn gehegt und ausgesprochen hat, sind noch viel mehr übertrieben. Aber unter diesen Umständen, und da, wie ih doch wohl sagen kann, der überwiegende Theil des eigenen Landes gegen den Staffeltarif \sich gewendet hat, und bei dem Umstand, daß auch in den mittleren, südlihen und westli@en Bundesstaaten, nicht bloß in Bayern, man die Aufhebung des Staffel tarifes dringend befürwortete, blieb der Staatsregierung doch nichts

infektion; sowie. ein Fall der Uebertretung dieser Vorschriften gemeldet

Anderes übrig, als den seitens des Landtags in drei verschiedenen