1894 / 85 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 11 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

E E L SeE ci i

A D E S 7 E

Rai P g i e E S O S a

E I E U

E PS

_ Ich bin zwar nit in der Lage, irgend welhen Termin zu bezeichnen,

Ausschüssen des Bundesraths in erster Berathung gefördert worden, die zweite Ausschußberathung steht bevor, und sowie diese zweite Ausshußberathung beendet sein wird, werden die betheiligten Ausschüsse ihre Vorschläge dem Plenum des Bundesraths unterbreiten.

bis zu welchem die Vorlage au das Plenum des Bundesraths kommen wird; i bin noch weniger in der Lage, bestimmt zu bezeichnen, wann das Plenum . des Bundesraths diese Vorlage erledigt haben wird; aber jedenfalls scheint mir nah dem bisherigen Verlaufe der Dinge die Erwartung gerechtfertigt, daß der Reichstag in seiner nächsten Session mit einer Novelle zur Gewerbeordnung befaßt werden wird, welhe in der Hauptsahe auch die Aenderung der Vorschriften über das Hausiergewerbe enthalten. Meine Herren, ih möchte in Rücksicht auf diese Perspektive doch vorschlagen, den Antrag, den der Herr Abg. Gröber zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Abzahlungsgeschäfte gestellt hat, bis zu jenem Zeitpunkt hinauszu- schieben, in welhem die Novelle zur Gewerbeordnung dem Hause zu- gegangen sein wird, insofern diese Novelle niht hon eine Vorschrift enthalten sollte, welche den Anforderungen des Herrn Abg. Gröber

si nähert. __ / eine Herren, ih komme zu diesem Vorschlag wesentlich um deswillen, weil es mir doch recht zweifelhaft ist, ob hier bei diesem

Gesey eine sedes materiae angenommen werden kann. (Sehr rihtig.) Es ist ja unzweifelhaft, daß der Geseßgeber \chließlich jede Kombination vorzunehmen im stande ist und heterogene Dinge zu- sammen in ein Geseg werfen kann. Wenn aber davon gesprohen wird, daß das Hausiergewerbe gehindert werden soll, im Wege des sogenannten Abzahlungsgeschäfts Geschäfte zu machen, so scheint mir ein Zweifel darüber füglih niht erhoben werden zu können, daß die rihtige Stelle, an welcher diese geseßz- geberishe Absicht zum Ausdruck kommt, da ist, wo überhaupt über die Befugnisse und über die Modalitäten des Hausierhandels gesprochen wird und das ist die Gewerbeordnung. Es wird also im vor- liegenden Falle die beabsichtigte Novelle zur Gewerbeordnung sein, wo man diesen Gegenstand zweckmäßig behandelt.

Meine Herren, ih komme noh aus einem anderen Grunde zu der Ueberzeugung, daß es gerathen ist, den Gröber’shen Antrag nicht jeßt hier zu erledigen. Der Abg. Gröber selber is früher der Auffassung gewesen, daß die Gewerbeordnungs-Novelle der richtige Ort fei; er selber hat in dem Ihnen vorliegenden Antrag auf Nr. 15 der Druck- fachen der gegenwärtigen Session auch diese Materie in den Kreis seiner Erwägung gezogen und hat da freilich in einer, wie mir scheint, zweifelsfreieren und unanfehtbareren Form, als es gegen- wärtig in dem Antrag auf Nr. 288 geschehen is, den Vor- {lag gemacht, daß man dem Hausiergewerbe verbiete, im Wege des Abzahlungsgeshäfts Verkäufe vorzunehmen. Auch die Kommission, die im vorigen Jahre den Entwurf des Gesetzes über die Abzahlungsgeschäfte ihrer Berathung unterzogen hat, is von der gleihen Auffassung geleitet gewesen. Ich weiß zwar nicht, ob überhaupt innerhalb der Kommission ein besonderer Beschluß hierüber gefaßt ist; aber der Gegenstand ist da zur Sprache gekommen, und man hat der Anregung, im Geseß- entrourf über die Abzahlungsgeschäste diese Frage zu regeln, keine Folge gegeben, weil man eben zu der Ueberzeugung kam: der richtige Ort ist die Novelle zur Gewerbeordnung.

Nun aber materiell angesehen, s{heint mir auch eine ganz zwingende Veranlassung dafür vorzuliegen, daß man die Sache nicht jeßt hier kurzer Hand erledigt. Denn darüber, ob es gerathen ift, dem Hausierhandel zu verbieten, daß er im Wege des Abzahlungs- geschäfts Verkäufe macht, sind die Meinungen außerordentlich getheilt das werden die folgenden Redner wohl bestätigen. Wenn man si einmal auf den Standpunkt stellt, daß das Abzahlungsgeschäft an sih ein wirthschaftlich nüßlihes Geschäft ist, dann scheint mir eine zwingende Veranlassung dafür nicht vorzuliegen, daß man nun einem Kreise von Gewerbtreibenden, die auch in durchaus legitimer Weise ihr Gewerbe treiben, die Wahl diefes Modus versagen will, nicht etwa bloß, weil man damit das Interesse dieser Gewerbtreibenden beeinträchtigt, sondern vielmehr aus der Rücksicht, weil man das Snteresse desjenigen Publikums, für welches inan das Ab- zahlungêgeshäft als ein wirthshaftlich nüßliches Institut erachtet, beeinträchtigt. Weshalb \oll man der Landbevölkerung die Benußung dieses Geshäftsmodus zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse vorenthalten, während die \tädtishe Bevölkerung diesen Modus in der bequemsten Weise benußen kann? Jedenfalls ist die Materie eine solche, daß sie nah allen Richtungen hin einer gründlißen Erwägung bedarf; und ih zweifle sehr, ob in diesem Moment das Haus in der Lage fein wird, nah allen Seiten die Sache so zu vertiefen, daß ein zutreffender und förderliher Beschluß herauskommt. Also empfehle ih mit Rü- sicht auf die für die nähste Session des Reichstags voraus\ichtli in Aussicht stehende Gewerbeordnungs-Novelle, gegenwärtig die Berathung des Antrags Gröber bis zum Eingang dieser Novelle hinaus- zuschieben.

Abg. Dr. Hasse (nl.): Meine Partei erkennt an, daß manche Uebelstände auf diesem Gebiete vorliegen, die Abhilfe muß aber bei der Revision der Bestimmungen der Gewerbeordnung über den Hausierhandel versucht werden. Ich bedauere sehr lebhaft, daß der dazu vorliegende Initiativantrag in dieser Session niht mehr zur Verhandlung gelangen kann, weil auf diese Weise die Beunruhigung der betheili ten Kreise, O des Verlagsbuchhandels, um ein E E Dr. R (dkons.) erklärt fich unter Anschluß an die Akéfübrungen des Staatssekretärs gegen die Berathung des bean- tragten § 7a. i : l

Abg. Auer (Soz.) widerspriht ebenfalls dem Antrage Gröber. Der Effekt des Antrags würde der sein, einen Geschäftszweig, dem sich Hunderte von Leuten gewidmet und sih davon mehr oder minder ehrlih ernährt haben, einfach durch einen Beschluß abzuschneiden, ohne daß der Reichstag si in einer Kommission oder auch nur in

erstèr Ra mit der Tragweite des Antrags befaßt hätte. So ganz allgemein, wie es hingestellt war, seien die Beschwerden über das von erer betriebene Ratengeshäft nit ; man könne also wohl schon

is zum nächsten Den A wo ja das Zentrum zweifellos seinen

en werde. e Vibber (entr) sieht sih nicht veranlaßt, seinen Antrag zurückzuziehen, besteht vielmehr darauf, daß über denselben abgestimmt werde. Die Dringlichkeit des Antrages brauche gar niht weiter be-

iesen zu werden. : , M E Dr. Enneccerus (nl.): Unter den Antrag Gröber würde auch der Massenabsay der Konversationslexika und ähnlicher wissen- chaftlicher Werke fallen. Dieser Umstand ¿allein beweist s{chon, daß I Antrag ohne weiteres gar niht angenommen werden I

Abg. Lenzmann (fr. Volkép.): Wenn wir boshaft wären, würden wir für den Antrag stimmen, weil seine Annahme die Genehmigung der Vorlage den verbündeten Regierungen sicherlich unmögli machen würde. Wir sind aber niht so boëhaft und stimmen

Abg. von Kardorff (Rp.), der mit dem Antrage, namentlich

soweit E auf den Kolportagebuhhandel bezieht, \ympathisiert,

ersucht gleihwohl den Antragsteller, ihn für jeßt zurückzuziehen, da - ohnedies das Eich thatsächlih in eine Kommission gehen müßte und

dann für diese Session wahrscheinlih verloren wäre.

bg. Hilpert (b. k. F.) bittet um Annahme des Antrags.

Der Antrag § 7a wird abgelehnt. ;

Nach einem Antrage des Abg. H ofmann- Dillenburg (nl.) soll ein besonderer a aufgenommen werden, wonach für Klagen aus diesem Gese der dur die §S 13—24 der Z.-P.-O.

bestimmte Gerichtsstand ausschließlih begründet sein soll. Abg. Dr. von Dziembowski-Pomian erhebt Bedenken gegen

den Antrag. Staatssekretär Nieberding: Auch abgesehen von dem soeben vom Herrn Vorredner gerügten formellen Mangel, is es mir doch zweifelhaft, ob der Antrag nicht weiter geht, als der Antragsteller selbst beabsihtigt. Ich möchte nur das Eine fragen: will er nun au die Widerklage an dem nah seinem Antrage geseßlih gebotenen Klageort ausschließen, also deren Zulässig- keit der Wirkung seines Antrags unterstellen ? Wenn z. B. einGeschäftsmann von Berlin aus, sagen wir nah Köslin, einen Abzahlungsverkauf ab- {ließt und der Berliner Verkäufer will aus dem Geschäft den Kösliner Käufer verklagen nach diesem Antrage könnte er es nur in Köslin so würde, bleibt die Fassung des Antrags bestehen, wie sie ist, dem Kösliner Käufer die Möglichkeit benommen, vor dem Kösliner Gericht Widerklage zu erheben; denn Widerklage dort würde nur dann möglich sein, wenn es zulässig wäre, auch einen besonderen Gerichts- stand zu vereinbaren. Dies machen Sie aber mit Annahme des An- trags für den fraglihen Fall unmöglich. Es zeigt das, wie vorsichtig man mit folhen Anträgen, die eine gewisse prinzipielle Seite in sih \{chließen, sein soll. Jch bin überhaupt zweifelhaft, ob bei dem Fortschreiten der Be- rathung dieses Entwurfs im Hause die Neigung, den Käufer beim Akzahlungsgeschäft zu hüten, niht immer mehr zugenommen hat und nun weiter geht, als wirklich nöthig ist. Der Herr Antragsteller hat allerdings im allgemeinen über Uebelstände geklagt, die bei diesen Ge- \chäftsbetrieben durch vertragsmäßige Aenderung des Gerichts\tandes hervorgetreten seien. Wo sind diese Uebelstände thatsählich hervor- getreten? Ueber den Gegenstand, über den dieser Geseßentwurf sich verbreitet, wird ja nahezu vier Jahre verhandelt. Er ist bereits im vorigen Jahr im Reichstag zweimal diskutiert worden, er hat im vorigen Jahre einer ausführlihen Kommissionsberathung unterlegen, er ift gleich nach Beginn der gegenwärtigen Session wieder im Reichstag eingebracht worden, er ist nah allen Seiten in der Zwischen- zeit auch bei den verbündeten Regierungen erwogen worden, und es ift mir nicht bekannt, daß von irgend einer Seite mit {werwiegenden Gründen hervorgehoben worden wäre, daß es nöthig sei, nach der Nichtung des vorliegenden Antrags hin die Vorschriften der Zivilprozeß- ordnung einzuschränken. Jch vertrete aber die Ansicht, daß man auf diesem Gebiete niht ändern solle, wenn das Haus nicht die Ueberzeugung gewinnt, daß es dur s{chwerwiegende Uebelstände berchtigt ist, hier zu ändern. Fch weiß, daß in Oesterreih der Versuch gemacht ist, nach dieser Nichtung hin die prozessuale Zuständigkeit einzushränken, ih glaube mi aber auch zu erinnern, daß dort bei der Begründung der Vorlage thatsächlihe Mittheilungen gemaht worden sind, die es rechtfertigten, die Einshränkung vorzunehmen. Diese thatsächlichen Mittheilungen liegen uns nicht vor, und, fo lange fie niht beigebracht sind, glaube ih, handelt das Haus weise, wenn es auf die Vorlage \ih zurückzieht, so wie die verbündeteten Regierungen sie eingebracht haben. In jedem Fall, muß ich nochmals wiederholen, stehen nit nur formelle Bedenken, wie sie von dem leßten Herrn Vorredner hervor- gehoben sind, dem Antrage gegenüber, sondern es ist auch die Frage, ob der Antrag nicht in bedenklicher Weise weiter greift, als der Antrag- steller selbs es gewollt hat.

Abg. Hofmann zieht seinen Antrag zurü.

Der Rest der Vorlage wird ohne Debatte angenommen.

Schluß 53/, Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

45. Sißung vom 10. April 1894.

Im weiteren Verlauf der zweiten Berathung des Etats der Staats- Eisenbahnverwaltung (s. den Anfangs- beriht in der Dienstags-Nummer d. Bl.) nimmt zu den Ausgaben für Besoldungen das Wort der

Abg. Hammacher (nl.): Fm Reichstag sei es zur Sprache gebraht worden, daß Beamten im Hinblick auf die Einführung der Dienstalters\tufen die ihnen eigentlih zustehende Erhöhung des Ge- halts vorenthalten worden sei ; das sei eine Ungerechtigkeit gegenüber den Beamten. Redner fragt, ob bei der Eisenbahnverwaltung Aehn-

liches vorgekommen sei.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Soweit uns die Verhältnisse in der Zentralstelle bekannt sind, sind die disponibel gewordenen Gehalteverbesserungen au wirklich ausgeführt. Es sind allerdings einzelne Vakanzen in der leßten Zeit nicht beseßt worden, aber aus anderen Gründen, insbeson- dere, weil die Beseßung mit Rücksiht auf die bevorstehende Neu- organisation im gegebenen Falle niht zweckmäßig war.

Von verschiedenen Klassen von Beamten liegt eine große Anzahl von Petitionen um Aufbesserung vor; die Kom- misfion hat die meisten durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt, zu ui wird beantragt, sie der Regierung als

erweisen. pla A D, Saite (nl.) bemerkt, daß die Zahl dieser Petitionen eine größere sei als jemals, und bringt bei dieser Gelegen- heit Beschwerden darüber vor, daß die Telegraphisten in Essen bis zu 12 Stunden Dienst angehalten würden, obgleich nach einer allgemeinen Vorschrift der Dienst nur 8 Stunden dauern folle.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren, wir beschäftigen in der Staats-Eisenbahnverwaltung wenn auch nicht viele, so doch einzelne Telegraphistinnen zwar niht im äußeren Betriebsdienste; da ist es nah den Vorschriften, die vom Bundesrath erlassen worden sind, nicht möglih, wohl aber in dem Privatdepeschenverkehr, den die Staats-Eisenbahnverwaltung ja zum theil besorgt, und im Telegraphen - Bureaudienst. In früheren Zeiten war die Annahme von Telegraphistinnen mit Rücksicht auf das Vorrecht der Militäranwärter überhaupt niht möglich. Seit einigen Jahren ist aber auf Grund

Sie erden beschäftigt gegen fixierte Monatsdiäten, in Erkrankungg,

fällen werden ihnen Unterstüßungen gewährt, und sie treten ferner den

Kranken- und Arbeiterpensionskassen bei. Im großen und ganzen

wird, soviel ich annehmen darf, mit allem Wohlwollen gegen diese

Telegraphistinnen verfahren.

Ich möchte dazu bemerken, daß wir außer im Telegraphendienst

auch an den Fahrkartenshaltern weiblihe Personen beschäftigen;

namentlich auf der Stadt- und Ringbahn wird eine Anzahl weib,

liher Personen bei der Fahrkarten-Ausgabe verwendet. Für diese

trifft dasselbe zu.

Was den zweiten Punkt anbetrifft, die Regelung der Dienstdauer im Telegraphendienst, so kann ih dem Herrn Abg. Dr. Hammadher die Versicherung geben, daß meinerseits mit aller Strenge darauf ge- sehen werden wird, daß die Bestimmungen, die erlassen worden sind und die der Herr Abg: Dr. Hammacher ja vorhin angeführt hat, auch wirk, lich ausgeführt werden. Beschwerden, daß das nicht der Fall ift, sind mir allerdings niht zugegangen, ih gebe aber zu, daß, ehe ein Beamter mit einer Beschwerde an den Minister kommt, die Sache sehr arg sein muß, Ich werde aus seinen Mittheilungen Veranlassung nehmen, der Sathe näher auf den Grund zu gehen und die ausführenden Verwaltungen anzuweisen, \rrengstens sih an die Vorschriften zu halten. Diese Vor, schriften sind im allgemeinen vollständig ausreihend, die Ueberlastung im Telegraphendienst zu verhüten: auf denjenigen Stationen, wo der Dienst im allgemeinen ein leichterer, ist die Dienstdauer zwölf Stunden, einschließlich der Ruhepausen, auf den Stationen mit größerem Verkehr acht Stunden. Es soll au kein neuer Dienst nah dem Nachtdienst beginnen, wenn nicht eine aht\tündige Pause vorhergegangen ist.

Dem Herrn Abg. Dr. Hammacher bin ih sehr dankbar dafür, daß er in einigen allgemeinen Bemerkungen darauf hingewiesen hat, daß die außerordentlih große, von Jahr zu Jahr anwahsende Menge von Petitionen von Beamten nicht auf das mangelnde Interesse zurück- zuführen i, welhes die Beamten hier in diesem hoben Hause oder bei der Staatsregierung finden, sondern auf Momente, die außerhalb liegen. Es is zum theil darauf zurück- zuführen, daß in der Welt im allgemeinen die Unzufriedenheit sehr zugenommen hat und, wie Sie wissen, ja leider von sehr verschiedenen Seiten ges{chürt wird. Das Schüren der Unzufriedenheit unter den großen Korps der Eisenbahnbeamten geschieht von den verschiedensten Seiten: nach den Beobachtungen, die unsererseits gemaht worden sind, giebt es Leute, die ein Gewerbe daraus machen, Petitionen von Beamten zu entwerfen, dafür die nöthigen Unterschriften zu sammeln und daraufhin Zeitschriften zu gründen oder doch für bestehende Zeits schriften Propaganda zu machen. Das trägt alles dazu bei, die Fluth der Petitionen immer höher anwawhsen zulassen, trotz alledem, was für die Beamten seit Jahr und Tag geschehen is und fortlaufend geschieht, Meine Herren, hier im Hause brauchte ih darüber weiter keine nähere Mittheilung zu machen, aber ih halte es doch für zweckmäßig, auch dem Lande gegenüber hier in einzelnen kurzen Ziffern zu kon- statieren, was denn für die Erhöhung der Besoldungen und Löhne ge- schehen ist. Meine Herren, lassen, welhe Summen nach unseren heutigen Befoldungs- und Löhnungêsnormen mehr gezahlt werden, als wenn dieselbe Zahl an Beamten und Arbeitern nah denjenigen Normen ihr Einkommen bezöge, wäche vor zehn Jahren bestanden. Meine Herren, diese zehn Jahre sind niht etwa darum gegriffen, weil das ein besonders günstiges Resultat ergiebt ; im Gegentheil, vor zehn Jahren, also im Etatsjahr 1883/84, war schon gegen die Vergangenheit außer- ordentlich viel ges{ehen. Es war {hon eine ganze Reihe von dur greifenden Erhöhungen vorgenommen worden, abgesehen davon, daß ja mit der Verstaatlihung und mit der Anwendung der Staaté- besoldungssäße auf die Beamten der Privat-Eisenbahngesellschaften sich durhgehends ganz erheblihe Erhöhungen in den Einnahmen der Be- amten ergeben haben. Wer selbs die Verstaatlihung mitgemadt hat, weiß, zu welhen Mehrausgaben die Anwendung der Befoldungê- säße des Staats damals geführt hat.

nah dem Maßstabe festgestellt worden sind: was wird heute mehrgezahlt gegenüber den Besoldungssäßen von 1883/84? Meine Herren, das giebt eine Gesammtsumme von 45 100000

Beamte. Von diefer Summe sind entstanden 12 008 000 4 dur Aufbesserung der Normalgehälter, 519 000 4 durch Verseßung der Zugführer und Steuerleute in eine höhere Klasse des Wohnung geldzuschusses, 1655000 4 durch Vermehrung der Etatsstellen gegen gleichzeitige Verminderung der Diätare und Hilfsbeamten, 1140000 A dur den Wegfall der Wittwen- und Waisen geldbeiträge, 2347000 A durch Bewilligung von Stellen- zulagen, 753400 46 durch Verbesserung der Besoldungen de außeretatsmäßigen Beamten. Also im ganzen für die etatsmäßigen Beamten 17 655 800 (A und für die außeretatsmäßigen Beamten 753 400 A 922533 000 A dur Lohnerhöhungen für Hilfsbeamken, Diätare und Arbeiter, außerdem 4156 000 # für Wohlfahrtb cinrihtungen, namentlich durch Erhöhungen von Zuschüssen de? Staats zu den Arbeiter-Kranken- und Pensionskassen, dur Unfall versicherung und Gewährung von Unterstüßungen an Arbeiter, also rund in Summe 45 100 000

Meine Herren, wie gesagt, ih habe mi für verpflichtet eradteh diese Ziffern gegenüber der außerordentlich großen Zal vou Petitionen, welche überwiegend eine Verbesserung des Einkommen beantragen, hier anzuführen. Ich habe das nicht gethan, um damit zl beweisen, daß in Zukunft nihts mehr für die Beamten zu geschehen braule. Im Gegentheil, ih bin fest davon überzeugt, dab in der Bezichung noch manches wird l wie wir ja au von Jahr zu Jahr, ohne daß ein Jahr ausgeblic ist, darin fortgeschritten sind. Aber, meine Herren, auf eins u ih doch dabei noch ganz besonders aufmerksam machen. Jn dielf 45 100 000 ift für die höheren Beamten kein Pfennig enthalten, Das Bedürfniß, für die höheren Beamten auch zu sorgen, wird p meiner Ansicht dringend. Und wenn ih au vollständig zuge 7 muß, daß die heutige Finanzlage uns leider nicht die Mittel dai bietet, an diese Frage heranzutreten, so möchte ih doch glauben, n wenn wir wieder in bessere Verhältnisse kommen, is eine der M Pflichten der Staatsregierung wie des Landtages der Monarchie wi auch der höheren Beamten zu gedenken, innerhalb deren Kreise

; | materielle Sorge und vielfah auch die Noth nicht gering ist. O e

einer Allerhöchsten Ordre gestattet, davon Ausnahmen zu machen.

deshalb gegen den Antrag, wenn derselbe nicht zurückgezogen wird.

Angestellt als Beamte können die Telegraphistinnen nicht werden.

Abg. von Riepenhausen-Crangen (kons.) hält dies : cutaabe! für fehr bedeutend, bedauert aber, daß die Eisenbahn

ih habe eine Aufstellung machen . N

Ih komme nun zu denjenigen Ziffern, die, wie gesagt, [i

(Hört! hört!) Darunter befinden sich 17 655 800 4 für etatsmäßige [N

geschehen müss

beamten feine genügende Sonntagsruhe Hätten, -um ein ordent- lies Familienleben führen zu können. Wenn eine Umsfturzpartei bestehe, welhe ein Fünftel des ganzen deutshen Volkes umfasse, dann müsse der Staat in seinen Betrieben Familienleben, Sonntags- ruhe und Gottesfurht shüßen. : h

Abg. vom Heede (nl.) bittet um eine Erklärung, ob in den 45 Millionen auch die Ausgaben für die Vermehrung des Beamten- personals enthalten seien.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Jch kann diese Frage nur bejahen, diese 45 Millionen würden für das heute vorhandene Personal weniger bezahlt zu werden brauen, wenn die Normalsäße von 1883/84 zur Anwendung kämen.

Zu einer Petition von Eisenbahn - Wagenmeistern be-

merkt der e ss : Abg. Dr. Gerli (frkons.), daß Ai in einem Prachtbande mit Goldsnitt überreicht sei. Das lasse wohl nicht auf eine Noth-

lage der Petenten s{ließen. L Abg. Dr. Hammacher (nl.) hält einen solchen Schluß nicht für berechtigt; cher föônne man auf eine gewisse Höflichkeit gegenüber

Abgeordnetenhause \s{ließen. e Graf zu Limburg-Stirum; Daß wir förmlih mit a

prachtvoll ausgestatteten Drucksachen übershüttet werden, läßt nicht auf eine Nothlage der Eisenbahnbeamten sließen, sondern eben darauf, daß man sich an einen gewissen Petitionssturm gewöhnt hat.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Ich möchte do bitten, die etwas luxuriöse Ausstattung der Petition niht den Beamten zur Last zu legen (Heiterkeit); das ift eine Leistung des Petitionsunternehmers, der anscheinend so auf die Kosten bei dieser Sache gekommen ift, daß er si erlauben konnte, in einer etwas splendideren Weise dem hohen Hause die Petition vor- zulegen. (Hört! hört!) Die einzelnen Beamten sind daran herzlich unschuldig; sie verdienen in dieser Beziehung weder ein Lob nohch einen Tadel. (Bravo !)

N Petition von Bahnmeistern um Gehaltsaufbesserung

feht aa Sander (nl.) dem Hause und beantragt, dieselbe nicht als Material, fondern zur Berücksichtigung zu empfehlen.

‘Gegen die Stimmen der Konservaliven wird der Antrag Sander angenommen.

Zu einer Petition des Ünterstüßungsvereins der Rotten- führer in Hagen i. W., welthe beantragt, die Rottenführer zu pensionsberehtigten Beamten der Eisenbahnverwaltung zu machen, beantragt die Kommission Uebergang zur Tages- ordnung.

Abg. Stö tel (Zentr) befürwortet das Gesu der Petenten, indem er auf die Veraatwortung ‘hinweist, welche die Rottenführer zu tragen ‘hâtten.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Ja, meine Herren, ih kann nicht einsehen, warum man auch nicht einem Arbeiter eine Verantwortung übertragen darf. Auch ist die durhschnittliche Zahl derjenigen, welche den Rottenführern unter- stellt ‘werden, nicht 30 bis 40, ‘sondern 8 bis 12; auf denjenigen Strecken, wo starker Verkehr i, werden den Rottenführern [häufig noch weniger Arbeiter zugetheilt.

Die Frage, ob die Rottenführer'in die Beamtenqualitätzuübernehmen seien, ist bereits wiederholentlih erwogen worden. Bei den Reichsbahnen ist man beispiel8weise damit ‘vorgegangen, aber, soviel mir bekannt ift, sind die Erfahrungen, dée man in der Beziehung gemacht hat, gerade nicht sehr ermuthigend. Der Rottenführer ist jeßt nur erster Arbeiter; .er arbeitet mit und macht keine anderen Ansprüche als die anderen Arbeiter auch. Aus dea Mottenführern werden die Bahnwärter ent- nommen. Es i} ihnen also bei guter Leistung und Führung ein Einrücken in die Beamtenstelle niht vershlossen. Machen wir die Rottenführer aber zu Beamten, fo sind damit mannigfache Unzuträg- Tidhkeiten verknüpft; wir würden dann unsere Bahnwärter aus ihnen nur noh:in einzelnen Fällen rekruticren können. Jch kann daher hier nur wiederholt erklären, daß i die ‘Frage allerdings niht als abges{lofsen betrachte, )daß aber zur Zeit keine Gründe für mi vorliegen, dem Wunsch der Nottenführer, als Beamte übernommen zu werden, zu entsprechen.

Im übrigen werden die Petitionen, deren Zahl über 220

rage meist ohne Debatte nach den Anträgen der Kommission Criedtat. ie Ausgaben für die Besoldungen werden genehmigt.

Zu dem Titel: Unterhaltung der Bahnanlagen, erklärt der

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Wenn ich mir gestatte, zu dieser Position das Wort zu nehmen, so geschicht es, weil ih mich verpflichtet fühle, dem Hause Auskunft zu geben über die Beschaffung derjenigen Oberbau- materialien, welche für die Gestaltung des in Nede stehenden Aus- gabe-Litels ja hauptsählich durds{hlagend sind, also der Schienen und der Schwellen.

Meine Herren, es is} der Eisenbahnverwaltung gelungen, auch

sichern, welcher den Verhältnissen des Markts gegenüber als vortheil- haft für die Verwaltung angesehen werden darf. Die laufenden Verträge bezüglich der Beschaffung von Schienen stehen auf der Grund- lage eines Preises von 111 M für die Tonne. Es ift mit den deutschen Schienenwerken ein Abschluß in Ausficht genommen und wird au wohl in den nächsten Tagen definitiv zustande fommen auf der Grund- lage cines Peeises von 108 4 Die deutshen Schienenwerke haben sih bereit erklärt, zu 108 4 den Bedarf der Staats-Eisenbahn- berwaltung für die beiden nähsten Jahre zu liefern. Es ist ferner erreiht worden, daß die beutschen Schienenwerke si bereit erklärt haben, den Fortschritten dec Technik entsprechend die Festigkeit des Materials zu erhöhen. Die bisherigen Bedingungen gingen dahin, daß bei den Schienen cine absolute Festigkeit innegehalten werden mußte von 50 kg auf den Quadrat-Millimeter. Da ein großer Theil der Schienen aus dem an und für sich weiheren Thomaéstahl her- gestellt wird, fo erschien es erwünsht, die Festigkeitsgrenze zu erhöhen. Die Schienenwerke baben sich bereit erklärt, die Festigkeit von 50 kg auf 99 kg pro Quadrat-Millimeter zu erhöhen. Ferner haben die Scienenwerke es übernommen, die Schienenlänge bis zu 12 m ohne Zuschlag zu walzen, während bisher {hon von 9 m ab Zu- schläge berechnet wurden. Für den Bedarf an eisernen Schwellen ist in dem bisherigen Preise von 100 4 für die Tonne auch für bie- selbe Periode festgehalt.n worden. M nten Herren, nah meiner festen Ueberzeugung sind diese Äb- Es L für die Staats-Eifenbahnverwaltung durchaus vortheilhaft. # Ml die Frage sein, ob die Preise ebenso auch für die liefernden alzwerke vortheilhaft sind; eine Frage, die wir nit zu untersuchen, |

die sie selber zu beurtheilen haben. Allein ich möte doch darauf aufmerksam machen, daß die Beweggründe für die Shienenwerke, mit ihren Preisen um 3 M bei den Schienen herunterzugehen, im wesent- lichen auf folgende Momente zurückzuführen sein werden.

Die Schienenwerke müssen naturgemäß, ihrer Produktionsfähigkeit entsprehend, einen Theil ihrer Produkte ins Ausland abseßen; sie können das aber nur dann, wenn sie über den Inlandsbedarf für eine längere Periode feste Verträge haben, sodaß sie in der Lage sind, eine wirthschaftlihe Arbeitsdiéposition treffen zu können; sie sind nur da- durch im stande, richtig beurtheilen zu können, ob fie auswärtige Auf- träge zu übernehmen im stande sind oder nicht; und aus diesem Grunde haben die Schienenwalzwerke \ich entschlossen, einen Nachlaß an den Preisen um 3 Æ eintreten zu lassen.

Es war für die Schienenwerke auch zweitens ein Beweggrund, sich auf diese Vereinbarung einzulassen, weil sie dadur erreihten, daß der Gesammtbedarf der preußishen Staats-Eisenbahnverwaltung für die nächsten beiden Jahre unter Aus\{hluß der auswärtigen Konkurrenz dabei ihnen gesichert blieb.

Meine Herren, für jede Tonne Schienen, die die Staats-Eisen- bahnverwaltung ihrerseits bestellt, wenn sie von inländishen Werken geliefert werden, hat sie für 10 Tonnen die Fracht eingenommen. Also abgesehen von den allgemeinen wirthschaftlihen Gründen, die dafür sprechen, der einheimishen Industrie den Bedarf der Staats- Eisenbahnverwaltung zu übertragen, spriht au noch ein sehr erheb- liches fiuanzielles Interesse der Staats-Eisenbahnverwaltung dafür, mit ihren Schienen niht ins Ausland zu gehen. Dasselbe is mit den Schwellen der Fall.

Was nun das Verhältniß des Bedarfs an eisernen Schwellen zu dem Bedarf an hölzernen Schwellen betrifft, so ist in diesem hohen Hause diese Frage wiederholt in sehr ausführlicher Weise behandelt worden. Im großen und ganzen ist das Verhältniß zwischen eisernen und hölzernen Schwellen dasselbe geblieben. Nur das Verhältniß der kiefernen Schwellen zu den eihenen Schwellen is zu Gunsten der fiefernen Schwellen geändert worden, und zwar hauptsächlih darum, weil die kiefernen Schwellen in sehr großem Maße angeboten wurden, und zwar zu Preisen angeboten wurden, die außerordentli billig waren.

Ih habe es für meine Pflicht gehalten, von dieser Lage der Materialienbeschaffung dem Hause Kenntniß zu geben.

Abg. von Schalscha (Zentr.): Jn diesem Titel sind fast 3 Millionen Mark zur Unterhaltung der Bahnhofsanlagen enthalten; was nügen aber die s{hönsten Gärten, wenn die Wege zum Bahn- hofe ‘féhlen ! Redner behauptet, daß der Kreis Münsterterg einen Weg zum Bahnhof Patschkau habe bauen und unterhalten müssen, der ledigli dem Kreis Neisse zu gute komme. Alle Beschwerden hätten nihts geholfen. Nedner bittet den Minister, hier einzugreifen, zumal sonst mit der Herstellung von Wegen zu Bahnhöfen nicht so rigoros

verfahren werde. Es handele sih hier ‘viel mehr um ein nobils officium als beim GElbe-Trave-Kanal dem Auslande Lübeck gegenüber.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Jh würde mich sehr freuen, wenn ih dem Herrn Abg. von Schalscha eine freundliche Antwort geben könnte, um so mehr, nachdem derselbe in den vergangenen Tagen mi{h wirklich so liebenswürdig be- handelt hat. (Heiterkeit.) Allein zu meinem Leidwesen ist mir das niht möglih. Es scheint hier bloß ein Streit zwischen den Kreisen Neisse und Münsterberg wegen Vertheilung der Wegebaulasten vor- zuliegen; die Eisenbahnverwaltung ift dabei unbetheiligt. Ist der Kreis Münsterberg nit in der Lage, seinen Wegebauverpflichtungen nach- lommen zu können, so würde er ja vielleiht dazu eine Unterstüßung beantragen können, aber nit bei der 'Eisenbahnverwaltung, sondern bei der allgemeinen Bauverwaltung. Die Eisenbahnverwaltung hat für die Zufuhrwege zu den Bahnhöfen nur innerhalb ihres eigenen Terrains zu sorgen.

Abg. Dr. Beumer (nl.) spricht seine Befriedigung darüber aus, daß s{hwerere Schienen verwendet werden follen. Jn Bezug auf die hölzernen Schwellen habe sich herausgestellt, daß nur 16,9% der Schwellen inländischen Ursprungs und von dem Angebot von Schwellen sogar nur etwas über 39/6 deutsden Ursprungs gewesen seien. Die Interessen des Holzhandels und der Flößerei, erklärt Redner, sind auch zu berücksihtigen. Wena aber die Eisenbahnverwaltung mehr

zum eisernen Oberbau übergehen würde, so würden dadur Tausende von Arbeitern der Eisenindustrie beschäftigt, und es würden auch Er-

| sparnisse gemacht werden, weil |die eisernen Schwellen länger halten.

Wo für die eisernen Schwellen kein geeignetes Bettungsmaterial vor- handen ift, fönnte man es hinschaffen. In technishen Kreisen ist man der Meinung, daß dies ohne erheblihe Kosten möglich sein wird. Bei den Schienenlieferungen, von denen der Minister seroGen, macht die Staats-Eisenbahnvyerwaltung ein sehr gutes Ge- châft, die Schienenwerke jedenfalls niht. Die Preise werden vom Weltmarkt diktiert, und Preußen hat dabei"größere Frachten zu zahlen für ‘die Rohmaterialien, sodaß der Schutzoll dadur vollständig auf- gewogen wird. Dazu tritt die sozialpolitische Vorbelastung der deutfchen Industrie. Das belgishe Werk von John Cokerell in Seraing zahlte einen Durchschnittslohn von 845 A 40 S, ein rheinishes Werk 1148 #4 56 #4. Dazu treten in Deutschland 427/000 sozialpolitisher Leistungen, denen in Belgien nichts

für die nästen abre diese Mabaiiclien B ¡u einem Vrefe ul gegenüberstcht. Die freiwilligen Lasten für Wohlfahrtseinrihtungen

betrugen bei dem deutschen Werk 384 000 Æ, bei dem belgischen Werk 246 000 A Es ist daher begreiflih, daß die belgischen Offerten so oft die Deutschen unterbieten. Es ist erfreulich, daß die Regierung niht wieder ins Ausland gegangen ist, denn was dadur für den sogenannten Beutel der Steuerzahler gespart wird, geht bhundertfah den deutshen Arbeitern an Arbeitslohn verloren. Abg. Graf von Kaniß (konf.): Ich will aegen den Preis von 108 ¿4 pro Tonne Schienen nichts einwenden. Ich freue mich, daß den deutschen Werken ein solher Verdienst geboten wird, weil dadur auch den deut{chen Eisenbahnen die Frachten zu gute kommen. Aber dur bie Lage des Weltmarkts ist der Preis von 108 (4 nicht bedingt. Die euglishen Berichte melden cinen Preis von 82—84 #4 für die englishe Tonne. Verkäufe von preußischen Werken nah dem Ausland sind auch zu niedrigeren Preisen abgeshlossen. Die hessischen Bahnen haben im vorigen Jahre zu 98 (A abgesclossen, in Karls- rube wurden die deutshen Werke von dem belgishen Werk Coterill unterboten mit 108 4, wobei große Frachtkosten in Betracht kommen. Dem gegenüber ist der Preis von 108 4 ziemlih hoh. Die deutschen Arbeitéëlöhne Cönnten aiedriger sein; auch die Preise von Koks und Kohlen könnten billiger sein, wenn niht das Kohlensyndikat vorhanden wäre und die Produktion beschränkte. Nedner fragt, welche Werke an der Vereinbarung betheiligt seien.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Auf die leßte Frage kann ih nur mittheilen, daß an dieser Ver- einbarung sämmtliche in den Neichslanden und in Preußen gelegenen Walzwerke betheiligt sind. Die Vertheilung des Bedarfs auf die einzelnen Walzwerke geschieht durch eine Verständigung innerhalb des Walzwerkverbandes, bei der wir insofern uns eine Mitwirkung vor- behalten haben, als wir, wenn uns der Betreffende nicht paßt, in der Lage sind, die Zutheilung an ein anderés Werk zu beanspruchen.

Abg. von Buch (konf.): Fälle, wie der von Herrn von Schalscha

angeführte, fommen vielfah vor, und es würde der Billigkeit ent-

sprehen, wenn die Eisenbahnverwaltung in solgon Fällen eine Unter- fligung geridren würde, so lange nicht im Wege der Geseßgebung

vorgebeugt ift.

b von Schalscha empfiehlt nochmals die Berücksichtigung

der Beschwerde der Stadt Patschkau.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Ich bedauere, noch ein paar Worte hinzufügen zu müssen. Was

den Fall selbst anbetrifft, so ist er mir unbekannt. Es waren bisher

(Zuruf) jeßt is er mir natürlih bekannt, nah den Aeußerungen

des Herrn von Schalscha, aber bisher is er mir unbekannt gewesen

und es sind Anträge in dieser Beziehung seitens des Kreises

Münsterberg, soviel ih mich erinnere, an mich nit gestellt worden.

Nun ist der Fall, wie Herr von Buch sehr zutreffend ausgeführt hat,

ja kein vereinzelt dastehender, sondern er kommt sehr häufig vor.

Gewöhnlih und in zweckmäßiger Weise wird diese Frage bei der

landespolizeilihen Prüfung des Projekts abgemacht. (Sehr richtig!)

Dort sind die Einwendungen gegen die Wahl der für die Anlage des Bahnhofes ins Auge gefaßten Punkte vorzubringen, weil er keine

genügende Wegeverbindung hat. Wenn diese Frage auch im vor-

liegenden Falle rechtzeitig zur Sprache gebraht worden wäre, so wäre wahrscheinlich bei der landespolizeilihen Prüfung oder unmittelbar nachher die Sache vollständig zwischen den Betheiligten geordnet.

Ganz dieselbe Sachlage ereignet sihch aber niht bloß in Ver- bindung mit der Anlage von Eisenbahnen, sondern kommt auch bei dem Wegebau alle Augenblicke vor; nur ein Theil des Kreises hat ein Interesse an dem Wegebau, und troßdem müssen die anderen Theile des Kreises, die vielleicht hinterm Berge wohnen, doch für diesen Wegebau mit bezahlen. Jh glaube, daß hier nur dadurch geholfen werden kann, daß entweder rechtzeitig bei der Anlage der Eisenbahn gelegentlih der landespolizeilihen Prüfung die Sache geordnet wird, oder daß im Wege der Geseßgebung in den Bestimmungen über die Verpflichtung der Anlage von Zufuhrwegen zu den Bahnhöfen eine Aenderung getroffen wird.

Abg. Dr. Hammacher (nl.): Es liegt hier eine Lücke der Wege- baugeseßgebung vor. Die Eisenbahnverwaltung kann nicht anerkennen, daß sie hier einzutreten hat. Graf Kanitz hat von dem englischen Preise von 80 M gesprohen. Rechnet man 25 #4 Zoll und die Fracht dazu, so kommt man auf einen Preis von 108 4 Wenn Graf Kani davon gesprohen hat, die Löhne könnten niedriger sein, so muß id meine Genugthuung darüber aussprechen, daß die Löhne hoch sind. Je höher die Löhne, desto größer die Konsumtionékraft der Arbeiter, und davon hat auch die Landwirthschaft einen Vortheil.

Abg. Dr. Beumer (nl.): Graf Kaniß wirft uns die Ein- schränkung der Kohlenproduktion vor; früher hat man die Ueberpro- duktion getadelt. Es scheint also immer zu heißen: Der Jude in diesem Falle der Kohlenindustrielle wird verbrannt !

Abg. Graf Kaniß (fonf.): Von den höheren Löhnen der Industrie hat die Landwirthshft keinen Vortheil ; die Industriearbeiter nähren ih vielfah von ausländishen Nährstoffen.

Abg. Freiherr von Erffa- Wernburg (kons): In dem industriellen Sachsen war in diesem Jahre das einheimische Getreide nicht zu verkaufen.

Abg. Dr. Hammacher (nl.): Statistish steht fest, daß wir nur 9—10 9/6 unseres Getreideverbrauhs vom Auslande importieren.

Der Titel wird genehmigt und sodann die weitere Be- rathung des Etats auf Mittwoch 11 Uhr vertagt.

Statiftik und VoikS8wirthschaft.

Deutscher Innungs- und Allgemeiner deutscher : : Handwerkertag.

__In seiner gestrigen zweiten und leßten Sißung zu welcher wieder zahlreihe Reichstags- und Landtags- Abgeordnete erschienen, die auch mehrfach an der sehr lebbaften Debatte theilnahmen trat der Innungs- und Handwerkertag in die Spezialdiskussion über die Vor- schläge des preußischen Ministers für Handel und Gewerbe, betreffend die Organisation des Handwerks und die Regelung des Lehrlingswesens, ein. Der § 1 der ministeriellen Borschläge wurde in folgender von der Kommission vorgeschlagenen Fassung an- genommen: „Zur Wahrnehmung der Interessen des Kleingewerbes sind Innungen und Handwerkerkammern zu errichten. Die Abgrenzung der Bezirke der Handwerkerkammern wie der Innungen wird nah An- hörung betheiligter Gewerbetreibender von der höheren Verwaltungs- behörde bestimmt.“ Eine längere Debatte veranlaßte der § 2, der die Zuständigkeit „der Innungen betrifft. Der Kommissionsvorschla lautete: „Mit Ausnahme des Handels und der in S8 29 bis 30, 3 bis 37 der Gewerbeordnung aufgeführten Gewerbe, aber cinschließlich des Musikergewerbes, soweit es höhere künstlerische Interessen nicht verfolgt, gehören den Innungen alle Gewerbtreibenden an, welche ein Handwerk betreiben oder regelmäßig weniger als zwanzig Arbeiter beschäftigen. Durch Beschluß des Bundeëraths kann für be- stimmte Gewerbe die Beschäftigung einer höheren Zahl von Gesellen (Gehilfen) als Grenze festgeseßt werden. Fünf Fahre nah Inkrafttreten dieses Geseßes dürfen nur solhe Gewerbtreibende in die Innung aufgenommen werden, welche eine ordnungsmäßige Lehr- zeit zurückgelegt, eine Gesellen- und Meisterprüfung bestanden haben, sih im Besiße der bürgerlihen Ehrenrechte befinden, infolge gericht- licher Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen nit be- schränkt find und das 24. Lebensjahr zurückgelegt haben.“ Der usaß- antrag des Bürgermeisters Neff (St. Johann): „den Begriff „Hand- wert“ festzustellen, steht den Handwerkerkammern zu“, sowie ein An- trag des Schneidermeisters Möller (Dortmund): „Innungsmitglieder wegen Verlustes der bürgerlihen Chrenrehte nit aus der Innung auszuschließen, „sondern ihnen das Halten von Lehrlingen zu unter- fagen und das Stimmrecht zu entziehen; Innungsmitgliedern, die infolge gerihtliher Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt sind, ist das Stimmrecht zu entziehen“, gelangten zur Annahme. Feraer wurde beschlossen: „Alle diejenigen Gewerbtreibenden in die Innung aufzunehmen, die Lehrlinge auébilden können“. Sn dieser Fassung wurde der § 2 genehmigt. Die 88 3, 4 und 5 wurden nach den Vorschlägen der Kommission angenommen. Der § 6 erhielt die Fassung: „Gewerbtrcibende, welhe zum Beitritt in eine Innung nicht ver- pflichtet find, haben nah Maßgabe der in ihren Betrieben mit Neben- arbeiten beschäftigten Gesellen und Arbeitnehmern prozentualiter Beiträge an diejenige Innung zu zahlen, deren Gewerbe diese Gesellen angehören“. Die §§ 7 bis 11 wurden nah den ministeriellen Vorschlägen gut- geheißen. Zu § 12, der von den Aufgaben der Innung handelt, hatte

„die Kommission den Zusaß Leantragt: „Nothwendige Aufgabe jeder

Innung ist die Entscheidung über die zwischen den Mitgliedern der Innungen und ihren Gesellen, Gehilfen, Arbeitern entstehenden Streitigkeiten auf Grund des § 3 des Gefeßes, betreffend die Ge- werbegerihte, vom 29. Juni 1890". Der Innungs- Ausschuß zu Breslau beantragte, diesen Passus zu streichen. Der § 12 wurde sließlich nah den Vorschlägen der Kommission angenommen. Die SS 13, 14 und 15 blieben unverändert gemäß dem Vorschlage des Vinisters. § 16 erhielt folgende, von der Kommission beantragte Fassung: „Wer den felbständigen Betrieb eines Handwerks anfängt, darf den Meistertitel nur führen, wenn er eine Gesellen- und eine Meisterprüfung eines Handwerks bestanden hat. Die Meisterprüfung is vor einer Innung oder vor der für einzelne Gewerbe von der höheren Verwaltungsbehörde hierzu eingeseßten Prüfungs- kommission abzulegen. Vorsißender is im ersteren Fall ein von der ne Beauftragter. Die Prüfung darf si nur auf den tahweis der Befähigung zur selbständigen Ausführung der gewöhn-

lih vorkommenden Arbeiten des Gewerbes und auf das Vorhanden-