1894 / 88 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 14 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

10 F ' | 4 P

E E S e e A E A E O E T

S S E Ea Z G E C E S E E E E E C E E MEE E A E A E a

bin vielfach in folchen gewesen, also ist von Konkurrenz wohl nicht zu sprechen. :

Ich möchte annehmen, daß alle Klagen, die in der Petition vor- geführt sind, im großen und ganzen nicht zutreffen. In einzelnen Fällen, ja, und da wird die Militärverwaltung und der Befehlshaber selbst schon aus eigener Jnitiative und im eigenen Interesse dagegen einschreiten, wenn sich ein ganzes Musikkorps oder einzelne Militär- musiker einer unlauteren Konkurrenz \{uldig machen.

Ich muß bei dieser Gelegenheit au} noch einen Punkt zur Sprache bringen. Wenn gegen die Fahrpreisermäßigung vielfach Be- schwerden erhoben werden, so steht im Hintergrund bei vielen der Klagenden noch etwas Anderes, und das sind persönliche Kon- furrenzstreitigkeiten, die in einzelnen Garnisonorten vorkommen. Das fommt so: eine Zivilkapelle hat ein Engagement in einem Lokal und die Militärkapelle in einem anderen. In dem Lokal, wo die Zivilkapelle spielt, erzürnt fich der Kapell- meister mit dem Wirth, darüber geht das Verhältniß auseinander ; dann kommt der Wirth zum Militär-Kapellmeister, und sagt: Wollen Sie nicht bei mir spielen? Und der nimmt es leider an. Das ist meiner Ansicht nah nicht rihtig. Mir ist persönlih ein solcher Fall in einer größeren Garnison vorgekommen; da habe ich dem Musik- meister gesagt: Naum für alle hat die Erde; spielen Sie da, wo Sie bisher gespielt haben, und geben Sie dem Gastwirth, der Sie engagieren will, den guten Rath, er solle sich mit dem Zivil-Kapellmeister wieder versöhnen. Das hat einen ganz guten Erfolg gehabt. Die Leute haben sich versöhnt, und der Zivil- und der Militär-Kapellmeister sind ferner friedliÞh nebeneinander geblieben. ODergleichen Konkurrenz- streitigkeiten werden in den meisten Fällen in dieser Weise erledigt

und beigelegt. : Cs fkommt für unsere Militärmusik auch noch etwas

in Betraht. Wenn sie zurückginge, wenn wir sie reduzieren müßten, so wäre das sehr bedauerlich. Augenblilich erfreut sie sich cines ganz besonders guten Renommées nicht nur im Inlande, fondern auch im Auslande. Bei unseren Nachbarn, z. B. in der Schweiz, konzertieren unsere Musikkorps häufig, und sie drängen sih dort nicht auf, sondern sie werden gewünscht und gebeten, und ih habe nie gehört, daß über Konkurrenz gerade von dorther ge- flagt wird. Unterdrücken Sie die Reisen dorthin, indem Sie dahin wirken, daß dié Fahrpreisermäßigung ihnen genommen wird, so müßten wir auch darauf verzichten, und meiner Ansicht nach sollte es uns do werthvoll sein, wenn auch dieser Theil unserer militärischen Einrichtungen im Auslande Anerkennung findet.

Zum Schlusse also kann ih nur in Uebereinstimmung mit dem Vorschlag des Herrn Grafen von Bernstorff bitten, den Passus a des Antrags der Kommission niht anzunehmen, während in Bezug auf den Passus þ und c bei mir keine wesentlichen Bedenken vorliegen.

(Heiterkeit.)

Abg. Weber (nl.): Die Militairkonzerte erfreuen fich gerade der Beachtung und des Beifalls des Publikums au deswegen, weil die Musiker in Uniform spielen, Redner bittet, in diesein Punkte dem Kommissionsantrage zuzustimmen.

Abg. St olle (Soz.) wundert sich, daß das Interesse des steuer- zahlenden Bürgers von den bisherigen Rednern nit im geringsten wahrgenommen worden is. Wo bleibt denn der Zivilmusiker ? Weshalb soll er denn hinter dem militärischen zurüdstehen ? Der Militärmusiker habe viel mehr freie Zeit zum Ueben und könne viel eher zu einem Künstler sich ausbilden, als der mit den Sorgen des Lebens so hart kämpfende Zivilmusiker.

Königlih preußisher Bevollmächtigter zum Bundesrath, Kriegs-Minister Bronsart von Schellendorff:

Fch. will dem Herrn Abgeordneten nur Folgendes erwidern: Mir ist nicht bekannt, daß die Verwaltungsbehörden ausdrücklih angewiesen wären, einzelnen Lokalen, die Militärmusiker beschäftigen, besondere Bevorzugung zu gewähren so habe ih verstanden das is mir nicht bekannt. Er müßte mir denn die Fälle namhaft machen, dann könnte ih vielleiht Auskunft geben.

Im übrigen, was die Musik selbst anbetrifft, so sind wir von unserem Standpunkt mit dem, was sie leistet, ganz zufrieden ; die An- forderungen, die der Herr Abgeordnete an die Militärmusik stellt, sind für uns niht maßgebend. (Heiterkeit. Sehr richtig !)

Abg. Stolle (Soz.) weist auf die zahlreihen Fälle hin, wo die

Militärbehörde den Boykott über Lokale und Wirthe verhängt, bei denen oppositionelle Parteien verkehren. Diese ungleihe Behandlung Tomme bei Beurtheilung der Frage, ob der ungerehten Begünstigung der Militärmusiker vor den Zivilmusikern niht ein Ende gemacht werden müsse, auh in Frage. :

Abg. Von Stumm (Np.) empfiehlt ebenfalls den Ueber- gang zur Tagesordnung über sämmtliche Theile der Petition.

Abg. Richter (fr. Volksp.): Der preußische Kriegsminister wendet gegen die Aufhebung des Reiseprivilegiums ein, daß dann die Reisen ins Ausland den Musikern ershwert werden; werden die Musiker im Ausland so ge{äßt, wie der Kriegsminister annimmt, so wird das Ausland auch die vollen Reisekosten tragen. Es macht einen sehr eigen- thümlichen Eindruck, daß die Konservativen, die den Arbeitern die

ahrpreise erhöhen wollen, ih hier so eifrig für die Erhaltung des A O in das Zeug legen. Es handelt sih nicht um Pro- duzenten und Konsumenten, sondern um die Bevorzugung eines Kon- kurrenten vor dem andern auf Kosten der Staatskasse. Mir war bisher ganz unbekannt, daß dieses Privilegium auch Anwendung findet, wenn eine Militärperson als Privatperson ihr Gewerbe betreibt. Nachdem das zur Sprache gekommen ist, haben wir ein Recht, auf Beseitigung dieses ungerechten Privilegiums zu dringen. :

Abg. Dr. von Frege (dkons.): Es muß doch auf den Reichstag einen eigenthümlichen Eindruck machen, den Abg. Stolle hier als Vertreter der {höngeistigen und künstlerishen Bestrebungen auf dem Gebiet der Musik auftreten zu sehen. Die Militärmusiker machen den Zivilmusikern keine oder höchstens eine heilsame Konkurrenz. i

Abg. Casselmann (fr. Volksp.): Es kann doch gar nicht be- zweifelt werden, daß der Zivilmusiker in dieser Konkurrenz ganz erheb- lih benachtheiligt ist. Der Antrag der Kommission ist nur der kleinste

F Theil von dem, was die Zivilmusiker in ihrer Vorstellung uns vor- Mitogen haben und was e Reichstag annehmen muß, um diesem Mißverhältniß entgegenzutreten. :

Abe Dr. Gd oenlant (Soz.) legt den Hauptnachdruck auf die durchaus illoyale Konkurrenz, welche die Militärmusifer den Zivil- musikern machen. Gerade der Umstand, daß die Miilitärkapellen viel mehr Musiker haben, als dienstlih erforderlich sind, hat die Haupt- {huld an den Mißverhältnissen, die eingetreten sind. Die über- figen Militärmusiker verschärfen die Konkurrenz, sie arbeiten außerdem billiger, als die Zivilmusiker es können, und so werden diese in noch höherem Maße- benahtheiligt. Auch hier zeigt sich wieder, wie die erwerbenden Volkskreise dur das herrschende System zum Vortheil der herrschenden Klassen auëgebeutet werden.

Der Kommissionsanirag wird zu a. und c. angenommen, zu b. nah Probe und Gegenprobe abgelehnt. ;

Die Petition der Besißer der landwirthschaftlichen Brennereien des Kreises Geldern wegen angebliher Bevorzugung der Kartoffel- brennercien vor den kleinen Getreidebrennereien soll dur Uebergang zur Tazesordnung erledigt werden. Unter Ablehnung eines Antrags

Marcour auf Ueberweisung zur Berücksichtigung, wird der Kom-

i en. i its de Beton wan R ten nten d Lr Be verbandes zu Breslau wegen Abhilfe von Dll nen Mel: des Gastwirthsgewerbes (dur E i at G g eits ana

i i en für die Kon } y

Aen eicbéfanilér e D zu der beabsichtigten ä dnung überwiesen. ;

S liz des Snvaliditäts- und Altersversicherungs-

ihteten Petitionen werden dem Reichskanzler theils zur ae Fd der ae gene D ce A

iditäts- und Altersversicherung, Theus 2

D Ausficht stebende Nevision des Invaliditäts- und Altersversiche- i iesen. E j

N e etrend das Verbot der Vivis ektion, soll dem

Neichskanzler, zur Erwägung überwiesen werden in Bezug darauf,

inwieweit eine Abänderung des NReichs-Strafgeseßbuches eine Ver-

mehrung des Thierschußzes herbeizuführen geeignet fei.

Jn der Gesammtabstimmung wird der Geseßentwurf, be- treffend die Abzahlungsgeschäfte, nah den Beschlüssen in dritter Berathung mit großer Mehrheit angenommen.

Letter Gegenstand der Tagesordnung ist der Antrag des Abg. Grafen Kani (dkons.), betreffend den Einkauf und Verkauf des zum Verbrauch im Zollgebiet bestimmten ausländishen Getreides für Nehnung des Reichs. "

Abg. Graf Kaniß (dkons.): Die Lage der Landwirthschaft if heute so schwiecrig, wie im Jahre 1887, wo die Thronrede diese schwierige Lage und die Nothwendigkeit von Erleichterungen aus- drücklih anerkannte. Inzwischen is der Landwirthschaft eine Menge neuer Lasten auferlegt, so diejenige des Invaliditätêgeseßes. (Zuruf links: Grundsteuererlaß !) Der Grundsteuererlaß erreicht in Ost- preußen kaum die Beträge, welche der landwirthschaftlichen Berufs- genossenschaft bezahlt werden müssen. Wenn die Preife der landwirth- schaftlichen Produkte fallen, muß die Lage der Landwirthschaft fih immer mehr vers{hlechtern. In den P en zeigen sich die land- wirthschaftlichen Mißstände am allershärfsten. Bei Berathung des russishen Handelsvertrags habe ih ausgeführt, daß dort alljährlich eine Bodenfläche zur Subhastation gelangt, 10 oder 20 mal so groß als in den westlichen Provinzen. Seit einiger Zeit stehen freilih für ganz Deutsch» land und darüber hinaus die Getreidepreise unter den Produktions- kosten. Die Verschuldungsstatistik Preußens ergiebt, daß die Ber- {huldung des ländlihen Grundbesißes zunimmt, während gleichzeitig auch der Werth des Grund und Bodens zunimmt. Muß der Land- wirth eine Reihe von Jahren feine Produkte unter den Produktions- kosten verkaufen, dann muß er den Kredit in Anspruch nehmen und ist, wenn dieser - ershöpft ist, ein ruinierter Mann. Die erwerbsfähigen Altersklassen sind prozentuell im Osten und Westen s{chwächer als in Berlin vertreten, umgekehrt [eider verhält es sich aber mit den nicht erwerbsfähigen Klassen, den Altersklassen unter 20 und über 60 Jahren. Bei so ungleiher Vertheilung der pro- duktiven Klassen auf die einzelnen Landestheile muß die Landwirth- schaft naturgemäß leiden. Die Situation steht heute noch ungünstiger als 1887, und wenn damals die Regierung Seiner Majestät es als ihre ernste Pflicht bezeichnet hat, dem Niedergange der Landwirthschaft vorzubeugen, so wird das hoffentlih auch heute geschehen. 1887 wurde das Mittel der Erhöhung der landwirthshaftlihen Schußzölle angewendet, dasselbe Mittel, welches heute wieder Frankreich, Italien und andere Länder angewendet haben. Die Erhaltung der Landwirth- haft ist gleihbedeutend mit der Erhaltung der Z: ehrkraft. Der Patriotismus in Frankreich, der die Wehrkraft gestärkt hat, ist der- selbe, der für die Erhaltung der Lebensfähigkeit der landwirthschaft- lichen Bevölkerung eintritt. Die Erhöhung der Kornzölle ift Zun bei uns niht möglich, die Zölle sind auf zehn Jahre gebunden. Ich will keine halb vernarbte Wunde D mag die Zukunft noch so trübe sein, wir behalten den Kopf oben und das Auge offen. Daß man unserem Antrage eine gewisse Bedeutung beimißt, geht aus dem Bestreben hervor, daß man das gefährlihe Ding sleunigst todtmachen will. Es wird au so kommen, aber dieses Gefecht ist nur cin Vorpostengefeht; die Entscheidung wird erst fallen in der nächsten Session. Wenn Sie den Antrag mit großer Mehrheit ablehnen, verdenke ih Ihnen das keinen Augenblick, denn in den wenigen Tagen seit seiner Vertheilung ist keiner von Ihnen im stande gewesen, sich seine ganze Tragweite zu vergegenwärtigen; oder lagen E Sen besseres Mittel vor, dann werden wir ihn zurückziehen, sonst nicht. Die Wirkung der Festseßung der vorgeschlagenen Minimalpreise wird ja zweifellos die sein, daß auch der inländische Produzent nicht unter diesem Preise abzugeben brauht. Ist es der Zweck jedes Schußzolls, den Preis einer Waare nicht unter ein gewisses Niveau herabsinken zu lassen, die Preise in der Höhe der Herstellungskosten zu erhalten, dann wird au unser Antrag als ein Mittel zur Erreichung desselben Zwecks anerkannt werden. Auch wir wollen die Preise der Zerealien in der Höhe der Produktionskosten halten, dem landwirthschaftlichen Betrieb dadurch die Sicherung geben, deren er bedarf. Die von uns vorgeschlagenen Säße sind als zu hoch angegriffen worden. Man denkt dabei immer an die Preise der Neuzeit, aber das sind eben unzulänglihe Preise, welhe als solhe der Reichstag stets anerkannt hat dur die Zollerhöhung. Die Preise der leßten 10 und 15 Jahre haben die Landwirthschaft rapide heruntergebraht, mit diesen Preisen können wir nicht “renen. Wenn wir 165 M für MNoggen vorschlagen, so ist das der Durchschnittspreis aus einer 30 jährigen Periode vor 1880. Die Berechnung nach den Produktionskosten ergab 150 46 Der Preis von 165 M. ist also nicht zu hoh. Die Sache im einzelnen zu prüfen, wird Sache der Kommissionsberathung sein. In der erwähnten früheren Periode waren die Arbeitslöhne durchweg viel niedriger als heute; die Löhne für Maurer und Zimmerleute find in Berlin seit 1880 um 80 9/6 ge- stiegen. Konnte also früher der Konsument diese Preise zahlen, fo wird er es heute ebenso und leichter und eine Benachtheiligung der Konsumenten kann nicht behauptet werden. Man wirft unseren Antrag vor, er enthalte eine sozialistische Tendenz. Ich weiß nicht warum. Geseßlihe Fixierung des Arbeitslohnes warum hat man denn dies nicht früher beantragt, wo über Eisen- oder sonstige Industriezölle verhandelt wurde? Von Unter- grabung des Getreidehandels ist au gar feine Nede. Auf dem Ge- biete des Getreidehandels würde eine Aenderung so gut wie garnicht eintreten. Ich glaube fogar, daß das Reich noch höhere Getreidepreise zahlen wird und die Händler dabei ein schr gutes Geschäft machen werden eins aber würde aufhören und das wäre ein großer Gewinn: der spekulative Terminhandel im Getreide. Die günstige Wirkung unseres Antrages auf die Reichsfinanzen ist doh klar. Ja, wo soll denn das Geld herfommen? Wir gehen jeßt wieder nah Hause und lassen die Finanzfrage ungelöst, die Finanzen in Verwir- rung und Zerrüttung zurück. Es muß doch Geld geschaft werden. Sollen die Matrikularbeiträge erhöht werden? Sollen die von der Steuer Befreiten wieder herangezogen werden? Wie wollen Sie fonft die R beseitigen ? Hoffentlich wird. sich daher der Neichê- kanzler dieser Anregung annehmen, vielleiht auch der preußische Finanz- Minister Dr. Miquel. Cs könnte doch derx Fall eintreten, daß

uns die Zufuhren abgeschnitten werden; diè größten Schwierig- keiten können entstehen bei der Verpflegung der Armee. Auch diese Erwägungen müssen dazu führen, den. heimischen Getreidebau zu chüpßen. Ich hoffe, Sie werden erkennen, daß unser Antrag nicht I unüberlegt und phantastish ist, wie er Ihnen zuerst erschien ; er ist ein durchaus gangbarer Weg, von dem wir uns nicht werden abbringen lassen. Wir rechnen dabei au auf die Unterstützung der Regierung ; wir würden niht verstehen, wenn diese den Verfall der Land- wirthschaft fortshreiten lassen wollte, ohne etwas tagegen zu thun; wenn die Negierung den Antrag kurzer Hand ablehnen würde, ohne etwas Besseres aleihzéitig vorzuschlagen, Verbesserung der Organi- sation, Verbesserung des Kreditwesens ja, wir sind dankbar für jede Hilfe, aber diese Hilfe reiht nicht aus. Die Fluth von Vor- würfen lasse ih über mih ergehen um der guten Sache willen; ich thue meine Pflicht, so gut ih es vermag. Sie haben einen taktischen

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jeßt weiß jedermann, daß wir zu handeln wissen. Uns gehört Ï e Vertrauen, uns gehört die Zukunft! 5 das

Abg. Dr. Barth (frf. Vg.): Der Antragsteller überschägt die Anziehungskraft seines Antrags für die öffentlihe Meinung, j wollten im Reichstag vor der ganzen Bevölkerung konstatieren, hig wie weit die Agrarier in ihren Anforderungen an den allgemeinen Geld, beutel zu gehen bereit find. Das wollten wir öffentlich feststellen bevor der Reichstag seine Pforten s{ließt. Durch eine Hinterthür soll erreicht werden, was durch die Vorderthür niht mehr erreidit werden kann: die Höherseßung der Getreidezölle. Von seiten des Deutschen Reichs wäre es doch eine folhe Verletzung der gewöhnlidhen Gebote der Vertragstreue, wenn man sich bei Beurtheilung dieses Antrags darauf beschränken wollte, bloß den Wortlaut der Ber: träge zu berüdsihtigen. Neben dem Wortlaut giebt es au einen Sinn der Verträge, und nah diesem Sinne muß der anständige Kontrahent handeln. Danah ift es unmögli finevüalb der nächsten zehn Jahre diefen Antrag ernstlig zu behandeln. Wie kann man den verbündeten Regierungen zus muthen, zu einem so flagranten Vertragsbruch die Junitiative ergreifen? Jch sehe den Antrag als ernsilich nicht an, gleichviel ob er angenommen wird oder niht. Troßdem ift er interessant als Fingerzeig für die Gedankenwelt des modernen Agrarierthumé, ; selbe Antrag ist vor wenigen Wochen in der französishen Deputirten, kammer von einem französishen Sozialisten eingebracht worden. Herx Jaurès soll allerdings kein Sozialdemokrat, fondern ein gemäßigter Sozialist sein. Neben ihm sind aber au echte Sozialdemokraten qn dem Antrage betheiligt, wie Vaillant. Der Antrag Kaniß is nur verschieden in dem Punkt, daß der Abg. Graf Kaniß einen Minimal, preis fixieren, Herr Jaurès den Preis alljährlih durch Gesetz feststellen will. Das ist kein prinzipieller Unterschied. Es steckt also ein durchaus sozialistisher Kern in dem Antrage, nur daß die Unter- \chiede zwischen den konservativen Antragstellern und den sozialistischen Vertretern derselben Ideen alle zu Gunsten der leßteren ins Ge- wicht fallen. Herr Jaurès will zugleich einen Minimallohn für die ländlichen Arbeiter durh Gesetz bewilligen ; das ist ganz konsequent. Der Unterschied zwischen diesem cchten und dem konservativen Sozialismus besteht darin, daß bei den leßteren die Konfequenzen in dem Augenblick aufhören, wo sie ihr Schäfchen ins Trockene ge- braht haben. Sie sprehen ja ganz ofen aus, daß es sih für fie nur darum handelt, die Preise wieder auf die Höhe der Hunger- jahre hinaufzutreiben. Der Antrag, ernst genommen und ausgeführt, würde au den Getreideimporthandel gänzli ruinieren. Es soll hier ein bestimmter Produzentenkreis zu Staatspensionären gemacht werden, Thatsächlih wäre die Folge der Mindestpreise, daß ih alle Produktionsbedingungen ihnen anpaßten, fo vor allem der Preis des Grund und Bodens. Nach kurzer Beit würden Sie also auf dem- selben Fleck stehen wie heute. Für diese Erkenntniß hätte dann aber in der Zwischenzeit das Volk, die „\teuerzahlende Menge, die enorme Kontribution aufbringen müssen, welche diéser Antrag für die Getreideproduzenten verlangt. Alle anderen Produzentenkreise, die Handwerker, die Arbeiter, _haben prinzipiell auf einen solhen Mindestpreis ihrer Produkte, auf einen Mindestverdienst, auf einen Minimallohn den gleichen Anspruch, Mit dem Antrage wird nur eine ungeheure Erbitterung in die breiten Volksmassen getragen, denen viele Hunderte von Millionen jährlich abgenommen werden sollen, um einen fleinen Theil der besißenden Klassen zu unterhalten. Eine Politik, welche fo klar zu erkennen giebt, daß sie nur die besißenden Klassen auf jeden Fall_in eine günstige Lage bringen will, is gerichtet, und darum haben Sie einen {{limmen Tag gehabt, als Sie den Antrag noch vor dem Schlusse dieser Session einbrachten. :

Hierauf wird die Fortsezung der Berathung vertagt.

ckchluß 51/4 Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

48. Sißung vom 13. April 1894.

Jm weiteren Verlauf der ersten Berathung des Geseß- entwurfs, betreffend Aenderungder Kirchen-Gemeinde- und Synodalordnung von 1873 und der evangelischen Kirchenverfassung von 1376 (f. den Anfangsbericht in der Freitags-Nummer d. Bl.), nahm nach dem Abg. Dr. Langerhans (fr. Vp.) das Wort der . 4

Abg. Schall (kons.): Nedner bedauert es im Interesse der Sache, daß die Debatte einen s{ärferen Ton “angenommen habe. (Zuruf: Stöcker!) Nein, fäbrt Redner fort, die Schärfe ist von der linken Seite ausgegangen. Die staatliche Bevormundung der Kirche wird als ein Schnürleib empfunden, und gerade diejenigen, die sid liberal nennen, sollten für größere Freiheit der Kirche sorgen. Sie bleibt do) noch gebunden genug, daß man Auëêschreitungen verhindern kann. Man scheint beinaße anzunehmen, daß die evangelischen Geistlichen kleine Päpste seien, die ihrer Herrschsucht die Zügel schießen laffen. Das ist durchaus nicht der Fall. Die Herrshsüchtigen fißen auf anderer Seite, in der Stadtverwaltung Berlins z. B. und _ auf den Kathedern. Diejenigen, welche das Bekenntniß angreifen, wissen nit, was sie thun; sie haben im Bekenntniß den festesten Halt. Man stellt den Glauben an das Evangelium in Gegensaß zum Glauben an das Apostolikum. Das leßtere beruht aber lediglich auf der Heiligen Schrift und ift gottlob noch ein Einheitsband zwischen der evangelishen und der fatholischen Kirche. Welches Bekenntniß fann denn Herr Langerhans an die Sielle des Apostolikums stellen: Man meint, es sei ein Armuthszeugniß, wenn wir das Geseß nur mit Hilfe des Zentrums zu stande bringen. Es wäre allerdings er- freulich, wenn alle Evangelischen diesem Gesetze zustimmen würden. Aber da es niht möglich ist, so freuen wir uns über das Ver! ständniß der Herren im Zentrum für diese Frage, bei der ed si darum handelt, dem Volke die Religion zu erhalten. Herr Langer hans hat seiner Sache mit der Berufung auf den hohseligen Kön!g Wilßelm keinen Dienst geleistet. Denn dieser hat erklärt, daß idt jenigen, die niht auf dem Boden des Apostolikums stehen, ni : mehr evangelishe Christen seien. Redner dankt shließlich dem Minister für das Entgegenkommen gegenüber der evangelischen Kir?

Abg. Haake (nl.): Ich kann niht den Gedanken auffommey lassen, die Linke bestehe aus Freigeistern und Gottesleugnern. Ñ stehe voll und ganz auf dem positiven Standpunkt und habe es die Tendenzen des Pcotestantenvereins gefördert. Aber gerade L wegen bin ih gegen die Vorlage, weil ih niht Vertrauen A zu den Organen, welche von dem Geiste erfüllt sind, besten D wir gestern und heute hier gespürt haben. Wir wollen e ; Geist der Unduldsamkeit zur Herrschaft kommen lassen. Die Vor age ist dem Wunsche des Herrn Stöcker entsprungen und ausge ange vom Ober-Kirchenrath. Da steht sie auf einer schwankenden 6 5 lage. Sie stüßt sich nicht auf detaillierte Anträge der Gener S : Das ift um so bedenklicher, als die Vorlage als ein erster S op bezeichnet wurde. Der Ober-Kirchenrath ist eine Behörde, kein e der evangelischen Landeskirche, die er nur in VermögendretliGer Sie ziehung zu vertreten hat. Es handelt \sich um unausgefpro die Herzenswünsche. Wenn ein verliebter Bräutigam seiner L Derzenswünsche aus den Augen liest, so kann ich das verstehen ; a e n glaube nicht, daß das Staats-Ministerium in einem fo zärtlichen en hältniß zur General-Synode steht. Lassen Sie uns doch am i ob die General.Synode eine solhe Geseßgebung fordert. Le mit Hilfe des Zentrums wird die Vorlage durhgebracht twerden E hätte gewünscht, daß das Zentrum etwas mehr Delikatesse 0 hätte, Aber die Delikatesse hat deswegen aufgehört, weil das Le irche weiß, daß durh die Vorlage Zwiespalt in die evangelishe bett getragen wird. Deshalb sollten die Konservativen si Tilt Lande Zeit lassen; ih möchte Jhnen (rechts) zurufen: 1 consules, ne quid detrimenti capiat nostra ecclesia! wohnt

Abg. Dr. Dittrich (Zentr.): Wir Katholiken sind nicht gew f

Fehler begangen, indem Sie den Antrag noch diskutieren lassen;

uns in die Verhältnisse einer anderen Neligionsgemeinschas! ein

ain Gagat, Jet, Lava, M

,_ Wir vertreten hier nur das politishe Prinzip der Freiheit mische dem Staat gegenüker. Die Freiheit der Kirche war dur) Art. 17 der Verfassung garantiert. Das Zentrum hat dieses

rinzip nicht aufgegeben und wird immer für dasfelbe eintreten. Eine lche Gelegenheit bietet si bei dieser Vorlage, und daraus erklärt si das in Aussicht gestellte Verhalten der Zentrumspartei. Abg. Rickert (fr. Vg.): Es hat niemand gewünscht oder den Rath gegeben, daß das Zentrum ih der Abstimmung enthalten möge. Es ist aber eine seltsame Freiheit, mit der die Vorlage uns be- schenken will. Herr Schall behauptet, wir hätten angegriffen. Wir sind die Angegriffenen, unsere Gewissen sollen bedrükt werden, und das wollen wir uns nicht gefallen lassen. Es dee uns vollständig, klargestelt zu haben, wohin die Ab- sichten der Herren gehen. Sie wollen uns das Recht be- lassen, zu bezahlen für die protestantishe Kirche ; von allen anderen Dingen wollen Sie uns auéschließen. Das Bekenntniß auf den Lippen ist Ihnen (rechts) die Hauptsache; durch die Staats-, durh die gemeinfame Thätigkeit in dec Gemeinde wollen Sie es nicht ausführen. Nicht Mitglieder des Protestantenvereins allein wenden sich gegen die neue Agende, sondern Schulräthe, Gymnasial- Direktoren, Pfarrer u. \. w. protestieren gegen die Bedrückung ihrer religiösen Ueberzeugung. Die Bewegung geht weiter, und daran tragen diejenigen die Schuld, welche diesen Streit in die Kirche hineingeworfen haben. Herr Schall ist am wenigsten berufen, uns über firchliche und sittliche Dinge Vorlesungen zu halten, nachdem er als Geistliher im Reichstag für das Duell eingetreten ist. Jn ragen der Gewissens- und Glaubensfreiheit versteht das deutsche Gol keinen Spaß; wir werden den Kampf aufnehmen, die Folgen haben Sie (rets) zu verantworten. 0

Abg. Klas ing (kons.): Die Freiheit der Gewissen wollen wir au; ein solher Ruf ist vollständig deplaciert. Wimmelt nicht die Presse von frivolen Angriffen auf den Glauben? Frei ist heute der Unglaube! Wir wollen für unsere Gewissen und unseren Glauben die Freiheit. Wo is denn die Bethätigung des rist- lihen Bekenntnisses zu finden ? Etwa bei Herrn Rickert? Kennt Herr NRickert die enorme Thätigkeit ter Berliner Stadtwission niht? In meiner Vaterstadt is eine großartige Niederlassung christliher Werkthätigkeit. Die Werke christliher Nähstenliebe wer- den von den Elementen wesentlih getragen, denen Herr Nikert den Vorwurf gemacht hat, daß sie ihr Bekenntniß nur auf den Lippen trügen In Gegenwart von Katholiken über das Apostolikum mich zu unterhalten, scheue ich mich nicht; aber es ist niht erfreulih, diese Unterhaltung zu führen mit evangelischen Glaubenêgenofsen, die das Apostolikum nicht anerkennen. Wir müssen unserer Ueberzeugung folgen, daß die Vorlage ein Vortheil für die Kirche ist; die gegentheilige Ueberzeugung müssen wir achten, aber wir bedauern, daß diese hauptsählich dem Mißtrauen gegenüber der Kirche entsprungen ist. Sie werden uns doch nicht zumuthen, daß wir die Vorlage deswegen ablehnen follen, weil das Zentrum derselben zu- stimmt! Im Neichstag hat man ja die Mitwirkung des Zentrums und sogar noch ganz anderer Parteien beim russischen Handelsvertrag si rudig gefallen lassen. j

Abg. Freiherr von Heereman (Zentr.): Es ist unzulässig, einer Partei vorzuwerfen, sie habe niht ihre wahren Motive ausgesprochen. Uns liegt der Gedanke absolut fern, in die evangelische Kirhe den Zwie- spalt bineinutragen, Anderen mag dieser Gedanke näher liegen. Wir wissen, daß wir mit der cvangelishen Kirche vieles Gemeinsame haben, wenigstens mit dem Theil, der auf ristlichem Boden steht.

Abg. Dr. Enneccerus (nl.): Jn Bezug auf die christliche Liebesthätigkeit sind alle kirchlihen Richtungen gleich. Ueber das Apostolikum habe ih nicht ge|prochen, sondern ih habe nur die zwei herrschenden Ansichten mitgetheilt und daraus gefolgert, daß das Apostolikum nicht zum Schibboleth gemacht werden kann für die Beseßung der kirhlihen Aemter. Anders hat Herr Stöer über das Apostolikum gesprohen. Einen Vorwurf machen wir Ihnen (rechts) daraus nit, daß Sie mit dem Zentrum oder das Zentrum mit Ihnen stimmt. Bedauerlih is es nur, daß ein evangelisches Kirchengeseß erlassen werden soll, für welches nicht einmal die Mehrheit der Protestanten zu finden ist.

Damit {ließt die Debatte.

Nach einigen persönlichen Bemerkungen wird die Vorlage einer Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen.

Es folgt die Berathung von Petitionen.

Mehrece Petitionen von Gemeinden und Grundbesizern aus den Kreisen Sonderburg und Pinneberg, wegen Aufhebung der sogenannten Jagdrekognition, werden durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt.

Die Petition der Zentralvertretung der thierärztlichen Vercine Preußens, um Einführung des Abiturientenexamens als Vorbedingung für das Studium der Thiermedizin, wird der Negierung als Material überwiesen.

Verschiedene Petitionen, betreffend die Fürsorge für die Lehrer an gewerblichen Fachschulen, beantragt die Ünterrichts- kommission der Regierung dahin gchend zur Erwägung zu überweisen, daß die vollbeschäftigten und bewährten Lehrer an den öffentlichen Fachschulen definitiv angestellt werden, und daß ihnen zugleih die Berechtigung auf Pensionierung und Re- liftenversorgung gewährt werde.

Das Haus beschließt nah kurzer Debatte, in welcher die Abgg. Jerusa lem (Zentr.), Schaffner (nl.), Wurmbach (nl.), von Köliche n (kons.) und Dr. Beumer (nl.) unter Hinweis auf die hohe Bedeutung der gewerblichen eFachschulen den Kommissionsantrag empfehlen, nah diesem Antrag.

Ueber die Petition des Küsters und ehemaligen Lehrers

Peters zu Glandorf, Regierungsbezirk Osnabrück, betreffend seine Pension, geht das Haus zur Tagesordnung über. Schluß 2 Uhr. Nächste Sißung Sonnabend 11 Uhr.

(Dritte Lesung des Staatshaushalts-Etats für 1894/95.)

arm

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Reichstag is der folgende Entwurf eines Gesetes, betreffend die Aenderung des Zolltarifs, zugegangen:

Der durch die Bekanntmahung vom 24. Mai 1885 (Meichs- Geseßzbl. S. 111) veröffentlichte ZoUtarif wird in nachstehender Weise abgeändert :

l) In Nr. 5 erhält die Position a folgende Fassung: 1) Aether aller Art, mit Ausnahme des Schwefeläthers : a. in Fässern 100 kg 125 M, 6. in Flaschen, Krügen oder anderen Umshließungen 100 kg 180 46, 9) Schwefeläther, Chloroform, Kollodium ; ätherische Oele mit Ausnahme der nachstehend unter c und m bec O Essenzen, Ettrakte, Tinkturen und Wässer, alkohol- oder ät yerhaltige, zum Ge- werbe- und Medizinalgebrauch; Firnisse aller Art mit Ausnahme von

elfirniß ; Maler-, Wasch- und Pastellfarben; Tusche, Farben- und Tuschkasten; Blei-, Roth- und Farbenstifte; Zeichenkreide 100 kg 20 M

2) An Stelle der Anmerkungen a und b zu Nr. 13c 1 tritt folgende Anmerkung: Bau- und Nuzholz für den häuslichen oder handwerksmäßigen Betarf von Bewohnern des Grenzbezirks, fofern es in Traglaften eingeht oder mit Zugthieren gefahren wird, nah nûherer Bestimmung des Bundesraths und vorbehaltlih der im Falle eines Mißbrauchs örtlih anzuordnenden Aufhebung oder Beschränkung leser Begünstigung frei.

9) In Nr. 13 erhält die Position d hinter den Worten „Stuhl- sor Geneiztes oder gespaltenes“ folgenden Zusaß: ,„; Hornmehl und

C :4) In Nr. 20 erhalten die Pos. b 1 und 2 folgende Fassung: b, 1) Waaren ganz oder theilweise aus Bernstein, Celluloid, Elfen- i eershaum, Perlmutter oder Schildpatt; îhne in Verbindung mit Stiften oder Röhrchen von Platin oder

anderen edlen Metallen 100 kg 200 M 2) Waaren aus unedlen Metallen, mehr oder weniger vergoldet oder versilbert oder mit Gold oder Silber belegt; feine Galanterie- und Quincailleriewaaren (Herren- und Frauenschmuck, Toilette- und sogenannte Nippestischsachen U. \. w.) ganz oder theilweise aus Aluminium, dergleihen Waaren aus anderen unedlen Metallen, jedoch fein gearbeitet und entweder mehr oder wentger vernickelt oder au verniert, oder in Verbindung mit Halb- edelsteinen oder nahgeahmten Edelsteinen, Alabaster, Email, oder auch mit Schnitzarbeiten, Pasten, Kameen, Ornamenten in Metallguß und dergleichen 100 kg 175 M

9) Zu Nr. 25: Hinter der Position 2% m 4 wird folgende Be- stimmung aufgenommen: 5) Kakaool in flüssiger oder konsistenter Form (Kakaobutter) 100 kg 45 M.

._. 6) Zu Nr. 26: a. An die Stelle der Position 26 þ tritt folgende Bestimmung: Speiseöle, als: Oliven-, Mohn-, Sesam-, Erdnuß-, Bucheckern-, Sonnenblumen-, Baumwollensamenöl in Fässern 100 kg 10 M. Anmerkung zu b: Baumwollensamenöl in Faâssern, amtli denaturiert 100 kg 3,50 A b. Sn der Position 26 c ist das Komma hinter „Leinöl“ und das Wort „Baumwollensamenöl“ zu \treichen.

7) Zu Nr. 31: a. die Position 31e erbält folgende Fassung: andere Parfümerien 100 kg 100 A b. Der Nr. 31 wird foltenbe, hinter e als Anmerkung einzuschaltende Bestimmung hinzugefügt: An- merfung : Flüssige alkohol- oder ätherhaltige Parfümerien, einschließli der alkohol- oder ätherhaltigen Kopf-, Mund- und Zahnwässer werden wie Branntwein behandelt. L Dieses Gesetz tritt am 1. Juli 1894 in Kraft.

Die Wahlprüfungskommission des Reichstags beantragt, die Wahlen der Abgg. Dr. Böhme (nl.) im 21. Wahl- kreise des Königreichs Sachsen und von Holleuffer (dkonf.) im 9. Wahlkreise des Regierungsbezirks Liegniy für gültig zu erklären.

Im Hause der Abgeordneten haben die Abgg. Dr. Kruse (nl.), Knebel (nl.) und Genossen nachstehende Interpellation eingebraht: „Beabsichtigt die Königliche Staatsregierung, die Er- rihtung von Zwangöversicherungen gegen Viehverluste für Landes- theile, wo ein Bedürfniß vorliegt, eins{ließlich der durch die Maul- und Klauenseuche herbeigeführten Viehverluste , geseßlich zu er- möglichen ?*

Der von dem Abg. Dr. Sattler (nl.) erstattete Bericht der Nehnungskommission des Hauses der Abgeordneten über die Uebersicht der Staatseinnahmen und Ausgaben für 1892/93 beantragt: Vorbehaltlich der Prüfung und der Erinnerungen der Königlichen Ober - Rechnungskammer die im Etatsjahr 1892/93 vorgekommenen Etatsüberschreitungen in einer Gesammthöhe von 37 105 290 M 89 „s, sowie die noh niht genehmigten außeretats- mäßigen Ausgaben von zusammen 985 848 4 52 - nachträglich zu genehmigen.

Statistik und Volkswirthschaft.

: Preisausschreiben.

__Die „Vereinigung der Steuer- und Wirthschaftsreformer“, der „Bund der Landwirthe“ und die «Wirthschaftlihße Vereinigung des Reichstags“ haben eine Preissumme bis zu 4100 K ausgeseßt für die beste bezw. mehrere Arbeiten über das Thema: „Geist und Wirkung der preußisch - deutschen Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts im Se zur Entwickelung der beweglichen und unbeweglichen Produktionsfaktoren.* __Die Schrift soll, mit der sogenannten Stein-Hardenberg’ schen Geseßgebung beginnend, eine systematishe und chronologische Uebersicht über die wichtigsten Wirthschafts- und legislativen Ereignisse im Rahmen des Themas bis zur Gegenwart darbieten, ohne der freien wissenschaftlihen Forshung eine Schranke zu ziehen.

In Bezug auf die Wirthschaftsentwickelung wäre darzulegen, welche Wirkung die betreffenden Ereignisse bezw. geseßgeberishen Maßnahmen auf das Verhältniß des mobilen zum immobilen Kapital und beider Produktionsfaktoren zu einander gehabt haben, und ob überhaupt, wes- halb und inwieweit etwa die Anschauung begründet ist, daß erstere auf die nahgewiesene Weise ein Üebergewi{t erhalten hâtten, bezw. auf Kosten der leßteren besonders gefördert worden seien.

Schließlih würden dann die gefundeaen Ergebnisse rückblickend

kritish, d. h, im Sinne der künftigen Gefeßgebung positiv, eventuell mit Vorschlägen (Thesen), die in den allgemeinen Grundzügen fixiert sind, zur Darstellung zu bringen sein. __ Die Prüfung und Prämiierung hat ein Preisrichter- Kollegium, bestehend aus den Herren : NReichstags- Abgeordneter Graf Arnim-Muskau, Gerichts-Asessor Eschenbah-Berlin, Negierungs- Nath Eoert-Berlin, Neichs- und Landtags-Abgeordneter Professor Dr. Friedberg-Halle a. S., Geheimer Justiz-Rath und Professor Dr. O. Gierke-Charlöttenburg, Gerichts-Assessor a. D. und Nittergutsbesitzer Dr. RNösicke-Görsdorf und Geheimer Negterungs-Nath, Professor Dr. Adolph Wagner-Berlin, übernommen. Die Prämiierung erfolgt spätestens am 1. August 1895.

Die Bewerbungsschriften sind mit einem Motto versehen und einem versiegelten Briefumschlag, welcher dasfelbe Motto und den Namen des Autors enthalten muß bis zum 1. April 1895 an das Bureau der „Vereinigung der Steuer- und Wirth- \chafts-Neformer“ (Rendant Stephan), Berlin SW. 47, Hagels- bergerstraße 18, einzusenden. Prospekte mit den Spezialbedingungen

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sind von dem Nendanten Stephan zu beziehen.

Bevölkerungsverhältnisse von Großbritannien und Irland, 1891.

Die leßte der alle zehn Jahre stattfindenden Volkszählungen vom 9. April 1891 ergab für das Vereinigte Königreich eine Bevölkerung von 38 104 975 Einwohnern auf 120973 Quadrat-miles *). Davon kamen auf England 27 483 490, auf Wales 1 519 035, auf Schottland 4 025 647, auf Irland 4 704 750, auf die Insel Man und die Kanal- inseln 147 842, auf die Armee, Kriegs- und Handelsflotte 224 211 Köpfe. Der Bevölkerungszuwachs betrug während des letzten Jahrzehntes 8,17 vom Hundert, von 1871 bis 1881 dagegen 10,75, von 1861 bis 1871 8,6, von 1851 bis 1861 5,7 und von 1841 bis 1851 2,5 v. H.

Mit Ausnahme von Jrland zeigen alle Landestheile eine Be- völkerung8zunahme, felbst das im ganzen dünner bevölkerte Schott- land. Irlands Bevölkerung, die 1841 ihren höchsten Stand mit 8 175 124 Köpfen erreiht hatte, ist seitdem ununterbrochen und sehr stark zurückgegangen. Vor fünfzig Jahren kamen dort noch 251 Ein- wohner auf ein Qu.-m., 1891 nur noch 144. Der Rückgang betrug 1841—51 19,85, 1851—61 11,50, 1861—71 6,65, 1871—81 4,40 und 1881—91 9,11 v. H. Iin Jahre 1841 machte Irlands Be- völkerung noh 30,2 v. H. der Gesammtbevölkerung des Vereinigten Königreichs aus, 1891 dagegèn nur noch 12,5 v. H. Solch gewaltige Einwirkungen haben die allbekannten, von England geschaffenen oder doch nicht beseitigten wirthshaftlichen und politishen Verhältnisse der grünen Insel auf die Entvölkerung gehabt! Ganz im Gegensaß dazu vermehrte ih die Bevölkerun des im Königreich herrschenden England und Wales besonders stark. Dort wurden 1841 15 914 148 Einwohner oder 274 auf dem Ou.-m. gezählt, 1891 dagegen 498, und während die Bevölkerung von England und Wales im Jahre 1841 58,8 v. H. der Gesammtbevöl- kerung des Vereinigten Königreihs ausmachte, war deren Antheil 1891 auf 76 v. H. gewachsen.

Die Zurückdrängung der Sprache der alteingeborenen Kelten (Kymren in Wales, Gâlen in Schottland, Man und den Hebriden, Erfen in Irland) macht rasche Fortschritte in Wales und Irland, weniger in Schottland. Im Jahre 1891 zählte man in Wales und Monmouthshire 508 036 nur wälisch und 402253: wäli ch und englis Redende, zusammen also 51,2 v. H. der dortigen Bevölke-

f idm

*) L vie = rund 1,61 km; 1 Quadrat-mile = rund 2,60 qkm ;

120 973 Qu.-m. = 314 628 gkm.

rung; 1881 waren dies noch rund 70 v. H. In Schottland sprachen 1891 43738 Bewohner nur gälisch und 210677 gälisch und englisch, zusammen also 6,32 v. H. der Bevölkerung, während es zehn Jahre früher blos 6,20 v. H. waren. Fn Irland hat der An- theil der Ersish-(Jrish)- Sprehenden vornehmlih wegen der starken Auswanderung gerade von solchen, deren Muttersprache die Urspräche des Landes ist, in den leßten zehn Fahren merklich abgenommen; nur ersish (iris) sprahen 1891 38 121 Personen; 642 053 sprachen ersisch und englis, zusammen also 14,46 v. H. der Bevölkerung; 1881 waren es noch 18,20 v. H.

In England und Wales waren 1891 62 Städte mit 50000 und mehr Einwohnern vorhanden ; in ihnen lebten 40,6 v, H. der Bevölkerung, und die gesammte städtische Bevölkerung betrug hier 71,7 v. H. Die riesig entwickelte Industrie und der Handel mit feinen Hilfsgewerben haben allmählih den größten Theil der Bevölkerung in sih vereint und die Entvölkerung des platten Landes bedingt, niht am wenigsten aber auch die irischen Auswanderer an sich gezogen, die der Ordnungépolizei in den großen Bevölkerungsmittelpunkten oft genug Sorge machen. In Schottland ist die. Anhäufung der Bevöl- kerung noch nicht ganz so weit gediehen : immerhin aber machen die Bewohner der 7 Städte mit über 50000 Einwohnern auch son 34,7 v. H. vex Gefammtbevölkerung Schottlands aus. Fn Irland dagegen umfassen die 3 Städte der gleichen Größenftlasse nur 12,3 V O. der Bevölkerung. Vergleichsweise sei hinzugefügt, daß in den 28 preußischen Städten mit über 50000 Einwohnern 16,1 v. H. der preußischen Bevölkerung lebten.

Zur Arbeiterbewegung.

In Dortmund hat, wie dec „Köln. Z.“ geschrieben wird, das Perfonal der elektrishen Straßenbahn wegen Lohnstreits die Arbeit niedergelegt. Im „Vorwärts“ wird als unmittelbare Ver- anlassung des Ausstandes das Nichtinnehalten der Versprehungen an- geführt, welche die Direktion nah Beendigung des leßten Strikes machte. Die Vorstellungen, welche die Arbeiter der Direktion erhoben, wurden abgewiesen.

Aus Weißwasser (Neg.-Bez. Liegniß) wird der „Köln. Ztg.“ telegraphiert, daß sämmtliche Glasschleifer der bedeutenden Gelsdorf’schen Glashütte die Arbeit infolge von Lohnherab- eoungen eingestellt haben. Es sind noch andere Ausstände zu er- varten.

Aus Stettin wird dem „Vorwärts“ berichtet, daß der Aus- stand der N noch unverändert fortdauert.

In Groißsch ist, wie der , Vorwärts“ berichtet, in der Sl oß- fabrik von Spengler ein Ausstand der Metallarbeiter aus- L Es striken von 25 Mann 20, von denen 7 verheirathet ind und 20 Kinder haben.

Aus Baden in Nieder-Oesterreih meldet „Wi De Be Nuf zwei Ziegelwerken der Baumaterialiengesell schaft „Union“ in der Nähe von Br ünn und Liesfing befanden si 1500 bis 2000 Arbeiter seit Mittwoh im Ausstande. Die Ausständigen begingen mehrfach Ausschreitungen, hielten mit Ziegeln beladene auto an, luden die Ziegel ab und stürzten die Wagen um. unch Einigung über die Lohnbedingungen zwischen den Arbeitern und Arbeitgebern wurde der Ausftand „vie vom gestrigen Tage berichtet wird, beendet.

,_ In Budapest haben, wie dem „Vorwärts“ geschrieben wird, die Täschnergehilfen die Arbeit niedergelegt. Ihre Forderungen auf Erhöhung des Lohns und Beseitigung von Mißständen sind von den Arbeitgebern abgewiesen worden.

Zum Ausstande der Ziegelbrenner in der belgishen Pro- vinz Ant werpen schreibt man der „Voss. Z.“ aus Brüssel: In Numpst, Terhagen, Boom, Növeren, Niel haben sämmtliche Ziegeleien ihren Betrieb einstellen müssen. Die Ziegelbrenner fordern eine Er- höhung der sehr niedrigen Löhne, aber die Fabrikanten weigern sich, sie zu bewilligen, da die Arbeiter bis zum 30. September für die jeßigen Löhne verpflichtet sind. Der Ausstand brach in HKumpst und Terhagen aus. In diesen Ziegeleien sind die Arbeitslöhne noh um 20 bis 7599/6 niedriger, als in den übrigen Ziegeleien; überdies haben die Fabrikanten dieser beiden Orte ihren Ziegeleien große Verkaufshallen angeschlossen, in denen die Arbeiter ihren gesammten Lebenöbedarf kaufen müssen. An 1500 bis 2000 auss\tändige Arbeiter zogen unter Trommelschlag aus Numpst und Terhagen von Ort zu Ort, von Ziegelei zu Ziegelei; überall wurden stürmische Versammlungen abgehalten und aller Orten wurde der Anschluß an den Ausstand beschlossen. Seit Mittwoch beginnen die Auéständigen, ih an dem Eigenthum der Fabrikanten in Numpst und Terhagen zu vergreifen. An letzterem Orte allein wurden fünf Ziegeleien in Brand gesteckt; die gewaltigen Holzvorräthe gingen in Flammen auf. Kohlenlager, Stallungen; Schober wurden angezündet, einzelne Vorrathélager wurden aus- geplündert, die Karren zertrümmert. Alle Vürgermeister untersagten die weiteren öffentlichen Anfammlungen von mehr als zehn Personen. Die Arbeiter fordern Lohnerhöhung und Schließung der Verkaufs- läden der Fabrikanten. Diese bieten den Arbeitern 0,20 Fr. Lohn- erhöhung für 1000 Ziegel; da aber die Arbeiter 0,75 Fr. fordern, ist die Verständigung gescheitert. Nach Meldungen vom gestrigen Tage sind 6700 Biegelbrenner ausständig. Rumpst, der Hauptsiß des Ausstandes, ist militärish bescßt, alle Versammlungen sind verboten, die Verkaufsläden der Fabrikanten amtlich ges{chlossen worden.

Aus Nantes meldet „W. T. B.“ : Unter den ausständigen Arbeitern der Stahlwerke in Trignac herrsht große Er- regung; mehrere sozialistishe Deputirte verhindern die Wiederaufnahme der Arbeit.

Aus den Kobhlendistrikten Penn sylvaniens berichtet ein New-Yorker Telegramm des „W. T. B.", daß die Unordnungen sich an mehreren Orten erneuert haben. Die ungarischen Frauen yver- trieben die Arbeiter der Etablissements Dimont mit tödten und Steinen. Gestern durhzog ein Trupp von 500 Arbeitern den füd- lichen Theil des pennsylvanischen Kohlendistrikts, ohne jedo ernstliche Ausschreitungen zu begehen.

Mehrere Tiger in Chicago haben beschlossen, ihre Fabriken zu schließen, weil die Arbeiter sich weigern, ihre Be- ziehungen zu den berufsmäßigen Agitatoren aufzugeben. Zehntausend Arbeiter feiern. Die Londoner „A. K." berichtet weiter über diesen Vorgang: Es follten eigentli 60 000 Arbeiter ihr Brod verlieren. Die Arbeitgeber wurden abec unter si uneinig und führten die Be- {lüsse, die sie gefaßt hatten, nicht aus.

Von der „Zeitschrift für Literatur und Geschichte derStaatswissenschaften“, herausgegebcn von Dr. Kuno e ankenstein, liegt jeßt das 6. Heft des 2. Bandes vor (Leipzig, Verlag von C. L. Hirschfeld). Es bringt den Anfang einer Abhand- lung von Professor Dr. A. Oncken in Bern „zur Biographie des Stifters der Physiokratie François Quesnay“, einen R von

olizei - Direktor Dr. Otto Gerland in Hildesheim über ustus Shristof Dithmar, Beitrag zur Geschichte der Neuordnung der Landes- verwaltung unter König Friedrih Wilhelm 1. und zur Geschichte dèr Universität Frankfurt a. O., sowie einen Auffaß von Dr. Kuno Frankenstein „Zur Geschichte und Statistik des Studiums an den italienishen Universitäten“. Weiter sind darin zahlreiche Kritiken und Neferate über volkswirthschaftlihe Bücher (z. B. von der Leyen, die De und Verkehröpolitik der nordamerikanischen Eisenbahnen; Braun, Berliner Wohnungsverhältnisse; Mühlbreht, Wegweiser dur die Literatur der Rechts- und Staatswissenschaften ; Engels, die Lage der arbeitenden Klassen in England), ferner die Fortseßung der früher begonnenen Bibliographie des Arbeiterversihherung8we|ens, welche elf Seiten umfaßt, sowie eine Bibliographie über die im Monat Februar erschienenen volkswirthschaftlihen Werke diese umfaßt allein nahezu

‘zwanzig Seiten enthalten.

Nach Mittheilung des Statistishen Amts der Stadt Berlin find bei den hiefigen Standesämtern in der Woche vom 1. April bis inkl. 7. April cr. zur Anmeldung gekommen: 943 Lebendgeborene, 717 Eheschlicßungen, 32 Todtgeborene, 617

Sterbefälle.