1894 / 90 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 17 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

E E S D C D C A E L S

I. Bezüglih der zu erwartenden Mehraus- ausgaben find an siheren, auf Geseß oder etats- mäßigen Vereinbarungen beruhenden Verpflihtungen zu erwähnen: | E

1) Zuschuß des Reichs zur Invaliditäts- und Altersverficherung ; / 6 140 000 A

2) Steigerung beim allgemeinen E 2 000000 ,„

3) Zur planmäßigen Mert asveeue rung bei der :

Marine (3. A g a bi 930000 ,„ i ehrausgaben treten hinzu : Diesen hrausg 3 E

4) Zur Verzinsung der Reichs\{huld Summe 1 13 070 000 M4

11. Die etatsmäßigen Einnahmen lassen sich, soweit ihre Veranschlagung auf Grund einer Fraktion erfolgt, {hon gegen- wärtig mit ausreichender Sicherheit beziffern, da das (Ergebniß für 1893/94 bereits von 11 Monaten remunngineng feststeht und mithin nur ein Monat (März 1893) noh ungewiß bleibt. :

Leider versagt diese Methode bei der wihtigsten Einnahmequelle den Zöllen. Infolge der Handelsverträge haben sih die Verhält- niffse auf diesem Gebiet so verändert, daß allenfalls eine zweijährige Prettion (1892/93 und 1893/94) zu Grunde gelegt werden ann. Verführe man derartig, so ergäbe fih im Vergleich zum Etat des laufenden Jahres eine voraussihtlihe Min der-Cinnahme von 7 836 000 G Andererseits ist anzuerkennen, daß in den beiden leßtverflossenen Etatsjahren die Getreideeinfuhr infolge der guten heimischen Ernte hinter dem regelmäßigen Erforderniß zurückgeblieben ist, und daß sih deshalb für 1895/96 vielleicht auf einen stärkeren Import und demgemäß auf entsprechend höhere Zollerträge rechnen läßt. Ich sehe deshalb für den vorliegenden Zweck und ohne Präjudiz für die spätere Etatsaufftellung davon ab, bei den ollen wie an sih gerechtfertigt wäre einen Einnahmeausfall in Rechnung zu itellen, wenngleich infolge der Aufhebung des Identitätsnachweises ein Zollausfall zu erwarten ist. : : i E

Gbenso bringe ich die Zuckersteuer in der gleihen Höhe wie für das laufende Jahr in Ansaß. Der Einnahme-Anschlag im Etatsentwurf ist bekanntlih auf Antrag der Budgetkommission von dem Reichstage um 5 Millionen Mark erhöht worden. Das hat zur Folge, daß nah der herkömmlichen dreijährigen Fraktion gegen den jo erhöhten Etatsanfaß ein Nückgang von 1 826 000 (4 anshlagsmäßig sih ergeben würde. Jch lasse jedoh auch hier die an sich gereht- fertigte Herabminderung auf sich beruhen und stelle die Zudersteuer- erträge mit der Ziffer des laufenden Etats ein. /

Dies vorausgeschickt, ergiebt fih folgendes Bild:

a. Mehr- Einnahmen :

1) Zölle

2) ae

3) Zuckersteuer

4 Se : ; 458 000

5) Branntwein- (Maischbottih- und Material:) steuer 742000 ,

6) Brausteuer und Uebergangsabgabe 279 000

7) Spielkartenstempel 33000

8) Wechselstempel 112000

S U N 20 000

10) Mehr-Ueberschuß aus 1893/94 im Vergleich zu dem pro 1894/95 eingestellten Uebershuß aus i: 1892/93 (3 926 000 Æ statt 1 140 000 A) rund . . 2800000 ,

Summe 4460000 M

16 000 M

Þb. Minder- Einnahmen:

1) bei der Branntwein -Verbrau ch s -Abgabe (als Folge der nah den geseßlihen Bestimmungen vorzunehmenden Neukontingentierung) . 1545 000 M

2) bei der Reichsstempelabgabe (ohne Nücksicht auf die vorerwähn- ten Mehrerträge aus der bevorstehen- den Aenderung des Geseßes) . . ..

Es beträgt der Ausfall für 1893/94 gegen den Etat rund 6 500 000 4 und durften die Ursachen dieses _Ausfalls auch auf die Erträge aus der Stempel- fsteuernovelle einwirken. :

3) An Erlösen aus den Stettiner Festungsgrundstücken 079 800

Hiernach sind an Mehr-Einnahmen nur zu er- warten 835 700 M

Die Mehrausgaben belaufen si auf 13 00.000

Bleiben ungedeckt , 12 234 300 sodaß die Belastung der Bundesstaaten steigt auf S0 516 M

Die Ueberschüsse der Betriebsverwaltungen sind in gleicher Höhe wie pro 1894/95 angenommen mit Nüksicht darauf, daß der Neichstag für leßteres Etatsjahr das Einnahme-Soll erhöht hat:

bei der Postverwaltung um 3 470 000 M bei der Eisenbahnverwaltung um 3000000

Gbenso entziehen sich_ bei den Ausgabeverwaltungen (mit Aus- nahme der Alters- und Invalidenversicherung , Personalvermehrung der Marine, Pensionsfonds und NReichsschuld) die Aenderungen be- zichungsweife Ausgabesteigerungen zur Zeit der Schäßung. E

Der Natur der Sache nach sind folhe unausbleiblich. Beispiels- weise haben betragen die fortdauernden Ausgaben für das Neichsheer einschließlich des bayerischen Kontingents im Durchschnitt der Jahre: :

1885/86 bis 1887/88 354 051 207 M, 1888/89 1890/91 O90 009 (02 441 898 236 ,„

1891/92 „, 1893/94 (für leßteres Jahr Inge A E l e Die am 1. Oktober v. F. eingetretene Heeresverstärkung ist hierbei unberücksichtigt geblieben. Der noch rückständige Aufwand für die Heeresverstärkung von 9 969 538 4 dürfte sich annähernd begleichen dur die Mehreinnahmen, welche infolge des künftigen Wegfalls der Zuker-Ausfuhrprämien zu erwarten stehen._ |

Aehnliche Steigerungen wie bei dem Heeres-Etat zeigen sh auch bei anderen Verwaltungszweigen. :

Die dem Reich aus der Alters- und Invaliditätsversicherung er- wachsenden Ausgaben dürften \sich (abgesehen von dem Aufwand für Angehörige der Reichsbetriebe) am Schluß des Jahrhunderts (1899/1900) auf 32 700 000 Æ belaufen, d. i. gegen den Etat für 1894/95 cin Mehr von 18 740 000 M ,

Ferner ist anzunehmen, daß die für 1894/95 abgeseßten Ausgaben zum theil von neuem angefordert werden müssen und daß auch, wie oben bereits angedeutet, En in der weiteren Entwickelung der Reichsverwaltung neue Ausgaben hervortreten werden, welche in den wachsenden Einnahmen keine Ausgleichung finden. i; /

Geht man auf die Verhältnisse der Einzelstaaten für das Jahr 1894/95 über, so ist niht zu erwarten, daß im laufenden durch die Stempelsteuer ein höherer Mehrertrag als 15 000 000 (A auffkommt ; es würden mithin von den Bundesstaaten noh 15 476 216 M zu den Ueberweisungen zuzuschießen sein oder die reinen Matrikularbeiträge würden die Summe der Ueberweisungen noch um weitere 15 476 216 M übersteigen. Die Ueberweisungen für das gange Jahr werden um rund 10 000 000 Æ hinter dem Etat zurückbleiben. |

Erwägt man \chließlich, daß noch 1892/93 die Ueberweisungen die Summe der Matrikularbeiträge um 42 623 313 M Überstiegen, so würden sich hiernach für 1894/95 die Verhältnisse der e a teNA gegen das Jahr 1892/93 um 58099529 #4 ver echtern. /

Sieht man selbst von jeder festen geseßlih festgelegten Ueber- weisung an die Einzelstaaten ab, so ergiebt sit doh aus den oben erläuterten Zahlen, daß {on zur Balancierung ¿wischen Ma- trikularbeiträgen und Ueberweisungen neue Mittel für das Reich flüssig zu machen sind. Hierbei wird nach der Biloiluns der verbündeten Regierungen insbesondere auf eine stärkere Belastung des Tabacks nicht verzihtet werden können.

1504000 ,

3 624 300 A

Der E zum Bundesrath, Herzoglih sächsische Wirkliche Geheime Rath, Staats-Minister Dr. von Bonin hat sih zu den Hochzeitsfeierlichkeiten nah Coburg begeben.

Der neuernannte Regierungs-Assessor Snethlage aus Koblenz ist bis auf weiteres dem Landrath des Landkreises Essen, Regierungsbezirk Düsseldorf, zur Hilfeleistung in den landräthlichen Geschäften zugetheilt worden. : Die Regierungs-Referendare von Gehren aus Lüne- burg, von Rönne aus Breslau, Ernst Suche aus Brom- berg, Dr. jur. von Kries aus Cassel, Dr. jur. Brügmann aus Königsberg und Dr. jur. Schoen aus Königsberg haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden.

Laut telegraphischer Meldung an das Ober - Kommando der Marine ijt 4 ie „München“ mit den Ab- lösungen für S. M. Schiffe „Marie“, „Arcona“ und „Alexandrine“, Transportführer: Korvetten - Kapitän Greoner, am 15: April in S1. Vineent (Cap _Verdische Inseln) angekommen und an demselben Tage nah Cabo Frio (Brasilien) weiter gegangen.

Bayern.

Die Kammer der Abgeordneten hat in ihrer gestrigen Sißung den Anträgen des Ausschusses entsprehend umfang- reiche Vermehrungen des oberen und unteren Personals der Staatsbahnen genehmigt. Der Minister - Präsident Vreihear von Crailsheim ertlarle, - eine _Nach- ahmung der preußishen Organisation des Staatsbahn- betriebs sei so lange für Bayern unnöthig, als die General-Direktion als Zentralstelle den Betrieb beherrschen könne. Erst wenn dies unmöglih geworden sein werde, würden verschiedene Kompetenzen auf die dann neu zu schaffenden Betriebs-Direktionen übertragen werden.

Baden.

Der Präsident des Ministeriums der Finanzen Dr. Bu chen- berger hat gestern in der Zweiten Kammer cine Vorlage auf Einführung einer progr essiven Einkommensteuer ein- gebracht. Danach tritt der volle Steuersaß bei 20—25 000 6 ein, sodann tritt eine fünfprozentige Erhöhung des Saßes ein bis zu 40 Proz. bei Einkommen von über 200 000 4 Die Straf-

arkeit der Erben auh bei Kapitalrentensteuer-Hinterziehung dauert fünf Jahre statt drei. Das konstatierte Nachlaßein- Tfommen gilt für die gesammte Verjährungszeit.

Mecklenburg-Schweriu.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog, Höchstwelcher am 13. d. M. von einer dreitägigen Segelfchrt nach den Hyerischen Jnseln wieder in Cannes eingetroffen war, hat sich, wie die „Meckl. Nachr.“ erfahren, am 14. d. M. mit Jhrer Kaiserlichen Hoheit der Großherzogin an Bord der russischen, dem Herrn von Kusnetzow gehörigen Yacht „Forös“ begeben, um eine Exkursion entlang der Küste Jtaliens zu unter- nehmen, deren Dauer auf etwa aht Tage berechnet ist.

Sachsen-Weimar-Eisenach.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog begiebt sich, der „Th. Korresp.“ zufolge, heute nah der Wartburg, wo- selbst gegen Ende der Woche Seine Majestät der Kaiser eintreffen wird.

Sachsen-Coburg-Gotha.

Jhre Kaiserlihen Hoheiten der Großfürst Thron- folger, der Großfürst und die Großfürstin Wladimir, der Großfürst und die Großfürstin Sergius und der Großfürst Paul von Rußland, ‘sowie Seine Durh- laucht der Prinz und Jhre Hoheit die Prinzessin Arbe von Unhali nd gettern Nachmittag in Coburg eingetroffen. Am Bahnhof fand großer Empfang statt. Vorher war bereits die Ankunft Seiner Durchlaucht des Prinzen und Jhrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Philipp von Sachsen-Coburg erfolgt. Jhre Königliche

oheiten der Herzog und die Herzogin von Connaught trasen heute Mittag in Coburg ein. hre Majestät die Aontgin “von Groybruannien 1st mit Seiner DULMlau Ot dem Prinzen und Zhrer Koniglichen Hoheit der Prinzessin Heinrih von Battenberg Pen Nachmittag 4 Uhr 30 Minuten ein. Für den Empfang ist, wie die „Coburger Ztg.“ meldet, folgendes Programm fest- geseßt worden: Seine Königliche Hoheit der Herzog, Jhre Kaiserliche Hoheit die Herzogin sowie Jhre Königlichen Velten der Erbprinz und die Prinzessinnen Victoria und Alexandra von Sachsen-Coburg sind am Bahnhof anwesend. Beim Eintreffen des Zuges beginnt das Geläut sämmtlicher Glocken der Stadt, eas werden von der Veste Kanonenschüsse abgegeben. Die Ehrenwache bildet eine Eskadron des 1. Garde-Dragoner-Regiments Königin von Großbritannien und Jrland mit der Regimentsmusik, welche die englische Nationalhymne spielt. Jhre Majestät fährt die Eskadron ab und begiebt sih sodann mit dem Herzog und der Herzogin unter Eskorte der Garde - Dragoner nah dem Residenz- lose. A dem exten riumphbogen wird die Königin durh eine Ansprache des Ober - Bürgermeisters be- rüßt. Auf dem Schloßplaß ist das in Coburg garnisonierende ataillon des 9. _ Infanterie-Regiments aufgestellt. Jhre Majestät fährt im Schritt an dem Bataillon vorbei, worauf ein Borbeimarsch des Bataillons und der Eskadron vor Jhrer Majestät stattfindet. Jm Schlosse werden der Herzog und die Herzogin Jhre Majestät durch den Aufzug nach dem Rothen Saal geleiten, woselbst sich der Hofstaat ver- sammelt. Jm Thronsaal wird die Königin von den an- wesenden Höch sten Herrschaften, in ihren Gemächern von Jhrer Hoheit der Herzogin-Wittwe empfangen werden.

Der Landtag hat in seiner gestrigen Sißung den Antrag des Abg. Bock a1 Einfilhring des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts bei den Landtagswahlen nah längerer Debatte mit allen gegen 6 Stimmen abgelehnt.

Deutsche Kolonien, Das „Deutsche Kolonialblait“ veröffentlicht eine Verords nung des Kaiserlichen Gouverneurs von A

betreffend den Ausschank u nd den Verkauf von geistigen Getränken, vom 17. Februar, wonach der Aus\hank von

uständigen Behörde (Bezirksamt, Bezirksnebenamt, Statig lies Erlaubnißscheins zulässig ist. Der Erlaubniß fann sih erstrecken: 1) auf den Ausschank geistiger Getränke aller Art oder 2) auf den Ausschank von Wein, Vier Und Wermulh Jn levleyen Fall it dem Gesuch: steller das Halten von Branntwein und branntweinähnlige Getränken verboten und dieses Verbot in dem Erlaubnißschein zum Ausdruck zu bringen. Der Erlaubnißschein hat nur für die darin genannte Person und die darin bezeichnete Wirth. schaft sowie nur auf die Dauer eines Kalenderjahres Gültig. keit. Der Erlaubnißschein ist in der Wirthschaft öffentlich auszuhängen. Der Aushang des Erlaubnißscheins Tann von der oben erwähnten Behörde durh eine Ordnungss\trafe von wei bis zehn Rupien erzwungen werden. Für die Ertheilun Ves Erlaubnißscheins ist in dem Falle der Nr. 1 eine Gebühr von 150 Rupien und im Falle der Nr. 2 eine solche von 100 Rupien zu entrichten. O Ueber Umtriebe Bwana Heri's in Deutsh-Of. afrifa berichtet das „Deutsche Kolonialblatt“ Folgendes : Dey. aus dem früheren Araberaufstand als einer seiner Hauptführer bekannte Bwana Heri war gegen das Ende des verflossenen Jahres aus Sansibar, wo er zuleßt gelebt hatte, heimlich auf dás Festland zurückgekehrt und hatte sih in Mlembule hinter Saadani niedergelassen. Einer Aufforderung der Behörden, sich in Saadani persönlich einzufinden, leistete Bwana Heri keine Folge, entzog sich auch dem Versuch, ihn dingfest zu machen, durch die Flucht, verhielt sih aber im übrigen zunächst verhältnißmäßig ruhig. Als indeß Bwana Heri bei Pamkunde in der Nähe von Palamakaa eine feste Boma anlegte und sih durch Beunruhigung von Karawane lästig machte, wurden Anfang März d. J. unter Leitung des Kompagnieführers Podleh von Saadani aus zwei Kompagnien mit zwei Geschüßen gegen ihn ausgesendet. Am 6. März wurde Bwana Heri’'s Boma genommen; ihm selbst gelang es leider, im Schuße des jene Gegend bedeckenden dichten Buschez zu entkommen. Jn der Annahme, daß er sich seewärts ge: wandt haben werde, sind unverzüglich Maßregeln getroffen worden, um die fragliche Küstenstrecke scharf zu überwachen, Bei Einnahme der Boma wurden auf Seiten der Truppe ein Sudanese verwundet und ein Träger getödtet. Einem Bericht aus Kamerun zufolge sind sämmtlithe infolge der Unruhen beschädigten staatlihen Gebäude ein: s{ließlih des Hospitals wieder ausgebessert und in Benugzunz genommen.

Oefterreich-Ungarn.

Im österreihishen Abgeordnetenhause beantragte dem „W. T. B.“ zufolge gestern der Abg. Hofma nn, die Debatte über die Antwort zu eröffnen, die der Justiz-Minister Graf Schönborn am Sonnabend auf die Jnterpellation Pra de über Konsfiskationen von Zeitungen gegeben habe. Der Antrag wurde abgelehnt. Der Abg. Nuß erklärte, die Beantwor: tung habe für die deutsche Linke eine ungewöhnlich peinliche Ueber: raschung gebildet. Die Linke wünsche eine rasche Aenderung des Gesetzes, das solche Jnterpretationen ermöglihe. Der Abg, Pacák (Jungczeche) beantragte, den Preßausschuß zu be- auftragen, binnen aht Tagen Bericht zu erstatten. Dieser Antrag wurde mit starker Majorität unter Beifall angenommen; die deutshe Linke stimmte dafür. Das Haus trat sodann in die Berathung des Gesezentwurfs über die Meldungspflicht der Landfturmpflichtigen ein. Die Abgg. Pacák, Kaiser und Somwanek lehnten die Vorlage ab, weil ste von ihr eine Mehrbelastung und Ueberbürdung der Gemeinden befürchteten. Suvane male Det Vorn Da De Mils behörden die czehische Sprache geradezu mißachteten. Nachdem der Berichterstatter die Vorlage befürwortet hatte, wurde die Debatte abgebrochen. Der Abg. Biancini brachte ein Interpellation über die Durchführung der Weinzollklausel in italienishen Handelsvertrag ein und bemerkte, in der leßten Zeit sei viel mehr griehisher Wein als italienischer eingeführt worden. H

Das ungarische Unterhaus seßte gestern die Spezial debatte über das Ehegesez fort. Der Abg. Graf Apponyi beantragte strenge Bestimmungen zur Erschwerung der Ehr scheidungen und bat, den betreffenden Abschnitt Der Vorlage an den Zustizaus\chuß zurükzuverweisen. Der Justiz-Minister von Szilagyi stimmte dem Antrage mit dem Bemerken zu, daß er die Loyalität der Gegner, die der Vorlage keine über

flüfsigen Schwierigkeiten bereiteten, erwidern wolle.

Großbritannien und JFrland. :

In der gestrigen Sizung des Unterhauses erklärte, wie „W. T. B.“ berichtet, der Kanzler der Schaßkammer Sir W. Harcourt bei Vorlegung des Budgets, daß troß der schlechten Handelsverhältnisse des Vorjahres die Lage det Finanzen nicht so ungünstig sei, wie man dies habe erwarte! dürfen. Die Art, wie England den Sturm bestanden habe, |el eine praktische Warnung gegen die shußzöllnerischen Rathschläge und die Rathschläge über die Währung. Der Kanzler veran IOante die Ausgaben auf 951/2 Millionen, die Einnahmen U 91 Millionen und somit das Defizit auf 41/2 Millionen Pfun Sterling. Das Budget suspendiert den Tilgungsfonds bezüglià der neuen, aus dem Reichs - Vertheidigungsgeseß und aus den Neichs-Marinevertheidigungsgeset entstandenen Schulden. Hier durch, sowie durch erhöhte Einnahmen aus den Sueztano/ aktien wird das Defizit auf 2400 000 Pfund Sterling repuge Zur Deckung wird eine weitgehende Reform der Erb chaf! steuer vorgeschlagen, die, steigend von 1 bis 8 Proz., glei me allem beweglichen und unbeweglichen Gut bei Todesfällen L erlegt werden soll, aber e kleine Verlassenschaften Na ; lässe bewilligt. Diese Reform werde später eine fin liche Mehreinnahme von 31/, bis 4 Millionen Pfund Ster Ne in diesem Jahre nur von einer Million, bringen. s gierung s{hlägt eine Erhöhung der Einkommensteuer Erlasse auf 8 Pence pro Pfund Sterling vor, gewährt aber Er bis auf Häuser und Land sowie bei einem Jahreseinfomn@ ü zu 400 Pfd. Sterl., erhöht den steuerfreien A A ¿0 Pf. 160 Pfd. und führt bei einem Fahreseinkommen bis zu 9 glägt einen steuerfreien Betrag von 100 Pfd. ein. Des weitern | pro die Regierung die Erhöhung der Biersteuer um 6 Pence ù gab und der Spritsteuer um 6 Pence pro Gallone vor. N Sndresultat des Voranschlages is ein Ueberschuß bas 290 000 Pfd. Sterl. Goschen bezeihnete das Budget a Das anfechtbarste, das seit langer Zeit eingebracht worden E cten Haus nahm im Verlaufe der Sißung die im Budget E ¡ritu&- Vorschläge über den Theezoll und die Bier- und ‘ber die steuer in erster Lesung an, vertagte aber die Debatte U

geistigen Getränken jeder Art nur auf Grund cines von der

Erbschaftssteuer.

Der verhaftete Anarchist Francesco Polti wurde estern dem Gericht in Bowstreet vorgeführt. Der Gerichts- aal war überfüllt. Der Angeklagte gab an, 19 Jahre alt zu sein. Die Polizei bekundete, daß Polti bei der Verhaftung eine große ungelade ne Bombe bei sih gehabt habe. Auf dem Tish lagen als Bewei sstüce die erwähnte Bombe und mehrere bei Polti gefundene Gegenstände, darunter eine Flasche mit Schwefelsäure, ein P acket Pulver und ein Bericht über Nobel- Dynamit. Die Angelegenheit wurde auf eine Woche vertagt.

Frankreich.

Der gestern an die Parlamentsmitglieder vertheilte udgetentwurf pro 1895 veranschlagt die Einnahmen auf 3 424 407 000 Fr., die Aus gaben auf 3 423 893 000 Fr., sodaß sich ein Uebershuß von etwa einer halben Million ergiebt. Das ursprünglich vorgeschene Defizit von 140 Millionen ist durh das Ergebniß der letzt en Konversion, durch die Erhöhung der Einnahmen aus den in direkten und den direkten Steuern (darunter aus der ne uen Dienstbotensteuer etwa 15 Millionen) und durch die Reduktion der Bahn-Zinsgarantie von 135 auf 79 Millionen beseitigt. Die Ausgaben für das Heer und die Marine betragen 926 Millionen Francs.

Nußland.

Der Wirkliche Staatsrath Dobranißky is, wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg berichtet, endgültig zum russischen General-Kommissar für die Antwerpener Ausstellung ernaunt worden

Das Finanz-Ministerium hat im Prinzip beschlossen, daß von dem in Rußland befindlihen Nachlaß dort ver- storbener ausländischer Unterthanen eine Erbschafts steuer zu erheben ist. Bei der Uebergabe des Nachlasses an den ausländischen Konsul oder diplomatischen Ver- iele Jol ein Beamter des pan - Ministeriums anwesend sein. Die Zahlung der Erbs )aftssteuer, die inner- halb 6 Monate erfolgen muß, ist dur einen Theil des Nach- lasses, resp. durch W erthpapiere sicher zu stellen. Falls die vorgeschriebene Frist niht eingehalten wird, tritt Strafe ein.

Jtalien.

Die Königin von Großbritannien und Frland e melde mit dem Prinzen und der Prinzessin Hein rih von Battenberg gestern Mittag 121/, Uhr von Florenz nah Co bu rg abgereist, wo die Ankunft heute Nachmittag erfolgt.

In der gestrigen Sißung der Kommission der Depu- tirtentkammer, welche die Regierungsvorlage über die außerordentlihen Vollmachten zu prüfen hat, erklärte, wie die Blätter vernehmen, der Minister - Präsident Crispi, die Kammer solle zuerst den Staatsvoranschlag, sodann die Finanzvorschläge und s\chließliG die Aubezoibeniiin Vollmachten berathen. Mit Bezug auf leßtere Vor- e soll der Minister - Präsident erklärt haben, er beab- sichtige weder die kommunalen noch die provinzialen Wahl- kreise abzuändern ; er werde sich niemals anmaßen, die Steuern abzuändern oder neue eigenmächtig aufzuerlegen, an den in Rechtskraft befindlichen Gesezen zu rühren oder das geltende Wahlsystem anzutasten. Das Ziel der verlangten außerordent- lihen Vollmachten sei eine Vereinfahung der verschiedenen Verwaltungszweige und dadurch cine Verminderung der Aus- gaben. Die auf Grund der Regierungsvorlage zu ernennende Kommission solle den Minister beim Studium und der Ausführung der nothwendigen Reformen unterstüßen, habe jedoh nur eine fkonsultative Bedeutung ohne maßgebendes Stimmrecht. Die Blätter fügen diesen Erklärungen hinzu, Crispi habe sih geneigt gezeigt, einen Vorschlag anzunehmen, dur den cine Reform der Steuern und Abgaben von den auf Grund der außerordentlichen Vollmachten vorzunehmen- den Reformen ausdrücklich ausgeschlossen werde. Bezüglich des Ausschlusses von Reformen auf dem Gebiet des zivilrechts oder gewisser politischer Rechte habe sih der Minister-Präsident weitere Prüfungen vorbchalten. Endlich habe Crispi erklärt, diejenigen seien im Irrthum, die ihm den Vunsch oder die Absicht einer Kammerauflösung zuschrieben, Ganz im Gegentheil wünsche er lebhaft einen Weg zu ver- meiden, der für alle voll von Schwierigkeiten sei.

_JIn der Deputirtenkammer beantwortete gestern der Minister des Auswärtigen Baron Blan c cine Anfrage des Deputirten Lucifero über die Ursache der langen Haft von Contino und Micelli in Nio de Janeiro , über die Lage der italienishen Staatsangehörigen in Brasilien und über das Ver- halten des Vertreters Jtaliens gegenüber den vorgekommenen Be- lästigungen mit der Versicherung, daß es der italienischen Gesandt- schaft stets gelungen sei, die Freilassung italienisher Staats- angehörigen, die wegen unhaltbarer Verdachtgründe unter An- chuldigung eines Einverständnisses mit den Jusurgenten ver- haftet worden seien, zu erwirken. Am Schlusse der Sißzung verlangten die Abgg. Luigi Nossi und Cavalotti, daß die Verhandlung über die Finanzmaßregeln nah dem Budget der öffentlichen Arbeiten, über das bereits berathen worden el, auf die Tagesordnung geseßt werde. Der Minister- Präsident Crispi erklärte unter der Aufmerksamkeit des Hauses, alle Budgets müßten vor jeder anderen Frage den

Vorrang haben. Die Berathung der Budgets biete die einzige

Gelegenheit, über die von der Fünfzehner-Kommission vorge- hlagene Ersparniß am Militär:Etat von im ganzen 20 Millionen zu verhandeln. Wenn gelegentlich des Militär:Etats das Haus diese Verirrung die Ersparniß von 20 Millionen für mög- ih halten sollte, w erde die Regierung wissen, was sie zu thun abe. (Lang anhaltende Bewegung.) Der Minister-Präsident fügte hinzu, es sei unmöglih, nur einen Theil der Finanz- maßregeln zu berathen. Er werde nicht erlauben, daß die Finanzmaßregeln vor den Budgets berathen würden, und ih Jedem abweichenden Vorschlag widerseßen. Er hoffe, die Kammer werde die Regierung nicht zwingen, zu anderen Mitteln u greifen. (Lange Bewegung.) Der Finanz-Minister Sonnino erklärte, die Kommission habe ihren Bericht theilen wollen und camit keinen Beweis von Patriotismus gegeben, außerdem Ute Vollmachten überschritten. Er werde nicht einen Augen- lik länger auf seinem Posten bleiben, wenn die Kammer die Finanzmaßregeln zertheilen sollte. Der Abg. Luigi Nofssi estand nicht auf seinem Vorschlag. Unter lebhafter Bewegung wurde die Sizung aufgehoben.

Spanien.

Jm Senat ist es, wie „W. T. B.“ aus Madrid meldet, gestern wegen der Haltung der Kommission für die Handels- erträge mit auswärtigen Staaten zu einem persönlichen wishenfa ll zwishen dem Minister der Auswärttgen O und dem Ko mmissionsmitgliede Marquis Mochales getommen. Beide schickten sih ihre Zeugen zu.

Die Kammerkommission erstattete einen für die Ge- sepvorlage gegen die Anarchisten günstigen Bericht, der nur leichte Abänderungen empfiehlt.

Belgien.

Der Prinz von Wales traf auf der Reise nah Coburg gestern Abend in Brüssel ein und wurde am Bahnhof von dem König, dem Grafen von Flandern und dem Prinzen Albert empfangen. Nach einem Diner im König- lihen Palais seßte der Prinz mittels Sonderzugs die Reise fort.

Serbien.

_ Vei einem gestern zu Ehren des neuen Kabinets gegebenen Diner, woran die bisherigen Minister Simic und © ija- towic theilnahmen, brachte der König einen Trinkspruch auf das neue Kabinet aus, worin er es dem „W. T. B.“ zu- folge seines Vertrauens versicherte und: die Erwartung aus- sprach, das Kabinet werde mit Energie und Ausdauer sein Ziel verfolgen. Gleichzeitig dankte der König den anwesenden bisherigen Ministern für die Bereitwilligkeit, mit welcher die- selben in einem shwierigen Momente seinem Ruf gefolgt seien. __ Die Demission des Gesandten in St. Petersburg Pasic ist angenommen worden,

Bulgarien.

Der „Politischen Korrespondenz“ wird aus Sofia ge- meldet, daß der Ministerrath sich in den leßten Tagen wieder- holt mit dem bulgarish-serbishen Grenzkonflikt be- schäftigt habe und daß beshlossen worden sei, eine dringende Note an das serbische Kabinet zu rihten und darin die präzise Veantwortung der bulgarischen Beschwerde zu fordern.

Schweden und Norwegen.

Das Storthing hat gestern nah ciner Meldung des „W. T. B.“ mit 60 gegen 51 Stimmen den Antrag des Abg. En- elhardt angenommen, einen besonderen Storthing- aus sub für die Berathung des Konsulatsbudgets niederzusezen. Am Schluß der Sißung brachte der Abg. Mynster den Antrag ein, verfü eee bei den Marine- Werkstätten eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden ein- zuführen.

Amerika.

Dem „Reuterschen Bureau“ wird aus Montevideo gemeldet: Die Berichte über den Aufenthalt de Mello's widersprächen sih. Es scheine, daß de Mello nicht selbst an der Küste von Uruguay gelandet sei, sondern den General Salgado mit 400 unbewaffneten Leuten gesandt habe, die sich en Behörden von Uruguay ergeben hätten. Die „Republica“, auf welcher die Jnsurgenten angekommen seien, habe später auf Befehl der Behörden von Uruguay bie Küste verlassen, sei nah Rio Grande gesegelt und habe dort Truppen gelandet, die von Peixoto nah den Booten zurückgetrieben worden seien. Wie „W D B qus Rio de Janeiro von gestern meldet, hätte der Marschall Peixoto der Regierung von Uruguay das Anerbieten gemacht, die Kosten für die Rückkehr der brasilianischen Flücht- linge zu tragen. Er wolle ihnen, mit Ausnahme der Führer, eine Amnestie zugestehen. Die Schiffe der Aufstän- dishen „Republica“, „Meteoro“, „S8 Urañno“ und „Esperanza“ sind in Buenos A ires eingetroffen.

Afrika. _ Wie das „Reuter he Bureau“ aus Kairo meldet, be- stätigt sih die gestern bereits berichtete Zusammenseßung des neuen Kabinets. Die neuen Minister wohnten gestern

Vormittag dem Empfange im Palais bei und übernahmen sodann ihre respektiven Portefeuilles.

Parlamentarische Nachrichten,

Der Schlußbericht über die gestrige Sißung des Rei chs- tags sowie der Bericht über die gestrige Sißung des Hauses der Abgeordneten befinden sih in der Ersten Beilage.

Jn der heutigen 84. Sigzung des Reichstags nahm bei Beginn der ersten Berathung des Gesetzes, betreffend die Verlängerung der E für die Gestattung von Ausnahmen von der in § 120 Abs. 1 der Gewerbeordnung für den Unterriht in Fortbildungs\hulen getroffenen Be- stimmung, das Wort der Königlich preußische Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berleps ch.

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten fuhr in seiner heutigen 51. E welcher der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse mit Kommissarien beiwohnte, in der dritten Berathung des Staatshaushalts-Etats für 1894/95 weiter fort, und zwar bei dem Etat des Ministeriums der geistlihen 2c. Angelegenheiten. Ueber den Verlauf der Berathung werden wir in der morgigen Nummer d. Bl. ausführlich berichten.

In der Steuerkommission des Reichstags wurde heute die gestern abgebrochene Berathung des E fortgeseßt. Abg. Gamp (Np.) befürwortete eine wenn au mäßige Besteuerung des Tabaks, die, wie er meint, so eingerichtet werden könne, daß weder Fabrikanten, noch Arbeiter, weder Tabackbauern, noch Konsumenten geshädigt werden können. Dieser Weg sei eine progressive Besteuerung in der Weise, daß die billigsten Sorten womöglih garniht, und je theurer mit einem steigenden Prozentsatz besteuert würden. Man müsse mit einer mäßigen Be- steuerung anfangen, damit \sich das Volk allmählich an die Ver- theuerung gewöhne. Man habe bei der Branntweinsteuer gefehen, wie eine plößlich eingetretene zu hohe Steuer den Konsum wesentlich herabgemindert habe. Der Reichstag würde sih ein Verdienst au um die Industrie erwerben, wenn er Hand in Hand mit der Regierung einen Weg ausfindig zu machen suche, auf dem eine mäßige Besteuerung bewirkt werde, ohne daß die Interefsentenkreise geschädigt würden. Daß der Taback noch etwas tragen könne, sei außer Zweifel. Abg. Mei ster (Soz.) erklärt sih mit Entschiedenheit gegen die Vorlage, welche hauptsächlich: die Arbeiter hädigen würde ; denn das Kapital würde es verstehen, die Steuer von si auf die Arbeiter abzuwälzen. Abg. Fürst Radziwill (Pole) tritt für den Entwurfein und hält die Auf- fassung des Vorredners für unbegründet. Es werde si ein Weg inden lassen, auf welchem die Arbeiter nicht geshädigt würden. Abg. raf Roon (dkonf.): Wenn auch die Konservativen im Prinzip darüber einig seien, daß eine Finanzreform nöthig sei, so sei doch ein Theil seiner poli- tischen Freunde mit ihm gegen die vorgeshlagene Steuer. Seine Heimath, Westfalen, erfreue si einer ausgede nten Tabaindustrie, welche durch den vorgelegten Entwurf s{chwere Schädigung erfahren würde. Das Rauchen fei ¿war ein Luxus, aber hier kämen

weniger die „Konsumenten als die Produzenten in Frage, und daß die Arbeiter hier geshädigt werden würden,

sei nit zu leugnen. Würde man nur die theuren Sorten besteuern, dann käme kein wesentliher Steuerertrag heraus, und eine höhere Besteuerung des ausländischen Nohtabacks würde die norddeutsche Industrie zu Gunsten der süddeutschen empfindlich schädigen. Abg. Molkenbuhr (Soz.): Daß man den armen Tabakbauern vorrede, ihre Interessen würden durch die porgeschlagene Steuer gefördert, fei nicht loyal. Denn wenn 100 000 Bauern Nu abad bauen würden, so würden 50 Millionen Kilo Taback mehr produziert werden, als man in Deutschland verbrauhe. Also müßten nit nur unsere Millionäre sih daran gewöhnen, pfälzishe Zigarren zu rau en, sondern man müßte noch 50 Millionen Kilo exportieren, und das werde doch niemand glauben, daß das Ausland uns das minder- werthige Kraut, das in Deutschland erzeugt werde, abnehmen würde. Es würden also den Tabackbauern Luftbilder vor- gegaukelt. Auch durch den Schußzoll werde nichts erreiht; die Amerikaner seien von ihrer Scchwärmerei für die Zölle schon geheilt, denn dur die Mac-Kinley-Bill sei der Tabackbauer nur ge- [hädigt worden, und da, wo früher Schußzöllner gewählt wurden, hâtten jeßt Demokraten, also Freihändler gesiegt. Unsere Arbeiter seien hon jeßt dur die bloße Einbringung der Vorlage geschädigt worden. Die erhöhte Tabaksteuer von 1879 sei au auf die Arbeiter abgewälzt worden. Ein Hamburger Fabrikant, der vorher den Arbeitern durchschnittlich 18 A Wochenlohn zahlte, habe seine Fabrik nach auswärts verlegt, wo er nur 6 bis 7 zahlte. Das würde auch nach Annahme der gegenwärtigen Vorlage der Fall sein. Die Sozial- demokraten feien also Gegner der Vorlage, welche vielen Arbeitern niht nur den Lohn s{chmälern, sondern sie geradezu dem Hungertode preisgeben würde. Abg. Frese (fr. Vg.): Die Kontrole für die Tabadckbauern könne auch ohne dieses Gesetz erleihtert werden. Die von dem Abg. Gescher vorgeschlagene Werthsteuer sei steuertechnish unmöglich. (Fin Fabrikant fönne beispielsweise 50 Ballen Rohtaback zum Durchschnittspreis von 2 4, kaufen; der Werth der einzelnen Ballen könne aber doch zwishen 10 A und 75 pro Kilo differieren, wo der Fabrikant troßdem fämmtlihen Taback nah dem Werth von 2 4 verzollen müßte. Wenn Herr Gamp ge- sagt habe, ihm hätten Fabrikanten versichert, eine Steuer von 12 Millionen sei ihnen genehm, fo erscheine ihm dies sehr fonderbar, er kenne keinen einzigen Fabrikanten, der eine solche Ansicht habe. Eine Werthsteuer auf ausländische Tabacke würde hauptsächhlih den Sumatra- Taba treffen, welcher aber selbst bei den billigsten Paten zur Anwen- dung kommen müsse, da deutsher Taback als Deckblatt garnicht ver- wendbar sei. Es würden also auch die allerbilligsten Sorten betroffen werden. Er bitte die Vorlage einfach abzulehnen. Abg. Basser- mann (nl.): Ein Theil feiner politischen Freunde sei na reifliher Ueberlegung dazu gekommen, die Vorlage abzulehnen. Ein- mal aus politishen Gründen, denn diese Steuer stehe im Widerspruch mit den Versprehungen, die der Reichskanzler bei der Berathung der Militärvorlage gegeben. Sodann aber auch aus wirthschaftlihen Gründen, denn durch diese Vorlagen würden gerade die Éleineren und mittleren Existenzen vernihtet werden, weil die höhere Steuer ein erhöhtes Betriebskapital bedinge. Dann aber würde auch die Kontrole, namentlich bei der bureaukratishen Art unserer deutschen Beamten unerträglich sein. Der Großbetrieb würde sich seine Produktion ¿u sichern wissen, aber der kleine Betrieb würde untergehen. Die Zigarrenindustrie wirke sozialpolitisch segensreih, das könne man besonders im Großherzogthum Baden wahrnehmen, wo überall, selbst in den [kleinsten Dörfern, Zigarren- fabriken bestehen , die meist von kleinen Leuten, von ehemaligen Zigarrenarbeitern gegründet worden sind. Die ZTabackbauern leiden zumeist an den Kontrolmaßregeln, das zeige fh auch darin, E in Baden, wo die Kontrole von der Regierung milder gehandhabt werde, niht so sehr über die \chlechte Lage des Zabackbaues geklagt werde, wie im Elsaß und i der Pal Ein Zollshuy sei allerdings nothwendig. Es betheiligten sich weiter an der Debatte noch die Abgg. Graf Douglas (dkonf.) und Dr. Clemm- Ludwigshafen (nl.), die im großen und ganzen der Vorlage fsympathisch gegenüberstehen, der Staatssekretär Graf von Posadowsky, der ausführte, daß alle Gegenvorschläge _unmöglih seien und nur die Tabasteuer ¿um Biel führen könnte; ferner der Abg. Freiherr von Stumm (Rp.), der die Nothwendigkeit neuer Ein- nahmen betont, die Abgg. Richter (dfr.) und Gescher (fons.), welcher leßtere beantragt, in § 1 den Zoll festzuseßen für Taback- blätter auf 60 4 (Vorlage 40 M); für Zigarren auf 600 M (statt 400 4); für Zigaretten auf 1000 A (statt 500 6). Die Ver A kamen noch niht zu Ende; fie follen morgen fortgeseßt werden.

Von dem Abg. von Plöß (dkons.) wurde im Reichstag in Form eines Geseßentwurfs folgender Antrag eingebracht: § 1. Für Wolle und Lumpen wird im Deutschen Reich vom Tage der Publi- kation dieses Gesetzes ab ein Einfuhrzoll erhoben, welcher beträgt: für ungewashene Wolle 25 Æ, für gewashene Wolle 50 Á, für ent- fettete Wolle 75 4, für gekämmte Wolle 20 6, für Lumpen und für aus Lumpen hergestellte Wollsurrogate 25 M pro Zentner. § 2. Der Zoll für die eingeführte Rohwolle ift, soweit das aus ihr her- gestellte Fabrikat dur Ausfuhr in das Ausland gebraht wird, zu seinem vollen Betrage dem Exporteur zurückzuzahlen. §3. Die Aus- führungs- und Uebergangsbestimmungen hat der Bundesrath zu erlassen.

Die X[IV. Kommission des Hauses der Abgeordneten, zur Vorberathung des Gesetzentwurfs zur Abänderung und Ergänzung der Geseße vom 25. Mai 1874. betreffend die evan - gelishe Kirhen-Gemeinde- und Synodalordnung vom 19. September 1873 für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen (Geseßz-Samml. S. 147) und vom 3. Juni 1876, betreffend die evangelishe Kirchen- verfassung in den aht älteren Provinzen der Monarchie (Gesetz- Samml. S, 125), hat si folgendermaßen fonstituiert: Vorsitzender : Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa; Stellvertreter des Vor- sigenden: Abg. Grütering; Schriftführer: Ab g. Dr. Irmer, Weyer- busch, Dr, Paasche; Mitglieder: Abgg. Freiherr von Dobeneck, Dr. Klasing, Freiherr von Liliencron, Dr. Schilling, Sielermann, Schreiber, Freiherr von Zedliß und Neukirch, Dr. Enneccerus, von Eynern, Sa, Dr. Weber (Halberstadt), Dr. Bachem, Dr. Brüel, von Detten, Dr. Porsch, Knörte.

Kunst und Wissenschaft.

Der Genremaler Professor Chr. Ludwig Bokelmann, Schöpfer des im R der National-Galerie befindlihen Gemäldes „Die Testamentseröffnung“, ist, wie die „Nat. - Zt meldet, im

Alter von fünfzig Jahren am 14. d. M. verstorben. Außer seinem ge- nannten Bilde, das ihm 1879 die große goldene Me- daille eintrug, sind am kefanntesten: „Jm Trauerhause“,

„Im Leihhaus“, „Eine Volksbank vor dem Zufammenbruh*, „Die Auswanderer“ (im Besi der Dresdener Gemälde-Galerie), „Die Verhaftung“ im Provinzial-Musecum zu Hannover, „Die leßten Augenblicke eines Wahlkampfes*“ und „Die Spielbank zu Monte Garlo* 2x. Bokelmann, der im_ Jahre 1844 zu St. Jür en bei Bremen geboren war und seine Studien in Düsseldorf bei Wilhelm Sohn mate, war seit einigen Jahren Lehrer an der Akademischen Hochschule für die bildenden Künste hierselbst. In Rom ist am Donnerstag v. W. der Mathematiker Don Baldassare Boncompagni, doi Principi di Piombino, S der Königlih preußischen Akademie der Wissenschaften, gestorben. L 5

Die Königlich dänische R der Wissen- schaften hat, laut Meldung des „W. T. B.“ aus Kopenhagen vom gestrigen Tage, als Mitglieder aufgenommen: den Botaniker Profesor Pfeffer in Leipzig, den Botaniker Geheimen Regierungs-

Nath Professor Pringsheim in Berlin, den Arhäologen Professor Dörpfeld in Athen und den Philologen Goeze in Leiden.