1894 / 90 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 17 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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Der Antrag Roeren wird mit 131 gegen 112 Stimmen angenommen. Der Rest des Gesehes wird ohne Debatte nach den Beschlüssen der Kommission genehmigt, die Ueberschrift nah dem Antrage Roeren gestaltet. i

Der Präsident schlägt vor, jeßt die Zolltarifnovelle in Gei A zu nehmen; es liegt das im Jnteresse der

eschäfte.

Die Abgg. Dr. Bachem und Richter widersprechen diesem Vorschlage mit Rücksicht auf die Schwierigkeit des Gegenstandes.

Der Vorschlag des Präsidenten wird E

Zur dritten Berathung des Gesegentwurfs nah dem Antrage Schröder, betreffend die Kündigungsfristen der Hand-

lungsgehilfen u. \. w. hat der

Abg. Spahn (Zentr.) einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Beschlüsse zweiter Lesung im Handelsgeseßbuh anders grup- piert und materiell diese Beschlüsse insofern ändert, als die gleiche Kündigungsfrist von vier Wochen auch dann Anwendung finden soll, wenn das Dienstverhältniß für bestimmte Zeit eingegangen und dabei vereinbart ist, daß dasselbe mangels einer Kündigung als ver-

längert gelten soll. i Außerdem soll nah dem Antrag Spahn der Beschluß weiter Lesung, soweit er den Anspruch auf Gehalt in Krank deitsfällen betrifft, dahin geändert werden: Vereinbarungen, welche diesen Anspruh ausschließen oder einshränken, sind ungültig. ; E :

Verhandelt wird zunächst über diesen Theil der Beschlüsse zweiter Lesung. (Art. 60 des Handelsgeseßbuches.)

Abg. Singer (Soz.) kann“ eine Nothwendigkeit, an dem Be- \{lusse zweiter Lesung zu ändern, nicht anerkennen, wird aber doch im Interesse des Zustandekommens des Entwurfs dafür stimmen. Er bedauert, daß es nicht gelungen ist, einen Kündigungstermin festzuseßen, der auf den Ersten jedes Monats gestellt ist; nur ein solcher hätte den gerechten Ansprüchen der Handlungsgehilfen genügt. /

Abg. Dr. von Buchka (dkons.) giebt der in zweiter Lesung be- s{lossenen Redaktion den Vorzug, wenn nicht, was das beste wäre, die ganze. Aenderung abgelehnt würde. Die Handlungsgehilfen seien vor zwei Jahren dem Krankenkassengeseß unterstellt und würden durch die Fassung, soweit sie unter 2000 4 beziehen, demselben wieder ent-

zogen, was durchaus unerwünscht set. :

Abg. Spahn (Zentr.): Aus demselben Grunde wird ein großer Theil meiner Freunde gegen den Antrag zu Art. 60 stimmen.

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.) erklärt sich aus demselben Grunde gegen denselben. E

Der Antrag Spahn und der Art. 60 nah den Beschlüssen zweiter Lesung werden abgelehnt. :

Art. 61 (Kündigungsfrist) wird nah kurzer Debatte, an welcher sih die Abgg. Spahn, Singer, Dr. von Buchka betheiligen, in der Fassung des Antrags Spahn angenommen.

Die Gesammtabstimmung über den Entwurf wird aus- geseß

eßt.

Die Uebersicht über die Einnahmen und Ausgaben der Schußgebiete von Kamerun und Togo, von Südwest- Afrika wird in dritter Berathung N durch Kenntniß- nahme für erledigt erklärt. Für die Rechnungen der Kasse der Ober-Rechnungskammer wird dem Rehnungsleger bezüglich des die: RNeichsverwaltung treffenden Theiles der Rechnung endgültig Entlastung ertheilt.

Die Vorlage, betreffend die Kontrole des Reichshaushalts- Etats, des Landeshaushalts für Elsaß-Lothringen und des Haushalts der Schußgebiete für 1892/93 und 1893/94 wird in dritter Lesung unverändert definitiv angenommen.

Darauf wird die Sißung vertagt. Schluß nah 61/4. Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 50. Sißung vom 16. April 1894.

Der Sigzung wohnen der Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des ÎJnnern Graf zu Eulenburg, der Finanz- Minister Dr. Miquel, der Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden und der Minister der geistlichen 2c. Angelegen- Dr. Bosse mit Kommissarien bei.

Die dritte Berathung des Staatshaushalts -Etats für 1894/95 wird bei dem Etat des Ministeriums des Innern fortgeseßt. : j / : :

Abg. Rickert (frei]. Vgg.) fragt, auf welcher Grundlage die Wahlitatistik der „Statistishen Korrespondenz“ beruhe, ob sie nah

Regierungsbezirken, Provinzen oder für den ganzen Staat aufge- nommen fei. Am besten wäre eine Statistik nah Wahlkreisen. Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Jnnern Graf zu Eulenburg: Meine Herren! Schon die Resultate, welche Ihnen neulich in

ciner Nummer der „Statistishen Korrespondenz“ mitgetheilt worden sind, beweisen, daß nothwendig eine breite und vollständige Unterlage für diese Angaben vorhanden sein muß, weil man eben sonst nicht die summarischen Resultate hätte ziehen können. Die Statistik für die Wahlen zum Hause der Abgeordneten ift aufgenommen vermittels Zählkarten in jedem einzelnen Urwahlbezirk. Es ergiebt sich hieraus, daß es dadurh möglich ist, sowohl für den gesammten Staat, als für die Provinzen, die Regierungs- bezirke, auh die einzelnen Wahlkreise und politishen Kreise diese Zahlen evident zu machen. Ob das nach allen Richtungen hin möglih sein wird, zu veröffentlihen, unterliegt noch der Er- wägung, weil, wie der Herr Abg. Rickert sich selbst sagen wird, wenn man alle die Gesichtspunkte, die hierbei in Betraht kommen für jeden einzelnen Kreis, veröffentlihen wollte, das ein außerordentli starker Band werden würde. Jch will dem Herrn Abg. Rickert aber sagen, welher Plan in Beziehung auf die weiteren Veröffentlihungen besteht, und ich hoffe, daß ih dadurch seine Wünsche befriedigen, jedenfalls seine Anfrage vollständig beantworten kann. Ich habe, wie ih bereits bei der Erörterung dieser Angelegenheit neulich hier im Hause gesagt habe, die Absicht, den Herren eine aus- gedehnte Nummer der „Statistishen Korrespondenz“ zugänglich zu machen, in der in weit umfangreicherer Weise, als in einer einzelnen Nummer die Resultate der Wahlstatistik den Herren bekannt gegeben werden. Außetdem aber wird in ähnlicher Weise, wie das in früheren Fahren {hon geschehen ist, seitens des Statistishen Bureaus eine um- fassende Statistik der Wahlen zum Abgeordnetenhause im Jahre 1893 bearbeitet und in Form der bekannten Hefte des Statistishen Bureaus veröffentlicht werden. Abg. von Pappenheim- Liebenau (kons.) empfiehlt eine ge- seylihe Regelung der Verpflegungsstationen, für welhe die Mittel

infolge der Aufhebung der lex Huene sich vermindert hätten ; ferner müsse eine reichsgeseßlihe Einschränkung der Vagabondage eintreten.

Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Jnnern Graf zu Eulenburg:

gewerblichen und industriellen Verhältnisse ein weitaus stärkerer Zug dieser wandernden Arbeitsucher sich zeigte und nunmehr in einzelnen Gegenden feine8wegs überall eine so starke Jnanspruhnahme dieser Stationen stattfand, daß es für cine Anzahl von Kreisen zu drückend wurde, die Kosten ferner zu tragen.

der einzelne Kreis, in dem eine Station an einer Wanderstraße noth- wendig sei, nunmehr allein verpflichtet sein solle, die Kosten zu tragen für Einrichtungen, deren Wirkungen und Folgen ihren günstigen Ein- fluß auf ein weitaus größeres Gebiet ausdehnen. Dies ist hauptsäch-

welche nah meiner Ueberzeugung des vollen Interesses werth ist. Die Verpflegungsstationen haben eine ganz außerordentlihe Wirkung auf die Verminderung der Bettelei und Vagabondage ausgeübt und, was viel mehr werth ift, sie haben außerordentlich dazu beigetragen, daß einer großen Anzahl von Leuten, denen nichts Anderes übrig blieb, als auf der Wanderschaft Arbeit zu suchen, die Möglichkeit gewährt wurde, dies zu thun, ohne der Bettelei oder Verwahrlosung anheim zu fallen. Wie sehr das anerkannt ist, geht aus der Entwickelung hervor, welhe die Verpflegungsstationen in verhältnißmäßig kurzer Zeit genommen haben.

Vor zwölf Jahren begonnen, hat das Werk sih so ausgebreitet, daß wir Ende 1890 allein in Preußen 951 Verpflegungsstationen hatten, welche den arbeitsuhenden Wanderern die oben bezeichnete Möglichkeit gewährten. Die Träger der Unterhaltungslast diefer Ver- pflegungss\tationen waren mit ganz verschwindenden Ausnahmen Kreise und Gemeinden: von den 951 Stationen waren 783 von Kreisen unterhalten und 68 von Gemeinden genügender Beweis, wie sehr die Kreisvertretungen von der Nüglichkeit ih kann fagen: Noth- wendigkeit dieser Einrichtung überzeugt sind. Die Einrichtung befand sich in fortschreitender günstiger Entwickelung, als mit dem Niedergang der

Es fam dazu, daß sih die Erwägung aufdrängte, warum gerade

lih der Grund, warum die Angelegenheit der WVerpflegungs- stationen in eine Krisis gerathen ist, welche die Erwägung nothwendig macht, auf welhem Wege es möglich und zweckmäßig ist, diese Ein- richtung fernerhin zu erhalten.

Ih habe seit längerer Zeit mein eingehendes Interesse dieser Angelegenheit zugewandt und glaube, daß man sich der Ueberzeugung niht wird verschließen können, daß, wenn man diese wohlthätige Ein- rihtung, welche ein wesentlihes Glied in der Kette der Maßregeln zur Unterstüßung der wirthschaftlih Schwachen bildet, aufreht er- halten will, eine Hilfe der Gesetzgebung nicht zu vermeiden sein wird. Fs ist das auch nicht etwas ganz Neues; es ist bereits in anderen Staaten derselbe Weg beschritten worden: in mehreren Ländern der österreih - ungarishen Monarchie, in Ober- und Nieder- Oesterrei, in Steiermark, in Böhmen i} auf geseßlichem Wege das Verpflegungésstationswesen geregelt, ebenso in einzelnen Kantons der Schweiz; und ih bin gerne bereit, diese Angelegenheit in Erwägung zu nehmen, und, wenn die weiteren Ermittlungen die- selben Resultate ergeben, welche jeßt vorliegen, die Regelung der Sache im Wege der Geseßgebung in Aussicht zu nehmen, vorausgeseßt, daß ih aus der Anregung, die soeben hier aus- gesprochen ist, die Aussicht entnehmen kann, daß eine folhe Vorlage hier ein wohlwollendes Entgegenkommen und demnächst Annahme finden wird. (Bravo!)

Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (konf\.) spricht feine Befriedigung darüber aus, bringt aber einen Zweifel aus dem Gebiet der Landgemeindeordnung zur Sprache. Die Vereinigung von Ge- meinden „wegen örtlich verbundener Lage“ dürfte doh nicht eintreten, wenn die Gemeinden nur aneinander grenzen.

Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Fnnern Graf zu Eulenburg:

Meine Herren, man kann über die Anregung, die der Herr Abgeordnete gegeben hat, meines Erachtens nicht wohl anders weiter diskutieren, als wenn man sih den Wortlaut des Paragraphen, um den es sich handelt, vergegenwärtigt. Er ist ja au ganz kurz; Sie werden mir also wohl gestatten, daß ih ihn verlese und daran meine weiteren Ausführungen knüpfe.

Der Fall, um den es sich handelt, steht in der Landgemeinde- ordnung für die sechs östlihen Provinzen in § 2, Nr. 5 zu c.; er führt als einen der Fälle, in welchen das öffentlihe Interesse die Vereinigung von Landgemeinden erfordert, Folgendes an:

wenn infolge örtlich verbundener Lage mehrerer Landgemeinden oder von Gutsbezirken oder Theilen derselben ein erhebliher Wider- streit der kommunalen Interessen entstanden ift, dessen Auëgleichung auch durch Bildung von Verbänden im Sinne des § 128 nicht zu erreichen ift.

Nun, meine Herren, wenn Sie den Wortlaut ansehen, dann, glaube ih, werden Sie ohne weiteres zugeben müssen, daß die Ansicht des Herrn Vorredners nicht zutrifft, sondern daß der Fall niht nur, wenn das vorliegt, was man gewöhnlich „Gemengelage“ nennt, sondern auch dann, wenn Gemieindebezirke nur aneinandergrenzen, begriffen ist unter diesen Paragraphen, denneine „örtlich verbundene Lage“ besteht auch zwischen zwei angrenzenden Gemeinden. Ich glaube, das läßt sih nicht be- streiten; ih bin aber auch der Meinung, daß eine Gefahr darin gar- nit licgt, denn die weiteren Bedingungen, die hier vorgeschrieben find, sind so scharf, daß sie Gewähr dafür bieten, daß das nit in ungerechter oder dem Geseß nicht entsprehender Weise erfolgt. Denn es wird nicht nur erfordert erstens örtlich verbundene Lage, fondern zweitens, daß ein erhebliher Widerstreit kommunaler Interessen vor- handen ist, und drittens, daß dieser Widerstreit nicht erledigt werden fann auf dem Wege der Zweckverbände. Zweckverbände follen da ein- gerihtet werden, wo einzelne Kommunalinteressen zusammen- grenzender Gutsbezirke von der Art sind, daß sie zweckmäßig nur gemeinsam gelöst werden können.

Meine Herren, wenn die örtlih verbundene Lage eingeschränkt ist durch die übrigen Bedingungen, dann glaube ih, daß bei unbefangener Ausführung ein Mißbrauh mit der Sache nicht getrieben werden fann. Es is mix auch bis jeßt noch kein Fall vorgekommen, wo das geschehen ist. Mit einer Interpretation allgemeiner Art läßt sich aber in dieser Angelegenheit überhaupt niht helfen. Das ist sowohl an- erkannt worden von dem Herrn, von dem der Antrag über Litt. c in § 2 Nr. 5 ausging, als auch demnächst mit denselben Worten in der dazu erlassenen Ausführungsbestimmung. Es ist darin vollkommen entsprechend und der Bestimmung adäquat bestimmt: ob dieser Fall vor- liegt, ist eine Frage örtlihen Ermessens, und diese Frage kann mit gutem Gewissen der Entscheidung der Selbstverwaltungsbehörden über- lassen bleiben. Das ist au meine Meinung.

Abg. Schmit -Erkelenz (Zentr.) emvfiehlt die Vorlegung eines Gesetzentwurfs, welcher die Bestimmung beseitige, daß im Rheinland

_ Abg. Graf zu Limburg-Stirum (konf.) weist auf die Ver- hältnisse in Kleinburg bei Breslau hin, wo es sich nur um ein An. grenzen handele, und spriht die Hoffnung aus, daß die Selbstyer, waltungsbehörde, namentlih der NRegierungs-Präsident die angezogene Ins der Landgemeindeordnung nicht auf diefen Fall anwenden verde.

E von Eynatten (Zentr.) hält den übermäßigen Luxus bei dem Bau von Kreishäusern für unberechtigt. Die Er. trägnisse aus der lex Hnene dürften dazu niht verwandt werden, Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Jnnern Graf zu Eulenburg:

Ich fürchte sehr, meine Herren, daß die Anregung, die von dem Herrn Abg. von Eynatten ausgegangen ist, etwas zu spät kommt; denn ih glaube, daß die Periode der Erbauung von Kreishäusern im großen und ganzen vorüber ist, und daß nur hin und wieder es noch vorkommen wird, daß eins gebaut wird. Mein Standpunkt zu der Sache ist der, daß da, wo ein Bedürfniß vorhanden ist, die Kreis gut thun, {fich ein eigenes Heim zu gründen. Es waren in der That Zustände in vielen Kreisen, die auf die Dauer ganz unleidlih waren, wo die Kreisausshüsse und Kreistage theilweise bittweise, theilweise unter Umständen, die für ihre Stellung durchaus nicht geeignet waren, sich die Lokale beschaffen mußten, und bei der immer größeren Ausdehnung der Kreisverwaltung is es nur angemessen, daß die Kreise dafür gesorgt haben, ein eigenes Heim zu beziehen. Es ist das in einem ziemli großen Umfange geschehen, sodaß wir etwa in einem Drittel der- Kreise jeßt Kreis8gebäude haben.

‘Aber, was die andere Seite der Sache betrifft, da kann ih dem Herrn Abgeordneten nur beipflihten. Jch kann es nur bedauern, wenn in einzelnen Fällen über das nothwendige Bedürfniß hinausgegangen ist. Soweit sih noch Gelegenheit bieten sollte, bin ich bereit, darauf aufmerksam zu machen, daß nach meiner Ansicht das nicht ange- messen ist.

Abg. Schmieding (nl.) macht darauf aufmerïsam, daß das preußische Ober-Verwaltungsgeriht im Gegenfaß zum Neichsgericht entschieden habe, daß das Aufgeld, welches die Aktiengesellschaften bei der Verausgabung neuer Aktien erheben, \teuerpflihtig sei. Dieser be- dauerliche Widerspruch in der Nechtsprehung der beiden obersten Ge- richtshöfe könne und müsse dadurch beseitigt werden, daß die Ent- scheidung des Reichsgerichts als maßgebend angesehen werde. Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Jnnern Graf zu Eulenburg:

Ich werde mich mit dem Herrn Finanz-Minister darüber ins Benehmen seßen. Meinerseits kann ih nur sagen, daß von meinem Standpunkt aus die Sache niht würde Veranlassung geben Tönnen, eine Maßregel vorzuschlagen, wonach den Entscheidungen des Meichs- gerichts eine den Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts voran- gehende Bedeutung beigelegt werden soll.

Abg. von Riepenhausen-Crangen (konf.) beklagt die Ueber- bürdung der Amts- und Gemeinde-VBorsteher mit schriftlichen Arbeiten; es sei z. B. in Ostpreußen s{wierig, für diese Ehrenämter noch Personen zu finden, während sie fih sonst freudig dazu erboten hätten. Der Minister habe erklärt, daß er die Sache in Erwägung ziehen wolle. Wenn die unteren Provinztalbehörden mehr Vertrauen ge- nössen, dann werde das Schreibwerk geringer werden.

Abg, von Tzs\ch oppe (frkons.) spricht seine Befriedigung über die in Aussicht gestellte geseßlihe Regelung des Verpflegungsstations- wesens aus; dadur werde auch etne einheitlihe Gestaltung der Stationen und deren Ausbildung zu Wanderarbeitsstätten erreicht werden können. Die Regelung müßte aber bald erfolgen, denn fonf geriethen die Verpflegungsstationen in Berfall.

Abg. Nickert (fr. Vgg.) bittet um eine beshleunigte Beröffent- lihung der Wahlstatistik für die einzelnen Wahlkreise und weist darauf hin, daß an den luxuriósen Kreishäusern der Minister keine Schuld trage; denn das fei lediglich Sache der Selbstverwaltung Besonders mit der Nothlage der Landwirthschaft feien solche Luxus- bauten nicht zu vereinbaren.

Abg. Schmi 6- Erkelenz (Zentr.) bittet den Minister, den Bersicherungsgesellschaften niht mehr gestaiten zu wollen, den Gerichts- stand an ihrem Domizil den Versicherten vorzuschreiben.

Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Jnnern Graf zu Eulenburg:

Meine Herren! Gegenüber ‘den beiden Bitten, die der Herr Vorredner nunmehr und bereits vorhin ausgesprochen hat, erlaube ih mir, eine Gegenbitte auszuspreWzen: das ist nämlich die, daß, wenn der Herr Abgeordnete dergleichen Dinge zur Sprache bringen will beim Etat, er die Güte hat, mich davon vorher in Kenntniß zu seßen. Dann werde ih in der Lage sein, ihm eine ausgiebige Auskunft zu ertheilen, während es unmöglich ist, daß ih über alle derartige Fragen, mit denen der Herr Abyeordnete sih eingehend beschäftigt hat, in jedem Augenblick in der Lage sein kann, eine auch nur insoweit be- friedigende Antwort zu erthe eine derartige Sache aus\sprehe. (Sehr richtig !)

Abg. Schreiber (frkons.) \priht si gegen eine geseßliche Negelung des Verpflegungsstationswesens aus, weil dadurch die Vaga- bondage vermehrt würde.

Abg. von Eynern (nl.) hofft, daß dagegen das Gesey Vor- sorge treffen werde. Mit den Klagen über die Luxusbauten komme Herr von Eynatten zu spät; übrigens seien im Rheinlande zwar ge- Jchmackvolle, aber nicht luxuriöse Bauten errichtet ' worden. :

Abg. von Schal\scha (Zentr.) spriht fich gegen eine gesetzliche Regelung des Verpflegungsstationswesens aus, welches den Gemein- den und der Privatwohlthätigkeit überlassen werden müsse.

Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Jnnern Graf zu Eulenburg:

Meine Herren! Die Ausführungen des letzten Herrn Vorredners nöthigen mich zu ciner Erwiderung. Jch gebe zunächst meiner Freude Ausdruck darüber, daß er das Bedürfniß dieser Verpflegungsstationen anerkannt hat, und gerade unter den Gesichtspunkten, von denen id) selbst ausgehe, daß es sih nämlich darum handelt, Hilfe und Heil für diejenigen Leute zu s{haffen, welche das äußere Ansehen von Vaga- bunden haben, aber innerlich nicht solche sind, d. h. solche, welche in der That unter dem Druck und der Noth der Verhältnisse dazu g“ trieben find, wandernd Arbeit zu suchen. Wenn man das aber a erkennt, meine Herren, dann muß man auch einen Schritt weiter gehen, nämlich dahin, daß die Verpflichtung besteht, diesem unbestreitbaren Bedürfniß abzuhelfen. Nun, meine Herren, ist es durchaus nil richtig, zu sagen, daß dies allein ein Gegenstand der Privatwohlthätlg- feit sein muß. Es ist erstens theoretisch niht richtig. Jch will midh auf eine weitere Ausführung dessen, was ih in dieser Richtung bereits vorher angedeutet habe, nit einlassen. Ich will den Herrn Vor- redner nur einfa daran erinnern, wie die praktische Entwielung is Alle diese Stationen sind nicht auf dem Wege der Privatwohlthätig* feit gegründet worden, sondern sie sind gegründet als Einrichtungen der Gemeinden, der engeren und: der weiteren (Zuruf des Abg, bol! Salscha : Das sagte ih ja!), der Gemeinden zum kleinsten Theil, def Kreise zum weitaus größten Theil (Zuruf des Abg. von Schalscha: F

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat eine Frage angeregt,

die ländlichen Besitzer allein die Kosten der Feldhut zu tragen haben.

wohl!), und die Berechtigung dafür liegt darin, daß die Wirksamkeit dieser

Maßregel keineswegs sich erstreckt auf den Ort allein, an dem sie ein-

¡tet wird, sondern ißre Erfolge und ihre Wirkung auf weitaus gert e E : ; größere Kreise sih erstreken, und darin liegt die Berechtigung, daß die nächste Zusammenfassung einer größeren Anzahl von Gemeinden, der Kreis, die Jnitiative hat, und daß die weiteren, die benachbarten Freise, die ebenfalls Vortheil davon haben, den Kreis unterstüßen. a glaube und hoffe, daß der Herr Vorredner diesem Gedanken feine Berechtigung nicht absprechen und daß er sih nicht in einen prin- zipiellen Gegensaß zu einer Regelung der Angelegenheit in diesem Sinne stellen wird.

Bei dem Etat der landwirthschaftlihen Ver- waltung richtet i :

Abg. Graf von Kanitz (kons.) die Aufmerksamkeit der Regierung, namentlih des Ministers der öffentlichen Arbeiten auf eine Eingabe ostpreußischer_ Landwirthe wegen Ermäßigung der Getreidefracht- tarife. Nussisches Getreide werde zu Ausnahmetarifen gefahren, während die preußischen Landwirthe die normalen Tarife von doppelter Höhe entrichten müßten. Früher, fährt Redner fort, bestand die Vor- \hrift, daß das russische Getreide überseeisch exportiert werden müsse. Diese Beschränkung ist jeßt weggefallen; das russische Getreide tritt in Königsberg in den freien Verkehr. Die ostpreußishe Landwirth- chaft perliert den Absatz in Königsberg an die Konsumenten und an die Mühlen. Cine noch weitere Herabseßung der russischen Fracht- tarife würde eine Herabsezung auch der preußischen Tarife mit fich bringen. Zeitweilig hat die russische egierung, um das Getreide zur Ausfuhr zu bringen, die Tarife auf den vierten Theil der preußischen Normaltarife herabgeseßt. Nedner bittet den Minister für Land- wirthschaft um diê Bemühung, diese Disparität zu beseitigen.

Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von Heyden:

Meine Herren! Ich kann die Zahlen, um welchen Betrag das cinheimishe Getreide der östlihen Provinzen auf den preußischen Bahnen jeyt theurer verfahren wird als das russische, nicht kontrolieren. Herr Graf Kaniß ntmmt an, daß es per Waggon 20 bis 30 M seien, und wenn die russische Negterung mit weiteren Tarifherabsezungen yorgehe, die Differenz noch größer werde; wie gesagt, ih kann dies nicht fontrolieren ; aber es fteht fest, daß auf den preußischen Bahnen das deutsche Getreide jeßt theurer verfahren wird als das russische, und ich trage kein Bedenken, das als äußerst unerfreulich zu bezeichnen. Ich habe

N op ce S RLAO D : { deshalb auch Veranlassung genommen, als dieser Zustand eintrat, Er- wägungen darüber anzuregen, auf welchem Wege er beseitigt werden fann. Diese Erwägungen sind noch nicht zum Abs{luß gelangt. Die

Sache liegt nicht fo einfach, daß man sagen könnte: alles Getreide foll von jeß? an auf den osipreußishen Bahnen zu gleichen Säßen ge- fahren werden. Eine derartige Tarifherabsezung würde weitergehende Ansprüche hervorrufen, welhe möglicherweise zu dem Ver- langen einer allgemeinen Tarifherabsezung für alle Transvorte auf den Staatsbahnen führen würde. Uso die Er- wägungen auf diesem Gebiete sind noch nicht abgeschlossen, aher der Herr Vorredner“ kann überzeugt sein, daß die Angelegenbei

ee U i zeugTk Jein, z die Angelegenheit nit aus den Augen verloren wird. Inzwischen aber, glaube ich, müssen die betheiligten Landestheile zunächst abwarten, welchen Einfluß die Aufhebung des Identitätsnachweises üben wird. Soweit meine

Wahrnehmung reiht, scheint sih mir der gewünschte günstige Einfluß son jeßt bemerkbar zu machen.

Abg. Dr. Mar tens (nl.) bittet um eine gerehtere Vertheilung der Veichlasten in der Provinz Schleswig-Holstein. i

S Vit C F P y c S

Minister für Landwirthschaft, Domänen von Heyden:

Mir i} diese Angelegenheit ohne Einsicht der Akten niht fo genau bekannt, daß ih dem Herrn Vorredner sofort eine erschöpfende Antwort geben könnte. Ich werde aber aus seinen Darlegungen Ver- anlassung nehmen, der Angelegenheit näher zu treten.

5 Abg. von Verten (Zentr.) spriht sich für einen Zoll auf Duebrachoholz aus, damit die deutschen Eichens{älwaldungen erhalte Mien l j z g r Jal en VUTLEN.

__ Abg. Knebel (nl.) bittet den Minister die Unklarheiten, die bei den Ünterbehörden über den Erlaß von für Forstfrevel verhängten Strafen herrschen, zu beseitigen. In Süddeutschland seien die Be- hörden viel milder gegen die Frevler vorgegangen.

Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von Heyden: | N der leßteren Beziehung will ih zunächst bemerken, daß die Vurchsicht ‘derjenigen Begnadigungsanträge, die dur meine Hände gegangen sind, dod) in vielen Fällen den Eindruck bestätigt hat, daß S ret viel Unfug vorgekommen ist und nicht immer bloß zwingende e Leute zu Uebertretungen veranlaßt hat.

i Als die Sache das vorige Mal hier zur Sprache kam, waren wir darüber cinig, daß von ciner allgemeinen Amnestie für die Streu- und Laubentnahme in der Nothstandszeit keine Nede sein könne,

dor ; ; ck 2 Ss : R RN s londern die einzelnen Fälle geprüft werden müssen. Ich habe darauf meinerfeits Veranlassung genommen, die Regierungs: Präsidenten zu erjuchen, auf möglichst s{chleunige Uebersendung der Begnadigungs- anirâge, die eingingen, Bedacht zu nehmen.

4 Dagegen habe ih feine Veranlassung genommen, die Regierungs- Linlen zu veranlassen, nunmehr ihrerseits zur Einreichung

n Z ; aof F11f ‘of 1) on _Vegnadigungsgesuchen aufzufordern. Dazu ‘lag keine Ver- aulafsung Vor denn im großen und ganzen f man 1j 2 2, , . " 7 , 1h im Lande do wohl ziemlich klar darüber, an wen man ein Be- dnadigungsgefuch zu richten hat. Wenn also der Herr Vorredner ge- f daß in seinem Kreise ein Bürgermeister niht gewußt hat, e A die Mitglieder seiner Gemeinde ihre Begnadigungsgesuche zu 4 ten hätten, so muß i sagen, ih verstehe das niht. Sie konnten | Ladda entweder an das Kabinet Seiner Majestät selbst oder an die Foerung oder an mi einreihen, sie würden immer an dieselbe Me gekommen sein. Soweit Begnadigungsgesuhe an mich ge- *, Ss lind, find sie auh mit möglichster Beschleunigung erledigt

¿U : P ; orden. Jch gebe aber zu bedenken, daß die Erörterung der

ci A 2 i Lee / Le / mjelnen Fâlle immerhin. eine gewisse Zeit erfordert. Es müssen die

und Forsten

L " H , L | “ofalbehörden gehört werden, es werden die Staatsanwaltschaft und

Midte gehört und die Regierung hat fich zu äußern; somit dauert f eine geraume Zeit, bis die Gesuche hierherkommen. Ih werde L N der Anregung des Herrn Vorredners Veranlassung nehmen, ört die Bezirksbehörden nochmals das Ersuchen zu rihten, die Er- “ihne id über die Gnadengesuche zu beschleunigter Erledigung zu igen; denn es is erwünscht, daß diese Sachen endlich aus der elt kommen. ; Abg. Dasba h (Zentr.) eri Ninister st S . BDentr.) erinnert daran, daß der Minister |. Z. Abggge den habe, daß in manchen Fällen die Unterbeamten bei der dieselb er Waldstreu {{leuniger hätten vorgehen fönnen. Wenn ulden panterbeamten, die eine solche Beraa@lässióuna sih hätten zu ddie, Maa R en jeßt i f Cr I N follten, ob 0 tidts „fer Hand vorgelegen habe, so sei zu befürchten, daß die Be- ite niht die nöthige Objektivität aufroiesen.

Minister für Landwirthschaft, Domänen und von Heyden: E

Der Herr Vorrednec hat ganz allgemein ausgesprochen, daß die unteren Beamten sih hätten Vernachlässigungen zu Schulden kommen lassen, und daß, wenn sie sich hätten Vernachlässigung und Ver- säumnisse bisher hätten zu Schulden kommen lassen, ihre weiteren Mittheilungen kein Vertrauen beanspruchen dürften. Eine derartige allgemeine Beschuldigung der Beamten weise ih zurück. Es ist der Herr Vorredner in jeder Beziehung den Beweis \{chuldig geblieben, daß und welche Beamte sih haben Vernachlässigungen zu Schulden fommen lassen. Wenn Begnadigungsgesuhe erst \pät eingereiht werden, können sie niht frühzeitig erledigt werden. Jch habe vorher schon ausgeführt, daß die Abwickelung und Erledigung derartiger Ge- E anes gewissen Zeitraum in Anspruch nehmen.

Abg. von Eynern (nl) erklärt {h gegen einen Zoll au Quebrachoholz, welche Frage übrigens vor den Reichstag B die E as es G A es Zoll geschädigt werden.

Ao Rebel (n): in Theil der Lederi ie sei für diefen Zoll ) n Theil der derindustrie sei für

Ubg. S tößgel (Zentr.): Dieser Zoll würde den Eichenschälwald- besiBern, lauter fleinen Cristenzen, zu gute kommen. ls

Abg. von Czarlinsfi (Pole) empfiehlt die Gewährung von Staatssubventionen nicht bloß an die deutschen, sondern au an die polnischen landwirthscchaftlihen Vereine.

Bei dem Etat des Ministeriums der geistlichen 2c Angelegenheiten kommt ; E : Abg. Seyffardt- Magdeburg (nl.) auf das Hilfslehrerwesen an 1 E S S Redner bleibt bei seiner Behaup- ung, daß an 81 Anstalten 2 bis 11 Hilfslehrerx als vollbeschäfti Krafte verwendet würden. : A S

Geheimer Ober-Finanz-Rath Germar erklärt, daß an keiner

Sa Hilfslehrer in so ausgedehntem Maße beschäftigt f Abg. Dr, Beumer (nl.) befürwortet die Niederlegung des den Berkehr behindernden Berger Thores in Düsseldorf, welches keinen Tünftlerischen Werth habe. (Nedner legt dem Hause Photographien von dem Bauwerk vor.) : i

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Ich glaube, ih kann mich auf die Bemerkungen des Herrn Vor- redners ziemlich kurz fassen. In Bezug auf das Berger Thor möchte ich bemerken, daß ih persönli sehr geneigt bin, allen Rücksichten des Verkehrs und der Erhaltung der alten Kunstdenkmäler, soweit es nur irgend möglich ist, Rechnung zu tragen. JIch muß aber darauf hin- weisen, daß alle Organe der Denkmalspflege ih übereinstimmend dahin erklärt haben, daß das Berger Thor aufrecht erhalten zu werden verdient. (Hört! hört!)

Mit großer Genugthuung. begrüße ih die Anerkennung, welche der Herr Vorredner der Düsseldorfer Kunst-Akademie zu theil werden ließ. Ich ‘kann dafür nur dankbar sein. Die Düsseldorfer Kunst- Akademie ist unsere Perle und unser Stolz. (Bravo!) Bei uns s\oll es an ihrer allerwärmsten Pflege niemals fehlen. (Bravo!) Daß wir auch das freie Künstlerthum gern berücksichtigen, erkannte auch der Herr Vorredner an; ih habe es mir angelegen sein lassen, das zu thun, bin auch gern bereit, jederzeit darüber Aufschluß zu geben, um dem Hause fowie dem Publikum und der Künstlershaft die Ueber- ¿eugung zu verschaffen, daß hier nicht na) Parteirücksihten zu Werke gegangen wird, fondern daß wir jede berechtigte Nichtung in der Kunst pflegen, um die Akademiker wie die freien Künstler zu fördern. (Bravo !)

Mint ee von H eereman (Zentr.) erkennt an, daß der 1 er den fkatholischen Interessen sehr wohlwollend gegenüberstehe ;

Schulverwaltung, speziell des Neligionsunterrihts, bestehè eine fort- währende Nörgelei der unteren Behörden mit den kirhlihen Instanzen. Vem Staate komme die religiöse Erziehung der Kinder am meisten zu gute; denn niht im Wissen und im Können liege der Damm gegenüber der Sozialdemokratie, sondern lediglih in dem Gewissen des Einzelnen, in seiner Pflichttreue und Genügsamkeit, Der Staat, fährt Nedner fort, hat die Kirchengüter eingezogen ; er müßte also au

entstehen die größten Weitläufigkeiten, und darüber herrs{t dann all- gemeine Unzufriedenheit. Den Altkatholiken händigt man das Ver-

Geseß aufrecht. Besonders \{chmerzlich aber wird die Behandlung der krankenpflegenden Orden empfunden. Eine Gemeinde, die für ein Krankenhaus s{lechte Krankenpflegerinnen annimmt, findet keine Be- N sollen. aber zwei Ordensfchwestern angenommen werden, ann müssen zwei Minister in Bewegung geseßt werden, und die Sache dauert mindestens 18 Monate. Auf diesem Gebiete herrscht die größte Disparität gegenüber den Evangelishen. Wenn die kirchlihe Behörde das Bedürfniß für eine Ordensniederlassung anerkennt, dann sollte der Minister darauf mehr Gewicht legen, als auf die Gutachten der Zivilinstanzen. Besonders unerträglih werden die Verhältnisse dadurch, daß beim Kultus-Ministerium fast gar keine geseßlichen Vorfchriften vorhanden sind, sondern alles von dem persön- lihen Wohlwollen des Ministers abhängt. *

A Abg. Wolczyk (Zentr.) kommt auf seine Beschwerden über den mangelhaften polnischen Sprach- und Gesangsunterricht in Ober- \chlefien zurück. Trotzdem seit seinen Beshwerden bei der zweiten Lesung des Etats vier Wochen vergangen seien, sei noch keine Nemedur geschaffen.

Minijter der geistlichen 2. Angelegenheiten Dr. Bosse: Meine Herren! In einem Punkte hat der Herr Vorredner den- selben Ton angeschlagen, den der Herr Abg. Freiherr von Heereman angeschlagen hat. Er hat gemeint, daß nah unten hin das Wohl- wollen der Behörden in der Behandlung der katholischen Angelegen* heiten abzunehmen scheine, und daß es wünschenswerth sei, daß von oben her nah dieser Seite hin eine besondere Einwirkung geübt werde. Ich hätte vielleicht die hier zur Sprache gebrahten und, wie ih anerkenne, in fehr milder und freundliher Form vorgebrachten, ganz allgemein gehaltenen Beschwerden jetzt bei der dritten Lesung des Etats mir ad notam nehmen können, ohne gerade auf die Diskussion hier eingehend nochmals zurückzukommen. Aber ih glaube, diesen Punkt darf ich doh niht übergehen. Es tritt mir sehr häufig entgegen, daß, wenn ih mich bei der Begründung irgend einer Maß- regel, die in einer katholishen Sache getroffen worden ist, auf die Behörden berufe, mir sofort mit Achselzucken erwidert wird . ja, die Behörden! Ja, meine Herren, wie soll denn der Kultus- Minister das anfangen ? Woher soll er seine Informationen nehmen, wenn er unseren preußishen Behörden nicht mehr trauen könnte ? Und haben unsere preußishen Behörden das verdient? Jch müßte do auch davon einen Eindruck haben, wenn unsere Behörden durh- schnittlich diefe Dinge wirkli in parteilihher und ungerehter Weise behandelten; und daß das geschehen ist, kann und darf ih nicht zugeben ! Ich muß ausdrücklih erklären, daß unsere Behörden sih die äußerste Mühe geben, ihre Schuldigkeit zu thun, und daß ih alle Ursache habe,

Meine Herren, ih bin mit dem Herrn Abg. Freiherrn von Heereman durchaus in dem Say einverstanden: wenn unser Volk nicht christlich erzogen wird, haben wir feine gute Zukunft; und daran hat in der That der Staat ein ganz erheblihes Interesse. Nun kann ih ver- stehen, daß ih es mir angelegen sein lasse, in dieser Beziehung eine versöhnliche, eine freundliche Stellung auch zu den kirhlih-fatholischen Behörden einzunehmen und, soweit irgend thunlich, im Einvernehmen mit ihnen zu handeln sowohl in Bezug auf die bei dem katholischen Religionsunterriht zu gebrauhenden Bücher, als auch in Bezug auf die Schulaufsicht, und ebenso in Bezug auf die Zulassung neuer Niederla\sungen von Orden. Aber, meine Herren, ich kann in diesen Dingen nicht bloß mit Wohlwollen urtheilen; ih bin gebunden an das Geseß und an die Verfassung. Meine Aufgabe ist eine viel weiter- gehende als die einer bloß wohlwollenden Behandlung. Ich muß vor allen Dingen darauf sehen, daß ih gerecht und paritätisch verfahre, und darauf ist mein Bestreben gerihtet ; ih bin an das Gesetz ges bunden, und ebenso sind auch die Behörden an das Gesetz gebunden.

Nun ift gesagt worden: die Krankenpflegergenossenshaften würden nit freundlih genug behandelt; das wäre doch ein Dienst, der der Menschheit mit christlicher Liebe geleistet würde, wo in der That eine ängstlihe Kontrole niht nöthig fei. Ich gebe das im großen und ganzen zu, wiewohl auc da Mißbräuche vorkommen können, aber ih bitte die Herren, die nah dieser Seite hin Beschwerden zu haben glauben, mir nur einen einzigen Fall zu nennen, wo einer krankenpflegenden Genossenschaft die Niederlassung versagt worden ift. Es mag richtig sein, daß hier und da über eine zu Tleinliche bureau- kratishe Handhabung des Listenwesens geklagt worden ist. Mir liegt das ganz fern; wenn wirkli derartige kleinliche bureaufratische Nörgeleien in dieser Beziehung vorgekommen find und fie Tommen an mich heran, so fönnen Sie überzeugt fein, daß ih. die Hand dazu bieten werde, daß derartige Belästigungen beseitigt werden.

Uebrigens is es nit zutreffend, daß die Aufhebung einer Ordens- niederlassung lediglich in die Willkür der Königlichen Staatsregierung gestellt werde; es gehört dazu eine Königliche Ordre. Aber ist jemals eine solhe Königliche Ordre erlassen worden? Meines Wissens nit; ih glaube niht, daß irgend ein Fall dieser Art irgendwo vor-

aber , je mehr die Sache in die unteren Instanzen komme, destomehr | verflüchtige sih das Wohlwollen. Namentlih auf dem Gebiete der

dte Norsfsic aen orf ; of r ; die Verpflichtungen erfüllen, die auf diesen Gütern ruhen. Allein da -| A h | diese yätten niht immer einen erheblihen Werth.

mögen der fatholisen Kirchen aus, und auch jeßt noch hält man dieses |

gekommen ist.

Und nun möchte ich noch eins hervorheben. Wen: einmal eine abweichende, den Wünschen der katholischen Antragsteller nit ent- sprechende Entscheidung im Kultus-Ministerim getroffen worden ift, so wird immer gesagt: ihr sißt immer noch mitten im Kultur- kampf! Ja, meine Herren, das ist nicht richtig! ih betrachte den Kulturkampf als friedlih beigelegt. Cs mag ja für Sie noch manches zu wünschen übrig bleiben, aber ih bin gebunden an die Gesetze, wie sie jeßt vorliegen; diese Geseße muß i aufrechterhalten und an- wenden, und da ist der Vorwurf, daß wir kulturkämpferish vorgingen, in der That nicht gerechtfertigt. Wo es si um seelforgerisce Bedürfnisse handelt, die dur eine Ordensthätigkeit gedeckt werden sollen, fragen wir | stets die geistlihen Oberen. Aber ih kann mi unmöglich, namentli) bei konfessionell gemishter Bevölkerung, dem entzichen, daß ih die Be- hörden darüber frage, ob ein Bedürfniß vorliegt - oder niht; ih hôre an erster Stelle auch die katholischen geistlichen Oberen, und ih muß sagen, ih lege ihren Antworten ‘ein sehr großes Gewicht bei, und, wo ih irgend kann, helfe ih. Wo wir irgènd gekonnt haben bisher in allen diesen Dingen, sind wir das kann ih versihern bis an die äußerste Grenze der Möglichkeit gegangen. Aber weiter als paritätish und gerecht diese Dinge behandeln, können wir nichts thun, weiter können wir nicht gehen. (Bravo !) Od. Motty (Pole) empfiehlt die Einrichtung eines Unterrichts in der juristishen Propädeutik an den Gymnasien.

Abg. K ir f ch (Zentr.) tritt für die Erhaltung des Berger Thores in Düsseldorf ein.

Abg. Dr. Krany (konf.) kommt auf die Frage der Doktor» promotionen zurü und bezeihnet namentlih die Angriffe des Abg. Dr. Friedberg auf die juristishe Fakultät in Leipzig als unbegründet. Den Dru aller Dissertationen zu verlangen, fei nicht richtig, denn

Cte 5 4 + n öffentlihe die Juristenfakultät die sich autdzelWnenbei Die Eine Ausgleichung der Promotionsgrundsäte bei den verschiedenen Universitäten wäre wünschenswerth, aber eine vollständige Unifikation würde sih niht empfehlen. :

Um 4 Uhr wird die weitere Berathung auf Dienstag 11 Uhr vertagt. | :

Statistik und Volkswirthschaft. Die deutsche überseeishe Auswanderung

über deutsche Häfen, Antwerpen, Notterdam und Amsterdam stellte si nach den Ermittelungen des Kaiserlichen Statistishen Amts im März 1894 und im gleichen Zeitraum des Vorjahres folgendermaßen: Es wurden befördert im März : 7 Uber 1994 1893 De 2 S Dab C E T 62 deutsche Häfen zusammen... 36355 8836 A. 280 T2001 Ea N 89 190 Amsterdam C 3 T5 Ueberbaupt. 4007 10267 Aus deutshen Häfen wurden im März d. J. neben den vorgenannten 363% deutschen Auswanderern noch 4596 Angehörige fremder Staaten befördert. Davon gingen über Bremen 3028, Hamburg 1568.

Zur Arbeiterbewegung.

N den rheinisch - westfälischen Bergwerksbezirken fanden an verschiedenen Orten Bergarbeiterversammlungen statt, in welchen über den internationalen Bergarbeiter- Tongreß, der um die Pfingstzeit hier in Berlin abgehalten werden soll, verhandelt wurde. Aus Essen schreibt man der „Köln. Ztg. unter dem 16. d. M: In der heutigen Berga arbeiterversammlung wurde über die Beschickung des Berliner Kongresses verhandelt und wegen Ablegung von Arbeitern auf ver- schiedenen Zechen Einspruh erhoben. Auch in Buer, Ueberruhr und Altendorf haben Versammlungen stattgefunden. Jn einer Berg- arbeiterversammlung, die in Bochum am Sonntag abgehalten wurde, bemerkte der Berichterstatter: Der Kongreß werde über die Frage eines allgemeinen Ausstandes berathen, an dem ih die Berg- arbeiter der ganzen Welt betheiligen follten. Die deutschen Abge- fandten würden sih gegen einen folhen Ausstand aussprechen, weil dazu keine Mittel vorhanden wären und auch die Organifation in manchen Gegenden noch sehr mangelhaft sei. Die:

ihnen dafür dankbar zu sein,

Theilaus\tände, die erfahrungögemäß den Betheiligten nur Nachtheil brächhten, müßten ganz und gar vermieden werden. Die deutschen Ab-