1894 / 92 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 19 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

S Low N E S

“Hat für seine Hamle1darstellungen immer reihe Anerkennung geerntet und, was er als Hamlet leistet, ist in der That noch heute preisens- werth. Klares F und der Ausdruck tiefer, warmer Empfindung helfen ihm die Gestalt des schwermüthigen Dänenprinzen geistig zu durchdringen und mens{chlich zu beleben. Vor allem rühmlih is seine fein gefügte Diktion, die sich den wechselnden Launen und Leidenschasten des gequälten, nah Thaten ringenden Geistes eng anshmiegt; der Vortrag des großen Monologs kann faum eindringliher und ergreifender gesprohen werden. Fast bietet Herr Ludwig in seiner maßvollen klassishen Weise des Guten zu viel ; einige neu eingefügte „Nuancen“ im Spiel, die von dem unablässigen Studium des Künstlers beredtes Zeugniß gaben, aber niht immer zur Klärung und Herausarbeitung der Dichtergestalt beitrugen, hätte man ern entbehren mögen; so erschien das heftige Hereinstürzen des tünstlers beim Beginn des großen Monologs gesuht und unwahr- sheinlih für den grübelnden Prinzen, in dessen Hirn eine tiefsinnige und \{wermüthige Gedankenreihe sich zu entwickeln beginnt. Ab- esehen von solchen Einzelheiten, kann man aber der Leistung des Künstlers lebhafte Anerkennung nit versagen. Der viel erläuterten und viel umstrittenen Gestalt des Dänenprinzen feste und klare Um- e Wu geben und. eine. „lebendige Seele zu verlethen, A elne geringe . TunsleriMe Chat, Meu war, Qerr Molenar als König Claudius; seine wuhtige Stimme und seine mächtige Gestalt besißen shon an fich etwas Imponierendes, das der Darsteller dur sein Wesen zu ergänzen suchte; dabei kenn- zeichnete der düstere, unsihere Blick den Königlichen Missethäter, dessen rauher, gepreßter Angstschrei im Gebet dem Hörer die Ge- wissensqualen des Schuldbeladenen ausmalte. Herr Nesper sprach die Worte des Geistes mit dunkler, klagender Stimme beweglih und ergreifend, Die Damen Stollberg als Königin und Lindner als Ophelia wurden in der Auffassung und Wiedergabe ihrer Rollen den Absichten der Dichtung gerecht. : : . Großes Verdienst um die Aufführung hat sich O die Inscenierung erworben. Der Scenenwechfel ist auf eine Mindest- zahl beschränkt worden, besonders durch das prächtige Palastzimmer mit der feitlih hinlaufenden Galerie, die später den Schauspielern gleichzeitig als Bühne dient, ferner durch die winterlichhe Schloßterrasse. Konzerte. i Zum Andenken an den am 20. April 1869 zu Kiel verstorbenen, besonders durch seine Balladen bekannten Komponisten Carl Löwe fand gestern in der Philharmonie unter Professor Mannstädt?s Leitung eine Gedenkfeier statt, bei welcher außer dem Phil- harm onishen Orchester noch die Königliche Hof-Opernfängerin rau Gisela Staudigl, der Königlihe Kammersänger Josef Staudial, Mitglieder. des CaCtlièen -. VBereins . und des Westfälishen Männergesangvereins mitwirkten. Seine dem Vorbilde Weber?s folgende Ouvertüre zur Oper „Rudolf“ und ein Morgenhymnus für Männerchor aus derselben Oper eröffneten die Feier. Dann folgten drei weniger bekannte Balladen, welche Felix Weingartner instrumentiert hat: „Der Mohrenfürst“, „Die Mohren- fürstin und „Der Fürst auf der Messe" (Dichtung von Freiligrath). Sie wurden von Frau Staudigl vorgetragen und mit großem Beifall Eine gleihe Aufnahme fand auch die Ballade „Gregor auf dem Steine“, von Herrn Staudigl gesungen. „Die O mit ihrem Hhumoristischen Text und ihrer feinen tonmalerishen Instrumentierung von F. Mottl machten einen prächtigen Effekt durch die lebendige Bortragsweise der Frau Staudigl. Es folgten ferner zwei Frauenchöre aus „Malekadhel“, in denen die stimmbegabte Sängerin Frau Elisabeth König das Solo übernommen hatte. Die Balladen „Die nächtliche Heershau“ für Bariton, in welcher der durchweg festgehaltene mar|chartige Nhythmus die elegishen Züge des Zedliß’schen Textes nicht recht zur Geltung bringt, und „Dex fseltne VBetexr" wurden von Herrn Staudigl sehr gut gesungen. Den Schluß des Abends bildeten ein Duett „An Sami“, das der Sänger mit seiner Gattin ausführte und an welches sich der leßte Theil aus dem vor

aufgenommen.

An demselben Abend fand im Saal Bechstein ein Wohl- thätigkeits- Konzert statt, in welhem der Kulenkampff’\che Frauen or Chorgesänge von Huber, E. E. Taubert, F. Thieriot, Kulenkampff und Bier! ng zum Vortrag brachte. Der Chor hat an Kraft und Wohlklang - der Stimme, wie an technischer Sicherheit in erfreuliher Weise zugenommen; auch war die Iebendige Ausdrucksweise durhweg zu loben. Fräulein Ober- beck, die stets gern gehörte Solistin der Sing - Akademie, und der Baritonist Herr von Ewegk unterstüßten das Konzert durh einige mit großem Beifall aufgenommene Gesangvorträge. Das zahl- reiche Auditorium zeichnete besonders einige Kompositionen des Konzert- gebers dur eine sehr günstige Aufnahme aus.

Im Königlihen Opernhause gelangt morgen Wagners „Lohengrin“ zur Aufführung und zwar in folgender Besezung: Elsa: Frau Pierson, Ortrud: Frau Sucher, Lohengrin: Herr Gudehus, Telramund: Herr Bulß, König: Herr Stammer, Heerrufer : Herr Fränkel; Kapellmeister Weingartner dirigiert.

íImKöniglihenSchauspielhause wird morgen Shakespeare?s „Hamlet“ gegeben. : j:

Nachdem das Moskauer Gastspiel des Lessing-Theaters gestern mit einer Wiederholung des Lustspiels „Mauerblümchen“ von Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg beendigt worden ist, treten am nächsten Sonntag die Damen Reisenhofer und Elsinger sowie die Herren Guthery, Schönfeld, Horn, Jürgas, Prechtler und Rieckhoff zum ersten Male hier wieder auf. Zur Aufführung gelangt das Lustspiel „Das zweite Gesicht“ von Oscar Blumenthal, das bei dieser Gelegen- heit nah längerer Pause in den Spielplan wieder aufgenommen wird.

Im Wallner- Theater findet am Sonntag das vorleßte Gastspiel des Friedrich - Wilhelmstädtischen Theaters statt. Zur Aufführung gelangt die Strauß’sche Operctte „Die Fledermaus“.

Das Friedrih-Wilhelmstädtishe Theater bringt am Sopntag Offenbach's „Orpheus in der Unterwelt“ zur Aufführung.

Im NResidenz-Theater soll am Sonntag, 29. d. M., ein Schauspiel von Kirstein, betitelt „Zerstörtes Glück“, als Mittags- vorstellung zur ersten Aufführung gelangen.

Mannigfaltiges.

Der unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin stehende Frauen - Lazarethverein hielt heute Mittag im Ministerium des Königlichen Hauses unter Vorsiß der Gemahlin des Staats-Ministers Dr. Delbrück seine Generalversammlung ab. Dem vom Geheimen Ober-Regierungs-Rath Spinola erstatteten Bericht zu- folge haben in dem unter Leitung der Schwester Henriette von Nostiz stehenden Pflegerinnenasyl 17 Pflegerinnen ge- wohnt, welhe sämmtlich im Augusta - Hospital Dienste thaten; 10 Pflegerinnen waren in der Charité stationiert und zwar sieben in der gynäkologischen Abtheilung und drei in der Entbindungsanstalt ; sechs waren îin der Kinderheilstätte zu Wyck auf Föhr, je cine im Auqusta-Stift zu Charlottenburg und in einer Stettiner Privatheil- anstalt thätig. In der Krankenpflege wurden durch Medizinal-Rath Lindner zwei Kurse abgehalten, an denen sih auch eine Anzahl Damen höherer Stände betheiligten. Im Augusta - Hospital, deren Schwesternschaft z. Z. unter der Oberin von Arnim 19 ein- gesegnete Schwestern angehören, haben im leßten Jahre 1821 Kranke an 55588 Tagen Verpflegung gefunden. Durchschnittlich waren täglih 152 Kranke in Pflege. Von der Gesammtzahl entfielen 1020 Us die mediillsWe Und S0 Qu die QUrurguiMe lde theilung, Die Sterblichkeitsziffer betrug auf der ersteren 17910, auf - der leßteren 101/5 0/0. Poliklinish wurden auf der medizinishen Abtheilung 7339 Kranke in 16 830 Konsultationen, auf der chirurgishen Abtheilung 4642 Kranke in 10741 Kon- sultationen behandelt. Operationen wurden auf der s\tationären Abtheilung 526, poliklinisch 513 ausgeführt. Die Gesammt- ausgaben der Verwaltung beliefen sih auf 175882 - M41; da- von wurden 140183 A durh die eigenen Einnahmen des Hospitals, der Rest dur den Verein gedeckt. Die durchschnittlihen

hat zu Mitgliedern des Vorstands die Gemahlinnen des Ministe des Königlichen Hauses von Wedel und des Geheimen Regierun 7 Raths, Professor Dr. Pringsheim, fowie die Herren Generg[ a Grolman und Kammerherr von dem Knesebeck wieder ernannt, it dem Vorsiß wurden von der Kaiserin die Wittwe des verstorbene Staats-Ministers von Patow, die Gemahlin des Staats-Ministezz Dr. Delbrück und Frau Mühlbrecht von neuem betraut.

Breslau, 18. April. In dem Dorfe Lich inia bei Leschnig j Oberschlesien sind, laut Meldung des _„W. T. B.“, durch U Feuers brunst 28 Wohnhäuser, viele Scheunen und Stallungen n Asche gelegt worden. Vier Kinder fanden in den Flammen den Tod. Eine Anzahl Rindvieh is verbrannt. Die Entskehungsurfache dz Brandes ist noch nit aufgeklärt. /

München. ‘Am 7. und 8. April wurde hier die erste gemein schastlihe Sißzung des gesammten Aufsichtsrathes und Vorstandes V N deutscher Journalisten und Schrift, teller (A. V.) abgehalten, zu der sih 14 Herren eingefunden Gatten Dem über die Geschäftsthätigkeit der Anstalt erstatteten Bericht ist zu entnehmen, daß die Mitgliederzahl der Anstalt auf 471 gestiegen ist Die Einnahmen betrugen 118 509 4 86 3, die Ausgaben 12 019 k 54 „, so daß sih das Vermögen der Anstalt zur Zeit auf 106 490 A 32 4 beziffert. Die vorgenommene Revi der Kasse und Bücher gab zu keiner Erinnerung Anlaß. Dem Vorstande wurde für seine aufopfernde und mühevolle Arbeit der Dank dey Versammlung ausgesprohen. Von den gefaßten Beschlüssen sind alz die wichtigsten zu erwähnen: Die Hauptversammlung findet gelegentlih des diesjährigen Journalisten- und Schriftsteller-Tages in Hambur stati; der genaue Tera:in sowie die Tagesordnung werden dur den Vorstand noch besonders bckannt gegeben. Ein Antrag, die Vebergangsbestimmungen, welde mit dem 1. Januar 1894 «x, loschen sind, noch weiter aufrecht zu erhalten, wurde abgelehnt, d, gegen ein Antrag, für die Entrichtung der Nachzahlungen au ferner die Form der Zusaßprämien beizubehalten, angenommen. Abgelehnt wurde ferner ein Antrag, die Zahl der Aufsichtsräthe von 15 auf 39 zu erhöhen ; dagegen wurde ein Antrag, 7 Ersaymänner zu wählen angenommen. Ein Antrag, den Siß des Aufsichtsraths nah Berlin zu verlegen, wurde einstimmig abgelehnt. Eine Reihe von An, regungen zur Erschließung neuer Quellen für die außerordentlihen Einnahmen, wie z. B. die Einführung einer Reklamesteuer, die Abgale eines minimalen Prozentsayes seitens der Büßhnenleitungen von de Aufführung tantièmefreier Stücke 2c., wurden dem Vorstande über wiesen.

Ravensburg, 19. Oktober. - Hier fanden, wie „W. T. B. meldet, an zwei Abenden hintereinander Ausschreitungen de \fandalsüchtigen Pöbels gegen die Polizei statt. Die Gendarmerie stellte s{ließlich die Ordnung her und nahm mehrere Verhaftungen vor. Ein Gendarm wurde verleßt. Der Gemeinderath hat eine öffentliße Warnung vor weiteren Ausfchreitungen erlassen. :

Wien, 18. April. Der in Ungarisch-Hradis\ch ausgebrochene Brand (vergl. Nr. 91 d. Bl.) konnte gestern Nachmittag lokalisiert werden. Der Schaden ist sehr bedeutend, die Brandursache unbekannt,

Wien, 19. April. Infolge der andauernden Dürre fanden in den Ortschaften Poettsching und Obrit in Nieder-Oesterreid, fowie Király-Helmec und Jllava in Ungarn große Brände statt. Ueber hundert Wohnhäuser, viele Scheunen und Stallungen sind niedergebrannt. Der Schaden is groß. Drei Menschen haben bei den Brânden das Leben verloren.

Krakau, 18. April. Bei dem gestrigen Brande in Neu- Sun Dec (verol Ver 91 D D) fino wie Wi B meld 133 D nahezu zwei OVrittel der Stadt, eingeäschert worden. Die brennenden Holzstücke flogen infolge des heftigen Windes bis u einem 3 km entfernien Vorwerke, welhes vollständig abgebrannt ift.

längerer Zeit hier gehörten Oratoriums „Die Auferweckung des Lazarus“ anshloß. Außer diesen vokalen Vorträgen kamen noch zwei Symphonie- säße für Orchester zur Ausführung, die, dem Borbilde Haydn?s folgend, | die gefällige Motive mit stilgewandter Behandlung vereinigen. Diéigénttn.- gebührt gerechtes Lob für seine umsihtige Leitung des Konzerts, das von einem sehr zahlreih erschienenen Publikum be-

suht war.

eigentlihe Verpflegung

Dem

Mitglieder wurden

täglichen Gesammtkosten für einen Kranken beliefen sich auf 3,16 M, tostete ÿ erforderte insgesammt 68 365 M, 6042 M weniger als im Vorjahre. Neu in den Vorstand. sind Frau Oberst-Lieutenant von Usedom und Frau Kommerzien-Rath Henneberg eingetreten. Die ausscheidenden wiedergewählt.

86,056 „4. Die Beköstigung

geschätzt.

Ihre Majestät die Kaiserin

Militär und Gendarmerie halten die Ordnung aufrecht und bewachen das gerettete Gut.

Der Schaden wird auf eine halbe Million Gulden

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten

Beilage.)

Wetterberich Y

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t.vom 19. April,

Morgens.

Stationen.

Belmullet. Aberdeen .. Christiansund

Kopenhagen . |

Stockholm . t. Pete Med . Petersbg. Moskau .

Cork, Queens- 10 Cherbourg CUDEE «e. u, nburg, winemünde Neufahrwasser Memel .

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1) Früh Thau. ?) Mittags Regen. ?) Früh etwas 4) Gestern Gewitter mit Negen u.

Regen.

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Wind, | Wetter.

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5) Nachm. Gewitter,

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wolkig halb bed. Nebel bedeckt 2Negen halb bed. Schnee bedett

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Abends Regen. §)

Vebersiht der Witterung,

Die Luftdruckvertheilung ist über Europa andauernd ohdruckgebiete liegen über Lappland, est-Guropa, während eine O Bei

aleihmäßig; Südost- und

flahe Depression Zentral-Europa überdeckt. schwacher Lustbewegung aus veränderliher Richtung eutshland warm, im Nordwesten in den übrigen Gebietstheilen vorwiegend trübe; vielfach is Regen gefallen, insbesondere in Süddeutschland, wo auch Gewitter stattfanden. der ostpreußishen Küste lie Grad über dem Mittelwert famen stellenweise

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Deutsche Seewarte.

An die Temperatur um 8 Auch in Frankreich Nizza meldet

Theater - NAuzeigeu.

Königliche Schauspiele. Freitag:. Opern- haus. 99. Vorstellung. Loheugria. Nomantis@hze Dpyper in 3 Akten von Richard Wagner. In Scene eseßt vom Ober - Regisseur Tetlaff. Dirigent : apellmeister Weingartner. Anfang 7 Uhr. Schauspielhaus. 106. Vorstellung. Hamlet, Prinz von Dänemark. Tragödie in 5 Auf- zügen von William Shakespeare. Ueberseßt von August Wilhelm von Schlegel. Jun Scene gesetzt vom Ober-Negisseur Max Grube. Anfang 7# Uhr.

Sonnabend: Opernhaus. 100. Vorstellung. Die Medici. Historishe Handlung in 4 Akten, Dich- tung und Musik von R. Leoncavallo. Ueberseßung Men Tanz von Emil Graeb. Anfang (s Le

Schauspielhaus. 107. Vorstellung. Ein Sommer- nacht8traum von William Shakespeare, überseßt von S Wilhelm von Swhlegel. Musik von ner Mendels\sohn-Bartholdy. Tanz von Emil raecb. Anfang 7# Uhr.

Deutsches Theater. Freitag: Zum 1, Male. Geographie und Liebe. Lustspiel in 3 Aufzügen von Björnstjerne Björnsen. Anfang 7} Uhr.

Sonnabend: Der Herr Senator.

Sonntag: Geographie und Liebe.

Montag: Der Herr Senator.

Berliner Theater. Freitag: 34. Abonne- ments-Vorstellung. Die Jungfrau von Orleans. Anfang 7{ Uhr.

Sonnabend: Maria und Magdalena.

Sonntag, Nachm. 23 Uhr: Der Kaufmann von Venedig. Abends 7} Uhr: Eva.

Lessing-Theater. Sonnabend: Niobe. Sonntag: Das zweite Gesicht.

Freitag: Niobe.

Walluner-Theater. Gesammt -.Gastspiel des Friedrih-Wilhelmstädtischen Theaters.

Sonntag: Die Fledermaus. Komische Operette in 3 Akten nah Meilhac und Halevy, bearbeitet von Carl*Haffner und Rich. Genée. Musik von Johann Strauß. Regie : Herr Unger. Dirigent: Herr Kapell- meister Federmann. Anfang 7 Uhr.

Friedrich - Wilhelmstädtishes Theater. Chausseestraße 2. Der Bettelstudent. Operette in drei Akten von F. Zell und Nich. Genée. Musik von Carl Millöôcker. Regie: Herr Unger. Dirigent : Herr Kapellmeister Federmann. Anfang 7x Uhr. Sonnabend : Der Bettelstudent.

Freitag:

Residenz-Thegier. Direktion: Sigmund Lauten- burg. Freitag: Zum 6. Male. Dekorirt (Dé- Ccoré). Schwank in 3 Akten von Henry Meilhac. Anfang 7X Uhr.

Sonnabend und folgende Tage: Dekorirt.

Nenes Theater. Direktion: Sigmund Lauten- burg. Freitag: Zum 2. Male. Eheglück (Le bonheur conjugal). Lustspiel in 3 Akten von Albin Valabrègue. Deutsch von Buchholz und Wulff. Negie: Ioseph Jarno. Anfang 7{ Uhr.

Sonnabend und folgende Tage: Eheglücck.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr, zu halben Preisen : Ingend.

Viktoria-Theater. Belle - Alliancestraße 7/8, Freitag: Halbe Kassenpreise. Zum 499. Male. Nur noch wenige Aufführungen. Die Kinder des Kapitän Grant, Ausfstattungsstück mit großem Ballet in 12 Bildern. Anfang Uhr.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr, ermäßigte Preise. Auf allgemeines Verlangen. Zum leßten Male. Lumpaci vagabundus. Große Posse mit Gesang und Tanz in 5 Akten von Nestroy.

Theater Unter den Linden. Freitag: Neu einstudiert: Pariser Leben, Komische Operette in 5 Bildern von J. Offendah. Hierauf: Columbia, Ballet. Anfang 7F Uhr.

Adolph Ernst-Theater. Freitag, 7x Uhr: Charley’s Tante. Sch{chwank in 3 Akten von Brandon Thomas. Vorher: Die Bajazzi. Faro le Posse mit Gesang in 1 Akt von Ed.

acobson und Benno Jacobson. Musik von Franz Roth. In Scene geseßt von Av. Ernst.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

BPentral-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Freitag: Zum 13. Male. Der neue Kurs. Hane mit Gesang in 3 Akten von Leopold Ely. Musik von Julius Einödshofer. Anfang 74 Uhr.

Sonnabend: Der neue Kurs.

Konzerte.

Konzeri-Yaus. Freitag: Karl Mcyder Konzert. Ouv. „Loreley® von Lachner. „Santa Jhiara“ S. S. z. S. „Stradella“ von Flotow. Prolog aus „Die Bajazzi“ von Leoncavallo, „Künstlerleben*, Walzer von Strauß. Traumbilder Phantasie von Lumbye. O cara momoria für Cello von Servais (Herr Smit). „Der Liebestraum“ für Piston von Hoch (Herr Werner).

Schluß der Konzert-Saison am 29. April cr.

Philharmonie. Freitag, Abends 8 Ukr: Orchester-Konzert mit eigenen Kompositionen von Karl Gleit.

BPirkus Renz (Karlstraße). Nur noch kurze Zeit! Freitag, Abends 77 Uhr: Auf auf zur fröhlichen Jagd. Parforce- und Kaskadenritt. Ballet bon 100 Damen. Meute von 40 Hunden. Außerdem: 6 Nappen und Karoussel von 30 Pferden, vorgeführt von Herrn R. Renz; Mikado und der Steiger Solon, geritten von Frau Renz - Stark; 2e Ponny Polichinell, vorgef. von Herrn Lavater L; die Handakrobaten Gebr. Detroit; die Lufkgy- nastiker Gebr. Wortley 2c. :

Sonnabend : Benefiz für den , August“ Lavater L

Sonntag: Zwei Vorstellungen.

Familien-Nachrichten. Verlobt: Frl. Marie Brade mit Hrn. Liett Bernhard Grafen Strachwitz (Wiesbaden—Fran

furt a. M.). Frl. Hedwig Haak mit Hr Lieut. Erich Hecker (Berlin). E it Verehelicht: Hr. Pfarrer Clemens Bassenge 9 Frl. Hedwig von Rheinbaben (Potsdam). ild Geboren: Ein Sohn: Hrn. Prem.-Lieul. von Selchow (Leobschüß). Mein Gestorben: Hrn. General, Lieut. z. D. E. Hr. berger Tochter Anna (Charlottenburg). “dib Ober-Regierungs-Rath a. D. Ludwig von Mar (Düsseldorf). Hr. Rittmeister a. D. Körber (Charlottenburg).

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Redakteur: Dr. H. Klee, Direktor.

Berlin ——— le ia Verlag der Expedition (Scholz). iaglo Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und n Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. Sieben Beilagen (einshlicßlih Börsen-Beilage).

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

¿ 92.

Berlin, Donnerstag, den 19. April

1894,

Deutscher Reichstag. 85, Sizung vom Mittwoch, 18. April, 1 Uhr.

Ueber den Beginn der Sißung ist bereits in der Nummer vom Mittwoch berichtet worden.

Die Wahl des Abg. von Holleuffer- Löwenberg (dkonf\.) wird nachdem nah dem Abg. Gamp noch die Abgg. Auer (E) für seine Person und Spahn (Zentr.) den Kommissionsstandpunkt ver- theidigt haben, der Abg. Rickert (fr. Vg.) nochmals demselben entgegen- getreten ist, dem Kommissionsantrag gemäß für gültig erklärt.

Desgleichen erklärt das Haus in Uebereinstimmung mit der Kom- mission die Wahl des Abg. Dr. Böh me - Annaberg (nl.) für gültig und beshließt- die Veranstaltung von Erhebungen zur eventuellen Rektifizierung der in den betreffenden Protestpunkten angeschuldigten Beamlen. L

Die Wahl des Abg.Wamhoff - Hannover (nl.) foll beanstandet, und nah einem nachträglichen Antrag der Kommission auch über die Behauptungen des Gegenprotestes und des gegen diesen eingegangenen Schriftstückes durh Zeugenvernehmung Beweis erhoben werden.

Abg. v. Strombeck (Zentr.) hatte eine Erweiterung der Er- hebungen dahin beantragt, daß au über einige von der Kommission niht als genügend fubstantiiert angesehene Behauptungen amtlicher Mahlbeeinflussung Beweis erhoben werden sollte. Die Kommission hat den Antrag abgelehnt.

Der Kommissionsantrag wird unverändert angenommen.

Die Kommission hat ferner beschlossen, die Wahl des Abg. Grafen M ol t Ée - Pinneberg (Rp.) für gültig zu erklären. Der Protest hatte besonderes Gewicht auf die Thatsache gelegt, daß die Wähler der in Altona eingemeindeten Ortschaften Ottensen, Bahren- feld, Othmarschen und Develgönne, welche zum Wahlkreise gehören, zur Einsichtnahme der Wählerlisten nah Altona hätten gehen müssen. Die Auslegung der Wählerlisten außerhalb des Wahlkreises sei un- geseßlih und mache den ganzen Wahlakt ungültig, umsomehr, als in der Stichwahl der Abg. Graf Moltke nur 98 Stimmen mehr erhalten habe als der sozialdemokratische Gegenkandidat und frühere Vertreter des Wahlkreises, der Abg. Molkenbuhr. Nah der Ansicht des Altonaer Magistrats sei das Verfahren für gerechtfertigt anzusehen, da nah Vorschrift des Wahlgeseßes die Auslegung in der Gemeinde u gesehen habe. Die Kommission hat mit Stimmengleichheit (6 gegen 6) die Erheblichkeit dieses Protestpunktes verneint.

Abg. Auer (Soz.) beantragt aus dem vorstehenden Grunde die Ungültigkeitserklärung der Wahl und führt unter Bezugnahme auf ähnlihe Situationen in den Wahlkreisen Leipzig, Dresden, München, Köln aus, daß an der Ungeseßlichkeit jenes Vorganges nit der mindeste Zweifel sei. Wäre die Auffassung des Altonaer Magistrats richtig, so hätte auch der Magistrat von Berlin das Recht, die Wählerlisten für alle sechs Wahlkreise einfah auf dem Berliner Rathhause auszulegen, ein Verfahren, das thatsählich die Einsicht- nahme in die Wählerlisten, wie sie das Wahlgeseß als Recht des Mählers statuiere, unmöglich mache.

Abg. Gamp (Np.) giebt zu, daß hier eine Lücke im Wahlgesetz vorhanden sei, kann aber nicht finden, daß deshalb die Wahl für ungültig erklärt werden müsse; es wären ja dann auch alle Berliner Mahlen nichtig, da auch hier die Listen niht für jeden Bezirk besonders ausgelegt seien. Eine solche Vorschrift stände au nirgends ausdrücklich im Wahlgesetz.

Abg. Spahn (Zentr.) hält aus den von dem Abg. Auer ent- widelten Gründen die Wahl gleichfalls für ungültig. In einem analogen Fall habe der Reichstag schon früher entsprehend entschieden und könne jeßt nicht inkonsequent handeln.

Ubg. Bebel (Soz.): Es komme doch lediglih darauf an, ob der Wähler innerhalb der Grenzen seines Wahlkreises Einsicht in die Wahllisten nehmen kann. Dieser Grundsatz ist hier verleßt; Altona ist ein anderer Wahlkreis. Vor der Eingemeindung haben die Wähler- listen stets in den einzelnen Ortschaften felbst ausgelegen. Der vor- liegende Fall ist bis jeßt einzig in seiner Art und die Verleßung des eseßes niht wegzudisputieren, Die Ungültigkeit muß also aus- gesprochen werden.

_ Abg. von Holleuffer (dkons.) kann sich dur diese Darlegungen nit überzeugen, daß die Wahl ungültig ist; denn es fehle eben an geseßlichen Bor)chriften über den streitigen Punkt.

__ Abg. Gröber (Zentr.): Es is eine einfahe Konsequenz der \ousitgen Vorschriften des Wahlgesezes, daß die Auslegung der Wahl- listen auch im Wahlkreise selbst resp. im Wahlbezirke stattfindet. Die Ungesezlihkeit des Verfahrens in Ottensen u. \. w. is danach weifellos.

Abg. Dr. Enneccerus (nl.) bestreitet, daß diese Auffassung in jolher Allgemeinheit zutreffend sei, während der Abg. Auer darauf verweist, daß der zu den Kommissionecberathungen beigezogene Regierungskommissar, Geheime Negierungs - Rath von Philipsborn selbst erklärt habe, daß die Handlungsweise des Altonaer Magistrats vel sinngemäßer Auslegung des Wahlgeseßes als korrekt niht anzu- chen sei.

_ Mit 143 gegen 123 Stimmen wird die Wahl des Abg. Grafen Moltke für ungültig erklärt.

Die Wahl des Abg. von Polenz- Plauen (dkons.) is von der Kommission für ungültig erklärt worden. Die Ungültigkeits- erflärung ist begründet hauptsächlich durch den Umstand, daß der

cwählte als Amtshauptmann von Plauen, also als oberster Beamter seines Wabhslkreises, die Vertheilung von Flugblättern und Stimm- zetteln zwischen der Haupt- und der Stihwahl im Amtsblatt unter- lagt hat, eine Maßregel, über-deren Ungeseßlichkeit in der Kommission nur eine Stimme geherrscht hat. S

: Die Abgg. von Schöning und Genossen (dkons.) beantragen, die Wahl nur zu beanstanden.

Abg. von Schönin g (dkonsf.) empfiehlt diesen Antrag und weist darauf bin, daß die Kommission mit sechs gegen fünf Stimmen über le erwähnte Geseßesverlezung Beweiserhebung beschlossen, am nächsten vage ader bei etwas verändertem Stimmverhältniß \ich für sofortige Kassierung entschieden habe.

h Abg, Lenzmann (fr. Volksp.) konstatiert, daß er zu den beiden

cunmi}\tonsmitgliedern gehört, die wegen dieser flagranten Geseß- t die sofortige Ungültigkeit der Wahl beantragt und dafür

ccchrheit gewonnen haben. 4 E E Vater Abgg. Dr. Pieschel (nl.) und von Holleuffer (dkonf.) ate en tur den Antrag Schöning, da die hier vorgekommen Un- geleblichkeit niht ohne weiteres die Gültigkeit der Wahl aus\scließe,

u ——————

Man vielmehr über die Tragweite ihres Einflusses auf das Wahl-

degebniß Nch erst orientieren müsse. Zum ersten Male schienen hier M politischen Leidenschaften über die nüchterne Erwägung den Sieg Gi oerragen zu haben ; das Vorgehen der Kommissionsmehrheit sei ein Q ittopewidriges und gewaltthätiges gewesen, gegen das man alle et der Nothwehr eventuell anzuwenden berechtigt sei. des À rûsident von Leveßow ruft den Abg. von Holleuffer wegen ® Ausdrucks ,gewaltthätig“ zur Ordnung. L E R g. Grö ber (Zentr.) bittet den Präsidenten, die Kommission gen solche Angriffe în Schutz zu nehmen. Präsident Von Leveuow: Sch

y Ï mit meinem Ordnungêruf bereits gethan zu haben.

glaube das

Entf bg. Ri ert (fr. Vg.) verweist auf einen neuerdings ergangenen

beid des Ober-Verwaltungsgerihts, wona beim Vorliegen

einer Wahlbeeinflussung der gedachten Art es des Nachweises des zisfermäßigen Einflusses auf das Wahlresultat nicht bedürfe.

„_ Aba. Spahn (Zentr.) tritt als Vorsitzender der Kommission für die Beschlüsse derselben ein und tet gegen den in den Ausführungen des Abg. von Holleuffer enthaltenen Vorwurf, daß die Mehrheit mala fide vorgegangen sei.

Abg. Gröber (Zentr.) befürwortet die Kassierung der Wahl, da der Beschluß der Kommission vollkommen korrekt zu stande ge- kommen sei.

Abg. Bebel (Soz.): Ob die Kommission bereits den Antrag auf Kassierung stellte oder wir ihn jeßt eingebracht hätten, bleibt für die Schlußabstimmung des Reichstages doch gleichgültig. Die Thätigkeit des Abg. von Polenz in Wahlsachen if dem Reichstage nicht mehr unbekannt; sein Verhalten habe 1892 dazu geführt, L Wahl des Abg. Kurt für ungültig zu erklären. War der

g. von Polenz etwa so geseße8unkundig, daß er in gutem Glauben das Verbot erließ oder das von seinem Vertreter zur Nachahhtung insbesondere den Sozialdemokraten gegenüber einshärfte? Wie konnte er es dann bis zum Amtshauptmann bringen ? Jeder Webergeselle im n {ächsishen Wahlkreis besigt ja mehr Geseteskenntniß. Daß das Verbot die Wahlbetheiligung beeinflußt hat, steht außer Frage; denn bei der Möglichkeit freier Agitation hätten wir noch einige hundert Wähler mehr aufbieten, vor allem aber auh auf diejenigen weiter einwirken können, die sih an der ersten Wahl betheiligt hatten.

Jn der Abstimmung wird zunächst der Antrag der Deutsch- konservativen auf Beanstandung der Wahl abgelehnt.

: ZUr Geschäftsordnung erbittet und erhält hierauf das Wort der

Abg. Dr. von Buchka (dkons.): Der Abg. von Polenz hat mich für den Fall der Ablehnung unseres Antrags beauftragt, dem Aen die shriftliche Anzeige zu übermitteln, daß er sein Mandat niederlegt.

: Die Abgg. Singer (Soz.), Rickert (fr. Vg.) und Richter (fr. Volksp.) protestieren gegen diese Verleßung der Geschäfts- ordnung; der Präsident habe diese Mittheilung garnicht entgegenzu- nehmen, da man \ich mitten in der Abstimmung befinde. an A A A (Zentr.) : Bei der Verhandlung über die Wah es Abg. Möller it 1893 diese Frage schon entschieden worden. Auch damals theilte ‘der Abg. Möller die Niederlegung des Mandats mit; gleihwohl wurde die Wahl für ungültig erklärt.

__ Der Präsident bemerkt, daß auch nah seiner Meinung von ihm die betreffende Anzeige niht zur Kenntniß des Hauses gebraht werden könne.

_ Die Wahl wird darauf mit großer Mehrheit für ungültig erklärt. : 1 Es folgt die zweite Berathung des vom Abg. Grafen von Donhoff -Friedrichstein (b. k. F.) u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Heimstättengeseßes.

_ Nach §1 hat jeder 24 Jahre alte Deutsche das Recht, eine Heimstätte zu errichten.

Die Abgg. Graf von Dönhoff - Friedrichstein u. Gen. beantragen heute eine Resolution, in welher die Regierung ersucht wird, in der Richtung des beantragten Entwurfs dem Reichstag in der nähsten Session einen Geseßentwurf vorzulegen. i

Abg. Gamp (Np.) empfiehlt die Resolution und wendet sich gegen die Ausführungen des Abg. Dr. Schoenlank. Der Umstand, daß der Antrag von Herren vom Zentrum, von Oft und West, von Nord und Süd unterschrieben ist, beweise \{hon, wie unhaltbar die Insfinuation des Abg. Dr. Schoenlank sei, daß der Gesetzentwurf nur im Interesse der ostelbishen Grundbesitzer eingebracht sei. Die land- wirthschaftlichen Arbeiter seien schr wohl in der Lage, sich eine Vetmstätte zu erwerben ; namentli könnten die Arbeiter, welche auf Grund des Unfallversicherungsgeseßes eine Unfallrente beziehen und dafür die Kapitalabfindung nehmen, sich für diese eine Heimstätte schaffen. Bon dieser Möglichkeit werde sehr viel Gebrauch gemacht werden.

Abg. Dr. Schoenlank(Soz.) bleibt dabei, daß es hauptsächlich darauf abgesehen sei, die ländlichen Arbeiter im Osten zu einer neuen Art von Hörigkeit zu verurtheilen. Der größte Theil der deutschen Bauern bedanke sich \{chönstens dafür, {ih diese Heimstätten - Gesetz- gebung aufdrängen zu lassen. Auch in Amerika i man bereits zu der Ueberzeugung gekommen, daß die dortige Heimstätten - Gesetz- gebung durchaus verfehlt war, weil sie die steigende Verschuldung des Grundbesitzes nicht zu verhindern vermocht hat, wie Max Sering, den die Regierungen zum Studium der landwirthschaftlihen Verhält- nisse nah Amerika geschickt haben, berichtet. In Texas beträgt der landesübliche Zinsfuß 12 %/; die bankers nehmen für ihre Darlehen Wudcherzinsen bis zu 50%. Mit der starren Verschuldungsgrenze wird also die Auswucherung des kleinen Landwirths geradezu ge- fördert. Dieser Entwurf ift lediglich ein Ausdruck einer potenzierten Verlegenheitspolitik. Wir, die Sozialdemokratie, sind auf alle Fälle auh hier der lachende Dritte. Dieselben Herren, deren Vorfahren Jahrhunderte lang die Bauern legten und sie jeßt bedrücken und aus- nutzen, , Tommen mit diesem unmöglichen Mittel, den Bauer wieder seßhaft zu machen.

Abg. Rickert (fr. Vg.) bittet um Auskunft, was die mitgetheilte Resolution bezwecke.

Der Präsident erklärt, die Vertheilung sei etwas zu früh erfolgt. Abg. Dr. von Bennigsen (nl.) als Miteinbringer erklärt, daß sie zur Verhandlung kommen follte nah Erledigung des § 1.

Abg. Dr, Swaedler (Dent): Ih stehe der Lenden der Borlage durchaus zustimmend gegenüber. Einige Zweifel, welche ih hinsichtlih der Reichskompetenz noh hätte, werden sih aufs einfachste lösen, indem die Nesolution zur Annahme gelangt.

Abg. Lenzmann (fr. Volksp): Nach diesen Erklärungen cheinen die Antragsteller doch von ihrem Vorgehen einen direkten Erfolg selbs niht mehr zu erwarten. Wir beshränken uns unter diesen Umständen darauf, gegen diesen Versuch zur Herstellung bäuer- lier Fideikommisse zu stimmen.

Abg. Dr. Hahn (b. k. F.) stellt in längerer Nede die Vorzüge der Errichtung einer Heimstätte für die kleinen Landwirthe dar. Schon die Hohenzollern hätten diese Politik befolgt. Ein solches Geseß sei die beste Fortseßung der vom Deutschen Reich inaugu- rierten Sozialreform. Wolle fich Deutschland militärisch in Europa behaupten, so müßte dieses Geseß angenommen werden.

Abg. Nidckert (fr. Vg.): Wenn das Deutshe Reich keine festeren Säulen hätte als diesen Gesetzentwurf, der noch dazu durch eine Nesolution beseitigt werden soll, so thäte es mir leid um mein Vaterland. In den vertraulichen Besprechungen des Seniorenkonvents bat niemand davon gesprochen, daß dieses Geseß noch erledigt werden follte. An eine gründliche Diskussion ist garnicht zu denken ; gleihwohl muthen Sie uns im leßten Augenblick eine solche Auf- gabe zu und heute wollen Sie großmüthig die Arbeit der Regierung überlassen. Die Sache ist noch nicht reiflih durhdacht. Wir werden 8 1 ablehnen, weil wir niht wissen, was hinterher kommt, und darauf kommt es allein an, und die Resolution werden wir erst ret ablehnen. t

Abg. von Janta-Polcynski (Pole) erklärt, daß nach seiner Auffassung viel nothwendiger, als dieses Geseß, ein Geseß sei, welches das Ansiedelungsgeseß beseitige.

Abg. Dr. Boeckel (d. Refp.): Wir sind für den Antrag, der einen Bruch mit dem römischen Recht, eine Wieden E 2 das deutsche Recht für uns bedeutet und als der erste Schritt zur Durch- führung eines deutschen Agrarrehts erscheint. Es genügt aber nicht, wenn die Errichtung einer Heimstätte nur fakultativ gemaht wird: eine folhe halbe Maßregel verspricht keinen dauernden Erfolg. Wir begrüßen den Antrag aber als einen Anfang auf diesem Gebiet, und au deshalb, weil er das pfandfreie Existenzminimum auf die Landwirthschaft ausdehnt. Die ves rier, habe bisher nur für Militärvorlagen , Steuern und Handelsverträge Verständniß gehabt; endlih einmal möge sie zeigen, daß sie auch für Sozialreform Ver- ständniß habe. Der Reichstag sei keine bloße Bewilligungsmaschine.

Abg. Liebermann von Sonnenberg (b. k. F.) spriht sich Se Pen Ausführungen gegen den Abg. Dr. Schoenlank für

ns aus, S 1 wird hierauf mit beträhtliher Mehrheit angenommen.

__ Abg. Graf Dönhoff (b. k. F.) erklärt, auf die Weiterberathung im Einverständniß mit den übrigen Antragstellern verzichten zu wollen und bittet, die eingebrahte Resolution anzunehmen, da die Geschäfts- lage des Hauses die Durchberathung niht mehr gestatte, weil für morgen der Schluß der Session in Aussiht genommen sei.

Aba Nidert (fr. Vg.) vermag nicht einzusehen, wozu solche Eile nöthig ist, weshalb in der nächsten Session die Negierung eine Vorlage machen solle. Man möge doch wenigstens die Worte „in der nächsten Session“ fortlassen.

A Abg. Gamp (Np.): Es sind {hon weitgehende Vorarbeiten im Reichs-Justizamt vorhanden. Weshalb soll also die Forderung an die Regierung nicht erhoben werden?

Die Resolution wird angenommen.

ZUr Uebersicht der Reichs-Einnahmen und Aus- gaben Ur 1892/93 werden die Etatsübershhreitungen und außeretatsmäßigen Ausgaben vorläufig genehmigt.

_ Zur dritten Berathung der Novelle zum- Vie )seuchen- ge]eß hat der

Abg. Dr. Boe el (d. Refp.) seinen Antrag wieder aufgenommen, wonach Viehhändler zur regelmäßigen Führung von Büchern ver- pflichtet sein sollen, in welchen Aus- und Eingang aller von ihnen gehandelten Thiere sorgfältig verzeichnet sein muß, Zuwiderhandelnde von der Ortspolizeibehörde bestraft werden follen und absichtlich lage Angaben unter die Strafandrohungen der §8 267 ff. gestellt werden.

Abg. Dr. Boedckel (d. Nefp.) befürwortet seinen Antrag.

4 Negierungskommissar, Wirklicher Geheimer Ober-Regierungs-Rath Beyer hält die im Geseß gegebenen Fakultäten für ausreichend ; dieselben gestatten auch, Anordnungen im Sinne des Antrags zu E Cine obligatorishe Vorschrift in dieser Richtung gehe aber zu weit.

Abg. Dr. Stephan (Zentr.) lehnt au den Antrag als zu weitgehend ab.

Der Antrag Boeckel wird abgelehnt, die Vorlage nah den Beschlüssen zweiter Lesung unverändert angenommen, ebenso in der Gesammtabstimmung im ganzen.

__ Die Vorlage, betreffend die Aenderung des § 41 der Konkursordnung, wird unverändert definitiv genehmigt, eine von dem Abg. Gröber eingebrahte Resolution auf Ver- anstaltung einer Konkursstatistik ohne Debatte angenommen.

Schluß gegen 63/4 Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 52. Sigung vom 18. April 1894.

Jm weiteren Verlauf der zweiten Berathung des Geseßt- entwurfs, betreffend die Auffuhung und Gewinnung der Kali- und Magnesiasalze (f. den Anfangsbericht in der Mittwochs - Nummer d. Bl.), nahm nah dem Abg. Schmieding (nl.) das Wort der

Minister für Handel und Berleps\ch:

Meine Herren! Die Bedenken, welche der Herr Abg. Schmieding vorgetragen hat, theilt er selbst in zwei Theile: in wirthschaftliche und tehnishe. Sie wollen mir gestatten, daß ih namentli die ersteren jeßt hon mit einigen Worten berühre.

Der Herr Abg. Schmieding hat die Frage aufgeworfen: was wird werden, wenn das Geseß angenommen wird, und wie werden die Verhältnisse sih gestalten? Er beantwortet die Frage dahin, daß er sagt: der Bergbau wird in den Theilen, wo er bis jeßt {hon weit vorgeschritten ist, weiter gehen, in denjenigen Landestheilen, wo man bisher keinen Kalibergbau getrieben hat, todt daliegen und man wird gerade die Theile, die dur ihre landwirthschaftlichen Verhält- nisse ganz besonders auf den Konsum von Kali hingewiesen sind, auf das empfindlihste durch das Todtlegen des Kalibergbaus schädigen.

Meine Herren! Die Absicht des Gesetzes ist allerdings die, das Gegentheil von dem herbeizuführen, was der Herr Abg. Schmieding uns ausgeführt hat. Jch bitte Sie zu beachten, daß wir bis jeßt völlige Bergbaufreiheit haben, und daß es bis jeßt keinem Privatunternehmer eingefallen ist, mit dem Versuche vorzugehen, in den östlihen Pro- vinzen einen Kalibergbau zu eröffnen. Und warum? Wohl, meine Herren, aus dem sehr einfahen Grunde, weil man der Meinung war, daß man dort kein Kali finden würde. Man kann Steinsalz an vielen Stellen finden; man hat deshalb noch kein Kali, und die Boh- rungen, die bis jeßt vorgenommen worden sind in den öst- lihen Landestheilèn: Pommern, Ost- und Westpreußen, Posen, Brandenburg, haben mit einer ganz verschwindenden Ausnahme bei Jnowrazlaw bis jeßt das Vorhandensein von Kali nicht nachge- wiesen, und auch in Jnowrazlaw selbst ist der gemachte Fund fo un- erheblich, daß an die Eröffnung eines Betriebes auf * diesen Fund hin garnicht zu denken ist. Also, meine Herren, die Sache ist so, daß heute bei der völligen Bergbaufreiheit aus sehr einfahen Gründen die Privatunternehmung sich auf Kaligewinnung garnicht gelegt hat. Wenn nun das Geseß Annahme findet, meine Herren, so werden ja die Hoffnungen auf Finden von Kali in diesen Provinzen allerdings niht größer. Der Fiskus wird aber ungesäumt, sowie das Gese An- nahme gefunden hat, von neuem seine Versuche aufnehmen; er wird in den östlichen Provinzen, wo er nur halbwegs darauf rechnen kann, dort vielleiht noch Kali zu finden, Bohrversuhe machen, und

Gewerbe Freiherr von

wenn er es in abbauwürdiger Weise findet, wird er un=