1894 / 97 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 25 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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Find von fo eminenter Bedeutung, daß sie uns Allen am Herzen liegen müssen, daß wir dann aber die erforderlichen Organe schaffen müssen, die wir gegenwärtig niht haben. (Sehr richtig !)

Der Herr Abg. Nichter hat gemeint, ih hätte mich vorzugsweise interessiert für den mißlungenen Versuch, diese ursprünglih hanuöversche Höfeordnung auf die ganze Monarchie auszudehnen. Gewiß habe ih diesen Versu mitgemaht. Aber der Herr Abg. Richter wird keinen Saß von mir finden können, daß ih aus diesem Versu große Resultate erwartet hätte. Das Höfegeseß in Hannover hat auch sehr große Mängel, und weniger das Höfegeseß wirkt dort für die Erhal- tung eines guten Bauernstandes als die Sitte und die Gewohnheit, welche es verhindert, daß man durch die nah allen Seiten hin vor- handenen Lücken des Höfegesetzes hindurh Ausgänge findet. Genau so ist es in Westfalen. Die Bauern, die nicht unter das Höfereht gestellt sind, bleiben vorläufig wenigstens in derselben Rechtsverfassung thatsählih und in denselben wirthschaftlichen Zuständen wie diejenigen leben, welche das Höferecht angenommen haben. Das beweist aber Feines8wegs, daß gegenüber dem Eindringen industrieller Gesichtspunkte gegenüber dem wachsenden Ueberwiegen des Mobiliarrehts, gegenüber der Freizügigkeit und andern Gründen eine folhe Sitte sich dauernd würde ohne Hilfe der Geseßgebung behaupten können.

Dann hat der Herr Abg. Richter gemeint, ih hätte mich für das erste Nentengeseß und für das zweite von 1891 fehr interessiert ; beide aber haben feinen Erfolg gehabt. (Widerspruch links.) Ich war im Herrenhause, als das erste Geseß berathen wurde; wenn ih mich recht erinnere, habe ih \{chon damals ausdrücklih da: D G D e S da if, wird leine wesentliche Wirkung haben. Es lag mir allein daran, zum ersten Mal das Prinzip der Rentenbelastung von der Gesetzgebung anerkannt zu sehen. Wenn diese Renten nicht in Kapital verwandelt werden konnten, wenn also der Staat seine Vermittelung nicht bot, diese ewigen Renten in ablösbare Kapitalrenten zu verwandeln und dem Rentenguthersteller die Möglichkeit zu geben, Rentenbriefe zu er- halten und zu veräußern, sein Betriebskapital zu erhöhen, seine Schulden zu vermindern, daß so lange aus der Sache nichts werden fonnte, das war mir von vornherein klar. Deswegen habe ih allerdings von meinem Standpunkt aus das zweite, aus dem Land- wirthschaftlichen Ministerium hervorgegangene Geseß auf das {tärkste befördert.

Nun, der Erfolg, den der Herr Abg. Nichter nicht zu kennen cheint, indem er sagt: es giebt auch hier feine Statistik während der Landwirthschafts-Minister die Statistik der Rentengüterbildungen hier mehrfah zahlenmäßig dargelegt hat —, der Erfolg ist ein über- raschend guter gewesen. Jch bin überzeugt, der Staat konnte hier wie bei der Ablösung der Feudallasten, wo er in derselben Weise verfahren hat, während es sich hier hauptsählich um eine zweckmäßige Ver- Eleinerung dex Güter und um eine Beseitigung, zum theil wenigstens, der Hypothekenlasten handeln wird ih bin überzeugt: der Staat, obwohl ex seine Vermittelung hier angeboten hat, obwohl er die Rentenbriefe garantiert, wird wesentliche materielle Verluste aus dieser Garantie niemals haben.

Dies ist gerade ein Beroeis, wie die Vermittelung des Staats ohne wesentlihe Opfer große soziale Verbesserungen durch- zuführen im stande ist. (Sehr rihtig!)) Jch bin überzeugt, ie gane Ablosung dex Feuballästen wäre ohne éine Nermittelung des Staats gescheitert; nochß heute würden wir in den alten Zuständen \tecken, wenn der Staat damals niht dazwischen ge- treten wäre. Was damals der Staat für die Beseitigung der Feudal- lasten geleistet hat, warum soll der Staat das heute nicht leisten gegenüber anderen noch gefährlicher drückenden Lasten® (Lebhafte Zu- stimmung rechts.)

Uebrigens möchte ich doch betonen, daß vom Standpunkt der Staatsregierung und namentlich des Herrn Landwirthschafts-Ministers diese Landwirthschaftskammern keineswegs allein geschaffen sind, um ein neues Agrarrecht zu machen davon ist garnicht die Rede —, sie sollen Berather der Regierung sein, sie follen die gemeinsamen Snteressen der Landwirthschaft aus eigener Initiative vertreten, sie follen auch in der Lage sein, gemeinsame Einrichtungen, die für die Landwirthschaft nüulih sind, zu \chaffen, sie sollen auch auf dem technishen Gebiete die Fortschritte fördern sie sind keineswegs allein für diese eine Frage hergestellt. Das e e a man det Versu das bestehende Grundeigenthumsrecht und warum sollen denn niht für das- Grundeigenthum besondere Nechtsverhältnisse au möglich sein, wie wir doch für den Handel und für die Industrie in dem Handelsrecht au ein besonderes Net geschaffen haben ih sage: wenn diefer Versuch mit Erfolg unternommen werden foll, so muß dafür das Handwerkszeug vorhanden sein. Wir werden dabei auf eine folche Menge Fragen stoßen, wo wir die Mitwirkung der Genossen, wenn ih fo sagen darf, der nächst interessierten Beruf8geno\sen brauchen, daß wir niht zu einem gedeihlichen Gnde kommen mit der Behand- lung der bezeihneten Fragen, wenn wir niht die vorgeschlagenen Organe besißen.

Nun sagt der Herr Abg. Richter: dann soll man sih wenigstens begnügen mit fakultativen Instituten. Ja, meine Herren, öffentlich- redilihe JInslitütionen, die bei der Gesehgebung mit wirken bei Fragen, die die gesammte Landwirthschaft aller Provinzen berühren, nur so \sprenkelhaft herzustellen, je nah dem Belieben und dem Vorherrschen bestimmter momentaner Anschauungen oder dem Einfluß bestimmter Männer, das ist doch an fh kein richtiges Verfahren. (Sehr rihtig! rets.) Ich bin per- fönlih der Meinung, daß, wenn es dennoch dazu käme, ‘der Nußen, der in solchen Organisationen liegt, bald au in anderen Provinzen erkannt werden würde, und daß man auch dort s{ließlich dazu über- gehen würde. Aber auf diesen zufälligen Entwickelungsgang bei der Herstellung organischer Einrichtungen zu warten, das ist nah meiner Meinung doch nicht praktish. (Sehr richtig !)

Meine Herren, die Widerstände, die ih hier sehe, beruhen meistens auf Gesichtspunkten, die nah meiner Meinung mit der Sache nichts zu thun haben. Ich unterschreibe in diesem Fall vollständig, was der Herr Abg. Richter sagt, daß hier keine liberale und keine konservative Politik getrieben wird, daß die Organisation eines Berufsstandes mit diesen Fragen nichts zu thun hat. Noch weniger kann ih glauben, daß fkonfessionelle Gegensäße auf diesem Gebiet von Be- deutung wären. Ih habe umgekehrt immer gefunden, daß die übermäßige Schärfe solher Gegensäße durch die gemeinsame Arbeit an wirthschaftlihen Fragen, die alle gleich interessieren, abgeschwäccht wird. (Sehr rihtig!) Wenn Großgrund-

besi und Kleingrundbesiß zusammenarbeiten an einer Aufgabe, wenn Katholiken und Protestanten, Liberale und Konservative bei gleichen Vnteressen und gleichen Aufgaben, die ihnen gestellt sind, zujammen- arbeiten, so, bin ih überzeugt, wird niht der Gegensaß, fondern der Friede aus diesen Organisationen hervorgehen! (Lebhafter Beifall.)

Abg. von Mendel-Steinfels (kons.): Die freundlichen Erklä- rungen der Herren von der Linken zu Gunsten der Landwirthschaft stoßen bei uns etwas auf Mißtrauen; wir haben immer das Empfinden, daß die Herren glauben, das Wohlbefinden der Industrie und der Landwirthschaft seien gewissermaßen Gegensäße. Dies land- wirth\chaftlihen Zentralvereine find durch die Staatszushüsse von der Staatsregierung abhängig. Wir brauchen eine unabhängige Ver- tretung der Landwirthschaft. Die Landwirthschaftskammern find feine neue Erfindung des jetzigen Ministeriums, sondern {on in den vièrziger Jahren sind folbe Landwirthschaftskammern mit Selbst- besteuerungsrecht verlangt worden. Die Bauern find niht immer in die landwirth\chaftlihen Vereine hineingezogen worden, sie haben sich zurückgehalten; sie sollen jeßt gezwungen werden, ihre Stimmen in die Wagshale zu werfen. Die landwirth- schaftlihen Zentralvereine wurden bei den Maßnahmen der leßten Jahre nicht gehört, sie wurden überhört beim österreichischen und beim russishen Handelsvertrag. Vor zwei Jahren konnte man mit fakultativen Landwirthschaftskammern noch auskommen ; die leßten zwei Jahre haben gelehrt, daß man eine obligatorische Zusammensassung der Landwirthschaft zu einer Interessenvertretung nothwendig braucht. Den Vereinen wird von den Landwirthschaftskammern das bisher fehlende Geld zur Verfügung gestellt werden zur technishen Förderung der Landwirthschaft. Die Lokalvereine brauchen in Zukunft ihre Bei- träge niht mehr an die Zentralvereine abzuführen, und dadurch werden sie auch finanziell gestärkt. Ob die Zentralvereine den Kammern weichen müssen, wird von der Leistungsfähigkeit der Kammern ab- hängen. Die Vorlage war zu bureaukratish gestaltet, durh die Kommissionsberathung hat sie eine praktishe Umgestaltung erfahren. Die Neuregelung der Kreditverhältnisse und des Anerbenrechts find vom Regierungstische in den Vordergrund gestellt worden. Gewiß wird in einzelnen Bezirken damit nichts erreiht werden können. Aber die Landwirthschaftskammern anderer Bezirke werden auch die Möglichkeit und das Recht haben, Gesehe und Vorschriften, die für ihre Ver- hältnisse niht passen, zurückzuweisen. Kein Staat kann sich der Verpflichtung entziehen, die landwirthschaftliche Kultur zu unterstüßen. Bei uns geschieht das nicht in dem Maße wie in anderen Staaten, und wir haben das Gefühl, daß die Industrie mehr unterstüßt wird als die Landwirthschaft. Jedenfalls dürfen die Staatssubventionen, welche die landwirthschaftlihen Vereine beziehen, niht aufgehoben werden. Es ist die Aeußerung gefallen, daß wir danach strebten, unfere Schulden los zu werden. Das ist nicht der Fall. Wir wollen nur die weitere Verschuldung verhindern, denn die Landwirthschaft kann die Verschuldung nicht in der Form übernehmen wie Handel und Industrie.

Die Abgg. Reinece (fr. kons.) und vom Heede (nl.) haben ihre Ä nträge in einen. vershmolzen, der dem § 1 fol- genden Wortlaut geben will:

„Zum Zwecke der korporativen Organisation des landwirth- \chaftlihen Berufsstandes können Landwirthschaftskammern errichtet werden, welche der Negel nah das Gebiet einer Provinz umfassen. Die Errichtung kann auf Antrag des Provinzial-Landtages oder des landwirth\chaftlihen Provinzial- oder Zentralvereins erfolgen.“

Abg. S ch mit- Erkelenz (Zentr.): Die Vorlage ist in der Kom- mission erheblich verbessert worden, namentlich auch dadurch, daß die Börse und die Märkte scharf beaufsichtigt werden sollen. Eine Verschlehterung is aber eingetreten in Bezug auf die Wahlen, wo der Schuß des mittleren Grundbesißes, den die Vorlage enthält, beseitigt worden ist. Von der korporativen Organisation wird viel gesprochen. Das Wort is auch auf die Vorlage übergegangen, aber die Vorlage bringt eine wirklihe korporative Organisation nicht. Im Wege der Zwangsorganisation kann man die großen Aufgaben niht erreichen, um die es sich hier handelt. Korporatives Leben fann nur gedeihen in kleinen Verbänden, nicht in einer Organi- sation, welhe eine ganze Provinz umfaßt. Nedner geht auf die Verhältnisse der landwirthschaftlihen Lokalvereine des Kasinos, der Kreisvereine und des Zentralvereins in Rheinland näher ein und be- streitet seinem Fraktionsgenossen, dem Abg. Freiherrn von Loë, daß es diesen rheinischen Vereinen an Boden im Volk fehle. Nicht nur er, Redner, sondern auch noch andere gläubige Katholiken säßen in dem Vorstande des Zentralvereins neben liberalen und konservativen Männern; es kämen aber die politishen Gegensäße niemals zum Ausdru. Bedenklich sei, daß die Landwirthschaft zum Obiekt einer neuen Steuer gemaht werde; jedenfalls dürfe man nicht zu weit in dieser Beziehung gehen. Man sollte lieber die Staatszuschüsse für die landwirthschaftlihen Vereine erhöhen, die so niedrig seien, wie sonst in keinem anderen Staate. Das Geld dazu würde zu be- schaffen sein, wenn man dem Luxus an Postpalästen Einhalt thun und das Geld für die Landwirthschaft nuybar machen wollte. Der Finanz-Minister, fährt Redner fort, hat vom Agrarr-cht gesprochen. Wir haben ein gutes Agrarreht; nur auf dem Gebiete des Grbrechts wäre etwas zu ändern, namentlich dur die Erweiterung der Testier- freiheit. In Bezug auf die Verschuldung bieten die Zahlen des Finanz- Ministers keinen festen Anhalt für den Westen, weil fie sich nur auf die Person mit mehr als 3000 6 Einkommen beziehen. Und wie sind die Einnahmen aus der Landwirthschaft berehnet ? Wahrscheinlich hat man den Katastralreinertrag zu Grunde gelegt. Das Wahlrecht, welches die Kommission geschaffen hat, kann unter keinen Umständen auf- recht erhalten werden, weil man dadurch zu einem Gegensatz zwischen Groß- und Kleinbesiß käme, der bisher vermieden wurde. In meinem Wahlkreise würden über 7000 Kleingrundbesitzer ausge- {lossen sein, weil sie unter 30 46 Grundsteuer zahlen. Eine folche Abnormität is noch bei keinem einzigen Wahlgeseß vorgekommen. Redner verweist auf den Landes-Kulturrath im Königreich Sachsen, der aus geheimen Wahlen mit gleihem Wahlrecht hervorgehe und dessen Kosten die Staatskasse trage. Auch diejenigen, welche an sich den Landwirthshaftskammern zugeneigt seien, könnten zur Ablehnung der Vorlage kommen, weil dieselbe noch nicht ausgereift fei. Deshalb wäre der Antrag auf faktultative Einrichtung von Landwirthshaftskammern ein guter Auêsweg, weil da in. einer Provinz die Probe gemaht werden könne, und, von ihren Erfahrungen fönnten die anderen Provinzen lernen. Nedner hofft, daß es nicht an Männern fehlen werde, welche an der Durchführung dieses Gesetzes mithelfen würden zum Nutzen der Landwirthschaft und des ganzen Vaterlandes.

Abg. Dr. Krause [Königsberg] (nl.): Ohne die Mitwirkung der Nationalliberalen wird das Geseß in der fakultativen Form nicht angenommen werden. Die Nationalliberalen, obwohl ein Drittel der Fraktion Landwirthe sind, versprehen ‘sich nicht viel von diefen Kammern. Ein Bedürfniß liegt nicht vor, denn die Landwirthe find organisiert; in allen Provinzen bestehen blühende landwirthschaftliche Bereine. Bei keinem anderen Gewerbe besteht ein so blühendes Vereins- wesen mit so vorzüglichen Einrichtungen. Da sollte man doch nicht neue Experimente machen; denn man weiß nicht, ob man etwas Besseres schaffen wird. Eine staatlihe Einwirkung auf die Agrar- verhältnisse will ih niht ablehnen, aber was hat das mit den Land- wirthschaftskammern zu thun? Die behördlichen Organisationen sind ganz gut; jedo wo es sich um die Wahrnehmung von Interessen handelt, is der freiwillige Zusammenshluß der Interessenten immer das Beste gewesen. Für poslitische Verhältnisse find solche fiktiven Vertretungen, bei denen nur ein fleiner Theil der Wähler h betheiligt, niht zu umgehen. Aber bei Interessenvertretungen liegt die Gefahr nahe, daß niht die landwirthschaftlichen Interessen den Hauptgegenstand der Verhandlungen bilden werden, sondern andere Gegenstände. Nationale und politische Gegensäße können hervor- treten. Und sind die Landwirthschaftskammern geeignet, geseß- geberische Maßregeln in Bezug auf das Erbreht und das Kredit- wesen vorzubringen? Der deutshe Landwirthschaftsrath hat gute Anregungen für die Gesetzgebung gegeben, und folhe Anregungen haben ihren Werth niht darin, von wen. fie ausgehen, sondern

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ledigli in ihrer Begründung und in ihrem Inhalt. Wenn sämmtliche Landwirth\schaftskammern zusammen den staatsmännischen Antrag des Grafen Kaniß vorgebracht hätten, er hätte doch nicht mehr Erfolg ge- habt. Die Minister sprachen gestern davon, man könne den Stand der Landwirthschaft niht genügend übersehen. Da müßte dem Staats- Ministerium ein großer Vorwurf gemaht werden; denn das Mini- sterium verfügt über genügende Kräfte, um Umfragen aller Art zu balten. Sollen die Landwirthschaftskammern eine Enquête veran- stalten, dann bekommen sie eine Menge Schreibereien, die man ihnen besonders fern halten sollte. Herr von Loë und Herr von Erffa haben Ausfälle gegen den Liberalismus gemacht; was sie dazu veranlaßt hat, is mir vollständig unbegreiflih. Jch bin auf den Gedanken gekommen, daß in einzelnen Kreisen der fonservativen Partei das Bestreben besteht, die nationalliberale Partei zu brüskieren. Jch verweise auf cinige andere Vorkommnisse hier und au darauf, wie Herr von Manteuffel unsern verehrten Führer, Herrn von Bennigsen, brüsfiert hat. Wir haben Landwirthe unter uns, und draußen im Lande gehören auch eine ganze Anzahl von Landwirthen . zu uns, Aber freilich, wir blasen niht immer sofort bei jedem neuen Schlagwort in die Trompete: heute fakultative und morgen obligatorische Landwirthschaftskammern! Die politischen Vereine haben gegen die Landwirthschaftekammern nicht opponiert; sondern von den Landwirthen und zwar nicht von den liberalen Landwirthen, so z. B. aus Ostpreußen, voû dem dortigen Zentralverein, der durchaus der konservativen Nichtung angehört, ist die Opposition ausgegangen. Abg. Nickert (fr. Vg.): Auf uns machen folche Strafpredigten von der Rechten keinen Eindruck, weil wir es {hon gewohnt sind, als bôse Menschen geschildert zu werden, welche, obgleih sie Grund und Boden besißen, dennoch Feinde der Landwirthschaft sein follen. Ich plädiere aber für Herrn von EGrffa auf mildernde Umstände, weil er die Niederlage wettmachen will, welche die Konservativen am anderen Ende der Leipzigerstraße erlitten haben. Man will wenigstens etwas retten. Zuerst war man schr kühl für die Vorlage; jeßt herrscht eine gewisse Siedehiße. Haben die Kommissionsberathungen Sie (rechts) von der Güte des Geseßes überzeugt? (Jawohl! rechts.) Die Herabseßung des Besteuerungärechts is die einzige Verbesserung dex Vorlage. Namentlich in Bezug auf das Wahlrecht ift aber eine Vershlechterung eingetreten. Herr von Los scheint sich sehr {nell über seinen Antrag in Bezug auf diesen Punkt getröstet zu haben. Er findet ih mit Herrn Miquel zusammen in. dem Gedanken" .der torporativen Organisation. Geirn Miguel: bäbe 0 {on immer für einen verkappten Kathedersozialisten gehalten; Herr von Los tft nur etwas mehr chrisilih-germanish und denkt vielleicht auf diesem Wege die soziale Frage zu lösen. (Zuruf des Abg. Freiherrn von Loë: Die Lösung anzubahnen!) Davon ist schon immer die Rede gewesen, bei den Gewerbekammern u. st. w.; diese Anbahnungen blieben immer auf dem Papier stehen. Was haben alle konser- vativen Meden über Vereinfachung der Verwaltung, Entlastung der Amtsvorsteher u. |. w. für einen Werth, wenn nah Abschluß jeder Session die Konservativen diese Lasten wieder vermehrt haben. Durch die Kirchenvorlage wird die Kirchensteuer vermehrt, hier wird die Land- wirthschaft belastet, den Beamten werden neue Arbeiten und der Bevölkerung neue Wahlen zugemuthet. Es wäre wirklich gut, man uns mit neuen Vorlagen endli) einmal vers{honte, wenn die

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Minister sich etwas mehr Muße ließen. Wozu sollen die Landwirth- schaftskammern eigentlich dienen? Das müssen wir doch wissen, che wir sie bewilligen. Sicher wissen wir nur, daß zweckdienliche Organisa- tionen, die Zentralvereine, zerstört werden. Berathen war die Negterung bisher shon ganz gut. Die Landwirthschaftskammern follen die Träger großer fozialpolitischer Aufgaben sein, aber die Regierung | darüber nichts verlauten laffen. Wir gehen ebenso unklar aus dem Hause fort, wie wir gekommen sind. Ich bitte den nächsten Herrn Redner, mir aus dem Born seiner Weisheit etwas darüber mit- zutheilen. In Bezug auf das Erbrecht kann nicht festgestellt werden, daß die Vershuldung zugenommen hat infolge des jeßigen Erbrechts, daß der bäuerlihe Besiß dadurch zurückgegangen ist. Die s{wierige Lage der Landwirthschaft wird allgemein anerkannt ; aber die Nothlage ist niht eine allgemeine. Der Finanz-Minister selbst hat ge\tern erklärt, daß die Regierung die Verhältnisse nicht vollständig klar überschen fönne. Der Bund der Landwirthe könnte fich ein Verdienst erwerben dur die Anstellung einer Privatenquête. Die Landwirthschaftskammern könnten bei der Anstellung | Enquête doch nicht helfen. Der Minister für Landwirthfd hat in der Kommission von einer Einschränkung der Ver C G E S c 4 c M TN \{huldungs reiheit gesprochen. Zu welchen Konsequenzen tamen dabei? Die Steuer- und Wirthschaftsreformer haben schon den 80er Jahren verlangt, daß der Staat in die Eigenthumsver hältnisse eingreifen solle, gleichsam als Üreigenthümer. Da kon wir direkt in den fozialistis@en Staat hinein. Nur einen Gedanken habe ich entdeckt : Die Landwirtbshaftskammern sollen den Bund der Landwirthe ersezen und dessen Thätigkeit in organisatorische Bahnen lenken. Das wird au nicht eintreffen. Die Polen haben sich in das Gesetz verliebt, nachdem sie es zuerst als einen leeren Rahmen bezeichnet haben. Wenn wir boshast sein wollten würden wir für den Antrag von Tiedemann stimmen,

die Polen zu zwingen, gegen das Geseß zu stimmen Aber wir thun das nit; wir geben das Geseß mit einem non 1i zurück. Herr von Erffa meinte, wir machten gegen jedes der Land wirthschaft günstige Gesey Front. Nehmen Sie dieses Ge]ey an, welches zwei Drittel der Landwirthe von dem Wahlreht aus- ließt; das Geseß wird Wasser auf unsere Mühlen sein. Das Geseß kann Jhrer Agitation nur schaden.

Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten Von OEYDCEl:

Meine Herren! Bei meinen früheren Ausführungen habe ih feinen Zweifel darüber gelassen, daß ih die Durchführung der Vorlage auf der Basis der Einrichtung obligatorischer Landwirthschaftskammern für nothwendig halte.

Wenn ih zum Schlusse meiner gestrigen Rede hinzufügte: falls si das hohe Haus anders entschließt, werde für mi die fakultative Gestaltung nicht unannehmbar sein —, so war das eine der Sachlage entsprehende Höflichkeit. Dementsprehend habe ih gleih s

m p ei dh i f . R Anfang meiner Ausführungen gesagt: die Regierung [tel den Beschlüssen des Hauses ziemlich kühl gegenüber; di Negierung habe ihre Offerte gemacht im Interesse der Landwirthschask und werde abwarten, wozu sich das Abgeordnetenhaus entschließt. Da- mit ist aber keineswegs gesagt, daß ih diese Angelegenheit etwa [Ur gleihgültig halte oder, wie der Herr Abg. Rickert ausführte, ein Dissens zwischen dem Herrn Finanz- Minister und mir besteht. Er meinte, es sei ja eine bekannte Thatsache, daß im landwirthschaftlichen Ministerium zuerst cine Vorlage auf der Basis der fakultativen Ein- richtung ausgearbeitet sei. Das ist richtig, das ist au gar kein Ge- heimniß; es haben ja im vorigen Jahr Vorbesprehungen mit zahl- reihen Herren auch dieses Hauses stattgefunden. Die Erklärung des

p 0 , A " , T chfoit Lan des-Oekonomie-Kollegiums lag vor, man möchte die Möglichleil eröffnen, daß sich landwirthschaftliche Zentralvereine zu Laudwirthfcha|ls- fammern umgestalten könnten. Das sind alles bekannte Thatfachen; der eine Ausgangspunkt für die Vorlage war der, für die landwirth» schaftlichen Vereine cine größere Selbständigkeit zu gewinnen. Dew- entsprehend wurde diese: shwierige Materie zunächst in der Art und Weise ausgestaltet, wie es in landwirthschaftlichen Kreisen erwünscht

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(Schluß in der Dritten Beilage.)

Dritte Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

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Berlin, Mittwoch, den 25. April

1894.

(Schluß aus der Zweiten Beilage.)

Aber, meine Herren, neben dieser Seite der Frage fanden weitere Verhandlungen statt. Schon im Jahre 1892 war in An- fnüpfung an das Nentengütergeseß die Klage erhoben: wenn man den Staatskredit dur Eröffnung der Nentenbanken für die Errichtung bäuer- licher Stellen nußbar gemacht hat, warum macht man ihn nit nußzbar im VJnteresse der gesicherten Erhaltung der bestehenden bäuerlichen Stellen ? Da ich im öffentlichen Leben den Standpunkt vertrete, daß, wenn ih ein Bie verfolge, ih mich mit dem zunächst Erreichbharen begnüge: fo trat ich in Vorbesprehungen darüber ein, um das, was wir zur Bil- dung neuer Bauerngüter gethan hatten, au nußbar zu machen zur Erhaltung der bestehenden Bauerngüter. Im Laufe dieser Verhand- lungen ergab si, daß gewichtige Bedenken entgegenstanden, das Vor- handene einfach weiter auszudehnen. Wenn man diese Bedenken an- erkannte, so lag keine Nothwendigkeit vor, fich zu beshränken auf den bäuerlichen Besiß, sondern die Lage des ganzen Grundbesißes mußte dann in Frage kommen. Dies der Weg zuc obligatorischen Kammer.

Nun ift in der Vorlage doch kein Zweifel darüber gelassen, daß die Staatsregierung in eine Prüfung der Frage eingetreten ist, ob die bestehenden Verschuldungsverhältnisse auf die Dauer für den länd- lihen Grundbesiß erträglih sind. Ich habe gar kein Vedenken, zu sagen: nein! Die Entwickelung der Thalsachen führt dahin, daß man klar vor Augen sieht: wenn die Sachen so weiter gehen, so wird und muß eine fortschreitende Uebershuldung des ländlichen Grundbefißes intreten, die dahin führt, daß wir den selbständigen Grundbesiter- stand verlieren. Dem habe ich {hon früher Ausdruck gegeben und trage tein Bedenken, das auch heute zu wiederholen. Ist dem fo, dann besteht allerdings in meinen Augen die Nothwendigkeit, die Frage zu prüfen, ob es möglich ist, eine Vershuldungsgrenze für den ländlichen Grundbesiß einzuführen. (Hört, hört!) Jch bin absichtlich nicht auf die Frage eingegangen, welche Berathungsgegenstände den Landwirth\chaftskammern später vorzulegen sein werden, weil ih es mit dem Herrn Abg. Rickert für unrichtig halte, über noch niht aus- gereifte Fragen zu frühzeitig zu disfutieren.

Herr Abg. Rickert hat nun einen Vorwurs dahin erhoben, die Staatsregierung müßte über alle diese Fragen bisher son die er- forderlihen Ermittelungen angestellt haben. Bei einer Grundbesiß- Enquête dreht es sih vorzugsweise um zwei Fragen: um die Besiß- vertheilung und um die Höhe der Verschuldung. Nun ist es dem Herrn Abg. Nickert gerade so wie mir bekannt, daß wir bisher gar- nit in der Lage waren, cine wirklihe Schuldenstatistik aufnehmen zu fönnen. Wenn auf den Staat Sachsen hingewiesen ist, daß dort Mittheilungen gemacht worden sind, wieviel an Zinsen auf demn Grundbesiß lasten und ob sie steigen, [90 it däs die natürlihe Folge davon, daß im Staat Sachsen diejenige Einkommensteuer- Veranlagung, die wir jeßt eingeführt haben, bereits seit einer längeren Zeit besteht. Wir werden an der Hand unserer jeßigen Veranlagung auch zu diesem Ziele kommen; wir werden dur das Vermögensteuergeseß noch einen weiteren Einblick haben ; aber daß wir früher überhaupt nit ohne einen geseßlichen Eingriff hätten zu einer einwandsfreien Vershuldungsstatistik gelangen können, das wird, glaube id, von allen Seiten des Hauses anerkannt werden. Wir haben uns bemüht, auf diesem Gebiet wenigstens den Einblick zu erhalten, der möglich ist, indem wir die Hypothekenbewegung s\eit dem Jahre 1886 fortschrieben. Diese Fortschreibung hat klar gestellt, in welhem Um- fange die Vershuldung zugenommen hat. Aber wir müssen in diese Verhältnisse noch tiefer eindringen. Für die Klar- stellung der Frage der Vertheilung des Grundbesißes auf die einzelnen Besißklassen ist die erste Grundlage - gelegt bei der vormaligen Revision der Gebäudesteuer. Diese Arbeit ist zu umfangreih, um hier alle Jahre fortschreiten zu können. Dagegen sind die nöthigen Unterlagen bei der gegenwärtigen MNevision der Gebäudesteuer wieder aufgenommen. Die Sache ist jeßt in Bearbeitung, und wir werden vielleiht im Laufe dieses Jahres bereits wissen, wie sih die Verhältnisse innerhalb der leßten 15 Jahre verschoben haben. Dadurh werden wir weitere Anhalte auf diesem Gebiet gewinnen, und ih stimme mit Herrn Abg. Nichter vollkommen überein, daß es nöthig sein wird, noch weitere Materialien zu beschaffen, in wie weit Besitz in Todter Hand si befindet, in wie weit er bereits gebunden ist. Aber wenn auf diesem Gebiet nicht alles Material bereits vorhanden ist, so wollen Sie sich gerade bezüglich der Verschuldungsstatistik und Besitvertheilungsstatistik vergegenwärtigen, daß diese Sachen theils früher niht gemaht werden konnten, theils diese Arbeiten sih auf eine längere Periode erstrecken und erst jeßt zum Abschluß gelangen.

Ich will noch einen Punkt berühren. Der Herr Abg. Nikert meinte, die Regierung habe dieses Geseß gemacht, um damit dem Bunde der Landwirthe Konkurrenz zu machen und ihn falt zu stellen. Meine Herren, die Anfänge der Vorlage über Errichtung von Land- wirthschaftskammern stammen aus einer Zeit, zu der der Bynd der Landwirthe noch nicht bestand. Diese Annahme ist also nicht zutreffend; aber ich möhte glauben, daß wir aus dem Grade der Erregung, welche in landwirthschaftlichen Kreisen herrsht, auch ein Moment für die Erkenntniß der Lage innerhalb der landwirthfchaftlihen Kreise ent- nehmen können und entnehmen follten. avo E M

“Abg. Graf von und zu Hoensbroedch (Zentr.) vertheidigt seine gestrige Rede gegen die erhobenen Vorwürfe.

Abg. von Kardorff (fr. kons.) beantragt hierauf, die Ab- stimmung über § 1 auszuseßen bis zur Beschlußfassung über § d wegen des Wahlrechts ; denn er könne der Vorlage niht zustimmen, wenn nicht die Verhältnisse in Posen entsprehend dem Antrage des Abg. von Tiedemann geordnet seien.

Präsident von Koeller erklärt, daß das unmöglih sei, weil

ndere von der Gestaltung anderer Paragraphen ihre Abstimmung abhängig machen könnten.

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (kons.) verweist den Abg. von Kardorff auf die dritte Lesung; ebenfo Abg. von Eynern (nl.).

Abg. Seer (nl.): Durch die Aeußerung des Aba. von Erffa, daß die Nationalliberalen kein Herz für die Landwirthschaft hätten, fühle ih mich auch gekränkt. Jch gehöre seit sechzig Jahren mit Lust und Liebe der Landwirthschaft an. In den zwanziger Jahren hatten wir noch \{chlechtere Verhältnisse in der Landwirthschaft als

jeßt. Damals sagten die Leute: wir müssen uns eins{hränken und auf bessere Verbältnisse warten. Solche Aeußerungen hört man heute niht mehr; die jungen Leute meinen immer, es müsse von oben her fommen. Aus zwei Gründen stehe ich dem Geseg kühl gegenüber : einmal wegen der immerwährenden Redensart von der Krönung des Gebäudes durch das Dach. Wir haben {hon zweimal ein Dach auf- gesetzt, erst mit dem Landwirthschaftsrath und dann mit dem Landes- Oekonomie-Kollegium. Nun sollen wir noch ein drittes aufsezen. Als praktischer Mann lege ih erst das Fundament und die Mauern und mache vann das Dach. Aus den Vereinen muß sich die Spitze all- mähli selbst heraus entwickeln. Ferner bin ih gegen das Geseß wegen der gesetzgeberishen Thätigkeit der Landwirthschaftskammern. Ich fann mir die Kammern als Beiräthe für Verwaltungs8maßregeln denken ; aber was sie geseßgeberish leisten sollen, das leisten doh {hon die Landwirthe hier im Hause. Eine Provinz wünscht durhaus die Landwirthschaftskammern; nun, dann wollen wir sie fakultativ einführen.

Darauf wird die Diskussion geschlossen.

Fn namentlicher Abstimmung wird der Antrag Reine cke- vom Heede (fakultative Landwirthschaftskammern) mit 206 gegen 133 Stimmen abgelehnt.

Der Aba. Dr. Arendt (fr. kons.) enthält sich der Ab- stimmung. Für den Antrag \timmen die Nationalliberalen, die Freikonservativen, die Freisinnigen, die Abgg. Dr. Kranß und Dr. Loß (b. k. F.) sowie die Abgg. Schmit - Erkelenz und von Eynatten vom Zentrum.

S 1 der Vorlage (obligatorische Landwirthschafts- ammern) wird mit 290 gege 109 Slimien \ange- nommen.

Dafür stimmen die Konservativen, die Polen, ein großer Theil der Freikonservativen, die große Mehrheit des Zentrums, darunter auch der Abg. Schmiy- Erkelenz, und von den Nationalliberalen die Abgg. Beinhauer, Hofmann, Haacke und von Schenckendorff.

Mit Nein stimmen die meisten Nationalliberalen, die Freisinnigen, ein Theil der Freikonservativen, von dem Zentrum die Abgg. Dauzenberg, Bumiller und Hodler, sowie der Abg. Kranz (b. k. F.). :

Um 41/3 Uhr wird die weitere Berathung auf Mittwo ch 11 Uhr vertagt.

Statistik und Volkswirthschaft. Auswärtiger Handel im ersten Vierteljahre 1894.

Nach den Handelsausweisen des Kaiserlihen Statistischen Amts find die Zahlen für Mengen und Werthe der Einfuhr und Ausfuhr des deutschen Zollgebiets in den ersten drei Monaten dieses Jahres und des Vorjahres folgende:

Einfuhr:

6 634 891 t (zu 1000 kg) im Werthe von 1095 871 000 M im Vorjahre:

5962106 t (zu 1000 kg) im Werthe von 1 040 176 000 M. Ausfuhr:

5 095 830 t (zu 1000 kg) im Werthe von 745 935 000 M im Vorjahre:

4 870 798 t (zu 1000 kg) im Werthe von 836 431 000 M6

Gegen das Vorjahr hat sich also sowohl die Einfuhr- als die Ausfuhrmenge gehoben; dem Werthe nach ist aber nur die Einfuhr gestiegen. Hierbei sind auch für das laufende Jahr die für das Jahr 1893 festgestellten Werthe den Berehnungen zu Grunde gelegt.

Ein neues Werk über Finanzwissenschaft.

Von dem neuen „Hand- und Lehrbuch der Staats- wissenschaften", das von Kuno Frankenstein berausgegeben wird (Verlag von C. L. Hirschfeld in Leipzig) und das wir mit dem damals zuerst er‘chienenen ersten Band der ersten Abtheilung: „Grund- begriffe und Grundlagen der Volkswirthschaftslehre von Dr. Julius Cbr in Ne. 247 des R. 1. StA-- vom 14, Dke tober 1893 ‘ankündigten und besprahen, Ut jegb der erste Band der zweiten Abtheilung, enthaltend: die Grund- züge der Finanzwissenschaft, zur Einführung in das Studium der Finanzwissenschaft, von Dr. Wilhelm Vocke, Kaiserliher Ge- heimer Ober-Rechnungs: Nath a. D., erschienen (Pr. 11 4; Verlag von C. L. Hirschfeld in Leipzig). Das „Hand- und Lehrbuch der Staatswissenschasten“ erscheint in selbständigen Bänden, deren jeder einzelne ein für sch abgeschlossenes Ganze bildet und für sih allein käuflich ist. Das is auh mit den „Grundzügen der Finanz? wissenschaften“ der Fall. Der Verfasser hat denselben Gegen- stand schon in einem Buche mit dem Titel „Abgaben, Auflagen und die Steuer“ behandelt; in dem vorliegenden Buche handelt es sih jedoh nicht nur um eine Wiederholung des früher Ge- sagten, vielfa hat der Verfasser seine früheren Auffassungen berich- tigt, vieles tiefer begründet und eingehend erläutert. In der Ein- leitung behandelt er die Staatswissenschaft und die Finanzwissenschaft. Der erste Theil is der Gewinnung des ordentlihen Staatsbedarfs (Einnahmen) gewidmet, und dieser wird gegliedert in 1) privat- wirthschaftlißhe Einnahmen (Domänen, Vorrehte, gewerb- lide Unternehmungen), 2) Einnahmen gemishter Natur (volkéwirthschaftlihe Monopole, zu denen die Post, die Eisenbahnen, Telegraphie und Telephonie, die Münze und die Sprengmittel ge- rechnet werden; Finanzmonopole hierunter werden Glüdcksfpiele, Gewerbs- und Handelsmonopole gerehnet ; Verbrauchsauflagen Zölle und Aufschläge, die sonst sog. indirekten Steucrn, die aber von Vocke niht zu den Steuern im eigentlihen Sinne gerechnet werden —); 3) Einnahmen der Staatsgewalt (Gebühren; Verkehrsabgaben: die Steuer im allgemeinen; die Glieder des Steuersystems Landwirthschaft, Gewerbe, Häuserertrag, Zinsen, Arbeitsertrag, Einkommen, Ergänzungen des Steuersystems —). Der zweite Theil besckäftigt sich mit der Gewinnung des außerordent- lichen Staatsbedarfs (Staatsschulden), der dritte mit dem Staats- bedarf und seiner Verwendung (Ausgaben). Diese Eintheilung ift eine rationelle und einleuhtende. Werthvoll ist namentlich die Be- handlung der Steuer im allgemeinen und der Glieder des Steuer- systems (3. und 4. Kapitel des 111. Abschnitts). Der Verfasser giebt vielfa selbständigen, von der als Gemeingut angenommenen Ueber- zeugung abweichenden Ansichten Ausdruck. So tritt er dem neuer- dings (besonders von Wagner) mehr und mehr hervorgekehrten sozialpolitishen Zweck der Besteuerung entgegen und macht geltend, daß der Grundsaß der Leistungsfähigkeit hierfür ausreihe und er- \{chöpfend sei (Seite 159 u. ff.). Auch die Ergänzung des Steuer- systems durch die Vermögenssteuer wird von ihm theoretish ange- fohten, so fehr er au die praktishe Gestaltung dieser Ergänzungs- steuer in Preußen als o anerkennt (S. 367). Die Unter- scheidung von fundiertem und unfundiertem Einkommen läßt er nicht

gelten (S. 183) und dergl. mehr. Er begründet seine Ansichten in klarer Weise, wie denn überhaupt die ganze Darstellung forgfältig und ruhig ist; er berücksichtigt Geschichte, Theorie und Praxis in gleicher Weise und ebenso die Grgebnisse der neuesten wissenshaftlihen Forschungen. Polemische Erörterungen, die in Lehrbücher nit hineingehören, Fav erfreulicher Weise vermieden, ebenso aber auch allzulange, von der Sache abführende gelehrte Erörterungen. Da das Werk überdies einen mäßigen Umfang hat im ganzen nur 28 Bogen —, so bietet es für das Studium eine bequeme und praktische Anleitung.-

i Zur Arbeiterbewegung.

Aus Dortmund wird dem „Vorwärts“ berichtet, daß der Ausstand der Angestellten der dortigen Straßenbahn zu Un- gunsten der Arbeiter beendet ift.

In Leipzig wurde, wie die „Lpz. Ztg.“ berichtet, in einer Ver- sammlung der Seilergehilfen am Sonntag über den Verlauf des zu Ostern in Berlin abgehaltenen Verbandstages der Seiler und Neepschläger berihtet. Demnach lehnte der Verbandstag den An- {luß der Seilerorganisation an den Verband der Textil-

! arbeiter ab und beschloß, eine Arbeitslosenunterstüßung einzuführen

und die Hilfsarbeiterinnen für aufnahmefähig zu erklären.

In Flensburg und in Lüneburg stehen, einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge, Lohnbewegungen der Bauarbeiter bevor. Hier in Berlin fand am vorigen Freitag eine Versammlung der Berliner Straßen- und Lokal händler statt, um zu der Frage der Maifeier Stellung zu nehmen. Nach sehr erregter Debatte wurde, wie die Berliner „Volks-Ztg.“ meldet, eine Ent- \chließung gefaßt, daß der erste Mai für die Berliner Straßenhändler gar feine Bedeutung habe, da sie der Sozialdemokratie völlig fern ständen. Eine Versammlung der Kürschner bes{chloß, den zum 4. Juni d. J. nach Brüssel einberufenen internationalen Kongreß für die im Kürschnerei-Gewerbe beschäftigten Arbeiter zu beschicken.

Aus Wien wird dem „D. B. H." berichtet: Die für den Monat Juni nach Brünn einberufene allgemeine österrei hische Sofko- listen-Konferenz ist polizeilih verboten worden.

Aus Pilsen wird dem „D. B. H.“ telegraphiert: Die Spiegel - glas arbeiter des hiesigen Neviers haben beschlossen, falls ihnen böbere Löhne nicht bewilligt werden sollten, sich dem Ausstand der bayerischen Glasarbeiter anzuschließen.

In Roßbach (Böhmen) stellten, wie „W. T. B.“ meldet, sämmtlihe Arbeiter der Hendels?’\chen Webwaarenfabrik gestern Vormittag die Arbeit ein; Ruhestörungen find nicht vor- gekommen. i:

Wie dem „W. T. B.“ aus Pest gemeldet wird, hat sich die sozialistishe Bewegung auf die Feldarbeiter in Mako und Umgebung ausgedehnt. Es wurden umfassende Vorsichtsmaß- regeln getroffen. Dem „D. B. H.“ wird berichtet, in Hodmazö- Basarhely sei es ruhig geworden.

Der Ausstand im Falkenauer Revier verursaht, wie man der „Mgdb. Ztg.“ reibt, bereits mannihfache Störungen. Die zahl- reihen Sndustrie-Etablissements der Karlsbader Gegend müssen die Kohle aus dem entfernten Brüxer Revier beziehen, wodur sih das Heizmaterial wesentlih vertheuert. Im Ausstande befinden sich etwa 4500 Arbeiter, die fh jedoch vollkommen ruhig verhalten. Die Arbeiter verlangen eine Lohnerhöhung, achtstündige Arbeits\chicht und Entfernung mißliebig gewordener Beamten.

Aus Antwerpen wird dem „Wolff schen Bureau“ berichtet : Der Ausstand der Ziegelarbeiter in der Gegend von Boom ist beendet.

Aus Sosnowice wird . der „Bresl. Morgen-Ztg." gemeldet, daß sämmtliche “Betriebe des russish-polnishen JIndustriereviers in dem Grenz-Gouvernement Petrikau in einen allgemeinen Ausstand eingetreten find. In sämmtlichen Gruben, Hütten und industriellen Etablissements is die Arbeit niedergelegt worden. Die Ausständigen fordern Verkürzung der Arbeitszeit und Lohnerhöhung. Zur Aufrecht- haltung der Ruhe sind 100 Mann Infanterie aus Czenstochau ein- getroffen, eine Abtheilung Kosaken ist in den Fabriken einguartiert.

Die Vereinigung der Bergarbeiter von Scottdale (Penn- \ylvanien) hat beschlossen, daß alle Bergarbeiter des Distrikts sih dem Auéstande anzuschließen haben. Der Kohlentransport auf der Eisen- bahn in Pennsylvanien ist fast ganz eingestellt. Zahlreiche Arbeiter sind infolgedessen ohne Arbeit. Aus Butler (Montana) meldet „W. T. B.": Eine Bande Arbeitsloser bemächtigte sih eines Eisenbahnzuges und legte mit dem Zuge die 170 km lange Strecke bis Bozeman zurü.

Land- und Forstwirthschaft.

Landw irthschaftlihe Ausstellung in Berlin 1394.

Die Ausstellung, welche die Deutsche Landwirthschafts- Gesellschaft im Treptower Park hierselbst in den ersten Tagen des Monats Juni abhält, soll ein vollständiges Bild der deutschen Thierzucht geben. Während die bisherigen Wanderausstellungen der Deutschen Landwirthschafts-Gesellschaft vielfach einen örtlichen Charakter in der Beshickung mit Thieren hatten, werden auf dieser Ausstellung in der Reichshauptstadt die hervorragendsten deutschen Zuchtgebiete, von Oberbayern und dem Bodensee bis zum äußersten Nordosten, vertreten sein. Innerhalb der Rinderabtheilung werden die aus den Hochalpen stammenden Schläge der Simmenthaler und andere Höhen- schläge ersheinen, ebenso die s{hwarz-weißen Niederungsshläge aus Ostfriesland, Oldenburg und Ostpreußen, daneben die rothweißen Schläge aus Schleswig-Holstein u. \. w. Pferde shicken Ostpreußen, Sleswig-Holstein, Hannover, Oldenburg. Der preußische Staat be- theiligt sich durch Ausstellung von Deckhengsten und Militärpferden. Fn der Schafabtheilung sind sämmtlihe in Deutschland gehaltenen Schafrassen vertreten. Ebenfalls rei ist die Abtheilung der Schweine und verhältnißmäßig reih die der Ziegen beshickt. Der Umfang der Geflügelabtheilung läßt sich noch nicht übersehen, da der Anmelde- termin erst am 10. Mai geschlossen wird.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln. Cholera. Y Lemberg, 24. April. Im Bezirk Husiatyn sind, laut Meldung des „W. T. B.“, 2 Personen an Cholera erkrantt und 2 gestorben.

Lissabon, 24. April. „W. T. B." meldet : Heute find hier 93 Fälle von choleraartigen Erkrankungen vorgekommen, von denen jedoch feiner tödtlih verlief.

Handel und Gewerbe. Wie „W. T. B.“ von zuständiger Seite erfährt, sind auf die zur Zeichnung aufgelegten 168 Millionen 3 proz. Reich s- Anleihe 400 Millionen gezeichnet worden. Es dürften somit 40 Proz. auf die Zeichnung entfallen. Tägliche Wagengestellung für Koblen und Koks

an der Ruhr und in Oberschlesien. i An der Ruhr sind am 24. d. M. gestellt 10 273, niht rechtzeitig.

gestellt keine Wagen. |