1894 / 99 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 27 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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über überlassen, inwieweit bei einzelnen Arten des Verkehrs auch Gewichtsangaben in den Eisenbahnfrachtbriefen, Schiffskonossementen und anderen Ladungspapieren ohne Gefährdung des Zollinteresses als Ersaß der zollamtlichen Gewihtsfestltellung zugelassen werden können.

Säcke und andere zollpflihtige Umschließungen, in welchen un- verzolltes ausländishes Getreide auf das Lager gelangt, dürfen in leerem Zustande nur nah zuvoriger L erer Abmeldung, und, soweit sie in den freien Verkehr treten sollen, unter tarifmäßiger Ver-

j A ee werden. Ueber den pu: und Abgang zum beziehungsweise

vom Lager werden in einem Anhange zum Niederlageregister fort- laufende Anschreibungen geführt, wobei die der Tarifnummer 22 an- gehörigen Säe lediglich ps ihrer Stüzahl festzuhalten M

s inländisch nahgewie]sene Säcke unterliegen bei der ntfernung vom Lager in leerem Zustande lden, nicht.

Aufhebung des Lagers. N

Die Bewilligung des Lagers kann seitens der Direktivbehörde zurückgenommen werden, wenn der durhschnittlichße Zugang zum a A an ausländishem Getreide in den beiden leßten Kalenderjahren die Fahresmenge von 200 000 kg nicht überschritten hat.

111. Besondere Bestimmungen. A. Reine Transitlager. S 411. Zugang zum Lager.

Werden Getreidemengen derselben Art gelagert, welche ver- \(iedenen Zollsäßen unterliegen, so findet auf den gésammten Bestand dieser Getreideart der höchste der in Betracht fommenden Zollsäße Anwendung. l :

Die E laaótung des Getreides erfolgt nah Nettogewicht.

Die auf das Lager gebrachten Mengen von Weizen, Roggen,

fer, Hülsenfrüchten, Gerste, Raps und Rübsaat inländischen Ursprungs ehalten mit der in § 13 Absatz 2 bezeihneten Maßgabe die Eigen- chaft einer inländishen Waare. Auf das Lager gebraMhtes inländisches Getreide anderer Art, nimmt die Eigenschaft einer unverzollten aus-

S 12 Behandlung während der Lagerung. i i Außer der Behandlung und Umpackung ist auh die Mischung des gelagerten Getreides, soweit sie innerhalb der Lgerräume erfolgt, uneingeshränkt und ohne Aen zulässig.

- ländishen Waare an.

Abgang vom Lager. |

Das gelagerte Getreide darf nur nah andern reinen Transitlagern oder nah dem Zollauslande versandt werden. | i

Die zur Ausfuhr abgefertigten Mengen von Weizen, Roggen, Hafer, Hülsenfrüchten, Gerste, Raps oder Rübsaat find, soweit sie den jeweiligen Lagerbestand an ausländischer Waare nicht überschreiten, von diesem Bestande abzuschreiben, im übrigen aber als inländische Waaren zu behandeln, auf welche die Bestimmungen in Ziffer 1 Absaß 1 des Gesetzes vom 14. April 1894 bezüglich der Ertheilung von Cinfuhrscheinen Anwendung finden. Ausgelagertes Getreide anderer als der vorbezeichneten Art ist ohne Rücksicht auf den etwaigen in- ländishen Ursprung eines Theils desselben als ausländisches Getreide abzuschreiben. e

Bestandsrevision. :

Halbjährlich ist eine Bestandsrevision auf Grund einer von dem Lagerinhaber einzureihenden Bestandsdeklaration vorzunehmen. Die- E fann prokeweise geshehen, wenn die Umstände Bedenken nicht ergeben. / Die Termine für diese Revisionen sind von der Direktivbehörde nach den örtlihen Verhältnissen zu bestimmen. Die Direktivbehörde ist ermächtigt, ausnahmswei]e die Zahl der jährlih vorzunehmenden Bestandsrevisionen auf eine zu beschränken. i . E

Ein sh ergebendes Mindergewicht ist, soweit dasselbe lediglich auf Eintrocknen, Verstauben oder dergleichen zurückzuführen ist, von dem inländischen und ausländischen Getreide nach Verhältniß des budch- mäßigen Sollbestandes beider Arten zollfrei abzuschreiben. Die Entscheidung darüber, ob ein vorgefundenes Manko auf solchen Ursachen beruht, steht bis zu einer Fehlmenge von 59/9 dem Haupt- amt, bei größeren Fehlmengen der Direktivbehörde zu.

Nach jeder Bestandsrevision ist das Niederlagekonto dur An- und Abschreibung der vorgefundenen Differenzen mit dem Lagerbestande in Vebereinstimmung zu bringen.

8 15. Aufhebung des Lagers. E

Die Zurücknahme der Bewilligung eines Lagers kann seitens der Direktivbehörde insbesondere auch dann erfolgen, wenn sich bei einer Bestandsrevision eine Fehlmenge ergeben hat, deren Abschreibung nah Maßgabe des § 14 unzulässig erscheint. i /

Sn allen Fällen des Aufhörens eines reinen Transitlagers ‘für Getreide is der Lagerbestand innerhalb einer von der Direktivbehörde zu bestimmenden Frist seitens des bisherigen Lagerinhabers oder feiner Rechtsnachfolger (Erben, Konkursmasse 2c.) unter Zollkontrole ente weder in das Zollausland auszuführen beziehungsweise eîne öffentliche Niederlage oder ein Transitlager unter amtlichem Mitverschluß zu verbringen oder zur Versendung auf ein anderes reines Transit- sager zu deklarieren. Ausnahmsweise kann die Direktivbehörde den Uebergang des Bestandes auf ein gemischtes Transitlager oder in den freien Verkehr gestatten. Im Falle des Uebergangs in den freien Verkehr find bei Weizen, Roggen, Hafer, Hülsenfrüchten, Gerste, Raps und Rübsaat die Zollgefälle für den buchmäßigen Bestand an ausländisher Waare der betreffenden Gattung, bei anderen Getreide- arten die Zollgefälle für den gesammten Bestand unter Beachtung der Vorschrift im § 11 Absatz 1 zu entrichten.

B. E Ga

Bewilligung des Lagers. e |

An welchen Orten gemischte Lager gestattet werden dürfen, bestimmt der Bundesrath. :

Das Bedürfniß eines gemischten Transitlagers an \folchen Orten ist von der Direktivbehörde in der Regel nur dann anzuerkennen, wenn nach den Büchern des Gewerbetreibenden der Umfang des von ihm betriebenen Getreidetransitgeshäfts ohne den Besiß eines solchen Lagers voraussichtlih eine wesentlihe Einschränkung selbst unter der Vorausseßung erfahren würde, daß ihm ein reines Transitlager bewilligt wäre. In andern Fällen entscheidet die oberste Landesfinanz- behörde über die Bedürfnißfrage. : -

Demselben Gewerbetreibenden darf ein reines und ein gemischtes Privatlager für Getreide an einem Orte oder in benachbarten Ort- {chaften nicht bewilligt werden. :

Unter benachbarten Orten sind nur folche zu verstehen, welche mit einander in unmittelbarem Mena stehen.

Zugang zum Lager. : : Die Einlagerung des in Ümschließungen eingehenden Getreides geschieht nah Bruttogewicht. e Ausländische Getreidemengen derselben Art, welche verschiedenen Zollsäen unterliegen, sind im Niederlageregister getrennt zu buchen. Fn leßterem, sowie in den Anmeldungen ist der Zollsaß, dem sie unterliegen, ersichtlih zu machen. Das auf das Lager gebrachte inländishe Getreide behält mit der im § 21 Absatz 2 bezeichneten Maßgabe die Eigenschaft einer inländishen Waare. E Non anderem Getreide als Weizen, Roggen, Hafer, Hülsen- frühten, Gerste, Raps und Rübsaat müssen, abgesehen von dem Falle der im § 19 gestatteten Mischungen, ausländische Getreidemengen derselben Art, welche verschiedenen Zollsäßen unterliegen, gesondert in von einander getrennten“ Räumen, welche mit dem für die lagernden Waaren maßgebenden Zollsaße deutlich bezeichnet sind, ge- lagert werden ; desgleichen muß inländishes Getreide dieser Art abue- sondert vom zollpflihtigen Getreide lagern. E : Fn der Anmeldung ausländischen oder inländischen Getreides dieser Art zum Lager und in der Abmeldung desselben vom Lager ift der Lagerraum genau zu Lezeichnen. Soll das Getreide von dem an-

gemeldeten in einen anderen Lagerraum innerhalb des’ Lagers über- E werden, fo ist davon spätestens bei Beginn der Ueberführung nzeige zu machen. s

Behandlung väbzend der Lagerung, i cute der Behandlung und Umpackung ist bei Weizen, Roggen, Hafer, Hülsenfrüchten, Ger\te, Naps und übsaat auch die Mischung innertalb der Lagerräume uneingeshränkt und ohne Anmeldung zulässig.

8 19. Mischungen von Getreide anderer als der im § 18 bezeichneten Art unterliegen der Anmeldung nah Muster C. Die Vorschrift im zweiten Absatz des § 5 findet E enTans Anwendung.

§ 20. 5

Großhändler, welche jährlih mindestens 250 000 kg ausländisches Getreide aller Art in das Lager bringen, können von der Direktiv- behörde von der Befolgung der Vorschriften des § 17 Abs. 4 und des 8 19 ausnahmsweise und widerruflih entbunden werden, wenn sie ein Lagerregister nah Muster D führen und si nachstehenden Be- stimmungen unterwerfen: s 7

1) Ès ist für jedes Lager ein besonderes Register zu führen.

2) Das Register is in dem Lager an einer von dem Bezirks- Ober-Kontroleur zu bestimmenden Stelle in einem verschließbaren Behältniß aufzubewahren und, während im Lager gearbeitet wird, den revidierenden Beamten zugänglich zu halten. Den Oberbeamten ist dasselbe auf Erfordern jederzeit vorzulegen.

3) Die Buhhungen in dem Register haben zu gesehen, sobald die Aufnahme, Mischung oder Entnahme des Getreides beginnt. Sind bei dem Beginn dieser Handlungen die Getreidemengen, auf welche die Buchungen si erstrecken, noch nicht genau bekannt, so fann die Angabe der Mengen einstweilen ausgeseßt bleiben, muß aber un- mittelbar nah Beendigung der as A nachgeholt werden.

4) Beim Absatz von Getreide in das Inland ist der Name und Wohnort des Käufers 2c. anzugeben. L :

5) Aenderungen der Eintragungen durch Korrekturen und Rasuren E unstatthaft. Etwaige Jrrthümer sind. durch Vermerke in der

emerkungsspalte rihtig zu stellen. : /

6) Bei Bestandsrevisionen ift das, Negister abzuschließen und der Amtsftelle vorzulegen. Auch sonst is auf Erfordern der revidierenden Oberbeamten jederzeit ein Abschluß desselben vorzunehmen.

7) Der Lagerinhaber ist für die Richtigkeit der Registerführung a für M Fall verantwortlih, daß dasfelbe von einem Dritten ge- ührt wird.

Ob, inwieweit und unter welchen besonderen Kontrolen mit Nük- sicht auf die lokale Gestaltung des Getreidehandels den Lagerinhabern bei Führung eines Lagerregisters auch die Anmeldung des aus dem freien Verkehr zum Lager zu bringenden Getreides der hier in Rede stehenden Arten erlassen werden kann, bestimmt die oberste Landes-

Finanzbehörde. S 21.

Abmeldung. / :

Aus einem gemischten Lager kann Getreide auch in andere reine oder gemischte Lager übertragen werden.

Auf die zur Ausfuhr abgefertigten Mengen von Weizen, Roggen, Hafer, Hülsenfrüchten, Gerste, Raps und Nübsaat finden die Vorschriften des § 13 Absay 2 mit der Maßgabe Anwendung, daß die als ausländische Waare abzuschreibende Menge, sofern verschiedenen Zollsäßen unterliegende Sendungen derselben Getreideart zur Lagerung gelangt sind, bis zur Höhe des jeweiligen Lagerbestandes an der dem niedrigeren Zollsaße unterliegenden auê- ländischen Waarengattung von dieser, die etwa verbleibende Mae aber von der dem höheren Zollsaß unterliegenden Waarengattung ab- zuschreiben ist.

Die ausgeführten Mengen von Getreide anderer als der yorbe- zeichneten Art sind, sofern eine Mischung nicht stattgefunden Har, 1E nach ihrer Anschreibung als ausländische oder inländische abzuschreiben ; sofern aber eine Mischung stattgefunden hat, ist die Abschreibung nach Maßgabe des Mischungsverhältnisses zu bewirken. Sind verschiedenen Zollsäßen unterliegende Sendungen derselben Gattung zur Anschreibung gerangf, so hat die Abschreibung in der in Abs. 2 vorgeschriebenen

eise zu erfolgen. E y

Für die Berehnung und Entrichtung der Zollgefälle von dem in den freien Verkehr getretenen ausländischen Getreide und für die Bestandsrevisionen des Lagers greifen die Vorschriften des § 16 des NPrivatlager-Regulativs Play, jedoh mit der Maßgabe, daß eine vor- läufige Berechnung und Entrichtung der Zollgefälle außer aw 1. Juli auch am 1. April und 1. Oktober, also vierteljährlich, zu erfolgen hat.

Bei der Bestandsrevision ist das Gewicht der im leeren Zustande lagernden Umschließungen mit zu berücksichtigen.

Etwaige Fehlmengen sind zur Verzollung zu ziehen.

Die in den freien Verkehr des Zollinlandes getretenen Mengen von Weizen, Roggen, Hafer, Hülsenfrühten, Gerste, Raps und Nüb- faat sind, soweit sie den jeweiligen Lagerbestand an inländischer Waare nicht übersteigen, von diesem Bestande zollfrei abzuschreiben, im übrigen aber als ausländische Waaren zu behandeln. Kommen hierbei Getreide- mengen derselben Art, welche verschiedenen Zollsäten unterliegen, in Frage, so ist bis zur Ershöpsung des jeweiligen Lagerbestandes an höher farifierter Waare der höhere Zollsaßt, für den hiernah etwa noch ver- bleibenden Rest der niedrigere Zollsay bei der Abfertigung zu erheben.

Bei anderen als den vorbezeichneten Getreidearten findet auf die in freien Verkehr getretenen Mengen die Vorschrift des Absatzes 3 Anwendung.

IV. Strafbestimmungen. S 22;

Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften dieses Regulativs werden, soweit nicht die Strafen der §8 134 bis 151 des _Vereins- zollgeseßes Anwendung finden, in Gemäßheit des § 152 daselbst mit einer Ordnungsstrase bis zu einhundertfünfzig Mark geahndet.

V. VebergangsS- und E O d

Dieses Regulativ tritt am 1. Mai 1894 in Geltung. S 24

Die Bestände an Weizen, Roggen, Hafer, Hülsenfrüchten, Gerste, Raps und NRübsaat der am 1. Mai 1894 bereits bestehenden reinen Privattransitlager für Getreide ohne Mitverschluß der Zoll- behörde sind an diesem Tage im Niederlageregister ohne Nücksicht auf den inländischen Ursprung eines Theils derselben als aus- ländishe Waare, und zwar, wenn verschiedenen Zollsäßen unterliegende Mengen derselben Waarengattung gelagert find, als solche, welche dem hödhsten dieser Zollsäße unterliegt, anzuschreiben. E

Für gemischte Privattransitlager find am 1. Mai 1894 die Be- stände an den vorgenannten Getreidearten getrennt nah ihrer Eigen- schaft als auésländishe oder inländishe Waare und im Falle der Lagerung von verschiedenen Zollsäten unterliegenden Mengen derselben ausländishen Waarengattung getrennt nach den Zollsäßen im Nieder- lageregister festzustellen.

Preußischer Landtag. Herrenhaus. 12. Sißung vom 26. April 1394.

In der Generaldiskussion über den G eseßentwurf, betreffend die Gewährung eines Beitrags von 71/4 Millionen Mark zu den Kosten des Elbe—Trave- Kanals undden darauf bezüglichenStaats vertragzwischen Preußen und Lübeck (f. den Anfangsberiht in der Donnerstags-Nummer d. Bl.) nimmt nah dem Grafen von Waldersee das Wort

Geheimer Kommerzien-Rath Theune (Stettin). Redner spricht sich, obwohl der Handel Stettins durh die neue Kanalanlage immerhin

in Mitleidenschaft gezogen werde, für die Vorlage aus, Man begrüße auch in Stettin jeden neuen Verkehrsweg mit großer

Genugthuung. Entscheidend sei aber, daß Lübeck selbst den Kanal baue und von Preußen nur eine Subvention beanspruhe. Auch Daf und remen hätten für ihre Freihafenanlagen große ushüsse vom Reih erhalten, zu welhen doch Preußen den Löwen- antheil aufzubringen gehabt habe. Was/ den Hanse|tädten recht sei, müsse aber den preußischen Ostseehäfen billig sein. Die Regierung hätte selbst auch bereits anerkannt, daß Stettin, Danzig, Königs- berg, Memel in ihrer Bedeutung erhalten werden müßten. Es sei eine moralische Pflicht des Staats, einer solhen Stadt unter die Arme zu greifen, wenn sie si selbst helfen wolle. Zu dieser Selbst- hilfe habe sich Stettin entshlossen, es werde einen Freihafen ein- richten. Die Anlage werde aber sofort 18 Millionen kosten, denen später noch 12 Millionen hinzutreten. Der Staat habe bereits zu- gesagt, das fiskalische Fahrwasser von Stettin bis zur See zu vertiefen, verlange aber von der Stettiner Kaufmannschaft eine Garantie für ein Mindesteinkommen von 130000 #4 an Gebühren; außerdem habe die Provinz Pommern 400 000 A. Beihilfe zu zahlen. Auch der Finowkanal sei heute niht mehr leistungsfähig genug; er müsse ebenfalls eine Verbesserung erfahren, was ja Übrigens felbstverständlih sei, da der Finowkanal an den Mittel- landfanal anschließen werde. Ein Theil des Stettiner Verkehrs fei durch den Fürstenberger Spreekanal, ein anderer wérde durch den Elbe—Trave-Kanal fortgenommen; um fo dringender ¡müsse die Ne- gierung ersucht werden, für Stettin zu thun, was von Staats- wegen gethan werden könne, um einen Rückgang zu verhüten.

Graf von Hohenthal nimmt zu der Vorlage einen ab- lehnenden Standpunkt ein. Der Kanal werde lediglih eine neue Zufahrts\traße für den Import russischer Zerealien sein; dagegen müßten fich die westlihen Kreise der Provinz Sachsen entschieden zur Wehr seßen. Hauptsächlich und entscheidend sei aber die Finanz- frage. Die dreitägigen Verhandlungen der Kommission für den Etat hätten aus einem einzigen Lamento über die Finanzlage bestanden. Er werde ih bei der Ablehnung in einer kleinen, aber gewählten Gefell- schaft befinden.

Graf von Mirbach tritt für die Annahme der Vorlage ein. Es werde der Landwirthschaft kein Nußen, aber au kein Schaden aus dem Kanal erwachsen. Auch bei übler Finanzlage dürfe man die Entwickelung unserer Verkehrêstraßen niht ganz zurückstellen. Noch habe der ganze Landestheil östlih der Weichsel keine einzige leistungs- fähige Kanallinie; diesen Landestheil damit zu versehen, sei namentli nach Aufhebung der Staffeltarife ein nobile officium des Staats.

Redner erhebt Einspruch gegen die Aeußerung des Finanz - Ministers

im Abgeordnetenhause, daß die Industrie den Dortmund—Rhein-Kanal wohl deshalb nicht bauen möge, weil sie mit 34 9/0 Verzinsung si nicht begnügen könne. Wie glücklih sei do die Industrie gegenüber der Landwirthschaft! Da Lübeck zwei Drittel der Kosten trage, könne man diesen Kanal bewilligen. Weitere Kanäle aber werde man nicht bewilligen, bevor ein umfassender, einheitliher, das ganze Land berüdsichtigender Kanalbauplan vorgelegt worden fei.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Jch glaube, der Wunsh des Herrn Grafen von tirbach, einen großen Kanalbauplan für die ganze Monarchie auf- zustellen und die Priorität der einzelnen Kanäle durch Geseß fest- zulegen auf andere Weise würde das doch niht gehen —, wird sehr {wer ausführbar sein. Wir haben mit den Eisenbahnen auch nicht so verfahren, und wir können auch nit so verfahren, schon des- wegen, wéil die Frage des Ausbaues der Kanäle nah meiner Meinung nicht unbedingt von der Wahrscheinlichkeit der Rentabilität abhängt, sondern dabei das Bedürfniß des größeren oder geringeren Bedarfs der einzelnen Landestheile wesentlih entscheidend ist. Aber einseitig würden wir das für die Kanäle auch nicht ausführen können, \fondern dann müßte man die Gesammtausgaben der Staatsfinanzen für die Wasserstraßen überhaupt und sogar auch für Eisenbahnen mit hineinziehen. Ich glaube, es würde unmöglich sein, wenn felbst die Staatsregierung ih einen folhen Plan konstruiert, dann diesen Plan in beiden Häusern des Landtages zur Annahme zu bringen, angesichts der wachsenden Gewohnheit, vor allem die nächstliegendsten Interessen entscheiden und die. allgemeinen Staatsinteressen etwas in den Hinter- grund treten zu lassen. Außerdem würde ja die Ausführung eines solchen Plans von der Finanzlage und den vorhandenen Mitteln ab- hängen. Ich glaube, es wäre so damit wenig gewonnen. Nach meiner Ansicht muß die ganze Kanalfrage von Fall zu Fall beurtheilt werden, und gerade das vorliegende Beispiel zeigt das; denn wer für diesen Kanal stimmt, ist noch keinesfalls ein prinzipieller Kanal- \{hwärmer; er verpflichtet sich nicht, für andere Kanäle zu stimmen. Meine Herren, man muß doch sagen, in Beziehung auf Kanäle und Ausgaben für Wasserstraßen ist in den legten Fahren die Verwendung für den Osten eine bei Weitem größere wie für den Westen gewesen. Fch lege aber gar kein Gewiht darauf. Man kann doch garnicht so abrechnen zwischen dem Osten und Westen, aber wenn ih an die Ausgaben für die Ostseestädte dente ih brauche nur an Königsberg und Danzig zu erinnern, sowie auch an Stettin , worauf ih {päter zurückfommen werde, ferner an die großen Ausgaben, die wir für die Oder gemacht, für deren Verbindung mit den märkischen Wasserstraßen, an die ganz außerordentlichen Ausgaben, die wir für die Weichsel gemacht haben und zu machen im Begriffe stehen, s{hließlich an die nach meiner Ansicht hohwihtige Verbindung zwishen Osten und Westen dur die Kanalisierung der Neße —, fo, glaube ih, kann man nicht sagen, daß der Osten zurückgestellt worden wäre. Aber ich sage au, das ist alles für mich garniht entscheidend. Das Bedürfniß, den Osten der Monarchie in eine enge, leihte und gute Verbindung mit dem Gesammtstaat und namentlich auch mit dem Westen zl! bringen, is für mich entscheidend. Wann es uns gelingt, alle Wüns des Herrn Grafen von Mirbach in dieser Bezichung zu erfüllen, kann id nit sagen, aber daß ein Staat, den man nur auf der Karte sich an- zusehen braucht langgestreckt von Osten nah Westen, Ueberschuß an landwirthschaftlichen Produkten im Osten und Mangel daran im Westen, Uebershuß von industriellen Produkten, Kohlen u. st. w. im Westen und Mangel daran im Osten —, die Aufgabe hat, diese Ver- bindung nach allen Kräften zu erleichtern, darüber kann nit der allergeringste Zweifel sein. Jch glaube, mit der Schiffbarmachung dek Netze, die {hon Friedrih der Große sofort, als er nah Bromberg fam, als eine Nothwendigkeit bezeichnete, ist {on ein bedeutsame? Vorwärtskommen auf diesem Gebiet gegeben. Ich hoffe allerdings, daß man mit der Zeit auch weiter nah dem Osten mit Kanälen fommen wird.

Meine Herren, ih habe vorher gesagt, mit diesem Kanal hak es eine besondere Bewandtniß, aber ih möchte zuerst ein Wort über die Rentabilität und über die Gebührenfrage» hinzufügen. Die Enk wicelung unserer Wasserstraßen datiert aus ciner Zeit, wo wir die Eisenbahnen noch garnicht hatten, jedenfalls das Staatsbahnsystem in keiner Weise durchgeführt war; von einer Konkurrenz des einen staatlichen Unternehmens, Kanal, mit dem anderen staatlichen Unter nehmen, Eisenbahn, konnte garniht die Rede sein. Das Bedürfniß war damals auch für Kanäle viel dringender, als heute mit dem aut gedehnten, noch immer sich erweiternden Eisenbahnneß. Au? dieser Geschichte is der verkehrte, falshe Anspruch und d?

Gewohnheit: entstanden, für die Benußung der auf Staatékosten her- gestellten Wasserstraßen nichts zu zahlen. Wenn das System aufrecht erhalten würde und wenn wir niht Schritt vor Schritt durch die Normierung des Gebührenwesens zu einer größeren Rente auch aus den Wasserstraßen kommen, dann haben wir nicht Mittel genug, unser Wasserstraßensystem entsprehend dem Bedürfniß auszubauen. A fonds perdu alle diefe Mittel herzugeben, ist nach meiner Mei- nung unmöglih, und wenn wir das wollten, dann konnten wir à fonds perdu vielleiht auf anderen Gebieten für die Landwirth- haft durch Unterstüßung der Bestrebung für Landesmeliorationen aller Art vielfah etwas weit Nüßlicheres thun.

Wir müssen, darin bin ich mit den Herren einverstanden, da vor allem bauen, wo die Rentabilität am sichersten ist, und da is auch das größte Bedürfniß, das kann keinem Zweifel unterliegen. Wir müssen die Gebühren |o normieren, daß sie die Schiffahrt nicht lähmen, sondern das Befahren der Flüsse noch immer billiger sein lassen als das Benuten der Eisenbahnen, aber doch so hoh, wie unter diesem Gesichtspunkte die Schiffe Gebühren zahlen können.

An diese Grenze muß man gehen, sonst gefährden wir auf der einen Seite die Intraden unserer Eisenbahnen, für welhe wir \echs Milliarden Schulden auf uns genommen haben, und auf der anderen Seite werden uns die Kanalkosten so hoh und so wenig rentabel, daß uns bald der Athem ausgehen wird. Ich glaube, mit diesen Ge- sichtspunkten, die hier ja auch {hon viel erörtert worden find, ift die Staatsregierung mit beiden Häusern des Landtags einig. Ein Anspru der Vereine für Schiffahrt und Kanalisation, der dahin geht, daß jeder Kanal ein \o eminent nüßlihes Unternehmen sei, daß der Staat dafür gar keine Gebühren erßeben dürfe, ein folher Anspruch wird bei der Staatsregierung niemals Boden gewinnen. Gerade aus diesem Grunde haben wir die Gebühren- frage auf den vorliegenden Kanal in der Hand behalten, wir haben vorläufig, weil es doch gewissermaßen Konkurrenzstraßen sind, die Ge- bühren fo hoch normiert, wie sie auf den märkischen Wasserstraßen jeut normiert sind, wir haben es aber in Händen, die Gebühren auf den märkishen Wasserstraßen zu erhöhen, dann find wir ebenso be- rechtigt, die Gebühren auf diesem Kanal zu erhöhen. Es find viele Klagen, nachdem wir die Gebühren auf den märkishen Wasser- straßen vor fkurzem erhöht haben, Klagen und Beschwerden eingelaufen, aber troy genauer Prüfung tan T) DIele Klagen doch in keiner Weise für begrïndet halten. Wir haben nachgewiesen, welchen bedeutenden Zuschuß wir selbst für die märkishen Wasserstraßen, wo es sich doch im wesentlichen nit um neue Kanäle handelt, sondern um Flußregulierungen, auf welchen ein Verkehr besteht, vielleicht ohne gleichen in der ganzen Welt welchen großen Zuschuß wir troß der Erhöhung der Gebühren à fonds perdu für diese Straßen noch aus der S aatsfasse zu leisten haben. Diese Erfahrung muß uns allerdings bei der Berechnung der vermuthlichen Rentabilität, namentlich von neuen Kanälen, vorsichtig machen. Man wird ja naturgemäß nicht gleih zu hoh mit den Ge- bühren beginnen müssen, man wird erst eine gewisse Entwickelung der Schiffahrt auf diesen neuen Kanälen vor si haben müssen, dann aber müssen nah Maßgabe der Entwickelung der Schiffahrt allmählich die Gebühren steigen.

Es ist, glaube ih, {wer zu sagen, wenn man einen einseitigen wirthschaftlichen Gesichtspunkt unterlegt, ob der Kanal der Landwirth- {chaft mehr nüßt oder schadet ; das liegt fo sehr im dunkeln Schoß der Zukunft, daß ih glaube, ein sicheres Urtheil können wir darüber gar nicht haben. Wir wissen nicht, wieviel Zuder oder wieviel Kali wir exportieren werden, das sind alles Möglich- feiten, mit Sicherheit is darauf ebensowenig zu rechnen, wie daß der Import russishen Getreides vorzugsweise diesen Weg nehmen wird. Bisher ist Lübeck kein Getreideplaß gewesen, feine Ver- bindungen sind ganz anderer Art; man könnte eher einen stärkeren “mport von Holz, glaube ih, annehmen, als von russishem Getreide. Aber das Holz is doch meist ein dringendes Bedürfniß für das In- land. Der Reichthum an Holz, der in Ostpreußen besteht, der da den Verbrau von Holz vortheilhafter maht wie von Kohle, ist in den hier in Betracht kommenden Gegenden jedenfalls niht vorhanden, beispielsweise is in der Provinz Sachsen doh jedenfalls ein sehr starker Bedarf an ausländishem Holz.

Für mich ist aber das wichtigste bei dem ganzen Kanal, was mich auch glei bestimmt hat, für ihn einzutreten, abgesehen von der doch allseitig anerkannten moralischen Verpflichtung Lübeck gegenüber, daß wir hier einen Kanal ganz durch Preußen bekommen, der uns nur ein Drittel kostet von dem Gesammtaufwand, den er verursacht. Daß ein folcher Kanal namentlih für den Kreis Lauenburg von der größten Bedeutung is, daß ist nah allen Seiten fo flar bewiesen, daß es gar nicht bestritten werden kann. Daß der Kanal sehr stark befahren werden wird von unseren Schiffen, ist au sehr wahrscheinlich mit Rücksicht darauf, daß eine billigere Ver- bindung nah der Ostsee geschaffen wird, als sie heute mögli ist. Ich glaube also, da doh anerkannt werden muß, daß jeder Kanal für die Anlieger und für meilenweite Umkreise von dem größten Vortheil ist, wenn man einen solhen Kanal für ein Drittel der Gesammt- kosten bekommen kann, so ist das niemals ein {lechtes Geschäft.

Endlich kommt hier doch auch in Betracht die Thatsache, daß wir gegen Lübeck doch wohl besondere Verpflichtungen haben. Meine Herren, allerdings is der Nord-Ostsee-Kanal ausgeführt auf Grund einer Beschlußfassung des Deutschen Reichs. Wir find aber Mit- unternehmer. Denn wir schießen 50 Millionen für diesen Kanal zu, rein aus preußischen Mitteln. Außerdem melioriert doch diefer Kanal unsere Provinz Schleswig - Holstein in sehr hohem Grade, und die Herren aus Holstein können auch wohl laut an- erkennen was sie aber nur selten thun —, (Heiterkeit) daß dies eine sehr glückliche Lage für eine Provinz ist, einen solhen wichtigen Kanal zu bekommen, ohne nur einen Pfennig zuzu- schießen, selbs ohne den Grund und Boden herzugeben. Ist dies richtig, ist dieser -NReihs-Kanal solch ein Kanal, bei welhem Preußen Mitunternehmer ist, so sind wir es doch, die wir durh unsere Hand- lungen Lübeck in diese {chwierige Lage gebraht haben. Denn daß Lübeck im höchsten Grade verkümmern müßte ohne diesen Zugang an der Elbe, ist allseitig unbestritten.

Nun ist es auch durchaus richtig, was Herr Graf Waldersee schon gesagt hat, daß die leihte Zugänglichkeit zu Lübeck für das ganze Hinterland von Lübeck, welches eben wesentli ein preußisches Hinter- land ist, von großer Bedeutung fein muß, und daß dies Hinterland genau so viel dur eine gute Verbindung mit Lübeck gewinnt, als es das Hinterland von Stettin thut dur eine bessere und leichtere Ver-

bindung mit Stettin. Meine Herren, der Herr Vertreter von Stettin hat nun zwar für den Kanal gestimmt, und ich halte das für sehr weit- sichtig und zugleich für klug. Denn er hat daran nun seine Gegenforderungen geknüpft: wir wollen für den Kanal stimmen, wie wir auch gestimmt haben für die sehr erheblichen Subventionen für Hamburg und Bremen, weil wir annehmen und gerade daraus die Folge erwarten daß nun in ähnlicher Weise aus Staatsmitteln die Lage von Stettin verbessert wird. Meine Herren, id) habe es nie verhehlt, daß ih per- sönlih Stettin für einen der aussihtsvollsten Häfen an der Ostsee halte. Man kann das ja auch ‘aus der Thatsache entnehmen, daß Stettins Handel einen ganz außerordentlichen Aufschwung genommen hat. Dieser Aufshwung ist aber im wesentlichen doch auch entstanden unter. Mithilfe der Regierung. Die ganze Verbesserung der Schiff- fahrt auf der Oder, die nächstens bis nah Oberschlesien gehen wird, fommt in dieser Beziehung wesentlich Stettin zu Hilfe. Außerdem haben wir auch {hon erheblihe Aufwendungen zur Verbesserung des Fahrwassers gemaht, der Swine, der Begradigung der Kaiserfahrt ; und allecdings is in Aussicht genommen, mit diesen Verbesserungen des Fahrwassers bis ins offene Meer fortzufahren. Es ist ja darüber noch fein definitiver Beshluß gefaßt worden, aber namentli gegen- über dem im höchsten Grade anzuerkennenden entschlossenen Vorgehen der Stadt Stettin, den großen Aufwendungen gegenüber, die die Stadt Stettin zu machen beschlossen hat, und der nah meiner Ueber- zeugung hohen Entwikkelungsfähigkeit dieser Handelsstadt wird die Staatsregierung gewiß nah Maßgabe der ihr zu Gebote stehenden Mittel geneigt sein, auh das ihrige für die weitere Entwickelung von Stettin zu thun.

Freiherr von Stumm - Halberg befürwortet ebenfalls die An- nahme der Vorlage, will aber die hohe Bedeutung der Kanäle im allgemeinen für \trategishe Zwecke, entgegen der Auffassung des Grafen Waldersee, nicht gelten laffen. Er bleibt bei seiner „keterischen“ U daß die Eisenbahnen in jeder Beziehung den Vorzug ver-

nten.

Graf von Mirba ch behauptet dem Finanz-Minister gegenüber, es sei östlih von der Weichsel seit Jahrzehnten für Wasserstraßen nihts geschehen, und bestreitet, daß die Ausarbeitung eines umfassenden Kanalbauplans unthunlich fei.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

(Wir werden die Rede morgen im Wortlaut bringen.)

Freiherr von Manteuffel: Da der Wunsch eines umfassenden Kanalbauplans vom Finanz-Minister ziemlich bestimmt zurückgewiesen worden sei, so sollte er in nächster Zeit nur Kanäle östlich der Dder dem Landtag vorschlagen. Die Summen für Flußregulierungen seien nicht für die Landwirthschaft, sondern für die Industrie geopfert worden. Der Kanal werde der Landwirthschaft schaden wie die meisten geseßgeberishen Maßnahmen der jüngsten Zeit. Wenn troßdem viele Konservative für den Qanál stimmen würden , so beweise das, daß es feinen uneigennüßigeren Menschen gebe als den Landwirth. Die konservativen Landwirthe hätten keineswegs die Absicht, Industrie und Landwirthschaft zu trennen; diese Trennung sei lediglich durch die Annahme von Handelsverträgen, welche einseitig die Landwirthschaft benachtheiligten, in eine gefährliche Nähe gerüdckt worden. :

Nach wiederholter Ablehnung eines Schlußantrags betont

__ Graf von Frankenberg, daß der Feldmarschall Graf Moltke eine ablehnende Haltung gegen das Projekt eines Nord-Ostsee-Kanals eingenommen habe. _ ¿ Ober-Bürgermeister Schmied ing - Dortmund bittet das Haus, sih durch die über den Dortmund—Rhein-Kanal gemachten Ausfüh- rungen nicht mit Voreingenommenheit erfüllen zu A und weist die Gegner des russishen Handelsvertrags auf die teich8regierung und den Reichstag als die verantwortlichen Stellen hin.

_ Graf von Waldersee erklärt gegen den Freiherrn von Stumm, daß er die Kanäle niht für leistungsftiger als die Eisenbahnen hingestellt habe. Gegen den Grafen Frankenberg bemerkt Redner, daß die Gründe für diese Haltung des Grafen Moltke einmal auf dem maritimen Gebiet, dann aber auch in Nücksichten gelegen hätten, die er an dieser öffentlihen Stelle lieber niht berühren möchte.

Der Geseßentwurf und dexr Vertrag werden darauf im einzelnen und im ganzen mit großer Mehrheit angen ommen.

__ Die verstärkte Justizkommission hat nach dem vom Pro- fessor Dernburg erstatteten Bericht den Gesegentwurf, betr. das Pfandrecht an Privateisenbahnen und Klein- bahnen, gegen 4 Stimmen abgelehnt.

Ober-Bürgermeister Beck er-Köln beantragt, den F 1, welcher beide Kategorien als Bahneinheiten für verpfändbare Gegenstände des unbeweglichen Vermögens erklärt, anzunehmen und die Vorlage zur Durchberathung und schriftlichen Bericht- erstattung an die Kommission zurückzuverweisen.

D Referent Prof. Dernburg führt aus, daß die Kommission in ihrer Gesammtheit der Entwickelung des Kleinbahnwesens freund- lih gegenüberstehe, aber die Vorlage doh aus juristischen Bedenken habe ablehnen müssen.

_ Ober-Bürgermeister Becker - Köln versteht jene freundliche Stimmung und diefen Beschluß nicht zusammenzureimen. Den § 1 habe die Kommission abgelehnt, aber niht einmal \riftlihen Bericht erstattet. Die Kommissionsmehrheit habe die Bedürfnißfrage ver- neint. Mit dieser Verneinung fei das Kleinbahnwesen, welches in erfreulichem Aufschwung begriffen sei, aufs stärkste diskreditiert worden. Auch die Rheinprovinz habe Kleinbahnen subventionieren wollen, aber nur unter der Vorausseßung der Verpfändbarkeit. Wirthschaftliche Gefahren beständen auch nit; das Immobile komme thatsächlich weniger bei der Kreditgewährung an Eisenbahnen jeder Art in Be- tracht, als die Betriebs- und Verkehrsverhältnisse. Im Reich sei doch auch ein Cisenbahnverpfändungsgefeß eingebracht gewesen, für das Neich aber freilich nach der Verstaatlihung der Bahnen in den Einzelstaaten überflüssig geworden. Zur Beruhigung der öffentlihen Meinung fei die Annahme seines Antrags nöthig, wenigstens des zweiten Theils, während er den Antrag auf Annahme des § 1 zurücziehe.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Auch ih möhte mih namens der Staatsregierung dafür aussprechen, daß das hohe Haus dem Votum seiner Kommission nit zustimmen möge, sondern sich dem Antrage des Herrn Ober- Bürgermeisters Becker anschließen möge. Schon seit langer Zeit ist es als ein Mangel empfunden worden, daß nah Lage der jeßigen Gesetzgebung es nicht möglich ist, die innerhalb eines Bauunternehmens vereinigten Vermögenswerthe in ihrer Gesammtheit zu verpfänden und sie der Zwangsvollstreckung zu unterwerfen und infolge dessen au auf Grund dieser Gesammtheit die Finanzierung eines Bauunternehmens zu bewirken. Die Erkenntniß dieses Mangels hat, wie der Herr Referent und der Herr Ober-Bürgermeister Becker aus- geführt haben, bereits im Jahre 1879/80 dahin geführt, daß dem Reichstage eine bezüglihe Geseßvorlage gemacht worden ist, die au in der Kommission angenommen wurde und nur darum nicht zur Verabschiedung gekommen is}, weil inzwishen die Vertagung des Neichstags eintrat. Der Entwurf dieses Reichsgeseßes hat sich in wesentlichen Punkten angeschlossen der Gesetzgebung, die in Desterreih und der Schweiz bereits besteht und sich praktisch durhaus bewährt hat. Meine Herren, nachdem die Verstaatlihung die Privatbahnen im großen und ganzen beseitigt hatte, lag kein dringendes Bedürfniß

zu einer Ausfüllung dieser Lücke der Geseßgebung mehr vor; seit jener Zeit aber haben si eine ganze Reihe von Privatbahnunternehmungen gebildet, die gegenüber diesem Mangel mit den größten Schwierig- keiten zu kämpfen haben. Es ist endli das Gese von 1892 über die Kleinbahnen erschienen, und es regt sih im ganzen Lande, Kleinbahnen nicht nur, sondern aüuch Nebenbahnen auszuführen. Aus den parla- mentarischen und aus den Kreisen der Betheiligten is der Wunsch und die Forderung an die Regierung herangetreten, Fürsorge dafür zu treffen, daß die Finanzierung des Bahnunternehmens auf einer ge- sunderen, folideren Basis gestellt werden möge, als wie es bisher möglich gewesen ist. Ich möchte noch besonders hervorheben, daß es sich hier nicht bloß um Kleinbahnunternehmungen handelt, sondern auch wesentlich um alle anderen Privatunternehmungen für den Bau und Betrieb von Eisenbahnen.

Meine Herren, auf die Bedenken, die seitens des Herrn Referenten Ihrer Kommission gegen die Geseßesvorlage vorgebraht worden sind, näher einzugehen, glaube ih, würde jeßt nicht der geeignete Zeitpunkt sein. Entschließt sih das hohe Haus, dem Antrage des Herrn Ober- Bürgermeisters Becker zuzustimmen, so würde ja hierzu fh noch aus- reichende Gelegenheit bieten. Die Staatsregierung bedauert, daß bei dem gegenwärtigen Stadium der Tagung des Landtags keine Aussicht vor- handen ist, das Geseh noch in diesem Jahre zu verabschieden; aber in noch viel höherem Maße würde es die Staatsregierung bedauern, wenn das Haus sich dem Votum Ihrer Kommission anschließen würde, und die Regierung dadur der Möglichkeit beraubte, in dieser Richtung für die Entwickelung des Kleinbahnwesens und des Privat- nebenbahnwesens fördernd einzuwirken. Ich bitte Sie deshalb dringend, ih dem Antrage des Herrn Ober-Bürgermeisters Beer anzuschließen.

Rittergutsbesißer von Gra ß-Klanin is gegen d welches bereits SHaden angerichtet Dre, Das Kaba Li e den Kleinbahnen das Privatkapital niht zugeführt. Ueberall rechne man auf Subventionen à fonds perdu der Provinzen und Kreise. Die Unternehmungen als solche fänden keinen Kredit und hätten auch Leinen, ; Die Maregel, den Grund und Boden der Sekundär- und Tertiärbahnen beleihbar zu machen, sei höchst bedenklich.

__ Kammergerichts-Präsident Drenkmann: Die Kommission habe die Vorlage a limine abgelehnt, weil fie das Bedürfniß verneinte. Der Mangel eines Pfandrechts an Eisenbahnen sei von jeher als Lüdke in der preußischen Geseßgebung empfunden worden. Von dieser Auf- fassung aus stellt Redner dem Hause anheim, die Vorlage der Kom- mission zurückzugeben. Vermehrung des Nealkredits bedeute jedenfalls eine Verminderung der Zwangsvollstreungen. Für die Dauer könne man ohne ein derartiges Geseß gar nicht auskommen.

Ministerial-Direktor Brefeld erklärt die Bedenken des Herrn von Graß hinsichtlih der Beleihbarkeit des Grund und Bodens der Kleinbahnen für unbegründet.

_ Der Antrag auf Zurückverweisung der Vorlage an die Kommission wird genehmigt.

_ Die Petitionen des Magistrats zu Magdeburg und zu Hildesheim, des Vorstands des Gewerbevereins zu Hildesheim und des Vorstands des Ausschusses der vereinigten Innungen zu Hildesheim: das Herrenhaus wolle mit Entschiedenheit die Hebung und Entwickelung der gewerblihen Schulen im Sinne der Denkschrift des Handels-Ministeriuums vom April 1891 verlangen, sollen nah dem Antrag der Petitionskommission der Regierung als Material überwiesen werden.

Ober - Bürgermeister Bötticher-Magdeburg beantragt Ueberweisung zur weitmöglichsten Berücksichtigung; seiner Empfehlung dieses Antrags schließt sich Ober-Bürgermeister Becker- Köln an.

Der Antrag Bötticher wird angenommen.

Dem vom Hause der Abgeordneten auf Antrag des Abg. Krause beschlossenen Gesehentwurf, betreffend die Glei ch- stellung der Notace mit den anderen Beamten be- züglich der Strafen bei Nichtverwendung der tarif- mäßigen Stempel, und dem Geseßentwurf, betreffend Aenderungen der Wegegeseßgebung der Provinz H V er, wird die verfassungsmäßige Genehmigung ertheilt.

Schluß gegen 5 Uhr. Nächste Sißzung Freitag 11 Uhr.

Haus der Abgeordneten. 58. Sißung vom 26. April 1894.

Jn der fortgesezten zweiten Berathung des Geseßt- entwurfs über die Landwirthschaftskammern nimmt zu den Bestimmungen über das Wahlverfahren und das Wahlreht (§8 6 bis 14) und den 7 gestellten Anträgen, diesen Abschnitt des Geseßentwurfs an die Kommission zurück- uverweisen (\. den Anfangsberiht in der Donnerstags- Nummer d. Bl.), nah dem Abg. Dr. Sattler (nl.) das Wort der

Abg. von Bülow - Wandsbek (fr. Éons.). Redner hat ebenfalls zu diesem Abschnitt einen Antrag gestellt, an dessen Begründung an dieser Stelle er aber vom Präsidenten verhindert wird.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Dr. Thiel rekapituliert die Ge- sihtspunkte, welche die Regierung zu dem von ihr vorgeschlagenen Wabhlmodus geführt haben. Die direkte Wahl würde zu manchen Unzuträglihkeiten für die Wähler führen, während die indirekte Wahl eine Verständigung zwischen den einzelnen N ers leihtere und eine möglihst gerechte Vertretung der einzelnen Interessen verbürge. Das ODreiklassenwahlsystem [affe fünstliche Gegensätße, welche die Regierung vermeiden wolle. Die Regierung sei gern bereit, in der Kommission an etwaigen Verbesserungen des Geseßes mitzuarbeiten; ob dies aber zu erreichen, sei nah den Erfahrungen in der Kommission zweifelhaft. i

Abg. Hornig (kons.) findet, daß die rig d des kleinen und arie Grundbesitzes durch die Kommissionsfassung vollständig ge- wahrt seien, und daß es deshalb überflüssig sei, die Frage no- mals in der Kommission zu prüfen. Eine abermalige kommissarische Berathung könne das Zustandekommen des Geseßes nur ershweren.

Abg. Rickert (fr. Vgg.) bestreitet dies. Allerdings würde etne Kommissionsberathung die Session bis über Pfingsten verlängern ; auch er, Redner, bedauere dies lebhaft; aber es fei immer üblich gewesen, daß, wenn eine große Partei, wie das Zentrum, die Zurüd- verweisung einer Vorlage an die Kommission wünsche, die übrigen Parteien \ih diesem Wunsche niht widerfeßten. Es handle si hier n sowohl um cine wirthschaftlihe als eine politishe Frage, und er freue sich, daß der hervorragendste Führer des Bundes der Land- wirthe bei der Abstimmung über die fakultative Einführung der Landwirthschaftskammern mit ihm gegangen fei. Am besten wäre es, wenn die Regierung sich entshlösse, das Gai zurückzuziehen und nach Erledigung des noch unerledigten wichtigsten Gefseygebungs8- mäterials die Session zu s{ließen.

Die Diskussion wird hierauf geschlossen. i

Der Antrag Zedliß auf Zurückverweisung an die Kom- mission wird gegen die Stimmen der Konservativen, Polen und weniger Zentrumsmitglieder angenommen. Damit ist der

Antrag Herold erledigt. / E : S 15 bestimmt u. a., daß die Mitglieder der Landwirth \haftskammern_ auf sechs Jahre n werden. Abg. von Strombeck (Zentr.) beantragt einen Zusaß, wonadh: