1894 / 100 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 28 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

habe, an die E Staatsregierung das Ersuchen zu richten, bevor ein Geseßentwurf, betreffend das preußische Wasserrecht, den gesezgebenden Faktoren vorgelegt wird, dem Kommunal-Landtag des Regierungsbezirks event. dem Pro- vinzial-Landtag Gelegenheit zu geben, sih über den Entwurf S u äußern. Es wurde ferner beschlossen, den ndeoausicub zu beauftragen, den Entwurf des Wassergeseßes in seinen im Laufe des Frühjahrs und Sommers stattfindenden Sißungen event. unter Zuziehung von geeigneten Gutachtern zu berathen, um eine besonders jorgfältige und gründliche Vorbereitung der Stellung- nahme des Kommunal-Landtags zu dem Entwurf zu erreichen. Das Gesuch der Gemeinde Hasselbach um Bewilligung eines Zuschusses zu den Kosten der Wasserleitungs- und Kanalisierungs- arbeiten wurde mit der Anheimgabe abgewiesen, sih an den zuständigen Kreisaus\s{huß zu wenden. Bezüglich der Gesuche des 2c. Weiland zu Schierstein und des 2c. Nicolai zu Wiesbaden um Gewährung von Entschädigungen für an Milzbrand gefallene Thiere wurde beschlossen, den Bittstellern die reglements- mäßigen Entschädigungen zu gewähren. Das Gesuch der Ge- meinde Ober-Asphe um Bewilligung einer Beihilfe zu den Kosten eines Schulhaus-Neubaues wurde abgelehnt, ebenso das Gesuh des 2c. Müller zu Villmar um Bewilligung einer Unterstüßung zu den Kosten des Wiederaufbaues einer ein- gestürzten Scheune. Endlih wurde das Gesuch des 2c. Hen- rich 11. zu Wissenbach wegen Auszahlung der Brand- entshädigung 2c. dem Landesausshuß zur Beschlußfassung überwiesen. ' :

Jn der heutigen fünften Sißung gelangte die Vorlage über den Bau von Kleinbahnen in Nassau und der darüber erstattete Bericht der Kleinbahnkommission zur Verhandlung.

Es wurde beschlossen, die von der gedahten Kommission gestellten Anträge in folgender Fassung zu genehmigen :

Der Kommunal-Landtag wolle beschließen : E

1. Den Bau und Betrieb von Kleinbahnen im Sinne des Gesetzes vom 28. Juli 1892 nah Maßgabe der nachstehenden Grundsäße zu fördern:

1) Der Bezirksverband kann Kleinbahnunternehmen innerhalb des Regierungsbezirks Wiesbaden, insbesondere folhen Unter- nehmen, welche

a. nit hauptsählich dem Personenverkehr in der Nähe der großen

Städte oder auës\{ließlic einzelnen kapitalkräftigen industriellen Betrieben dienen follen, vielmehr dazu bestimmt sind, Theile des Regierungsbezirks für den Eisenbahnverkehr aufzuschließen und die Frachten zu verbilligen, und

. seitens der Betheiligten Kreise, Gemeinden und der an der

Strecke liegenden oder an derselben interessierten Grundbesißer

und Industriellen ins Leben gerufen werden follen, Unterstüßung dadur gewähren, daß er sich der Negel nah mit einem Drittel (3370/0) an dem für das Unternehmen erforderlichen Anlage- fapital betheiligt, sofern die Aufbringung des Nestes durch die Be- theiligten gesichert ift.

Die Kosten des Grunderwerbs und für Entshädigung der Grund- eigenthümer für Nußungen und Wirthschaftsershwernisse sind lediglich von den Betheiligten aufzutringen und bleiben bei Berehnung des Anlagekapitals dem Bezirksverband gegenüber außer Ansaß:

Sind die Betheiligten nicht im s\taude, die ihnen obliegenden zwei Drittel (66 9/6) des Anlagekapitals ohne zu schwere finanzielle Belastung aufzubringen oder stellen sich die Grunderwerbskosten aus- nahmsweise hoh, so ist der Landesausshuß ermächtigt, eine höhere Be- theiligung des Bezirksverbandes bis zum Höchstbetrage von 5009/0, also der Hälfte des Anlagekapitals, vorbehaltliÞh der Genehmigung des Kommunal-Landtags, zuzusichern.

2) Im Falle der Betheiligung muß dem Bezirksverband ein aus- reihender Einfluß auf die Wahl der Linie, die Feststellung des Pro- jekts und den Betrieb der Bahn, namentlich die Bildung der Tarife, gesichert werden.

Nach der Höhe seiner Betheiligung nimmt der Bezirksverband an dem Gewinn oder Verlust des Unternehmens theil.

3) Der Bezirksverband wird die betriebsfähige Herstellung der Kleinbahnen, also den Bau und die erstmalige Beschaffung der Be- tricbsmittel selbst übernehmen, während es den Betheiligten überlassen ist, die Einrichtung des Betriebs im Einvernehmen mit dem Bezirks- verband zu regeln. Der Bezirksverband ist berechtigt, die Beaufsichti- gung des baulichen Zustandes der Bahnen und die Kontrole der Be- tricbêmittel durch seine tehnishen Beamten auêzuüben.

Wenn die Betriebsführung aus irgend welchem Grunde und zu irgend welcher Zeit auf andere Weise nicht zureichend gesichert werden fann, so steht dem Bezirksverband auch die Uebernahme des vollen Betriebs von Kleinbahnen zu. |

Dasselbe ist der Fall, wenn eine Bahn mehrere Kreise berührt.

4) Zur Beschaffung der erforderlichen Mittel wird vom Etats- jahr 1895/96 ab alljährlih ein Antheil an der Chaufsseebaurente von 319 500 (Kap. I Tit. 1 .der Einnahme des Wegebaufonds bezw. Kap. I Tit. 2 des Haupt-Etats, S. 82 resp. S. 12 des Voranschlags pro 1894/95) in der Höhe von 100 000 46 zur Verfügung gestellt, welcher für Chaussceneubauten in Zukunft nicht mehr Verwendung findet.

Dieser Betrag kann entweder alljährlichß unmittelbar verwendet werden, oder, sofern sih ein Bedürfniß nah Kleinbahnen in größerem Umfange geltend macht, ganz oder theilweise zur Verzinsung einer bis zum Höchstbetrage von 2 500 000 6 aufzunehmenden Anleihe dienen.

5) Es wird ein Kleinbahnfonds gebildet.

Demselben sind zuzuführen :

a. Die in einem Rechnungsjahr für Kleinbahnen etatsmäßig zur Verfgung stehenden, nicht zur Verwendung gelangten Beträge ;

b. sämmtliche Betriebsübershüsse und Amortisationsbeiträge der Kleinbahnen, an denen der Bezirksverband betheiligt ift;

c. die Zinsen für Kleinbahnen angesammelter und nicht verwendeter Kapitalien. i

6) Sofern ein Kleinbahnunternehmen fich über den NRegierungs- bezirk Wiesbaden hinaus erstreckt und ein anderer Regierungsbezirk oder das Großherzogthum Hessen an demselben mitbetheiligt ift, so ist der Landeêaus\chuß ermächtigt, eine angemessene Betheiligung des Bezirkéverbandes unter sinngemäßer Anwendung der Nr. 1 mit den übrigen Interessenten vorbehaltlih der Genehmigung des Kommunal- Landtags zu vereinbaren. L

7) Der Landesaus\{chuß wird ermächtigt, alles zur Ausführung der vorstehenden ia nis Erforderliche zu veränlassen, und beauf- tragt, über alle stattgehabten Bewilligungen und die disponiblen Geld- mittel dem Kommunal-Landtag bei jedem Zusammentritt eine Ueber- sicht vorzulegen.

Bayern.

Aus Anlaß des Geburtsfestes Seiner Majestät des Königs hatten gestern, wie die „Allg. Ztg.“ berichtet, die Königliche Residenz, die Palais der Prinzen und der Gesandten, sämmtliche Staats- und städtischen, sowie zahlreiche Privat- ebäude geflaggt. Jn der katholishen wie in der protestanti- chen Stadtpfarrkirhe fanden Vormittags Festgottesdienste statt. Um 10 Uhr wurde in der St. Michaels-Hofkirche ein feierlihes Hochamt für die Garnison abgehalten, dem Jhre Königlichen Hoheiten die Prinzen Rupprecht, Arnulf und N s, sowie der Kriegs-Minister Freiherr von Asch an der Spitze der Generalität und zahlrei he Stabs- und Oberoffiziere

beiwohnten. Zu derselben Zeit fand in der St. Theatiner-

Me ein feierliches Hochamt statt, wozu sih die in ünchen weilenden A LN des Königlichen Hauses eingefunden hatten. Dem vom Erzbishof von E _um 11 Uhr im Dom abgehaltenen Hochamt wohnten Jhre König-

lichen Hoheiten der Prinz-Regent, der Prinz Ludwig

: A EREO und der Herzog Ludwig, sowie der apostolische

untius, die obersten Hofchargen, die Staats-Minister Dr. Frei- herr von Leonrod und Dr. von Müller bei.

Baden.

Die Zweite Kammer hat gestern den Etat genehmigt, der mit einem Fehlbetrag von 51/4 Millionen Mark abschließt

Meelenburg-Schwerin.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog und Jhre Kaiserliche Hoheit die Großherzogin sind, wie die „Mel. Nachr.“ mittheilen, von ihrer auf der Yacht „Foros“ unter- nommenen Fahrt an der italienishen Küste am 26. d. M. wieder in Cannes eingetroffen.

Oesterreich-Ungarn.

Der neuernannte serbishe Gesandte Simic is, wie „W. T. B.“ meldet, in Wien eingetroffen.

Das österreichishe Abgeordnetenhaus hat gestern nach längerer Debatte den gesammten Et at des Unterr1hts- Ministeriums angenommen. Hierauf interpellierten die Abgg. Noske und Genossen den Minister - Präsidenten Fürsten Windischgräß wegen der antisemitishen Pre- digten des N Pfarrers Dedlerl in Wien- Währing; sie bezeihneten die Predigten sowohl vom Standpunkte der Israeliten, als auch von dem des echten Christenthums aus als einen Mißbrauch der Kanzel und fragten an, welche Maßregeln die Regierung zu ergreifen beabsichtige, um einer solhen Beleidigung der religiösen Empfindung der Bevölkerung, sowie einer solhen Heraus- forderung der Staatsgewalt Einhalt zu thun und die Störung des Friedens der Bevölkerung zu verhüten.

Auf der gestrigen Tagesordnung des Valuta - Aus- schusses stand der Bericht des 20, Szczepanowski Über die Geseße wegen Einlösung der Staatsnoten. Der Abg. Kramar wünschte die Vertagung der Beschlu ß- fassung, bis das Bankprivilegium vorliege. Der Abg. Menger drückte seine Verwunderung über die Anträge der österreichisch - ungarishen Bank aus und erachtete deren Abweisung als selbstverständlih und nothwendig. Der Finanz-Minister Dr. von Plener betonte, die Verhandlungen mit der Bank hätten kaum begonnen, er bedaure die Ver- öffentlichung der von der Bank gemachten Vorschläge, die für die Regierung unannehmbar seien und cine peinliche Ueber- rashung für die Regierung gebildet hätten. Obwohl die Dauer der Verhandlungen unabsehbar sei, könne man doch im Verlauf des Sommers zu einem neuen Statutenentwurf ge- langen. Der Umstand, daß die Verhandlungen noch shwebten, sei kein Grund zur Vertagung. Die Einziehung der Ein- gulden-Noten könne nicht aufgeshoben werden, da deren Her- flellung eingestellt und die Zurückhaltung gegen Aus- gabe von Einkronenstücken verfügt worden sei. Thatsächlich seien bereits 4 Millionen zurückgehalten worden. Komme, wie er, der Minister, hoffe, cin neuer Privilegienentwurf zu stande und gelinge die Erzielung eines wesentliheren Einflusses der Regierung auf den Generalrath, so werde mit der Er- haltung der Gemeinsamkeit der öjterreichish-ungarischen Bank ein wichtiges Desiderium der österreichisch-ungarischen Regierung errciht werden. Im Falle des Scheiterns der Verhandlungen werde wohl cine neue, beiden Staats- gebieten gemeinsame Bank an die Stelle der gegenwärtigen Bank treten und alle Geldhinterlegungen der Negierung bei der österreichish-ungarishen Bank würden auf deren Nachfolgerin übergehen. Das Programm der Regierung in den Valuta- vorlagen erstrecke sih auf zwei Jahre. Jn erster Reihe komme die Einziehung der Eingulden - Noten, was genug Arbeit mache, dann die der anderen Noten; bis dahin werde die Frage des Bankprivilegiums erledigt sein. Die An- nahme des Berichts bilde keinerlei Präjudiz. Der Minister erinnerte scließlich an die Versicherung, daß die Regierung nicht auf die Propositionen der Bank eingehe. Der Abg. Graf Fries wünschte einen Aufschub, damit es nicht wie eine Ueberrumpelung des Ausschusses ausfehe. Der Abg. Rutows ki stellte die Einmüthigkeit des Ausschusses in der Ablehnung der Bankvorschläge fest und sprah die Hoffnung aus, die Bankleitung werde ihren Fehler einsehen und etwas Vernünftigeres vorschlagen. Nach weiterer Debatte erklärte der Berichterstalter Szczepanowski, er ziehe seinen Bericht behufs Aenderung eines Passus zurü. Die Sißung wurde hierauf auf Mittwoch vertagt. e

Das Ehegesez ist gestern von den vereinigten drei großen Ausschüssen des ungarischen Oberhauses mit 35 gegen 15 Stimmen angenommen worden. Freiherr von Nudnyansky legte das Referat nieder, da er gegen die Vorlage sci. Darauf wurde Czorda zum Referenten be- stimmt.

Großbritannien und Jrland.

Das Unterhaus nahm gestern, wie „W. T. B.“ be- richtet, die erste Lesung der von der Regierung eingebrachten Bill zur Errichtung von Kirchspielräthen in Schottland an. Nach der Bill sind die Frauen wahlberehtigt und wählbar. Der Antrag auf Erneuerung des großen ständigen Ausschusses für schottische An gelegen- beiten wurde mit 202 gegen 200 Summen ans genommen, nachdem die Regierung sih mit einem Amendement einverstanden erklärt hatte, wonach die fünfzehn Mitglieder, die nicht schottische Distrikte vertreten, derart gewählt werden sollen, daß die Zusammenseßung des Ausschusses dem Partei- verhältnisse nah der des Unterhauses annähernd gleich ist.

Bei der gestern fortgeseßten Verhandlung gegen die Anarchisten Carnot und Polti vor dem Zuchtpolizei- geriht in Bowstreet wurden die Angeklagten vor das Schwur- gericht verwiesen.

Frankreich.

Der Senat hat, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern ein- stimmig beschlossen, den Antrag Fabre, wonach ein nationaler Festtag zu Ehren der Jungsrau von Orleans eingeseßt werden solle, in Erwägung zu ziehen. L:

Zum Präsidenten der Budgetkommission ist gestern bei dem dritten Wahlgang mit 13 Stimmen in Nük- sicht auf sein Alter Nouvier gewählt worden. Cavaignac erhielt ebenfalls 13 und Brisson 3 Stimmen. Die Radikalen stimmten für Cavaignac.

Die Pariser Blätter von gestern besprehen die Zu- sammensezung der Budgetkommission, die aus

16 Mitgliedern besteht, die dem Regierungsentwurfe unter gewissen Vorbehalten günstig gesinnt sind, während 17 Mit- glieder den ARaO feindlich egenüberstehen, und meinen, die Berathung des Budgets für das Jahr 1895 werde eine lange und mühsame sein. Die radikalen Blätter bezeichnen die A edang der Kommission als eine Niederlage für die Regierung.

Vor dem Pariser Schwurgericht haben gestern die Ver- handlungen gegen den Anarchisten Emile Henry be- gonnen, der des Dynamitverbrehens im Café Terminus sowie des Legens der Bombe in der Rue des bons Enfants in dem Gebäude der in Paris domizilierten Grubengesellshaft von Carmaux angeklagt ist. Jnnerhalb und außerhalb des FFustizpalastes waren umfassende Vorsichtsmaßregeln getroffen worden. Der rang des Publikums zu der Verhandlung war sehr groß. Der Angeklagte trug eine sehr ruhige Haltung zur Schau. Während der Verlesung der beiden Anklageakte verhielt er sih gleich- gültig. Bei dem Verhör sagte Henry aus, er habe sich in mehreren Cafés umgesehen und fei shließlich ins Terminus- Café eingetreten, wo zahlreihe Gäste gewesen seien. Or habe Da ene Zem lange Zeit gewartel, um eine L E große Anzahl Bourgeois zu tödten. Wenn cer Revolverschüsse - auf die ihn verfolgenden Personen abgegeben habe, sei das geschehen, um sich seiner Haut zu wehren. Der Präsident konstatierte, daß durh die Explosion eine Person getödtet und 20 Personen verwundet worden seien. Henry wiederholte, er habe eine möglihst große Anzahl Personen tödten wollen. Der Präsident machte auf den verabsheuungswürdigen Cynismus ausmerksam, mit dem sich der Angeklagte zu seinem Verbrechen bekenne, und ging sodann zu der Verhandlung über die Explosion in der Nue des bons Enfants über. Auf Geheiß des Präsi- denten beschriceb der Angeklagte die bei dem Attentat im Café Terminus benußte Bombe. Er weigerte sih, anzu- geben, woher er das Dynamit zur Bombe bekommen habe, und versicherte, daß cr bei dem Attentat in der Rue des bons Enfants keine Mitschuldigen gehabt habe. Ueber seine Thätig- keit während des Jahres 1893 und darüber, woher er das Geld zur Anfertigung der Bombe genommen habe, verweigerte Henry die Auskunft. Alle seine Aussagen machte der An- getlagte in höchst prahlerischem, affektiertem Ton. Hier- auf begann das Zeugenverhör. Dabei wurden zu- nächst die Personen vernommen, die zur Verhaftung des Angeklagten beigetragen hatten. Der Präsident rühmte besonders den Muth des Polizeibeamten Poisson. Sodann wurden zahlreiche Personen vernommen, die bei dem Attentat verwundet worden waren; mehrere davon konnten nur mit Mühe gehen. Der Leiter des städtischen Laboratoriums sagte aus, daß die Explosion im Café Terminus größeren Schaden angerichtet haben würde, wenn der Deckel der Bombe besser geschlossen hätte. Alsdann wurden die Zeugen bei dem Attentat in der Rue des bons Enfants vernommen. Die weitere Verhandlung wurde fodann auf heute vertagt.

Rußland.

Wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg erfährt, sind die Meldungen über den Abschluß eines russisch-türkischen Handelsvertrags unrichtig. Vorbereitungen dazu sind zwar bereits getroffen, doch wird der Vertrag erst gleichzeitig mit den ‘von der Türkei mit anderen Staaten abzuschließenden Handelsverträgen in Kraft treten.

JFtalien.

Die Budgetkommission hat, wie „W. T. B.“ meldet, gestern mit 25 gegen 2 Stimmen das Militärbudget an- genommen, nachdem der Kriegs - Minister erklärt hatte, daß weitere namhafte Ersparnisse, wenn auch nicht für das kom- mende Jahr, jo doch für spätere Jahre möglih seien. Der Bericht des Abg. Pais wird in Uebereinstimmung mit diesem Beschluß modifiziert und der Kammer am nächsten Dienstag vorgelegt werden.

Griechenland.

Der Prinz von Neapel, der inkognito in Athen ein- getroffen war, ist laut Meldung des „W. T. B.“ von dort wieder nach Korinth zurückgekehrt.

Die in Athen erscheinenden Blätter sprechen ihre lebhafte Mißbilligung über die Errichtung der neuen bulgarischen Bisthümer in Macedonien aus.

Bulgarien.

Der Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg hat, nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Sofia, die De- mission des Kriegs-Ministers Sawow angenommen und den Chef des Generalstabes Radjo Petrow zum Kriegs-Minister ernannt. Eine anderweitige Aenderung im Kabinet sei nicht beabsichtigt.

Dänemark.

Jn einer gestern abgehaltenen Sißung des Staatsraths, der auh der König beiwohnte, ist, dem „W. T. B.“ zufolge, beschlossen worden, den Reichstag am 2. Mai zu schließen.

Das Seekriegsgericht hat den dänishen Marine- Offizier, der während des französisch-siamesischen Konfliktes sich im Dienst Siams befand und zurü- gerufen wurde, zur Dienstentlassung verurtheilt. Wie ver- schiedene Blätter mittheilen, erfolgte die Verurtheilung wegen Bruchs der Pflicht, eine Dienstsahe geheim N halten. Der Offizier hatte einen Rapport an das dänische Marineamt über die Paknam-Affaire einer dänischen Zeitung zugestellt. Außerdem erfolgte die Verurtheilung wegen unrich- tiger Berichterstattung und respektwidrigen Betragens während der Untersuchung der Sache.

Amerika.

Nach Meldungen aus Rio de Janeiro ist durch ein Dekret bekannt gegeben worden, daß die Zollzahlungen in Gold erfolgen müßten. - / :

Aus Buenos Aires wird berichtet, der Konflikt wischen Argentinien und Portugal habe sich verschärft.

an befürchte, daß es zu einem Bruch zwischen beiden Staaten fommen werde, wenn die portugiesishe Regierung sich weigern sollte, die dreißig gewaltsamer Weise von dem argentinischen Schiff „Donato“ wieder gefangen genommenen Brasilianer auszuliefern.

Wie aus Montevideo gemeldet wird, wäre es den von den Portugiesen mit Gewalt zurückgehaltenen Brasilianern

elungen, zu entkommen und Brasilien wieder zu erreichen. Auch der Admiral Saldanha da Gama habe flüchten können. Jn den lehten Gefechten in Rio Grande seien die Aufständischen von den Föderirten geschlagen worden.

Dem „Reuter'schen Bureau“ wird aus Lima gemeldet der ‘frühere Erste Vize - Präsident del Solar ade im Augenblick des Todes des Präsidenten Bermudez in Tacna im Gegensaß zu dem Ministerium Borgonno ein Ministerium ge mit Pierola als Premier-Minister und Minister des

uswärtigen, Valcarcel für Jnneres, Olachea für die qut Billinghurst für Handel und Recaburren für rieg.

Australien.

Wie dem „Reutershen Bureau“ über Auclland a Samoa vom 19. d. M. gemeldet wird, wären daselbst tine weiteren Unruhen vorgekommen. Die Aana-Eingeborenen ver- weigerten die laut der Vereinbarung zwischen den Konsuln be- stimmte Entwaffnung, bis die Regierungstruppen aufhörten, sie j bedrohen. Die Samwaii-Eingeborenen seien jedoch in ihre Heim- tätten zurückgekehrt. Die französische Mission verlange eine Ent- schädigung wegen der Zerstörung der Schule durch die Re- gierungstruppen. Nach einer weiteren Meldung aus Apia verlaute daselbst, daß die Entwaffnung der Eingebo- renen mit Gewalt ducchgesezt werden solle. Seit der Ankunft. der Kriegsschiffe seien aht politishe Gefangene mit Wissen der Gefangen - Aufseher entflohen. Nach einer der „New-York Tribune“ aus Washington zugegangenen Meldung bestehe Grund für die Annahme, daß der Präsident Cleveland den Plan befürworte, daß die Ver- cinigten Staaten eines Theiles ihrer Verpflich- tungen in Samoa enthoben würden. Man glaube, der Prästdent werde dem Kongreß gegenüber die Rathsamkeit einer gänzlichen Zurückziehung aus Samoa betonen.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sißung des Herren- hauses befindet sich in dec Ersten Beilage. : heutigen

Das Herrenhaus vegann in seiner 14. Sißung welcher der Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Jnnern Graf zu Eulenburg, der Justiz- Minister Dr. von Schelling, der Finanz - Minister Dr. Miquel, der Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden, der Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen und der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse bei- wohnten die Spezialberathung des Staats haushalts- Etats für 1894/95.

Bei dem Etat der Domänenverwaltung berichtete

_Graf von Königsmark über alle zum landwirthschastlichen Ressort gehörigen Spezial-Ctats und hob hervor, daß die Kommission hierbei die Nothlage der Landwirthschaft erörtert habe; diefe Noth- lage komme allerdings im Etat nicht erheblich zum Ausdruck, denn der Staat bewirthschafte seine Domänen- nicht selbst, sondern der Pächter habe das Risiko zu tragen, so lange seine Pachtperiode dauere, und nur allmählih mache sih der Nückgang der Rente beim Domänen- Etat bemerkbar. Man gebe der Landwirthschaft den Nath, fh selbst zu helfen. Der Anfang sei gemaht mit dem Bund der Landwirthe ; die Negierung möge dafür sorgen, daß der Bund in geordneten Bahnen bleiben könne und nicht in eine demagogishe Agitation verfalle.

Bei dem Etat der Forstverwaltung empfahl

Graf von Mirbach die Beibehaltung der hölzernen Schwellen, deren Ersatz durch eiserne die Eisenindustrie verlange. Die jeßige Regierungspolitik werde viele Landwirthe zur Aufforstung zwingen. Die einzige Industrie, welche im Osten bestehe, sei die Holzindustrie und der Holzhandel. Die Imprägnieranstaltèn für Schwellen 2c. müßten erhalten werden; deshalb sei die Verwendung hölzerner Schwellen beizubehalten.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Die Eisenbahn- verwaltung denkt garniht an eine Einschränkung der hölzernen Schwellen, deren Verwendung in den leßten Jahren wegen der Billig- keit derselben sogar zugenommen hat. Von grcßem Werth würde es sein, wenn ein Mittel gefunden würde, die buhene Schwelle ge- nügend zu imprägnieren.

Ober-Bürgermeister Struckmann - Hildesheim lenkte die Auf- merksamkeit der Regierung auf die Vermehrung der wilden Kaninchen, deren Zunahme in den verschiedenen Landestheilen eine förmliche Kalamität geworden sei, ohne daß man ein Mittel dagegen gefunden habe. Man folle durch Ausschreiben von Prämien einmal das Inter- esse der Wissenschaft erwecken, ob vielleiht durch Einimpfen von Bazillen geholfen werden könnte.

Ober-Landforstmeister Donner: Ein solches Mittel bestehe für die Kaninchen noch nicht; dagegen empfehle sih die Haltung von Frettchen oder die Aufstellung von Fallen.

_ Mittergutsbesißer von Bemberg-Flamersheim trat für die Gichenschälwaldungen ein und empfahl einen Zoll für ausländische Gerbstoffe.

__ Graf von Mirbach dankte dein Landwirthschafts-Minister für seine Maßnahmen nah dem Windbruch, die ein UÜeberangebot von Holz und einen Preisdruck verhindert hätten, und empfahl für die nächsten Monate eine Tarifermäßigung für Grubenhölzer, um die minderwerthigen Hölzer besser verwenden zu können.

Bei dem Etat der direkten Steuern trat

Graf von Königs8marck der sih allmählich ausbildenden Mythe entgegen, als ob die Außerhebungseßung der Grund- und Gebäude- steuer eine Liebesgabe für die Landwirthschaft sei. Die Realsteuern kämen wesentlich den Städten zu gute, nämli die Gebäudesteuer, die Gewerbesteuer und die Bergwerksabgabe; auf dem Lande entfielen 9 41, in den Städten 6 # erlassener Nealsteuern auf den Kopf.

Finanz-Minister Dr. Miquel: Ich habe schon früher Gelegen- heit genommen, der Behauptung zu widersprehen, als ob die Steuerreform einseitig dem platten Lande zu gute komme; das Verhältniß verschiebt sich noch mehr zu Gunsten der Städte durh die Revision der Gebäudesteuer; von dem Mehr von 7# Millionen entfallen allein 6 Millionen auf die Städte. Solche Rechnungen beweisen nicht viel, denn die Städte können sagen, daß die Reform nur möglich war durch die Reform der Einkommen- steuer, deren Mehrertrag von vierzig Millionen fast allein auf die Städte entfällt. Die Hauptsache ist, daß wir zu einer gerehten Lasten- vertheilung gekommen sind. Die Einnahmen aus . der lex Huene waren sehr shwankend ; jedenfalls betragen die den Kreisen jeßt zu Gebot stehenden Realsteuern das Doppelte dessen, was sie durch- ¿nittlich aus der lex Huene erhalten haben. Daraus aber eine neue Liebesgabe herzuleiten. sei geradezu unsinnig.

Ober-Bürgermeister Struckmann - Hildesheim empfahl eine Ver- mehrung der Kataster-Steuerkontroleure, welche durh die Steuerreform, die Revision der Gebäudesteuer und die Veranlagung der Ergänzungs- steuer so in Anspru genommen seien, daß sie für andere Arbeiten garniht mehr zu haben seien; selbst die Regierung erhalte vom Katasteramt keine Arbeiten, fondern müsse sie von eigenen Beamten machen lassen.

„Finanz-Minister Dr. Miquel: Die Zahl der genügend vor- gebildeten Katasterbeamten war selber eine geringe; jeßt hat es sich grroefsert, aber die Kräfte der Beamten sind vorübergehend stark in i nspruch genommen dur die Einführung der Grundbücher in Rhein- and und Westfalen, dur die Nevision der Gebäudesteuer, dur die Man aguny der Vermögenssteuer und dur die Bildung von Renten-

Bei dem Etat der indirekten Steuern bedauert V Ober-Bürgermeister Struckmann- Hildesheim die Ablehnung s ¿Forderung für ein neues e zum Ersaß des let guf der Museumsinsel befindlihen Gebäudes. In hochherziger

Weise habe der Kaiser die Gräflih Schack’she Sammlung in München belassen; sie in Berlin unterzubringen, lte auch ps L sein. Cin folher Zustand könne auf die Dauer nicht bestehen bleiben. Hoffentlich herrshe im nähsten Jahre eine günstigere Stimmung im anderen Hause.

Bei dem Etat der Lotterieverwaltung empfahl - Ober - Bürgermeister Struckmann-Hildesheim, die Zahl der Kollekteurstellen, die für vensionierte Offiziere bestimmt sind, zu ver- mehren, wenn sih diese Maßregel bewährt habe.

Finanz-Minister Dr. Miquel erklärte, daß dies der Fall und daß deshalb die Zahl der Stellen vermehrt sei.

Bei dem Etat der Eisenbahnen wies

Finanz-Minister Dr. Miquel darauf hin, daß die Eisenbahn- verwaltung im Jahre 1893—94 sich um 35 Millionen Mark besser stehen werde, als der Etat angenommen. Es handle sich dabei sowohl um Mehreinnahmen als um Minderausgaben, und zwar niht um bloß vershobene, sondern um endgültig ersparte Auëgaben. Das De- fizit vermindere sich dadurch um 20 Millionen Mark, troßdem die Matrikularumlagen Preußens um 15 Millionen Mark gestiegen seien. Das fei nicht besonders {limm, aber immerhin unerfreulih. Das Haus nehme vielleiht Anlaß, an der Hand des Vorgehens des Ab- geordnetenhauses der Finanzlage scine Aufmerksamkeit zuzuwenden.

Wirklicher Geheimer Rath von Leveßow bemängelt, daß nah dem Fortfall der Staffeltarife am 1. August ein besonderer Staffel- tarif von Königsberg bis Berlin in Kraft treten oll. Dadurch würden alle Plâte, die vom Berliner Markt abhängig Uy nach- theilig beeinflußt, zumal der Abfluß nah Westen unterbunden sei. Die Unzufriedenheit flammere sich an eine solche Kleinigkeit; deshalb sollte die Regierung eine beruhigende Erklärung abgeben.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Das kann ih nit; denn die Beseitigung des alten Staffeltarifs der Ostbahn würde dem Osten {chwerere Schädigungen zufügen, als der Provinz Brandenburg Vortheile erwachsen. Wenn der Verkehr nah dem Westen unterbun- den ist, dann hat die Provinz Brandenburg felbst dur ihre Agitation gegen die Staffeltarife dazu mitgewirkt. Der Ostbahnstaffeltarif werde der Provinz Brandenburg keinen erheblichen Schaden bringen.

(Schluß des Blattes.)

Las Haus der Abgeovoneren uar 1 jemer heutigen 59. Sißung, welcher der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse beiwohnte, in die zweite Be- rathung des Geseßentwurfs zur Abänderung und Er- gänzung der Gescze vom 25. Mai 1874, betreffend die evangelashe Kirchen - Gemeinde- und Synodal- ordnung vom 10. September 1873 für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachjen und vom 3. Juni 1876, betreffend die evangelische Kirchenverfassung in den acht älteren Provinzen der Monarchie.

Die Kommission hat die Vorlage mit 14 gegen 1 Stimme unverändert angenommen. An der Spezialberathung in der Kommission haben sich die fünf nationalliberalen Mitglieder e Vertreter der Freisinnigen, Abg. Knördke, niht be- heiligt.

__ Die Abgg. Dr. Enneccerus (nl.) und Genossen beantragen

eine Einschaltung in § 1, wonach die kirchengeseßlichen Be- stimmungen über das Gelöbniß der Kirchenältesten nah wie vor an die Zustimmung des Landtags gebunden sein sollen, desgleichen eine weitere Abänderung, welche denselben Vor- behalt hinsichtlich des aktiven kirchlichen Wahlrehts macht.

Einen mit dem zweiten Punkt des "vorstehenden Antrags üÜbereinstimmenden Antrag haben die Abgg. Freiherr von Zedliß (fr. konf.) und Genossen eingebracht.

_Abg. von Eynern (nl.): Die neue evangelishe Kirchen- verfassung hatte den Zweck, die Kirche aus dem Bann einer bureau- kratischen Orthodoxie zu befreien. Die Wahlen zur ersten außer- ordentlichen Generalsynode ergaben eine für diefen Zweck durchaus freundlihe Mehrheit; selbs positive Männer bekamen von ihren Wahlkörpern das Mandat, die Bekenntnißfrage auf der General- synode nicht zu erörtern, da folhes nur geeignet sein würde, den eben erst zusammengefügten Bau wieder auseinanderfallen zu lassen. Noch 1880 sprachen sih im Abgeordnetenhause Herr von Puttkamer, der damalige Kultus-Minister, Herr Windthorst und Herr Miquel übereinstimmend freundlih über die erreichte Freiheit der evangelischen Kirche aus. Nur Herr Stöcker war nicht zufrieden und be- flagte, daß die fkirlih-dogmatishe Seite bei der Neuordnung zu kurz gekommen sei. Herr Stöcker hat seitdem nicht geruht; er hat seine Anträge immer wieder eingebracht, Und sle sind Unter * dem Namen dex Kleist « Hammer» stein’shen Bestrebungen, aber als geistiges Eigenthum des Herrn Stöcker, jezt in der Vorlage verwirkliht. Die Kirche soll ganz unabhängig vom Staate gestellt werden, fie foll ihre Autorität über jeden, Geistlihen und Weltlichhen, unbedingt ausüben. Die Stöcker'she Richtung will eine Art fkirhliher Juris- diktion, sie will ihre Mitwirkung auch bei der Besetzung der theologischen Prosessuren. Um ihren Bestrebungen ein Mäntclhen umzuhängen, rihtet sie ihren Hauptansturm gegen den von ihr fogenaunten interkonfessionellen Landtag, der aus Juden und Nichtevangelishen zusammengeseßt, über die innerkirh- lichen Angelegenheiten mitzuentscheiden hat. „Es sei der Kirche ein drückendes Gefühl gewesen, daß jeder ihrer Beschlüsse der Genehmigung durch den Landtag bedürfe“, sagt der Referent der Herrenhaus - Kommission, Herr von Wedel, betont aber gleichzeitig, daß in dem Verhalten des Staats und des Landtags zu diesen kirhliden Angelegenheiten nicht das Geringste gelegen habe, was diese Lösung von der Mitwirkung der staatlichen Gesetzgebung erfordert. Ih habe den Eindruck, als ob die General- Synode die bekannte Resolution nur angenommen habe, um dem ewigen Quälen und Drängen der Herren von Kleist-Reßow und Genossen zu entgehen. Der Kultus - Minister hat es noch voriges Jahr ausdrücklich für eine Unmöglichkeit er- flärt, dem Verlangen der General - Synode nachzukommen. Die General-Synode sollte"die Wünsche auch formulieren, {dann würde man sich darüber verständigen können. Darauf aber kam es Herrn Stöcker wohl niht an. Herr Bosse hat uns gesagt, er habe bei der Durchsicht der im vorigen Landtage gefaßten Beschlüsse gefunden, daß eine Formulierung doch wohl möglich sei, hat sih dann mit dem Ober-Kirchenrath in Verbindung geseßt und die Formulierung zu stande gebracht. Aus Freude über dieses Gelingen eignet er sih sogar die Terminologie der Stöcker’schen Anhänger an, indem er im Herrenhause ausführte, die Vorlage befreie die Kirhe von staat- lichen Fesseln, indem er von offenem Konflikte mit der evangelischen Kirche prach, von dem uns bis dahin absolut nichts bekannt geworden war. Wie es mit folhen Friedensgefeßen geht, weiß man; auch für die Katholiken wurde ein erstes, zweites und drittes Friedensgeseß gemaht. Genau fo sagt jegt der Minister: Das ift der Abschluß dieses Friedenswerkes, und ert Stöcker erklärt sofort : Das ist der Anfang, wir fordern noch viel mehr, wir sind im Namen der Kirche dazu berehtigt. Es ist doch ganz klar, daß auf diese Weise, durch diese Gesetzgebung der Regierung der Krieg in die kirhlichen Kreise hinein- getragen wird, und nicht wir find es, die den Frieden stören. Herr Bosse nennt diese Geseßgebung eine harmlose. Große Theile der evan- gelischen Kirche werden mit len Bedauern und mit Entrüstung diesen Ausspruch vernommen haben. Es ist das Ziel der Partei, das Wahlrecht und die Ausübung kirhliher Aemter an das Apostolikum zu knüpfen. Das haben die Herren Stöcker und von Kleist-Retow oft Us Wer trägt die Schuld, daß wir uns jeßt mit diesen Dingen beschäftigen müssen? Warum hat der Minister nicht der General-Synode die Ei überlassen, wie er es noch im vorigen Jahre für selbstverständlich hielt?

(Schluß des Blattes.) ;

Die Kommission des Hauses der Abgeordneten welcher die Paragraphen des Geseßentwurfs über bie Lan d- wirthschaftskammern, die von dem Wahlverfahren handeln zu abermaliger Berathung überwiesen worden waren, ist gestern n fünfstündiger Verhandlung resultatlos auseinander gegangen. Die Vorschläge des Abg. Frhrn.von Zedlitz (fr. kons.) wurden mit 11 gegen 17, die des Abg. von Kardorff (fr. kons.) mit 12 gegen 16, die des E u 12 gegen 16, die F Anträge

ission mit 12 gegen und die Regi allen gegen 6 Stimmen abgelehnt. R E

Nr. 17 der „Veröffentlichungen des Kaiserli Gesundheitsamts“ vom %. April hat folaen s Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. Zeit- weilige Maßregeln gegen Cholera 2x. Aus dem Jagahres- bericht des Lübeer Medizinal - Kollegiums, 1892. Geseßy= gebung u. \. w. (Deutsches Reich). Viehseuchen - Nachrichtendienst. 2 Ae Dampfapparat in den Apotheken. Oeffentliche Schlahthäuser und Noßschlächtereien. Lumpenfammler. (Reg.- Bez. Potsdam). Abdeckereigewerbe. (Kreis Ruhrort.) Oeffent- lihe Üntersuchungs8anstalt für Nahrungsmittel u. . w. (Mecklen- burg-Schwerin.) Ansteckende Krankheiten. (Braunschweig.) Lehr- zeit - der Apotheker. (Brasilien.) Hafen - Gesundheitstienst. (Schluß.) Gang der Thierseuchen im Deutschen Reiche, März. Desgl. in Norwegen, I. Vierteljahr. Zeitweilige ‘Maßregeln gegen Thierseuchen. (Deutsches Reich, Frankreich.) Rechtsprehung. (Ober-Landesgeriht München.) Unbefugte Abgabe von Streu- fügelchen als Heilmittel. Verhandlungen von gesetzgebenden Körper- schaften. (Deutsches Reich.) Zulassung der Frauen zum ärztlichen Studium. Viehseuchengeseß. Abänderung. (Preußen.) Ge- bühren für die gesundheitspolizeilihe Ueberwachung des Schiffahrts- und Flößereiverkehrs. Vermischtes. Berichtigung. (Preußen. Berlin.) Getrocknete Morcheln und Champignons. Grund- roasserstand und Bodenwärme in Berlin und München, März. Wochentabelle über die Sterbefälle in deutshen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Aus- landes. Erkrankungen in Krankenhäusern deutsher Großstädte. Desgl. in deutshen Stadt- und Landbezirken. Witterung.

Nr. 16a des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlihen Ar- beiten, vom 25. April hat folgenden Inhalt: Erweiterung der Universitäts-Frauenklinik in Marburg i. H. Das symmetrische Eisenbahnwagenrad. Berechnung von Korbbögen. Bermischtes : Wettbewerb um Entwürfe zu Hofbeamten- und Hofdienerwohnungen, Marstallgebäuden u. f. w. in Stuttgart. Wettbewerb um Ent- würfe für ein Kaiser Wilhelm-Denkmal in Stutigart. Wettbewerb um Entwürfe für eine Synagoge in Köln a. Rh. Seilbahn-Unfall bei Knorville in Nord-Amerita. Bücherschau.

Nr. 17 des „Centralblatts der Bauverwaltung“, heraus- gegeben im Ministerium der öffentlihen Arbeiten, vom 28. April, hat folgenden Inhalt: Runderlaß vom 15. April 1894, betreffend die Verantwortlichkeit der Baubeamten der Allgemeinen Bauverwaltung. Bekanntmachung, betreffend die Reifezeugnisse der Ober-Realschule in Oldenburg. Nichtamtliches: Einfluß wieder- holter Belastung auf die Festigkeit des Eisens. Wettbewerb für das Nathhaus in Rheydt. Flachgründung und Tiefgründung von Brückenpfeilern. (Schluß.) Vermischtes: Die Wiederherstellung der Westfront der St. Nikolai-Kirhe in Frankfurt a. O. Bildnerischer Schmuck für den neuen Justizpalast in München. Umbau des Löwenbräu-Kellers am Stiglmairplay in München. Das Holz- pflaster der Strombrücke in Magdeburg. Kosten von Gas und elektrishem Licht. Aufschneidbare Spitenvershlüsse für Weichen. E Aa Bestehen der Maschinenbauanstalt von C. Hoppe in Berlin.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Zur Anstellung eines fstaatlihen Fischerei-Aufsehers ift, nah einem Urtheil des Reichsgerihts, IV. Strafsenats, vom 13. Fe- bruar 1894, in Preußen der Regierungs-Präsident zuständig. Der Aufsicht eines für die innerhalb seines Forstbezirks liegenden Gewässerstrecken als Fischerei-Aufseher angestellten Forstbeamten sind ohne weiteres auch diejenigen Wasserstrecken in ihrer ganzen Breite unterworfen, welche seinen Forstshußbezirk begrenzen, und er ift befugt, den widerrechtlichen Fishfang am jenseitigen Ufer dur Betreten des zu seinem Forstshußbezirk niht gehörigen jenseitigen Ufers zu inhibieren und ev. den Thäter festzunehmen. Der Fiebe erfolgte Widerstand gegen ihn ist aus § 113 Str.-G.-B. zu bestrafen, au wenn er bei feiner Amtsausübung die für Fischerei-Aufseher vor- geschriebenen Abzeichen niht trägt. Der Förster F., welcher von dem Negierungs-Präsidenten zu Oppeln als staatlicher Fischerei-Auf- seher für die innerhalb seines Forstshußbezirks liegenden Gewässer- strecken der Oder angestellt worden war, traf den N., als er zu einer verbotenen Zeit in der Oder, und zwar von dem jenseitigen Ufer aus, welches außerhalb des dem F. unterstellten Forstreviers liegt, angelte. F., welcher gerade mit den für Fischerei-Aufseher vorgeshriebenen Ab- zeichen nit versehen war, begab sid nah dem jen}eitigen Ufer und hielt den N. zur Feststellung seiner Persönlichkeit an. Hierbei wider- seßte sih N., weshalb er von der Strafkammer wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt verurtheilt wurde. Seine Revision wurde vom Reichsgericht verworfen, indem es die oben formulierten Rechts- säße aussprah. (4583/93.)

__— Ein Grundstückseigenthümer, welher zum Schaden seiner Hypothekengläubiger die beweglihen Zubehörstückde seines verpfändeten Grundstücks veräußert und vom Grundstück entfernt, ist, nah einem Urtheil des Reichsgerichts, 1V. Strafsenats, vom 13. Februar 1894, deshalb niht wegen strafbaren Eigennußes aus S 289 Str.-G.-B. zu bestrafen. „Wenn das Fortschaffen der vom Miether inferierten und dadur dem geseßlichen Pfandrecht des Ver- miethers unterworfenen Sachen aus dem Haufe des leßteren unter den § 289 a. a. O. gezogen, also als ein „Wegnehmen“ aufgefaßt wird, obgleich der Vermiether an den JIllaten des Miethers Ge- wahrsam im eigentlihen Sinne nicht erlangt, so beruht diese Ausdehnung des Begriffs darauf, daß durch die Jllation für den Vermiether mit dem Recht, die Sachen zur Befriedigung wegen der aus dem Miethsverhältniß entftandenen Forderungen als Pfand in Anspruch zu nehmen, zuglei die thatsächliche Möglich- keit geschaffen wird, sich jederzeit in den Gewahrsam derselben zu feßen, sobald er in die Lage kommt, von der dem geseßlichen Pfand- rechte entfließenden Befugniß der Perklusion Gebrauch zu machen. Keine8wégs gleichartig erscheint aber das Verhältniß des Hypotheken- gläubigers zu den beweglichen Zubehörstücken des verpfändeten Grund- \tücks, welhe gemäß § 30 des Geseßes über den Cigenthumserwerb vom 5. Mai 1872 für das Hypothekenkapital und die eingetragenen Zinsen mitverhaftet sind. So wenig hier von einem Gewahrsam die Nede sein kann, ebenso wenig licgt bezüglih solher Pertinenzstücke ein Verhältniß desselben vor, welches als ein besißähnliches ange- \sprochen werden könnte.“ (4648/93.)

Kunft und Wissenschaft.

Im Vercin für deutshes Kunstgewerbe hielt am Mitt- woch Abend Herr Bibliothekar Dr. P. Jessen einen Vortrag „Zum Verständniß der deutschen Renaissance." An zahlreihen Abbildungen wurden die vershiedenen Stufen geschildert, in denen fich der Formen-

kreis der deutschen Renaifsance ausgeprägt hat. Die Nachwirkung der