1894 / 101 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 30 Apr 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Ober-Bürgermeister Bräsicke-Bromberg: Es muß endliS einmal ein Anfang gemacht werden, und deshalb will ih den Versuch machen, im näthsten Herbst ein Geseß vorzulegen.

Graf von Frankenberg bemängelt das Stellen von Erxtra- zügen aus dem Bezirk Oberschlesiens für die Sachsengängerei und empfiehlt dem Vorredner eine Vorschrist in seinem Geseße, wodur aus denEisenbahnübershüssen ein Fonds für Kleinbahnen ausgeschieden werde. Die lagen Schlesien und PUEE hätten ih dieser Sache am meisten angenommen, aber die leinbahnen würden gerade in den reihen Gegenden gebaut, nit in den armen Gegenden, wo man sle am besten gebrauchen könnte. Redner bedauert , daß den Klein- bahnen soviel bureaukratishe Schwierigkeiten bereitet würden. Die Provinzen hätten keine erheblichen ittel, um die Kleinbahnen zu unterstüßen, darum müsse man au Staatsmittel verfügbar machen.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Ich bin mit dem Herrn Grafen von Franken- berg durchaus einerlei Meinung, daß die Kleinbahnen möglichst von allen unnöthigen Hemmnissen befreit und ihre Entwicklung im Inter- esse des Landes gefördert werden müsse. Allein, meine Herren, man darf do nicht vergessen und dem ist ja in dem Kleinbahngeseß auch Ausdruck gegeben —, daß die Kleinbahnen in sehr viele Rechtssphären eingreifen, und daß infolge dessen do auch die durch dieses Ein- greifen in Gefahr kommenden Rechte vorsichtig geschüßt werden müssen. Das macht eine Erwägung der Verhältnisse nah allen Richtungen hin nothwendig und erfordert sehr häufig, da wo die Verhältnisse etwas s{wieriger sind, auch eine längere Zeit, um die Verhandlungen zu cinem allseitig befriedigenden Ergebniß zu führen. Meinerseits sind die mir unterstellten Organe wiederholentlih darauf aufmerksam gemacht und dringend ersuht worden, das Kleinbahnwesen thunlichst zu fördern.

Meine Herren, solche lokalen Termine, wie sie Herr Graf von Frankenberg nah österreihishem Vorgang als Muster hingestellt hat, bestehen au bei uns. Die landespolizeilihen Prüfungen sind solche Lokaltermine, bei denen alle Interessenten zugezogen werden. Die Herren Vertreter des Kriegs-Ministeriums können natürli zu folchen Lokalterminen nicht zugezogen werden, da die Fragen, die im Ressort des Herrn Kriegs-Ministers erörtert werden müssen, sih der öffent- lichen Diskussion vollständig entziehen.

Was nun die Spezialangelegenheit der Bahn von Trachen- berg nach Militsch anbetrifft, fo hat Herr Graf von Frankenberg ja bereits erwähnt, daß die Hindernisse beseitigt worden sind. Ich möchte nur im allgemeinen bemerken, daß im Kleinbahngeseß schon bestimmt ist, daß alle diejenigen Bahnen, welche innerhalb einer gewissen Zone, von der Grenze gerechnet, ausgeführt werden sollen, der ausdrüdcklichen Zustimmung dées Herrn Kriegs-Ministers - unterworfen sind aus sehr natürlichen militärischen Gründen.

Meine Herren, die Ausführung des Herrn Grafen von Franken- berg, daß das Kleinbahnwesen sich zur Zeit nur in den besser situiecten Provinzen und Gegenden entwidelt habe, ist doch nit ganz rihtig. Ich habe {hon im anderen Hause ausgeführt und Herr Graf von Frankenberg hat ja dasselbe gesagt daß von allen Provinzen dic Provinz Pommern als ein leuhtendes Vorbild in der Entwickelung des Kleinbahnwesens dasteht, und wenn man be- haupten wollte, die Provinz Pommern wäre eine unserer reisten Provinzen (Zuruf: Dann würde man ih sehr irren!), dann würde man jedenfalls einen sehr berehtigten Widerspruch er- fahren. Aber auch in anderen Gegenden, in den Provinzen Posen sowohl wie in Ost- und Westpreußen, von denen man doch auch nicht behaupten kann, daß fie zu den wohlhabenden gehören, find Klein- bahnyprojekte an den verschiedensten Stellen aufgestellt worden. Das Kleinbahnwesen nimmt im allgemeinen einen sehr erfreulichen Fortgang; wir werden gegen Ende dieses Jahres wohl mit Sicherheit bereits über 1000 km im Bau haben, und es regt fich

an allen Ecken und Enden ein sehr lebhaftes Interesse für die Klein- bahnen. Das Kleinbahnengeseß hat aber auß nah einer anderen Nichtung hin eine schr erfreuliche Anregung gegeben. Es hat auch den Sinn wieder dafür geweckt, fleine Lokalbahnen, die nit in den Rahmen der Kleinbahnen hineinyassen, aber andererseits au nicht zur Ausführung durch den Staat geeignet sind, als Nebenbahnen im Wege der Privatunternehmung zu bauen; auch nah diefer Richtung hin ist ein erfreulicher Aufschwung nicht zu verkennen. Eine ganze Reihe von derartigen Projekten {ind aufgestellt, die Genehmigung zu den Norarbeiten is} ertheilt worden für 34 neue Privatnebenbahnen, und einem Theil ist bereits die definitive Konzession verliehen, sodaß mit aller Zuversicht auëgesprochen werden kann, daß, wenn nicht besondere wirthshaftlihe oder politische Krisen eintreten, wir in einigen Jahren eine schr erheblihe Verdihtung unseres Eisenbahnnetzes haben werden. Fch möchte daher glauben, daß es besser sein würde, weitere Er- fahrungen abzuwarten, che mit neuen Maßregeln in dieser Beziehung vorgegangen wird.

Mas nun die von Herrn Grafen von Frankenberg hervorgehobene Frage der staatlichen Unterstüßung des Kleinbahnwesens dur Bei- hilfen anbetrifft, so habe ih in diesem hohen Hause sowohl wie im anderen Hause wiederholt Gelegenheit gehabt, darauf hinzuweisen, daß die Einstellung von allgemeinen Unterstüßungsfonds in den Etat doch auch ihre sehr bedenkliche Kehrseite hat; sie würde meines Erachtens zur Folge haben, daß die Entwickelung. des Kleinbahnwesens niht ge- fördert, sondern eher gehemmt wird. Es würde dann keine Kleinbahn mehrin Angriff genommen werden, wenn ihr nicht vorher eine Unterstüßung zugesichert wird, und es würde dann ganz derselbe Wettlauf bei den Kleinbahnen beginnen, welchen wir feit Jahren bei den Nebenbahnen haben beobachten können. Nun ist es gar keine Frage, daß eine ganze Reihe von Kleinbahnen der Rahmen der Kleinbahnen ist ja be- fanntlih im Geseß von 1892 fehr weit gegriffen absolut keiner Unterstützung bedürfen, und daß daher au keine Unterstüßung seitens des Staats gegeben werden darf. Es giebt eine ganze Reihe von Kleinbahnen, die von vorn herein mit voller Sicherheit eine Renta- bilität erwarten lassen; ein anderer Theil der Kleinbahnen ich weise nur auf die Pferdebahnen u. dgl. hin würde auch von diefen Unterstützungen ausgeschlossen werden müssen. Das aber im Etat oder geseßzlich zu fixieren, halte ih doch für sehr bedenklich. Dahin- gegen würde meines Erachtens da, wo ganz besondere Verhältnisse obwalten, wo also bei den Kleinbahnen sehr kostspielige Bauten ih will cinmal fagen Brücken über einen Fluß oder derartige Bauten auszuführen sind, die Frage in Erwägung gezogen werden können, ob nicht für diesen Fall cine Beihilfe des Staats gewährt werden kann. (Bravo!)

Wirklicher Geheimer Rath von Seen bedauert die Antwort des Ministers auf seine Bitte. Die Staffe tarife seien aufgehoben im nteresse des Westens, aber die Schädigung der Provinz randenburg lasse man bestehen.

Graf von Klinckowstroem: Die Klagen des Vorredners zeigen die Folgen des Aufgebens einer durchaus richtigen M: man kommt dann zu Ausnahmemaßregeln. Der Tarif von Königs- berg nach Berlin nüßt uns in Ostpreußen wenig, es kann nur mit einer allgemeinen Maßregel geholfen werden.

__ Rittergutsbesißer von Klißing bedauert, daß der Minister nicht eine Einschränkung der Arbeiter-Wochenkarten zugesagt habe; denn die Landgemeinden hätten davon keinen Vortheil; sie trügen die Shullasten und Armenlasten für die betreffenden Arbeiterfamilien und hätten dann nihts als den Import von Verrohung, Verlumpung und Sozialdemokratie.!

Ober-Bürgermeister Bötticher - Magdeburg empfiehlt eine baldige O des Planes für den Umbau des Zentralbahnhofes in

agdeburg zur Beseitigung der Niveauübergänge.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Es sind drei Punkte, die der Herr Ober-Bürgermeister eben er- wähnt hat. Das sind erstens zwei Umbauten von Bahnhöfen. Der eine, der große Bahnhof in Buckau, ist zur Zeit bereits im Umbau begriffen. Für den zweiten, den Zentralbahnhof in Magdeburg, sind die Projekte so weit fortgeschritten, Zdaß fie als Unterlage für die dem- nächstigen finanziellen Erörterungen dienen können. Der dritte Bau, den man wohl nah bekannten Mustern als das Schmerzenskind von Magdeburg bezeichnen kann, ist augenblicklich in Projektierung be- griffen und ih habe mich sehr gefreut über die Wärme, mit der gerade der Herr Ober-Bürgermeister Bötticher auf diesen Punkt hin- gewiesen hat, weil ih baraus ließe, daß die Stadt Magdeburg einen sehr erheblichen Theil zu den Kosten beitragen wird. (Heiterkeit)

Auf eine Anregung des Grafen von Werthern-Beichlingen erwidert der

Minister der öffentlichen Arbeiten Thtelén:

Meine Herren! Dem Herrn Grafen von Werthern kann i ant- worten, daß sein Wunsch erfüllt ift. Er hat die Erfüllung nur nit am richtigen Orte gesuht. In dem Ordinarium des diesjährigen Etats Seite 59 steht: „Ausbau des Haltepunktes Eßleben (30 000 M) und des Rangierbahnhofes Schönefeld (100 000 46) - für Einrichtung des Güterverkehrs“ und in der unsererseits dem Herrn Finanz-Minister gegebenen Begründung steht: der Veranschlagung liegt die Bestim- mung zu Grunde, daß die Interessenten den Grund und Boden zur Verfügung stellen, und außerdem zu den auf 38 200 4 ermittelten Anlagekosten den baaren Zushuß von 8200 A leisten, sodaß der Staatskasse 30 000 6 verbleiben.

Damit ist der Wunsch des Herrn Grafen von Werthern erledigt. (Graf von Werthern: Da bitte ih sehr um Verzeihung; das hatte ih allerdings ganz übersehen. Heiterkeit.)

Beim Etat des Handels-Ministeriums empsfichlt

Ober-Bürgermeister Struckman n - Hildesheim die Ausdehnung der Krankenversicherung auf das Gesinde, damit au die landwirth- \chaftlihen Arbeiter der Versicherung unterstellt werden könnten, deren Unterscheidung vom Gesinde sehr s{chwierig sei.

Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden:

Der Herr Vorredner hat richtig ausgeführt, daß die Unterscheidung zwischen ländlihem Gesinde und ländlichen Arbeitern im einzelnen Fall hwierig ist und daß die Durchführung der Krankenversicherung bezügli des ländlihen Gesindes auf Schwierigkeiten ößt. Die An- regungen aus der Provinz Hannover, die dort zu einem Beschluß des Pro- vinzial-Landtags führten und heute von dem Herrn Vorredner wieder auf- genommen sind, haben seinerzeit zu Verhandlungen innerhalb der bethei- ligten Ressorts, und zwar des Ministeriums des Innern, des Ministeriums für Handel und Gewerbe und des Ministeriums für die Landwirth- schaft geführt. Es hat sich aber herausgestellt, daß, abgesehen von Hannover, in den übrigen Landestheilen das Bedürfniß zu ciner ge- seßlihen Regelung der Angelegenheit für jeßt niht anerkannt wird. Nach vielfahen und eingehenden Erwägungen der Angelegenheit haben wir uns deshalb entschlossen, dieselbe zur Zeit legislatorisch nicht weiter zu verfolgen.

Ober-Bürgermeister Dr. Baumbach- Danzig wendet sih gegen die Bemerkung des Berichts der Finanzkommission, daß die Fabrifk- Fnspektoren mehr die Snteressen der Arbeiter als die der Arbeitgeber berüdsichtigten. Das sei begreiflich, da es sih dabei um die Aus- führung einer Arbeiterschußge| arg Es, nicht um den Schuß der Arbeitgeber. Redner empfiehlt , die ewerbe-Inspektoren niht in den Rahmen der Bezirksregierungen einzufügen, sondern selbständiger zu machen und direkt unter den Handels-Minister bezro. unter etnen General-Inspektor zu stellen.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr v on Berlepsch:

Meine Herren ! Die Organisation der Gewerbe-Insyektoren ist mi dem Ablauf des vorigen Etatsjahres beendet ; sie weist nur höchstens insofern Lücken auf, als noch nit alle Stellen definitiv beseßt sind, welche definitiv beseßt werden fönnen, und das liegt daran, daß bis jeßt noh nicht alle Beamte, die bis in die leßte Zeit hinein mit dem Amt betraut worden sind, schon die genügende Zeit gehabt haben, um zu zeigen, daß sie für eine definitive Anstellung au die geeigneten Persönlichkeiten sind. Sobald das aber gesehen sein wird, werden auch die lezten Beamten definitiv angestellt werden, und der ganze Plan ift somit als ein ausgeführter und vollendeter anzusehen. Selbstverständlich muß es vorbehalten bleiben, hie und da noch eine Abänderung auch in der Abgrenzung der Bezirke vorzunehmen ; aber im großen und ganzen, wie gesagt, kann ih nur wiederholen, die Organisation ist vollkommen fertig und vollendet und hat sich nah unserem Dafür- halten auch bis jeyt gut bewährt.

Im vorigen Jahre hat seitens eines Beamten des Handels- Ministeriums eine eingehende Revision einer großen Zahl der be- treffenden Beamten stattgefunden, ihrer Geschäftsführung, ihrer geshäft- [ichen Thätigkeit, und diese Inspektion hat zu einem durchaus befriedigenden Resultat geführt, sodaß wir im großen und ganzen annehmen dürfen, auch bezüglih der auszuwählenden Persönlichkeiten keine Mißgriffe begangen zu haben , obgleich die Frage der Auswahl der Gewerbe-Inspektoren selbstverständlich eine der allerschwierigsten für uns ist, weil eine bestimmte Vorbereitung für dieselben nicht existiert und wir die Männer da nehmen müssen, wo wir fie als durch wissenschaftlihe und praktische Vorbildung genügend vorbereitet finden.

Es befinden sih unter unseren Gewerbe-Inspektoren eine sehr be- deutende Anzahl ehemaliger Industrieller. Es ist diese Frage auch in den Kommissionsverhandlungen angeschnitten worden; ih habe {on damals bemerkt, daß, wo wir in der Lage sind, Industrielle, mit der Industrie vertraute Persönlichkeiten zu finden, wir gerade diese aus- wählen, und fo stellt sich denn auch heraus, daß von den Regierungs- Gewerberäthen, deren Zahl im ganzen 26 beträgt, 12 frühere Gewerb- treibende, Industrielle sind, von 92 Inspektoren 49 und von 51 Assistenten 27. Hieraus erhellt, daß auf praktische Kenntniß hier ein ganz bedeutendes Gewicht bei der Auswahl der betreffenden Per-

\önlichkeiten gelegt worden ist.

Was die Bemerkung des Herrn Vorredners betrifft, das Institut möge auch in derselben Weise bezüglich der Verpflichtungen den Arbeitern gegenüber wahrgenommen werden, wie das bisher geschehen, so ist es selbstverständlih unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, In der Instruktion, welche den Aufsichtsbeamten ertheilt worden ift, ist ihnen zur Pflicht gemaht worden, zunächst dahin zu streben, si eine Vertrauensstellung zu erwerben, die ihnen sowohl Eingang bei den Arbeitgebern wie bei den Arbeitnehmern in gleiher Weise ver- haft. Meine Herren, diese Aufgabe zu erfüllen das habe ih mir ja auth erlaubt in der Kommission zu bemerken ist vielleicht eine der allerschwierigsten bei einem so neuen Institut, für das wir bisher feine ‘Vorschule haben und das das darf ja au nicht verkannt werden wenigstens von einer Seiie von Anfang an niht mit ganz offenen Armen aufgenommen is. Es ist begreiflih), daß die Industrie, die \sich bisher in ihrer Bewegung völlig frei fühlte, nur von der Ortspolizeibehörde, der eine tehnische Kenntniß der Betriebe niht innewohnte, beaufsichtigt wußte, nicht überall mit Freuden ein Institut begrüßte, welches die spezielle Aufgabe hatte, darauf zu sehen, daß die Vorschriften der Gewerbeordnung und der auf Grund derselben erlassenen Polizeivorschriften überall genau er- füllt werden. Meine Herren, ih glaube aber behaupten zu können, daß auch in industriellen Kreisen im großen und ganzen sich ein Widerstreben gegen die Aufsichtsthätigkeit der Fabrikaufsichts- beamten nicht gezeigt hat. Jh will niht in Abrede stellen, daß hin und wieder auch Ungeschicklichkeiten vorgekommen find; ih habe das bereits in der Kommission gesagt. Es is nicht verwunderlich, daß bei einer so neuen Einrichtung der eine hin und wieder einmal mehr thut, als er fkluger-, verständiger-, praktisherweise thun sollte, es kommt selbstverständlih auch das Gegentheil vor, daß einer etwas zu wenig thut; in beiden Fällen wird die Aussihtsbehörde die Aufgabe haben, die betreffenden Persönlichkeiten zu korrigieren und auf ihre Pflicht aufmerksam zu machen. Wenn ih den Herrn Vorredner recht verstanden habe, ift er au der Meinung gewesen, daß es fich empfehlen dürfe, einen Weg zu suchen, um die Gewerbe-Aufsichtsbeamten selbständig, unabhängig von der Regierung zu machen und an ihre Spige einen Oberbeamten gleicher Qualität zu stellen, der unmittelbar unter dem Handels-Minister die Aufsicht über diese Beamten führt. Meine Herren, diese Frage heute definitiv zu beantworten, würde meines Erachtens verfrüht sein; ein Fnstitut, das noch so neu ist, sollte man, glaube ich, jedenfalls nit sofort in eine so unabhängige, freie Stellung hineinbringen. Aber ih möchte do gleich eins bemerken. Mir erscheint eine völlige L08- lösung der Gewerbe-Aufsihtsbeamten von den Negierungs- Präsidenten und von der geshäftlihen Thätigkeit der Re- gierungen äußerst bedenklich (fehr. Uta); Del dem nahen Zusammenhang, in dem die Verwaltungsthätigkeit der Regierungen auf den vershiedenen gewerblihen Gebieten mit der Thätigkeit der Aufsichtsbeamten steht, würde es unausgeseßt zu Kollisionen, zu unzulänglichen Informationen, zu Reibungen aller Art Anlaß geben, wenn wir neben der Regierung cine völlig von ihr unabhängige und selbständige Gewerbeaufsiht einführen wollten. Ih bin im Gegenthëil der Meinung, daß das, was wir j besonders erstrebt haben, den Gewerbe-Räthen eine den Regierungs Räthen gleihwerthige Stellung bei den Negierungen zu schaffen, sie unmittelbar unter den Regierungs-Präfidenten zu stellen, nicht nur zur Hebung ihrer Stellung beigetragen hat , sondern au ganz wesentlih zur Erleichterung des Geschäftsbetriebs sowobl der Regierungen, als auch der überwachenden Thätigkeit der Aufsichtsbeamten. Die Frage, ob es sih empfiehlt, über die an Ort und Stelle thätigen Aufsichtsbeamten im Ministerium einen Zentralgewerberath oder Generalgewerberath wie man es nennen will, zu seßen, muß meines Erachtens auch noch offen bleiben. Ich will niht in Abrede stellen, daß dieser Ge- danke manches für sich hat; zur Zeit indessen haben wir ja eine Einrichtung, die der von dem Herrn Vorredner ge- wünschten doh sehr nahe kommt, insofern als ein Referent im Ministerium die Aufsicht über und die Bearbeitung der Angelegen- heiten sämmtlicher Gewerbe-Räthe und -Inspektoren in der Hand hat, sie kontroliert und mit ihnen Konferenzen abhält, in denen er sih mit ihnen über die Erfahrungen, die sie gemacht haben, und die daraus zu ziehenden Schlüsse unterhält. Es existiert nur insofern ein Unter- \hied gegen den Wunsch des Herrn Vorredners, als der be- treffende Beamte zur Zeit nicht ein Techniker ist, der er nah seinem Wunsch, wie ih annehme, sein soll. Meine Herren, das ist, wie gesagt, eine Frage, die der Zukunft vorbehalten werden muß. Nach einer Richtung aber werden wir unsere Thätigkeit vor- nehmlich entfalten müssen, nämli dahin, häufiger Konferenzen mit unseren Gewerbe-Räthen abzuhalten, damit einer dem anderen \cine Erfahrungen mittheilt. Es lassen sich aus jedem Bezirk Lehren \{öpfen, die in dem anderen verwendbar sind. Also in dieser Be ziehung würde ih glauben den Wünschen des Herrn Vorredners nat fommen zu fônnen.

Bei dem Etat der Polizeiverwaltung bemängelt

Ober - Bürgermeister Struckman n- Hildesheim, daß zu weng Richterstellen vorhanden seien, daß viele Geschäfte von diätarisdh an estellten, ja von unbesoldeten Assessoren erledigt werden müßten.

edner verweist besonders auf das Amtsgericht in Hildesheim.

Geheimer Ober-Justiz-Rath Vierhaus erkennt das Bedürfniß in Hildesheim an; nah Lage der Finanzverhältnisse hätten aber nur

die dringendsten Fälle berücksichtigt werden können. : : O ister E Kohli- Thorn empfiehlt den baldigen Neubau des Amtsgerichts in Thorn. i ; i 4 i a pi von Ferin-Gesess bemängelt die Auswahl des Bauplates für das Amtsgerihtsgebäude in Ottmachau. zal Geheimer Ober - Justiz-Rath Starke ertheilte in beiden ¿auen befriedigende Auskunft. : / Bei dem Etat des Ministeriums des Jnnern u Graf von Hohenthal auf die Verfügung des Ms zurück, welhe den Beamten den Wahlerlaß vom 4. Januer fon in Erinnerung brachte, und tadelt das Gebahren der linfsli ab Presse in dieser Angelegenheit. Die Beamten hätten die Regterneie politik zu vertreten. Nach Annahme der Militärvorlage habe d d Agitation der A rarier gegen die Handelsvertragspo ¡tik gewen i d die Linksliberalen hätten die Regierung aufgefordert, gegen die O ation gesinnten Landräthe vorzugehen. Es sei kein Fall einer Agitat® eines Beamten gegen die Negierungspolitik bekannt e L n Erlaß habe also eigentlih gar feine Bedeutung, (ar E langt, daß die Landräthe dem Bund der Landwirthe fern y l 68 Eine solhe Vereinigung sollte man nicht nach einzelnen Kundge ei en beurtheilen. Wenn das Reichskanzleramt noch mi dr Ministerpräsidium verbunden wäre, dann wäre dîe Verfügung nicht ergangen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Veilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, ‘Montag, den 30. April

1894.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Präsident des Staats-Ministeriums, Minisier des Jnnern Graf zu Eulenburg:

Meine Herren! Der Zusammenhang des zuleßt von dem Herrn Vorredner erwähnten Gegenstandes mit meiner Verfügung .vom 90. Dezember v. I. ist so lose, daß ih es mir versage, darauf näher einzugehen.

Fh kann dem Herrn Vorredner auch darin nicht beitreten, daß er es vereinbaren will, zu sagen, er wolle die Verfügung nicht angreifen, und gleichzeitig auszuführen, daß zu einer solhen Verfügung eine Ver- anlassung niht vorlag: Denn grundlose Verfügungen zu erlassen, ist jedesmal ein Fehler wenn auch nit gerade der häufigste, doch jedesmal ein Mißgriff. Darum ist der Angrisf auf diese Verfügung ein sharfer, wenn er auch in wohlwollende Form gekleidet ift.

Nun muß ih ih habe nit geglaubt, daß es hier nöthig sein würde, auf d‘ese Verfügung zurückzukommen, ih bin nicht auf den Gedanken gekommen, daß sie hier eine Anfechtung erfahren würde, ein Zufall nur fügte es, daß ih sie hier habe zunächst, was den Inhalt derselben betrifft, cins hervorheben: Herr Graf von Hohenthal hat gemeint, der Erlaß vom Januar 1882 drücke nicht aus, daß die Pflichten, welhe den Beamten ihre Stellung auf- erlegen, unter allen UmständenZYzu erfüllen wären. Ich glaube nit, daß es gelingen wird, in dem Erlaß eine Andeutung dafür zu finden, daß es eine solhe Ausnahme gebe. Meine Ueberzeugung is und fie ist in diesem Erlaß bestätigt —, daß, wer ein Amt hat, die Pflichten, die dieses Amt ihm auferlegt, unter allen Umständen erfüllen muß. (Sehr richtig !)

Ebenso acceptiere ih aber die Erklärung, die damals vom Fürsten Bismarck diesem Erlaß gegeben wurde, daß er nah seiner Bedeutung nicht bloß, sondern nach seinem ausdrücklichen Wortlaut \ih keineswegs darauf bezieht, einen Einfluß zu üben, wie die Beamten bei Wahlen ihre Stimme abgeben sollen; das ist ihre Freiheit. Es is auch noch eine Freiheit mehr vorhanden: sie können auftrcten und sich äußern in den parla- mentarishen Körperschaften, wie es thnen beliebt, demgegen- über giebt es feine Disciplin. Eine andere Frage freilih ist die, ob es wohlgethan wäre wenn es jemals vorkommen follte —, daß ein Beamter von dieser Freiheit so Gebrauh mate, daß er nicht in der Lage wäre, das, was er sagte, auch außerhalb des Hauses sagen zu dürfen. Meine Meinung ist die, daß diese Gefahr nit besteht; denn man kann unter allen Umständen seine freie Ueberzeugung offen und mit allem Gewicht ausspreHen, ohne mit jenen Pflichten in Kollision zu gerathen. (Bravo!)

Nun, meine Herren, komme ih auf den Hauptpunkt, der allein mir Veranlassung gegeben hat, das Wort zu ergreifen. Ich glaube, Herr Graf Hohenthal kann sich niht weit umgesehen haben, wenn er mir vor- wirft, daß cin Anlaß zu der Verfügung nicht vorgelegen habe. Es ist bereits gestern von mir darauf hingewiesen worden, daß die wirth- schaftlichen Kämpfe in der Regel einen sharfen Charakter annehmen und in den ländlihen Kreisen namentlich \fih auf alle Schichten er- strecken. Es war sehr natürli, daß eine Anzahl Landräthe in die landwirthschaftlihe Bewegung in ihren Kreisen mit hineingezogen wurden und dabei in die Gefahr geriethen, mit den Pflichten, die ihr Amt ihnen auferlegt, in Konflikt zu kommen. Das, meine Herren, war genügende Veranlassung für mich, eine Verfügung zu erlassen, welche in dieser Beziehung eine Warnung enthielt und die Herren darauf aufmerksam machte, daß es in dieser Richtung ein Maß gebe, welches nothwendig eingehalten werden müsse, und dessen Einhaltung unter allen Umständen sicher zu stellen mir oblag.

Ich glaube also, meine Herren, ih habe gerade den Herren, auf die Herr Graf von Hohenthal hinwies, einen Gefallen gethan mit der Verfügung, und diese meine Auffassung hat bei seinen Gefinnungs- genossen im anderen Hause au volle Anerkennung gefunden. (Sehr richtig !)

Und nun, meine Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch eins hinzufügen. Der Herr Vorredner hat angedeutet, diese Verfügung und ihr Inhalt das könne er natürli finden würde vcm amtlihen Standpunkt aus für ganz zutreffend gehalten; ich würde es aber natürli finden, wenn man im Lande und unter Nichtbeamten anders darüber urtheilte. Nun i} mir sehr wohl bekannt, daß allerdings au anders geurtheilt worden is. Aber, meine Herren, ich muß Ihnen auf- rihtig sagen: ih habe niemals geglaubt und wenn nicht in vollem, so do in überwiegendem Maße hat sih das bestätigt —, ih habe niemals geglaubt, daß die Konservativen das anders beurtheilen würden. (Sehr richtig !)

Die haben besonders das volle Interesse daran, daß die Beamten Seiner Majestät des Königs sich stets und voll der Pflichten bewußt sind, welche ihr Amt ihnen auferlegt (sehr richtig), und ih bin über- zeugt, daß Sie mich in der Aufrechterhaltung dieses Grundsaßes auch fernerhin unterstüßen werden. (Lebhafter Beifall.)

Bei dem Etat der landwirthschaftlihen Verwal tung verlangt

Nittergutsbesißer von Klißing Abwehrmaßregeln gegea die Schweinepest: die Tödtung aller infizierten Thiere, das Verbot der Schweineeinfuhr und des Schweinetreibens.

Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat eine Angelegenheit zur Sprache gebracht, die allerdings für das Land Und die landwirthschaft- lihe Verwaltung von niht zu untershäßender Bedeutung ist. In dem Reichs-Viehseuhengeseß sind der Rothlauf der Schweine und die Schweinepest, welche leßtere erst in neuerer Zeit in größerem Umfang aufgetreten ist, nit unter den Krankheiten genannt, welche der Anzeige-

pfliht unterliegen, sodaß veterinärpolizeilih niht viel geschehen konnte.

Schweinepest und die Schweineseuhe sind {wer zu unterscheiden. Diese Krankheiten sind im vorigen Jahre in Gegenden aufgetreten, wo sie bisher niht herrschten, sodaß die Gefahr einer allgemeinen Verbreitung vorlag. Das hat mir Veranlassung gegeben, der Frage

einer Entshädigung für Verluste dur diese Krankheiten im Interesse

der kleinen Besißer und Arbeiterhbevölkerung näher zu treten und Er- mittelungen über den Umfang der ganzen Seuche, wie sie im Lande besteht, zunähst für die Gegenden rechts der Elbe anzustellen. Inzwischen foll zur kräftigeren Bekämpfung aller Viehseuchhen, wie Ihnen bekannt, durch ein Reichs- geseß über die Erweiterung der Vollmachten der Veterinär- polizei Fürsorge getroffen werden. Im Neichstag ist dasselbe bereits zur Verabschiedung gelangt und liegt jeßt dem Bundesrath zur Beschlußfassung vor. Die Ausführung dieses Veterinärgeseßes wird den Bundesrath nöthigen, die bestehende Ausführungsinstruktion zu revidieren, und dann werden auch Bestimmungen über die Bekämpfung der Schweinepest in Vollzug gesetzt werden. Nun wünscht der Herr Vorredner energische Maßregeln zur Verhinderung der Einschleppung von Seuchen aus dem Auslande. Jh weiß nun nicht, ob der Herr Vorredner \ich darüber klar ist, in welhem Umfange unsere Grenzen gesperrt sind. Zur Zeit kommt überhaupt nihts Anderes herein wie in bestimmte Schlachthäuser. Es is mit großer Schärfe eingegriffen, und Aus- nahmen bestehen nur da, wo man die Ernährungsderhältnisse der Arbeiterbevölkerung in den Grenzdistrikten nicht außer Augen seßen darf. Der Herr Vorredner wünscht weiter, daß das Schweine- treiben gänzlih verboten werde. Ich bin mir nicht klar geworden, ob er das für das ganze-Land oder nur für die gefährdeten Distrikte wünscht. Nach der jeßigen Lage unserer Bestimmungen sind die Bezirksbebörden vollständig in der Lage, das Treiben der Schweine zu verhindern und es ift ausreichend davon Gebrauch gemacht zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche und zwar so lange, bis kein Bedürfniß mehr vorlag. Ih nehme also an, daß diese Maßregeln zum theil aufgehoben sind. Sollte es. sich ergeben, daß mit Rücksiht auf die Schweineseuhe diese Transportbeschrän- fungen wieder nothwendig sind, so werden sie wieder in Vollzug gefeßt werden. Nachdem die Anzeigepflicht eingeführt ist, werden wir zur Kenntniß von dem Umfang der Seuche gelangen. Das wird dann eine Veranlassung sür die Regierungs-Präfidenten sein, \härfer zur Unterdrückung der Seuche vorzugehen, da, wo eine Nothwendigkeit vorliegt.

Bei dieser Gelegenheit will ich eine Angelegenheit erwähnen, die in diesen Tagen wahrscheinlih Staub aufwirbeln wird. Die Be- fämpfung der Maul- und Klauenseuche hat die landwirthschaftliche Verwaltung und die Veterinärpolizei seit Jahren vorzugsweise be- schäftigt, und ih gab mich der Hoffnung hin, daß es gelingen wird, sie mehr und mehr zu unterdrücken. Es gelang nicht vollständig, und namentlih in leßter Zeit ist man immer wieder darauf zurückgekommen, daß der Siß des Uebels auf dem Berliner Viehhof zu suchen sei. Dazu kam, daß neuerdings die Seuche dur Schafe wahrscheinlich von Berlin nah Paris vershleppt worden ist. Bisher war nun keinMaul- undKlauenseuchefall inBerlin unter denSchafen fonstatiert worden. Nachdem jedo in den leßten Tagen ein Klauen- seuchefall unter dem Schafvieh auf dem Berliner Schlachtviehhof fest- gestellt worden ist, habe ih mich gestern mit dem Polizei-Präfidenten in Verbindung geseßt, um den Berliner Schlachtviehhof für die Dauer der Seuchegefahr gegen den Abtrieb von Schafen und Schweinen zu sperren. Die Sperre wird sich also auf etwa 14 Tage ausdehnen. Es ist dies eine sehr eingreifende Maßregel, sie wird aber klarstellen, ob der Scchlachtviehhof verseuht is oder niht, und wenn er verseucht ift, wird es nur möglich sein, ihn seuchenfrei zu machen, wenn er eine Zeit lang vollständig gesperrt bleibt.

Graf von Klinckowstroem will dem Minister Gelegenheit geben, sih darüber auszusprehen, wie er sih die Abhilfe der Noth- lage der Landwirthschaft denke; er spreche dabei nicht für die Groß- grundbesißer, die den Nothstand eher überdauern könnten, fondern für die Bauern. Es handle sih nur darum, die Adern zu untérbinden, um die allzu {nelle Verblutung zu hindern. Man müsse die Tarife ermäßigen, die Grenze gegen die Einfuhr von verseuchtem Vieh sperren und den kleinen Leuten guten Real- und Personalkredit ver- schaffen. Die Genossenschaften reihten nicht aus; man müßte die Kreis\parkafsen zugänglicher machen.

Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden:

Ich kann versichern, daß es, soweit meine Person in Frage steht, wie auch bezügli aller sonst Betheiligten einer besonderen Anregung, um auf Mittel und Wege zu sinnen, wie der Landwirthschaft in ihrer jeßigen Nothlage Erleichterung zu verschaffen ist, nicht bedarf. Der Herr Vorredner erwähnte die Tarife, über die hon gesprochen ist und ist deshalb darauf nicht näher eingegangen; ih unterlasse es auch. Er erwähnte die Viehsperre gegen das Ausland, und kam {ließli zu dem persönlichen Kredit der Landleute. Aber gerade bei dem leßten Punkt hat er überzeugend die Schwierigkeiten vorgeführt, die bestehen, und aus den Andeutungen, die er machte, habe ih mir ein völlig klares Bild über die Durhführung der Organisation, die ihm vor- \{chwebte, noch niht machen können. Die Regierung hat ihrerseits den Häusern des Landtags gerade deshalb einen Entwurf vorgelegt zur Schaffung von Organen, mit denen derartige Fragen erörtert werden können. Wenn man sich nicht klar darüber ift, was man will, und was praktisch durMhführbar is in den einzelnen Gegenden, kann man auh keine positiven Vorschläge machen. Jch werde dem Herrn Vorredner dankbar sein, wenn er mir seine Gedanken über das, was er erstrebt, noch etwas ausführlicher mittheilt. Zur Zeit wird, um den Personalkredit der fleinen Besißer zu fördern, unsererseits mit Einführung der MNaiffeisen'shen Kassen vorgegangen, aber ich gebe zu, daß es gerade im Osten wegen des Mangels an geeignetem Personal sehr s{hwer sein wird, diese Kassen in genügender Zahl ein- zurichten, und ih glaube, das Sparkassenwesen ist im Osten vielleicht

dasjenige Institut, durh welches dem Einzelnen am besten Kredit -

gewährt werden kann.

Bezüglich der von dem Herrn Vorredner gewünschten Sperre gegen den Import ausländischen Viehs er hat natürli Rußland im Auge —, kann ich erklären, bei den Ver- handlungen über den Handelsvertrag mit Rußland hat ja au die Frage eines Uebereinkommens, betreffend die Vieh-

einfuhr, eine Rolle gespielt. Es ist deutscherseits niht darauf ein- gegangen. Ich glaube, die Verhältnisse unter dem Viehstande in Rußland werden in absehbarer Zeit niht der Art werden, daß wir Vertrauen nah der Richtung bekommen können, daß die Grenze gegen Rußland ohne Gefahr für uns eröffnet werden könnte. (Bravo !) Bei dem Etat der Gestütverwaltun g empfiehlt Rittergutsbesißer von Klißing die baldige Wiedereinrihtung des Hauptgestüts Neustadt an der Dosse; es sei dazu nur eine Mehr- ausgabe von 20 bis 25 000 M. erforderlich.

Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten von Heyden:

Fh glaube, dem Herrn Vorredner ist vollständig bekannt, wie ih zu der Angelegenheit stehe, und daß die Absicht dahin geht, in Neustadt ein Gestüt wieder einzurihten und das erforderlihe Material zur Verfügung zu \tellen. Nun is} gesagt, es handelt sch nur um einmalige 20000 6 Auf diese Summe is die Forderung erst allmählih herabgedrückt worden. Anfänglich waren 250 000 4 gefordert. Die Vergleiche mit anderen Landestheilen, mit den Ein- rihtungen, die dort in Aussicht genommen sind, sind nicht zutreffend. Da handelt es sich um einmalige Ausgaben, hier aber um jährlich wieder- fehrende Ausgaben. Ich hoffe aber, daß alle diese Schwierigkeiten sich über- winden lassen werden. Schwieriger wird die Sache dadurch, daß man gerade ein Hauptgestüt einrihten will, weil \. Z. als das Hauptgestüt von Neustadt verlegt wurde, geltend gemacht ist, daß Neustadt nicht gerade ein ih vorzugsweise für ein Hauptgestüt eignender Plaß sei. Es wird sich aber auch darüber hinwegkommen lassen, weil das dringende Bedürfniß einer vermehrten Hengstproduktion von der Gestütverwaltung anerkannt wird. Es sind gerade in Brandenburg in diefer Richtung Schwierigkeiten entstanden und zahlreiche Anträge an die Gestütsverwaltung herangetreten. Das drückt si schon darin aus, daß in den leßten Jahren ungefähr 1200 Stuten den Königlichen Hengsten mehr zugeführt worden sind, als im vorigen Jahre. Also unsere Wünsche treffen zusammen, und ih hoffe, daß auch die finan- ziellen Verhältnisse es gestatten, die Sahe aus dem Stadium der Vorverhandlung heraus- und im nächsten Jahre zur Ausführung bringen zu können.

Rittergutsbesißer von Bredow -Senzke {ließen Kliting an.

Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden:

Ich möchte bloß einem Mißverständniß begegnen. Ich habe kein Wort gesagt, daß die Produkte des früheren Neustädter Gestüts \hlechte oder mäßige gewesen seien, sondern ih habe nur ausgeführt, daß bei der Begründung der Verlegung des Gestüts nah Beverbeck ausgeführt sei, die Oertlichkeit eigne sh niht vorzugsweise für ein Hauptgestüt, und daß darin in meinen Augen eine Schwierigkeit liege, jeßt dort wieder ein Hauptgestüt einzurihten, aber hinzugefügt, diese Schwierigkeit werde sih überwinden lassen.

Bei dem Etat des Ministeriums der geistlichen 2c. Angelegenheiten rügt der Referent

Graf von Königsmarck den Luxus bei Schulbauten.

_ Ministerial-Direktor Dr. Kügler: Die Unterrichtsverwaltung sei bestrebt, auf eine bescheidene Bauart hinzuwirken, aber gewisse Grenzen müßten bei den Schulbauten bezüglih der Solidität des Baues eingehalten werden; denn an die Haltbarkeit eines Schul- gebäudes würden ganz andere Anforderungen gestellt, als an die eines Wohnhauses.

Prinz zu Schönaich -Carolath dankt dem Ministec für die Verlängerung der Besuehszeit der Museen am Sonntag und empfiehlt für den nächsten Etat den Neubau eines Museums für die pergamenischen Alterthümer.

Darauf wird der Etat im ganzen sowie das Etats- und das Anletihegeseß angenommen.

Auf Antrag des Referenten Herrn von Pfuel beauftragt das Haus die Ftnanzkommission, über den Generalbericht, den die Budgetkommission des Abgeordnetenhauses erstattet hat, ebenfalls zu berathen und dem Hause S zu machen.

Schluß 51/4 Ühr. Nächste Sizung unbestimmt.

Winterfeld - Neuendorf und von ih den Ausführungen des Herrn von

Haus der Abgeordneten. 59. Sißung vom 28. April 1894.

In der zweiten Berathung des Gesezentwurfs zur Abänderung und Ergänzung des E vom 25. Mai 1874, betreffend die Canal de Kirchen-Gemeinde- und Synodalordnung vom 10. September 1873 für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlefien und Sachsen, und des Gescßes vom 3. Juni 1876, betreffend die evangelishe Kirchenverfassung in den aht älteren Provinzen der Monarchie, sowie der zu 8 1 vorliegenden Anträge der Abgg. Dr. Enneccerus (nl.) und Freiherr von Zedliß (frkons.) und Genossen nimmt zuerst das

Wort der |

Abg. von Eynern (nl.). (Der erste Theil der Rede ist in dem Bericht der Sonnabend-Nummer mitgetheilt. Redner fährt fort :) Warum hat der Minister niht der General-Synode die Formulierung der Gesetze überlassen, wie er es noh im vorigen Jahre für selbst- verständlich hielt? Dann hätten wir die Kircyengelehe, welche auf diese Weise zu stande gekommen wären, wa rsheinlih ohne jede Diskussion angenommen. Nach der historishen Entwickelung der Dinge habe id nie eine andere Meinung gehabt als die, dah das Apostolikum ein altes Symbolikum is, aber kein Bekenntniß bilden kann. Die evangelische Landeskirhe hat kein einheitlihes Be- fenntniß, das haben sehr konservative Männer ausgesprochen,; wie 1876 Graf Udo Stolberg - Wernigerode im Herrenhause. Graf Krassow stellte damals ebenfalls fest, tal nt E evangelishen Kirche verschiedene Bekenntnisse vorhanden seien das Kirchenregiment sei innerhalb der einzelnen“ Bekenntnisse das hauptsächlich Bindende. Auch unsere Herrscher haben bis in die neueste Zeit hinein bezeugt, daß es in Glaubenssachea feinen Zwang, daß es kein Einshwören auf dogmatishe Formeln gebe. Herr Stöcker hat selbst voriges Jahr noch bemerkt, er bestreite dem Staate das Recht nicht, bei einer Kirche, die er mit so reihlihen Geldmitteln unterstüße, zu prüfen, ob auch die Grund- lagen vorhanden Ju auf welche hin nee Bewilligungen elo, JIch meine, die Kirche will jeßt diese Grundlage verlassen. ie firhlihe Geseßgebung foll vereinfaht werden; wohin aber die firhlihe Gesetzgebung in Zukunft gehen wird, darüber läßt man

uns ganz im unklaren. Wir können nur vermuthen, daß der