1913 / 138 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 13 Jun 1913 18:00:01 GMT) scan diff

maden. Das deutshe Vok bat die Waffen in der Hand, es brauSt nur dem Beispiel zu folgen, das Ls bels Genossen fit haben. Das Volk es nur zu dem politishen Massen-

‘eik zu greifen. (Zuruf rechts: Aha! Große Unruhe Glocke Me enten.) Seien Sie versichert, diese Waffe im wirt- schaftlihen Kampf, wenn sie u politischen Zwecken von einer bis zum Aeußersten getriebenen Volksmasse gebiauht wird, versagt niemals, und ih hoffe, daß, wenn nit bald die Herren, die das ide Can geaeben haben, zur Ansicht kommen, daß es nötig ist, diese wihtige Aufgabe ernstlich durchzuführen, und zwar gründlich, der kulturellen Entwicklung des deutschen und preußtischen Volkes entsprehend, dann hoffe und wünshe ih und mit mir alle meine Parteigenossen, daß es gelingen wird, auf dem Wege, den ih angedeutet habe ; die egierung und die herrschenden Klassen Preußens zur Erfüllung ihres Versprechens zu zwingen. Vor nicht allzu langer S haben im freuen Abgeordnetenhause einige Lerren der konservativen Partei das erlangen gestcllt, daß das preußische Abgeordnetenhaus einen Druck auf die preußische Re- ierung ausübe, „damit sie die preußishen Vertreter des Bundesrats m Sinné des Abgeordnetenhauses instrutere. Wenn wir tem ein- ¿elnen Bundeéstaat ein solzes Recht zugestehen, wieviel mebr haben wir dann ein Recht, darauf hinzuwirken, daß nicht Landtage bestehen, die in völlig reaktionärem, volksfeindlihem Sinne zusammengeseßt find auf Grund eines Wahlrechts, das in direktem Widerspruch * steht mit dem Geist der Verfassung und dem Reichstag. Es ist ein unhaltharer Zustand, daß ein | deutsher Bundesstaat ein Wahl- recht hat, das im Gegensay steht zur Ansiht der Mehrheit des deutschen Reichstages. (Präsident Dr. Kaempf rust den Redner zur Sache.) Ih muß dem Staatssekretär Delbrück entgegentreten, weil er die Legitimation des Reichsiags in dieser Frage bestritten hat. Jch weiß nicht, ob das dem Präsidenten bekannt gewesen ist. Wenn es ihm bekannt war, dann verslehe ih nit sein Eingreifen. (Präsident Dr. Kaempf ruft den Redner wiederholt zur Sache.) Ich habe das Net, den Aeußerungen des Staatssekretärs, die sich mit dem Sinn der Neichs- verfassung nicht vereinbaren lassen, entgegenzutreten. Genau so wie in der Wakhlrechtsfrage, so bestehen auch in anderen Fragen unserer inneren und auswärtigen Politik die verschiedensten Gegensäße zwischen der Auffassung der Reg erung und dem Geist der Verfassung. Wir wollen eine friedlihe Aus\öhnung mit Frankreih und England herbeiführen. Wenn ein ernster Wille vorhanden ist, läßt si auch ein Weg finden. Den Weg dazu haben unsere Parteigenossen und auch Abgeordnete der bürgerlihen Parteien aus Frankreich und Deutschland, die mit uns zusammen in Bein für die friedlihe Verständigung und Aus- söhnung dieser Länder eingetreten sind, gewiesen. Ich begrüße es mit Freuten, daß der Anfang selbst von bürgerlichen Parteien in Deutsh- land gemaht worden i\t. Wir werden alles aufbieten, um eine amts der Verständigung und Freundschaft cegevüber Frankreich zu etreiben. Indem wir das tun, arbeiten wir besser für den Welt- frieden, als Sie mit allcn Jhren Rüstungen. Diejenigen Parteien, die für die Rüstungsvorlage eintreten, tragen dazu bei, daß wir eine Dratensaat säen, die geeignet ist, das größte Unheil herbei- zuführen.

Präsident Dr. Kaempf: Der Abg. Ledebour hat im Laufe seiner Nede die Redewendung gebraucht, daß die Regierung etne Politik treibe, die nur die Geldsäcke der Agrarier fülle. Das ist elne Beleidigung einer Partet des Hauses und des Reichskanzlers. Jh rufe Sie deéhalb zur Ordnung.

Preußischer Kriegsminister, von Heeringen:

Meine Herren! Es liegt mir ferne, auf die Rede des Herrn Abg. Lcdebour in der Gesamtheit eingehen zu wollen (schr richtig! rets), nur einige Punkte möchte ih herauszreifen. Er hat davon gesprochen, daß unsere Waffenindustrie jegt Milliarden aus dem Er- gänzungsetat bekäme. Sieht man der Frage einmal etwas trocken ins Gesicht, so stellt sich beraus, daß von den 384 Millionen, die in dem Ergänzungsetat für 1913 darin sind, 524 Miklionen für die Waffen- industrie im ganzen bestimmt find, und von disen 524 Millionen ent- fallen über 24 Millionen auf Arbeitslöhne. (Hört, bört! rets.) So eht die Sache in Wirklichkeit aus. Sie können versichert sein, daß die teutshe Heeresverwaltung Vorsorge trifft, daß keine Heere®ê- geheimnisse ans Ausland kommen.

Er ist dann weiter darauf eingegangen, uns wieder, wie seine Parteigenossen in der Budgetkommission es ja öfters getan haben, eine allgemeine Landesbewaffnung vorzushlagen. Es ist uns ja wiederholt von den Herren entgegengehalten worden, daß ihr Jdeal die Milizen wären. Jch glaube, über die Milizen werden wir uns noch später unterhalten. Ich mwöFte beute nur die Bemerkung machcn, daß kein soztaldemokratisGer Arbeiter scine Arbetls\tätte, an der er scin täglißes Brot findet, und seine Heimat gegenüber den Masserheeren, tie unsere Nachbarn aufsteßen und die gut disziplin!ert sind, dem lockeren Gebilde von Milizarmeen anvertrauen möchte. (Sehr wahr! rechts. Zuruf von den Sozialdemokraten: Und die Schweizer!) In der Budgetkommission ist uns wiederholt, und ¡war von den Herren Ihrer (ter Sozialdemokraten) Partet gesagt worden, wenn wirklich diese Heeresvorlage lediglich zur Verleidigung des Vaterlardes dienen sollte, dann müßte allerdings die Verteidigungékraft auf den böchsten Gipfel gestellt werden. Ja, meine Herren, was wollen wir denn mit der Vor- lage anders als die Verteldigung unseres Vaterlandes? Heute hat der Herr Abg. Ledebour den Gedanken wieder gestreift, als ob da andere Zwecke mit unterliefen. (Zuruf von den Sozialdemokraten : Das haben Sie ja zugegeben!) Trauen Ste uns wirklich zu, daß der von Ihnen so oft in den Mand genommene innere Feind auch hierbei eine Rolle spielt? (Zuruf von den Sozialdemokraten : (Zweifellos!) Ganz gewiß nicht! Zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in Deutschland gerügt die Polizei oder, wie einer meiner Amtsvorgänger vor Jahren schon sagte, tie Feuerwehr. (Heiter- keit rechtê.) Wenn wirklih der Auênaßmezustand eintreten sollte, den niemand mehr wie die Armee bedauert, daß das Heer aushelfen müßte, dann genügen dafür unsere Truppen, die wir je6t haben, ganz sicher. (Zurufe von den Sozialdemokraten: Mansfeld! Vor einem Jahr im Ruhrreviec! Glecke des Präsidentcn.) Der Herr Abg. Liebkneht ruft mir: Ruhrrevier zu. Da haben Ste ein Beispiel gewählt, welches für die Sache auegezeihnet paßt. Da konnte die Polizei und Gendarmerie die Ordnung nicht aufrecht erhalten, da trat der bedauerlihe Ausnahmezustand ein, den ih eben als möglich hinstellte. Aber wie verlief die Sah:? Ja vortreffliher Weise. Als die Truppe auf dem Plan trat, war mit ihrem Erscheinen Ruhe und Ordnung da, und gerate die Art und Weise, wie dke Ruhe und Ordnung damals hergestellt worden ist, kann der Armee nur zum Lobe gereichen; keiner der deutshen Mitbürger ift verleßt worden, alle Arbeitéwilligen siad geschüßt worden durch unsere Truppen, und es war eine ganze Anzahl ven Parteigenossen von Ihnen, die damals sogar behaupteten, wenn ich mihch recht erinnere, daß erst dur das Eintreten der Armee Ordnung geschaffen ist, sehr viel bessere Verhältnisse eingetreten sind, als sie vorher dort gewesen sind. -

Aber es fragt si nur, was versteht man unter Verteidigung des Vaterlandes. Der Herr Abgeordnete meint, daß wir ledigli in der

General der Jnfanterie

Verteidigung seien. Gewiß, Deutschland ist friedlich bis in die Knochen. Das zeigen die 42 Jahre, die hinter uns liegen, und das zeigt vor allen Dingen hier die Heeresvorlage “(Unruhe- bei den Sozialdemokraten); denn wenn wir offensive Absichten hätten, dann wünden wir Ihnen eine ganz anders geartete Vorlage vorgelegt haben; kine, die Jahre braucht, bis sie zu ibrer vollen Wirkung gelangt. (Sehr richtig! rechts.) Wir haben durchaus nicht die Absicht, in irgendeiner Weise einen Krieg zu beginnen, sondern ledigli den Frieden deutscher Arbeit und deutschem Fleiß zu sichern. (Bravo! rechts.) Aber wenn Deutschland ich will den Fall bloß bypothetisch be- handeln in der Zukunft gegen seinen Willen gezwungen fein sollte, das Schwert wieder einmal zu ziehen: glauben Sie denn, daß wir dann E abwarten müßten und sollten und dürften, bis der Feind über die Grenzen kommt und {n unser Heimatland einbriht, sodaß unsere Heimat zum Schlachtfeld wird? Würden Sie das für rihtig halten? In dem Moment wird, dessen bin ich sicher, die deutsche Heeresl[eitung sich auf die alte Wahrheit wieder besinnen, daß der Hieb die beste DeEung ist.

Dazu bedürfen wir einer Heeresvorlage, - wie sie Jhnen jeßt vorliegt; dazu bedürfen wir u. a. auch der Kavallerie, die auf- klären muß, aber auch die Gefehte durchzufübren uns helfen muß. Es ist durchaus unrichtig, wenn immer wieder gesagt wird, daß die Rolle der Kavallerie in zukünftigen Kriegen ausgespielt sei. Nein, gerade umgekehrt wird es unter Umständen der Fall sein! Lassen Sie mich das in einigen Worten erläutern. Ueber die Erkundungs- tätigkeit der Kavallerie ist ja hon wiederholt gesprochen worden, und ih glaube, das ist für jeden klar und einleuchtend gewesen. Aber nun das Gefeht! Gewiß, da sind große Kavallerteattacken gegen uvecshütterte Jnfanterielinien nicht mehr mögli. Das waren fle hon nicht, als die Jnfanterie noch sehr viel {lechter bewaffnet war; da ist es niht notwendig, daß man die Maschinengewehre und die modernen Geschüße heutzutage überhaupt in Rechnung stellt. Anderer- seits ist aber auch heute der Angriff gegen eine gut mit modernen Waffen Infanterie, Maschinengewehren, Artillerie au2gerüstete Verteidigungsposition für die Infanterie und Artillerie sehr viel s{hwieriger als früher. Die Durchführung einer Sgchlatt erfordert das Heranziehen aller Reserven, das Ausbrennen der Angriffstruppen unter Unständen bis zur Shlacke. Es ist sogar sehr gut denkbar, ja von vie!en erwartct, die über diese Sachen geschrieben und nahgedaht haben, daß der Angreifer bis zu dem Momente, wo er in die Stellung des Verteidigers vermöge setner besseren Ausbildung und vermöge des besseren Geistes, der in ihm steckt, troy aller Verluste eindringt, sehr viel mehr verliert als der Verteidiger. Die Früchte des Angriffs, die man nah der Erleidung so großer Verluste einheimsen muß, reifen erst hinterher, liegen erst in der Ver- folgung. Gerade die Verfolgung bringt heute eigentli erst die Früdßte, die ein Angriff mit all dem vergosseneu Blute zeitigen muß. Da ist die Kavallerie an ihrem Plaß, und wenn die Infanterie durch ein langdauerndes Gefeht ausgebrannt ist zur Shlack-, fo wird auch in Zukunft eine rechtzeitig gut geführte Kavallerie diejenige sein, die den halben Erfolg zum ganzen \tempelt und unter Umständen Tausenden und Abertausenden neuer Opfer vorbeugt. (Hört, hört! rets.) Denn derjenige Gegner, der, nahdem er von der Infanterte und Artillerie aus seiner Stellung. berausgewo:rfen ist, dann auf dem Rückzug von Kavallerie angefaßt wird, der erscheint \o… bald“ nicht wieder - im Feld, und darauf fommt es an. Es fany -also g:rade das Vorhandensein von gut- geführter, zahlreicher Kavallerie einen Feldzug ni@t nur entscheiden, sondern vor allen Dingen beenden. (Sehr gut! rets.)

Der Hetr Abg. Ledebour hat eingangs setnes Vortrags darauf hingewiesen, daß der Herr Reichskanzler eigentli gestern die Resolutionen gegenüber dem Herrn Abg. Dr. Müller (Meiningen) als -eîne quantité négligeable behandelt tâtte. in vollster Uebereinstimmung mit dem Herrn Reichskan,ler dies hier doch verneinen zu müssen. Meine Heiren, ih hake mich über die Resolutionen, wie sie Ihre Budgetkommission gefaßt hat, eingehend bet den Verhandlungen ausgesprochen. Jch- kann darauf hier nur nochmals wiederholt verweisen. Vorbehaltlih der Stellung der verbündeten Regterungen, denen ja Ihre Resolutionen, wenn sie hier angenommen sind, nahher zugehen werden, kann ich nur darauf hinweisen, daß ein großer Teil Ihrer Resolutionen meiner Auf- fassang nah ohne weiteres annebmbar ist. (Hört, hört! links.) Bei einem anderen Teil dec Resolutionen ist es, wie ih das auch in der Budgetkommission ausgesprochen habe, in Rücksicht auf ihre Trag- weite und in Rücksicht auf die große Bedeutung, die die Stellung- nahme zu diesen Resolutionen hat, notwendig, zunächst Erwägungen und Erörterungen eintreten zu lassen. Erst davon kann es abhängig gemacht werden, wie die verbündeten Regierungen thre Stellung nehmen. Jh kann also auh heute dazu nichts weiter sagen. Sie können aber versichert sein, meine Herren, daß die verbündeten Re- gierungen in eingehendster Weise prüfen werden, inwieweit den Wünschen des Reichstags entgegengekommen werden kann, und daß das auch in entgegenkommendster Weise geshehen wird. (Bravo! rechts und im Zentrum.)

Präsident Dr. Kaempf macht Mitteilung, daß über die Anträge, betreffend die Kavallerieregimenter, namentlich abgestimmt werden wird. :

Akg. Fishchbeck (fortshr. Volksp): Der Abg. Ledebour ist noch einmal auf die Ausführungen meines Freundes Müller gegenüber der Nede des Abg. Noëke zu sprehen gekommen. Der Kernpunkt des ganzen“ Streites ist doch rur der, daß der Abg. Dr. Müller in seiner Rede darauf hinwies, daß in der Kommission auch seitens der Sozialdemokratie anerkannt worden ist, daß jeder, dem das Wohl des Vaterlandes am Herzen liege, prüfen müsse, ob bei uns die Ver- bältnifse so liegen, daß man allen Gefahren begegnen kann. Der Abg. Ledebour hat ja selbst von den Gefahren im Osten und Westen gesprochen. Auf diese Gefahren . ist ja häufig fenua hingewiesen worden. Man kann nur darüber streiten, in welher Weise män thnen am besten begegnet. Die Sozialdemokratie hat da etnen anderen Standpunkt. Aber so, wie der Abg. Ledebour es hinstellt, liegen die Dinge nicht. Es handelt sich nit um das Schüßen von Geldsackinteressen. Der Abg, Ledebour hat ja selbst vor einigen Tagen geschrieben, daß die Sozialdemokratie niemals verkannt habe, daß die geographische Lage des Reiches eine ta: ke Shußwehr nötig macht. Die Sozialdemokratie hält dafüc ein Milizheer für genügend, andere aber niht. Es stehen also keine Geldsackinteressen auf dem Spiele. Nah dem Abg. Ledebour haben die Resolutionen keinen Zweck, man müsse stärkere Mittel anwenden und die Militärvorlage ablehnen. Aber wir be- willigen tie Vorlage ja nicht der Negterung, sondern der Sicher- heit des deutshen Volkes wegen. Verwunderlih war allerdings das Auftreten des Reich: kanzlers. Der Kriegsminister hat sich

bemüht, in einer anderen Tonart zu sprechen, und ih hoffe, daß seinen Worten kald die Tat folgen wird. Der Abg. Muüller-Metningen

Ich glaube

erklärte im Namen meiner Freunde und in Vebereinstimmung mit der großen Mehrheit dieses Hauses, daß wir bereit seien, die shweren Lasten dieser Vorlage auf uns zu nehmen. Aber wir stellten au leihzeitig Forderungen nah“ Reformen. Es ist unverständlich, wie er G gler sagen konnte, es sei seine oberste Aufgabe, in der Armee die Treue zum Kaiser und die Disziplin und die Organisation aufreht zu erhalten. Solche Worte waren entweder deplaciert oder brüekierend und verleßend. Was von alledem, was wir fordern rüttelt an dem, was der Kanzler als seine oberste flicht binstelt? Wir wollen nur Ersparnisse in der tmee machen. Wir haben doch die Pflicht, dem Volke, folhe Lasten auferlegen, auf der anderen Seite Manie diese etwas l[eihter zu machen. Es uner- flärlih, wie dadurch die Armee in ihrer Treue zum Kaiser und in ihrer Disziplin und Organisation geschädigt werden kann. War es niht Fürst Bülow, der au auf Ersparnisse in dem Heer- wesen binwirken zu wollen erklärte? Haben nit aus allen Parteien fich Stimmen erhoben, die die {chwere wirtschaftliche Belastung des Volkes durh diese neue Militärvorlage betonten und dafür Zu- Ne in dieser Rihtung forderten? Der Kollege Müller- ‘einingen forderte die Wehrhastmahung der Jugend durch Turnen, Spiel und Sport; war das etwa der Grund für das brüsfe Auftreten des Reichskanzlers gegen ihn? Der Kollege Müller- Meiningen hat \sich allerdings mit großem Nachdruck für eine Reform der Rechtsverhältnisse der Offiziere und Soldaten ein- gefeßt; das ist doch nur eine Forderung derselben Disziplin, für die der Reichskanzler so energisch sich einlegte. Gerade wenn man in der Richtung auf die afung eines wirklichen Volksheeres vorgeht, muß man diese Forderung beachten und berücksichtigen. Die Armee is keine abgeschlossene Welt für sich. Die Hebung des Schulwesens trägt doh dazu bei, den jungen Mann fähig zu machen, selbständig zu denken und Entschlüsse zu fassen. Die Armee braucht allerdings ihre eigenen Gesetze, aber diese Gesetze können von der Grundlage dessen, was Gerechtigkeit ist, nicht ab- weihen. Die Armee muß auch ihrerseits den Fortschritten in der Nechtsbildung Rechnung tragen. Die Disziplin kann nkcht erzwungen werden bloß dur Kommandieren und Strafen, wenn sie ein moralisches Element fein foll. Darum fordern wir die Ne- orm der Militärjustiz, für den gemeinen Mann wie für den Offizier, und mit dem steten Hinweis auf die in dieser Hinsicht noch bestehenden Mängel hat sich der Kollege Müller- Meiningen ein großes Verdienst erworben. Ist in der Armee die Forderung der modernen Verfassung erfüllt, daß Rülfsihhten auf Rang, Stand und Glauben niht genommen werden dürfen? Besteht nit vielmehr in der Armee eine Bevorzugung derjenigen, die die drei Buchstaben vor ihrem Namen haben? Die Zurücksezung des bürgerlichen Elements erweckt Rieitilgen auch in den Offiziers- kreisen, und darunter muß die Disziplin, muß der ganze innere moralishe Halt der Armee leiden. Ein hoher Offizier, ter Generalleutnant Lißmann, spricht in einem dieser Tage erschienenen Artikel ganz ofen von diesem Mißvergnügen. Aus den Grenz- regimentern in Graudenz oder Meß wandert der Adel aus und die Offizierkorps werden schließlich bürgerliß. Was konnte den Neichs- kanzler veranlassen, hier dem Abg. Dr. Müller gegenüber in so schroffer Form auszurufen, es gelte die Treue zu Kaiser und Neich? Die Resolutionen, die die Kommission beschloflen hat, sollen in die Kommandogewalt des Kaisers eingreifen. Der Kriegsminister weise uns die Resolutionen nah, zu welchen wir auf Grund der Verfassung nicht berechtigt wären! Gerade die Verfassung wollen wir beobachtet wissen; wenn Verfassungsgrundsäße niht beachtet werden, kann man si hinter keine Kommandogewalt zurüchziehen. Wenn ein verantwortliher Minister \sich hinter den Kaiser zurüzieht, so entspriht das doch absolut nicht seiner Stellung, nah der er das verantwortliche Bekleidungs\tück des Monarchen sein soll. Die Rechte hatte verlangt, die Regierung möchte ih doch endli über die Deckungéfrage äußern; ob sie mit der gestrigen Erklärung des Kanzlers sonderlih zufrieden ist, ist mir weifelbaft. Die Linke hat immer die Deckung für neue Ausgaben gefordert, wir halten für selbstverständlich, daß auch bei dfeser großen Militärvorlage für Deckung geforgt wird; es kann uns nur erwünscht sein, wenn die Rechte sich daran beteiligt. Bedeutet die Erklärung des Grafen Westarp und die gestrige des Kanzlers vielleicht noch etwas anderes ? Der Kanzler erklärt die Erledigung der Miilitärvorlage für das oberste Geseg; das ist Taktik in dieser Beziehung

enau dasselbe, was wir wollen, und unsere ist doch ein Entgegenkommen gegen den Kanzler. Dann is es freilich merkwürdig, daß er dieselben f die das gleihe mit ihm wollen, so unliebenswürdig be- andelt. Wir sind bereit, eifrig an der Deckungsfrage mitzu- arbeiten. Der Wehrbeitrag ist im großen und gamen durchberaten; die lie vek Ausgaben zu bewilligen, find wir ebenfalls bereit, aber natürli nit so, wte es gerade die Konservativen wollen, Wie der Reichstag \ich die Deckung dachte, zeigen ja die vorjährigen Beschlüsse über die Besipsteuer, die eine große Mehrheit im Hause gefunden haben. Hier kann es für uns auch kein Rüdck- wärts geben; es wird die allgemeine Besißsteuer ge ordert, also eine Steuer vom Vermögen oder von den Erbschaften. Will die Neichsregiernng keine Vermögenssteuer, fo bleibt nur dle Erbschafiósteuer übrig. Ueber die Form läßt sich sprechen; aber wenn die „Deutshe Tageszeitung" erklärt, daß für die Konservativen jeder A uen, der eine Steuer auf das Kindes- erbe lege, unerträglih sei, dann werden sich eben unsere Wege trennen. Bet solchen Erklärungen müssen doch Nebengedanken vorhanden sein. Für eine Besißsteuer hat \ich doch selbst auf der Nechten Stimmung gefunden. Wir würden das NVer- trauen des Volkes verscherzen, wenn wir ihm jeßt nicht gäben, was wir ihm seit 1909 bei den Wahlen versprochen haben. Der Reichskanzler und der Kriegsminister haben wiederholt die Bewilligung der drei gestrihenen Kavallerteregimenter verlangt, jedesmal mit anderen Gründen. Wir glauben, auch jeßt noch ist die Kavallerie eine notwendige Waffe; aber aus vielen Kriegsgebteten, wo si? früber eine Rolle spielte, ist sie durch die moderne technische Entwicklung heraus- gedrängt worden. Wenn wir bedenken, daß, troßdem die Verwendung der Kavallerie im Ernstfall Se eingeschränkt ist, heute {hon 102 Kavallerieregimenter bestehen, dann glauben wir, daß wir uns doppelt und dreifah befinnen sollen, ehe wir die ge- forderten Kavallerieregimenter - bewilligen. Alle Dar eptngen des bürgerlichen Elemen!s und alle Bevorzugungen der Adligen spielen îin keiner Truppe eine \olhe Rolle, wie gerate in der Kavallerie. Wenn der Reichskanzler nun in so roler Form unsere diesbezüglihen Wünshe nach einer odernisierung der Armee zurückweist, kann ich nur sagen, daß einzelne Mit- glieder meiner Fraktion, die bisher auf der Seite der Negterung gestanden haben , wahrsheinlich nunmehr „eine andere Haltung einnehmen werden. Wir werden aber nicht ermüden, unsere Forderung immer wieder von neuem vorzubringen. Sie wird \{ließ- lih au zur Durchführung gelangen, denn auch die preußische Heeres- verwaltung ist {ließlich niht stark genug, den Forderungen der Ge- rechtigkeit zu widerstehen.

Hierauf wird ein Vertagungsantrag angenommen.

Persönlich bemerkt der

Abg. Erzberger (Zentr.), daß er seine Ansiht aufrecht erbalié, Paß Frankreich die Nüstungen eher vorbereitet habe als Deutschland.

Abg. Ledebour (Soz.): Die Ausführungen des Abg. Erjz- berger bestätigen nur meine Behauptung.

Schluß gegen 51/4 Uhr. Nächste Sigung 1 uge (Fortseßung der Beratung; vorher kleinere

reitag orlagen.)

L E Zweite Beilage . R Neichsanzeiger und Königlih Preußishen Staatsanzeiger,

Berlin, Freitag, ‘den 13. Iuni 1913.

Zu Sqhriftführern werden auf Vorschlag von Dr. Frei- herrn Lucius von Ballhausen durh Afkklamation wiedergewählt die Herren Graf von Arnim-Boizßenburg, Graf von Ballestrem, Graf von Hutten-Czapski, Dr. Johansen, von Un, Graf pay Seidlig-Sandreczki, Veltman und Dr. Graf ist, und stellenweise im Traneuralgebiet. Unbefriedigend ist er O E n dDens. j L im Uralgebiet, ‘teilweise in Wjatka, an der oberen Wolga

Neu in das Haus eingetreten ist Graf von Schaffgotsch, | und im Zentralrayon, stellenweise auh im Norckwesten; sonst dessen Vereidigung in einer späteren Sizung erfolgen wird. steht er gut. Der Stand der Sommersaaten ist nur in

Fast ¿cu ‘er: Südrußland und Mittelruß:land festgestellt und allgemein - voll auf dar bes Fuetbete Ct R Mnhsies o befriedigend. Gut ist er im Südwesten und Süden, in Kleinraßland,

A 2 im Nordkaukasus, teilweise im Zentralrayon und an dec mittleren von Rochow und Graf von der Schulenburg-Grünthal wieder- | Wolga, stellenweise im Nordweiten Ao Din und in einzelnen gewählt und Herr von Beseler neugewählt.

Bezirken des Nordofstrayons, unbefriedigend nur stellenweise im Ural- Präsident Herr von Wedel -P esdorf: Bei dem bevorstehenden

gebiet, in Ufa und Grodno, sonst befriedigend. In West sibirien Jubiläum wird das Präsidium die Ehre haben, die Glückœwünsce | steben die Wintersaaten allgemein befriedigend, die Sommersaaten des Hauses Allerböchstenörts darzubringea. Sollte sich noch die

voll befriedigend. Möglichkeit bieten, daß auch ein größerer Teil des. Vorsiands des Hauses an der Gratulation teilnimmt, so wird dementsprechend ver- fahren werden; aber dàs läßt sich momentan noch nicht übersehen.

Der Präsident erhält det seinen Vorschlagz die Ermächti- t Die Portoermäßigung erstreckt \ih nur auf Briefe,

gung, die nächste Sizung selbst anzuberaumen. id * Min “B ck; ; niht auch auf Postkarten, Drucksachen usw., und gilt nux Shluß 2 Uhr 25 Minuten; nächste Sißung unbestimmt. für Briefe nah den Vereinigten Staaten von AÄmnerika nicht auch nach anderen Gebieten Amerikas, z.B. Canada.

„Kronprinz Wilhelm“ ab Bremen 17. Juni, „Kaiserin Auguste. Victoria“ ab Hamburg 18. Junt, „Kronprinzessin Cecilie“ ab Bremen 24. Junt, „Cincinnati“ ab Hamburg 25. Juni, „George Washington“ ab Bremen 28. Juni, „Kaiser Wilhelm der Große“ ab Bremen 1. Julk, „Amerika“ ab Hamburg 3. Juli, „Kaiser Wilhelm 11.“ ab Bremen 8. Juli, „JImperator“ ab Hamburg 9. Juli, „Cleveland“ ab Hamburg 10. Juli,

Postshluß nah Ankunft der Frühzüge.

Alle diese Schiffe, außer „Cincinnati® und „Cleveland“, sind Schnelldampfer oder solche, die für eine bestimmte Zeit vor dem Ab- gange die \{chnellste Beförderungsgelegenheit bieten.

Es empfiehkt fi, die Briefe mit einem Leitvermerke wie edirekter Weg“ oder „über Bremen oder Hamburg" zu versehen.

teilweise in Kleinrußland, im Zentralrayon und an der mittleren Wolga, stellenweise im No: dwestrayon.. Unbefriedigend ist: er nur stellenweise in Grodno, Sjeèlez und im südlichen Teile von Tambow, sonst überall befriedigend. Der Winterroggen. ist all- gemein befriedigend. Gut ist er do:t, wo auch der Winterweizen gut

Preufstischer Landtag. Herrenhaus. 1. Sigung vom 12. Juni 1913, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphishem Bureau“.)

Der Präsident der vorangegangenen Session Herr von Wedel-Piesdorf eröffnet die Sizung um 2 Uhr 20 Minuten mit folgenden Worten: .

Meine Herren ! Als. Präsident der vorigen Session eröffne ih die heutige Sißüung. Unserem Brauche eitspredenh beginnen wir unsere e damit (die Mitglieder des Hauses erheben \ich), daß wir Seiner Majestät unseres Könias, des Deutschen Kaisers, gedenken. Bir tun es- heute mit besonderer Freude, gehen wir doch dem fest- lihen Tage entgeäen, wo Seine Majestät auf 25 Jahre einex gesegneten Regierung zurückblickt. Wir sind erfüllt von Dankbarkeit für alles, was unser Allergnädigster Herr in diesen 25 Jahren für Deutschlands und Preußens Wohl getan und geleistet hat, und wir hoffen ¿u Gótt, taß es ihm beschieden sein möge, noch lange, lange Jahre in gleichem Segen wie bi-her Deutschland und Preußen zu regieren. Lassen Sie uns diesen Gefühlen der Dankbarkeit und der Hoffnuñu dâdurch Aus- druck geben, daß wir rufen : Seine Majestät unser König, Deutsch- lands Kaiser, lebe hoh! (Die Mitglieder stimmen dreimal begeistert in diefen Ruf ein.)

ZU provisorischen Schriftführern beruft der Präsident die Herren Graf von N L Graf: von Hutten- Gapsfi, Dr. Johansen und Graf von Seidliz-Sandreczki:

Der Präsident teilt ferner mit, daß er Seiner Kaiserlichen und ge b Hoheit dem Kronprinzen zum Geburtstage die Glückwünsche des Herrenhauses übermittelt habe, und daß darauf ein huldvolles Dankschreiben eingegangen sei.

Der Präsident - stellt fest, daß die Mitglieder in beschluß- fähiger Zahl versammelt sind, und daß deshalb von dem ge- häftsordnungsmäßig vorgesehenen Namensaufruf Abstand ge- nommen werden kann.

Auf der Tagesordnung steht die Wahl. der Prä - sidenten und der Schriftführer.

Auf Vorschlag von Dr. Freiherrn Lucius von Ball- hausen wird das bisherige Präsidium durch Akklamation wiedergewählt, und zwar Herr von W edel-Piesdorf zum Präsidenten, Herr von Be cker zum Ersten und Dr. Freiherr von Landsberg-Steinfurt zum Zweiten Vize- präsidenten.

Präsident Herr v on We del- Piesdorf: Ich nehme die auf mich gefallene - Wahl. mit Dank an und bitte auch fernerhin um Ihre

Verkehrswesen.

Schiffsliste für billige Briefe nah den Vereinigten Staaten von Amerikà (10 § für je: 20 g).

Land- und Forstwirtschaft. Saatenstand in Rußland.

Sowelt \ich aus den von dem hiesigen Rayonkomitee der Süd- westbahnen zur Regelung des Güterverkehrs auf den Bahnen ein- n Erkundizungen bisher ersehen läßt, verspricht die bevors- tehende Getreideernte nah dem derzeitigen Stande der Felder im Amtsbezirke einen guten Mittelertraz, vorausgeseßt, daß die Be- fürdtungen, welhe von den Landwirten wegen des vielfa zu stärken und stellenweise au: zu dihien Empo:schießens des Getreides gehegt werden, si in der Folge als unbegründet erweisen.

In den einzelnen Gouvernements gestalten sich die Ernteaussichten für das Winter- und Sommergetreide folgendermassen :

vorzüglih . . . . im Gouvernement Kiew,

M E S 7 Poltawa, mehr als befriedigend in den Gouvernements Wolhynien und Podolien und befriedigend in den Gouvernements Mohilew und Tschernigow. (Bericht des Kaiserlichen Konsuls in Kiew vom 7. Juni 1913.)

Nr. 19 des „Etisenbahnverordnungsblatts*“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 10. Juni 1913 hat folgenden Inhalt : Ang des Reichskanziers vom 13. Mai 1913, betreffend Aenderung der tilitärtransportordaung. Erlaß des Miristers der öffentlihen Arbeiten: 21. vom 5. Juni 1913, IV. 46. 115/293, betreffend Niedershlagung rehtskräftig festgesegter Bahnpolizeistrafen. Nachrichten.

Petersburg, 13. Juni. (W. T. B.) Nach der „Hanßbels- e nf und Industriezeitung“ ist der Saatenstand in Rußland vom Unterstüßung und Ihre gütige Nachsicht. : 20. Mai alten Stils allgemein befriedigend. Die Ernteaäussichten Herr von Bedcker und Dr. Freiherr von Landsberg- | sind mittelgut. Der Winterweizen steht voll befriedigend. Gut Stein furt erklären gleihfalls die Annahme der Wahl. ist er im Südwestrayon, im Süden, im Nordkaukasus, im Dongebiet,

Berichte von preußischen Getreidebörsen und Fruchtmärkten.

Hauptsächli gezahlte Preise für 1 t (1090 kg) in Mark

Marktorte

Roggen Hafer

mittel

Danzig . N 212 162 159 o 202 162,50 158— 168 151 Stettin . . . . . . . . . . [) . 193 157 / 156 B N I L A R 195 159 151 152 Magdeburg . . . . . . . . * 1 97—200 160—162 170—172 1 T Dortmund . . i 207,50—211 173—178 I

Berlin, den 13. Juni 1913.

Kaiserliches Statistishes Amt. Delbrück.

Verichte vou anderen deutschen Fruchtmärkten.

Außerdem wurden am Markttage (Sphalte 1) nah übershläglicher Schäßung verkauft Doppelzentner

Qualität gering mittel gut Marktorte Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner

Tag niedrigster | hôöchster | niedrigster | höchster | niedrigster böhster |Doppelzentner M O Mh Mb H M

| Roggen. 12. | Kaufbeuren. .. j i [f 18,40 |

Hafer. 17,50 | 19,00 |

Am vortgen Markttage

Dur(h- schnitts-

Verkaufte —T Menge

Verkauf3-

wert

(Preis unbékännt)

[E

18,40 |

L A A «| 17,00 | 17,00 | 17,50 | 19,00 | T 113 | 1731 T 1817] DeB.

Bemerkungen. Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswert auf volle ‘Mark abgerundet mitgeteilt. Der Durhshnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berehnet. Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Pereije hat die Bedeutung, daß der bètrefffende Prets nit vocgekommen ist, ein Pankt (.) in den leßten sechs Spalten, daß eâtsprehender Bericht fehlt.

Berlin, den 13. Juni 1913. i erlin, den 13. Jun Kaiserlidßes Statistishes Amt.

Delbrü.