1913 / 142 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 18 Jun 1913 18:00:01 GMT) scan diff

ührung einer einjährigen Dienstzeit würde eine weitere große

elastung bedeuten, zu deren Ueberwindung die Armee nit imstande ist. Wir haben nicht das Ausbildungspersonal, um das überhaupt zu ermöglihen. Vor allen Dingen kämen aber noch Einzelheiten in Betracht, die gar nicht ausführbar wären. Wie sollen wir die Reserveunter- offiziersaspiranten ausbilden, wie sollen wir die Richtkanoniere aus- bilden, wie soll das Trainaufsichtepersonal ausgebildet werden ? Alle diese“ und viele andere Arten der Spezialausbildung, die unbedingt notwendig sind für den Beurlaubtenstand und. für den Mobil- machungèfall, können erst dann einsezen, wenn der Mann eine richtige allgémeine Grundlage in der Ausbildung in seiner Waffe gewonnen hat, also im zweiten Jahre. S

Meine Herren, die Hauptstärke des deutschen Heeres ih habe das in der Budgetkommission wiederholt betont und möchte das auh hier sagen liegt in einer soliden gründlihen Einzelausbildung. Diese kann nit erreiht werden durch eine Art Presseausbildung. Sobald wir“ daran rühren, rütteln wir an einem Grundpfetler, auf dem die Armee ruht.

Nun liegt noch eine Resolution der Fortschrittlichen Volks- partei vor, Nr. 1036 Ziffer 2 b, in der gefordert wird, daß die gesey- lihe Verkürzung der Dienstzeit entsprehend der besseren geistigen und körperlihen Ausbildung vorbereitet wird. Ich muß sagen: ich bin mir nicht ganz klar darüber, ob die Herren Antragsteller diese bessere geistige und körperlihe Ausbildung der Jugend heute hon als vorhanden ansehen oder ob das erst für die | Zukunst in Betracht kommen soll. Ich möchte das leßtere glauben; sonst würde Jhr Autrag auf Nr. 1035, worin Sie für alle Schulen Turnunterricht fordern, eigentlih gegenstandslos sein. Man muß sich darüber klar sein, daß heute eine derartige bessere geistige und förper- lihe Ausbildung der Jugend, wie sie die Herren Antragsteller für wünschenswert erachten, noch nit besteht. Also ist die ganze Sache heute überhaupt noch nit spruchreif, und damit glaube ih, die Sache für mich heute als ‘erledigt ansehen zu können. Ih möchte nur darauf hinweisen: ein guter Turner ist niht ohne weiteres ein guter Soldat. Ich habe mich shon im vorigen Jahre darüber ausgesprochen, daß das Turnen ein ‘ganz vortrefflihes Mittel ist, um den Mann \{neller auszubilden, aber allein noch keine Sicherheit dafür gibt, daß der Mann ein guter Schüße wird oder sonstige soldatishe Eigenschaften besitzt, die die Ausbildung erleichtern.

Es ommt hinzu, daß man auch nicht weiß, 'wer denn eigentlich diese

bessere Ausbildung als ertotesen ansehen soll, die Militärbehörde oder die frühère Schule ‘usw. In der- Praxis läuft wohl diese Resolution der Fortshrittlichen Volkspartei darauf hinaus, daß man die Ein- jährigfreiwilligen vermehren möchte; denn nur bei der Zulassung zum Einjährigfreiwilligendienst wird von. den Prüfungskommissionen fest- gestellt werden können, ob - die betreffenden Militärpflihtigen die Vorausseßung etner besseren geistigen Ausbildung- erfüllen. Wir haben ja aber bereits in der. Budgetkommission erklärt, daß wir auf eine erweiterte Anwendung - des sogenannten Künstlerparagraphen der Wehrordnung in den legten Jahren besonderen Wert gelegt haben ; ih weise nur darauf hin, daß wir u. a. die Flieger mit heran- gezogen: haben. A E :

Gegen die-Resolution 7 der Budgetkommission ist nihts einzu-

wenden, wie ih {gn ausgeführt habe, wohl aber gegen die Er- gänzung -dieser--Resolution-.-durh.-die- fortschrittliche Volkspartei, die 4 nun ‘auch besondere Leistungen im Turnen.mit herangezogen haben will. So sehr ih mit dem Herrn: Abg. Dr. Müller-Meiningen,

der eben die Güte hat, mir zuzunicken, in ‘der Wertshäßung des Turnens - übereinstimme, so glaube ich, find die Gesichtspunkte, unter denen - der Künstlerparagraph mit seinen Vorausseßungen - für den Einjährigfreiwilligendienst eingeführt worden ist, doch nicht anwendbar auf das Turnen. Wer als Handwerker, als Künstler usw. ganz Hervorrragendés leistet, wird für fich und seine ganze Umgebung eine Anregung bilden, ein Sporn zur Nachahmung sein, und dies verdient im Interesse der Allgemeinheit Förderung. Das Turnen kommt für den Betreffenden ganz allein in Betracht, und insofern stehen ausgezeichnete Leistungen im Turnen auf einem anderen Blatte.

Die größte Schwierigkeit liegt aber wieder darin, daß der Antrag der Herren von „erwiesenen hervorragenden Leiskfungen im Turnen“ \priht. Ja, wer soll denn das feststellen, daß von „erwiesenen Listungen® gesprohen werden kann? Sollen es die früheren Schulen tun oder die Turnlehrer? Sollen etwa Examina gemacht werden beim Eintritt in die Armee,. oder soll die Truppe selbst das ent- Iheiden? Gegen das leßtere würde ih entschieden Protest erheben, denn ich würde auch an meinem Teile niht wünschen, daß eine Militärbehörde über die Länge der Dienstzeit eines Mannes während der aktiven Dienstzeit zu entsheiden hat. - Wenn man mal erst in die Praxis herabsteigt und die Bedingungen dafür festzuseßen versucht, was unter hervorragenden turnerishen Leistungen verstanden werden soll, wird man auf : große Schwierigkelten stoßen, und ih glaube sagen zu können, taß der Antrag in: der Praxis nicht aus- führbar ist. Jch bitte deshalb, ihn abzulehnen.

Der Herr Abg. Gradnauer will im ¡Gegensag dazu das In- stitut dér Einjährigfreiwilligen überhaupt abschaffen, führt es’ aber andererseits als besonderes Argument für“ die von ihm be- antragte einjährige Dienstzeit an. Das ist aber doh zweierlei. Die Ausbildung einer kleineren Zahl von Leuten dur ausgesuchtes Aus- bildungspersonal unter ganz besonders günstigen Verhältnissen läßt fh leichter vorwärts bringen als die einer Kompagnie mit 80 oder noch mehr Rekruten. Ueberdies kommt dabet in Betracht, daß für die Leute, welde den Einjährigfreiwilligendienst absolviert haben, durch die häufigeren und längerén Uebungen im Beurlaubtenstande ein gewisser Ausgleich eintritt. Ih glaube deshalb dieser Absicht entshieden widersprehen zu müssen. E

._Nebenbei kommt, was, wenn ih nicht irre, der Herr Abg. Nehbel hervorhob, die Kostenfrage in Betraht. Wenn wir die Einjährig- ‘freiwilligen einfa glatitweg in unséren Etat einstellten, so würde der Beurlaubtenstand um rund 180000 Mann geschwächt werden. Erhöhen wir aber den Etat um die Zahl der Einjährigfreiwilligen, so kostet das rund 24 Millionen. Ich glaube, in diesen beiden Zahlen tritt {hon die Unmögli@hkeit zutage, die Sahe durhzuüführen.

Hiervon ganz abgesehen, spricht“ aber eine ganze Anzahl von organisatorishen Gründen gegen die-allgemeine Ein- führung der einjährigen Dienstzeit. Wir müssen das “möchte ih an die Spiye ter Ausführungen - stellen: die Friedens- präsenzstärke, die wir jeßt erreihen werden, beibehalten; darin wird

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jeder, der sih_ überhaupt die Verhältnisse zwishen Deutschland und

seinén Nachbarstaaten objektiv ansieht, mit mir übereinstimmen. Wir bedürfen aber einer hohen Friedenspräsenzstärke auch für die Aus- bildung. Nur dann nämli känn ih eine Truppe ausbilden, wenn ih genügend starke Friedenskaders habe. Ich glaube, ih brauche kein weiteres Wort in dieser Beziehung hinzuzufügen, wenn ih auf Frank- reich hinweise, wo man unter anderm die Notwendigkeit der drei- jährigen Dienstzeit damit begründet, daß die shwachen französischen Friedenskaders bei der Infanterie zur Ausbildung der Truppe nicht mehr genügten. Dasselbe würde natürlih au bei uns der Fall sein.

Weiter kommt in Betracht, daß die Mobilmachung eine ganze Anzahl von Leuten erfordert, Kommandos zum Abholen der Mann- scha ften des Béurlaubtenstandes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, Kommandos zur Bewachung von Eisenbahnen, und was dergleichen mehr ist. Das kann eine Truppe im Mobilmachungsfall nur leisten, wenn sie {hon in ihren Friedenskaders stark genug ist. Die \{chwachen Käders würden überdies, wenn wir einfah den einen Jahrgang "nach Hause s{ickten, ohne ihn zu erseßen, eine ganz ungeheure Vermehrung der Einziehung von Mann- schaften ‘des Beurlaubtenstandes im Mobilmachhungsfalle erfordern; denn die Krlegssläike können wir natürlich niht herabseßen. Nun denken Sie sich, welche viel größere Belastung auf einmal für die Bezirkskommandes im Mobilmachungsfall dadurch eintreten würde, eine Belastung, durch dite sle einfach zusammenbrehen würden. Sqhließlih kommt noch die Zufammensezung der Feldtruppen in Betracht. Ein gewisses Prozentverhältnis zwishen aktiven Mann- schaften und Beurlaubteristand muß vorhanden sein, wenn die in erster Linie zur Verwentung kommenden Feldtruppen den Anforderungen genügen sollen.

Und ‘dann die Grenzschußverhältnifse! Wir können doch an der Grenze nicht mit nur einem Jahrgang - experimentieren. Wenn hier von irgend einer Seite ‘angédeutet wurde, daß ja bet gespannten Ver- hältnissen der Beurlaubtenstand eingezogen werden könne, so spricht alles das dagegen, was der Herx Abg. Nehbel auch schon angeführt hat; aber noh ein anderes mehr. Denken Sie sh in die Lage, daß man in gespannten politischen Zeiten einsieht, daß man an der Grenze zu {wach ist. Dann soll man den Beurlaubtenstand einziehen? Was würde dann unter Umsländen die Folge davon sein? Krieg! Des- halb ist es unrichtig, wenn man eine Armee im Frieden niht fo organisiert, wte es für die ersten Tage eines. Krieges notwendig ist.

Denselben Gedanken kaun ih auch noch so ausdrücken: wenn wir nur einen Jahrgang hätten und ihn immer wieder völlig zur Reserve entlassen müßten, würde eine ganze Reihe von Tagen tm Jahre die Armee lediglich aus Offizieren und Unteroffizieren bestehen, mit andern Worten: bis zur vollen Ausbildung der Rekruten wehrlos sein. Ich meine, das sind Verhältnisse, die entschieden nicht eriragen werden können.

Der Herr Abg. Gradnauer hat \sich aber auch auf das historische Gebiet begeben und u. a. die Bulgaren und Serben als Grund für eine kürzere Dienstzeit angeführt. Zweifellos hatten beide Völker eine kürzere Dienstzeit als wir. Aber es kommt eben darauf an, was es für ein Volk ist. Ohne das deutsche Soldatenmaterial in irgend einer Weise herabseßen zu wollen, so muß ich do anerkennen, daß die Bulgaren und Serben noch viel mehr Naturvölker sind als wir Und infolgedessen diejenigen physischen Eigenschaften, die ein Soldat im “Kklege in erslec Linie braucht, vielleiht noch in größerem Maße haben als "wir hier in Deutschland bei unserer hohen Kultur. Die serbishen wie die bulgarischen Soldaten werden aus\chließli} dem Bauernstand entnommen. Sie sind ab- gehärtet, find gewöhnt, ihre Nahrung im Frieden sich zuzubereiten, sie sind an sehr starkes Marschteren gewöhnt, weil fie infolge der geringen“ Verbindungsmittel in ihrem Lande, lediglih auf ihre Beine angewiesen find, sie sind zum Teil vorher mit den Waffen ausgebildet. Und dann kommt noch etwas anderes hinzu: sie zogen begeistert in den Krieg gegen den Erbfeind. Was war das für ein Heer, das ihnen entgegenstand ? Ein NRekrutenheer, das erst eigent- lich in der Entwicklung begriffen war, von dem eine ganze Anzahl Leute das Gewehr kaum schon in der Hand gehabt hatten, die kaum mit scharfen Patronen geschossen hatten, kurz und gut, ein unaus- gebildetes Heer.

Daraus folgt : die Organisation eines Heeres kann überhaupt nur unter dem Gesichtspunkte erfolgen, daß die Erfüllung der Aufgaben, die dem Heere im Mobilmachungsfall obliegt, sichergestellt wird. Hätten wir Milizarmeen östliß und westlich von Deutschland und um uns herum Armeen, die wir wie die bisherige türkische einschäßen dürften, dann ließe sih über den Fall auch betreffs der deutshen Wehr- macht reden. Das ist aber nicht der Fall. Darauf kommt es an, daß wir ins Auge fassen müssen, welhe Aufgaben im Ernstfalle an uns herantreten.

Einer der Herren Abgeordneten, die vor mir gesprochen haben ih weiß nicht, ob es der Herr Abg. Gradnauer war —, kam auf das Thema der Schweiz. Es ist doch interessant, wenn ih Ihnen ein Urteil vorlese, welhés ein sehr sachverständiger \{chweizerischer Offizier abgegeben hat, nämlih der Oberst Wille, der sagt: ;

Die Negterung eines Landes, das nah seiner Größe und übrigen Verhältnissen zut offensiven Kriegführung wohl befähigt wäre, aber’ aus was immer für Gründen es unterläßt, ein dafür geeignetes Heerwesen zu unterhalten, verfehlt sih gegen das Volk und am meisten gegen jene Schichten desselben, welhe Bebel seine Genossen vennt.

Meine Herren, für die Offensive sind Milizen nicht geeignet, und gerade für die deutshe Armee, die im Ernstfallep wenn der Feind gégen uns vordringt, genötigt sein würde, zu einer machtvollen Offensive zu greifen, ist es unbedingt notwendig, daß wir eine gut

ausgebildete, fest disziplinierte Armee im Frieden uns halten, die im®

Krîiegsfale das Deutsche Reich sichern kann.

Ich kann von hier aus nur die dringende Bitte an Ste richten, alle derartigen Anträge, die auf eine Verkürzung der Dienstzeit hinausgehen, abzulehnen. Jch bin der Meinung, daß die jeßlge Zeit wahrhaftig nicht dazu angetan ist, derärtige Experimente zu machen, von denen die verantwortlihèn Leiter der Heeresverwaltung überzeugt sind, daß fie zum Rüin “des deutschen Heeres führen würden. (Bravo! rets.)

Abg. na (Fortshr. Volksp.): Wir haben begründeten Anlaß, anzunehmen, daß die Regierung unsere Resólutionen nicht etwa ohne weiteres ablehnen, E eingehend prüfen wird. Der Wert - der Resolutionen hängt : von der Stärke des Willens des RELaNN ab. Es handelt sih nicht etwa nur um Demonstrationen.

ie große Zahl der Resolutionen ist ein Beweis dafür, daß die Zahl dex unerfüllten Wünfche- auf militärishem Gebiete schr groß

ist. Der Reichstag müßte nötigenfalls bei einer Ablehnung dur den Bundesrat im nächsten Etat die Konsequenzen ziehen. Bei der un- geheuren Vermehrung des Heeres tritt der Wunsh nah Verkürzung der Dienstzeit um so mehr in seine Rechte. Wenn Frank- rei seine Präsenzstärke durch die dreijährige - Dienstzeit erhöht, so können wir niht im selten Augentlick, wo der Neichstag die Präsenz erböht hat, die einjährige Dienst;zit einführen und damit den Erfolg illusorish machen. Eine allgemeine Herab-

seßung der Dienstzeit auf - ein Jahr könnte erst in Betracht -

kommen, wenn sih ein allgemeiner derartiger Wunsch in Europa geltend macht. Das Beispiel von den Bulgaren und Serben scheint auch mir niht ganz glücklich gewählt. zu fein. Die deutschen Truppen würd°-n im Falle eines Krieges nur den besten Truppen entgegentreten. Wir wollen hoffen, daß das noch ret lange nicht der Fall jein wird. Die Einführung des Milizsystems wäre ein zu großes Risiko für uns. Manchen Schweizerni wäre s viel lieber, wenn sie ein, zwei Jahre hintereinander dienten, als wenn sie immer wieder ihrem Gewerbe entzogen werden Der sozialdemokratische An- trag würde au, wie schon betont wurde, sehr große Mehrkosten er- fordern. Die Sozioldemokcaten wollen nun, da sie ibren - Antrag niht zurücknehmen kännen, das Kind mit dem Bade ausshütten und das Justitut der Einjährig-Freiwilligen einfach beseitigen. Sie sollten lieber mit uns versuchen, es auf weitere Kreise auszudehnen. “Eine Privilegierung der Akademiker wünschen wir“ niht, sondern das În- stitut den Handwerkern, dem Mittelstande zugänglich zu machen und Gewerbeschulen und Mittelschulen usw. die Berechtigung zu“ geben. Es wäre gut, daß einmal mit hervorragenden Turnern ein- Versuch gemacht würde; die platonische Liebe des Kriegeministers nüßt uns nichts. Wir wollen feine Festlegung der Präsenzstärke des Heeres, die: Friedenspräsenz fann aber. aufrehi erholten werden dur eine Verkürzung der Dienstzeit, wie wir sie beantragt haben. Zwet und Folge dieser Wehrvorlage muß sein, ‘eine kriegsmäßige Ausbudung des Veeres herbeizuführen, alles andere ist überflüssig. Wenn man auch die Paraden nicht abschaffen kann, so müssen fie doch erheblich ein- geshränkt werden, damit fie nicht zu viel Zeit für Einübung erfordern ; die Freude der Bevölkerung an den Paraden fann niht maßgebend fein. Durch die Tätigkeit als Burschen, Ordonnanzen usw. wird ein großer Teil dec Soldaten dem Dienst entzogen. Jm vorigen Herbst ging man alsbald mit der Schießausbildung vor; ist dieser Jahrgang weniger tüchtig? Die Dienstzeit kann fo gestaltet werden, daß die ersten Winter- monate wegfallen könnten und eine frühere Entlaffung: erfolaen könnte. Die 23 monatige Dienstzeit könnte also sehr gut auf 18 Monate re- duziert werden. Die Militärverwaltung sollte zum mindesten einen Versuch damit machen. Dies wird in Zukunft noch mehr 1nöglich sein, wenn eine größere körperlibe und geistige Ausbildung stattfindet. Der Kaiser hat diese bessere Ausbildung letzthin ausdrücklich befohlen. Bei einer folhen Organisation der Jugendpflege kann. in der Tat in Zukunft, nur diese haben wir im Auge, eine wettere Verkürzutig der Dienstzeit eintreten. Die Sozfaldemokraten haben uns vorgeworfen, daß wir in usern Forderungen zurückgewihhen wären. Ich hoffe, daß unsere jeßige Resolution eine Mehrheit im Hause finden- wird, eine weiter- gehende Resolution würde autsihtelos gewesen fein. Hätten wtr gewußt, daß unsere weitergehende Resolution Annahme finden würde, fo hätten wir sie eingebraht. Dieser Spott mit der Limonade usw. läßt uns kalt. Stimmen Sie unserer Resolution zu; dann wird auch die Ne- gierung mit dem Kriegsminister einer Verkürzung der Dienstzeit nicht mehr ablehnend gegenüberstehen können. Die Militärverwaltung bittet uns immer, uns in ihre Gedankenwelt hineinzuarbeiten. Gut, das ist nôtig, aber auh die Militärverwaltung muß sich den Be- dürfvissen des Erwerbslebens anpassen. Dann werden alle Teile davon einen Borteil baben. Z :

Abg. Schulz - Erfurt (Soz.): Der Kriegsminister leistete sich beute den Wi, die Paraden wären Volksfeste. Das ist kein Argument, sondern ein Wiß. Er küwmirt sih nit um die Jugendausbildung, ihm liegt anden Blüten nichts, weil er die Früchte, die Abkürzung der Dienstzeit, nicht will. Die Hauptsache in dieser Frage ist die politische Ent- scheidung. Der Kri-gsminister seßt die Regierung dem Vaterlande gleih und stellt es-so hin, „als ob der Kampf „gegen die Megierung ‘ein Vergehen“ gegea däs Vaterland wäre. Die Armee foll die Sozialdemokraten bekämpfen, das ist doch Politik im höchsten Sinne des Wortes, die Politik soll ‘aber die Militärverwaltung über- haupt nichts anaehen, sie hat gar kein Recht, sih auf den Kampf gegen die Sozialtemokratie cinzulassen. Natürlih können nicht alle Abgeordnete sacverständig fein, es geht ihnen nit allen so gut wie dem Neichekanzler, der vom Major zum General- leutnant avanciert ist. Der Krieaëminister legt ein größeres Ge- wicht auf das Urteil eines Mannes, der niht mal die Gefrettenknöpfe hat, der wahrscheinlich überhaupt niht Soldat gewesen ist, des Abg. Erzberger, aber auf die sachverständigen Aeußerungen des Aba. Häusler gibt er nihts. Dic Bulgaren und Serben sind kein maßgebendes Beispiel, denn heute kommt es in eriter Unie: auf ‘die getstige Ueberlegenheit des Mannes an. Man lehnt Reformen nur ab, weil man aus scinem alten Gleise nicht heraus will. Wie bätte man den Mann angesehen, der vor 1806 die Scharnhorst\chen Ne- formen empfohlen hätte? Nach 1806 ging die Reform aber sehr schön, sozusagen unter den Bajonetten des Feindes. Neformen gehen immer, sobald nur ein Muß dahinter steht, und dieses Muß ist auch jeßt auf dem Marsche, vo die Kritik an den Heereseinrihtungen .in immer weitere Kreise dringt. E muß die Disziplin im Heere aufrecht erhalten werden, aber wir bekämpfen den fietheitsfeindliden Kasernengeist, der sid von der Außenwelt absc{ließt, wir bekämpfen den Drill als einen Quälgeist. Der österreichische Feldherr, der schon lange im Grabe liegt, Montecuculi hat gesagt, man lasse dèn Sol- daten nichts Unnüges tun, um so mehr werde er das Notwendige tun. Dtescs Wort kann noch heute gelten. Jede Zeit hat das Heerwesen, das sie verdient. Unsere Heeresorganisation paßt ntcht mehr zu dem demokratisdhen Wahlreht. Ueber. der beutigen Kaserne sollte stehen : Laßt alle Hoffnung draußen, denn während der Dienstzeit ist der Soldat nur Automat oder Puppe. Aber die moderne Zeit bringt es mit sih, daß nach einiger Zeit der Soldat zu“ denken anfängt. Wie der Drill und die unnüyen Vorschriften wirken, ‘das zeigte mir der Ausspruch etnes Theologie Studierenden, der mir während seiner Dienst- zeit infolge der vershiedensten Anordnungen erklärte: Da könnte man ja Sozialdemokrat werden. Solcher Fälle könnte ih mehr anführen. Das zeigt doch, daß sehr viel Zeit mit Dingen verbraht wird, die besser unterbleiben könnten. Dabei ist es doch besonders. ungereht;. wenn man die ärmeren Volksschichten zwei Jahre und .die Besizenden nur ein Jahr dienen läßt. Wir werden es an Aufklärungén nicht fehlen lassen, damit die Lute diese Ungerechtigkeit eintehen. Für die Er- ziehung des Volkes zur Wehrhaftigkeit tritt gerade die Soziäldemokrätie am wärmsten ein. Daß man schon auf der Schule mit-der, militärischen Erziehung - beginnen kann, das- geben selbst Fachleute wte Geaeral- feldmarschall von der Golß zu. Will man allérdings. die Kinder schon wehrhaft machen, dann muß man au dazu übergehen, die Arbeiter so zu bezahlen und ihnen solche Lebensbedingüngen zu schaffen, daß sie ihre Kinder gut ernähren und richtig erziehen können. Im preußischen Herrenhause tst, allerdings aus ganz. anderem. Grunde, die sozialdemokratishe Forderung auf Verlängerung der Schulzeit wiederholt worden. Wir verlangen, daß den Kindern in der Schule chon die Fähigkeiten beigebraht werden, die sie als Soldaten brauchen, und zwar muß diese Negelung dur Reichsgeseß - erfolgen. - Die eben aus der Schule Entlassenen dürfen niht länger als. 6 Stunden am Tage beschäftigt werden und müssen -mindestens 4 Wochen - jährlich Urlaub erhalten. Wir sind nicht einverstanden mit dem Jung- deutshlandbund, der den guten Gedanken der “Jugenderzichung

geradezu : zur Karifatur, zum Hohn auf. die Erziehung der Jugend

zur - Wehrhaftigkeit diskreditiert. Der Jungdeutshlandbund hat zum Zwecke die Vorbereitung zum Kriege. Fretherx von der Goly sagk dies noch einigermaßen vorsihtig, wenn er wünscht; daß „etné große Zeit ein großes Geschlecht sehen möge“, aber die Unterführer syrechen es deutli aus, daß die Freude am Krieg in der- Jugend ‘ein Sebnen nach ilm auslösen möge. Ift es nicht eine unerhörte Versündigung- geradezu ein Verbrechen an unserer Jugend, wenn thr dergleichen ett- geimpft wird? Die Ursache von Kriegen sind politishe Vorgänge, also müßten die “Kinder in die Gedankengänge-- der - Politik ein-

eführt werden. Da müssen wir Sozialdemokraten Jhnen Tagen : Berschonen Sie doch die Kinder mit solhen Dingen ! Sch C od sehr viel Material, aber mit Rücksicht auf die Geschäftslage .… Vize- prâsibent Dove: Jch bitte, do die Rücksicht auf die Geschäftslage 1 nehmen . . Auch-in den Kreisen der Nichtsozialdemokraten werden starke Bedenken gegen die Soldatenspielerei der Jugendlichen ge- äußert. ‘Die Soldatenspieléret ecfüllt die Jungen nur mit Eitelkeit, be- fördert ihre Großmannssucht und \{adet ihrer Schulbildung. In. diesem Sinne hâben sich hochstehende Militärs ausgesprochen, und doch wird dieje Zens eng von den. Behörden - unterstüßt und gefördert. Der Kriegsminister jollte im Ministerrat dafüx sorgen, daß den Bestrebungen der Arbeiter auf dem Gebiete der Jugendpflege von den Behörden keine Steine in den Weg gelégt werden. Dem Arbeiterturnverein in Altenburg wurde die Ueberlassung des Exerzierplayes zu turnerischen Zweken an‘ Sonntagen berjagt. Warum? Der Exerzierplatz liegt doch frei, ‘und eine Kollision mit den Zwecken des Militärs int aus- geihlossen." Die“ bürgerlichen Jügendvereine bekommen die General- stabskarten zu halbem Preite, - die Arbeitervereine nicht : stat Pro ratione voluntas! Gerade die jungen Arbeiter haben ein Inter- esse, diese Karten zu bekommen, das nüßt der Wehrhaftigkeît -des Volkes. Wir wollen dur éine gute körperliche und geistige Er- ziehung eine denkbar große Wehbrhaftigkeit erreilzen. Das Heer soll

niht Selbstzweck sein. Blücher sagte 1814, es ist der Ruhm

Preußens, daß man nicht sagen kann, wo - der Bürger anfängt und der Soldat aufhört. Heuté ist es gerade umgekehrt. Zwischen Soldaten und Volk werden. Schranken aufgerihte. Wir werden A erlahnen, wie Blücher ‘vorwärts zu schreiten ; wir werden iegen.

Preußischer Kriegsminister, von Heeringen: -

Ich hatte eigentli die. Absicht, mih nur zum Wort zu melden, weil ih gegen die ganz unrichtige Auslegung, die der Herr Vorredner zweien meiner Bemerkungen gegeben hat, mich verwahren wollte.

Das eine ist das, ih hätte gesagt, der Einjährigfreiwilligendienst müßte in der Armee unbedingt aufgehoben werden. Meine Herren, ih erinnere mih der Aeußetung, die ich gemacht habe, sehr wohl. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, daß das einjährige Dienen zwar seine Nachteile hâtte, daß wir aber auch Vorteile daraus zôögen, und in der Budgelkommission hob ih ganz speziell hervor, wie vortreffliche Erfahrungen wir im Feldzuge mit unseren ehemaligen Einjährigfrei- willigen gemacht haben, . die in großer Zahl auf die Kompagnien ver- teilt das- intelligente Element. vertraten. So wird es au tn der Zukunft sein. Es ist eine Last, die die Armee aus anderen Rücksichten auf sih-nimmt; mit dieser Last findet sie sich aber ab. Die Aus- bildung der Einjährigfreiwilligen ift natürlich \{chwieriger und erfordert mehr Arbeit als ‘bei den anderen Mannschaften. Bei wenigen Leuten Täßt cs fi leisten, bei einer größeren Anzahl von Leuten, wie ih vorher ausführte, nit.

Nun ‘der zweite Saß! Der Herr Abgeordnete sagte, ich hätte be- hauptet, die längere Dienstzeit sei wegen der Paraden notwendig. Umgekehrt habe ich gegenüber dem Herrn Abg. Gradnauer vorhin därauf hingewiesen, daß es unrihtig wäre, wenn er aus meinen Aeuße- rungen ge\chlossen hat, daß ein Fünstel der Dienstzeit nur für Parade- foldaten bestimmt wäre. Jch. habe lediglich gesagt, daß die Paraden auch ihre Berechtigung hätten. Daß aber aus diesem Grunde eine längere Dienstzeit nötig wäre, das zu behaupten hat mir vollständig fern gelegen. :

Die Herabsetzung einer“ Dienstzeit das liegt doch für jeden auf der Hand, der objektiv an die Frage herantritt -zeitigt eine weniger gute Ausbildung. An. diese Frage. heranzutreten, würde für Deutschland. in- diefem Moment entschieden noch schwieriger sein als zu. jedem andern Zeitpunkt. Zweifellos wird durch. eine noch kürzere Dienstzeit die Kampfkraft der Armee geschädigt. Die Heeres- vorlage, die wir Jhnen jeßt vorgelegt haben, will aber ‘umgekehrt eine Verstärkung der Armee' errethen. Damit würde eine Verkürzung der Dienstzeit in direktem Widerspruch stehen.

Nun hat der Herr Abgeordnete u. a. gesagt, die Hecresvorlage stände auch nit mit dem Wahlrecht in Uebereinstimmung. Ich glaube, Heereévorlagen müssen in allererster Linie doch unter militärischen Gesichtspunkten betrachtet werden; denn: was nüßt mir eine Armee, die, wenn sie auch mit - irgend einem Wahlrecht übereinstimmt, in ihrer Organisation den Aufgaben, die in “cinem Ernstfalle an das Vaterland herantreten, nicht gewadsen ist und somit unterliegt. Darauf. kommt es ausschließlich an. Eine Armee, die in ihrer ganzen Organisation, Bewaffnung und Ausbildung dem Ernst der Zeit ‘niht gewachsen ist, mag sonst im Frieden polttish sehr {öôn organisiert . sein: militärisch taugt fie. nihts. (Sehr rihtig ! rechts ) j i

Der Herr Abgeordnete hat weiter gesagt, der freie Mann unterwerfe sh den. Vorschriften, wenn er sie für notwendig hielte. Ja, wenn dieser Gesichtépunkt. allerdings in einer Armee maßgebend sein sollte, dann weiß ih nicht, wie da eine disziplinierte Armee herauskommen follte. (Sehr richtig !. und: Heiterkeit rechts.) Dann müßten wir erst. cine Abstimmung unter unsern Soldaten eintreten lassen, welche Vorschriften denn eigentlich notwendig wären. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) In. einer Armee, die auf diesen Namen Anspru machen will, kann: nur ei n Wille herrshen; sonst versagt sie. (Sehr richtig! und Beifall rechts.) Den inüeren Geist unserer Untergebenen kennen wir sehr gut. Ein erstes Erfordernis jedes Vor- geseßten ist, daß er sich mit seinen Untergebenen eingehend befaßt. Jeder, der den legten größeren Feldzug Deutschlands mitgemacht hat, weiß, wie der Vorgeseßte mit seinen Untergebenen intim verkehrte, wie er ‘am Biwaksfeuer mit ihnen zusammenlag und sie auc in ihren

‘Familienverhältnissen beriet. Und wenn sie in die neueste Zeit über- gehen, dann lesen Sie ih die Berichte aus Afrika dur, wo ganz genau dasselbe passiert ist, wo Offizier und Mann genau so’zusammen- gekettet waren (bravo! -rechts) und der Offizier dem Mann half und der Mann -dem Offizier. So is das Verhältnis zwischen den deutshen Offizieren und den Soldaten, und nit so, wie Sie das in Ihrer Phantasie“ si - vorstellen und uns - erzählen. (Lebhafte Zu- stimmung rechts. Lachen bei den Sozialdemokraten.)

Der Herr Abgeordnete hat dann, um das Ueberflüssige in unserer Ausbildung zu kénnzeihnen, auf einen Artikel im „Militärwohen- blatt* hingewiesen, der im Jahre 1885 erschienen ist. Nah meiner

General der Jnfanterie

Rechnung sind das“ heute 28 Jahre her. Außerdem hat er auf feine

eigenen Erfahrungen hingewiesen, die wohl beinahe ebenso lange zurüdckliegen. Ich glaube, wenn man die Armee kritisieren will, muß mán auf die heutigen Verhältnisse eingehèn; und die liegen durchaus

anders.

e Au ‘gegenüber dem Herrn Abg. Liesching muß ih eine Be- meifung mahen. “Er meinte, - im vorigen Herbst hätten“ wir eine andere Ausbildung eintreten lassen als sonst. Nein, es ist genau so

- ausgebildet worden, wie in anderen Jahren. Wenn Sie ih unsere

Exerzierreglements durhlesen und wenn. Sie den praktishen Dienst der Infanterie überhaupt kennen, dann werden Sie finden: heutzu- tage wird der Rekrut sofort in den allerersten Wochen in das Ge- lände hinausgeführt. Die Idee, daß man ihn erst mehrere Monate in der Kaserne einsperren müßte - und auf dem Exrerzierplay mit Marsch und Griffen auszubilden habe, ist längst überwunden; nicht erst gestern und vorgestern, sondern schon seit vielen Jahren. Wir wissen sehr wohl, daß der Mann fih zunächjt im Gelände bewegen [ernen muß, ;

Schließlich ist der Herr Vorredner auf die Jugen dausbildung gekommen. “Ich glaube, er tut gerade dem Kriegsministecium da etwas unrecht ; denn gerade das Kriegsministerium ist es gewesen, tas auf eine bessere Ausbildung unserer Jugend hingedrängt kat. Die ganze heutige Bewegung, die hier eingeseßt hat, ist in erster Linie dem Kriegsministerium zu verdanken. Wenn er dann in seinen weiteren Ausführungen seine Ziele genannt hat, so will ih gar keinen Anstand nehmen, zu erklären, daß in vielem, - was er gesagt hat, vernünftige und richtige Gedanken liegen. Wenn er -aber dann die sozialdemokca- tischen Vereine als die besten preist, so bedauere. ih, ihm darin nicht folgen zu können. So richtig die Ansichten inbezug auf die Weiter- ausbildung unserer Jugend in körperlier und gelstiger Beziehung sind, so sollen sie doch nicht mit politishen Zwedten verbunden werden. (Lebhafte Zustimmung rechts.. —- Zurufe von- den Soztaldemokraien.)

Der Herr Abgeordnete hat hier eine ganze Anzahl von Zeitungsartikeln von Generalen und anderen Männern vorgelesen, die merkwürdizgerweise für ihn nur dann Autoritäten find, wenn sie mit ihm übereinstimmen. Die Hauptsache das betone - ih, auch. heute wieder bet dieser ganzen Jugendbewegung ist / nicht Soldatenspielerel, sondern gute geistige und fkörperlihe Ausbildung. (Sehr richtig! rechts.) Das haben auch - Männer, wie Herr von Schenckendorf, betont. Die Statuten des Jungdeutschland-Bundes. stellen als besondcre Ziele hin :

1) die Jugend wehrhaft und wahrhaft zu machen, sie körperlich und seelisch zu kräftigen, sie zur Ordnung und Gehorsam zu er- ztehen, ihr Treue in der Pflichterfüllung und Gemeinsinn einzu- flößen, damit sie den - Dienst für das. Vaterland als höchsten Schmuck des deutschen Mannes erkennen,

2) der Armee das Herz der Jugend zu bewahren,

3) dahin zu wirken, daß sich auch die: Armee in den Dienst dieser Bestrebungen stellt, und daß ihren Angehörigen. die Bahn freigemaht wird zu freiwilliger Arbeit an diesem Werke.

(Zuruf links: Ist das" politisch oder nicht?) Nein, das ist nicht politis; der Armee das Herz der Jugend zu wahren, ist wahrhaftig nicht politisch. (Sehr richtig! rets.)

Wenn nun einzelne Schaumspriter in Zeitungsartikeln über das Ziel hinaus\chießen, fo dürfen Ste den Jungdeutschlandbund im ganzen dafür nicht verantwortliß machen. (Sehr richtig! rechts.) Nicht die

. Verherrlihung des Krieges is in erster Linie Sache des Jung-

deutshlandbundes, sondern die Opferwilligkeit dem-Staate gegenüber zu kräftigen, den Opfersinn der Allgemeinheit zu pflegen. (Erneute Zustimmung rets.) Daß die Herren Sozialdemokraten mit diesen Bestrebungen, Volk und Heer nach dieser Richtung hin innig zu ver- binden, nit einverstanden sind, das fühle ih ihnen nach. Ich kann dem Herrn General-Feldmarschall von der Goltz nur dankbar sein, daß er sih mit so großer Liebe und so vielem Eifer an die Spitze dieser

„Bewegung gestellt hat. Ich " wilnsche têm Jüngdeutshlandbund

weiter gutes Gedeihen. (Lebhafter Beifall rechts. Zurufe von den Sozialdemokraten.)

__ Abg. Ko ch (fortshr. Volksp.): Ueber dic Aufhebung des Ein- jährigenprivilegs ließe sih ja im Notfall reden. Aber vorläufig ist daran nicht zu denken, im Gegenteil, man muß darauf seben, es noch weiter auszudehnen. So gibt es eine ganze Reihe von Schulen, die mit dem Abgangöszeugnis sehr gut die Berechtigung zum Einjährig- Freiwilligendienst erteilen könnten. Nach den bisherigen Bestim- mungen find die meisten Fahshulen und die Mittelshulèn davon aus- geschlossen. Ihre Zöglinge müssen ein besonderes Examen vor der Prüfungskommission ablegen. Auf * jedèn Fall is die Vor- bereitung diefer Absolventen meist eine bessere und thre Bil- dung ist eine abgeschlossenere als die der Untersekundaner auf den höheren Schulen. Das trifft ganz besonders für die Absolventen der Baugewerkshulen und der landwirtschafr- lien Fachshulen zu. Die Erteilung dieser Berechtigung hat auch eine große wirtschaftlihe Bedeutung. Man würde sehr zur Hebung der in Betracht kommenden Stände beitragen. Der Gedanke ist zudem auch fehr mittelstandsfreundlih. Vielen Eltern in kleineren und Mittelstädten ist es möglich, dann ihre Kinder bet fh zu behalten, wenn sie an Ort und Stelle den Berechtigungsfchein' erwerben können. Denn gerade Mittelshulen und Fachschulen sind oft die einzigen Bildungsanstalten in diesen Städten. Viele Söhne würden darn auh sicher das Handwerk des Vaters ergreifên. Die absprechenden Urteile über die mangelhafte Ausbildung dex Neserveleutnants sind un- berehtigt. Denn gerade ihre Dienstzeit ist, die Uebungen ein- gerehnet, länger als tie tér Zwetjährigen. Von einer Abneigung gegen eine längere Dienstzeit im allgemelnen kannt keine Nede sein, denn gerade bei den Kaballerieregimentern gibt es fast nur Freiwillige. _ Abg. Dr. Quar ck- Frankfurt (Soz.): Die Fortschrittler sind inkfonfequent. Erst reden sie das ganze Jähr hindurch den Wählern vor, daß bei Gelegenheit solcher Milttärforderungen Reformen durh- gedrückt werden müßten, und hier, wo- eine wirklihe Reform durch- geführt werden kann, versagen sie. Tatsächlih' wird auch dicse Vor- lage wieder ohre jede Gegenleistung angendmmen werden. Die Söhne von Großbauern haben ‘es leiht, freiwillig 2 bis 3 Jahrg zu dienen, da ihnen die Zollgeseßgebung und der Schweiß ihrer Arbeîter- die Mittel dazu verschaffen. Von einer “wahren Kameradschast zwischen Offizieren und Mannschaften kann in Friedenszeiten siherlih keine Rede sein. Wer nit glaubt, daß es sch beim Jungdeutschla bund um eine politishe Organisation handelt, dem ist nit zu befe selbslverständlih darf in diejem Bunde nur konservative Parteipolitik getrieben „werden. Die Regierung ‘und. die herrshenden Parteien wollen die zweijährige Dienstzeit nur aufrechterhalten, weil sie fürchten, fonst nicht die von ihnen gewünschte Disziplitk in die Leute hineinzubekommen. :

Preußischer . Kriegsminister, General der- Jnfanterie von Heeringen: :

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat darauf hingewiesen, daß nah seiner Auffassung die Kamerad\chaft, die zwischen

deutschen Offizieren und Soldaten im Kriege 1870/71

bestand, in dem Moment aufgehört hätte, wo wir wieder in rubigere Verhältnisse gekommen wären. (Sehr richtig! bet den Sozialdemo- kraten Sehr fals! rechts.) Er hät gesagt, dieses kameradschaft- liche Verhältnis hätte wohl während des Feldzuges in Frankreich be- standen, nachher aber niht. Er hat \sich nicht über die näheren Motive ausgelassen, die er dieser seiner Aeußerung unterlegt. Jch

will aber feststellen, daß ih das, was er gesagt hat, als eine Beleidi

gung des deutshen Offizierkorps ansehe (Lebhaftes Brabo! rechts Zurufe von den Sozialdemokraten), als eine“Beléidigung ‘der deutschen Offiziere, welche im. Jahre- 1870/71 Gut und Blut für das Vater-

land eingesegt haben. (Lebhaftes Bravo! rechts.) Jch muß diese Aeußerung auf das bestimmteste zurückweisen. (Bravo! rehts und Zurufe von den. Sozialdemokraten.)

Abg. Zu beil (Soz.): In weit höherem Maße als die Offi- ziere haben die Gemeinen 1870/71 ihr Leben eingeseßt. Von dem Augenblicke ab, als der Krieg erklärt wurde, änderte sich das Ver- hältnis von Offizieren und Unteroffizieren zu den Gemeinen in den Kasernen ; da verschwand das „Rindvieh“ usw. aus der Kaserne, da tranken die Offiziere bei uns in-Guben mit uns aus einer Pulle. Ganz anders aber wurde es, als . der Krieg eln Ende hatte, da änderte sich das BVérhältnis mit einem Schlage, weil die Offiziere nihts mehr zu für{hten hatten. Es muß dafür gesorgt werden, daß die Schurigelungen und Mißhandlungen in der Armee aufhören.

Preußischer Kriegsminister, General der Jnfanterie von Heeringeén:

Nicht deshalb habe ich angeführt, daß die deutshen Offiziere im Jahre 1870/71. ihr“ Gut und Blut für das Vaterland hingegeben hätten (Zurufe von den Sozialdemokraten: Bestreiten wir nit !), um damit etwa zu sagen, daß der deutshe Soldat es nicht in gleiher Weise getan hätte. Aber es ist selbstverständlih, daß in jeder Not und Gefahr der Offizter seinen Untergebenen vorangeht (sehr wahr! rets), und daß es auch 1870/71 so gewesen ist, das zeigt, daß der Prozentsaß der gefallenen und verwundeten Offiziere erheblich größer war als der der Mannschaften.

Wenn der Herr Abgeordnete aber sagt, daß nach seiner Auffassung deshalb ein anderes Verhältnis zwishen den Offizieren und ihren Untergebenen nach dem Feldzuge eingetreten wäre, weil der Offizier dann nihts mehr zu befürchten gehabt hätte, meine Herren, . dann fehlen mir die parlamentarischen Worte dafür (lebhafter Beifall \türmishe Zurufe von den Sozial- demokraten), um diese Unterstellung gebührend zu kennzeihnen und fo etwas energisch zurückzuweisen. (Große Unruhe bei den Sozial- demotraten. Lebhafter Beifall.) Der deutshe Offizier fürhtet über- haupt nichts, am wenigsten seine Untergebenen (Lachen- bet den Sozial- demokraten), und wenn fo etwás hier gesagt wird, dann ist das meinem Empfinden nach nicht nur eine Beleidigung des deutshen Offiziers (sehr gut! rechts), es ist auch eine Beleidigung des deutshen Soldaten, die ih biermit zurückweise. (Lebhafter Beifail rets.)

Damit schließt die Diskussion. i

Die Abstimmung über die vorliegenden Anträge wird auf morgen verschoben.

Von den Sozialdemokraten ist ferner ein neuer Artikel Tb beantragt :

„Die zum Militärdienst . eingezogenen Mannschaften dürfen

nicht zu häuslichen Dienstleistungen verwendet werden.“

Seitens der Kommission liegt folgende Resolution vor:

„Den Neichskanzler zu ersuchen, die erforderlihen Maßnahmen zu treffen zur Verringerung der Burschen, jedenfalls im Sinne des Verbots des Haltens zweier Burschen oder Or- donnanzen.“ ;

Abg. S tüclen (Soz.): Es muß geseßlih festgelegt werden, daß die Soldaten zu häuslichen Dienstleistungen nicht verwendet werden dürfen. In Deutschland werden nahezu 30 000 Mann dem Dienst entzogen dadur, doß sie ‘allerlei häuslihe Arbeiten ver- 1ihten und die Detenstmädhen der Offiziere erseßen müssen. Diese Praxis verstößt “‘auch "gegen ‘die Reichsverfassung. Denn nah der Verfassung hat der Kaiser die Pflicht und das Recht, dafür zu sorgen, daß kein “Soldat seiner militärishen Ausbildung

[“entzopeñn “tvird. Vot ‘seiten bes" Kriégbitiinistéciünms"wutde ‘darauf ‘hin-

ewiesen, daß das’ Recht der Offiziere: auf Zuerteilung von Burschen ch auf eine ‘Kabinettsorder jtüße, die vor 100 Jahren er- lassen worden ist. Diese Verordnung ist aber unter ganz anderen Verhältnissen erlassen worden. Wenn die Offiziersburshen alle vorgeschriebenéti Dienstleistungen verrihten, dann bleibt ihnen keine Zeit für thren eigentlilen Dienst. Die Pflichten des Offiztersburschèn find -außerordentlih zahlreih und vielseitig. Der Redner verliest untcr großer Heiterkeit des Hauses aus einem uche eine Reihe von häuslichen Dkenstleistungen, die die Burschen verrichten müssen) Es“ gibt kein aeseulihes Recht, Soldaten zu Lakaiendiensten zu verwenden. Nun will man den Zeug- offizieren die Burschen- wegnehmen. Das geschieht aber nur, um auch rein äußerlich. .dorzutun, daß jene Offiziere nur Offiziere zweiter Klasse sind. Warum nimmt man nicht allen Offizieren die Burschen? Wenn die Herrschaften Dienstmädhen brauchen, dann follen sie sich welche engagieren, aber nicht Soldaten dazu benuten. Man verwendet: die Soldaten auch zu römischen Schanzarbeiten! Wir erblicken in folhen/ Maßnahmen einen Mißbrauch der Kommando- gewalt und einen Verstoß gegen die Verfassung. Die Soldaten dürfen nicht als Lakaien ‘verwendet werden. __ Generalleutnant von Wandel: Der Abg. Stücklen bat soeben dieselbe Nede -. gehalten wie in der Kommission, er . hat au dieselben Unrichtigkeiten vorgebraht wie damals. Er hat davon gesprchen, daß 30000 Mann als Burschen dem . Dienst ent- zogen werden. Ich habe bereits in der Kommission ausgeführt, daß die Zahl der dienstfreien Burschen \ich nur auf 11000 keläuft. Diese Burschen ‘sind als Pferdepfleger für die berittenen Offiziere kommandiert, von „denen nicht verlangt werden kann, daß sie ihre Pferde selbst puyen. . Er hat dann ferner ausgeführt, daß durch sonstige Komtmmandiëtüngen 10/000 Leute dem Dienst entzogen werden. Diese Leute haben eine volle einjährige Ausbildung hinter sich; sie erledigen z. B. “ihre vollen Schießübungen , - gehen mit ins Manöver, auf. die Truppenübungspläße und haben nur eine un- wesentlide Erleichterung gegenüber den übrigen Mannschaften. Für die Offiziere kommen Zivildienstpersonen in den Kasernen, auf den Truppenübungspläßen und im Manöver nicht in Betracht. Das hat au der Neichôtag ‘im Offizierpensionsgeseß durch Festsetzung einer Entschädigung für ‘die dem Offizier zustehende Bedienung anerkannt.

Nun wird so getan, als ob der Dienst des Burschen eine Herabsetzung

wäre. Es hat fh noch nie ein Mann geweigert, Bursche zu werden, im Gegenteil. Die Leute denken mit großer Freude an die Zeit zurück, wo sie Burschen waren. Zu- dem vom Vorredner zitierten Buche hat die Militärverwaltung keine Beziehung. Man hat uns die Absicht unter- legt. wir wollten einen weiteren Trennungéstrih zwischen den übrigen Offizieren und den Zeug- und Feuerwerksoffizieren ziehen. Dem- gegenüber stelle “ih fest, daß der ‘bei weitem größte Teil der Herren auf Befragen selbst erklärt hat, eine Entschädigung einem Burschen ‘vorzuziehen. Die Herren begründen ihre Erklärung damit, - daß fie fagen: Wir haben den Burschen. selten zur Ver- fügung, müssen ihm ein Zimmer mieten und außerdem müssen wir doch noh einen Dienstboten halten. Es ist also ein Vorteil, der den Herren zugerdendet werden foll, der auch den Verhältnissen ganz entspricht. Die Herren rücken niht ivs. Manöver usw., sondern bleiben jahrelang in der Garnison. Es ist niht richtig, daß viele Offiziere zwet Bursben haben (Zvtuf bei ten Sozialdemokraten : Wie ist es mit dèn- Ordonnanzen ?) Eine Ordonnanz t nur zulässig, soweit der Bursche mit Arbeit übexlastet ist. Wir haben kein Inter- esse daran, die Zahl- der Burschen zu erhöhen, sondern werden dafür. sorgen, daß thre Zahl gering. bleibt. Wir werden das auch tun, ohne daß etn Paragraph ‘in ‘das Gestß aufgenommen wird. Ich bitte also, keine Aenderung eintrêten zu ‘lafsèn. E

Abg. von Graefe (dkons.) : Meine Freunde hatten zuerst die

Absicht, für die. in der .Kommission eingebrahte Resolution zu

stimmen. Als aber hinzugefügt wurde, daß das Haltén zweier Burschen oder. Ordonnanzen verboten sein foll, da war es uns un-

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