1913 / 143 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 19 Jun 1913 18:00:01 GMT) scan diff

Uebersicht über die von den Provinzialrentenbanken seit ihrem Bestehen bis zum 1. April 1913 ausgegebenen und ausgelosten Rentenbriefe.

Ara

tp

Mithin sind

am 1. April 1913

: noch unverlost in Umlauf im Umlauf

gesept gewesen M : M M 98 289 0559 | 32436 555 | 25 852 500 a. 3s 9/0 a. 34 9% a. 34 9/0 49 679 700 44 849 400

b. 4% b. 4 9% 1 564 125 l 561 §800

2 850 2 700 110 263 845

as 34 09% as 9 090 705

An Rentenbriefen sind bis

Bezeichnung zum 1. April 1913

der

Provinzen ausgelost

Ost- u. Westpreußèn

auf Grund des Ges. vom 7. Juli 1891

auf Grund des Ges. vom 8. Juni 1896

Schlesien. .

auf Grund des Ges. vom 7. Iult 1891

auf Grund des Ges. vom 8. Junt 1896

10 955 955 D ZE O

7 620 540 b. 4 9%

30-925

99 307 890 9E 9/0 1 470 165

5 100

29 240 37

A 84 a B00

auf Grund des Ges. ] 5'697 21 s 6 179 010 vom 7. Juli 18914 D. d : / b. 4 9%

86 070 auf Grund des Gef. | vom 8. Juni 1896 4

Sachsen

auf Grund des Ges. vom 7. Juli 1891

auf Grund des Gef. | vom 8. Juni 1896

Brandenburg

65 940 945 a. 38 9% 3 982 725 b. 4 %

941 670

46 043 925

a, S v/G 51 390

b. 4 0/%

19 897 020

3 403 770 a. 9d 9/0

4 970 355 b. 4%

213.285

9 987 475 2 583 705 t: 34 9% a. 3F 9% 9 119 095 148 740 b. 4%

b. 4 9% 213 289 é

Hannover.

vom 7. Juli 1891

auf Grund des Ges. vom 8. Juni 1896

Westfalen u. Nhein- provinz . N

auf Grund des Ges. |

36 880 095 de 3T 9/0)

50 610 920 6 269 175 a. 3# 9/0 a. 349% 8417 055 747 720 7 669 335 b. 4% b. 4 9% b. 4 9% 300 750 900 299 850

1950 1950

6 287 550 '2 532 300

a. 98 9% a. 38 9/0 a. 34 9/0 410 730 244 380 1 166 350

b. 4 9% Þ. 4% F b. 4%

auf Grund des Ges. / vom 7. Juli 1891

aufGrund des Ges. vom 8. Juni 1896

] Hessen-Nassau

auf Grund des Ges. | 4 vom 7. Juli 18917

auf Grund des Gef. vom 8. Juni 1896 ü : x

Posen . 54 604 560 | 45728985 | 8875 575

a. 38 9% . 3F 9% a. 3# 9% auf Grund des Ges. 13 475 760 239215 11 236 545 vom 7. Juli 1891

b. 4 % . 4 9% b. 4 9% 422 475 3 675 418 800 auf Grund des Ges. vom 8. Juni 1896

3 (99 290

3 975 \ 3975 45 272 145 929 432 430 15 839 715 a. 3s o é a. 34 9% 63 674 415 I SBT T 59 846 640 Þ. 49%

Pommern.

auf Grund des Ges. j vom 7. Juli 1891

auf Grund des Gef. vom 8. Juni 1896

Schleswig-Holstein

aufGrund des Ges. vom 7. Juli 1891

auf Grund des Ges. vom 8. Juni 1896

1 350 45 910 860

a. 34 92/0 20 754 465

21 381 960 d 0A 9% 711 405 b. 4 9%

147 395 280 s 34 9/0 166 512 570 b. 4 9%

D O20 0

513 173 985 | 365-778 705 a. 98 9/0 . 3# 9% 181 301 865 14 789 295 b. 4% b. 4 %

3 830 53 6 960 16 050 1125

) ) 698 322439 | 380 576 085 j 317

Zusammen 3253 575

14 925 746 350

Deutscher Reichstag. 164. Sißung vom 18. Juni 1913, Nachmitiags 3 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphishem Bureau“.)

Das Haus seßte die zweite Beratung der Wehrvorlage mit den gestern zurükgestellten Abstimmungen über die von den Sozialdemokraten beantragten Artikel Ta und Thb nebst den dazu vorliegenden Resolutionen fort.

Artikel Ta (Einführung der allgemeinen einjährigen

Dienstpflicht im stehenden ag wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt, ebenso der Eventualantrag auf eseitigung der Vorrechte der Einjährig - Freiwilligen. Die tejolütion der freisinnigen Volkspartei auf Erleichterung und Abkürzung der Dienstzeit dur spätere Einstellung oder frühere Entlafsimg der Mannschaften und Vorbereitung einer geseßlichen Verkürzung der Dienstzeit entsprehend der besseren geistigen und körperlichen Ausbildung der Jugend wird mit den Stimmen der Freisinnigen, Sozialdemokraten, ' Polen und einiger Zentrumsmitglieder angenommen, desgleichen die von der Kommission vorgeschlagene Resolution, betreffend eine teform des L e Dienstes im Sinne einer rweiterung und Erleichterung der Zulassung auf Grund auch der Fachausbildung, mit dem von den Freisinnigen beantragten

| Gub: „oder erwiesener hervorragender Leistung auf dem

iet des Turnens“,

Der von den Sozialdemokraten beantragte Art. Ib: „Die zum Militärdienst eingezogenen Mannschaften dürfen niht zu häuslichen Dienstleistungen verwendet werden“ wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, Polen und weniger Zentrumsmitglieder abgelehnt, dagegen die von der Kommisfion vorgeschlagene Resolution, betreffend Verringerung der Burschen, jedenfalls im Sinne. des Verbots des Haltens zweier Burschen oder Ordonnanzen, angenommen. Weiter liegen vor die Kommissionsresolutionen :

„den Reichskanzler zu ersuchen,

1) der Entwicklung in der Armee, die in wachsendem Maße zu Negimentérn mit autscließlich oder überwiegend adligen OffizterkorpÞps geführt hat, entgegenzuwirken ; j

2) dahin zu wirken, daß ein ständiger Austau fs ch zwischen den Offizierkorps der Grenzregimenter, sowie der unter ungünstigen Lebensbedingungen stehenden Garni- sonen und den in großen Städten oder unter bevorzugten ört- lichen Verhältnissen garnifonierenden Truppenteilen stattfindet.“

Die Sozialdemokraten wollen in das Geseß folgenden Art. Le einfügen:

„Bestimmungen, durch die das Gardekorps und die fonsligen Cliteformationen sich von den übrigen Truppenteilen unterscheiden, n O bestehende Bestimmungen dieser Art werden auf- gehoben.“ H i |

Eine Resolution Ablaß und Genossen (forts{chr. Volksp.) geht dahin:

„den Reichskanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, daß keinerlei Privilegierung einzelner bestimmter Truppenkörper nah Garnisons- ort, Avancement und Aushebung stattfindet.“

__ Abg. Dr. Len \ch (Soz.): Wir haben uns nicht mit einer MNesolution begnügt, sondern einen Antrag gestellt, weil wir wissen, wie Resolutionen des Hauses von der Regierung behandelt werden. Das follte auch die Herren von den bürgerlichen Parteien veranlassen, fich zu Überzeugen, daß hier mit einer Resolution so gut wie gar nichts getan ist. Die militärfrommen Parteien, zu denen bekanntlich besonders das Zentrum gehört, hatten sh besondere Mühe gegeben, in der Kommission nachzuweisen, daß man den Landes- herren nicht verbieten könne, eine Garde zu bilden. Der Kaiser hat auf Grund der Neid:sverfassung die Pflicht, für eine ecin- beitlihe Formation und Organisation des Heeres zu forgen. Diese Bestimmung kann unmöglih maßgebend für die Bildung einer Elitetruppe sein. Die Mobilmachung der Garde is wesentli \chwerer als die der anderen Korps, weil die Mannschaften dieses Korps in allen Landeëêteilen zerstreut wvhnen. Also auch vom Stand- punkt der reinen Militärverwaltung aus erscheint unser Antrag be- gründet, vorauêgeseßt, daß das Kriegsministeriumn mit dem Gardekorps keine Nebenabsichten verbindet. Troßdem also die Schlagfertigkeit des Heeres durch die Garde leidet, hat der Kriegsminister in der \chroffsten Form erklärt: wenn dieser Antrag angenommen wird, dann fällt das ganze Gesez. Wochen- und monat-lang hat sih die Neichs- regierung strapaziert, uns klar zu machen, daß von der gewalttgen Verstärkung des Heeres die Sicherheit des deutschen Volkes und der Nation abhängt, und in demselben Augenblick ers klärt der Kriegsminister in der Kommission: das halte ih alles auf- recht, aber wenn ihr mir die Garde treit, dann ist alles Makulatur, was ihr sonst bewilligt. Vivant praetoriani, percat mundus! Damit ist die Ueberflüssigkeit des «ganzen Gesetzes glänzend nach- gewiesen, und die Regierung sollte fih überlegen, ob fie nicht jetzt noch das ganze Gesey zurückziehen will. Der Kiiegéminister hat sich um die Aufklärung des deutschen Volkes wohlverdient gemacht. Das ist allerdings auch das einzige Verdienst, das er hat —, und wenn wir Sozialdemokraten Orden zu vergebcn hätten, ih wäre der

erste, der den Antrag stellte, daß Genosse von Heeringen einen Orden

é Pour le mérite betäme, Bei melten «ednet man, wir A in die Kommandogewalt ein.

enn wir die Adjutanten strethen wollen, wenn wir die Mißstände des Militärboykotts ab- schaffen wollen, wenn wir das Gardeprinzip beseitigen wollen, immer und immer kommt dieselbe automatishe Antwort, das gehe nit, das sei cin Eingriff in die Kommandogewalt. In diesem Be- griff liegt eine der ersten Wurzeln unserer gesamten volitischen Nück- \chriitlihkeit. Unsere Soldaten leisten keinen Eid auf die Verfassun, sondern nur ten Treueid für ihren speziellen Landesherrn, tessen willenloses Instrument sie dadurch werden. Die Kommandogewalt bedeutet nidts weiter, als die Aufrechterhaltung des Abfolutismus in der schärfsten Form. Die Wurzeln dieser Zustände liegen in dem Fridolincharakier, der für das deutshe Volk bezeichnend ist. Noch heute besteht in Deutschland die Auffassung, daß das Héer ein persönliches Werfzeug des Herrschers ist, sie fammt aus der \{chönen Zeit des Serenissimus, des Zopfes, der Soldatenspielerei. Auch die geshmack- losen, schreienden Uniformen der Garde stammen aus der Zeit des Partikularismus, die Jacken des Leibgardehusarenregiments in Potsdam werden im Volksmunde Afenjacken genannt; für den Krieg sind sie un- brauchbar. Der Präsentiergriff aus der Zeit des alten Fritz zetgt, wie wir noch im Geist der Serenissimuszeit stecken, er gilt nur für die Garde, ist also nur pour le roi de Prusse da. Bei einem höfishen Familten- fest vor einigen Wochen mußte die Garde präsentierend die Straßen besegen. Wenn damit Zeit vers{chwendet wird, ist die zweijährige Dienstzeit noch viel zu lang. Und vor welchen Leuten mußten die preußishen Soldaten präsentieren? Vor dem Zaren und seiner Kumpanei. (Präsident Dr. Kaempf: Es geht niht an, von der Tribüne des Reichstags fremde Sovveräne in der Weise zu beleidigen, ih rufe Sie zur Ordnung.) Beleidigungen gegen den Zaren an dieser Stelle auszusprechen, lieat mir fern, ih habe sie auch nicht ausgesprochen. (Präsident Dr. Kaempf: Ich habe erklärt, daß Sie mit Ihren Worten den Zaren beleidigt haben, ih bitte Sie, sich dem zu fügen und die Beleidigung niht zu wiederholen. Zwiscen- rufe bei den Sozialdemokraten. Ich bitte, - keine Unterbrechung !) Diese Zustände, die man hier nicht jo kritisieren darf wie in der Bolk: versammlung sind unhaltbar. Berlin und Potsdam senden Sozialdemokraten in den Reichstag, und noch dazu was für welche, Ledebour und Liebknecht! Wenn das die Früchte der Garde- erziehung find, dann tut mir die Garde leid. Der Kriegs- minister meinte, man müsse die Tradilion wahren. Die ent- scheidenden blutigen Schlachten in den Freiheitskrtegen find nicht von der Garde geshlagen worden, fondern von den Bataillonen, die die Krone aus dem Komposthaufen gegen Napoleon emporgehoben hatten, von denen Friedrich Wilhelm 111. sagte: Shmußtige Leute, sie sehen s{lecht aus. Diese Truypen durften niht in Paris einziehen, dagegen die laŒierten Gardetruppen. Unser Antrag be- \châltigt sich mit der Garde in ihrer Totalität, während die Frei- finnigen ith eigentliÞh nur mit der Exklusivität des Offizierkorys befassen. Der Kriegsminister von Heeringen leugnet die Privilegierung der Offiziere. Es handelt sih hier um Tatsachen, die niht abzuleugnen sind, es sei denn vom Kriegéminister. (Präsident: Das ist eine Beleidigung des Herrn Kriegsministers; ih rufe Sie zum zweiten Male zur Ordnung!) Daß der Kriegsminister etwas wider besseres Wissen gesagt hat, das zu behaupten fällt mix nicht ein. Die feudalen Negimenter haben. in den leßten .25 Jahren ganz außer- ordentlich zugenommen. Das.hät fogar der Ubg. Bassermann zugestanden. Dieser neue Feudalismus zeigt sid nicht nur im Heere, sondern au

in der Verwaltung. Aus diejem Zuspißen der Gegensäte erklärt fi

die Tatsache, daß die feudalen Regimenter Jahr für Jahr zugenommen haben. Nur in einem Falle verringerte sich die Zahl der feudalen MNegimenter, wenn. ein Eliteregiment an die Grenze verseßt wurde; dann verloren diese Regimenter die adligen Offiziere mit einem Male. Das bessere Avancement in der Garde ist zahlenmäßig festgéstéUk. Auch kann man. direkt von etner Gardejustiz sprechen; sogar bei ‘der Urteilöverkündigung wird die Oeffentlichkeit ausgeschlossen. Das ist ein Unfug, eine bewußte Auflehnung gegen das Geseh. Was wird aus den Soldatenquälern? Der bekannte Hauptmann Grollmann wurde unter Ueberspringen von vier Vordermännern zum Major befördert, Der

Was haben wir niht {on an Ableugnuùñgen erlebt.

Kriegsminisler wurde damals deéwegen interpelliert, antwortete aber nit. Beim 1. Garderegiment hatte ein Hauptmann, wie ih selbst gesehen habe, in brutalster Weise die Mann)chaften mit der flachen Klinge. bearbeitet, er seßte die „Tradition“ der Garde fort. Er jagte eintnal einein Mann den Degen in die Brust. Bei dem Verfahren wurde angenornmen, der Mann hält? sich selber aufgelaufen. Das erinnert an den Miünchhausenshen Bären, der fi hinaufzeleckt hatte, Sie wissen ja, wie weit. Der betreffende Offizier ist {hon lange Generak der Kavallerie. Auf den Namen kommt es hier nicht an. Wenn die Mißbandlungen bei der Garde leichter bestraft werden, dann ift es begreiflih, daß der Kriegsminister sagt: Erst die Garde, dann das Vaterland. Es sind ausgesuhte Mannschaften, gewiß, aber der Hauptoesichtspunkt bei der Garde ist politishe Unbefangenhett und fozialistenreines Gehirn. Sie brauen allerdings eine für alle Fälle zuverlässige Schlagtruppe zu einer etwaigen Durchführung etnes Staatéstreiches, wie ihn im Jahre 1889 Bismarck schon geplant hatte. Sie bestreiten das ja auch gar nicht. Sie treiben ja gewisser- maßen die Massen zum Kampf. Nirgendwo tn der ganzen Welt ist die Grekutive so stark wie bei uns. Die Exislenz der Garde be- ruht nicht auf der Verfassung, sie steht sogar im Widerspruch mit der Verfassung und ist eine beständige Bedrohung der Verfassung. Deshalb sollten Sie sih nicht mit etner Nesolution begnügen. Hierher gehört etn Antrag. Der Tag wird noch kommen, wo diele Dinge thr Ende nehmen. Wenn dann von den Soldaten verlangt wird: jeßt \{chteßt auf Vater und Mutter, dann werden diese politisch Aufgeklärten sagen: Nein, das tun wir niht. Dann ist es aus, dann tommen wir.

Preußischer Kriegsminister, von Deertngen:

Meine Herren! Es liegen Ihnen zwei Anträge der sozial- demokratishen Partei und der fortshrittlihen Volkspartet vor, welche einzn Gesetzesartikel in die Abänderung des Gescßes über die Friedentpräsenzstärke hinein haben wollen. Sie werden sich nit wundern, wenn ich Sie bitte, beide abzulehnen. (Schr richtig! rets.)

Zu dem Antrag von der sozialdemokratischen Partei möchte ih zunächst fragen, was mir nämli selbst nicht klar ist: was heißt denn „sonstige Eliteformationen*? Und zu dem Antrag der fort- \hrittlißen Volkspartei möchte ih fragen: was „heißen denn „gewisse Truppentetle“? Wenn man Gesege machen will, muß man ganz präz ise sagen, was man damit treffen will, und darf nicht derartige Ausdrücke anwenden, unter denen man sih sehr versciedenes denken Tann.

In dem Antrag der Sozialdemokraten heißt es, daß be- stehende Bestimmungen dieser Art abgeschafft werden sollen. Ich bitte, mir die Bestimmungen zu nennen, die damit gemeint find. Meinen Sie darunter Uniform, Aushebung, Benennung der Truppen- teile usw. ? Kurz und gut, Ste wollen so weit gehen, daß alles gleich gemacht, alles auf ein Niveau gestellt werden sol. Jch glaube ih fomme nachher noch darauf —, daß das sehr bedauerlich sein würde.

Ferner sagen die Herren von der freisinnigen Volkspartei in einer Resolution, es soll dahin gewirkt werden, daß keinerlei Privile- gierung einzelner bestimmter Trupppenteile nach Garnisonsorten,. Avancement und Aushebung statt- findet. Ja, meine Herren, gute und weniger gute Stand- orte haben wir nun einmal, die können wir auh mit keinem Geseß aus der Welt schaffen, und die müssen wir aus militärischen Gründen zweifellos nah wie vor belegen. Soll nun, um auch jede scheinbare Privilegierung auszuschließen, eine dauernde Verlegung von Truppenteilen stattfinden aus einem angeblich besseren in einen vermutlih \chlechteren Garnisonort? Ih habe neulich beï einer anderen Gel-genheit bereits darauf hingewiesen, daß das nit angängig sein würde, nicht nur- aus militärishen und prinzipiellen Gründen, sondern auch aus Rücksiht auf das Volk selbst. Jeder Truppenteil wächst mit seinem Garnisonsort mehr oder weniger zusammen und {lägt Wurzeln dort; wird er verlegt nah etner anderen Garnison, so ist das Autziehen der Wurzeln eine recht s{hmerzhafte Operation nicht nur für thn, sondern, Gott sei Dank, auch noch für das Volk, und der andere Truppenteil, der dahin kommt, wird ebenfalls nicht angenehm berührt. Ich kann einen Fall nennen, wo eine Truppe aus einer angeblih s{lechteren Garnison tn eine bessere kam und gern darum gebeten bätte, daß er da blicbe, wo er gewesen war. Wenn ih nit irre, war diese sogenannte s{chlechte Garnison Dieuze. So liegt die Sache, und wer den Zusammenhang zwischen Armee und Bolk aufrechterhalten will und das will doch angeblih die große Mehrheit der Herren, . die diese Anträge einbringen —, darf nicht so- genannte Wandertruppen \@affen woüen, die eine Scheiderand zwischen Armee und Volk abgeben würden. Denn fobald cin Truppenteil sich irgendwo warm fühlt, würde er fortmüssen.

Wenn aber weiter gesagt wird, auch Beförderung8pribi=- legen einzelner Truppenteile follten ausges{chlossen werden damit ist wohl das Avancement der Offiziere gemeint —, so kann ih nur erwidern, daß solche Privilegien tatsächlich nicht eristieren und daß es durchaus falsch ist, was der Herr Abg. Dr. Lensch vorher behauvtete, daß für die Garde solche Privilegien vorhanden wären. Ein Truppenteil hat überhaupt als folher keine Privilegien in bezug auf die Beförderung. Ih habe in der Kommission neulih auf den“ Antrag Bassermann hin auseinandergesetzt, wie die Beförderungen geregelt sind. Ste werden geregelt auf Grund der Vorshläge der Vorgeseßten der einzelnen Regimenter. Zu diesen Vorschlägen hat jede höhere Dienstslelle fih auszusprechen und nur dann, wenn derartige Vorschläge einheitlih bis herauf zum Kaiser kommen, haben sie Auésiht auf Erfolg. Niemals handelt es sich um ein Privileg, das einem Truppenteil gegeben wird, sondern lediglich um einzelne Perfoncn, die nah Ansicht der Vor- geseßten eines folWen Vorzuges würdig sind.

Auf die Aushebung will ich naher noch eingehen, die hier noch erwähnt ist. Der Herr Abgeordnete Lensch hat dann unter anderem sih wieder über adelige Regimenter verz breitet, cin Thema, welches wir in diesem Jahr {hon öfters miteinander verbandelt haben. Er hat cs aber so dargestèllt, als ob die Zahl dieser sogenannten adeligen Regimenter wüchse. Jch habe vor elwa 8 Tagen schon von dieser Stelle darauf hingewiésen und aufmerksam „gemacht, daß ih Ihnen in der Budgetkommission bewiesen hätte, daß das Umgekehrte der Fall ist, daß wir vielmehr nach diefer Nichtung zurzeit eine viel größere Mischung haben, wis früher. Wenn wieder darauf hingewiesen wurde, daß in einem adeligen Regiment, das an die Grenze verlegt worden ist, die adeligen Offiziere den Ab}chied genommen oder dieses Regiment verlassen hätten, fo darf ih wieder darauf hinweisen, daß es in derselben Sache au Beispiele in umgekehrter Richtung gibt. Ich will den Truppenteil noch eintnal nennen, den ih neulich, als Beispiel aufgeführt habe, es ist das Dra- gonerreginment Nr. 12, welches zurs#t in Gnesen steht. Also auch das ist nicht richtig. j

General der Jnfanterie

Der Herr Abg. Lensh hat dann von der mystishen Kommando- gewalt gesprohen. Die Kommandogewalt Seiner Majestät des Kaisers ruht sicher auf der Verfassung und auf dem Ncichsmilitärgeseß. Das ist nicht mystisch, sondern das ist eine ganz reale Grundlage. Gestatten Sie mir, dârauf hinzuweisen, daß das dauernde Nütteln an diesen verfassungsmäßigen Bestimmungen doch eine große Gefahr ist, Denn auf der deutschen Reichsverfassung ruht noch sehr viel mehr, als die Kommandogewalt Seiner Majestät. (Sehr ritig! rechts.) Es ist noch niemals das habe ich {on neulich betont von den verbündeten Regierungen der Versuch gemadt worden, an den verfassungsmäßigen Rechten anderer NReichsinstanzen zu rütteln. Ich bitte, das auch zu berücksihtigen und nit zu rütteln an den Rechten Seiner Majestät. (Bravo! rechts.)

Der Herr Abgeordnete hat dann auf die Bestimmung des § 63 der Neichsverfassung hingewiesen, daß der Kaiser die Pflicht hätte, für die Einheit der Organisation der Armee zu \orgen, und daraus gefolgert, daß die Existenz des Gardekorps verfassungswidrig sei. Ich glaube, ih brauhe mich hier nur auf die Ausführungen zu beziehen, die in der Budgetkommission, wenn ih nicht irre, der Herr Abgeordnete Erzberger machte, indem er darlegte, daß das, was hier unter Einheit der Organisation verstanden wird, ganz genau im Reichs- militärgeseß festgelegt sei, und daß darunter durhaus nicht die Be- stimmungen, die der Herr Abg. Lensh im Auge hat, zu bringen seien.

Dann ist die vielgebrauchte Auslegung meiner Ausführungen aus der Budgetkommission hier wieder auf die Tagesordnung gekommen: ih hâtte in der Budgetkommission erklärt: „Erst die Garde und dann das Vaterland!“ Meine Herren, das ist nicht richtig! Jch habe mich sofort gegen diese falsche Auslegung gewandt. Jh brauhte da noch woran Sie sich viellciht noch erinnern den Ausdru, den der Herr Präsident der Budgetkommission nachher monterte: „Verdrehung“. Jch wandte mich alfo sofort gegen diese Auslegung, und es wurde mir von allen bürgerlihen Parteien darin beigetceten, daß jene Auslegung nicht

Frihtig war. Jch habe gesagt: in dem Antrag, der damals in der Budgetkommission zur Verhandlung stand, sehe ih einen Eingriff in die Kommandogewalt des Kaisers und einen Eingriff in den Geist der Armee. Meine Herren, wenn man ein Stockwerk auf ein Haus seßen will, fo greift man niht die Fundamente vorher an, sondern [man verstärkt sie, und ein Fundament, auf dem die Armee ruht, ist unter anderem auch die Tradition und die Kommandogewalt des Kaisers über die Armee. (Bravo! rets.)

Der Herr Abgeordnete hat dann weiter gesagt, ih hätte zugegeben, daß die Existenz der Garde die Mobilmachung und die Schlagfertig- keit dieses Armeekorps im Mobilmachungsfalle shädigte. Das ist mir nicht im Traume eingefallen; ih habe im Gegenteil gesagt, daß die rehtzeitige Mobilmachung der Garde durchaus gesichert fei, und daß die Garde an demselben Tage vor dem Feinde erscheinen würde wie jedes Provinzialarmeekorps, weil wir spezielle Vorbereitungen die h in der Budgetkommission im einzelnen auseinandergeseßt habe für die Mobilmachung getroffen haben. Daß die Sclagfertigkeit der Garde aber durch irgend etwas ges{hädigt wäre, das, meine Herren, beruht auf Ihrer Phantasie! Diese Frage ist überhaupt nit gestreift worden. Ich glaube, die Widerlegung

Y diefer Behauptung lohnt si kaum; denn es liegt auf der Hand, daß

das nit der Fall ist.

Der Herr Abgeordnete ist dann auf die Mißhandlungen in der Garde eingegangen. Das Mißhandlungsthema ist hier ja shon oft behandelt worden, und ich habe immer betont, daß nicht nur von mir, sondern daß von der obersten Stelle aus, bon der obersten Kommandogewalt aus mit Energie darauf ge- halten wird, daß gegen Mißhandlungen eingeschritten wird, und daß auch Seine Majestät der Kaiser durhaus der Meinung ist, daß dur derartige Mißhandlungen cin #Fleck auf den Schild der Armee kommt. Wie der Kaiser die Sache ansicht, können Sie ersehen aus seiner Amnestieorder, in der ja die Begnadigung von Bestrafungen wegen Beleidigung und Mißhandlung von Untergebenen ausdrüdlich ausgeschlossen ist. (Zuruf von den Soztialdemokcaten : Dank unserer Kritik im Neichstage !) Was für eine Kritik! Was der Herr Abg. Schöpflin damit meint, weiß ich wirklich nicht; denn er wird dech niht auf die Jdee kommen, daß bei einer Kabinettsorder, einer Amnestieorder, die erlassen ist, die sozialdemo- fratische Kritik irgendwie maßgebend gewesen wäre. Wahrhastig nicht! Jn der Garde werden die Bestrafungen von Mißhandlungen genau fo scharf und genau fo energisch gehandhabt wie in jedem anderen Armeekorps, und der Vorwurf, es werde da lässiger eingeschritten, ist durchaus unberehtigt. Daß es bei ter Garde nicht so im argen liegt, zeigt Ihnen einfah der Umstand, daß der größte Teil der Leute aus Freiwilligen besteht, die sich wahrhaftig nicht in solche Verhälts- nisse hinein bégeben würden, wenn es so läge, wie der Herr Abg. Lensch es darzustellen sich bemüht hat.

Er hat dann gesagt: die Garde ruht niht auf geset- licher Grundlage. Meine Herren, sie ruht ganz sier auf geseßliher Grundlage. Das einzige Vorrecht, das die Garde jeßt noch hat, ist die Aushebung. Die Löhnung der Mannschaften ist im vorigen Jahre mit der der anderen gleichgestellt worden; in bezug auf das Avancement der Offiziere hat sie keine Vorteile. Im wesentlihen bleibt also nichts anderes als die Aushebung. Im ein- ¿elnen ist das alles hon in der Budgetkommission erörtert worden. (Sehr richtig! im Zentrum.) Der Herr Abg. Lensch läßt den Beweis

git gelten; ih muß das also, wenigstens in großen Zügen, wieder- olen.

Der Art. 63 der Retchsverfassung sagt ausdrücklich:

Der Kaiser bestimmt die Gliederung und Einteilung der Kontingente. Darnach hat er zweifellos das Net, für die Ergänzung bestimmter Truppenteile auch Sonderanordnungen zu treffen. Zum Ueberfluß wird dieses Recht au noch durch das Reichsmilitärgescß, wenigstens indirekt, bestätigt; denn in der ersten Fassung des Reichsmilitärgesezes vom Jahre 1874 wurde bereits im§ 3 die gesamte Hecresmacht des deutschen Heeres in 18 Armeekorps geteilt, das Gebiet von Deutschland aber im § 5 nur in 17 Artneekorpsbezirke, und diese Differenz hat si durh alle Aenderungen des NReichsmilitärgeseßes später insofern erhalten, als immer ein Armeekorps mehr als Armeekorpsbezirke vor- handen ist, Daraus geht wohl ganz deutli und zweifellos hervor, daß der Geseßgeber. im Reichsmilitärgeseß von Anfang an gewollt hat, daß ein Armeekory/s in bezug auf die Aushebung auf alle preußischen Artneekorpsbezirke angewiesen wurde.

Die Bedeutung, die die NRekrutierung der Garde aus der ganzen preußishen Monarchie hat, läßt naturgemäß der Herr Abg.

Lensch nicht gelten. Ich weise aber troßdem noch einmal darauf bin, daß gerade das eine besondere monarchishe Bedeutung hat, daß wir einen Truppenteil haben, der sich zusammenseßt aus Militär- pflichtigen aus fast jedem vreußishen Dorf. (Sehr richtig! rechts.) Das muß erhalten werden aus monarchis{en Gründen; und darin liegt unter anderem auch eine Bedeutung der Garde.

Der Herr Abgeordnete hat der Garde den Namen „Potsdamer Wachtparde“ gegeben. Metne Herren, dieser Name „Potsdamer Wadchtparade“ ift ein Ehrenname (Bravo! rechts) ; denn wenn Sie in die Geschichte hinetingeschen hätten, jo würden Sie gesehen haben, daß der Name der Garde in der Schlacht bei Leuthen gegeben worden ist; und an diesem Ehrennamen werden Ste au im Fahre 1913 nit rüttcln können.

Da der Herr Abgeordnete auf die historishen Ereignisse über- haupt eingegangen ist, so muß ich ihm auch darin folgen. Er sagt mit Ausnahme der Schlacht bei Großgörschen wäre die Garde im Feld- zuge gegen Frankreih gar nicht hervorgetreten. Er hat weiter gesagt: nachdem sie im Jahre 1814 einen Spazlergang gemaht hätte und sonst gar nichts geleistet hätte, wäre sie zum Einzug in Paris befohlen worden und andere Truppen nicht. Meine Herren, am 30. März 1814 war die S{laht bei Paris, Gefehte um Pantin und La Vill?te, und da verlor das Erste Garderegiment allein dretviertel der Offiztere und ctn Drittel seiner Mannschaften, nahdem es in der Schlacht bei Groß Görschen im Jahre vorher {hon zwei Drittel der Offiziere hatte liegen lassen. Wie der Hzcr Abgeordnete bei diesem Sachverhalt behaupten kann, daß die Garde im Fahre 1814 nur einen Spaztergang gemacht und überhaupt nihts geleistet hätte, das muß er vor si selbst verantworten.

Dann kommt das Jahr 1866, wo die Erste Gardedivision mit famoser Bravour das Zentrum dec österreihishen Armee etnstieß, Chlum und Rosberiß eroberte und dann diese Dörfer gegen die österreihishen Reserven mit heroisher Aufopferung hielt, wo gerade das Erste Garderegiment ganz besondere Verluste hatte, über 450 Mann, 9 Geschüße in Feuer nahm, eine Fahne im Kampf Mann gegen Mann eroberte. Sind das keine Erfolge der Garde? (Lebhaftcs Bravo rechts.)

Der Herr Abgeordnete kam dann auf das Jahr 1870 und spra von der Schlaht bei St. Privat. Ih möchte auch an die zwei Tage vorher ges{chlagene Shlacht von Vionville erinnern und an die Attacke der Gardedragoner, die doch au zur Garde gehören. Als damals der Angriff der 38. Infanteriebrtgade gegen Bruville zer- schellte, warfen \sich die Gardedragoner dem Feinde entgegen und hielten den Angriff auf, und so rettete die Garde fie vor der Zertrümmerung. Sie bezahlten ihre Tapferkeit damit, daß sie } der Mannschaft und von 16 Offizieren 13 tot und verwundet liegen ließ. Das sind doch Dinge, an denen man nicht stillschweigend oder mit einer Handbewegung vorübergehen kann. (Lebhafter Beifall rechts und im Zentrum.) St. Privat ist ein Nuhmesblatt in der Geschichte der Garde!

Natürlicherweise haben auch wir das habe ich schon öfter aus- gesprochen 1870/71 Fehler gemaht. In jedem Feldzug macht auc der Sieger Fehler, und der alte Feldmarschall Molkte hat einmal erklärt: im Feldzuge kommt es nur darauf an, daß man die wenigsten Fehler macht. Wenn dann hinterher die Kritik am grünen Tisch einsezt, dann kommt fie sehr oft zu einem anderen Resultat als der Offizier, der im Augen- blick der Aufregung vor dem Feinde ohne genaue Kenntnis der Ver- hältnisse disponieren muß. Es stellt sich auch heraus, um auf das Beispiel der Kompagniekolonne einzugehen, das der Herr Abgeordnete gewählt hat, daß diese Formation 1866 vortrefflich war, daß sie aber 1870/71 einer anderen Bewaffnung gegen- über einer anderen Formation hat Play machen müssen. Nun daraus aber in so aufhezender (oho! bei den Sozialdemokraten) oder aufreizender Weise zu folgern, daß der Offizier dümmer gewesen wäre als die Mannschaften, dafür habe ih überhaupt keinen Ausdrudck, um das zu bezeichnen. (Lebhafter Beifall.) Der Offizier hat seine Pflicht und Schuldigkeit im Frieden und im Kriege bis zum Jahre 1870 und nah dem Jahre 1870 getan. (Erneuter lebhafter Beifall.)

Weiter weise ih noch darauf hin, daß bei St. Privat das Garde- orps in wenigen Stunden 8230 Mann einschlteßlich 309 Offiziere verlor, daß die Garde|chüßen alle Offiziere auf dem Plate ließen. Selbst wenn Sie (zu den Sozialdemokraten) auf dem Standpunkt stünden, daß das durch \{chlechte Führung verursaht wäre, so müssen Sie wenigstens eins anerkennen, den Mut, die Tapferkeit und Ent- {lofsenheit, die in der Garde damals geherr\{t haben. (Lebhafter Beifall.) Wenn nach Ihrer Auffassung die obere Kommando- führung daran s{chuld wäre, dann dürfen Sie das doch den Truppenteil nicht entgelten lassen. (Erneuter Beifall.) Alle die Ausführungen, die der Herr Abg. Lensh in dieser Hinsicht gemacht hat, fallen damit zu Boden. Glauben Sie, daß Sie Regimenter, die mit so ruhmvoller Vergangenheit in der Armee stehen, einfach durch ein Geseß aus der Welt brinçcen könnten, ohne daß Sie damit an dem inneren Wesen der Armee rütteln, ohne daß Sie damit mehr für die Leistungsfähigkeit der Armee vor dem Feinde zerbrechen, als Sie selbst glauben? Ich glaube es nicht.

Nun kommt aber weiter hinzu: Wie ist denn größtenteils die Garde entstanden ? Die Garde ist ja nit, wie es der Herr Abg. Lensch darstellt, in ihrem Hauptteil eine Haustruppe gewesen, die sch nachher bis zu dem heutigen Stande auêgewachsen hat. Nein, die Garde ist zum größten Teil aus der Linie in Anerkennung ihrer Leistungen vcr dem Feinde hervorgegangen. (Sehr richtig!) Es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß gerade heute das 2. Garde- regiment sein hundertjähriges Besteken feiert, und zwar unter Antecilnahme von über 5000 alten Mannschaften, und daß an ebendemselben Tage im Deutschen Neichstage hier etne solhe Nede gegen die Garde gehalten werden kann, die sich gegen die Garde und ihre Tradition überhaupt rihtet. (Lebhafter Beifall.) Ich will Ihnen den Armecbefehl vom 20. Juni 1813 vorlesen, der das 2. Garderegiment grüntet. Er lautet:

Der hohe Mut, womit Meine braven Truppen in dem jeßigen Kriége den alten Ruhm der preußishen Waffen bewährt haben, hat Mich bewogen, der Armee einen ausgezeihneten Beweis Meiner Zufriedenheit mit ihrem Geist und ihrer Pflichterfüllung zu geben, daß Ich aus ihrer Mitte zwet ausgezeidnete Bataillone, verbunden mit dem ebenso braven Normalinfanteriebataillon zur Garde er- heben und aus thnen das 2, Garderegiment zu Fuß formieren werde.

Indem Ich solhes der Armee bekanntmache, halte JchH Mich überzeugt, daß diese Auszeichnung sie auch in Zukunft zur höchsten Kraftanstrengung ermuntern wird, |

Das ist die Grundlage, auf der das 2. Garderegiment entstand? (Hört, hört!) Sie werden mir zugeben, meine Herren, daß es die ganze Armee überhaupt angeht, wenn man folche Versu: macht, ihr derartige Unterlagen zu entziehen. (Lebhafter Beifall.) Die Garde ist eine im Kriege und im Frieden erprobte Truppe, die ihre Pflicht und Schuldigkeit bei jeder Gelegenheit in überreicem Maße getan hat, und an der eine Kritik, wie sie hier geübt worden ist, vorbeigeht, ohne sie zu treffen Darauf binzuwetsen halte ih für meine Pflicht und Schuldigkeit. (Lebhafter Beifall rechts und im Zentrum. Zischen bei den Sozialdemokraten. Ecneuter lebhafter Beifall. Vereinzeltes Zischen bei den Sozialdemokraten.)

Abg. Dr. Müller - Meiningen (fortschr Volksp.): Wir haben nur solche Anträge hier gestellt, die einige Alusfiht auf Ecfolg haven. Wir wollten niht, um mit Rosa Luxemburg zu sprechen, reine Demounstrationsanträge stellen, um „die Massen mobil zu machen“. Wir können es niht unterstüßen, daz Anträge hier in das Geseß hineingearbeitet werden, die mit der Materie der Friedens- präsenzstärke nichts zu tun haben. Die Sozialdemokraten müssen bedenken, daß bei einer anderen Zusammenseßung des Hauses gelegentlich au eine Materi-, die si gegen die Sozialdemokratie richtet, in ein fremdes Gese hineingearbeitet werden fönnte. Wir bemängeln die großen Taten der Garde durchaus niht. Es wäre ganz fals, die Garde für die Fehler ibrer Führer verantwort- lih zu machen. Unsere Anträge haben keine Spiße gegen das Garde- kforps als solches, wir stellen sie im Interesse der Armee selbst. Der Kriegsminister ‘hat die Privilegien des Garnisonortes für die Garde und andere Elitetruppen bestritten. Aber wir haben sogar 21 Regimenter bezeichnet, die außerhalb der Garde privilegiert find. „Wandertruppen“ wollen wir nicht \ck{afzn, aber wir wollen auh eine Truppen, die einen geradezu fideiklommissarischen An- \spruch auf bestimmte Garnisonen haben. Der Kriegsminister hat 1909 selbst bedauert, daß eine immer größere Zer- reißung dur mobilisierte Regimenter s\tattfände. Daß er troy guter Absiht so wenig erreicht hat, beweist doch, wie {wer es ist, ciner Mobilisierung entgegenwwirken. In der höheren Ad- jutantur, in den höheren Kommandostellen werden auch heute no hauptsählich Oifiziere verwendet, die aus vornehmen Regimentern stammen. Zwar sind jetzt, wie der Kriegsminister sagt, 98 bür- gerlihe Offiziere bei der Garde, aber es läßt sih niht leugnen, daß davon 60 bei den weniger beliebt-n Truppengattungen, der Garde- fußartillerie, den Gardeptonteren und dem Gardetrain, sind. Beim Gardetrain ist nicht etn einziger adliger Offizier, bet den Garde- kavallerteregimentern nur noch ein einziger bürgecliher Offizier. Das bedenklih?e Moment bei diesen Verhältnissen it die steigende Aus- . dehnung des Schloßkompagnteprinzips auf immer weitere Kceise der Armee. Die Erklusivität ist der ‘größte Feind der Kameradschaft in der Armee und muß daher mit allen Mitteln bekämpft werden, Ueber den Kaiserlihen Erlaß bezüglih der Soldatenmißhandlungen freue ih mi. Dagegen wirkt die Nobilitierung der Generale als eine absihilihe Provokation der öffentlihen Meinung. Es ist bezeihnend, daß an demselben Tage die Denobilitierung Gerhart Hauptmanns erfolgte. Das Nachteilige des Aushebungswesens ist die Ber\pätung der Mobilisierung um einige Tage. - Der Kriegsminister hat dies bestritten. Es fann aber nicht geleugnet werden, daß gerade die Mobilisierung der Gardetruvpen eine teure und besonders schwierige ist, da sie sih auf das ganze Neich verteilt. Die Garde müßte mehr verteilt und auch an der Grenze verwendet werden. Die Herausnahme der besten Mannschaftenteile aus den anderen Bezirken und Mann- schaften stellt die Verwendung des besten Unteroffiziermateria!s für andere Truppenteile beiseite. Das ist ein militärte{nisher Fehler. Wir wollen das Gardeko: ys nicht abshzfffen, wir wollen nicht, daß es auch nur einen Mann verliert, wir wollen nur seine Privilegien abschaffen. Die Hauptsahe ist, daß die Bevor- zugung der Garnison, des Avancements und der Aushebung beseitigt wird. Das Gardekorps erscheint uns ein unnatürlicher Fcemdkörper in der Organisation der Armee. Art. 63 enthält nichts von dem, was der Kriegsminister hier vorgebracht bat, von der staatêrehtlihen Stüße für die Aushebuna bei der Garde. Er spricht vielmehr für unsere Auffassung. Der Kriegsminister berief sich wieder auf die Kommandogewalt. Das MReichsmilitärgeseß gibt dem Katser nur das Recht dec Formation und Organisation. Es handelt sih bier vor allem um das Militärkabinett. Dies basiert auf keiner verfassungsmäßigen Norm: darum kann auch von einer Beeinträchtigung der Nechte des Kaisers hier niht die Rede sein. Der Kriegêminiiter sagte in der Kommission, es würden aroße Werte zerstört werden, wenn an der Garde gerüttelt werde. Dienen nicht alle Truppenteile unter den Augen des Allerböchsten Kriegsherrn? Ist die Schaffung erer, zweiter und dritter Klasse niht ein viel größerer Schaden? In den Aeußerungen des Ministers ‘spukt eine gefährliche Auffassung von der Armee überhaupt. Er verwecselt eine staatilihe Einrichtung mit einer Prätorianerarmee, mit einer Haus- truppe. Das verträat sich mit den Ideen d:s modecnen Staats- beamtenrechts auch der Offizier ist ein Beamter niht. Wir meinen, daß nicht von der heiligen Tradition die Güte der Armee abhängt, sondern einzig und allein von dem Geist der Truppe. Diesen können Sie nicht mit Privilegien, sondern nur mtt Verfassungstrèue stüßen. Kaiser Friedrih 111. fagte: Wir dürfen an dem Her- kömmlichen nit darum festhalten, weil wir uns darin als in eine Gewohnheit hineingelebt haben, für uns heißt es Fortschritt und Gerechtigkeit. Die Jdee der sozialen Gerethtigkeit muß auch die Armce durchdringen. Der Fortschritt muß auch in der Armee kommen ; das ist besser für die Monarchie und die deutsche Armee.

Abg. von Gräfe (dkon\.): Von einem meiner Fraktions- follegen ist {hon darauf hingewiesen worden, daß etn großer Teil der zu diesem Geseß gestellten Resolutionen ganz Selbstverstätida liches enthält. Wir find selbftverständlih bereit, bei allen An- trägen und Nesolutionen mitzuarbetten, die in orcgahishem Ver=z hältnis zur Wehrvorlage stehn. Aber bei der knavypen Zeit, die uns zur Lösung der vorliegenden \ckwierigen Aufgaben zur Verfügung steht, müssen wir es ablehnen, uns mit solchen Selbstverständlicha Teitcn zu beschäftigen, um so méhr, da sie geeignet erscheinen, die falschen Vorstellungen, die vielfah im Volk und vielleiht auch in der Armee bestehen, noG zu bekräftigen. Ih dênke z.- B. an den Antrag , betreffend die Bestrafung dés Beichwerdeführtrs. Man darf den Aberglaub-n, als ob die Ausübung des Besch werde- rets bestraft würde, nicht voch unterstüßen. Es ist im höchsten Grade bedenklih, wenn man dtese falschen Vorstellungen dur folche Selbstverständlichkeiten noch fördert Der Kriegsminister hat schon mit aller Deutlichkeit betont. daß von einer Bevorzugung des Adels bei dem Avancement kine Nede ist. Wenn immer wieder von den maßgebenden Stellen versichert wird, daß eine solche Bevorzugung nicht stattfindet, dann haben Sie nicht das Net, immer wieder von neuem von der angeblichen Bevorzugung des Adels zu reden. Ihre Beweise, Herr Vêüller, waren keine Beweise. Wer mit derartig oberflächlihem Materia! etwas beweisen will, kann \ich nit wundern, daß ich* ihm deo Vorwurf mache, daß er die Pflicht gehabt hätte, do den inneren Zusammenhang dieser Zablen etwa? genauer zu prüfen. Wenn Sie die Schlußfolgerungen daraus ziehen wollen, daß in den oberen Stellen der Armee die adligen Offiziere übérwiegen, dann müßten Sie damit vergleiden, wie das Verhältnis zwishen bürger« lichen und adligen Dffizieren damals war, wo die heutigen Generale Leutnants waren. Uebrigens if es auch nicht fo tiaurig daru bestellt, wie Sie glauben. Ungefähr die Hälfte aller Divisions und Brigadekdmmandeure entstammen bürgerlihen Familien. Auch in den Ministerien und maßgebenden Regierungsstellen finden Sie uur einen geringen Prozentsaß von blauem Blut. Da finden Sie viel anderes Blut, das Ihnen sympatbisher ist. Now haben wir Gott fei Dank ein homogenes Offizierkorps. Dér Himmel bewahre unsere Armee vor derartigen Elementen, wie fic im „Berliner Tageblatt“ und in anderen fozialistenfreundliben Blättern Utt etnen Man darf niht aus solhen nackten Zahlen etnes jubalternen statistischen Materials Rückschlüsse ziehen, die man dadurch

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