1894 / 110 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 11 May 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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Neis trafen gestern Abend in Schwerin ein und begaben ch vom Bahnhof alsbald nah Rabensteinfeld. Anhalt.

Der Herzogliche Hof ist vorgestern von Dessau na Ballenstedt E L s ges / 9

Oefterreih-Ungarn.

Der Erzherzog Albrecht ist, wie „W. T. B.“ meldet, auf seiner Inipektinsreise durch Bosnien und die Herzegowina, an der au der Reichs-Kriegs-Minister von Krieghammer theilnimmt, gestern in Dolnja Tuzla in Bosnien ein- eta en, wo er von den Behörden, der Bürgerschaft, der

eistlihkeit aller Riten und der Schuljugend feierlih empfangen wurde und, von der Bevölkerung jubelnd begrüßt, unter Glockengeläut und Geschüßsalven seinen Einzug in die Stadt hielt.

In der gestrigen Sißung des österreihishen Ab- geordnetenhauses interpellierten, wie „W. T. B.“ be- richtet, die Abgg. Haase und Genossen den Minister des Jnnern wegen der Ereignisse in Polnish-Ostrau und wegen des Konflikts Pen der Gendarmerie und der Arbeiterschaft in Falkenau an der Eger (siehe Nr. 108 und 104 d. Bl. unter der Rubrik „Arbeiterbewegung“ ) ; sie verlangten zugleich Mittheilungen über die Zahl der Ver- wundeten und Todten, sowie über die Maßnahmen der Regierung. Die Abgg. Pernerstoxfer und Genossen verlangten dringlich die Einsezung eines Untersuhungsaus\chusses von 20 Mit- gliedern, der an Ort und Stelle über beide Vorfälle Er- hebungen anstellen und schleunigst dem Hause Bericht erstatten solle. Der Abg. Pernerstorfer behauptete, die Falkenauer Behörden hätten den Zusammenstoß durch wochenlange Verbote don Versammlungen heraufbeshworen. Die Todten und Ver- wundeten seien im Rücken, also während sie geflohen seien, angeschossen und den Angehörigen der Todten der Zutritt zu den Leichen verwehrt worden. Der Minister des Jnnern Marquis Bacquehem stellte fest, in Falkenau hätten 1000 Arbeiter in geschlossenem Zuge ein Werk zerstören wollen und gegen die zu dessen Schuß aufgestellte Gen- darmerie eine drohende Haltung angenommen. Dadurch habe sih die Lage der letzteren kriti Q galel, sodaß sie zu ihrem eigenen Schuß von den Waffen Gebrauch habe machen müssen. Pernerstorfer sei nicht im stande, sich in den Pflichtenkreis der zur Aufrechterhaltung der Ordnung verpflichteten Behörden, die nur im Falle der Nothwehr zu den äußersten Mitteln griffen, hineinzudenken. Hinsichtlih des usammenstoßes in Polnisch - Ostrau stellte der Minister fest, daß die Grubenarbeiter die Gendarmen durh Steinwürfe angegriffen hätten. Weitere Erhebungen über beide Vorfälle würden bereits angestellt; die strafgerichtliche Untersuchung sei eingeleitet. Er, der Minister, müsse den heftigen Angriffen Pernerstorfer’s gegen diejenigen Organe, die das Leben und

igenthum anderer vertheidigten, entgegentreten. Die Re- gierung sei verpflichtet, die gestörte Ruhe mit aller Mäßigung, aber mit größter Entschiedenheit wiederherzustellen, die Auto- rität der Geseze zu wahren, Leben und Eigenthum zu shüßen und auch jene zu schüßen, die ihrem Erwerbe täglih nachzugehen wünschten. (Lebhafter Beifall und Hândeklatschen.) Durch * eine solhe Haltung diene die Ne- gierung auch den Jnteressen der Arbeiter und erwarte hierbei eine Unterstüßung seitens der Bevölkerung. Möge jeder im Gegensaße zu den Antragstellern zur Beruhigung der Gemüther in seinem Kreise beitragen. (Beifall.) Der

Abg. Graf Kaunißtz befürwortete den Dringlichkeitsantrag des

Abg. Pernerstorfer. Der Abg. Pernerstorfer polemisierte

heftig gegen die Ausführungen des Ministers, der die parla-

mentarishe Untersuhung nur aus Furcht ablehne. Redner wandte sih sließlih an das Ministerium mit der Bemerkung, daß die Zeit nahe sei, wo es wegen seiner Pflichtvergessenheit werde Rechenschaft ablegen müssen. Der Abg. Ruß betonte, das Abgeordnetenhaus sei niht der Plaß zur Aufreizung der Volksmassen. Die Einseßung einer parlamentari- hen Kommission sei ohne Geseßesverlezung un- möglih, da den Parlamentsmitgliedern keine Éxekutive zustehe. - Die Mittheilungen der Regierung seien vertrauens- würdiger als die Erzählungen eines Abgeordneten. Redner ersuhte um Ablehnung der Dringlichkeit. Der Abg. Lueger meinte, wenn das Parlament nit die Macht haben solle, in derartigen Fällen eine Kommission zu entsenden, so möge es lieber nach Hause gehen. Er beantrage namentliche Ab- stimmung. Der Abg. Kaiser hielt eine JInformierung inmitten der Arbeiterschaft für wünschenswerth. Der Abg. von Zalesfki erklärte im Namen des Polenklubs, dieser lehne die Dringlich- feit ab in der Erwartung, daß die Regierung dem Hause die Ergebnisse der angekündigten ÜUntersuhung mittheilen werde. (Beifall.) Darauf wurde ein Antrag auf Schluß der Debatte angenommen. Der Abg. Kaizl als Generalredner für den Antrag bedauerte die geringe Sympathie des Hauses für die Arbeiterbestrebungen, insbesondere gegenüber der Wahl- reform. Der Antrag Pécnerstorfer sei nah der Geschäftsordnung zulässig. Seine Annahme liege im Interesse des Hauses. Kaizl modifizierte sodann den Antrag dahin, es sei nach S 30 der Ge- schäftsordnung ein parlamentarischer Untersuchungsaus\chuß zu wählen. n namentlicher Abstimmung wurde hierauf die

Dringlichkeit mit 162 gegen 83 Stimmen abgelehnt. Der

Antrag selbst wird gemäß der Geschäftsordnung be-

handelt werden. Sodann wurde die Sißung unterbrochen.

Nach deren Wiederaufnahme stellte der Abgeordnete R den

dringlichen Antrag : den Gewerbe-Aus\chuß zu beauftragen, den

Bericht der Negierung über die Verhältnisse in den nördlichen

Kohlengebieten entgegen zu nehmen und dem Hause darüber

zu berihten. Der Abgeordnete Kaizl stellte den dringlichen

Antrag auf Einsezung eines Ausschusses von 24 Mitgliedern

behufs Erhebungen über die Vorfälle s und Mährisch-

Ostrau. Der Minister des Jnnern Marquis Bacquehem

erklärte, die i atis: lehne den Antrag Kaizl als bloße Re-

produktion des Antrags Pernerstorffer ab, stimme dagegen dem

Antrage Ruß zu, der in keiner Weise in die Rechte der

Erxekutive eingreife. Der Antrag Ruß wurde sodann, nachdem

die Dringlichkeit votiert war, einstimmig angenommen, dagegen

die Dringlichkeit für den Antrag Kaizl mit 160 gegen

82 Stimmen abgelehnt; der Antrag wird somit der Geschäfts-

ordnung gemäß behandelt werden. Das Haus seßte hierauf

die Berathung der Valutavorlage fort. Der Abg. Graf Hohen- wart bemerkte, er lee in der Vorlage des Ausschusses die Fort- seßung der Valuta-Aktion von 1892. Die Ehre der Monarchie verlange, daß das Beshlossene durchgeführt werde. Das Par-

Schrecken vorgemalt werde, Vertrauen einflößen. Der Finanz- Minister Dr. von Plener führte aus, die geseßgebende Aal sei innerhalb derselben Wahlperiode verpflichtet, die Erbschaft ihrer eigenen Beschlüsse auf sich gu nehmen. Die rundlegende Tendenz der Geseße von 1892 liege darin, ben großen Schritt zu machen, daß man aus der shwankenden Papierwährung herauskomme. Die gegenwärtige Vorlage strebe einen viel geringeren Schritt als deu bereits vollzogenen an. Die heftige Opposition enthalte unrichtige Behauptungen. Der Minister besprah sodann die fs en des oösterreichishen Agios und führte vor allem als Ursache die Schwankungen des Handelsverkehrs an. Für die R des Saldos der Handelsbilanz von 1893 i va iht die Handelsverträge verantwortlich gemacht werden. Der Grund liege in den Ernteverhältnissen Oesterreihs und Deutshlands. Der Minister wies sodann auf das Blühen der gewissenlosen unpatriotischen Spekulation zur Zeit des 2 prozentigen Silberagios hin. Erst die Er- fahrung werde zeigen, wieviel Silbermünzen der Verkehr bedürfe. Betreffs der Goldhinterlegung der Bank brauche man die Vermittelung der Bank wie in Deutschland, Eng- land und Frankreich. Schließlih sprach der Minister die Erwartung aus, daß das den beiderseitigen Jnteressen dienende Uebereinkommen mit der Bank zu stande kommen werde, und widerlegte aufs entschiedenste den Vorwurf der Abhängigkeit der Regierung von der Bank. Das Großkapital erwarte von allen wirthschaftlih kooperierenden Parteien die Annahme der Vorlage. Die Rede des Ministers fand N andauernden Beifall. Nachdem hierauf ein Antrag auf Vertagung der Valutavorlagen mit 166 gegen 106 Stimmen abgelehnt worden war, wurde beschlossen, in die Spezialdebatte ein- zutreten.

Das ungarische Oberhaus .hat, wie bercits in der gestrigen Nummer d. Bl. unter den nah Schluß der Redaktion eingegangenen Depeschen mitgetheilt worden is, die Ehe- stands-Vorlage mit einer Mehrheit von 21 Stimmen verworfen. Aus der Sizung berichtet „W. T. B.“ noch, daß der Minister-Präsident Dr. Wekerle vor der Abstimmung er: klärte, die Reform sei nicht eine Frage des Liberalismus, sondern eine folhe der Nothwendigkeit, und seine Rede mit den Worten {hloß: „Neue Jdeen klopfen an die Thür; wenn man sie nicht einläßt, werden sie wiederkommen, dann aber die Thür stürmen.“ Hierauf wurde die Vorlage mit 139 Stimmen gegen 118 Stimmen abgelehnt. Eine große Menschenmenge vor dem Museum empfing die Mitglieder, die für die Vorlage gestimmt hatten, mit Eljenrufen, die Gegner der Vorlage mit „Abzug“-Rufen.

Gestern Abend 6!/7 Uhr rottete sich in Budapest das Publikum in der Andrassystraße zusammen und pfiff die vom Turf zurückehrenden Magnaten aus. Nach 8 Uhr versammelten sih zahlreihe Studenten vor dem Klublokal der liberalen Partei, um dieser eine Ovation zu bereiten. Die Polizei zerstreute die Studenten mit der blanken Waffe. Mehrere Abgeordnete beshwerten sich bei dem Ober - Stadt- hauptmann über das Vorgehen der Polizei. Die Unter- suhung ergab, daß die Polizei geglaubt habe, die ange- sammelten Studenten seien die Demonstranten von der An- drassystraße.

Der heutige „Nemzet“ schreibt, die gestrige Abstim- mung im Magnatenhause habe weder auf die äußere Stellung des Kabinets noch auf dessen innere Politik irgénd welchen Einfluß, es entstünden ihm da- durh höchstens neue Pflichten und Arbeit. Aus vielen Städten des Landes treffen Depeschen ein, die der durch die Abstimmung des Oberhauses hervorgerufenen Bestürzung Aus- druck geben.

Im Laufe der gestrigen Verhandlung des Memorandum- Prozesses in Klausenburg bezeichnete der Präsident das fortgeseßte Bestreben der Vertheidiger, den Prozeß in die Länge zu ziehen, als Mangel an Ehrerbietung vor dem Gerichts- hof und verhängte über einen Vertheidiger wegen abfälliger Kritik der Erklärungen des Präsidenten und der Gerichtsbeshlüsse eine Geldstrafe. Die Vertheidiger erklärten sich durch den Vorwurf des Präsidenten, den Prozeß in die Länge zu ziehen, beleidigt, bezeichneten die Bestrafung ihres Kollegen als Einshüchterung der Vertheidigung und legten ihr Amt nieder, weil die Strafe nicht aufgehoben würde. Die Sitzung wurde O dem Wunsche der Angeklagten entsprechend, auf heute vertagt.

Großbritannien und JFrland.

Das Oberhaus hat sich gestern bis zum 28. Mai ver- tagt. Jm Unterhause erklärte, nah einer Meldung des „W. T. B.“, der Parlaments-Sekretär des Auswärtigen Sir E. Grey, die Abmachung zwishen Mwanga und Sir Gerald Portal sei noch nicht formell gebilligt oder ratifiziert. Der Beschluß der Regierung bezüglich Ugandas werde Mwanga notifiziert werden, sei aber noch nicht abgesandt, da die leßte Karawane bereits abgereist gewesen, als die Ankündigung des Protcktorats erfolgt sei. Jm Laufe der Berathung über die zweite Lesung des Budgets erklärte der Kanzler der Schaßkammer Sir W. Harcourt: der Antrag auf Verwerfung des Budgets sei absolut beispiellos; er freue sih aber, daß die Opposition die rage des Prinzips des Budgets aufgeworfen habe, da die tegierung thren eigenen Wunsch ausführen und erst die Ansicht der Kammer, hierauf diejenige des Landes erforschen könne. (Rufe auf den Bänken der Opposition: Wann ?) Die Antragsteller und diejenigen, die den - Antrag unterstüßten, seien Vertreter der mächtigsten Monopole, nämlich derjenigen des Bodens und der Getränke. Das sei ein Antagonismus, auf den die Regierung vollkommen vorbereitet gewesen sei. Das Budget möge verworfen werden, aber die Prinzipien einer gleich- mäßigen und gerechten Vertheilung der Steuern, auf die es basiert sei, würden bleiben. Jm weiteren Verlaufe der Sißung wurde die zweite Lesung der Budgetbill mit 308 gegen 294 Stimmen angenommen. Hierauf vertagte sih das Haus ebenfalls bis zum 21. Mai. _Das deutsche Geschwader, bestehend aus den Panzer- schiffen „Baden“, „Bayern“, „Sachsen“, „Württemberg“ und dem Aviso „Pfeil“, ist gestern in den Firth of Forth ein- gelaufen. Frankreich.

U DeL gestrigen Sißung der Deputirtenkammer erwiderte, wie „W. T. B.“ meldct, der Justiz-Minister Dubost auf eine Anfrage des Deputirten Habert betreffs der Ver- folgung des Cornelius Herz, die Gerechtigkeit nehme ihren Lauf, der Auslieferungsantrag gegen Herz bestehe noh zu Recht. Wenn die Antwort Englands zu lange auf ih warten lasse,

lament müsse der Bevölkerung, der vor der Valuta-Aktion ein

werde Herz, um die Verjährung zu vermeiden, in contumaciam

verfolgt werden. Die Kammer nahm hierauf mit 528 gegen 5 Stimmen eine von der Regierung genehmigte Tagesordnun an, worin der Entschlu ß der Regierung, gegen Herz die strikte und unverzüglihe Anwendung des Geseßes zu verlangen, zur Kenntniß genommen wird.

Rußland.

Im Reichs rath wird nach einer Meldung des „W. T. Y - aus St. Petersburg ein Geseg vorbereitet , wonach Nationalrussen, welhe sih_ in den westlihen Gou: vernements ankaufen wollen, 75 Proz. des Werths des an- zukaufenden Landes vorgeschossen erhalten sollen.

Ftalien.

Die Deputirtenkammer seßte gestern die Berathung des Armeebudgets, zu dem bereits 26 Tagesordnungen ein- gebraht worden sind, darunter ein Antrag Nudini's auf einfache Tagesordnung, fort. Der Kriegsminister Mocenni hielt eine längere Rede, worin er dem „W. T. B.“ zufolge die Behauptungen der Vorredner zurückwies und ausführte die Streichung von zwei Armee - Korps würde politis und moralisch unheilvoll sein. Er habe, wie hon in der Kommission über die Finanzmaßregeln erklärt worden sei, bereits nachgegeben, indem er in sechs Millionen Er- sparnisse eingewilligt habe. Zum Schluß erinnerte der Minister an die Worte Rudini's, der von dem Lande noch größere Opfer für die nationale Vertheidigung verlangt habe. Hier- auf wurde die Generaldiskussion geschlossen und die Sizung aufgehoben.

Nach ciner Meldung des „Fanfulla“/ soll der Belage- S in Luingiana alsbald nah der Rükehr des Königs aufgehoben werden.

Spanien.

Jn der Deputirtenkammer erklärte, dem B. L. Ba zufolge, gestern der Minister des Auswärtigen Moret gegen- über den Behauptungen des republikanischen Deputirten Marenco, es bestehe kein geheimer Vertrag zwischen

Ztalien, England und Spanien bezüglich Marokkos.

Türkei.

Die auf Ernennung der Bischöfe von Veles und Nevrokop bezüglichen Erlasse sind nach einer Meldung des „W. T. B.“ gestern ergangen. Von dem bulgarischen Exarchen stnd der Archimandrit Auxentine zum Bischof in Veles und der Dos Hilarion zum Bischof in Nevrokop geweiht worden.

Die Antwort des Justiz-Ministeriums auf den Protest des rumänischen Patriarchen gegen die Er- nennung der bulgarischen Bischöfe (siehe Nr. 104 d. Bl.) besagt : die Pforte könne nichts thun; sie handle in dieser An- gelegenheit nach reiflihster Erwägung; es würde unnüß sein, auf die Frage zurüzukommen, die bereits anläßlih der Er- nennung der ersten Bischöfe den Gegenstand langer Berathung gebildet habe.

Serbien.

Die „Politishe Korrespondenz“ erfährt aus Belarad, daß alle Nachrichten über einen bevorstehenden Minister- wechsel in Serbien vollständig erfunden seien. Das Schicksal des Kabinets werde bei den nächsten Wahlen zur Skupschtina entschieden werden.

Schweden und Norwegen.

Der Zivil-Minister beantwortete, wie E. D berichtet, gestern in der Ersten Kammer des Reichstags die Jnterpellation über die Maßregeln der Regierung bezüglich des norwegischen Vieheinfuhrverbots und erflärte, er werde die Bestrebungen für die Aufhebung des Verbots fort- jeßen, könne aber über die Aussichten seiner Bestrebungen augenblicklich keine Mittheilungen machen. :

Amerika.

Dem Senat ist vorgestern eine Korrespondenz über die Samoafrage vorgelegt worden, die ein Schreiben des Staatssekretärs Gresham enthält, worin ausgeführt wird: Die Vereinigten Staaten hätten wiederholt das Protektorat über Samoa abgelehnt und dem Vertrag von 1878 mehr aus Gefälligkeit als aus Jnteresse zugestimmt. Samoa sei voller Gefahr für die Sicherheit und Wohlfahrt Amerikas, das vergebens nah einem Vortheil suhe, der für diese Ge- fahr Entschädigungen gewähre. Amerika habe den Ein- geborenen nicht zu helfen vermocht und habe seine eigenen &Znteressen nicht gefördert. Die gegenwärtige Einrichtung bilde in Wirklichkeit eine dreitheilige fremde Regierung. Amerika habe davon nur Kosten, Verantwortlihkeit und Verwielungen gchabt. Der Berliner Vertrag habe durchaus seinen Zweck, die Uebelstände zu beseitigen, die man hintanzuhalten gejucht habe, verfehlt; er habe die Umstände eher verschlimmert.

Afrika.

Eine Depesche des „RNeutershen Bureaus“ aus Aden meldet den Tod des Bischofs Smythies in Sansibar.

Parlamentarische Nachrichten.

Wie die „Schlochauer Zeitung“ meldet, erhielten bei der am- Dienstag vorgenommenen Reichstags-Ersaßwahl im Wahlkreise Schlohau-Flatow nah den bisherigen Er- mittelungen der Rittergutsbesißer Hilgendorff (konservativ) 9699, der Redakteur von Mosch-Stegliß (Antisemit) 3213, der Rittergutsbesißer von Prondzinski-Loßburg (Pole) 3477 und der Dekan Neumann (Zentrum) 1856 Stimmen. Aus drei Bezirken fehlen die Resultate noch, die jedoch an dem Ergebnis nihts ändern dürften, sodaß eine Stichwahl zwi- hen Hilgendorff und von Prondzinski erforderlich ist.

Entscheidungen des Reichsgerichts,

Unter einem „Zustande der Bewußtlosigkeit" im Sinne des § 51 des Strafgeseßbuchs (,Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Thäter zur Zeit der Begehung der Handlung ih in einem Zustande der Bewußtlosigkeit oder krankhafter Störung der Geistes- thätigkeit befand, durch welchen seine freie Willensbestimmung aus- eschlossen war“) ist, nah einem Urtheil des Neichsgerichts, T11. Straf- ena, vom 29. Januar 1894, nicht nur ein Zustand von völligem Schwinden des Bewußtseins der Außenwelt und von einer eingestellten Thätigkeit der Sinne zu verstehen,

sondern E ein Zustand von Shwinden des Selbstbewußt- seins beispielsweise durh übermäßigen Genuß von Spirituosen

i, ungeachtet der niht beeinträhtigten physishen Fähigkeit E Pelihen ive, das Selbstbewußtsein in der temporären Sinnesaufregung so weit untergegangen ift, daß dem Geiste die Er- fenntniß des Inhalts und Wesens vorgenommener Handlungen, sei es *berbaupt, sei es in einer bestimmten Richtung, mangelt. Also nicht d sinnlose Betrunkenheit, sondern auch starke Angetrunkenheit können ein strafausschließendes Moment bilden. (4406/93.)

Nach §§ 343, 345 1,5 des Preuß. Allg. Landrehts muß der Uebernehmer einer beweglihen Sache die Rechte, welche ihm wegen natürlicher, die Sache selbst betreffender Fehler zukommen, innerhalb sechs Monate na ch dem Empfang der Sache ausüben, und sein Ret geht, wenn er diese Frist ohne Klageerhebung ver- streichen läßt, verloren. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, V. Zivilsenat, durh Urtheil vom 3. Februar 1894 aus-

esprochen, daß mit den Worten : „Empfang der Sache“ der Augen-

blie der Uebergabe, niht der Annahme der Sache als empfangbar, als vertrag8mäßig gemeint ist. „Die Rechtsprehung des früheren preußischen Ober-Tribunals hat die Vorschrift des § 343 a. a. D. stets dahin ausgelegt, daß mit den Worten: «Emfßfang der Sache der Augenblick der Uebergabe, niht der Annahme® der Sache als empfangbar gemeint ist. Es kommt deshalb nicht darauf an, wann der Uebernehmer die Sache untersucht und den Fehler entdeckt hat, sondern wann er diese Untersuhung vornehmen konnte.“ (362/93.)

Entscheidungen des Ober-Verwaltungs8gerichts.

Ist eine eingetragene Genossenschaft seitens der staatlichen Veranlagungskommission nicht zur Einkommensteuer heran- gezogen worden, indem angenommen worden ist, daß ihr Geschäfts- betrieb über den Kreis ihrer Mitglieder ni cht hinausgebe, so ist, nah einem Urtheil des Dber-Verwaltungsgerichts, 11. Senats, vom 9. März 1894, die Kommune dadurch nicht gehindert, hinsichtlich der Kommunal-Einkommen-Besteuerung selbständig zu prüfen. ob der Geschäftsbetrieb der Genossenshast über den Kreis threr Mit- glieder hinausgehe, und sie ist, falls sie dies festzustellen vermag, befugt, die Genossenschaft zur Gemeinde-Cinkommensteuer heran- lede: „Das Besteuerungsreht der Gemeinde / besteht an sih, wie der § 953 der Städteordnung vom 30. Mai 1853 an- erfennt, unabhängig neben demjenigen des Staats. Eine besondere Besteuerung der Genossenschaften, deren Geschäftsbetrieb über den Kreis ihrer Mitglieder hinausgebt, ist denn auch bereits durch das Kommunalabgabengeseß vom 27. Juli 1885 vorgesehen. Da damals eine staatliche Besteuerung derartiger Gesellschaften garniht bestand, fonnte die Beurtheilung ihrer Steuerpflicht niht von dem Ergebniß der staatlichen Prüfung abhängig gemacht werden. Der § 3 des gedahten Geseßes bindet demgemäß die Kommunen zwar an die Ein- shäßungsgrundsäße der staatlichen Besteuerung nahezu un- beschränkt, dagegen an das Ergebniß jener Besteuerung nur, insoweit eine Einshäßung zur Staatssteuer stattzufinden hat. Als das „Ergebniß“ der Einschätung U Ur Der eIradDIe Steuerstufe anzusehen. . . . Im vorliegenden Falle ist es zu einer rechnerischen Untersuhung, etwa mit dem negativen Resultat eines Defizits, keineswegs gekommen, sondern die Untersuchung hat von vorn- herein die Beranlagungskommission zur grundsäßlichen Verneinung der Steuerpfliht überhaupt geführt. Wenn gleihwohl der Vorderrichter die Gemeinde zu dem Beweise, ihr gegenüber habe die Klägerin sich steuerpflihtig gemacht, nit verstattet hat, so ist damit der § 3 des Komm.-Abg.-Ges. vom 27. Juli 1885 durch Anwendung auf einen Fall, für welchen er nicht gegeben ift, verleßt worden und die Vor- entsheidung war daher aufzuheben.“ (T1. 352.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Zum Bergarbeiterausstand im Ostrauer Kohlen- revier liegen heute folgende Meldungen vor:

Nach Berichten, die das Wolff\{he Bureau über Breslau aus Ratibor empfing, wurde, da eine große Zahl der ausständigen Ostrauer Bergarbeiter in - den preußishen Grenzdörfern wohnen, die gesammte Gendarmerie des Kreises Ratibor zur Aufrecht- erhaltung der Ordnung in den preußishen Ortschaften fom- mandiert. Aus Ostrau wird weiter vom gestrigen Tage berichtet: Die Gesammtlage im Mährischen Theile des Osftrauer Kohlenreviers ist im allgemeinen unverändert. Die Zahl der Strikenden beläuft sih auf 4500. Die Ruhe ist nit gestört worden. Auch in dem polnischen Theil des Ostrauer Reviers ist die Lage unver- ändert, der Strike dehnt sih nach Karwin aus. Gestern Abend wurde die Arbeit in dem Porembashaht und dem Hauptschacht in Orlau eingestellt. In der Zentral-Koksanstalt, auf dem Zwierzina- shacht und dem Idaschacht wird gearbeitet. Auf allen Nordbahn- gruben, auf der Wilzek- und der Salmgrube sowie auf dem Albrechtshaht herrs{cht Ausstand. Der Untersuchungs- rihter und der Staatsanwalt sind in Mährisch - Ostrau ein- getroffen. Nachträglich wurden noch viele Verwundungen festgestellt. Der „Voss. Ztg.“ wird telegraphiert: Die Direktoren sämmt- licher Kohlenwerke des Ostrauer Gebiets beschlossen, die Forderungen des Achtstundentages und der Lohnerhöhung abzulehnen, dies den Arbeitern in einer Bekanntmachung mitzutheilen und sie zur sofortigen Einfahrt unter Androhung der Entlassung aufzufordern. Aus Preußish-Schlesien trafen so bedeutende Kohlensendungen in Witkowiß ein, daß der Betrieb des dortigen Eisenwerks gesichert ist.

Aus Breslau wird der „Köln. Ztg.“ telegraphish gemeldet: Sämmtliche an dem Wollsackdurhstih der Oder bei Kosel be- schäftigten Arbeiter, mehrere Hundert an der Zahl, haben die Arbeit eingestellt und fordern Lohnerhöhung.

In Dresden hat ein großer Theil der dortigen Dachdecker- gehilfen am Dienstag die Arbeit eingestellt. Sie verlangen, wie die „Köln. Ztg.“ mittheilt, von den Meistern 20 9/6 Lohnerhöhung und eine Verkürzung der Arbeitszeit. l

,_ Aus dem Plau enschen Grunde theilt man dem „Vorwärts“ mit, daß die Töpfer der Fabrik von Knieling ausgesperrt wurden, weil sie gegen den Willen des Arbeitgebers am 1. Mai ge- feiert haben.

Zum Ausstande der Arbeiter in der Kunhe im’shen chemischen

abrik in Niedershönweide wird berichtet, daß die Zahl der Arbeiter, die zu den alten Bedingungen wieder eingetreten sind, gestern {on 200 betrug und fortgeseßt steigt, so daß der Betrieb der Fabrik niht mehr in Frage gestellt ist.

A Aus Berlin giebt die „Voss. Ztg.“ über den Ausstand der Böttcher folgende Darstellung: Der Verein der Berliner Brauereien hatte beshlossen, die Böttchergesellen (etwa 300), die am 1. Mai ¡roß des Verbots der Direktion gefeiert haben, vom 2. bis 6. Mai von der Arbeit auszuschließen. Die Böttchergesellen beriefen darauf eine „Versammlung ein, in der sie den allgemeinen Ausstand mit der Maßgabe proklamierten, daß die noch arbeitenden Gesellen die Arbeit sofort einstellen, die übrigen fie aber am Montag, 7. Mai, nicht wieder und überhaupt nicht eher auf- nehmen sollten, bevor die Brauereien eine Anzahl Forderungen der Gesellen bewilligt hätten. Diese liefen darauf hinaus, daß gegenüber dem im Jahre 1890 von den BVöttergesellen Berlins und der Um- gegend selbs aufgestellten Lohntarif der Lohn für die Woche s Arbeitstagen von 27 M auf 30 A zu erhöhen, die Arbeitszeit

boi Stunden auf 9 Stunden zu ermäßigen sei, daß der Zuschuß Uet Pichen und bei den Kellerarbeiten zu verdoppeln it und soll, nUnden in Zukunft ganz fortfallen sollen. Vor den Hauptfesten ove die Arbeit um 4 Uhr beendet sein und am 1. Mai jeden Jahres ganz ruhen. Die Brauereien er lärten, in Verhandlung über diesen ohntarif mit den Böttchergesellen niht einzutreten und an den

M Arbeitsbedingungen um so weni er etwas zu ändern, ele gegenüber denen anderer Arbeiter Berlins überaus günstig

seien, da zu’ vorgenannten Säßen noch der Werth des Freibiers mit täglich 4—6 Liter für den Mann hinzuzurechnen sei. Nun beschlossen die Sozialdemokraten den Boykott, und zwar zunähst über die Vereinsbrauerei in Rixdorf. Der Verein der Brauereien erklärte \sich bvarauf mit dieser Brauerei solidarisch und beshloß die (in Nr. 108 d. Bl.) bereits mitgetheilten Abwehr- maßregeln. Trotz der Erkläruna d¿s allgemeinen Auéstandes sind eine Anzahl Gesellen zur Arbeit ersckienen, und von auswärts sollen sich die Geselleu zahlreich nach Berlin melden, sodaß die Aussichten für die Ausständigen nicht günstig erscheinen. ; Aus Nantes berichtet die „Köln. Ztg.“, daß unter den dortigen Zimmerleuten ein Ausstand ausgebrochen ist. Die Arbeiter verlangen 55 Centimes für die Stunde, während die Meister nur 50 Centimes bewilligen wollen. Im Arrondissement von Gien stehen 350 Holzfäller aus, weil ihnen eine Lohnerhöhung ver- weigert wurde.

Land- und Forstwirthschaft.

Bekämpfung des Nonnenfraßes.

Die in den Königlichen Forsten des Regierungsbezirks Potsdam egen die Nonnengefahr im Vorjahre angewendeten Schußmaßregeln Baber einen befriedigenden Erfolg gehabt, und es wird bei Fort- seßung dieser Mittel zu hoffen - tein, daß der Nonnenfraß bald sein Ende erreiht. Mit Versuchen betreffs Vergiftung der Nonnenraupen mit Schlafsuchtsbazillen wird im Laufe des Sommers fortgefahren werden, \obald der erforderlihe Impfstoff erlangt sein wird.

Saatenstand in Nord-Amerika. /

Nach dem Bericht des Ackerbau-Ministeriums in Washington sind, wie ,W. T. B.“ meldet, 81,6 9/6 der für Baumwollpflanzungen bestimmten O am 1. d. M. bepflanzt gewesen. Der Durchschnitts- stand des Win terwetizens am 1. Mai war 81,4, das bedeutet eine Abnahme von 5,3 9/9 während des April. Die Wirkungen der Kälte im März waren ernster, als angegeben war, namentlih in Kanfas und Nebraska. Der Durchschnittsstand des Winterroggens ist i derjenige der Gerste 62,3 infolge der Trockenheit in Kali- ornien.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Akagter,

Herkünfte von Portugal und insbesondere von Lissabon unter- liegen in den Häfen Algeriens einer ärztlihen Untersuchung, die \{chmußige Wäsche und die sonst zur Verbreitung der Cholera geeig- neten Gegenstände werden desinfiziert. Sind verdächtige Krankheits- fälle an Bord des Schiffs vorgekommen, so hat \sich dasselbe einer fünstägigen Quarantäne und der Desinfektion zu unterziehen.

Handel und Gewerbe.

Zwangs-Versteigerungen. |

Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin standen am 9. Mai die nachbezeihneten Grundstückle zur Versteigerung: Mendelssohnstr. 10, dem Bäermeister Gustav Mattner gehörig; Fläche 11,17 a; Nußungswerth 18600 #4; für das _fest- geseßte Mindestgebot von 289500 A wurde der Nentier Otto Reichert, Holzmarktstr. 20, Ersteher. Pappel-Allee 6, dem Photographen R. Halm zu Warmbrunn gehörig; Nuzungswerth 10070 4; für das Meistgebot von 153 000 M Wurde der Sabritbeiber W.. Uer zu Oerisdhs dorf bei Warmbrunn Ersteher. Strelißerstr. 32, dem Instru- E C. Saloefski gehörig; Fläche 5,57 a; Nußzungswerth 8720 6; für das Meistgebot von 108 000 wurde die „Deutsche Grundschuldbank“, Dorotheenstr. 95, Ersteherin. Kolberger- straße 14, dem Maler R. Bo ck und dem R. Drachh olz gehörig; Glâche 9,599 a; für das Meistgebot von 96 000 A wurde die, All» E Häuserbau-Aktiengesellschaft" zu Berlin Er- teherin. | Beim Königlichen Amtsgericht 11 Berlin stand das im Grundbuche von den Umgebungen Berlins im Kreise Teltow Band 3 Blatt Nr. 131, auf den Namen der Auguste Emilie Henriette Hellwig und weitere 21 Besißer eingetragene, in der Köllnishen Heide im Gemeindebezirk Treptow, am Bouchéwege belegene Grundstück theilungshalber zur LWer- steigerung; für das Meistgebot von 65000 wurde der Nentier Friedrih Wilhelm Krop zu Berlin, Wienerstr. 10, Ersteher. Cingestellt wurde das Verfahren wegen der zu Deutsch-Wilmersdorf an der Preußischenstr. und der Pfalzburger- straße belegenen Grundstücke, dem“ Kaufmann H. Pischon und dem Konsul Ad. Schw abe gehörig.

Mit dem Beginn dieses Monats is hier in Berlin,

Französischestraße 28, eine Erwerbsgesellschaft ins Leben getreten, die dem Zwecke dienen soll, unbemittelten Beamten und Kaufleuten die Hinterlegung erforderliher Kautionen zu _erleihtern. Das neue Institut die Erste Berliner Kautions-Gesellshaft wird in der That großen Nutzen stiften können, wenn es ge- lingt, für thre Ziele die nöthige Zahl der Theilnehmer zu finden. Die Gesellschaft will für Beamte und S rivatangeltete egen mäßige jährlihe Prämien Kautionen baar oder in Effekten stellen, Der Anspruch auf das hinterlegte Kapital wird durch jährliche Amortisationsraten erworben ; bis jeyt gab es in Deutschland noch ein Institut, das Ah" diesen eistungen im besondern widmete. Einzelne Versicherungsanstalten haben wohl Ab- theilungen eingerihtet, in welhen auch Bürgschaften ver- sichert werden, d. h. die Gesellschaften bürgen mit der Police für thre Versicherten, keine jedoh giebt ihren Klienten die baaren Mittel. Bei der Ersten Berliner Kautions-Gesellshaft genießt der Klient nicht allein die Annehmlichkeit der für ihn wirkli gestellten Kaution, fon- dern er wird auch je nach der Höhe der Amortisationsraten in 5, 10 bis zu 45 Jahren Eigenthümer der hinterlegten Summe. Berläßt er seine Stelle oder stirbt er vor diesem Zeitpunkt, fo erhalten er oder seine Erben den bis dahin amortisierten Betrag nebst 49/6 Zins auf Zins. Die Gefellshaft übernimmt auch bereits gestellte Kautionen. Die erft jeßt in Deutschland ins Werk geseßte Ein- richtung hat sih schon jahrelang in England, Frankreih und anderen Ländern bewährt. : :

Frankfurt a. M., 10. Mai. (W. T. B.) Die General- versammlung der Besiger der dreiprozentigen Western-New-Y ork- und Denn vldania: Bands nahm in der Nachmittagsberathung, welche 3s Stunden dauerte, nah lebhaften Debatten den amerika- nischen Neorganifationsplan mit 1613 gegen 1011 Stimmen an. Die Versammlung spra die Erwartung aus, daß im Falle des „Fore- closure“ und der Versteigerung der Bahn die Emissionsäuser für die ursprünglichen Buffalo-Bonds ihren ganzen Einfluß zum Schuß und gegen die Schädigung der Minorität einseßen werden.

St. Petersburg, 10. Mai. (W. T. B.) Den kommunalen und privaten Institutionen und Unternehmungen is von jeßt an die vorterminlihe Kündigung ihrer langfristigen Anleihen ge- stattet. Den Agrarbanken und Kreditinstituten ist damit die Möglich- keit geboten, ihre 5 9/9 Papiere zu konvertieren: i i

as Ergebniß der ersten zwei Tage der Konversion ist folgendes: Es wurden zum Bezug gefordert bei der Reichsbank und thren Filialen 416 948 000, bei den St. Petersburger Banken 128 370 000, bei den Moskauer Banken 30592 000, bei der Warschauer Kommerzbank 3 420 000, bei der Sibirishen Bank 2 800 000, in Deutschland 36 969 000, in Holland 4 936 000, in Frankreih 29 114 000 Rbl. Das Gesammtergebniß beträgt über 653 Millionen Nubel. / / :

Das ne Börfencomité erklärte den 22. April/4. Mai als Tag der Eröffnung der hiesigen Schiffahrt. Auch in Archangel ist

die Schiffahrt eröffnet.

Rom, 10. Mai. (W. T. B.) In einer heute stattgehabten Versammlung zur Gründung eines neuen Instituts, das die Liquidation des Credito Mobiliare und der Banca Generale übernehmen foll, wurde einstimmig eine Tagesordnung angenommen, nah welcher .der Entwurf der Einberufer genehmigt und eine Kom- mission von drei Mitgliedern ernannt wird, die der am 15. d. M. stattfindenden Versammlung einen Statutenentwurf vorlegen soll.

Verdingungen im Auslande.

Niederlande. 15, Mai, 25 Uhr. De Hollandsche - Uzeren - Spoorweg- Maatschappy. Ïn der Centraal-Personenstation zu Amsterdam im Raum neben dem Wartesaal 3. Klasse: Lieferung von Gußeisen für den Zentral-Arbeitsplaß in Haarlem auf die Zeit vom 1. Juni 1894 bis 31. Mai 1895. In 5 Abtheilungen. Bedingungen für 0,50 Fl. beim Portier des Centraal-Administratiegebouw genannter Gesellschaft erhältlich. / 17. Mai, 34 Uhr. Kirchengemeinde zu Aalten (Gelderland) im Kaffeehause von Veldkamp zu Aalten: Bau einer Kirhe mit Thüren u. |. w. Bedingungen und Zeichnungen für 1 Fl. im ge- nannten Lokal zu beziehen. 19. Mai, 2 Uhr. Departement van Justitie im Haag: Bau von 6 Wächterwohnungen beim Zellengefängniß in Groningen. An- \{lag 16 190 Fl. Bedingungen mit Zeichnungen erhältliß bei Ge- brüder van Cleef im Haag. Spuistraat 28 a für 1,15 Fl. 31. Mai, 11 Uhr. De Ministerie van Waterstaat u. \. w. Durch den Commissaris der Koningin der Provinz Noord-Holland im Provinzial-Verwaltungs8gebäude in Haarlem: Anfertigung einer \tählernen, chwimmenden Brücke für die Werke des Nordhollandschen Kanals. Schäßung 2700 Fl. Bedingungen zu beziehen von den vorher genannten Gebrüdern van Cleef im Haag.

Verkehrs-Anstalten.

Infolge von Quarantäne-Maßregeln können bis auf weiteres Postpackete nah Portugal auf dem Weg über Hamburg nicht mehr Beförderung erhalten. Derartige Sendungen werden einstweilen nur zur Leitung auf dem Weg über Frankreich angenommen: für Postfrachtst ücke nah Portugal bleibt der Weg über Hamburg vorerst noch benuzbar.

« Hamburg, 10. Mai. (W. T. B.) Hamburg-Ameri- fanishe Padketfahrt-Aktien-Gesellschaft. Die Union- dampfer „German“ und „Mexican sind gestern auf der Heim- reise von Kapstadt abgegangen. Der Schnelldampfer , Augusta Viktoria hat heute Nachmittag Scilly passiert.

Theater und Musik.

Theater Unter den Linden.

Die im Laufe der. Jahre im Friedrih-Wilhelmstädtischen Theater fast neunzig Mal mit stets gleichbleibendem Erfolg gegebene melodiöse Operette „Eine Nacht in Venedig" von F. Zell und Ni ch. Genée, Musik von Johann Strauß, wurde au bei ihrer gesirigen ersten Aufführung an dieser neuen Stätte beifällig aufgenommen. Die wirksame Jnscenierung licß in allen, au den kleinsten Einzelheiten, die gewandte und forgsame Hand des Herrn Direktors Julius Frißsche erkennen und trug niht wenig zu dem Erfolge bei. Das zahlreiche, gut geshulte und \timmbegabte Personal ermöglihte eine in jeder Beziehung gute Beseßung, sodaß von den Mitgliedern der Bühne in der Chaussee- straße nur die beiden Damen Kluge und Komarowska heran- gezogen zu werden brauchten, die sich denn auch sehr effektvoll durch die Ausführung des niedlihen Taubenduetts an der Vorstellung zu betheiligen vermochten. Die vielen großen Aufzüge kamen bei der umfangreihen Bühne, der glänzenden Ausftattung und der exakten Einstudierung zur vollen Geltung. In der Rolle der Fischertohter Amina zeichnete Fräulein Andrée sich vor allen Mitwirkenden durch ihr gewandtes, anmuthiges und schelmisches Spiel, wie durch die Ausführung des gesanglihen Theils ihrer Auf- gabe aus. Auch Fräulein Broch fand als Köchin Ciboletta Gelegen- heit, von neuem Beweise ihres fortschreitenden Soubrettentalents zu geben. Durch ihre drastishe Darstellung der Agricola erregte Frau Grimm-Einödshö fer viele Heiterkeit. Lobende Erwähnung ver- dienen endlich von ten auftretenden Damen noch Fräulein Bardi als Barbara und Fräulein König als Constantia, die beiden Senatorenfrauen, die mit Barbara gemeinschaftlich gegen den Willen ihrer eifersühtigen Gatten sih an dem ausgelassenen Maskenfest beim Herzog von Urbino betheiligen. Der Herzog Guido wurde von Herrn Meyer würdevoll gespielt; auch den musikalishen Anforderungen seiner Rolle wurde der Künstler vollständig gereht. Des Herzogs Leibbarbier Caramello gab mit ergößlihem Humor Herr Schuler. Herr Steinberger, der als Maccaronikoch Papacoda auftrat, riß durch seine urwüchsige Komik die Zuschauer häufig zu förmlichen Lachstürmen fort. Im dritten Aft erzielte er große Wirkung mit einem von Herrn Freund für ihn verfaßten Kuplet. Mit gewohnter Sicherheit leitete Herr Kapellmeister Adolph Ferron die in jeder Beziehung wohl gelungene Vorstellung, deren hübschen Abs{chluß wieder das glänzende Ballet „Farfarello“ von Greco Poggiolesi mit Signorina Elia als Fischerstohter Marcellina unter der persönlichen Leitung des Komponisten Herrn M. Dahms bildete.

Zentral-Theater.

Gestern Abend erschien das alte, wohlbekannte Lustspiel „Rosen - müller und Finke“ von Karl Toepfer auf der Bühne des Zentral-Theaters und wurde ebenso freundlich wie fröhlih auf- genommen. Die Einstudierung dieses Lustspiels ist namentlich wohl dem Gast der Bühne, Herrn Emil Thomas zu danken, der die Nolle des alten Handelsherrn Bloom sehr wirkungsvoll spielte; aber kaum je zuvor war in gleih hohem Grade zu beobachten, über wie zahlreihe tüchtige und verläßlihe Lustspielkräfte die junge Bühne verfügt. Das Zusammenspiel war über alles Erwarten gut. Die meisten Darsteller hielten \sich auf einer sehr befriedigenden Durchschnittshöhe in ihren Leistungen. Sogar das Unmoderne in dem Stück, die Scenen, in denen der invalide Diener und der pensionierte Hauptmann auf die Geld heishenden dunklen Ehrenmänner mit Pistolen und ag losgehen, erregte Fröhlichkeit wegen der derb-komischen Darstellung. Daneben zeigte sih oft eine herzhafte Natürlichkeit in der Wiedergabe der menschlichen Schwächen, die dem alten eingefleischten Soldaten oder dem stolzen, zähen Handelsherrn eigen sind, und der fröhliche Plauderton im Dialog und die Fülle \cherzhafter Einfälle in der Scenenführung kamen glüdcklich zur Geltung. Das Lustspiel wirkte denn auch erstaunlih frisch troy seiner Altersmerkmale. Emil Thomas war in der Nolle des alten Timotheus Bloom wegen der Zurückhaltung, die er seiner derben Komik zumeist auferlegte, zu loben. Besondere Freude rief Herr Theodor Müller în der Rolle des behäbigen, \cherzhaften alten Buchhalters uge hervor; sein Gesicht strahlte in herzhafter Fröhlichkeit.

ie jungen Damen des Lustspiels, die sich zum Schluß als glückliche Bräute präsentieren, wurden von den Damen Pallas, Dora und Felsen anmuthig gegeben; namentlich trat Fräulein Pallas als übermüthige Schelmin in der Partie der Nosamunde durch Vornehm- heit der Erscheinung und des Spiels hervor.

Konzerte

íIn der Philharmonie fand am Mittwoh unter zahlreicher Betheili a Publikums der leßte „Wagner-Abend“ dieser Saison statt. Mit dem Huldigungsmarsch, der sih dur melodiöse Erfindung und maßvolle Verwendung der Blechinstrumente auszeichnet, begann der Abend. Dann reihten s{ch an das Vorspiel zu „Parsifal“, die Ouvertüren zum „Fliegenden Holländer“ und zum „Tannhäuser“. Letztere wurden mit so feiner Schattierungsweise gen daß ihnen stürmisher Applaus und Hervorruf des Diri-

genten Professor annstädt folgte. Eine glei günstige Auf-