1894 / 121 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 25 May 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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n der am Donnerstag, 24. d. M., unter dem Vorsiß Des - Präsidenten des Staats - Ministeriums, Staats- ârs des Jnnern Dr. von Boetticher abgehaltenen rsigung des Bundesraths wurde dem Entwurf einer ordnung, be nd die Ung eines Zollzushlags für aus Spanien und den spanischen Kolonien kommende Waaren, dié Zustimmung ertheilt. . Zugleih wurden Ausführungs- bestimmungen zu dieser Verordnung erlassen.

ute hielt der Ausshuß des Bundesraths für Justiz- r int ißung.

Der Entwurf zu der heute im amtlichen Theil (vgl. Deutsches Reich“) veröffentlihten Verordnung, betreffend die Erhebung cines O ag für aus Spanien und den spanischen Kolonien kommende Waaren, war dem Bundesrath mit einem Anschreiben des Reichskanzlers zugegangen, worin der Antrag auf Erlaß einer Verordnung, wie folgt, begründet wurde: : i ;

m 15. d. M. is das Handelsprovisorium mit Spanien abge- Iaufen, ohne daß es inzwishen möglich gewesen wäre, den am 8. August 1893 zu Madrid unterzeichneten neuen deuts - spanischen Handels- vertrag zu ratifizieren. Eine Rue Verlängerung des feit dem 1. Februar 1892 nicht weniger als zehnmal verlängerten, im wesent- lichen auf der Grundlage der gegenseitigen Meistbegünstigung be- ruhenden Provisoriums, bei welchem die Vortheile in über- wiegendem Maße auf spanischer Seite lagen, konnte mit Rücksicht auf die bei der Durchberathung - des vorgedahten Vertrages in den spanischen Kortes von der Senatékommission eingenommene Haltung deutscherseits niht in Aussicht genommen werden. Denn während der Vertrag rom s. August 1893 in Deutschland shon im Dezember v. J. die parlamentarishe Genehmigung erlangt hatte, beschloß die spanische Senatsfommission, als der Vertrag in Spanien endli im April d. I. zur Vorlage an die Kortes gelangt war, eine Enquête über den Vertrag einzuleiten, welhe nach Lage dér erhältnifse Iediglih den Zweck haben konnte, die Durchberathung des Vertrages zu vershleppen und denselben auf diese Weise zu Fall zu bringen. Thatsählih ist ein Ende der Berathung des Vertrages in den Kortes auch nicht abzusehen. Bei diéser den inter- nationalen Gepflogenheiten in keiner Weise entsprehenden Haltung der parlamentarishen Vertretung Spaniens unserem Handelsvertrage gegenüber konnte an ein weiteres Cingehen auf ein Provisorium, bei welchem Spanien deutscherseits Vortheile gewährt würden, die nicht ihren vollen Ausgleich in spanishen Gegenkonzessionen fänden, nicht

gedacht werden. E Mit dem Ablauf des Handelsprovisoriums trat von selbs vom

16. d. M. ab der deutsche autonome Tarif gegen die spanische Einfuhr in Anwendung. Es durfte erwartet werden, daß die spanishe Ne- gierung nach Sine der Verhältnisse sich A würde, ihrerseits bis um Abschlusse der Korteêverhandlungen über den Vertrag den an sich ebe hohen spanishen Minimaltarif auf die deutsche Cinfuhr zurAnwendung zu bringen und die leßtere nur von denjenigen Zollvergünstigungen unter den \panishen Minimaltarif auszuschließen, welche vom 1. Ja- nuar d. J. ab in Spanien auf Grund der Verträge dieses Landes mit der Schweiz, Norwegen und den Niederlanden in Kraft getreten waren. Diese Erwartung hat si indessen nicht erfüllt. Nach einem Bericht des Kaiserlichen Botschafters in Madrid hat vielmehr der \panishe Ministerrath beschlossen, den spanishen Maximaltarif gegen die deutshe Einfuhr in Kraft zu segen. °

Unter diesen Umständen ist die Vorausseßung gegeben, unter welcher dem Bundesrath die Befugniß zusteht, die Säße des auto- nomen Tarifs um 509%/6 zu erhöhen. Von dieser Befugniß wird dem- gemäß Spanien sowie den spanischen Kolonien und Besißungen gegen- über. für alle wihtigeren Einfuhrartikel in vollem Ausmaß Gebrauch zu machen sein, sobald der spanishe Marimaltarif gegen Deutschland in Krast tritt. | :

Um eine Schädigung deutscher Interessen zu vermeiden, wird es sih empfehlen, für die am Tage des Inkrafttretens der Zoll- erhöhungen bereits über die deutsche Bente eingeführten oder in den deutschen Zollauss{chüssen befindlihen Waaren eine Ausnahme

zuzulassen.

Für die Zeit vom 1. April 1893 bis zum Schlusse des Monats April 1894 sind von Einnahmen (einschließli der kreditierten Beträge) an Zöllen und gemeinschaftlichen Verbrau Qrnen ern sowie von anderen Einnahmen im Deutschen Reich zur Anschreibung gelangt: i

olle 27 376 851 M (gegen denselben Zeitraum des Vorjahrs + 3770 049 46), Tabad\teuer 628 432 M4 (+ 25 381 M), Zuckermaterialsteuer (+4 1468320 46), Zuckersteuer 5002582 M (— 589574 M), Salzsteuer 2863 664 as 7454 6), Maischbottih- und Branntweinmaterialsteuer

393 M6 (+ 288 981 M), Verbrauchsabgabe von Brannt- wein und Zuschlag zu derselben 9913 891 f (+ 141540 4), Brausteuer 2658156 # (+ 9% 431 M), O abe von Bier 258 101 4 (— 6620 m Summe 59626 070 M4 (+ 5136054 A. Spielkartenstempel 91080 M

—+ 5502 A6), Wechselstempelsteuer 704 767 46 (+ 27 712 A6), tempelsteuer für: a. Werthpapiere 807 698 6 (+ 501 104 44), b. Kauf- und I Anschaffungsgeschäfte 760 715 Ä 91620 M), c. Loose zu: Privatlotterien 144 269 M + 49884 M), Staatslotterien 179 000 M (— 138 600 4). os- und Telegraphen - Verwaltung 23632291 ä + 1590 232 46), Reichs-Eisenbahn-Verwaltung 5 044 000 M4 Ba 49 000 46). / e

Die zur Reichskasse gelangte Jst - Einnahme abzüglich der e Va b ing, d und Verwaltungskosten beträgt bei den nahbezeihneten Einnahmen bis Ende April 1894: Zölle 25 008 559 A (+ 3742036 A6), Tabadsteuer 756 562 M

+ 942561 M), Zudermaterialsteuer (+ 1 462 304 M), udersteuer 7 454293 # (4+ 948985 A), Salzsteuer

3 806 585 M (+ 319222 6), Maischbottih- und Brannt- weinmaterialsteuer 1546 118 4 (— 37951 M), Verbrauchs- abgabe von Branntwein und Zuschlag zu derselben 9 384 490 M. (— 263 120 4), Brausteuer und Uebergangsabgabe von Bier 2479939 M (+ 75381 Æ); Summe 5950436546 6341 108 M). Spielkartenstempel 112004 M

(+ 2422 M).

Von den Drucksachen der Silberkommission sind d erschienen und durch die Reichsdruckerei in Berlin SW., ranienstraße 90/91, zu beziehen : Nr. 13. Der deutsche Thalerumlauf; j Nr. 14. Zur Vorgeschichte der deutshen Münzreform ; vorgelegt von Pr. Arendt; i e sowie die Protokolle der 2. bis 7. Sizung.

Der Regierungs-Assessor Dr. Henry Meyer zu Weißen- fels ist der Königlichen Regierung zu Breslau zur weiteren dienstlihen Verwendung überwiesen worden. |

Der neuernannte Regierungs-Assessor Dr. Mettenheimer

aus Cassel ist bis auf weiteres dem Landrath des Kreises

Weißenfels, Regierungsbezirk Merseburg, zur Hilfeleistung in den landräthlihen G hâtten een worden.

Der neuernannte Regierungs-Assessor Freiherr von Quadt- Wykradt - Hüchtenbruck is dem Königlichen tp p D zu Breslau zur dienstlichen Verwendung überwiesen worden.

Laut telegraphisher Meldung an das Ober - Kommando der Marine ist S. M. Kreuzer „Sperber“, Kommandant Korvetten-Kapitän von Arnoldi, am 22. Mai in Gaboon und S. M. Schulschiff „Moltke“, Kommandant Kapitän dur See Koch, am 24. Mai in Dartmouth angekommen. S. M. Kreuzer „Sperber“ geht am 26. Mai nah Kamerun weiter, und S. M. Schulschiff „Molt ke“ seßt am 28. Mai die Heim- reise über Arendal fort.

Der Nachtrag zur Rangliste der Kaiserlich deutshen Marine für das Jahre 1894, abgeschlossen am 20. Mai, redigiert im Marine - Kabinet, ist soeben bei E. S. Mittler und Sohn, Königlihe Hofbuchhandlung

hierselbst, erschienen.

Sigmaringen, 25. Mai. Jhre Königlichen Hoheiten der Fürst von Hohenzollern und der Prinz und die Prin - zessin Ferdinand von Rumänien sind heute Vormittag nach Brüssel abgereist.

Vaden.

Seine Durchlaucht der Fürst von Waldeck und Pyrmont ist, wie die „Karlsr. Ztg.“ meldet, vorgestern von Stuttgart zum Besuch Jhrer Königlichen Hoheiten des Groß- herzogs und der Großherzogin in Baden-Baden ein- getroffen und daselbst bis gestern verblieben. :

hre Königliche Hoheit die Kronprinzessin von Schweden und Norwegen wird voraussichtlih am 29. d. M. in Baden-Baden eintreffen.

Braunschweig. Der Landtag hat sih gestern bis zum Januar 1895

vertagt. 7 Neuf; ä. L.

-+ Jhre Durchlauchten die Prinzessinnen Emma, Marie und Karoline sind am 23. d. M. von Stadthagen nah Greiz zurücgekehrt. :

Elsaß-Lothringen. y

Jn der vorgestrigen Sißung des Landesausshusses eröffnete bei der zweiten Lejung der Gemeindeordnung der Staatssekretär von Puttkamer die Debatte, indem er darauf hinwies, daß die Regierung ihre Zustimmung zu den Kommissionsbeschlüssen gegeben, obgleih ste manche Bedenken gegen einzelne Punkte gehabt habe. Sie habe s einem Kom- promiß beitragen wollen, es sei aber in politischer Beziehung die Grenze der Zugeständnisse der Regierung erreiht. Der Abg. Jaunez verlas eine von den meisten Lothringern unterzeichnete Erklärung, worin ausgesprochen wird, daß sie dem Geseß- entwurf zustimmen würden, nahdem die Regierung zu ihrem Bedauern keine weiteren Zugeständnisse machen zu können erklärt habe ¡und sie in dem Geseß doch einen großen Fort- schritt. für „die Gemeindeverwaltung erblicken müßten. Der Abg. “Petri {loß sich diesen Ausführungen an, verneinte die der Kommission von der Presse vorge- worfenen reaktionären Bestrebungen und knüpfte daran die Bemerkung, daß sich der Landesausshuß durch derartige Angriffe nicht beirren lasse. Der Abg. Massing trat der Erklärung des Abg. Jaunez ebenfalls bei. Nachdem von dem Abg. Petri einige redaktionelle Aenderungen beantragt worden waren, denen die Regierung zustimmte, entspann fd über 8 5b eine längere Debatte. u diesem Paragraphen hatte der Abg. Spies folgende neue Fassung beantragt: „Jn den übrigen Gemeinden werden die Bürgermeister und die Beigeordneten aus der Zahl der Mitglieder des Ge- meinderaths durch den Bezirks - Präsidenten ernannt“, er verzihtete indeß auf seinen Antrag zu Gunsten eines Unterantrags Winterer, der aus dem S 6b die Worte „in der Regel“ gestrichen haben wollte. Dieser Unter- antrag wurde abgelehnt, nachdem der Unter-Staatssekretär von Köller in längerer Ausführung den Standpunkt der Regierun auseinandergeseßt hatte. An der Debatte betheiligten sich noch die Abg. Bac und Bägert. Schließlih wurde § 5b in der Kommissionsfassung angenommen, welche lautet :

„In den übrigen Gemeinden werden die Bürgermeister und Bei- aeordneten aus der Zahl der Mitglieder des Gemeinderaths durch den Bezirks-Präsidenten ernannt. Ausnahmsweise kann eine dem Gemeinde- rathe niht angehörige Person zum Bürgermeister oder Beigeordneten ernannt werden. Die Ernennung erfolgt in diesem Falle durch das Ministerium, in der Regel aus der Zahl der wahlberechtigten Gin- wohner der Gemeinde (S 24)" : /

Jn der am Nachmittag fortgeseßten Sißung wünschte der Abg. Bak bei § 6 bestimmte Beamtenkategorien niht von der Ernennung zu Bürgermeistern und | Beigeordneten aus-

eschlossen zu Komn drang jedoch mit seinem Wunsche nicht Perth: Nach einem Antrage des Abg. Ditsch soll zu Abs. 4 des 8 7 („Das Ministerium kann hinsihtlih der gemäß 8 5b ernannten Bürgermeister die Dienstbezüge in Gemeinden von 2000 und mei Einwohnern s Anhörung des Gemeinderaths festsezen“) hinzugefügt werden: „wenn die Ein- nahmen dieser Gemeinden 40 000 4 übersteigen.“ Dieser Antrag wurde zurückgezogen, bis die Regierung Ma- terial gesammelt haben werde, um die Konsequenzen des Antrags zu übersehen. Die Berathung des S8 Abs. 1 („Die Bürgermeister und Beigeordneten werden auf längstens neun Jahre ernannt“) wurde auf Antrag des Abg. Ba ck bis zur Berathung über §8 30 ausgeseßt. Ferner beantragte der Abg. Ditsch, §8 Abs. 2 („Auf Antrag des Gemeinderaths kann die Ernennung der besoldeten Bürgermeister und der besoldeten Beigeordneten auf eine längere Dauer [wie neun Jahre] er- e zu streihen. Nach längerer Debatte zwischen den Abgg. Ditsch, «Back, Jeanty, Petri, Mieg, Köchlin wurde der Antrag abgelehnt, ebenso ein Antrag des - Abg. Henry zu 8 14, wonach die Mitglieder des Gemeinderaths bei öffentlihen Versteigerungen, welhe Ausführungen und Lieferungen gu Gegenstande haben, nicht Ansteigerer

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und dem u l e von Köller

sein dürfen. Zu § 17 Abs. 2 gelangte ein Antrag des Abg. Köchlin zur Annahme, dahin gehend, daß die Entlassung der Bürgermeister und Beigeordneten durch diejenige Behörde zu erfolgen habe, welche die Ernennung vollzogen habe. Die übrigen Paragraphen bis zu § 22 wurden ohne Debatte erledigt.

Oesterreich - Uugarnu.

Der König von Rumänien traf, wie „W. T. Y- berichtet, gestern Abend in Wien ein und seßte nah Nina Aufenthalt seine Reise nah Brüssel fort.

Jn dem Klausenburger Memorandumprozeß mate der Präsident * die Mittheilung, daß die erhandlung gegen E wegen s{hwerer Erkrankung desselben verschoben worden sei.

Großbritannien uud Jrland,

Gladstone hat sih, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern Vormittag am rechten Auge operieren lassen. Die Operation glücte; der Staar wurde entfernt. i

Das Unterhaus verwarf gestern mit 40 Stimmen Majorität den von Lubbock namens der Opposition ein- gebrachten Antrag auf eine Zerlegung des Budget- entwurfs in zwei Theile. Der Antrag M, dem Ober- hause zu gestatten, über einen bestimmten Theil der Finanz- projekte Harcourt's getrennt abzustimmen.

Bei einem gestern Abend in der St. James - Hall den Offizieren des amerikanischen Kriegs\chiffs „Chicago“ von englishen Seeoffizieren unter dem Vorsiß Lord George Hamilton's gegebenen Bankett wurden mehrere Reden gehalten, worin auf die Bande des Blutes, welche die beiden Völker vereinigten, hingewiesen wurde.

Frankreich.

Ueber den weiteren Verlauf der Ministerkrisis liegen folgende Meldungen des „W. T. B.“ vor: Der Präsident Carnot berief gestern Vormittag den Präsidenten der Depu- tirtenkammer Dupuy in das Elysée. Dieser erklärte, er halte es für angezeigt, einen Versuch mit der radikalen Politik zu machen; er werde mit verschiedenen _Abge- ordneten Besprehungen abhalten und dem Präsidenten im Laufe des Nachmittags über das Resultat derselben berichten. Bei dem Empfang am Nachmittag lehnte Dupuy jedoh, wie der „Frkf. Ztg.“ berichtet wird, die Bildung eines Ministeriums ab. Darauf ließ der Präsident Carnot den früheren Finanz-Minister Peytral in das Elysée berufen, der den Auftrag, ein Kabinet zu bilden, aber ebenfalls abgelehnt hat. Peytral wollte sih gestern Abend mit seinen Freunden besprechen und dann dem Präsidenten Bericht erstatten.

Die Zollkommission der Deputirtenkammer be- {loß, jede Erhöhung des Zolles auf Rosinen abzu- lehnen; ferner wurde ein Zoll von 10 bezw. 12 Centimes auf ausländische Melasse beschlossen. h

Der in Paris verhaftete Anarchist Gauche soll die Lütticher Anarchisten durch Geldmittel unterstüßt haben. Bei ihm wurde ein Testament gefunden, worin er sein ganzes Vermögen im E von 300 000 Fr. dem ebenfalls ver- hafteten Anarchisten Grave für Zweke der Propaganda ver- macht hat.

Rußland.

Das Gese wegen Herabseßung der Spiritus- Exportprämie und wegen Einführung von Prämien bei der Ausfuhr vonBranntweinfabrikaten und gereinigtem Kornbranntwein ist, wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg erfährt, vollzogen worden.

Ftalieu.

Die Deputirtenkammer nahm in ihrer gestrigen Sizung die Handels- und Schiffahrtsverträge mit Columbien und Paraguay an. Darauf wurde die Debatte über die Finanzmaßregeln wieder auf- genommen. Der Deputirte Alessandro Costa erklärte, er nehme die Schlußfolgerungen des Finanzexposés Sonnino's an, wünshe aber größere Ersparnisse, und sprah sih gegen eine Erhöhung der Rentensteuer aus. Der Deputirte Barzilai bekämpfte die Vorschläge des Ministeriums. Der Deputirte Guicciardini erklärte sih für die von Sonnino für die Bedürfnisse des Budgets an- gegebene Ziffer, {loß sich aber dem von der Kommission an- genommenen Gegenprojekt an und verwarf eine Reduktion der Rente. Der Deputirte V ollenborg sprah gegen das Re- gierungsprojelt. Darauf wurde die Sißung E. lossen.

Spanien.

Der Ministerrath hat dem „W. T. B.“ zufolge bei der Feststellung des Ausgabenbudgets eine Erhöhung um 25 Millionen Pesetas in Aussicht genommen. Das NRekrutierungsgeseß seßt den thatsählihen Stand der Armee auf 82 000 Mann für Spanien und auf 16 000 Mann für die Antillen fest.

Portugal.

Der König empfing gestern Nachmittag, wie „W. T. B.“ berichtet, eine Deputation von Senatoren und Depu- tirten der Opposition, die gegen die Verzögerung der Einberufung der Cortes reklamierten.

Belgien. : Die Deputirtenkammer hat der „Köln. Ztg.“ zufolge die Einführung des proportionalen Wahlsystems mit 61 gegen 41 Stimmen verworfen. 37 Deputirte, darunter sämmtliche Minister, enthielten ich der Abstimmung.

Serbien.

Dem „W. T. B.“ zufolge bestätigt sich die von der „Frkf. Ztg.“ gebrachte O von der La des radikalen Bauernführers Ranko Taisic; dagegen ist die Meldung des Wiener e von der Entdeckung einer ge- heimen Fabrik von Munition für Prado gewe unbegründet. Der ehemalige Bauten-Minister Michael Bogicewic ist zum Bürgermeister von Belgrad ernannt worden.

Bulgarien. / Der Zusammentritt der bulgarischen Synode ist A Meldung des „W. T. B.“ wegen des Ausbleibens zweter Mit- glieder um einige Tage verschoben worden.

Amerika.

Der Senat hat, nah einer Meldung des „W. T. 4s aus Washington, beschlossen, auf Weißbleh einen Zoll vo 11/; Cents zu legen. ; z

Wie dem „New-York Herald“ über Buenos Aires gu j Rio de Janeiro gemeldet wird, theilte der Mars: L Peixoto dem Kongreß in einer Botschaft mit, die Stre“? frage zwishen Portugal ünd Brasilien sei gütlich 9 regelt worden.

Dem „New-York Herald“ wird ferner aus La Libertad

emeldet, daß seit dem 15. d. M. {were Kämpfe zwischen den L Arg nen und den Regierungstruppen von San Salvador ausgefohten und dabei über 3000 Mann gefallen

_ und viele Mannschaften verwundet worden seien.

Parlamentarische Nachrichten.

n der heutigen 72. Sigung des Hauses der Ab- geordneten erklärte vor Eintritt in die Tagesordnung der

Abg. von Eynern (nl.): Bei der Berathung der Synodal- ina am 28. April habe ih die Aeußerungen zweier Mit- glieder des Herrenhauses aus dem Jahre 1876 zitiert, die eine vom Grafen von Krassow, die andere vom Freiherrn von Maltzahn. Jrr- thümlicher Weise habe ih die Worte des leßteren Herrn als von dem Grafen Udo von Stolberg gesprochen angeführt. Jch möchte dieses Versehen hiermit berichtigen.

_ Zur Berathung stand zunächst der Antrag des Abg. Ring (kons.) !nd Gen., betreffend Ergänzung der Kreis- ordnung, weiher von der Kommission dahin geändert ist, daß dem 8 86 folgender Zusaß rgen werden soll :

„Auf Antrag eines Provinzialaus\{husses kann dur Königliche Verordnung für einzelne Kreise der betreffenden Provinz bestimmt werden, “daß von der anzurechnenden Grund- und Gebäudesteuer e a die Hälfte des Mindestbetrages auf die Grundsteuer ent- allen muß.“

Von dem Abg. Richter (fr. Volksp.) lag der Antrag vor: für den Fall der Annahme dieses Zusaßes weiter zu bestimmen :

„Wird eine solche Bestimmung getroffen, so sind diejenigen Landgemeinden der betreffenden Kreise, welhe mehr als 10 000 Ein- Le n für die Kreistags8wahlen dem Verbande der Städte zuzutheilen.“

_Der Berichterstatter Abg. Frhr. von Richth ofen - Jauer (konf.) erklärt sich gegen den Antrag, obgleich derselbe der Kommission nicht vorgelegèn habe.

Abg. Richter (fr. Volksp.): Mir ift kein Fall bekannt wie hier, wo mit einer solchen Veberstürzung eine so tiefgehende Veränderung in einem großen organischen Gese beschlossen werden foll. Man hätte doch wenigstens dafür sorgen müssen, daß der Antrag früher eingebraht und auf die Tagesordnung gestellt würde. Wären wir in der Gemeindekommission vertreten gewesen, so würden wir darauf gedrungen haben, wenigstens die thatsählihen Unterlagen zur Klarstellung des Antrags in umfassender Weise zur Ver- öffentlihung zu bringen. Nach dem Kommissionsberiht sind bis jeßt nux die Berichte einzelner Regierungs - Präsidenten über die Wirkung des Antrags eingegangen. Der Referent hat eine private Enquête veranstaltet und die s{hlesishen Kreise aufgefordert, sich über die Wirkung des Antrags zu äußern. Danach würde im Landkreise Breslau der Kommissionsbeschluß eine Verminderung der Wähler im Verbande der Großgrundbesißer um 33 nah si ziehen. Die Kommission hat ärtatt des obligatorischen Antrags Ring eine Fakultät vorgéshlagen, wona die Provinzialausshüsse mit Königlicher Genehmigung ermächtigt sind, für die einzelnen Kreise zu bestimmen, daß in dem Zensus für den Wahlverband der Groß- e mindestens 112 A Grundsteuer enthalten fein müssen.

in folher Vorgang i} sonst in der Kreisordnung nicht enthalten. Es werden nur die Provinzialvertretungen ermächtigt, in gewissen Grenzen den Zensus für den Wahlverband der r enblenóón zu ändern. Diefer ganze Antrag ist bekanntli hervorgegangen aus den Verhältnissen des Kreises Teltow. Es is nun ein ganz eigenartiger Vorgang, daß der Landrath Stubenrauh sih mit Mittheilungen über diesen Kreis niht mit Hilfe der Staatsregierung, sondern für sich an die Kommission gewandt hat. Will man dies aber gelten lassen, so hätte wenigstens sein Material auh dem Hause unterbreitet werden müssen. Der Berichterstatter hat aus dem übersandten thatsählihen Material über den Kreis Teltow Einzelnes herausgerissen und in tendenziöser Weise zugespißt. Im Kommissionsberiht wird behauptet, daß in Schöneberg und Rir- dorf allein 354 wahlberehtigte Hauseigenthümer vorhanden find. Nach der amtlichen Liste von 1891 sind aber in die Wählerliste des Ver- bandes der Großgrundbesißer von Teltow übexhaupt nur 217 Wähler eingetragen. Was Niederbarnim betrifft, so find nach der leßten Liste nur 87 Wähler vorhanden, während der Bericht 133 Wahlberechtigte, davon 80 i En aufführt. Eine so große Vermehrung der Wahlberechtigten in fo kurzer Zeit wäre do sehr ungewöhnlich. Jedenfalls Behe man das ganze Material zum Vergleih heranziehen können. Besonders urgiert wird in dem Bericht, daß unter den 354 wahl- berehtigten Hauseigenthümern ein großer Theil aus Bauunternehmern und Handwerkéêmeistern besteht. Sonst sprechen die Herren do nit so geringshäßig von diesen Kategorien. Unter den Mitgliedern des Wahlkörpers befinden ih auch einige Fräulein; sind die au Ver- treter der Landwirthschaft? Als etwas ganz Erschreckliches wird mit getheilt, daß bei den leßten Reichstagswahlen Vertreter des rund 34 Ouadrat-Meilen umfassenden domänen- fisfalishen Grundeigenthums und der etwa 3 Quadrat - Meilen großen Güter des Köntglichen Hausfideiklommisses nicht wieder- gewählt sind, dagegen der Vertreter der Nieselgüter der Stadt Berlin ein Kreistagsmandat erhalten hat. Es wäre aber ganz unnatürlich, wenn die Stadt Berlin als drittgrößte Grundbesißerin des Kreises in derYVertretung desselben niht repräsentiert wäre. Der Königliche ties und das Hausfideikommiß repräsentiert im Kreise nur einen rund- und Gebäudesteuerwerth von 21 000 6 gegenüber einem Gesammtwerth von 300000 - Es kommt nicht auf die Zahl der Quadratmeilen an, sondern der Menschen und der Steuerkräfte. Wäre der Kommissionsantrag angenommen, so blieben von den 217 Wählern des Kreises Teltow nur 48 in dem Verband übrig. Sind denn im Kreise wirklich vorwiegend alte Geschlehter vertreten? Die Namen sprechen hier wie im Kreise Niederbarnim dagegen. Da die großen Güter immer mehr parzelliert oder von Berlin oder Terrain- gesellschaften angekauft werden, so muß der Großgrundbesiß immer mehr an Bedeutung zurücktreten, während die Vororte Berlins immer mehr an Bedeutung“ gewinnen. Diese Vororte können entsprechend ihrer Einwohnerzahl und Steuerkraft eine ertretung im Kreistag verlangen. Rixdorf, Schöneberg, nag aliy repräsentieren nah ihrer Einwohnerzahl mehr als ein Drittel, nah ihrer Steuerkraft über die Hälfte des E Nehmen Sie nun diesen Kommissionsantrag an, so werden ihre 16 Kreistags- Abgeordnete auf 5 reduziert und sie werden an den Verband der andgemeinde verwiesen, Der Kreis Teltow hat allein einen Etat von 1 200000 M in Einnahme und Ausgabe. Wieviel Schulden er hat, weiß ih niht. Sicher ist, daß große Summen für ein neues Kreishaus, für ein Kreis-Krankenhaus in Briß und füc unpassende Chausseen ausgegeben worden sind, und es is ein offenes Geheimniß, daß der Ainbreth Stubenrauh nur wehe daß die großen Vororte von Berlin noch eine Reihe von Jahren in dem Verbande des Kreises gehalten werden, um die Steuerkraft diefer Vororte aus- zunüken im Interesse wesentlich der zurückliegenden Dörfer und Ortschaften. Da is es kein Wunder, daß man eine Einverleibung der Vororte mit Berlin wünscht. Es ist das richtigste, m man ‘diejenigen Orte, welhe thatsächlich einen städtischen Charakter haben, bei den Kreistagswahlen auch dem Wahlverband der Städte zurehnet. Wollte man die Kreisordnung îndern, so würden si sehr viele andere Wege mehr empfehlen, als der hier vorgeschlagene. Für das richtigste würde ih eine Theilung des reises halten in einen eis der Vororte und einen mit landwirthschaftlihem Charakter. Das wäre besser als eine Feerung der Kreisordnung. Ich kann nur warnen, einen [olen e zu betreten. Sie können aber niht leugnen, daß ie thatsächlichen Verhältnisse niht entfernt dur den Kommissions-

bericht erschöpfend zur Darstellung gekommen sind, und deshalb bitte ih, den Bericht an die Kommission zurück zu verweisen.

_ Abg. Ring (konf.): „Nachdem der Abg. Richter selbs ausge- führt, daß es das beste sei, die Einverleibung zu vollziehen oder bie Städteordnung den größeren Vororten zu verleihen, hätte man er- warten sollen, daß er seinen Eventualantrag zurückgezogen hätte. Aus dem Antrag Richter würde den Gemeinden gar kein Vortheil érwachsen, dem Interesse der Vororte ist damit nicht gedient. Nach unserer Auffassung giebt es nur den einen Weg der Ein- gemeindung. Eben weil man bei der Schaffung der Kreisord- nung nicht an solche Verhältnisse gedaht hat, thut es noth, Abhilfe zu \{haffen. Der Kreis Teltow erhebt 30%/ von der Ein- kommensteuer. von welden er aber 1249/0 an die Provinz abzugeben hat, und 15 9% von der Gebäudesteuer. Heute sind 135 Landgemeinden vertreten durch 6 bäueAihe Vertreter und 13 Vertreter der Vororte, und der Wahlverband des ländlichen Gro grundbesißes dur 6 Groß- E und 1 Großindustriellen. it dieser Zusammensezung bei der ingemeindungsfrage zu verhandeln, ist eine Unmöglichkeit. Ich bitte Sie, den Antrag Richter abzulehnen. n Abg. Richter: Mein Antrag ist mir gerade aus der Mitte der reise Teltow und Niederbarnim cent und vorgeschlagen worden. Alle Kundgebungen aus diesen Zeilen richten ich gegen den Antrag Ring. Hätte man den Kreisen mehr Zeit gelassen, so würden sich die Kreife, die dur den Antrag in ihrer Bedeutung herab- eseßt werden follen, noch in umfassenderem Maße dagegen erklärt Voben. Die Ziffern der privaten Liste können wir nit kontrolieren und können nit beurtheilen, inwieweit tendenziöse Auslegungen obwalten. Von altangesessenen Geschlehtern kann man im ganzen Kreise Teltow kaum noch sprechen; es giebt höchstens aht Güter, auf denen dieselbe Familie {hon im vorigen Jahrhundert an- gesessen war. Unter den Vertretern des Großgrundbesißes mögen ja auch Hausbesißer sein, die wohl Gebäudesteuer, aber wenig oder gar keine Einkommensteuer zahlen; aber es giebt auch Gutsbesißer, die so hoh verschuldet sind, daß sie keine Einkommen- steuer zahlen. Was die Kreisverwaltung von Teltow betrifft, so ist nirgends im Staat ein solhes Millionen Kreishaus gebaut worden. Allerdings habe ich bei der ersten Lesung eine falsche Ziffer genannt, aber die 1 800 000 Æ, welche für das Kreishaus verwandt sind, sind immer noch hoch genug. Die Voranschläge sind dabei infolge reiherer Ausstattung der Façade, des Inneren, namentlich der Sibungssäle und der elektrischen Beleuchtungskörper wesentlich überschritten worden. Wo in der Welt kommt eine fsolche Kreiswirthshaft vor? Dabei hat dieser Kreis keinen definitiven Charakter, er kann nit auf die Dauer als einheitlichßer Kreis verwaltet werden. Durch Annahme des Antrags Ring würde diese {lechte Wirthschaft, welche die Schöneberger Hausbesitzer abstellen konnten, wieder eingeführt werden.

Abg. Ning: Meine Ziffern über die Anzahl der Hausbesitzer

als Vertreter des e ehgrundvelges sind amtlih bestätigt worden. Der Landrath von Stubenrauh hat nicht der Kommission die amt- lihen Zahlen gegeben, sondern die Kommission hat meine Ziffern von ihm auf ihre Richtigkeit prüfen lassen. Nach sehr eingehenden Be- rathungen war die Kommission der Meinung, daß eine Menveruae er- folgen müsse. Ich bitte Sie daher dringend, den Kommissionsantrag anzunehmen. l -

__ Der Antrag Richter auf S an die Kom- mission wird hierauf gegen die Stimmen der beiden (s{chwach vertretenen) konservativen Parteien und einiger Zentrums-

mitglieder angenommen. (Schluß des Blattes.)

Dei der gestern im 283. sähsishen Wahlkreis vorgenommenen Ersaßwahl zum Reichstag sind dem „W. T. B.“ zufolge bis jeßt gezählt worden: Für Geris (Sozialdemokrat) 8913 Stimmen, für Uebel (Kartellkandidat 5302, für Schabert (Antisemit) 2498 und für von Schwarze N Volksp.) 1764 Stimmen. Man nimmt als voraus- sihtlihes Resultat Stichwahl zwischen Gerisch und Uebel an.

Kunft und Wissenschaft.

Im wissenshaftlihen Kunstverein hielt am 26. v. M. der Historienmaler Herr Bochenek einen Vortrag über „die Normalproportionen der menshlihen Gestalt“, bei welhem der Vortragende die von ihm jüngst herausgegebenen fünf Tafeln „Goldener Schnitt, Normalgestalten“ zur Veranschaulihung brachte. H führte der Redner aus, daß die Proportionsaufstellungen der Egypter, die in altindishen und griehischen Schriften hierüber enthaltenen Angaben die Annahme rechtfertigen: „die Kunst habe {on in ihren Anfängen eine Einheitlichkeit zwischen den Gliedern und Formen der menschlichen Gestalt vermuthet und der Lösung dieser Frage skets nachge- strebt.“ Leider f von diefenAufzeichnungen gerade das am meisten vollendete griehische System, aller Wahrscheinlichkeit nach seiner Einfachheit wegen, die es zum Gemeingut der Künstler hat werden lassen, mit dem Unter- gang der griehishen Kunst verloren gegangen. Die Beschäftigung mit dieser Materie gab dem Vortragenden {on während seiner Studienzeit in Rom die Gewißheit, daß wie die Kunst des Mittel- alters so auh die Renaissance, mangels eigener Wurzeln beziehungs- weise Grundformen, nur auf der empirischen Nachahmung der Antike basiere, deren Bedeutung {on aus der Hochachtung eines Raffael, Michel Angelo, Leonardo da Vinci 2c. für dieselbe zu folgern sei. Daß jede Kunstrihtung sich immer wieder an der antiken Kunst regeneriere, habe auch der hiesige Universitäts - Professor Dr. rey, in seinen Vorträgen nachgewiesen, und es sei unbestritten, daß die Antike selbst die volle Erkenntniß der Verhältniß - Harmonie der einzelnen Theile untereinander und zum ganzen zur Grundlage gat habe. Diese Verhältniß-Harmonie wieder aufzufinden, war Bochenek’s Bestreben, wobei ihm die Kenntniß des „goldenen Schnittes“ zur ita diente. Da jedoch die antike Kunst die Haupt- charakteristik ihrer Gebilde stets der Zweckbestimmung anpaßte, wodur z. B. die Amazone eine männliche, die Bacchus-Gestalt dagegen eine weiblihe Brustbreite erhielt, konnte, bei diesen Abweichungen von der normalen Gestalt und besonders auch bei der großen Bewegung in den Formen, in der Antike selbs der Schlüssel zur Normal-Proportion niht gefunden werden. Nach eifrigem Gen gelang es nun Bochenek, ein eigenartiges geometrisches

onstruktionsverfahren zunächst für die männliche Gestalt aufzufinden, welches nah seiner Ansicht diefe in vollendeter Form und fo streng Iogish ergebe, wie N ¿. B. die Krystallisation der Salze vollziehe. Noch eines tieferen Eindringens in das ershlossene Gebiet aber bedürste es, ihm zufolge, um mit Hilfe desselben Schlüssels die Pröfile, und noch mehr, um die weibliche Gestalt zu konstruieren, die ih zur männ- lichen vergalte wie der Dur- zum Moll-Accord.

Nach diesen einleitenden Ausführungen demonstrierte der Vor- tragende sein System, und unter Zuhilfenahme eines von ihm konstruierten Doppelzirkels, dessen Major und Minor im Theilungs- verhältniß des „goldenen Schnittes“ zu einanderstehen, suchte er an den Tafeln „Normalgestalten* nachzuweisen, daß die einzelnen Glieder sowohl unter sih wie zur ganzen Gestalt in einem einheitlichen Ver- hältniß fich befinden, daß somit bet allen Körpertheilen einer Normalgestalt einerseits eine maßliche Abhängigkeit, andererseits aber auch eine volle Uebereinstimmung vorhanden sei. So ¿. B. Torrespondierten die Längen der Glieder mit ihren Breiten, es ständen die Ausladungen und Einschnitte, die Beugen und Kondylen, ja felbst die Sinnesorgane zueinander in einem einheitlichen Wer ältniß und die aus diesem gina ta dee (ie heraus gebildete Gestalt müsse als eine Pa nonnare bezeihnet werden. Dieses Ain würde bei der von dem Vortragenden jugel deen Nebertrag- barkeit auf das Thier-, Pflanzen- und Mineralreich eine Per- spektive von ‘weittragender Bedeutung eröffnen und einen bisher

ungekannten Aufshluß über die Grundformen der Natur- gebilde geben. Wenngleih das System, wie der Vortragende ausführte, mit der Darwin'schen Futwitalungnme die Aehnlichkeit der Formen bis zu einem gewissen Gra (E

habe, so stehe es dieser do direkt gegenüber, weil es nit die Auf- lösung der Arten untereinander vis e, sondern im Gegentheil die

harfe Abgrenzung aller Gattungen im Thier- und Pflanzenreich als

eschlofsene Arten, allerdings unter Anerkennun vielseitiger en n der E e Gegenstand des Beweises mache. Dies suchte der Redner au speziell bei dem Menschen darzuthun, indem er die verschiedenen Rafsen auf drei Rassentypen zurückführte und diese wiederum auf eine Einheit reduzierte. Der Bochenek? hen Systematik würde, die Richtigkeit vorausgeseßt, eine prtl SLNT für die bildenden Künste nicht abzusprehen sein; denn m

Hilfe derselben würde die antike Kunst leiter ver tändlih werden und die bisher nothwendig gewesene empirishe Nahahmung dieser si erübrigen und ein neues Fundament zum Kunst-Aufbau gewonnen sein, Eine eingehendere Prüfung des Systems wird künstlerischen Autoritäten vorzubehalten sein. Uebrigens find die eingangs erwähnten nf Tafeln „Goldener Schnitt, Normalgestalten* welche die aße der Hauptansihten und Bewegungen der E und weiblichen Gestalt mit den Skeletformen enthalten, von Wendler, Wilhelm- beale 99, Heß, Mohrenstr. 56, und Gold, Unter den Linden 41, zu eziehen.

Land- und Forftwirthschaft.

Weinernte und Weinhandel.

Aus dem Reg.-Bez. Trier wird geschrieben: Der Abstich des 1893er Weins ist beendet. Der Jahrgang gilt als ein hervorra L Im Weinhandel herrschte in den beiden ersten Monaten dieses Jahres nur wenig Leben. Hierin trat jedoch mit Beginn der alljährlih im Le in Trier stattfindenden Weinversteigerungen der bekanntesten

e arb as an Mosel und Saar eine Aenderung ein. Auf diesen Versteigerungen, deren Besuch von Jahr zu Jahr gestiegen ist und auf denen nur Weine von völliger Reinheit zugelassen werden, ge- langten im ganzen 1090 Fuder zu 960 bis 1000 1 zum Verkauf. Die Weine gehörten zum weitaus größten Theil dem ebenfalls vor- züglichen Jahrgang 1892 an und erzielten einen Gesammterlss - von 1749390 A oder durchsnittlich 1604 4 für das Fuder; der niedrigste Preis für 1 Fuder betrug 610 Æ und der bödhste 5640 A

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Cholera. Königsberg i. Pr., 25. Mai. Nach der „Königsb. Allg. Ztg.“ hat der Regierungs-Präsident infolge Auftretens der Cholera FS n rusfishen Grenzprovinzen angeordnet, daß der Uebertritt von Personen aus Nußland nah den Kreisen Neidenburg und Ortels- burg nur in Illowo stattfindet.

Verkehrs-Anstalten.

Laut T ra von Herbesthal vom 25. Mai 6,8 Uhr Vormittags ist die zweite englishe Post über Ostende e Mai ausgeblieber Grund: Ungünstiges Wetter auf See.

Bremen, 25. Mai. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Spree“, von New-York kommend, is am 24. Mai, 34 Uhr Nachmittags, auf der Weser angekommen. Der Reichs-Postdampfer „Sachsen“ hat am 24. Mai, 9 Uhr Vormittags, die Reise von Port Said nah Neapel aar Der Dampfer „Uganda“, am 14, April von Bremen abgegangen, ist am 23. Mai in Rio de Janeiro angekommen. Der S melldampfer „Havel“, am 15. Mai von Bremen und am 16. Mai von Southampton abgegangen, ist am _ 23. Mai, 10 Uhr Vormittags, in New-York an- ekommen. Der Scnelldampfer , Trave * hat am 23. Mai, 4 Uhr achmittags, die Reise von Southampton nah New-York fortgeseßt. Der Scnelldampfer „Fulda“, am 12. Mai von New - York und am 21. Mai von Gibraltar abgegangen, ist am 23. ai, 4 Uhr Nachmittags, in Genua angekommen. Der Postdampfer „Weimar“, am 10. Mai von Bremen abgegangen, ist am 23. Mai, 6 Uhr Morgens, in Baltimore angekommen. Der Postdampfer „Graf Bismarck“, von Brasilien kommend, hat am 23. Mai, 10 Uhr Abends, Vlissingen passiert. Der Postdampfer „Weser“, am 16. Mai ‘von Neapel abgegangen, hat am 23. Mai, 7 Uhr Abends in New-York angekommen. Der Postdampfer „Darmstadt“ ist am 23. Mai, 2 Uhr Nachmittags, von Baltimore nach der Weser ab- gegangen. Der Reichs-Postdampfer „Salier®“ hat am 23. Mai, 9 Uhr Abends, die Reise von Neapel nah Port Said fortgeseßt. London, 24. Mai. (W. T. B.) Die Union- ampfer „Athenian“ und „Gaul“ sind am Mittwoh auf der Heimreise von Kapstadt abgegangen.

Theater und Musik.

Königliches Opern haus.

Gestern wurde zum ersten Mal „Die verkaufte Braut“, komische Oper in drei Akten von Friedrich Smetana, Text von K. Sabina, aufgeführt. Der Komponist, im Jahre 1824 zu Leitomishl in Böhmen geboren und 1884 in Prag gera hinter- ließ außer der genannten Oper, die am meisten Verbreitung géfunden hat und im vorigen Sommer bereits von einer böhmischen esellschaft im Theater Unter den Linden öfter gegeben wurde, noch 5% andere Opern, einige symphonishe Dichtungen, sowie Kammermusikwerke. Die Handlung is etwas leiht entworfen, bietet aber Stoff zu vielen heiteren und dramatis wirksamen Scenen. Micha, ein reiher Bauer, besißt zwei Söhne: Wenzel und Hans, von denen der leßtere, aus erster Ehe stammend, das Haus seiner Stiefmutter längst verlassen hat und im Dorfe als ein bereits Verschollener betrahtet wird. Bei der Heimkehr giebt er sih niemandem zu erkennen, verliebt sih in die Tochter Marie des Bauern Kruschina, findet jedo einen Nebenbuhler in seinem Stiefbruder Wenzel, der bei seinem lächerlihen Wesen zwar keine Gegenliebe findet, aber bemittelt ist, während Hans als Knecht sein Leben friste. Wenzel beschließt daher, ihm seine Braut abzu- kaufen. Der kluge Hans geht scheinbar darauf ein, macht jedoh in dem Kontrakt die Bedingung, daß nur ein Sohn Micha’'s die Braut heimführen darf, was ohne Bedenken gewährt wird. Nach allgemeinem Entseßen des Volks und der Braut über diese That führt er, der is als Sohn aus erster Ehe zu erkennen iebt, {ließli seine Marie heim. Die Musik, welche vielfa dem Vorbild Lorßting's folgt, übertrifft diesen durch größere Feinheit der Instrumentierung und dur den Reichthum an kunstvoll gebauten Chorgesängen und kleinen Ensemblesäßen. Von durchschlagender Wirkung is die {hon aus den Symphonie - Konzerten der Königlichen Kapelle bekannte Ouvertüre, deren graziós auf- und absteigende melodiöóse Violinfiguren ein reizendes böhmisches Tanzmotiv umshweben, das im erifen Chor und in den zahlreichen Balletscenen wiederersheint. Das erste Duett zwischen Hans und Marie, sowie das si mog eg Terzett „Alles ist so gut wie rihtig* und das Finale des ersten Akts mit dem höchst lebendigen Ballet wurden von dem sehr zahlreich A ublikum mit raushendem Beifall aufgenommen. Eine gleich gün ge Aufnahme wurde der Trinkscene des zweiten Akts, den komischen Gesängen des stotternden Wenzel und dem Duett des Heirathsvermitt Kezal mit Hans zu theil. Der dritte Akt enthält einige Längen, doch ist die rührende Erkennungsscene der Eltern und das Finale von bedeutender dramatischer und musikalischer E Unter den Dar- stellern zeichneten sih Fräulein Wei (Marie) durch ihren bis ins hohe C mit Leichtigkeit sich hinaufschwingenden klangvollen Sopran und ihre

Spielgewandtheit, sowie Herr Sommer (Hans) dur feine st