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f Vierten Beilage ‘zur heutigen Nummer des Staatsanzeigers“ ist eine E ungs- agde-
„Neichs- und urkunde, betreffend eine Anleihe der Sta burg, veröffentlicht.
omburg v. d. per &
De, 11. April. Ihre Nen aiser und die W.
aiserin unternahmen, wie „W. D. B.“ meldet, gestern nahmittag mit ihren hohen Gästen eine Automobilfahrt nah der Saalburg, wo das Kastell und das Saalburgmuseum unter persönlicher Führung Seiner Majestät des Kaisers besichtigt wurden. Aùschließend daran wurde ‘der Tee in den oberen Räumen des Saalburgrestaurants gereicht. Nach 6 Uhr kehrten die gen errschaften nah Schloß Hom- burg zurück, wo Abendtafel stattfand.
Sachsen-Altenburg.
Seine Hoheit der Herzog empfing gestern, wie „W. T. B.“ meldet, die Offiziersabordnungen des 1. Garde- regimenis zu Fuß unter Führung des Regimentskommandeurs, Obersten von Friedeburg und des 7. Thüringischen Jnfanterie- regiments Nr. 96 aus Gera mit dem Regimentskommandeur, Obersten Sonntag an der Spiße, die ihm die Glückwünsche ihrer Regimenter zum Bjährigen Militärdienstjubiläum überbrachten. Der Oberst von Friedeburg überreihte im Auf- trage Seiner Majestät des Kaisers und Königs Seiner Hoheit dem Herzog das Dienstauszeihnungskreuz.
Elsaß-Lothringen.
ZU der Frage der Ausweisung von Ausländern aus Mülhausen hat auf eine Jnterpellation des Abg. Martin (Soz.) in der gestrigen Sizung der Zweiten Kammer der Unterstaatssekretär Mandel laut Meldung des „W. T. B.“ mit folgenden Worten Stellung genommen :
Ih möchte betonen, daß keine einzige Ausweisung von schweizerishen Bürgern erfolgt ist. Auf Grund der Statt- haltererlasse vom Jahre 1884 ilt den Betreffenden nahe- gelegt worden, sich darüber {lüffig zu maten, ob sie dauernd im Lande bleiben wollen oder nicht. Darauf be- rief si einer auf den \@welzerish-deutshen Niederlassungövertrag, worauf wir den Fall näber geprüft haben. Wir sind zu dem Er- gebnis gekommen, daß die Bestimmung des Artikels 3, wonach der Aufenthalt Schweizern untersagt werden kann, die vor Erfüllung der Wehrpflicht die Nationalität gewechselt baben, sich nur auf folche be- ziche, bei denen ein Nationalitätäwecsel in eigener Perfon erfolgt ist, nicht aber auf deren Söhne und Enkel, vorbehaltlih persöiliher Be- anstandungen nach Artikel 2 des Vertrages. Von der Neichsregterung ist unsere Auffassung bestätigt worden. Der Polizeipräfident von Pèlblhaufen ist bereits entsprechend verständigt worden.
Großbritannien und Zrlaud.
Wie das „Neutersche Bureau“ erfährt, hat die griechische Regierung zuständigen Orts Vorstellungen darüber er- hoben, daß der türkische Kreuzer „Hamäidije“ wiederholt den Suezkanal passiert hat. Man hob dabei hervor, daß das Verhalten ‘der „Hamidije“, die sih in Alexandria verprovian- tieren durfte, auf hoher See Kohlen einnahm und ungehindert mit den türkishen Behörden in Konstantinopel in Verbindung trat, niht nur eine Verlegung des Kanalreglements, sondern auh ein gefährliher Präzedenzfall für die Schiffe anderer Mächte sei, besonders für den Fall eines zukünftigen Krieges,
m der Kanal eine Rolle spielen würde. : h
— Jm Unterhause standen gestern Anfragen auf der
agesordnung.
Nach dem Bericht des „W. T. B." fragte. der Abg. Nees, ob der Staatssekretär Grey trgendwel{e Nachrichten über \{le{te Be- handlung der Mohammedaner in Mazedonien hahe, und wenn ja, ob er dann den Verbündeten deswegen Vorstellungen machen wolle. Sir Edward Grey erwiderte: alles, was er tun kônne, fei, Berichte, die er erhalte, zur Kenntnis der bulgarischen egierung zu bringen, damit Schritte unternommen würden, die Schuldigen zu be- strafen und neue Mißhandlungen unmöglih zu machen, Das sei ge- \hehen und werde auch weiter von dec britishen Negterung getan werden, ganz gleich, ob es fich um Mohz1mmedaner oder Christen
andele.
N Der Abg. Walter Guinneß fragte, ob der Staatssekretär Schritte unternehmen wolle, um Bürgschaften für Mazedon ien zu erlangen, entsprechend denen, die er versprochen habe, für Albanien anzustreben. Grey antwortete, diese Frage sei, soweit sie Albanien betreffe, eine Frage internationalen Uebereinkommens. Bezüglich Mazedoniens gebe es aber fein internationales Uebereinkommen. England könne niht gut Sgpritte tun, um ein Protektorat über Mazedonien zu errichten.
Rußland.
Der Ministerrat hat nach einer Meldgng des „W. T. B.“ in seiner gestrigen Sißung den Bau einer Bahn von Werchne UÜdinsk nah Kiachta auf Kosten des Fiskus genehmigt. |
— Das Ministerium des Auswärtigen hat gestern, obiger Quelle zufolge, nachstehendes Communiqé ver- öffentlicht:
i D hauptsächlihsle" Zie", das die russishe Negierung anläßlih der militärishen Erfolge der verbündeten Balkaustaaten verfolgt hat, war, den Siegern die Erfolge thres Sieges soweit wie irgend möglih zu sichern. Die Verhandlungen, die zu diesem Ziele geführt haben, waren veroidelt und müßsam, denn die Verbündeten konnten thren Erfolg nur erringen auf Grund einer Nichttntervention der Mächte. W»?nn man den Weit und die Wichtigkeit des Dienstes, den Nußl nd den Balkan- staaten erwiesen hat, richtig einshäßgen will, so muß mana sich das Gesamtbild der internationalen Lage und die Kollision der wider- streitenden Interess-n vor Augen halten. Die Lok1lisierung des Krieges war nur unter zwei Bedingungen mögli: Erstens, Verzicht der Großmächte auf tertritoriale und sonstige Borteile für eigene Req- nung; zweitens, Verzicht auf jede Einzelafkt on bon threr Seite. Di-se neégativen Bedinungen brachten eine dritte, voltive mit ih: Nevision der durch den Krieg geschaffenen Lage und Anpassung diefer an diejentgen Juteressen der Grceßmächt-, auf die sie nicht verz|hten konnten; und dies Tonnte nur geschehen durch das europâi'che Konzert, dessen Ent- scheidung im Namen von ganz Europa ge'ällt wurde. Au ein her- einzeltes Vorgehen irgend einer Macht konute nutr durch die gemein- same Anerkennung der verbindlihen Kraft der Enticheidung Guropas vermieden wecden. Unter diesen Bedingungen wurde die Botschafter- konferenz in London einberufen, diz foeben die were Aufgabe gelöst hat, die nöcdlihe und nordöstlihe Grenze von Albanien festzuseßen, eine Ausgabe, der die Interessen Montenegros und Serbiens mit ihrem sehr na!ürlihen Streben nah Ausdehnung im Wege standen. Andererseits wurden die Interessen der Albanesen yon Oelterreih- Ungarn und Jtalien beschüßt, die d-n status quo am “Adriatischen Meere füc o wichtig für si hielten, daß sie keinea Zweifel bierüber zulassen wollten, Die Erhaltung des status quo bedang aud) die Exienz etnes albanesischen Gebiets, woran sch selbstver- ständlich das Strében anschloß, die Grenzen dieses Gebiets, das eine gleihartige Bevölkerung von albancsisher Ab#ammwung um- fassen sollte, nah Möglichkeit auszudehnen.
Im Verfolg langer i
und hartnäckiger Verhandlungen und gegenseitiger Zugeständ- nisse, dur die Prizrend, Ipek, Diakowa und Dibra für die |lawischen Staaten gewonnen wurden, glaubte Rußland die Einverleibung von Skutari in Albanien zugestehen zu müssen, ein Zugeständnis an die Aufrechterhaltung des Friedens, dessen Erschütterung aus diesem An- lafse sinnlos hâtte erscheinen müssen. Es ist bekannt, tal Skutari eine rein albanesishe Stadt und der Sig eines katholishen Erz- bishofs ist Das wird durchaus bestätigt durch den Bericht des russishen Vizekonsuls in Skatari, der auf Grund von Tatsachen die hauptsählich militärische Wichtigkeit von Skutari nahwetft. Die Montenegriner sind hon unfähig, einige Tausend katholischer und muselmanisher Albanesen, die seit 35 Jahren in den Grenzen Monte- negros wohnen, mit sich zu vers{melzen. Folglih würde die Ein- verleibung eines Teiles vom Sandschak und diejenige von Skutari ledigli die Wickung haben, Montenegro dur die Einverleibung einer geringen Anzah! von Montenegriaern und von hunderttausend Menschen anderen Blutes, anderer Sprache und anderer Neligion zu \{wähen, was Montenegro in die Gefahr bringen würde, ein montenegrinis{ gefärbtes Albanten zu werden. Unfer Gesandter in _Cetinje glaubt, daß die Vereinigung einer bedeutenden Anzahl römischer Katholiken mit Montenegro diefen Gelegenheit hätte geben fônnen, die Ver- bindungen mit dem Auslande ncch zu befestigen, die das Eindringen fremder Einflüsse erleichtert hätten. Der König Nikolaus hat die Verpflichtung, die er übernommen hatte, Rußland von dem Beginn des Krieges vorher zu beaachrihtigen und seine Zu- stimmung einzuholen, niht erfüllt. Troßdem lieh ihm der Kaiser großmütig seine Hilfe, indem er der montenegrinishen Bevölkerung Hilfsmittel und Beistand zusagte. Als die Frage von Skutari gelöst war, wurde der König freundsckaftliÞß davon in Kenntnis geseßt unter Hinweis auf die {were Verantwortung . die er auf fich nehme, wenn er weitechtn seinen Widerstand fortseze. Dann wurde ihm der Nat erteilt, si den Beschuldigungen, persénlidte Gesichtspunkte zu verfolgen, indem er die Montenegriner nvßlosen Gemeteln preisgebe, zu entziehen. Als diese Schritte bei dem Köntg Nikolaus erfolglos blieben, wurde es Tar, daß er mit der Einmischung Rußlands, der Großmächte und einem europäishen Krieg rechnete. Die rufsishe Negiecung konnte also nicht dagegen fein, daß Maßregeln ergriffen wurden, die fih nah der Weigerung des Königs Nifolaus, si dem Beschlusse der Mächte zu unterwerfen, als notwendig erwtesen. Die Kaiserliche Regierung verliert nicht die Hoffnung, daß Montenegro seine hartnäckigen Be- mühungen einstellen wird, in der Erwägung, daß der Eigenltebe Montenegros vollkominen Genüge getan ist, wenn es ih dem Willen Europas unterwirft, da diefer fh auf eine so imponierende Ent- faltung von Flottenstreiifräften slüßt. In diesem Falle würde Curopa Mittel finden, die Lage des montenegrinischen Volkes zu erleictein, das schwer zu tragen hat an den dur die Beclagerung von Skutari geforderten übermäßigen Opfern. Die rufsishe Negterung tann niht von ihrem Standpunkt abgeben, daß thre Verantwortung vor Lem russischen Volke in erster Linie die Pflicht in si \chließe, kein russischWes Blut zu vergießen, wenn niht die Interessen des Baterlandes es erfordern. Die slawische und orthodoxe Srofmacht Rußland hat niemals mit Hilfeleistung und Opfern für ihre slawishen Brüder gespart, aber diese letzteren ihrerseits haben auch die Pflicht — die übrigens unsere resse ihnen nicht immer im Gedähnis zu halten weiß — die Ratschläge zu ackten, mit denen Nußland keinen Mißbrauch treibt und sih zu er- tanern, daß, wenn wir stolz auf ihre Erfolge sind, diese doc) nit hätten erreihßt werden können ohne Nußland, das ihnen das Leben gab und das ihnen sowohl in der Freude wie im Schmerze noch immer nôtig ist, besonders au, um die Einigkeit unter ihnen aufrecht zu erhalten, ohne die diese Völker weder Kraft noch Stärke gewinnen können. Diese Beziehungen Nußlands zu den slawischWen Völkern schließen jede Feindseligkeit gegenüber anderen Staaten und Völkern aus, Die Verschiedenheit der Rassen brauht durhaus nit zu einem Gegensagz unter den Nassen zu führen. Man kann nicht gut zugeben, ‘daß die Sache des Friedens dabei gewinnen würde, wenn man eine Nasse einer anderen, die sich ihres Nechis beroußt ist, entgegen]iellt. Die innere Kraft Nußlands hat nicht nöôtia, von Bea forgnissen zu Drohungen überzugehen, die nicht der Ausdruck der Stärke eines Volkes sein würden.
— Der Geseßentwurf, der in Finnland begangene Staatsverbrechen und politishe Verbrechen den Reichs- geseßen unterstellt, wird, Wie „D. D. V.“ meldet, nunmehr den geseßgebenden Reichsinstitutionen überwiesen werden, da der finnishe Landtag gleih seinem Vorsißenden die Begut-
achtung abgelehnt hat. Türkei.
Der offizielle türkische Kriegsbericht vom 10. d. M. besagt laut Meldung des „W. T. Y.“: Im Laufe des gestrigen Tages fand auf dem linken Flügel der
Tschataldschalinie ein leichter A:tilleriekampf ftatt. An den anderen Punkten der Tschataldschalinie hat sih nichts neues creignet. Vor Bulair berrscht Ruhe. Gestern beshoß ein griehis{ches Torpedoboot den südlih von Aiwali gelegenen Ort Uyasmanly. Ein von der Küstenartillerie abgefeuertes Schrapnell fiel auf die Kommandobrücke des Torpedobootes nieder, wora1f ih das Torpedoboot von der Küite entfernte. Hierauf wendete sh das Torpedoboot gegen tas Kap Sarmussak Burun und gab einige Kanonenshüsse gegen eine zur Beobachtung des Feindes aufgestellte Truppenabtcilung ab, ohne jedoch Schaden anzurichten.
Nach Meldungen der „Agence Bulgare“ landete am 7. d. M. um 4 Uhr früh eine türkishe Jnfanteriekompagnie unter dem Schuge- eines Kriegsschiffes südlih vom Dorfe Ksasteros und rüdckte gegen eine bulgarische Kompagnie vor, die eine vorgeschobene Stellung auf einer nordöstlich vom Dorfe Jalos gelegenen Höhe beseßt hielt, um sie im Nücken zu fassen. Die Bulgaren eröffneten ein heftiges Feuer und brachten den Feind zum Stehen. Gleichzeitig erschien ein aus den bulgari- schen Hauptstellungen entsandtes Bataillon und die türkische Kolonne wurde vernichtet. Am Nachmittag rückten zwei bulgarische Jnfanteriepelotons, von Artillerie unterstüßt, gegen das Dorf Kumburgas vor und säuberten das Küstenland. Auf den anderen Punkten vor der Front der vorgeshobenen Divi- sionen verlief der Tag ruhig.
Montenegro.
Der Kommandierende der internationalen Flotte in den Gewässern von Antivari, Vizeadmiral B urney, hat gestern früh dem Gouverneur von Antivari bekannt gegeben, daß von 8 Uhr früh ab die friedlihe Blockade von Antivari bis zur Drinmündung erklärt sei.
Nach einer telegraphischen Mitteilung des Kommandanten des an der internationalen M enhemanliratión beteiligten ersten Geschwaders der österrei jish-ungarischen Kriegsflotte an das Kriegsministerium (Marinesektion) lautet der Text der A A der „Militärishen Rundschau“ zufolge, wie folgt: i
„Ich erkläre die Blocka:e an der Küste zwischen dem Hafen von Antivari und der Mündung des Drinflusses. Die Blokade beginxt um 8s Ur früh am 10. April des Jahres 1913. Die Blockade er- stre#t sich an der Küste zwiscken 42 G:ad 6 Minuten und 41 Grad 45 Minuten Nocdbreite und {ließt in sih alle Häfen, Buchten, Needen und Flußmündungen innerhalh dieser Grenzen und die nächst der Küste gelegenen Inseln; sie richtet si gegen alle Schiffe aller Nationen. Allen ‘Schiffen, die innerhalb des Blockadegebiets sich be- finden, wird cine Frist von 48 Stunden zum Verlass-n des Blockade- gebiets gewährt, das heißt bis 8 Uhr früh am 12. April.
Eigenhändig aegeben an Bord S. M S. „King Edward VII.“ am 10. April 1913. Cecil Burney,
Vizeadmtral und Kommandierender der internationalen Flotte.“
Wie die „Agence Havas“ meldet, hat ein Schiff der inter- nationalen Flotte in den Gewässern von Antivari die Jacht des Königs Nikolaus, die Mehltransporte begleitet hatte, aufgebracht.
Afien.
Nach Meldungen des „Reutershen Bureaus“ führt die chinesische Regierung mit Beständigkeit die Reform der Salzsteuer durh. Sie organisiert eine Salzinspektion und hat für verschiedene Aemter Chinesen von anerkannten Fähig- keiten sowie die britischen, amerikanischen, deutschen, japanischen und dänischen Mitdireftoren gemäß der von Yuanschikai am 15. Januar sanktionierten Ankündigung des Finanzministers ernannt.
Wie aus Hongkong von dem genannten Bureau gemeldet wird, hat der geseßgebende Rat in erster Lesung eine Bill angenommen, die zur Aufnahme einer Anleihe von 9 Millionen Mark für die Kosten der Fertigstellung der Bahn von Kaulung nach Kanton ermächtigt.
Afrika. Einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Meldung aus Udscbda zufolge ist der neu errichtete Militärposten von Nechila am linken Mulujaufer in der Nacht zum 11. d. M. von Beni-Ben-
_Lahi, die erst vor 14 Tagen ihre Unterwerfung angeboten hatten,
angegriffen worden. Die Marokkaner wurden mit bedeutenden Verlusten in die Flucht geschlagen. Die Franzosen hatten einen Toten und neun Verwundete.
Nach einer Meldung aus Nabat soll der Oberst Mangin am 7. d. M. die Tadlaleute geschlagen, ihre Kasba ein- genommen haben und gegenwärtig daselbst lagern.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des R eihs- tags- und des Hauses der Äbgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
— In der heutigen (137.) Sißung. des Neichstags, welcher der Staatssekretär des Jnnern “Dr. Delbrück und der Staatssekretär des Neichs\chaßamts Kühn beiwohnten, wurde die Generaldisfussion über die Vorlage, betreffend den einmaligen außerordentlichen Wehrbeitrag in Ver- bindung mit den übrigen Decckun gsvorla gen fortgeseßt.
Abg. von Payer (fortsr 2 olfep.): Auch wir verlangen, daß Wehr- und Deckungsvorlagen gleichzeitig verabschiedet werden. Wir werden uns einer folchen Mehrheit ansGließen. Die etnhcit- liche Auffassung gegenüber der Notwendigkeit der Wehrvorlage werden wir prinzipiell uit stören. Festgestelt muß werden, daß jeder damit einverstanden ist, daß diesmal nur zu einer Besibsteuer gegriffen wird und cine Fortseßung der indirekten Besteuerung nicht statthaft i. Die Nationalliberalen haben sich auf - die allgemeine Bemerkung beschränkt, daß sie keine Spielverderber sein wollen. Es ist also mögli, daß eine Ver- inögenösteuer herauskommt. Aber ih fürchte, es wird bet den veredelten Matrikularbeiträgen bleiben. Die Sozialdemokratie ist, au wenn sie den Vorlagen nicht zustimmt, fest ents{lofsen, daß nur die besizenden Klassen herangezogen werden. Sie will alfo diesmal positiv mitarbeiten. Das Zentrum hat dagegen erklärt, daß es sih weigere, die Deckung für die Ausgaben einer anderen Mehr- heit zu übeclassen, als derjenigen, die die Wehrvorlagen bewilligt hat. Es hat ausdrücklich hinzugefügt, daß diese Mehrheit eine bürgerliche fein müsse. Das ist ein Wink mit dem Zaunpfahl gegenüber den Nationalliberalen, aber ein staa!srechtlich unhaltbarer Standpunkt. Die Vorschläge, den Kriegs\chaß in Gold zu verdoppeln und einen folhen in Silber zu schaffen, sind in der Vorlage niht genügend be- gründet. Cine weitere Ausgabe von 5- und 10-Markscheinen hat doch auch direkt gewisse volfêwirtschaftliche und | vor allem finanz- und münztehniïche Bedenken. Darüber ist kein Wort gesagt. Ich glaube, - der Staatssekretär irrt, wenn er meint, diese Kassensheine würden von der Bevölkerung gern auf- genommen werdev. Im übrigen präfentiert man uns die aller- verschiedensten Steuerentwürfe ohne inneren Zuscinmenhang und Plan und nur zufsammengehalten durch den Gesichtspunkt, daß sie bar Geld einbringen follen. Dem Versuche, ein Grbreht des Staats einzuführen, werden wir niht entgegentreten. Doch glaube ih nicht, daß die Staatsfinanzen dadur eine große Aufbesserung erfahren. Wir werden deshalb in der Kommi}|sion den Gesichtspunkt zur Erwägung vorschlagen, ob mn nuit den Finanzen des Neichs einen größeren Gefallen tut, wenn alle diejenigen Hinterlassenshaften, die nah dem Entwurfe, wenn kein Testament vorliegt, nicht dem Staate zufallen, zu einer starken Erbschaftssteuer herangezogen werden können. Die Hinausschiebunz des Termins für die Herabseßung der Z'cersteuer findet bei uns keinen Beifall. Aber man hat fih allmöhltich mit dem Gedanken vertraut gemacht, daß es mit dieser Herab- feßung noch gute Weile hat. Ich möchte nur der fkonser- vativen Auffassung widersprehen, als ob solche R den Konsumenten nihts nüßt und die Differenz in die Tasche anderer fließt. Es wird hierbei die Konkurrenz im Kleinverkguf überseben. Nicht einverstanden sind wir mit dem Zuschlag des Neis zum Grundstücksumsaßstempel aus dem Grunde, weil ja {on der voxhandene Zuschlag die Verhältnisse auf dem Grundstücksmarkt be- jammernswert gestaltet hat.
(Schluß des Blattes.)
— Das, Haus der Abgeordneten seßte in der heutigen (163.) Sißung, welcher der Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz beiwohnte, die zweite Beratung des Etats des Ministeriums der geistlihen und Unterrihtsangelegenheiten, und zwar zunächst die Besprehung der dauernden Ausgaben. für das Elementarunterrichts wesen fort.
ZU den Ausgaben für das Taubstummen-
Blindenwesen bemerkt
Abg. Bresler (Zentr.): Bei den {chlesischen Taubstummen- anstalten t ein Mißstand vorhanden, der die Beteiligten in außer- ordentlih-r Weise bedrückt, das ist die Stellung der Taubstummen- lehrer. Nach dem Dotationsgesez von 1875 ist die Pflicht der Für- sorge für die Taubsi:ummen ten Provinzen auferlegt; diese erhalten einen entsprehenden Zuschuß. Es fcagt sich nun: wie steht es mit der Sicherheit der Bezüge der [chlesishen Taut-\tummen- lehrer? Es haben si für diesen Zweck Vereine gebildet, diese bieten aber keine genügende Garantie für Gehalt, Pension und Neliktengeld. Troy wiederholter Bemühungen ist es nicht gelungen, den Provinzial- verband zur Sicherheitsleistung für die \ch{l:sishen Taubstummen- anstalten in Breslau, Liegniß und Ratibor zu gewinnen. Die Provinz erkennt wohl an, daß sie die moralische Pflicht habe, für die Lehrer zu sorgen, sie weigert ih aber, eine formelle Erklärung abzugeben. Die Unsicherheit der Stellung ist ggevin nicht geeignet, den LZaub- stummenlehrern thre \{chwierige ufgabe zu “erleichtern. Taub- stummenlehrer, die in den Dienst einer \ch{lesis{en Anhalt treten, weil sie die Verhältnisse nit kennen, kehren ihr nach kurzer Zeit den Rücken und wenden #ch an andere Provinzen, wo die Ver- hältnisse sier sind. Die Staalsregierung sollte nit einwenden,
und
i Schuß im
s doch nicht in die Hän e F nationalem, christliGem Einschlag haben, die getragen sind von chrifst-
pflege muß m-hr als bisher Volksfache werden.
Jugend innerlich zu kräftigen.
Wnachen. Ih weise auf einen Artikel der
daß fie auf die Selbstverwaltung ni einwirken Ffönne, sie hat ein Recht, dafür zu sorgen, daß die der, die der Staat zahlt, auch den Verwendungszwecken zugefü t werden. Jh bitte also die Staatsregierung, dahin einzuwirken, daß die Provinz Sdlesien die erforderli&en Garantien leistet, die formelle Erklärung abçibt, daß fie für Gehalt, Ruhegebalt und Witwen- und Waisen- eld der {lesischen Taubflummenlehrer eintritt, damit Nube und Zufriedenheit in die Kreise der \chlesis{ben Taubstummenlehrer einzieht.
Zum Kapitel „Jugendpflege“ bemerkt
Abg. Heckenroth (konf.): Seit Jahren spielt die Iugendpflege eine große Rolle und hat im Vo!ke ein großes Eo gefunden. Als der Minister bazu aufrief, ging es wie Begeisterung durch unser Volk. Es fehlte eben nur der zündente Funke. Die Aenderung der wirtshafilihen und fozialen Verhältnisse it die Ursache davon, daß viele junge Leute (l-ich nah der Schule von Eilternha- s und Heimat Abscied nehmen müssen. Damit verlieren sle ihre Stügze. Die Versuchung tritt an sie heran vnd sucht alles aus ihrem Herz?n gu reien, was thnên bisher heillg und feuer war. (3 wird ihaen gepredigt, daß es für sie jeßt nur noch schranken- lose Freiheit gibt. E wäre ein Unrecht, wenn man die Juzend in „diesem Kampf nicßt unkerfltüßen wollte. Die Sozialdemokratie fut die Jugend sofort in den Kampf des Klassenhasses hineinzuziehen. Sie foll so erbittert und etn wtlliges Material für fie werden. Hier darf man bie Sozialdemokratie ni§t halten und walten lassen. Der Werberuf des Ministers hat das Verant- wortlihkteit8zefühl für die Zukunft bci uns gestärkt. Die zur Iugendpflege zufammengetretenen Ausschüsse müssen nun aber darauf sehen, daß keine Zersplitterung der Arbeit eintritt. Jahn ging von dem Grund- faß aus: Mens Ssana in corpore sano. Die von ihm ge- gründeten Vereine haben Großes geleistet. Aber man darf nit allein beim Turnen und Spiel tehen bleiben, man muß die Jugendpflege auch auf das geistige, auf das religiöse Gebiet ausdehnen, wie es die Tirdliden Vereine bisher getan haben. Sittlichkeit und innere Wahrheit, das ist der wahre Kampfe gegen die Versuhung des Lebens. Die Jugend muß angehal! en werden, \i{ch ihrer Väter würdig zu zeigen und thnen nabzucifern. Erfreulicherweise stelt der Etat diesmal auch mehr Mittel für tie weibliche Jugendpflege bereit. Beim weiblihen Geschlecht handelt es sih ja um die künftige Hausfrau. Was wir hierfür tun, trägt mit zur Lösung der sozialen Frage bei. Wir helfen dabei mit, daß die Hausfrau später im Hause auf Christentum und Sitte hält. Bedenklich ist allerdinas die Stellung der Hamburger Lehrer in den Jugend- ausshüssen. Hier ist ein Weg, der cit zu einem Abweg werden
y kann. Es foll Wert auf literarische Bildung gelegt werden. In
den Inhalt des Buches an. Mag noch so wertvoll sein, fo gehört e3 manhmal de der Jugend. Wir wollen Männer mit stark
erster Linie kommt es jedoch auf ein Buch Titerarisch
licher Begeisterung. Der patriotishe Geist, der Preußen zum Siege
N geführt hat, sollte unserer Iugend niemals genommen werden.
Abg. Ke stern ih (Zentr.): Ih halte es für wünschenswert, daß
N dem Hause eine Statistik über den Stand der Jugendpflege vorgelegt
weites Arbeitsfeld ltegt noch brach. Die Vereine reiht niht aus. Die Iugend- In der einseitigen Betonung der Körperkultur, wie sie von vkelen Vereinen betrirben wird, können wir nit ein geeignetes Mittel erblicken, unsere Wir fordern vielmehr etne harmo- nishe Ausbildung unserer der Schule entwachsenen Jugend. Deshalb geben wir unseren konfessionellen JIugendorganisationen den Borzug vor allen anderen Jugendorganisaticnen. Wir verkennen nit rie Bedeutung des Sports und des Spieles, aber diese reten allein nicht aus; wir müssen uns mehr um das religiöse Leben der Jugend ummern. Wir verkennen nit die erfolgreihe Tätigkeit des ungdeutschlandbundes und äholicher Veretne, aber wir müssen uh auf manhe Auswüchse di-ser Organisationen aufmerksam „Evangelischen Kirchen- eitung“ hin, der sih mit folhen Auswüchsen der IJugendveretne be- chäftigt. In dem Artik-l ist u. a. hervorgehoben, daß die über-
wird. Cin großes, Tätigkeit der bestehenden
pnäßige körperlihe Anstrengung der jungen Leute infolge der großen Wagesmärsche
| u. dergl. zu ernster Arbett untauglih mat ; die tilitärärzte Tönnten bei der Aushebung der Nefkruten konstatieren, wie die Herzfehler der Nekruten infolge sportlicher Uebertreibung immer mebr unehmen. Es wird auch konstatiert, daß die Lehrlinge und die Schüler höherer Lehranstalten infolge des Sports ihre Arbeit vernachlässigen. Ver Forderung, Vereine junger Männer als Gegengewiht gegen olhe Bestrebungen zu gründen, shließen wir uns voll und ganz an. anz besonders bedauerlich ist es, daß auh das religiöse Leben der Bugend durch den Sport benahteiligt wird. Die Ausflüge müßten o eingerihtet werden, daß den Mitgliedern der Vereine Ge- egenheit geboten ist , ihren kirchlichen Pflihten nachGkommen zu können. Der Nachweis des Ministers über Verwendung des Bugendpflegefonds gibt meinen Freunden zu Beanstandungen Ver- inlassung. Ich erkenne die Bestrebungen des Ministers an, auf eine aritätische Verwendung des Fonds zu achten. Aber die na@- eordneten Behörden befolgen die Anordnungen des Ministers vielfach n einseitiger Weise. Bei den Kreis» und MNegierungsbehörden dent nit überall die Ueberzeugung zu bestehen, daß die konfessio- ellen Jugendorganisationen vor allen Dingen berufen sind, die ugendpflege zu übeiwaden und zu fördern. Die Iugendpflege eitens der Behörden {eint mir au etwas zu bureaukratisch zu ge- ehen. Die papterene Jugendpflege kann uns wenig helfen, es mmt auf prafktishe Arbeit an. Aus dem Negierungèbezirk Oppeln l mir eine Beschwerde darüber öUgegangen, daß dort eine katholische bugendorganisation von ter staatlichen Beihilfe völlig auêsges{chlossen orten it. Der Beschwerdeführer bat ten Instanzenweg völlig [böpft. Er ist mit seiner Bitte um Bethilfe von dem Minister ab- Viagig beschieden worden, weil der Bestimmung gemäß aus dem ugendpflegefonds feine Mittel für den Megierungsbczirk Oppeln erwendet werden können. Auch aus anderen Bezirken liegen ld'e Bescbwe: den ver. Ich begreife nit, warum gerade da, 0 das Deutshtum gefährtet sein soll, die konfessionellen lgendorganisationen, die zur Förderung des Staatsgedankens itragen, von der staatlichen Unterstützung auêges{lossen in sollen. Jch bitte den Minister um Auskunft tarüber. ur metnen Fraftionsfreund Sauermann wird mir mitgeteilt, daß der rhetnishen Stadt Mühlheim an der Ruhr die Stadt- rwaltung fich nicht hat entschließen können, einen JIugend- ‘geaus\chuß im Sinne des bekannten Ministerialerlasses ins ben zu rufen. Daß man in einer 117 000 Einwohner ¿zahlenden adt, in der die tatholische Bevölkerung annähernd 40% t gefamten Bevölkerung ausmacht, in einer alle nationalen Meise gleihmäßig tnteressierenden Angelegenheit wie der Jugendpflege i fatholische Geistlichkeit einfah ignoriert und ausschaltet, ift be- nend für die Herren, die immer große Töne von dem friedlichen lammenleben der Konfessionen reden und uns Katholiken den Vorwurf Engherzigkeit machen. Andere Stadtverwaltungen lassen fich von den ihen engherzigen Gesichtspunkten leiten. Es ist für die Entwick- 19. der Jugendpflege von großer Wichtigkeit, daß die einzelnen 9endvereinigungen in demselben Orte in stetiger Fühlung mit n Jugendpflegeaus\Guß arbeiten. Dadurch kann viel Mißtrauen eiligt werden, und mande urltebsame Reibereien lassen ih urch verhindern. Die Jugendpflege muß in erster Linie von Vertrauen der Bevölkerung getragen werden, wenn sie praktische olge erzielen soll. Das aber wird rur möglih sein, wenn Ortsautshüsse nah konfessioneller Richtung in paritä-
\er Weise zusammengeseßt sind. - Dringend erwünscht ist auch Einrichtung von Bibliothek en für die Zwecke der Jugendpflege.
(Schluß des Blattes.)
Statiftik und Volkswirtschaft.
Die Gewerbeinspektion in Preußen im Jahre 1912.
(Nah den Jahresberichten der Preußischen Regierungs- und Gewerbe- râte und Bergbehörden.) H.9O Zuwiderhandlungen gegen dfe Selese und Verordnungen zum Schutze der Arbeiterinnen wurden im Berichtsjahre 4339 gegen 4738 tim Jahre 1911 ermittelt: 2045 (— 217) Fälle betrafen Ver- stöße gegen die Bestimmungen über Anzeigen und Aushänge, 1794 (— 122) PVebertretungen materteller S@hußvorschristen, die baupt- fählih in gesetwidriger Beschäftigung an den Vorabenden der Sonn- und Festtage, in Verkürzung der Mittagêpausen und unzulä}sfiger Dauer der Arbeit bestanden. Bie meisten Zuwiderhandlungen wurden in den Werkstätten der Klcider- und Wäschekonfektion und in Ziegeleien, nächstdem in den Betricben des Bekleidungs- und MNeinigungsgewerbes,- der Textilindustrie, der Industrie der Nahrungs- und Genußinittel und in Meieretcn festgestellt. Ein wohl einzig da- stehender Fall ungeseßlicher Beschäftigung von Arbeiterinnen wurde in einer Marmo!s\(leiferei im Negierungsbezirk Arnéberg er- mittelt. Dort wurden 7 Arbeiterinnen im Laufe mehrerer Wochen verschicdene Male von 6 Uhr früh den ganzen Tag, die folgeude Nacht und noch den nähften Tag bis 7 Uhr Abends mit dem Schleifen von Marmorpylatten beshäftigt und die Ackeit nur dur kurze Pausen unterbrochen. Gegen den Fabrikanten und den Werkmeister wurde ein Strafverfahren eingeleitet, das mit etner Veiutteilung zu 100 und 200 f Geldstrafe endcte. Die Zahl ter Anlagen, in denen gegen die geseßlihen Bestimmungen gefehlt wurde, ist von 4067 im Jahre 1911 auf 3671 im Berichtsjahr gesunken, die Zahl der wegen Zuwider- handlungen bestraften Personen dagegen von 649 auf 727 gestiegen, ungerechnet 217 noch \{chwebende Sträfverfahren. Auf dte Regelung der Arbeitszeit am Sonnabend hat die Novelle zur Gewerbeordnung vom 28. November 1908, durch welche die Beschäftigung für Arbeiterinnen an diesem Tage auf höchstens aht Stunden festgeseßt wurde, einen wesentlichen Einfluß auêgeübt, der besonders in den Betrieben mit vorwiegend weiblichen Arbeitskräften bemerkbar war. Der KUrbeits\{luß erfolgte hier Sonnabends meist {Gon vor 5 Uhr Nach- mittags, da die ahtstündige Arbeitazeit unter Beibehaltung des an den übrigen Tagen üblihen früßen Arbeitsbeginns eine Beschäftigung bis 5 Ühr niht gestattete. Dabei wurden für dte Arbeiterinnen über 16 Jahre die Vormittagspausen meist betbehalten, die Mittagspausfe aber, sofern fie mehr als eine Stunde betrug, auf eine Stunde gekürzt und eine Nachmittag2pause kaum mehr gewährt. Die Arbeit pflegte zwischen 6 und 7 Uhr Morgens zu beginnen und bei zusammen fünfviertel- bis anderthalbflündtgen Pausen \chon zwischen 3 und 4 Uhr Nachmittags zu enden. Nur in den Werk, slätten der Konfektion und des Neinigung8gewerbes dauerte die Arbeitszeit infolge der Eigenart der Betriebe faït überall bis 5 Uhr unter gleichzeitiger Gewährung einer Nachmittagëpause. In folWen Betrieben, in denen männliche und weiblihe Arbeiter in weitgehendem Maße Hand in Hand arbeiteten oder die Zahl der Arbeiterinuen so sehr überwog, daß eine Weiterführung der Arbeit {ich wirtschaf!lich nicht gelohnt hätte, wurde die Kürzung der Arbeitszeit in leiher Weise auch für die männlichen Arbeiter eingeführt. Im übrigen blieb aber die längere Abeitszeit der leßteren bestehen. Die dur die Novelle erfolgte Kürzung der Samstagsarbeit ist für das häusliche Leben nit nur der Arbeite- rinnen, denen fie die Möglichkeit bietet, fi im Haushalt zu betätigen und privatgeschäftliche Besorgungen zu erledigen, sondern auch weiter Kreife der Arbeiterschaft von großem Vorteil, wenn damit auch Lohn- ausfälle verknüpft sind. Sehr viele Unternehmer haben aber teils aus eigenem Antricb, teils auf Veranlassung der Arbeiter oder ihrer Organisationen davon Abstaad genommen, die LWhne wegen der Ver- kürzung der Arbeitszeit herabzuseßen, sodaß die Neuerurg den Arbeitern und Arbeiterinnen dieser Betriebe leine wirtsch«ftlißen Nachteile buingt. Von den Unternehmern wird mehrfah auf den Produktions- ausfall hingewiesen, der \ch für sie ‘aus dem frühen Arbeits\{luß an den Sonnabenden ergibt, im allgemeinen scheint er ihnen aber keine Schwierigkeiten zu bereiten. ÜUnangenehm empfunden wird er bon den größeren Konfektionswerkitätten und Pußmachereten, die mit einem Ladengeschäft verbunden find. Diese Betrtebe fühlen fi benachteilizt, da sie gerade am Sonnabend ihr Dauptgeschäft haben und den Wünschen der Kundschaft nit so nach- kommen fönnen wie die kleineren Betrie e, die von der Befugnis, an 60 Tagen im Jahre die Beschäftigung ihrer Arbeiterinnen ohne Grlaubnis bis zu dreizehn Stunden auézudehnen, auch Sonnabends Gebrauch machen Fönnen. Viele Betriebe mit etwa zehn bis zwölf Arbeiterinnen wollen daher für die Zukunft nur neun Arbeiterinnen beschäftigen, um auf diese Weise an Sonnabenden nötigenfalls länger arbetten zu können. Ueberarbeit wurde von den Verwaltungsbehör den emäß § 138a Abs. 1 bis 4 der G..O. und den entspreenden Be- timmungen für Motor- und Konfektionswerkstätten an Wochen- lagen außer Sonnabend 2240 (+ 57) Betrieben für 172 691 (+ 14 059) Arbeiterinnen in 4746 (+ 69) Fällen an 40 053 (—- 65) Tagen mit 2 534 686 (— 270 997) Stunden bewilligt und an Sonn- abenden gemäß §8 138a Abs. 5 “der G..D. 55 (—10) gewerblichen Anlagen für 2447 (— 103) Arbeiterinnen in 72 (— 16) Fällen an 1650 (— 531) Tagen mit 59912 (2755) Stunden. An diesen Bewilligungen waren die Industrie der Nahrungs- und Genuß- mittel, die Textilindustrie, das Bekleidungs- und MNeinigungêgewerbe und die Papterindustrie mlt den höchsten Stundenzahlen beteiligt. Bei der Wertung der Zahl der bewilligten UVeberstunden ist zu be- rüsichtigen, daß diese häufig den Ausfall von Arbeitsstunden in der toten Saison und auch die an Sonnabenden nit ausgenußte, aber geseßli zugelassene Arbeitszeit ausgleichen. Ausnahmen vom Verbot der Sonntagsarbeit auf Grund des S 106 f der G.-O. sind in 2295 (+4 193) Fällen für 1507 (+- 48) Betriebe zugelassen worden. Eine erhebliche Zunahme hat dte Zahl der an der Sonntagéarbeit beteiligten Arbeiter und derx bewilligten Arbeitsstunden erfahren. Jene ist von 71955 im Jahre 1911 auf 108820 im Berichtsjahre gestiegen und diese von 1019808 auf 1389303, wobei zu berücksihtigen ist, daß bei zwei- schicktigen Betrieben auh die Nachtsciht vom Sonntag zum Montag in threr ganzen Douer bis 6 Uhr Morgens als Sonntagêabeit gerednet zu werden pflegt. Am stärksten waren die Walz- und Hammerwe. ke (358 946), die Bergwerke, Hütten und Salinen n 916), die Betriebe der Großeisenindustrie (201 117), die Nohzuckerfabriken und Zukerraffinerien (149 972) an den bewilligten Arbeitsstunden beteiligt. Als Gründe für dite Notwendigkeit der Sonn- tagsarbeit kamen in den zuerst genannten Industriezweigen außer der ange- spannten Tätigkeit der Werke infolge der guten Geschäftslage und un- vorhergesehenen Betriebsft örungen technische Aenderungen in Betracht. Die zunehmende Elektrisierung der Hütten- und Walzwerkbetrlebe bringt es mit si, daß manche bisher an Werktagen möglichen Reparaturen nur an Sonntagen vorgenommen werden Tonnen, weil nur an diesen größere Teile des Leitungsnegzes stromlos gemacht werden können. Im glethen Sinne wirkt die fortshreitznde Verwendung von Hodh- und Koksofengas zur Heizung von Schmelz-, Wärme- und Trock&en- öfen, da sie die We:ke nôtigt, Neparaturen an Gasleitungen nur an Sonntagen vorzunehmen, um an den Werktagen den Betrieb der Stahlwerke, Nöhrengteßereien 2c. nit zu stôren. Im rheinish- westfältschen Indulstriegebtet kamen hierzu noch der Kohlenmangel infolge des Bergarbeiterstreiks im Anfang und der Wagenmangel im Herbst des Berichttjahres. Den Zuckerfabriken mußte an Sonntagen der Betrieb gestattet werden, da wegen der großen Rübenernte die Kampagne ohne mehrfache Sonntagsarbeit bis Weihnachten nicht hätte erledigt werden können, und eine Fortseßung des Be- Made Bt Weihnachten hinaus unverhältnismäßige Unkosten ge- ma âtte. i Die Zahl der Zuwiderhandlungen gegen die geseßlihen Be- stimmungen über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter und die Zahl der Betriebe, in denen Uebertretungen der Schußvorschriften er- mittelt wurden, hat \sich im Vergleich mit dem Jahre 1911 nicht un-
*) Vergl. Nr. 85 ds. B[.
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erheblich vermindert. Immerhin wurden in 5858 (— 669) An- lagen 5609 (— 608) Berjtöße gegen formelle Vorschriften 189 (— "n Fälle geseßwidriger Beschäftigung von Kindern, 642 (+ 49) Zuwiderhandlungen gegen die geseßlize Beschränkung der Arbeitszeit jugendliher Personen und Kinder, 558 (— 17) gegen die festgeseßte Dauer der Pausen, 90 (— 2) gegen das Verbot der Nachtarbeit und 156 (—- 9) gegen die Bestimmungen über die Mindestruhezeit und die Sonntagsarbeit festgestellt. Be traft wurden wegen Uebertretung der Schutzgefeße und Verordnungen 1288 (—- 46) Personen, ungerehnet 174 noch s{chwebende Strafverfahren. Den Bestimmungen des § 136 Abs. 2 der G.-O,., wonach den jugendlichen Arbeitern während der Pausen eine Beschäftigung im Betriebe über- haupt nicht und der Aufenthalt in den Arbeit3räumen nur dann ge- stattet werden darf, wenn in ihnen die Teile des Betriebes, in denen jugendlite Arbeiter beshäftigt sind, für die Zeit der Pausen vsUig eingestellt werden oder wenn der Aufenthalt im érreten nit tunlich ist und andere geeignete Aufenthaltsräume nit beschafft werden können, wird im allgemeinen entsprochen. Zumeist fallen die Pausen der jugendlichen Arbeiter mit denen der ertvahsenen der Zeit und Dauer na zusammen, indem teils die für die jugend- lichen Arbeiter vorgeschriebenen Pausen auch von den erwachsenen ein- gehalten werden, teils die kürzeren Pausen diefer auf Grund be- sonderer Erlaubnis der Verwaltungsbehörden au für jene durchgeführt find. Dann ruht der Beirich während der Pausen, und die juzend- lichen Arbeiter dürfen si{ während dieser Zeit in den Arbeits: ¿umen aufhalten. Wo aber die Pausen der Jugendlichen si nicht mit denen der Erwachsenen decken, bietet die praktische Durchführung der Vorschrift häufig Schwtertgkeiten. Fn größeren Werken steben in der Negel geeignete Räume für den Zufenthalt der Iugendlichen zur Verfügung, und wo bet älteren Anlagen folche neh nidt vorhanden sind oder wegen Naummangels bisher nit eingerihtet werden tonnten, wird bei Um- und Erweiterungsbauten ebenso wie bet Neubauten von den Eewerbeaussihtébeamten auf ihre Herstellung und durch ständige Kontrolle darauf gedrungen, daß fie auch ihrer Be- stimmung erhalten bleiben und nicht, wie vielfach zu bemän jeln war, mehr oder weniger verwahrlosen, gänzlih aufgegeben und zu Betriebe- ¡weden benußt werden. In kleineren Betrieben, besonders in ge- mieteten Lokalitäten ift der Bestimmung wegcn der Naumbeschränkung {wer Geltung zu versGaffen. Hier kommen für die jugendlichen Arbeiter zum Aufenthalt in den Pausen meist nur die Umkleideräume in Betracht. Diese sind aber vielfa derart beengt, und es herrs{t in ihnen, namentli bet nassem Wetter, eine so üble Luft, daß sie eine awecdienliche Unterkunft in den Pausen kaum gewäbren.
Bei der Durchführung des Kindershußgesetzes vom 30. Mai
1903 hat si die Einrichtung, daß die in den Schulen aufs- gestellten Verzeichaisse. der gewerbiich beschäftigten Kinder zu- sammen mit den von der Polizei geführten Listen durch die Gewerbeinspektoren geprüft werden und dana gegen Ungeseßl'chkeiten eingeschritten wird, auch weiterhin gut bewährt. Es ergab sih wieder, daß in z¿ahlreihen Fällen feine Beschäftigungs- anzeigen gemaht waren, die Beschäftigung zu lange dauerte oder zu ungesegliher Zeit stattfand und vielfach Bestrafung veranlaßt werden mußte. Es scheint indessen, a!s ob durch die fortgesette Belehrurg und Aufklärung der Eltern und Arbeitgeber und dur die firafreht- lihe Verfolgung von Geseßzwidrigkeiten die Zahl der Verstöße gegen die Schußbestimmungen im Abnehmen begriffen fei. __ Die Zahl der Unfälle, namentli der tôdlih verlaufenen, ist im verflossenen Jahre beträchtlich gestiegen. Diese bedauerlihe Tat- sache dürfte aus der erböhten Betriebsintensität infolge der günstigen gesc{äftlihen Konjunktur und aus der Heranziehung ungeübter Arbeitskräfte zu e:klären sein. In zahlreichen Fällen wurde von den Gewerbeinspektoren aber au festgestellt, daß Arbeiter bewährte Schußvorrichtungen entfernt oder unwirksam gemacht hatten, weil sie angebli der Arbeit hinderlich sind, oder im Gefühl der Vertrautheit mit der Gefahr bei ihrer Tätigkcit mit großer Fahr- lässigkeit verfuhren und hierdurch sch felbst und ibre Mitarkteiter an Lib und Leben {wer sch{ädigten. Besondere Auf- merksamkeit baben die Gewerbeaufsihtébeamten den Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen beim Riemenaufslegen ges widmet. Grundsäßzlih sollen jugendlidhe beiter und Arbeiterinnen von. der Bedienung der Tronsmifsionen ferngehalten und diese Arbeit nur erfahrenen und ¿wedmäßig gekleideten erwachsenen männlihen Personen übertragen werden. Mit Ausnahme der auf Stufenscheiben laufenden und der bis zu 60 mm breiten Riemen foll das Ausflegen bon der Hand während des Ganges der Maschinen nicht erfolgen. Nach den vorliegenden Berichien {ind aber folhe Vorschriften, wenn sie nicht durch entsprecende ¡weckmäßige Betriebseinrichtungen ergänzt und unterstüßt werden, nur wenig geeignet, Unfälle zu verhüten. Wenn {on die Bedienung der Trans- La, durch jugendliche Arbeiter und Arbeiterinnen nit immer zu verhindern ift, so widerspricht die Forderung, beim jedesmaligen Auf- legen etnes Niemens die Tranêmission stillzuseßen, den materiellen Inter- }sen der Unternehmer und vielfah auch denen der Arbeiter, insbesondere wenn der ganze Betrieb an einer Trans- mission bängt, und sie wird daher häufig nit beadtet. Von der größten Bedeutung für den Unfallshutz sind daber die Maß- nahmen, die den Zweck haben, das Niemenauflegen während dez Betriebes ganz unnôtig oder entbehrlih zu machen. Bet der Durch- führung des Grundsaßzes, jede Betriebsabteilung oder Transmission und jede Arbeitêmaschine mög!idst unabhängig von der Betriebs- maschine zu machen, erübrigt fich nicht nur das häufige Abwerfen und Auflegen von Niemen bei Stillsezung oder Wiederinbetriebnahme einzelner Abteilungen oder Maschinen, fondern es wird auch den Arbeitern die Möglichkeit gegeben, obne Störung des übrigen Betriebes gerissene oder abgeslagene Niemen bei Stillsland des zugehörigen Triebwerkteils wieder inftand zu feßen und aufzulegen. Fn diesem Sinne zu wirken, bietet fich besonzers bei der Prüfung von Bau- und Genehmigungsgesuchen Gelegenheit. Bedeutend haben ih die mit dem Auflegen der Vienten verknüpften Gefahren dur die sich immer weiter verbreitende Ein- führung des elefktrisßen Gruppen- und Einzelantriebs verringert, der viele Transmissionsriemen überflüssig mat und die Vebersihtlihkeit des Betriebes wesentli erhöht.
Zur Arbeiterbewegung.
Die Arbeitgeber und Arbeitnehmer des Berliner Bau- gewerbes (vgl. Nr. 80 d. Bl), die nit mit den übrigen deuisen Baugewerben gemeinsam ihre Vertragsverhandkungen führen, hattcn, wie bereits gemeldet, das Einigungsamt des Ge- werbegerihts angerufen. Dieses fällte einen Schiedtspruh, der den Arbeitern etne Lohnerhöhung von 3 3, auf die 3 Ver- trag8jahre verteilt, gewährt. In drei stark besuhten Mit- gliederversammlungen des Deut [hen Bauarbeiterver- bandes haben, wie die „Vofs. Ztg.“ berichtet, gestern die Maurer, Hilfsarbeiter und Betonarkbeiter diesen Schieds- [pru einstimmig abgelehnt. Sie batten eine Lohnerhöhung um 8 S gefordert; sie sprachen in einer Erklärung ihr Bedauern darüber aus, daß der Schiedöspruch nicht dec gegenwärtigen Teuerung Nechnung trage. Mit ter Ablehnung des Schted8- sprus ist noch niht der Ausstand erklärt, weil der Vertra bs zum 19. April verlängert ist und die Arbeitnehmer darauf reue", daß es zu neuen Verhandlungen mit den Arbeitgebern kommt. — Nach mehrtägigen Verbandlungen sind, hiesigen Blättern zvfolge, die auf Anregung des Staatssekretärs Delbrück im hiesigen Gewerbe- gericht unter dem Borsiß der Herren Dr. Prenner (München), Dr. Nath (Essen) und von Schulz (Berkin) gepflogenen Eintigungs- bverbandlungen îm deutschen Malergewerbe ebenfalls ge- \chetitert und abgebrohen worden, fodaß der Kampf weitergeht. Ueber das Vertragsthezma, insbesondere über den Arbeitsnahweis, wurde zwar eine Verständigung erzielt, ab:r über die noch strittigen Fragen der Lohn- und Arbeitszeit kam elne CGinigung nicht zustande.
Auf der Vulkanwerft in Hamburg sind, wie „W, T. B." erfährt, ungefähr 340 Bo hrer aus der Schiffbauabteilung wegen Lohnstreits in den Ausstand getreten» Die Abfahrt des?, Imperator® nah der Unterelbe am 22. April erleidet hierdurh keinen Aufschub.