1913 / 86 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 11 Apr 1913 18:00:01 GMT) scan diff

erbalten. Die Unterrihtsverwaltung hat eine Neiße von Maßnahmen getroffen und plant weitece Maßnahmen, die nah dieser Nichtung wirken sollen.

Zunäthst mêchte ih die pon dem Herrn Vorredner genannten Seminarkurfe erwähnen, die ih in Posen, Berlin und Münster unter Ihrer gütigen Mitwirkung dur Bewilligung der erforderlichen Mittel eingerichtet habe. Ueber fie ist in der Unterrihtskommisßon auf das eingehendste verhandelt worden, und die Kommission ist dann zu einem Beschluß gelangt, der das als den richtigen Weg bezeichnet, was wir felbst uns vorgenommen haben. Diese Kurse sollen die Lehrer in ihren Kenntnissen wissenschaftlih ver- tiefen. Die Lehrer, -die den Unterrit an diesen Kursen erteilen, find teils praktische Schulmänner, teils Hoch- \{ulprofessoren. Mit diesem Lehrerkollegium Hoffen wir zu erreichen, daß dort cine wissenschaftlihe hochs{chulmäßtge Behandlung der Dinge stattfindet, daß aber gleichzeitig diese Kurse auf die Aufgabe gerichtet siad, die sie erfüllen sollen, die Kursisten in ihrem Beruf als Volks- schullehrec zu heben, zu fördern und sie namentli au dazu zu be- fähigen, demnächst an unsern Lebrerbildungsanstalten wertvolle und tüchtige Lehrer zu werden. Diese Kurse sind ganz direkt auf die Be- dürfnisse der Volks\fhule gerichtet, und daran, alaube id, müssen wir bei allen diefen Maßnahmen festhalten. Der Bolks\{hule wollen wir dienen! Wenn wir dabei auch der Lehrerschaft dienen, um so besser! Schließlich wird Lehrershaft und Volkéschule in ihren Interessen, wenn si? beide richtig verstanden werden, niemals auseinandergehen. (Sehr richtig! rechts.) Was dem einen nügt, nüßzt auch dem andern, und was dem einen schadet, schadet auch dem andern.

Diese Kurse haben also vornehmlich den Zwel, uns geeignete Seminarlehrer zu \{chaffen, und es ist ja, wenn wir den Seminar? unterridßt verbessern wollen, au die Vorausfetzung, daß wir für ein geeignetes Lebrerkollegium forgen. Nun möchte ich aber doch hier auédrücklich betonen, daß die Anzriffe, die gegen die jeßigen Seminarlehrer in einem Teil der Presse gerihtet worden sind, nicht berechtigt find. Man muß vielmehr in hohem Maße an- erkennen, was die Seminarlchrerschaft bei den sehr großen Schwierig- keiten, mit denen sie in der Vergangenheit zu kämpfen hatte und au jeßt noch zu kämpfen hat, zu leisten vermochte. Wenn Sie sich ver- gegenwärtigen, daß die lezten Jahre unter dem Zeichen des Lehrer» mangels standen, daß die Schulverwaltung niht eine sehr scharfe Auswahl nach der Gecignetheit und der Würdigkeit treffen konnter sondern daß fie bei der Annahme von Seminaristen und Präôparanden weitherzig fein mußte, um den Bedarf zu dedcken, und wenn Sie daran denken, mit welhem \{chwicrigen Material deshalb die Seminarlehrer vielfah zu arbeiten hatten, so werden Sie um so cher geneigt sein, das Verdienst dieser Lehrer anzuerkennen.

Das hindert aber nicht, daß wir hier nun do Fortschritte zu machen versuchen. Es kommt darauf an, wie das Kollegium an den Seminaren zusammengesegt fein muß. Ich glaube, es besteht kein Streit darüber, daß dic Zusammenseßung des Lehrer- kollegiums so sein muß, daß akademish gebildete und seminaristisch gebildete Lehrer zusammenarbeiten. Die einen, die akademish gebildeten Lehrer, werden vornehmlich— ich sage: vornehmlich, nit aus\chließlid die Fächer zu lehren haben, die eine wissenschaftlihe Behandlung ver- langen; tie anderren, die \cminaristisch gebildeten Lehrer, werden vor-

—Rehmlich-Methodik und dlejenigen Fächer zu lehren haben, die sich aus dem Volksschulbetriebe ergeben, in dem sie gestanden haben, und in dem sie Praxis und Erfahrung haben.

Wenn man nun so das Lehrerkollegium gemisht zufammenseßtzen muß, so entsteht, wie gesagt, die Notweadigkeit, Akademiker heran- zuziehen. /Um das tun zu Tönnen, müssen die entspre(enden Ein- richtungen getroffen werden. Bisher mußten die Akademiker, um sie für die Seminare zu gewinnen und dort zu halten, in die Stellen der Seminaroberlehrer und der Seminardtrektoren berufen werden. Wenn sie nicht wenigstens die Ausficht hatten, diese Stellen zu er- halten, blieben sie nit bei den Seminaren, fondern kehrten an die hôheren Schulen zurück, wo sie günstigere Gehaltsbedingungen fanden. Um nun folche Akademiker dauernd fesseln zu können, andererseils aber auch niht gezwungen zu fein, sie in folhem Umfang wie bisher in die Seminarobe:lebrer- und Seminardirektor- hellen berufen zu müssen, haben wir es für angezeigt gehalten, eine besondere Stelle an den Seminarcn, die sogenannte Prorektor- stelle einzurihten, in die Akademiker becufen werden können, und in der sie dieselben Gehaltsbc;üge haben, die ihnen an böberen Schulen zustehen. Das würde also zur Folge haben, daß in der Zukunft Seminariker in höherem Maße in Seminaroberlehrer- und Seminar- direftorstellen berufen werden fônnen, weil für die Akademiker cben diese Prorektorstelle vorhanden ist.

Eine solhe Maßnahme ist namentli unter den jeßigen Ver- hältnissen notwendig, wo uns noh nicht genügend durch die Kurse gegangene Seminarlehrer zur Verfügung stehen. JFch will nit in Abrede stellen, daß cs in Zukunft vielleicht möglich sein wird, hier anders zu verfahren, wie das ja auch von Herrn Freiherrn von Zedlitz angedeutet worden ist. Zurzett wird es aber nicht anders gehen, und ih würde es auf das lebhafteste bedauern, wenn Sie sih etwa aus den Erwägungen heraus, die bier angestellt worden fint- entschließen sollten, die Prorektorstelle niht zu bewilligen. Das würde uns geradezu einen Eckstein der ganzen Seminarreform, die wir vornehmen wollen, wegnehmen. Wir würden in die aller- größten Schwierigkeiten geraten, und es würde in Frage stehen, ob wir die von Ihnen, wie ih bis jeyt gehöct habe, eigentlich durdhweg gebilligten Aenderung:n vornehmen können. Ih möchte deshalb doch dringend bitten, meine Herren, daß Sie sh niht etwa dazu ent- schließen, diese Stelle abzulehnen; und ih meine, auch diejentgen Herren, die gewisse Bedenten haben, könnten fie wchl um fo eher béwilligen nah dem, was ih foeben ausgeführt habe.

“Nun kaf man ja au diese Einrichtung des Prorektors nicht für sd) allein betrahten, man muß vielmehr tun im Zusammenhang mit den übuigen Einrichtungen, bie wir tiefen wollen; fie sind von tem Herrn Abg.. Freiherrn von Zetliy erwähnt worden. Es handelt sich vor allem darum, die Präparandenanstalten mehr als bither für die Anebildung der zukünftigen Lehrer zu verwerten. Wir wollen an sie überall zwei Königliche Lehrer berufen, sodaß wir die Sicherheit haben, doct túuchlige, ältere und länger verbleibende Lehrer zu haben. Daran hat es biéher gefehlt. Es fand ein außerordentliher Wechsel statt Die Lehrer \ahen an diesen Anstalten keine Zukunst, verließen sie bald wier, um wo añders hin zu gehen. Das, hoffe ich, wird aufhören, wir werden da ein dauerndes tüchtiges Lehrermaterial haben, das

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dann auÿY sehr wohl von dort, wenn cs sich be:vährt bat, an tie Seminare übergehen fann,

Sodann, meine Herren, besteht die Absicht, diejenigen Präpa- randenanstalten, die fih an dem Sly der Seminare befinden, durchweg in eine näbere Verbindung mit den Seminaren dadur zu bringen, daß überall der Seminardirektor auch der Leiter der Präparanden- anstalt wird. Wir brauchen aber eine größere Zahl von Präpa- randénanftalten als Seminare. Das Verhältnis ist 3 : 4. Es ist alfo notwendig, daß in noch anderen Orten als den Seminarorten Präpga- randenanstalten beibehalten werden, und die Leiter dieser Präparanden- anstalten follen den Rang und die Besoldung der Seminaroberlebrer bekommen. Dadurch eröffnet sich für die Seminariker eine große Zahl von Avancementsstellen; es sind das über 50 Stellen, die in Betracht kommen und die doh ganz wesentliÞ ins Gewicht fallen, wenn Ste, meine Hercen, - mit Necht den Wunsch haben, für die seminaristisch gebildeten Lehrer die Möglichkeit des Fortkommens, des Avancements zu \{haffen. Das ist durhaus au mein Wunsch, ein Wunsch, den tch übrigens nit nur platonish habe, sondern dem ich auh die Tat habe folgen lassen. Es ift cine ganze Reihe von Seminarikern von mir {on in höhere Stellen berufen worden, in die Stellen der Krets\{hulinspektoren, der Seminaroberlehrer, der Seminar- direktoren, und ih glaube, man wird mir niht den Vorwurf machen können, daß ih tüchtige, dazu gecignete Seminariker von einem solchen Avancement irgendwie zurückhalte; ih bin im Gegenteil durchaus geneigt, den tüchtigen Seminarikern diese Karriere zu eröffnen, und halte es für sehr wohl mögli, daß diese Stellen durch tüchtige Seminariker im vollen Umfange zur Zufriedenheit der Schulver- waltung und im Interesse der Sache verwaltet werden. (Bravo!)

Mit diesen Absichten, die darauf gerichtet sind, die Lehrerschaft noch tüchtiger für ihre Aufgabe zu machen, hängt die Absicht zu- sammen, den Lehrplan an den Semtnaren einer gewissen NRe- forin zu unterziehen. Meine Herren, die Lehrpläne vom Jahre 1901 haben fi bewährt, und an ihren Zielen wird festzuhalten fein; aber innerhalb diefer Lehrpläne lassen sh ‘doch vielleiht noch einige Ver- besserungen vornehmen dur cine gewisse Verschiebung der Lehrstoffe in den einzelnen Klassen, durch eine gewisse Konzentration des Lehr- stoffes usw., sodaß das Ziel doch noch bessec errciht werden kann, das uns“ vorschwebt und das darin besteht, zwar keineswegs die wissen- schaftlihe Ausbildung an unseren Seminaren zu beshneiden, aber doch dem Können mehr Raum zu schaffen als dem Lernen, (Bravo !) Wir brauchen tüchtige, praktüisch demnächst sich auh be- währende Lehrer. Man muß daran festhalten, daß das Seminar eine Fachschule ist, daß sie bestimmt ist, unsere Volksschullehrer aus- zubilden, und deshalb muß der Unterricht an diesen Schulen fo ein- gerichtet sein, daß er die jungen Leute mit denjenigen Kenntnissen und denjenigen Fähigkeiten ausstattet, die sie demnäÿhst in ihrem Berufe brauchen. (Sehr rihtig!)

Diesem Gedanken wird auch die Lehrerprüfung gerecht. Daß die über die zweite Lehrerprüfung nicht diesem hohen Hause {hon wiederholt zum Ausdruck gebracht und auch von der Regierung anerkannt worden. Schon selt längerer Zeit gingen die Unterrichtsverwaltungen mit dem Ge- danken um, eine Reform dieser Bestimmungen vorzunebuzen. Sie ist jeßt erfolgt und, wie ih zugeben muß, in einer ziemlich radikalen Form. Aber ich glaube doch, daß mit dieser Reform, deren Einzelheiten von den Herren Vorrednern richtig gekennzeichnet worden find, ein großer Fortschritt gemacht werden wird. Irgend- welche Schwierigkeiten haben ih überdies, wie ih Herrn Freiherrn von Zedliy gegenüber bemerken möthte, aus ihr noch nicht ergeben können, denn sie ist erft seit 8 Tagen, seit dem 1. April in Kraft getreten. Eine Prüfung ist bisher nah diesen Bestimmungen noch nicht vorgenommen worden; das wird erst in diesem Sommer geschehen. Meine Reform legt die Prüfung aus dem Seminar in die Volksschule, auf das Arbeits'eld des Lehrers selbst. Dort foll er zeigen, was er zu leisten vermag: dort soll er zeigen, ob er die T heorien und die Unterweisungen, die er auf dem Seminar erhalten hat, zweck- mäßig in die Praxis umzuseßen vermag (Abgeordneter Siebert: Sehr gut!) Sein ganzes Wesen, sein ganzes Benehmen, seine Tätigkeit, sein ganzes Leben in der Shule tritt dort in die Grscheinung und muß bei der Prüfung mit berücsihtigt werden. (Sehr gut !) Es hat den weiteren großen Vorteil, daß ber Lehrer, wenn er in fein Amt eintritt, von Aufang an seine volle Tätigkeit der Schule, der Klasse zuteil werden läßt. (Sehr richtig !) Früher wurde er dur das zu bestehende zweite Eramen der Schule direkt entzogen, mußte sich in setn Studierzimmer segen, dort Bücher studieren und ih ein ge- dächtni8mäßtges Wissen aneignen, um demnächst vor dem Seminar das Examen abzulegen. Jetzt muß er tüchtig in der Sthule arbeiten ; dann wird er im Examen bestehen. (Sehr rihtig!) Ich hoffe also, daz diese Reform von dem besten Einfluß für unsere Lehrerschaft und unsere Volksschule sein wird. (Lebhafte Zustimmung.)

Es läßt si ja nit leugnen, daß mit der Ausführung gewisse Schwierigkeiten verbunden sind, und mancher ältere brave Schulmann scheut vielleiht ein wenig vor dem Gedanken zurü, nun im Lande herumreisen und Examina abhalten zu müssen. Das kann mich aber nicht abhalten, diese Neform vorzunehmen, wenn ich sie im übrigen für richtig halte. I glaube, die Herren werden #ch daran gewöhnen, und sie werden \{chließlich sclber die größte Freude gerade an dieser Arbeit finden. (Sehr rihtig!)) Sie treten dadurch in ganz andere Be- ziehungen zu der Lehrerschaft, als cs bisher der Fall war. Sehr rihtig!) Sie müssen sih, um das Examen abhalten zu fönnen, au noch weiter mit der Theorie beschäftigen, als es sonst für sie not- wendig ist. Ich glaube, das ist au gerade für den Schulaufsichts- beamten von großem Werte. Er wird dann um fo besser in der Lage sein, die Tätigkeit der Lehrer in ihren Shulen sachzemäß zu beurteilen. (Sehr richtig !)

Die Prüfungskommission ist aus dem MNegterungs- und Sculrat a!s Voisißendem, avs dem Kreisschulinspektor als dem zweiten Mitglied und aus einem dritten Schulmann zusammengeseßt. Wenn bervorgehoben worden ist, taß namentlich für die nebenamt- lihen Kreiéschulinspektoren diese Aufgabe doch eine {were Bürde bedeute, so möhte ih demgegenüber betonen, daß man die Aufgaben für die nebenamilihen Kreiss{ulinspektoren, die ibnen bieraus ent- steher, doch sehr öbershäßt. Im Durc)schnitt kann man annehmen, daß auf etwa 45 Lehrerstellen 2 bis 3 Lehrerprüfungen kommen. Das ist aber auch etwa der Durchschnitt der Lehrerstellen, die unter etnem Kreiss{ulinspektor .im Nebenamt stehen, sodaß in der Tat die Belästigung, wenn ih mih einmal fo ausdrücken darf, der Kreis-

Neform der zweiten bisherigen Bestimmungen befrirdigt haben, ist in

schulinspektoren im Nebenamt dur diese neue Aufgabe nicht fehr stark ist.

Als Dritter, hatte ich erwähnt, kommt ein praktiser Sul- nann in die Kommission. Das kann ein Seminardirektor sein, ein Seminarlehrer, ein Rektor oder auc ein bewährter Volks\{ullehrer. Ih habe geglauvt, gerade dur die Hinzuziehung eines \solhen Mannes in die Prüfungékommission der Prüfung selbst einen Dienst zu leisten, und andererseits auch angenommen, daß es in den Kreisen der Volks- shullehrerschaft niht ungern geseben würde, wenn au aus ihren Reihen erfahrene Mäaner zu diesem Amte berufen werden würden.

Wenn sie alle diese Maßnahmen zusammennehmen, meine Herren, werden Sie mir zugeben, daß die Üntercihtsverwaltung mtit Ziel- bewußtsein vorgeht, \sich ein festes Ziel geseßt hat, und diejenigen Maßnahmen ergreift und Ihnen zur Billigung vorschlägt, die ge- eignet sind, dieses Ziel zu crreihen. Es liegt darin: tüchtige Volkg- \chullehrer auszubilden, thnen die Mög!ichkeit zu schaffen, ih weiter zu bilden und fih auch so weiter zu bilden, daß sie in die höheren Stellen des Volksschuldienstes eimüccken können. Alle diese Maß- nahmen müssen aber ich wiederhole das auf das Interesse der Volksschule gerihtet sein ; Standetinteressen der Lehrer können wir bei all diesen Dingen nur insofern berüdsidhtigen, als fie gleih- zeitig die Interessen der Volks\{hule fördern. (Sehr richtig! rechts.) Wo das nickcht ist, meine Herren, müssen die Standes- interessen der Volks\@ullehrer zurücktreten. (Sehr richtig! rechts.) Das erkennen au, wie* ih weiß, die besonnenen Kreife unserer Volks- s{ullehrer in vollem Umfang an.

Ich komme nun auf einige Einzelheiten, die der Herr Freiherr von Zedliß angeführt hat. Er hat sch mit einigermaßen bitteren Worten gegen die Regierung gewandt, weil sie in der Frage der Reise- und Umzugskosten der Lehrer noch nichts getan babe. Jh darf Herrn Freiherrn von Zedliy wohl daran erinnern, daß diese Frage in einer Kommission des Hauses eingehend zwar erörtert worden ist, daß die Kommission aber bis heute einen Bericht darüber noh nicht erstattet hat, daß auch im Plenum diese Frage noch nicht zur Erörterung gekommen ift. Dle Negierung wollte abwarten, bis die Angelegenheit in diesem hohen Hause zum Abschlusse gekommen ist, und wird dann ihre Entschli: Zungen treffen. Ich glaube, daraus wird der Regierung ein Vorwurf nicht gemacht werden und jedenfalls aus ihrem Verhaltzn niht entnommen werden können, daß sie dieser Frage nicht diejenige Aufmerksamkeit zuwende, die ihr zukommt. Da die Regelung dieser Frage ja auch in der Nichtung liegt, für unsere Lehrer höhere Bezüge, und zwar bei den Umzugs- und Reisekosten, zu erreichen, so mödhte ih bei dieser Gelegenheit doch einmal hervorheben, daß in den Jahren 1906 bis 1911 die Bezüge der Lehrer sich um ctwa ein Drittel gesteigert haben, und zwar um rund 100 Millionen Mark. (Hört, hört! rechts.) Es wird also anecrêannt werden müssen, daß die Parlamente und die Staatsregierung unseren Volks\hullehrern weitgehendes Entgegenkommen gezeigt baben, gewiß niht ohne Grund und mit vollem Necht. Aber ih glaube, es ist doch gut, wenn es von Zeit zu Zeit ausgesprohen wird, daß in der Tat doch in den leßten Jahren für unsere BVolts\{ullehrer viel ge\hehen ist. (Sehr richtig! rechts.) Jh will nit bestreiten, daß hier und da noch Korrekturen vorgenommen werden Éönnen ; aber das kann doch den Eindruck nit verwischen, daß Staatsregierung und Parlament in den leßten Jahren wohl für die Bolks\c{ullehrer ge- sorgt haben. (Lebhafter Beifall rechts.)

Abg. Ern st (fortschr. Volksp.): Es ist in erster Linie Aufgabe des Staates, die Schulen fo einzurihten, daß den Schülern geijtige Werte übermittelt werden, damit sie tühtige Bürgec werden können. Dadurch kann das Schillersche Ideal mit gefördert werden : Ans Vaterland, aus ieure, {ließ dich an! _Das Anschwellen des Voiks- \huleta!s ist an fich erfreulich, aber er ist immer noch knapp bemessen, die Grganzungszuschüsse des Staates müssen erhoht werden. Solange wir noch überfullte Klassen und Halbtagsshulen haben, hat der Staat keine Veranlassung, auf diejen Etat stolz zu sein Die Lehrerbesoldung ist noch immer nicht ganz befriedigend; noch nit 5 9% der Lehrer sind in der Lage, Kapitalien anzusammeln. “Nux bter Und da may wohl einmal cin Lehrer bejonders vorsichtig bei seiner Hetrat gewesen sein. Aber sonst siad materialistishe Ten- denzen bei Den « Sebrern Mid 41 finden. Die Ortszulagen sind niht richtig geregelt ; ih bin beim Lehrerbesoldungsge!/ez Gegner der Ortszulagen gewesen und bin es heute noch. Der einzige Weg zu einer richtigen Gehaltêregelurg ist das Einheitêgehbalt in allen Orten nach Analogie der Gehaitsregelung für die Staats- beamten. Es ist neulich bemängelt worden, daß der preußische Lehrer- verein keine Klarheit in der Neligionsfrage geschaffen habe. Ich frage den Abg. Heckenroth, wie der Verein das machen soll. Der Verein hat erklärt, daß er den Rel'gionsunterritht in dr Bolës\{ule auf konfessioneller Grundlage erhalten wissen will, aber er besteht aus evangelischen, katholishen und jüdischen L-hrern und kann si in Neligionsstreitigkeiten nit einlassen. Die Schulaufsiht muß ‘eine fachmännische sein. Es it nicht richtig, taß alle katholishen Lebrer auf dem Standpunkt der geistlichen Schulaufsiht wie der Abg. Hh stehen. Wir wollen auch in dieser Hinsicht die Staatshoheit wahren. Das Bestreben des Ministers, die Seminare zu refocmieren, ift erfr-ulih. Wir verlangen, daß ium Juteresse der Scule die ganze Lebrerbildung auf eine andere Basis gestellt wird. Der Deutsche Lehrerve: cin fordert nah wie vor die Zulassung der Lebrer zum Universitätsstudium. Die Prorektorstellen müssen auch mit seminaristis{ch gebildeten Lehrern beseßt werden. Der Nedner bringt dann den Fall eines Lehrers in Bromberg zur Sprace, der infolge shlechter Behandlung leit-ns des Kreisshulinfpeltors Selbsimord verübt habe, und bittet den Minister um Auskunft darüber. Zum Schluß tritt er für die Schaffung eines selbständigen Unterrichtsministeriums ein. i

_ Ein NRegierungskommissar: Der Abg. Ernst hat ausgeführt, daß ein Lehrer in Bromberg, der von dem Kreis\chulinspektor {{lecht behandelt worden sein foll, Selbstmord verübt habe. Ich stelle fest, daß zwei Zeitungen, die den Fall in einem Zeitungsartikel geschildert haben, zur Rechenschaft gezogen worden sind. Der Staatsanwalt hat Anklage erhoben, aber die Gerichtsverhandlung hat noch nicht statt gefunden. Infolgedessen hat der Minister davon Abstand genommen, Jeßt schon zu der Angelegenheit Stellung zu nehmen.

__ Abg. von Trampczynski (Pole): Die Regierung scheut i nit, jedes Jahr ein Ausnahwegeseß gegen die Polen zu s{mieden. Wir würden ja gern die Schullasten tragen, wenn wir wüßten, wozu Ne verwandt werden. Man ‘hat jeßt eine neue Methode für den Unterricht in der deutschen Sprache eingeführt, den fogenannten An- schauungsunterricht. Der Minister, der diese Methode in verschiedenen Provinzschulen \lbît geprüft hat, hat seine Befriedigung über die Er- folge dieser Methode ausgesprochen. Aher demgegenüber muß ih darauf au'merkîam machen, daß der Minister dabei hinters Licht ge- führt worden ist. Den Kintern wurde schon 14 Tage vorher ein- getrihtert, was sie antworten follen. Wir müssen unbedingt fordern, daß der Unterricht unserer Kinder in unserer Mutter prache e! teilt wird. Alle Staaten, die eine zreisprachige Bevölkerung haben, haben zweisprachige Schulen. Das is in der Schweiz, in Ruß- land usw. der Fall. Ja s. 1bst die Türkei hat nit gewagt, in den nit mohammedanisGen Schulen die Muttersprahe zu unterdriüden,

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

N ist bekannt.

Zweite Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königli

Berlin, Freitag, den 11. April

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Die Anschauung der preußischen Regierung widerspricht der Anschauung der ganzen zivilisierten Welk. Die Ursache der ganzen Mifère ist, daß die Volksschule bei uns niht wie in anderen Ländern den Beruf hat, das Interesse des Kindes in erstec Linie zu wahren. Bei uns hat die Schule den Zweck, zu ermöglichen, daß das Kind seine Muttersprache nicht erlernt, sondern verlernt. so weit gebraht, daß die Volks|hule bei den Eltern der Kinder als verhaßtes Instrument betrachtet wird. WiU der Minister vielleicht bestceiten, daß dié&polnishe Schule ausschließlich in den Dienst der Politik gestellt werde? Man hat ein genaues Spioniersystem cin- gerihtet. Man kann bei uns niemand raten, Lehrer zu werden. Er nuß entweder seine Nation verraten, oder er muß Märtvrer werden. Von oben nah unten herrsht bei den Schulbehörden die Tendenz, die Schule politischen Zwecken dienstbar zu maten. Diese Tendenz reicht bis in die Schuldeputationen hinein. Darauf ift es au zurückzuführen, daß kürzlih in Posen ein ganz unfähiger Lehrer zum Nektor gewählt wurde, weil er im Oftmarkenverein eine hervorragende Nolle spielte. Einen großen Mißgriff bedeutet der Beschluß der vereinigten Strafsenate des Neichsgerihts, der die Versagung des Unterricht8erlaubnis\ccheins an polaische Privatpersonen, die sih mit dem Unterricht in der polnischen Sprache befassen, bestätigt. Auf eine Beshwerde an den Minister erwidert derselbe, daß er sih der Entscheidung des höchsten Gerichtshofs unter- werfen müsse. Sehr merkwürdig ist es, daß alle Beschwerden bei den zuständigen Behörden erst nah Jahren ihre Erledigung finden. Wenn au der erwähnte Beschluß des Reichszerichts, der ih auf frühere Verordnungen stüßt, formell vielleicht zu Recht besteht, so ift er aber mindestens aus ethishen Gründen bedenklich. Wenn wir hier das Wort ergrelfen, fo wissen wir ja zwar, daß wir die Negierung nicht bekehren können, aber wir wollen die polnishen Eltern darüber auf- tlâren, wie die preußischen Volkss{Gulen in den Dienst der nationalen Unterdrückung gestellt werden.

Abg. Borchardt - Berlin (Soz ): Die Abgg. Heckenroth und Heß haben behauptet, daß unsere Volksschule einzig dastehe, und haben den hoben . Stand des preußischen Volks\{hulwesens an der Hand amt- licher Stistiken nahzuweisen versucht; sie haben weiter bemerkt, daß unsere Volksschule uns niemand nachmachen könne. Etwas Aehnliches hat seinerzeit Bismarck behauptet, indem er sagte, den preußischen Leutnant mache uns niemand nach, und do hat der Schuster Voigt sogar den preußischen Hauptmann nahgemaht. In der Budget- tommission wurde darauf hingewiesen, daß der Lehrermangel im großen und ganzen überwunden sei, und daß damit auch die Zabl der überfüllten Klassen zurückgehe. Das {eint mir doch niht ganz zutreffend zu sein, denn wir haben noch heute eine Million Kinder, die in überfüllten Klassen unterrihtet werden. Wenn bei uns in der Volksschule eine Klasse 70 und mehr Kinder zählt, dann wird sie noch nicht als über- füllt angesehen. Nach Ansicht der Regierung ist eine Klasse erst über- füllt, wenn in ihr mehr als 100 Kinder zu unterrichten sind. Der Minister har selbst anerkannt, daß die überfüllten Klassen eine große Schädigung für die Kinder bedeuten, hat aber troßdem auf eine An- frage in der Budgetkommission erklärt, daß er leidec noch nicht in der

| Vage sei, Mittel für eine Beseitigung dieses Uebelstandes in den Etat

einzustellen. Besonders sind die Schulverhältnisse auf dem Londe besserungsbedürftig. Hier find die Schulen noch gänzlih unzureichend und nur dazu da, die amtlihen Statistiken zu verbessern, damit die Kinder nicht als Analphabeten gezählt werden können. Der Veinlster hat erklärt, die Schule sei dazu da, tüchtige, arbeitsfreudige Menschen zu schaffen. Er hat deshalb als wünschenswert angesehen, daß die Lehrer zu den Schülern möglihst in persönlihe Beziehungen treten. Aber in einer Klasse von 80 und mehr Schülern ist dies doch dem Lehrer ganz unmögli. Jn Gegenden, wo die Junker und Pfaffen dominieren, ist die Zahl der überfüllten Klassen am größten. So sind z. B. in Marienburg 5000 Schüler in überfüllten Klassen unter- gebracht, und in Trier und Aachen liegen die Verhältnisse ähnli{. Im Regierungsbezirk Oppeln sind 55 000 Kinder in überfüllten Klassen untergebracht. Der Beruf der höheren Lehrer ist überfüllt ; der Minister sagt, es seien 1550 Kandidaten vorhanden, von denen nur 400 angestellt werden könnten. Warum werden diese Lehrer nicht in der Volksschule angestellt ? Unsere Stellung zur Religionsfrage Die Lehrerscha!t sagt, ohne Religion set ein sittlicher Unterricht .niht möglich. Es ist jeßt Konstantin der Große gefeiert worden, der das Christentum zur herishenden Religion gemacht hat, er war aber ein Verbrecher, wie er toller niht gedaht werden lann, gegen den Sternictel der reine Waisenknabe ist; erx hat das Abschlachten im großen betrieben und felbst die eigenen Verwandten niht geshont. Nach der „Kölnischen Volkszeitung“ hat Professor Lauscher am 7. März in Cöln im Verein der akademiih gebildeten Katholiken in einem Vortrag über Konstantin dex Ansicht eines Ge- [htichts\{chreibers widersprochen, daß Konstantin nicht aus Veberzeugung, sondern aus politischen Erwägungen - das Christentum gefördert habe, und gesagt: „Die sittlihe Bedenklichkeit einzelner jeiner Handlungen, wie der sogenannten Verwandtenmorde, muß zugegeben werden, aber sie sind nichts gegen die Chrenhaftigkeit und Festigkeit seiner religiösen Ueberzeugung.“ Das widerlegt die Behauptung, daß durch die Neligion die Sittlichkeit gefördert wird. Ein katholischer Lehrer urteilt in einem Briefe sehr absprechend über die Religion in der Volksschule und sagt u. a., die Bibel gehöre nicht in die Hand des Kindes; er müsse allerdings einmal im Jahre das Abendmahl über #ch ergehen lassen, aber „die Welt _will ja VEITOSen En, alo PVettuaen Dir t. Dr _ preußische Staat gibt ganze 17 F pro Kind für die Volksschule aus. Uns if es ganz gleichgültig, ob ein Lehrer evangelisch oder katholisch oder Heide ist. Der Abg. Heß hat“ im vortgen Jahre die Auf- rechnung aufgemaht, wieviel die Unkosten betragen würden, wenn unser Schultdeal, das allerdings etwas anders aussieht, als das des Zentrums, erfüllt würde; er rechnet bei ciner Vermehrung der Klassenzahl nach unseren Wünschen und unter Einschluß der Kosten für Unterrichtsmittel, Beköstigung und Kleidung der Schüler. an kaufenden Ausgaben 6,3 Milliarden heraus, wozu noch die einmaligen Kosten für Schulgebäude kommen würden, und er fragt, woher das Geld kommen joll. Der Abg. Heß übersieht, daß Kleidung und Beköstigung der Kinder von den Eltern bezahlt werden, und er hat überhaupt etwas sehr hoh gerechnet. Wenn er

j ih um 100 9/9 verrechnet hat, so bleiben immer noch über 3 Mil-

liarden übrig. Das ist noch eine sehr große Summe, aber wenn fie niht aufgebraht werden kann, fo zeigt das nur, daß der Staat nicht genug für feine Schule tun kann. Für die Militärlasten kommen aanz gut 3000 Millionen heraus, für die Mordwerkzeuge hat der Staat die Mittel, aber nit für die Volksbildung. Untersuchungen über die Intelligenz der Rekruten haben ergeben, daß unsere Volkg- shulbildung doch viel zu wünschen übrig läßt. Sogar die Re- sultate der besten Berliner Volksschule sind unzureichend. Die ganze preußishe Volksschule dient nur politischen Zwecken, sie wird dazu benuyt, die Sozialdemokratie zu bekämpfen. Im vorigen Jahre hat der Kultusminister behauptet, daß gerade die Sozialdemokratie die Politik in die Schule trage, und hat ih dabei auf ein Flugblatt berufen. Auf einen Zuruf von unserer Seite hat er erflärt, er werde uns das betreffende Flugblatt zuschiden. Das ist aber bis heute nit dec Fall gewesen. Veshalb wiederhole ih hter- mit diese Bitte ganz ergebenst. : an

Abg. Kloppenborg-Skrumsager (Däne): Wir wünschen, daß die dânishe Sprache in unserer Schule gelehrt werde. Diese

Sie haben es.

gerehte Forderung findet selbst in nihtdänishen Gegenden volles Ver- ständnis, nur die Negierung weigert fich, diesen Wunsch zu erfüllen, weil sie darin eine Gefahr für den preußishen Staat erblickt. Wir empfinden die abweisende Hallung der Regierung nur als eine große Unfreundlichkeit. Ich biite den Minister, unseren Wunsch noch einmal zu prüfen.

Abg. Dr. von Schenckendorff (nl.): Der Deutsche Verein für Knabenhandarbeit, der seit vielen Jahren in dankenswerter Weise von der Unterrihtsverwaltung eine namhafte Bethilfe erhält, ist bis- lang der Träger der, Bestrebungen für die werktätige Erziehung in Deutschland : er vertritt den Grundgedanken des erziehlihen Wertes gestaltender Tätigkeit. Zur Ausbildung von Lehrern hat er ein Seminar errichtet, das im vorigen Jahre sein 25jähriges Bestehen feiern konnte und Tausende von Lehrern ausgebildet hat. Nach langen Kämpfen hat die deutsche Lehrerschaft endlih auf dem vor- jährigen Lehrertage in Berlin den erziehlihen Nutzen der gestaltenden Tätigkeit anerkannt, und ¿war in der Erkenntnis, daß die Lern- \chule innerlich durch die Arbeitsfcule ergänzt werden müfffe, Zum Ausbau und zur Vertiefung der Kurse des Seminars muß der staatliche Zuschuß wesentlih erhöht werden : die technische Arbett in den Kurfen muß wissenschaftlich vertieft werden, die Kurse müssen verlängert werden und etne Seminarübungésschule muß hinzutreten. Schon ohne staatliche Unterstützung haben wir dur die dankenswerte Mitwirkung der Verlagshandlung von Quelle u. Meyer in: Leipzig das Organ „Die Arbeitsschule“ geschaffen, um diese pädagogische Idee zu verbreiten. Ih bitte nun den Minister, im nächsten Etat die Unterstützung für den Verein für Knabenhandarbeit zu erhöhen. Wir dienen damit einem staatlichen Interesse. Für die Durchführung stehen uns vorzügliche Kräfte zur Verfügung. Auch in den Prä- varandenanstalten müßte {hon mit der Lehrerausbildung für die Arbeitsschulen eingeseßt werden.

Abg. Bu ttke (kon\.): Wir erkennen dankbar an, daß die Ne- gierung für das Schulwesen, besonders für das Elementarshulwesen, Vervorragendes geleistet hat, und wir können der Negterung dafür nur aufrihtig danken. Gewiß, jedes Menschenwerk ijt Stückwerk, und wer etwas ausfeßen will, der wird auch dazu Veranlassung finden. Sedenfalls fönnen wir nur auf das freudigste „be- grüßen, daß die Negierung den Bestrebungen der Lehrer fo wohl- wollend gegenübersteht. Allerdings habe ih noch einige Wünsche, die bisher unerfüllt geblieben sind, bon denen ih aber hoffe, daß sie die Negierung berüdcksihtigen wird. Die Mittel, die in den Etat bei dem Titel : „Umzugskosten für Lehrer und Fahrgelder bei Vertretungen“ etngese8t sind, reichen bet weitem nicht aus und müssen unter allen Umständen erhöht werden. Der Minister hat sich in der Kommission bereit erklärt, eine Er- höhung des Titels vorzunehmen, aber bisher it dies noch nicht er- folgt. Die ärmeren ländlichen Gemeinden follten vom Staate mehr unterstüßt werden, da sie oft nicht in der Lage sind, die für die Schule erforderlichen Mittel aufzubringen. Diese Gemeinden sind oft genötigt, Lehrer anzustellen, die. die zweite Prüfung nit bestanden haben. Er- freulich ist, daß die Lehrergehälter in den leßten 20 Jahren eine bedeutende Erhöhung erfabren haben, was allerdings zum Teil auf die verteuerten Lebensverhältnisse zurüczuführen ist. Die Vergütung der Ueberstunden, die fich in manchen ländlihen Gemeinden jährlich auf 60 bis 70 Stunden belaufen, läßt zu wünschen übrig. Die niederen Küsterdienste sind des Lehbrerstandes unwürdig. Eine der wichtigsten Aufgaben der Lehrer ist die Pflege und Erziehung der Jugend. Aus diesem Grunde ist es nötig, daß die Lehrer den Ort ihrer Tätigkeit niht zu oft wechseln, damit sie Gelegenhett haben, mit den Kindern ia engere Beziehung zu treten. Ih hoffe, daß die Negierung diese klcinen Butt erfüllt, dann wird auch Arbeitsfreudigkelt und Zufciedenheit die Lehrer beseelen. Die Lehrer müssen natürlih standeëgemäß ausgestattet werden, und ih bitte den Minister, baldmöglichst die grundlegenden Bestimmungen über die Größe der Lehrerwohnungen auf dem Lande einer gründlichen Revision zu unterziehen. Wenn die Kinder beranwachsen und \{chul- pflichtig werden, und wenn vielleicht ernste Tage eintreten und der Urzt in der Familie gebraucht wird und der Arzt dafür 25 oder 30 M4 bekommen muß billiger kann er es aaf dem - Lande nicht machen ——, dann hält den Lehrer nichts mehr auf dem Lande, er strebt so bald wie möglih nah der Stadt, am liebsten dorthin, wo die großen Ortszulagen sind. Das sind die Hauptursachen, welche die Lebrer auf dem Lande nicht bodenständig werden lassen : die Wohnungsfrage, das Heranwahsen der Kinder und die Ortszulagen in den Skädten. Deoha1b muß die Grundforderung die Gleth- stcllung aller Lehrer in Stadt und Land unter Fortfall der Orts- zulagen sein. Ob der Ausgleich in der Höhe des Gehalts der Sekretäre der Staatsverivaltung bettehen kann, lasse ih dahingestellt. Wir wollen keine Ueberbürdung der letistungs{chwachen Gemeinden, aber die Beibehaltung der Funkttonszulagen würde dem Lehrer auf dem Lande es erleichtern, die Kosten der Familie zu tragen, und feine Boden- ständigkeit ermöglihen. Die bürgerlichen Parteten find darin einig, in absehbarec Zeit eine Revision der Gehälter eintreten zu lassen. Man kann die Klagen der Lehrer und auch vieler anderer Beamter verstehen. Nie hatten wir in fo kurzer Zeit eine \o erhebliche Steigerung der Uusgaben gehabt, wie gerade in den letzten drei Jahrèn, und doch kann ih einer Gehaltsregulierung jeßt kaum- das Wort reden, weil ernstere finanzielle Fragen an uns ais Deutsche und Preußen herantreten. Mehr als je weisen die Bajonette der Nachbarländer zu uns herüber, und in dieser ernsten Zeit müssen die Standesinteressen hinter den nationalen Interessen zurückstehen, es gilt, dem Vaterlande große Opfer zu bringen wie vor hundert Jahren, damit nicht wieder die Stunde kommt, wo das Vaterland in Gefahr ift.

Abg. Dr. Dittrich (Zentr.): Wir bestreiten gar nit, daß. der Staat die Aufsicht über die Schule hat, aber bei der eminenten Wichtigkeit der Schule für die Erziehung der Jugend muß auch die Kirhe eine Mitaufsiht nicht nur über den Religionsunterricht, sondern auch über den gesamten Unterrichtsbetrieb nah der religiös - sittlihen Seite haben. Nichts anderes. Wir weisen den Vorwurf, daß die Kirhe eine Herrschaft oder gar eine Alleinherrschaft über die Schule haben will, weit zurück, fie will nur eine Urt Mitaufsicht, einen Plaß an der Sonne in der Schule haben. Durch den Falkschen Schulerlaß bon 1876 ist das Recht der Kirche auf die Leitung des Religtonsunterrichts schr einge- {ränkt worden. Der Abg. von Campe behauptet, daß der Abg. Heß sich in innere Angelegenheiten einer andern Konfeision eingemischt habe, der Abg. Heß hat aber nur auf das Anwachsen des Unglaubens nicht nux in der evangelischen, sondern auch in der katholischen Kirche hingewiesen als eine bedenklihe Erscheinung, die auf die Schule einwirken könnte. Das war sein gutes Reht. Der Abg. von Campe hat sehr oft auf Erscheinungen „innerhalb der fatholischen Kirche . hingewtesen, weil er die Besorgnis hatte, daß diese Erscheinungen auf das Staatsgebiet übergreifen könnten. Etwas anderes hat der Abg. Heß au nit getan, er befürchtete, daß gewisse Erscheinungen auf religiss-kirchlihem Gebiet einen bösen Einfluß auf die Schule hätten. Die Ortszulagen find eine ganz rihtige Einrichtung, sie gleichen gewisse Unstimmigkeiten aus. Aber darüber wird mit Recht geklagt, daß die Genehmigung der Orts- zulagen der Gemeinden eigenartig ist. Die Regierung in Koblenz hat z. B. die von Neuwied beschlossenen Ortszulagen nicht genehmigt, obwohl die Teuerungs8verhältnisse und die sonstigen Voraus- seßungen der Ortszulagen allgemein anerkannt sind, während anderswo, wo die Verhältnisse nicht einmal so liegen, die Orts-

ch Preußischen Staatsanzeiger.

1913.

zulagen genehmigt sind. Die Reform der Lehrerbildung t ein dankenêwertes Unternehmen, da von thr die Volksbildung im all- gemeinen bedingt wird. Wir begrüßen es au mit Freude, daß an den Präparandenanstalten zwei Lehrer als ordentliche Lehrer mit dem Gehalt der Seminarlehrer angestellt werden sollen; dadur wird die rasche Ab- wanderung der jungen Lebrer von den Präparandenanstalten wenigstens einigermaßen beseitigt. Auch darüber freuen wir uns, daß die Vor- steher das Einkommen der Seminaroberlehrer erhalten sollen. Aus den gesteigerten Anforderungen der Lehrpläne- an den Seminaren wird allmählich eine Akademisierung folgen, womit nicht gesagt werden foll, daß die jeßigen Seminarlehrer \ch niht bemüht hätten, den wissenschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Die Cinführung der Prorektorstelle hat in interessierten Kreisen fast aligemeinen Unwillen erregt. Man sieht darin vor allem einen Ein- griff in die Geschlossenheit des Lehrerkollegiums. Die (Finrihtung der akademischen Kurse scheint mir zwar eine ganz brauchbare Ein- richtung zu sein, aber ih glaube, daß sie in Zukunft wegfallen kann, weil sie niht notwendig sein wird.

Minister der geistlihen und Unterrichtsangelegenheiten Di Dre von Trott zu Solz: -

Meine Herren! Ich möchte zu diesem lezten Punkt einige Worte sagen.

G8 ist rihtig, daß der Streit über den Charakter der SchGule in Bütow schon seit mehreren Jahren \{chwebt. Der Herr Vorredner irrt aber, wenn er annimmt, daß die Angelegenhett sh bei der Unterrichtsverwaltung befände. Ueber sie hat der Provinzial- rat zu entscheiden, allerdings nicht unbedingt endgültig; deshalb hat der Oberpräsident in meinem Austrage gegen den ergangenen Be- {luß des Provinzialrats die noch zulässige Klage an das Oberver- waltungsgeriht gerichtet, weil ih den Wunsch hatte, daß die strittige Frage in der höchsten Instanz entschieden werde, die nach dem Gefeß gegeben ist. Dort liegt die Angelegenheit augenblickli.

Es ist also, glaube ih, von seiten der Unterrihtsverwaltung das, was sie nah den geseglihen Bestimmungen tun konnte, getan worden : die strittige Frage ist vor den obersten Gerichtshof gebracht worden.

Abg. Heine (nl.): Jh bitte den Minister, darauf hinzu- wirken, daß die Kreis\c{ulinspektoren eine Bezahlung erhalten, die ihrer Arbeit und Stellung wenigstens einigermaßen entspricht. Cine große Unzufriedenheit herrscht unter den Lehrern über die ver- schiedenartige Festseßung der Ferien an den verschiedenen Sculen. Ich bitte den Minister, zu erwägen, ob die Ferien an den Volks- ¡uen nicht den Ferien an den höheren Schulen angepaßt werden önnen.

Abg. Namdohr (freikons.): Die Lehrer sollten endlich einmal von den niederen Küsterdiensten befreit werden. Dies ift {on des- halb nötig, damit endli die große Ungleichheit bei der Penfionierung der Lehrer beseitigt wird. Die Entschädigung für die fogenannten höheren Kirchendienste, die vielfach nux 150 M beträgt, muß bedeutend erhöht werden.

Die allgemeine Besprechung wird geschlossen.

Persönlich bemerkt _ Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (freifons.): Der Pèinister hat behauptet, ih hätte die großen Vorzüge des Lehrer- besoldungsgeseßes nicht rihtig gewürdigt. Demgegenüber stelle ih fest, daß ih an die Spiße meiner Ausführungen den Sa gestellt habe, daß das Lehrerbefoldungegescß ein großer Fortschritt sei. ch. habe auch nit eine baldige Aenderung de Gesetzes verlangt. le Unterstellung des Ministers, als ließe ich mich dur ‘die Neu- wahlen in meinen Ausführungen bestimmen, muß ich energish zurüdck- weisen.

Abg. Dr. hon Campe (nl.): Der Abg. von Zedlitz hat heute bedauert, daß das Besoldungêgeseß nicht in seinem Sinne zustande gekommen sei, und hat dies auf meinen Einfluß zurückgeführt. Sie übershäßen mich aber. Ih fühle mich nicht gewandt genug, den Vielgewandten des Hauses zur Strecke zu bringen.

Abg. Hof f (fortschr. Volksp.): Durch den Schluß der Debatte bin ih verhindert, die Angriffe des Abg. Heß gegen den deutschen Lehrerverein gebührend zurückzuweisen. Ferner ist es mir unmöglich, eine Reihe von Beschwerden aus Kollegenkreisen hier vorzubringen. Ich betrachte den Schluß der Debatte als eine Vergewaltigung.

Zur Geschäftsordnung bemerkt

Aba. Dr. von Campe (nl.): des Ministers über die Prorektoren so aufgefaßt, daß, sobald geeignete Kursisten zur Verfügung stehen, demnächit nichts dem im Wege stehe, auch diefen Kursisten die Metotieuan zugängig zu machen. Aus der zustimmenden ewegung des Ministers ersehe ih, daß diese meine Meinung zutreffend ift. Unter diesen Umständen und in der Vorausseßung, daß unser An- trag angenommen wird, find meine Freunde bereit, für die Position des Prorektors zu stimmen. (

Abg. Dr. Heß (Zentr.): Dur den Schluß der Debatte bin i verhindert, die in Ausficht genommenen Behauptungen des Abg. Hoff \{chlagend zu widerlegen.

Eine Reihe von Titeln für das Elementarshulwesen wird bewilligt. Die gestern mitgeteilten Anträge des Abg. Dr. von Campe und der Budgetkommission werden angenommen. Ein Antrag der fortschrittlihen Volkspartei, die neuen Prorektor- stellen au den Seminaren zu streichen, wird abgelehnt.

Gegen 51‘, Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung des Kultusetats auf Freitag, 10 Uhr.

Ich habe die Erklärungen

Land- und Forstwirtschaft.

Weizeneinfuhr in Marseille.

Nach den Wochenberichten der in Marseille erscheinenden Zeitung „Le Sémaphore“ hat die Weizeneinfuhr nah Marseille auf dem Seewege betragen: in der Zeit vom 95 14 M C Davon aus MUBland S e E R A in der Zeit vom 16. bis 21. März . . davon aus Rußland . . in der Zeit vom 23. bis 28. März . davon aus Nußland . …. , in der Zeit vom 30. März bis 4. April . . 140183 Davon ats DUBland a ¿e ew O In den Zollniederlagen in Marseille befanden sch am 2. April 40 380 dz. (Boricht des Kaiserlichen Konsuls in Marseille vom 5, April 1913.)

166 366 dz 85 218 191 740 58 744 14 121 1 995