1913 / 91 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 17 Apr 1913 18:00:01 GMT) scan diff

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die Arbéitershasi als Nechtloje behandeln 2? Aber Minister und selbit Reichskanzler kommen ja bei uns gegen die unverantwortliche Neben- regierung, die die eigentlihe Negierung kst, nicht auf, auch wenn fie, wie es ja vorgefommen ist, manchmal erbitterte Kämpfe mit ibr führen. Dauernd aber wird man die Massen des Volkes nicht ret- los erhalten können ; versut man es, so wird man Katajirophen ent- gegengehen. Nicht bloß die Arbeiter, auch die Handwerker, die kieinen Beamten und der gesamte kleine Mittelstand sind in Deutschland, be- fonders in Preußen, einfah rechtlos. Die heutige Politif des Reichs- kanzlers ist die Politik einer Minderheit; die Mehrheit darf niht nur Pflichten, sie muß auch Rechte haben.

Abg. Dr. Gradnauer (Soz.): Bei der Uebernahme von Cadinen soll es sich also um einen Kaufvertrag handeln. Die Vor- \chiebung diefes Kaufvertrages ist eine Irrefuhrung niht nur der öffentlihen Meinung, sondern auh des Kaisers selbst. Auch Schenkungen werden in Kaufverträgen untergelegt. Es kann nicht be- stritten werden, daß ein großer Wertbetrag ohne Gegenletstung an den Kaiser übergegangen ijr; der Brief des Kaisers zeigt das au, der Brief wäre ja sonst ganz unverständlih. Besonders interessant is, daß der Landrat Birkner damals wegen seiner besonders patriotishen Gesinnung in das preußische Herrenhaus berufen wurde; sollte das auh zu den Kaufbedingungen gehören ? Wenn man alle Gegenleistungen zusammenrechnet, fo bleibt noch ein Geschenk im Werte von über einer Million. Wenn Städte solche Schenkungen erhalten sollen, sind die Behörden joforf vet der Hand, um sie zu veranlassen, übergegangene erbberechtigte Verwandte zu berücsihtigen. Warum ist dies im vorliegenden Falle niht ge- schehen? Die Verwandten sind zum Teil brutal behandelt worden

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‘Prásident Dr. Kaempf: Ich bitte, den Gegenstand zu verlassen' e a niht vor E Reichstag!) Der Reichskanzler sagte, die Sache sei einwandfrei erledigt. Erledigt ist fie, aber wir meinen, daß dieser Fall ein Symptom eines fehr schweren Schadens in den böberen Regionen ist. Er beweist, daß der Kaiser ungenügend informiert wird. f i

Das Gehalt des Reichskanzlers (100 000 f) wird be- willigt. : E N / Bei der Abstimmung über die Resolution, betreffend die Verhältniswahl und den Schuß der Minderheiten, erheben sich dafür die Sozialdemokraten, die fortschrittliche Volkspartei, die Polen und die Nationalliberalen mit zwei Ausnahmen. Die Abstimmung bleibt zweifelhaft. Bei der Auszählung ergibt sih, daß 90 für, 88 gegen die Resolution timmen. Das Haus ist also nicht beschlußfähig, die Beratung muß abgebrochen werden. i: i

Der Präsident beraumt die nächste Sizung an auf Donnerstag, 1 Uhr pünktlich, mit der Tagesordnung : Fortseßung der eben abgebrochenen Beratung; Prüfung Der Wahl des Abg. von Kröcher. Militäretak.

Schluß 71/4 Uhr.

Preußischer Laudtag- Haus der Abgeordneten. 167, Sigung vom 16. April 1913, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphishem Bureau“.)

Ueber den Beginn der Sißung, in der die dritte Beratung des Staatshaushaltsetats für das Rechnungsjahr 1913 fortgesezt wird, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Bei Besprehung des Etats der Gestütverwaltung und des zu diesem gestellten Antrags des Abg. von Verßen erklärt der

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr, reiherr von S@horlemer:

Meine Herren! Die Bestimmung des Wohnsißes für den Präses der Remonteankaufskommission liegt außerhalb meines Machtbereichs ; es wird Sache des Herrn Kriegsministers zu sein, die Frage zu prüfen, ‘ob die Erwägungen, welche der Herr Vorredner nah diefer Nichtung angestellt hat, auch von ihm als zutreffend anerkannt werden fönnen! Jh für meine Person möchte der Meinung zuneigen, daß troß aller Bedenken, welche gegen den Wohnsiß Königsberg erhoben worden sind, es für manche Züchter doch wertvoll sein dürfte, auch im Laufe des Winters einmal mit dem Vertreter des Kriegs- ministeriums und der Remonteankaufskommission in Verbindung zu treten. Ih glaube auch, die durch das Wohnen in Königsberg empfundene Kontrolle hat an sich etwas Hartes und Belästigendes für die Herren Züchter nicht.

Im übrigen darf ih ja aus den Ausführungen des Herrn Abg. von Oerßen und der übrigen Redner entnehmen, daß übereinstimmende Ansicht darüber vorhanden ist, daß die gegenwärtigen Remontepreise nit als ausreihend anerkannt werden können. (Sehr richtig!) Ich habe der gleihen Meinung au bereits bei der Beratung des Etats Ausdruck gegeben und kann mich deshalb auch heute der Ansicht der Herren Vorredner anschließen. Nun i} aber, wie Herr Abz. von Herten richtig hervorgehoben hat, der Ankauf der Remonten und die Festseßung der Preise Sache des Neichs, und es bleibt mir in meiner Gigenschaft als Leiter der landwirlshaftlichen Verwaltung nichts anderes übrig, als auf den Herrn Kriegsminister ein- zuwirken, daß eine entsyrehende Erhöhung der NRemontepreise in Ausficht genommen wird. (Lebhafter Beifall rechts.) Das ift meinerseits bereits geshehen. Ich muß allerdings bezweifeln, ob die Militärverwaltung {ih darauf einlassen kann, eine Festsezung der Preise nur mit Zustimmung des preußischen Landwirtschafts- ministers vorzunehmen. Das winde-ja schließlich auch nicht erforderlich sein, wenn den Wünschen des Landwirschaftsministeriums, überhaupt höhere Remontepreise festzuseßen, mit Rücksibt auf die Verhältnisse in der Provinz Ostpreußen, entsprohen werden könnte. (Bravo !) m übrigen dürfen wir uns darüber nicht täuschen : der Bedarf unserer Armee ist infolge der Heeresverstärkung in der Zunahme begriffen und muß auch im Kriegsfalle vorwieg-nd im Osten der Monarchie gedeckt werden.

Es fommt deshalb darauf an, in denjenigen Provinzen, welche fich von alters her der Zucht eines brauchbaren Mitlitärpferdes ge- widmet haben, au die Pferdezucht in dieser Zuchtrichtung zu erhalten. Von diesem Gesichtspunkt aus hat nicht allein die landwirtschaftliche Vexwaltung, sondern in erster Linie auch die Militärverwaltung das. größte Interesse daran, den Züchtern Preise zu zahlen, welck&e die Zucht auch lohnend gestalten. Ich möchte das besonders au noch aus «einein anderen Grunde hervorheben! Gerade jeßt háben sich auch tin der Provinz Ostpreußen Bestreburgen geltend gemacht, die Zucht des kaltblütigen Pferdes weiter auszubreiten. Meine Herren, ih verkenne gewiß nicht den Wert und die Bedeutung des faltblütigen Pferdes für die Landwirtschaft und au für die Militärverwaltung, soweit es sich um den Transport s{chwerer Ge- \chilhe Yänbëlt: “Aber es würde troßdem nicht richtig fein, in einer

; Provinz wie Ostpreußen, die si speziell der Zucht des edlen Pferdes E oiiget hat, staatliherseits eine Förderung der Kaltblutzucht cintreten zu lassen! “Da3 {ließt selbstcedend nicht aus, daß die Freiheit des - etnzelnen Züchters, sich derjenigen Zucht zuzuwenden, die er für fi als die rentabelsie ansieht, nicht beshnitten wird! Wenn wir aber dazu übergehen würden, staat- liherseits au in Ostpreußen für weitere Bezirke Kaltbluthengste aufzustellen und durch sonstige Beihilfen die Kaltblutzuht zu fördern, fo würden wir der Provinz Ostpreußen und ihren Züchtern nicht nuten, sondern im Grunde nur schaden, und wir würden eine Ver- antwortung auf uns laden, die wir gegenüber den Bedürfnissen des Heeres ketncéfalls übernehmen können. (Sehr richtig!) Also ich mötte dringend bitten, nah dieser Richtung au in Ostpreußen ein- zuwirken und den Bestr?ebungen zur Förderung der Kaltblutzucht nicht unnötig Vorschub zu leisten.

Was nun die Verlegung des Vollblutgestüts Gradiß angeht, so darf ich nach dem Ergebnis der bisherigen Verhandlungen wohl auf die Zustimmung dieses hohen Hauses rechnen, wenn die landwirtschaftlihe Verwaltung au fernerhin bemüht bleibt, eine passende Zuchtstätte für das staatliche Vollblutgestüt auszusuchen. Nach dieser Richtung {weben weitere Ermittelungen, und ih bin gern bereit, die Anregungen des Herrn Abg. Iohanssen auch weiter zu verfolgen (Abg. Johanssen: Bravo!) und in die Prüfung der Frage einzutreten, ob nit auch in Schleswig-Holstein ein geeigneter Plaß für das Vollblutgestüt gefunden roerden kann. Näheres kann ich in dieser Richtung im Augenblick noch nicht sagen. (Bravo !)

Der Etat der Gestütverwaltung wird bewilligt, der Antrag von Oerßgzen fast einstimmig angenommen.

linenverwaltung. :

Abg. Goebel (Zentr.): Jch hatte schon bei der zweiten Lesung hervorgehoben, daß fich unter den oberschl:sischen Bergarbeitern Zündstoff in größerem Umfange angesammelt habe, daß man unter Umständen mit einer Ber garbeiterbewegung zu rechnen haben werde. Die Entwicklung in der Zwischenzeit hat meine Vorausfage bestätigt. Vor einigen Tagen haben die Verireter einer Reihe von Bergarbeiter- organisationen beschlossen, unter Einhaltung der Kündigungsfri]t in den Ausstand zu treten; auf 24 oberschlesischen Gruben sind bereits von einer größeren Anzahl von Bergarbeitern Kündigungen eingereiht worden. Die Bewegung wird damit motiviert, daß man auf die Forderungen der Bergleute niht eingegangen sei. In diesen Forderungen wird u. a. die Einführung eines Veinimal- lohnes verlangt. In dieser Nihtung möchte ih mich auf die Fest- stellung beschränken, daß die Löhne der oberschlesishen Bergarbeiter zum Teil erheblih gegen diejenigen der Bergleute im Saar- und Nuhrrevier zurükstehen, wenn sie au in den leßten Jahren eîwas gestiegen find. Die obersclesishen Grubenverwaltungen sollten immerhin wenigstens einer Lohnaufbesserung näher treten. Was die Verkürzung der Arbeitszeit betrifft, die weiter gefordert wird, so erscheint eine solhe erwünscht, wenn man bedenkt, daß sie im oberschlesishen Nevier 8 bis 12, an der Saar und Nuhr aber nur 6 bis 8 Stunden beträgt. Während die Bergverwaltung den Gedanken nit ohne weiteres von der Hand welst, find anscheinend die Grubenbesißer durchaus gegen die Verkürzung. Fh hoffe meinerseits, daß cs zu einer Verkürzung der Schichtdauer kommen wird. Eine weitere Forderung 1ichtet sich auf bessere Behandlung der Arbeiter, eine Frage, die auch hier hon wiederholt Gegenstand der Erörterungen gewesen ist. Die Ab- stellung von Mißständen dürfte auf diesem Gebiete nit auf allzu große Schwierigkeiten stoßen. Die Befriedigung der Wünsche der Arbeiter nah dieser Richtung liegt auch im Interesse der Bergverwaltung; und daß die Grubenverwaltungen sih völlig ablehnend verhalten sollten, wenn ihnen begründete Beschwerden vorgetragen werden, kann ih mir nicht denken. Dasselbe gilt von den Wünschen auf Ab- änderung der Arbeitsordnung. Darüber, ob die Bergarbetterbewegung zum Ausbruch kommen und welchen Umfang fie annehmen wird, gehen die Ansihten auseinander. Ich bin nicht so optimistisch, an- zunehmen, daß der Ausstand, wenn er ausbricht, auf die Gruben be- {ränkt bleiben wird, wo Kündigungen eingereicht sind; sondern dit Be- wegung wird mehr oder weniger auf die übrigen Gruben übergreifen. Daher liegt es im allseitigen Interesse, wenn der Streik vermieden, wird, bei dem Interessen der allermannigfaltigsten Art in Mitleiden- hast gezogen werden. Nicht nur die oberschlesi\ che Montanindustrie sondern die oberschlesische Industrie überhaupt wird dadurch empfind- lih gestört werden ; die obershlesishe Kohle wird mehr. als bisher dur die englische verdrängt werden; für die Arbeiterschaft entstehen ein folossaler Lohnverlust und volkswirtschaftlihe Nachteile aller Art. Bioher ist anscheinend seitens der Grubenverwaltungen abgelehnt worden, mit den Arbeitern zu verhandeln, eine Vermittluny8aktion follte aber doch versucht werden, dann würde auch eine Einigung zu- stande kommen. Ich richte auch an die YNegierung die Bitte, ihren D in dieser Beziehung aufzubieten. ; :

Abg. Korfanty (Pole): In Oberschlesien ist das Voraus- gesagte eingetreten: 24 000 Bergarbeiter haben die Arbeit niedergelegt, 30 000 sind bereit, fie niederzulegen. Schon im Herbst 1912 machte sih unter den oberschlesischen Beraarbeitern eine Bewegung gelte: d. Die damals von den einzelnen Organisationen der Arbeiter an dte einzelnen Verwaltungen gestellten Forderungen wurden abgelehnt; der oberschlesische Berg- und Hüttenmännische Verein lehnte es ab, mit den Organisationen zu verhandeln. Die Arbeiter wandten sich darauf an die einzelnen Verwaltungen, aber auch diese lehnten ab, indem sie den Organisat'onen die Passivlegitimation absvrahen. Nun ersuchten sie die einzelnen Verwaltungen, die Angelegenheit den Arbciter- aus\üssen zu unterbrei'en. Sie find aber zum Teil gar nicht ein- berufen worden, zum Teil wurde thnen gesagt, es würde eine Lohn- aufbesserung eintreten, wenn die Kohlenpreise sich besserten. Infolge der Hochkonjunktur wurden die Preise wieder- holt erhöht, aber troß der Versprehungen fand keine Aufbesserung der . Whne statt, und ftatt "der Verkürzung der Arbeitszeit wurde eine Verlängerung vorgenommen, zum Teil ohne vorheriges Einvernehmen mit den Arbeitern, wie es die Arbeitsordnung verlangt. Eine Eing1be an die Bergverwaltung um Lohnerhöhung und Ver- fürzung der Arbeitszeit wurde unbeantwortet gelassen ; eine zweite Eingabe hatte ein ähnliches Schicksal. Man erklärte, daß man nicht in der Lage sei, in Verhandlungen mit den Arbeitern einzutreten. Nachdem die Arbeiter so alle Instanzen erschöpft hatten, wandten fie sich in elner Petition an das Abgeordnetenhaus. Aber auch hier scheint die aroße Mehrzabl eine ab!ehnende Haltung den Arbeitern gegenüber einzunchmen. Jch halte das für sehr bedauerlih, umsomehr, als die Arbeiter in anderen Gegenden besser gestellt sind. So erbält der Bergarbeiter in Saarbrücken ungefähr 200 4 im Jahre mebr an Lohn. In welcher Weise man gegen die Arbeiter vorgegangen ist, beweist die Tatsache, daß man ihnen erklärte, daß sie, wenn sie sih an einem Streik beteilig-n, gegen thren Soldateneid verstoßen würden. Der „Berliner Lotal - Anzeiger“ hat den oberschlesischen Beragarbeiterstreik jo dargestelit, daß man annehmen mußte, es handle sih hier um eine politishe Bewegung, Dies ist hier aber nicht der Fall. Es handelt ih hier lediglich um eine Lohabewegung. Auch das Wolffsche Bureau hat nicht ganz zutreffende Nachrichten hierüber verbreitet, indem es cine geringere Zahl der wirklich erfolgten Kündigungen an- gab. Im ganzen find 12 000 Unterschriften von Arbeitern gesammelt worden, die als Kündigung eingereiht worden sind. |

Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow: Der Herr Vorredner hat ebenso wie der Herr Abg. Goebel an mich die Frage geridtet, welGe Stellung d'e Königliche Staais- regierung gegenüber der Arbeiterbewegung in Oberschlesien und gegen-

És Folgt der Etat der Berg-, Hütlen- und Sa-

über der Möglichkeit eines Streiks einnehmen würde, und mir naße- gelegt, hier vermittelnd einzugreifen. Demgegenüber habe ih zu erflären, daß ih genau denselben Stantpunft, den ih fetnerzeit beim Nuhrstreik eingenommen habe, auch hier festhalte. Zunächst ist es Sache der Beteiligten, sich untereinander zu verständigen. Eine Ver- mittlungsaftion der Regierung kann nur eintreten, wenn Auésicht vor- handen ist, daß sie beiden Teilen erwünscht ist. Dafür liegt zunächst kein Anhalt vor.

Was nun die Beurtèéilung des Streiks selbst betrifft, o hat Herr Abg. Goebel, wie ich gern anerkenne, die Vorgänge in ruhiger und sachllcher Weise geschildert. Die Darstellungen des Herrn Abg. Korfanty übertreiben nah den mir zugegangeneu Nach- rihten die Gefahr, die bevorsteht. Auch er hat zugegeben, daß die Zahl derjenigen, die mit dem Streik gedroht haben, 11 500 ist. Er sagt, daß die Leiter der Bewegung noch einige Tausend Unterschriïten in petto haben, das kann ich nit kontrollieren. Jene 11 500 beschränken ih im wesentlichen auf die Reviere Ratibor, Südkattowitz und Südbeuthen, und machen von den dort tätigen Arbeitern etwa 30 9/9 aus.

Diese 11 500 haben nun, ih kann nur sagen, sogenannte Kündi- gungen eifigereiht. Es find Schreiben eingereicht, die sehs Forderungen aufstellen: Kürzung der Arbeitszeit, Erhöhung der Löhne und noh einiges Andere, und dann ist gesagt :

Wenn bis zum 19. April die Forderungen nicht erfüllt werden, so gilt diese Eingabe als Kündigung. Die Belegschaft. Daß das im Rechtsfinne keine Kündigung ist, wird mir jeder Jurist im Hause zugeben; eine Kündigung muß unbedingt sein, oder sie gilt nicht. Abgesehen davon hat nun etn großer Teil dieser Schreiben über- haupt keine Unterschrift. Dann liegen einigen dieser Schretben Listen bei, in denen augenfällig ein großer Teil von Namen von derselben Hand geschrieben ist; wiederum find sten, Zettel ohne die Formular- forderungen, also ohne Text eingereiht worden. Wenn man das alles zusammenrechnet, kommen 11 500 Kündigungen allerdings heraus. Da find nun die Werksverwaltungen meines Erachtens ganz loyal vor- gegangen, indem sie die Leute, deren Namen ihnen hier gebracht wurden, kommen ließen und sie fragten, ob die Unterschrifien von ihnen herrührten und was fie eigentlich damit bezweckten. Bei der Gelegenheit haben {on wieder eine ganze Neihe von Leuten erklärt, daß sie gar nicht die Absicht gehabt haben, zu kündigen. Immerhin steht so viel fest, daß in Oberschlesien eine Bewegung unter den Arbeitern bestehi, welche sich gewisser Forderungen bemächtigt hat und sie durhzusegen versucht. Demgegenüber ist das Oberbergamt bemüht gewesen, die Werksverwaltungen zu veranlassen, daß sie über diese Forderungen in den Arbeitsauss{hüssen mit den Leuten verhandelten ; die Bereitwilligkeit dazu ist auch ausgesvroWen worden, und soweit ih weiß, haben auch solle Besprechungen stattgefunden. Die Herren er- kennen es freilich nicht als Verhandlungen an, wenn von anderer Seite nicht ‘sofort gesagt wird: wir akzeptieren die Vorschläge Das ift natürlih eine andere Frage. Ich bemerke dabei, daß der fiskalishen Bergverwaltung gegenüber keine Kündigungen aus- gesprochen sind, daß auch Forderungen nur bei der Berginspektion II1 eingereiht sind, und daß dort, wenn ih nit irre, am 27. März mit

dem Arbeiteraus\{chuß die Sache eingehend besprohen worden ist.

Vom Standpunkt der fiskaltischen Verwaltung glaube ih auch zu einigen dieser Forderungen hier Stellung nehmen zu sollen ; wie weit sih die privaten Bergwerksverwaltungen den Forderungen gegenüber nachgiebig erweisen oder nicht, kann ich nicht beeinflussen. Die beiden Hauptforderungen sind die Verkürzung der Arbeitszeit und die Erhöhung der Löhne.

Was die Verkürzung der “Arbeitszeit betrifft, so ist es richtig, daß in Oberschlesien der 8stündige Arbeitstag (ohne Ein- und Aus- fahrt), wie er in Westfalen gilt, noch nicht eingeführt ist, sondern daß wir 8-, 83-, 9- bjs 11 stündige Arbeitszeiten haben. Ich will hier von vornherein erklären, daß ih diese ganz langen, mehr als 9 1tündigen Arbeit8zeiten auch niht für wünschenswert halte, und daß das Oberbergamt im Begriff ist, sich mit den Privatgruben auf den fiskalischen bestehen sie nicht darüber in Verbindung zu segen, ob und in welher Weise diese langen Arbeitszeiten beseitigt werden können. Im übrigen aber ist ein Unterschied zwishen West- falen und dem Saarrevier mit der 8 stündigen Arbeitszeit (ohne Ein- und Ausfahrt) gegenüber Oberschlesien gerechtfertigt, weil die Tem- peraturverhältnisse und die ganzen Arbeitsverhältnisse in den ober- \{lesishen Gruben viel günstiger sind als dort. Hier sind diese mächtigen Flöze mit den hohen Näumen, in denen die Kohle ge- wonnen wird. Dazu kommt noch, daß der Verbau der hohen Pfeiler in diesen Gruben ohnehin zu Unterbrehungen der Arbeit für die

, Bergleute, die ain Verbau nicht beteiligt sind, führt, und daß auch

der Abzug der Schießgase, der sich dort vtel langsamer vollzieht als andexswo, Pausen- für die Arbeiter zur Folge hat, die ihre Arbeitstätigkeit unterbrehen. Eine allgemeine Einführung der 8 stündigen Arbeitszeit in Oberschlesien halte ich wenigstens zurzeit für unmöglich, einmal {hon deswegen, weil die Arbeiter gar nicht zu haben sein würden, um den Förderungsausfall zu ersegen, zweitens aber auch, weil die Betriebsverhältnisse nicht derart sind, daß bei einer Konzentration des Betriebes auf 8 Stunden das gleiche Förder- quantum, wenn auch mit mehr Arbeitern, zu Tage geschafft werden könnte wie jeßt bei der etwas längeren Arbeitszeit. Wo die gesund- heitlihen Verhältnisse es erforderliß machen, haben wir auch in Oberschlesien eine achtstündige Arbeitszeit, z. B. auf der fiskalischen Grube Knurow, die ungünstigere Verhältnisse unter Tage hat.

In bezug auf den gesundheitlichen Zustand möchte ih darduf aufmerksam machen, daß nach der vorliegenden Statistik die Zahl der Krankheitstage bei den obershlesischen Arbeitern günstiger ist als bei den Arbeitern an der Saar und an der Rubr. Es kommen auf den Mann der Belegschaft in Oberschlesien im Jahre 8 Krankheits- tage, an der Saar 9,5 und an der Nuhr 11,7. Das spriht doch dafür, daß in Oberschlesien verhältnismäßig nicht höhere Anforderungen an die Belegschaften gestellt werden als in den beiden anderen Nevieren.

Was nun die Lohnfrage betrifft, so sind anerkanntermaßen die Löhne in Oberschlesien niedriger wie an der Saar und an der Ruhr; aber die allgemeinen Lebensverhältnisse sind auch weniger teuer, und die Preise der dortigen Kohlen sind auch niedriger.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

shränkung in der Entstehung neter Werke zustande kommt: (fehr

zum Deutschen Neihsanzeiger und Königli

M 91.

(S{hluß aus der Ersten Beilage.)

Doch sind auch in Oberschlesien die Löhne in steigender Be- wegung. Iin Verglei zum Jahre 1910 hat die Wohnisteigerung für fämtlihe Bergarbeiter nahezu 7 9%, für dite unter Tage beschäftigten 9,71 9/0 betragen, und diese Steigerung hält an. Die Hâuer verdienen im engeren Industriebezirk im Durchschnitt mehr als 1500 # jährlih. Der Verdienst würde größer sein, wenn “nicht leider in “Oberschlesien ‘tas Einlegen von Bummelschihten, das willkürlihe Feiern ‘größer wäre als anderêwo. Der Prozentsaß der nit regelmäßig Anfahrenden fchwankt bei den Hâuern zwischen 10 und 30% und erreidt in einigen Fällen segar 40%/0. Damit kürzen die Leute doh dur ibr eigenes Verschulden ibr Einkommen. Bei den Lohnzahlen muß man auch bedenten, daß daneben noch verschiedene wirtschaftlißGe Beihilfen, unentgeltliche Kohlenlieferung, billigere Kartoffel- und Krautlieferung, den Leuten zugitte kommen. Jch will dabei durhaus nihts dagegen “fagen, wünfche cs vielmehr sogar, daß die Lohnsteigerung in Oberschlesien bei entsprechender Konjunktur weiteranhält. (Bravo !) Daß auf ten fisfalishen Gruben die höchsten Löbne in Oberschlesien gezahlt werden, wird, glaube ih, mtr niht bestritten werden können (Bravo'!); fie find ein ganz Teil höher \owöhl bei den Häuern wie auh beîi den anderen Arbeitern, und daher sind wohl au dorther keine ernstlichen Klagen gekommen.

Nach «illem, was mir aus Oberschlesien gemeldet witd, sowohl von der Regierung als auch vom Oberbergaint, ist in der obers{chlefis{chen Bergarbeiterbevölkerung an sich die Neigung zu streiken niht groß. Die polnische Berufsgenossenschaft hat die Sache in die Hand genommen und betreibt sie mit großem Nachdruck. Es wird von keiner Seite der Ausbruch eines großen Sireiks dort befürhtet. Fmmerbin gebe ih zu, daß au cin kleinerer Streik verschiedene Nachteile nach si zieht, aber niht bloß für die Bergwerksbesitßer, sondern au für die Arbeiter, und wenn, wte {h glaube, die Neigung, den Arbeitern ent- gegenzukommen, besteht, dann follten auch die Organisätionèn, s handelt ih im wesentlihen um die polnische Berufsvereinigung, der sih allerdings die sozialdemokratische, ih glaube auch die christliche und die Hirsch-Duntersche Arbeiterorganisation ‘anges{lo}sen haben, während die fkatholishe Fachabteilung der fogenannten Berliner Nichtung niht mitmaht es si sehr überlegen; durch einen Streik, an dem si nur ein verhältnismäßig geringer Prozentsatz der Arbeitér ‘beteiligt, ‘und der keinen roirklihen Widerhall in der Menge der Arbeiter hat, kann auch für die Arbeiter nur Schaden entstehen. (Beifall.) :

Abg, Dr. von Woh na (freikonf.): Dic. Vorkommnisse in unseiem Nachbarlande Belgien follten unserer Verwaltüng Veranlassung gében, zu „etwägen, ob nit bet uns größere Kohléènvorräte beschafft werden müssen, damit wir ähnlihen Vorkommnissen rechtzeitig vor- beugen Éöonnen. Die Entwicklung unserer Neichskaliindüstrie hat Veranlassung “gegeben, die wirtschaftlichen Verhältnisse in dem Kalibergbau. in der - Hauptsache der reihs8geseßlihen Negelung zu untérwerfen. Jet macht ih eine Bewegung geltend, das Kaligésfeß nach der Nichtung Pin abzuändern, daß die # Errichtung neuer Kaliwerke möglihs bes{hränkt wird. Im großen und ganzen läßt {nit leugnen, daß die Entwicklung des Kalibergbaues unwirts\chaftlih wird, wenn es in der bisherigen Wetse wetitergeht. Der Staat und die Konsumenten haben natürlich ein Interesse daran, dieser Unwirtschaftlichkeit vorzubeugen. Wie das ge\hehen foll, darüber ist éine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht worden, die manches Beachtenswerte enthalten. Wir können darüber nit entscheiden, da dies Sache der Reichsgesetzgebung ist. Jh möchte nur davor warnen, daß durch die Abänderung des Gesetzes eine Veschränkung der Nechte der hannovershen Grundeigentümer herbei- geführt wird. Die Frage der Errichtung der UÜeberlandzentrale an der oberen Weser ist von allergrößter Bédeutung. Die Wasser- zentralen an der oberen W.ser sind zweifellos in hohem Maße geeignet, das Land mit elektrischer Kraft zu versorgen, aber das Wasser ijt zu unbeständig, es hängt ab von der Temperatur und anderen Faktoren. Deshalb wird es niht zu umgehen sein, eine geeignete Reserve zu \haffen. Mir \{eint, daß der Deister für ‘die S{haffung einer starken Reserve besonders ‘geeignet ist, und ih bitte deshalb den Minister, diese Frage zu prüfen.

Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow:

; Zu der leßten Frage kann ih dem Herrn Vorredner mitteilen, daß ich bereits mit der Bauverwaltung wegen der Verwendung der Deisterkohle für cine solche Dampfreserve zur Schaffung der Glektrizität für das Gebiet des Mittelländkanals in Verbindung ge- treten bin. Es liegen Projekte vor, welche bearbeitet werden, und ich bin natürli mit der Verfolgung des Zweckes, den der Herr Vor- redner im Auge hatte, durchaus einverstanden.

Was seine Bemerkung über das Kali oder richtiger das hannoversche Kali betrifft, so muß ih allerdings einige Vorbelßalte machen. «Ich habe hter béreits wiederholt Gelegenheit gehabt, mi darüber zu äußern, daß auh meiner Auffassung nah der Fehler des Kaligesezes der sei, daß es eitkgegen den Vorschlägen der preußtis{hen Staatsregierung im Bundésrat kéine Handhaben zur Etnschränküng der unbegrenzten Entstehung ‘neuer Schächte bietet. Es kann wobl, wenn auch die Einzelheiten der Kaligeseßznovelle noh nit soweit fest- stehen, daß ih darüber hier \pre{hen könnte, keinein Zweifel unter- liegen, daß ihre Tendenz sein muß, dem uünbegrenzten Niéderbringen neuer Schächte ‘und ‘der uñbegrenzten Erschließung neuer Kaliberg- werke hemmend “entgegenzutreten. Das gilt freili ebensowohl gegenüber Rechten, ‘die auf Verleihung, äls au gegenüber Rechten, die auf dem Grundeigentum beruhen. Fch kann ‘da feinen Unterschied machên, und ih kann niht glauben, daß ein Grund- (lgentümer der Provinz Haunover, für den das Kali eine Pertinenz des Grund und Bodens ist, anders zu behandeln sein wird als jemand, der auf Grund ‘einer Verleihung das Bergwerkseigèntum an Kali in einer anderen Provinz erworben ‘hat. Gêwiß \oll Hannover nicht vrägraviert werden, aber das muß es #ch{ {on gefallen lassen, daß es umtt demfelben Maße ‘gemessen ‘tvird, wie die Rechte “in ‘anderéên Provinzen, Dabei möthte ih noch auf eins aufmerksam tnachhên: au ln Interesse des hannovers@en Grundbesißes liegt és, daß eine Ein-

Zweite Beilage | ch Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 17. April

richtig ! bei den Nationalliberalen) denn wenn es \o weiterginge wie bisher, würden \{ließlih alle Kaliwerke, au die in Hannover, mehr oder wentger entwertet nerden. (Sehr richtig! bei den National-

liberalen.)

Abg. Leinert (Soz.): Aus den Ausführungen des Mini

geht hecvor, daß er nicht die Absicht hit, Licht und Séation E verteilen. Der Minister hätte niht nur mit den einzelnen Bergvérwal- tungen in Verbindung treten sollen, sondern auch mit den verschiedenen Arbeiterorganisationen, damit Mittel gefunden werden, um cinen Druck auf die Bergwerke zu ermöglihen. Wenn man Zen Arbeiter- aus\chüssea sagt: bewtlligt wird den Arbeitern nichts, dann haben die ganzen Verordnungen über die Ausschüsse keinen Zweck. Der Minister hätte über die Kündigung der 30 % der Bergleute nit einfach hinweggehen dürfen, denn die Erfahrung hat immer gezeigt daß, wenn ein kleiner Teil der Arbeiter zu streiken anfängt, die übrigen bald nachfolgen. Die Stellungnahme des Ministers wird dazu ‘bei- tragen, den Mut der Bergherren noch zu erhöhen. Diesmal {ind die Bergleute durhaus elnig; wenn es zum Streik kommt, dann ift er unter der Billigung des Ministers, denn er ‘hat uicht das Geringste getan, um die Schäden, die der Streik mit ih bringen wird, ab- zuwenden. Der Minister hätte um fo eher Ursache, auf die Privat- betriebe einzuwirken, „als die Löhne in den fiskalischen Gruben höher sind. Die Neutralität des Ministers gegenüber dem Notstand der Arbeiter ist dte direkte Vertretung der Interessen der privaten Berg- werksbesiger.

x Abg. Dr. Schroeder - (Cassel (nl.): Gegenüber der Anregung des Abg. von Woyna mache ih darauf aufmertsam, daß dec wirt- schaftliche Schwerpunkt - der ganzen Ueberlandzentrale um Cassel herumliegt. Die Bergwerke am Deister liegen viel zu weit entfernt, während die hessishen Bergwerke wesentlich näher liegen. Deshalb scheint cs mir mt richtig zu sein, den Deister für die in Aussicht genommene eserve zu verwenden. /

_Abg Korfanty: Ich glaube nit, daß der Standpunkt des Ministers ‘dazu beitragèn wird, die Verhältnisse in Oberschlesien zu mildern. Wenn der Minister wartet, bis beide Teile seine Ver- mittelung anrufen, dann kann er lange warten.

Der Etat der Bergverwaltung wird bewilligt. Es folgt der Etat der Handels- und Gewerhbe- verwaltung.

Abg. Hammer (kons.): Ich bitte dèn Minister, im näbsten Etat die Summe, die für Veranstaltungen von Meister- und Wanderkursen ausgeworfen ilt, zu erhöhen. Wir hoffen, daß dadurch die ungünstige Lage des Handwerks verbessert werden kann. Ferner wünsche ftch, daß der Fonds zur Unterstüßung des gewerblihen Unterrichts- wesens im nähsten Etat mit einer höheren Sunimne ein- geleßt wird. Dann ersuhe ih die Regierung, den Fonds zur Unterstüßung des Kleingewerbes in angemessener Weise zu erhöhen. Vie Handwerkskammer Stettin hat zur Förderung des Submissions- wesens weitere 6000 4 angefordert. Ich bedaure, daß der Minister sih hiergegen ablehnend verhalten hat. Die Handelskammer Bielefeld hat si darüber beklagt, daß ih fie eine kleine Handelskammer ge- nannt habe. Inzwischen bin ih unterrihtet worden, daß diefe Handels- kammer von großer Bedeutung ist. Jh möchte das hiermit richtig- stellen. . Aber in anderer Beziehung habe ich Anlaß, mih über die Handelskammer Bielefeld auszulassen. Fn dem Handelsaus\huß diefer Kammer haben von 13 Mitgliedern 7 Detaillisten gegen eine Grhöhung der Warenhaussteuer gestimmt. Ih bedaure diesen Be- {luß ganz außerordentli. Gleichzeitig bitte ih die Regierung, uns einen Geseßentwurf über die Erhöhung der Warenhaussteuer vorzule zen.

Abg. Nahardt (freikons.): Die Lage der mittleren Gewerbe- treibenden gibt zu großer Sorge Anlaß. Ich bitte den Ministér, hier geeignete Abhilfe zu schaffen. In Großberlin find- 1912 bei ungefähr 2700 Grundstücken Zwangsversteigerungen vorgenontmen worden. Dadurch ist das Handwerk ganz außerordentli benachteiligt worden. Der biér- durch hervorgerufene Ausfall für die Handwerker beläuft sih auf rund 60 000 000 „6. Die Negierung follte auch mehr ihc Augenmerk auf den Bauschwindel richten. Ich kann ihr Gesellschaften namentlich nennen, die lediglih zum Zwecke des Baushwindels gegründet find. Duxch die Vergrößerung8wut der einzelnen Fabrikbetriebe erwächst unserem Volke eine f{chwere Gefahr. Jh möthte eine ernste Mahnung an alle die- jenigen rihten, welche die zukünftige geshäftlihe Lage der mittleren Gewerbetreibenden allzu optimistif{ch ansehen. Ich bitte dên Minister, daß er im nächsten Etat die Sumtine zur Föirdéruna des klein- aewerblihen Genossenschaftswesens in angemessener Weise erhöht. Auch wir werden die Veranstaltungen der Handwerkskammern in bezug auf Buchführungs-, Kalkulations- nnd Borbereitungskurse für die Meisterkurse unterstüßen. Ich bitte, meinem Antrag in bezug auf Förderung des Tkleingewerblihen Genossenschaftäwesens zu- zustimmen.

Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow :

Der Herr Vorredner hat gefragt, wie es mit der Konferenz im Neichsamt des Innern stehe, die unter anderem auch die Frage der Éünftigen Abgrenzung zwischen Fabrik und Handwerk beraten follte. Es ist die Absicht, sie demnächst zusammentreten zu lassen; ein Termin ist aber noch nit anberauntt.

Was der Herr Vorredner über die Konjunkturausfsichten gesagt hat, ist {wer zu keitisieren. Man kann die Zukunft niemals mit Sicherheit vorausfehen; mir {eint aber do, daß er die Situation zu pessimifstisch betrahtet hat. Wein wir auf dem Balkan Frieden bekommen werden, wird die weitere Entwiklung der Kon- junktur von der-Lage des Geldmarktes abhängen, wie weit da eine Entlastung eintreten wird oder niht. Das glaube ih allerdings nicht befürchten zu müssen, was der Herr Vorredner befürchtet, daß mit Neuinstallationen im. großen Stile, wie wir sie in den léßten beiden Jahren gehabt haben, in der nächsten Zeit in dem Maße fort- geschritten werden wird, wie in den leßten Fahren. Dagegen wird {hon die Notwetdigkeit der Banken sprechen, die Kredite nicht wetter auszudehnen, sondern die bestehenden Debetsalden dieser großen Unternehmüngen allmählich glatt zu stellen. Jch glaube auch, cs wäre niht wünshenswert. Wir haben darin außerordent- lihes Glü gehabt —, daß tatsählih die hauptsächlich in der Groß- industrie vorgenommenen mächtigen Neuanlagen infolge der großen Konjunktur alle voll Beschäftigung gefunden haben; aber jede Konjunktur bewegt sih in einer Kurve, und es ist nicht gesagt, daß die Beschäftigung immer die gleiche bleiben wird. Jedenfalls wird es wohl vom Ständpunkte der Liquidstellung der Banken wünschens- wert fein Und sih von selber ergeben, daß zunächst niht in demselben Tempo mit Neuanlagen fortgefahren werden wird. Dadurch wird aber, glaube ih, der Gefahr entgegengewirkt werden, daß die An- spannung des Geldmarktes noch weiler gefördert wird. Ich kann au nur der Hoffnung Ausdru geben, daß wir zu einer allmählichen

Erleichterung des Geldmarktes kommen.

19423.

Was die Auslandsemissionen betrifft, so will ich nur sagen: die Zulassung von Auslandsemissionen in Deutschland war im vorigen Jahre niht an der Versteifung des heimishen Geldmarktes huld; sie sind bei uns gegenüber den Vorjahren ganz außer- ordentlih zurückgegangen. Ganz werden sie sih nicht entbehren lassen, weil neben politisGen Interessen auch wirtschaftliche Interessen an unserer Beteiligung bestellen.

Was endli die Erhöhung der beiden Fonds betrifft, auf die sih der heute gestellte Antrag bezieht, so kann i natürltch als Nessortminister dagegen nihts einnenden, wenn das Haus dazu bei- tragen will, daß mir künftig mehr Geld zur Verfügung steht. Wenn ih aber felbst bisher keine Erhöhung beim Finanzminister nachgesucht habe, so liegt das daran, daß bet beiden Fonds aus den leßten Jahren noch Ersparungen vorhanden waren, die aus dem Etat selbst nicht er- sichtlich find.

S Abg. Dr. Ehlers (fortshr. Volkep.): Meine politischen &reunde werden dem Antrag Rahardt wegen der Förderung des Kleingewerbes zustimmen. In der leßten Ze:t haben sih die Aus- sichten für Handel und Gewerbe nichr gebessert. Der Aderlaß, der dem Kapitalmarkt dur den einmaligen Weh beitrag zugefügt werden soll, wird für unsere wirts{aftliche GEntwicklung von großer Be- deutung sein. Es steht wohl zweifellos fest, daß die Milliarde, die aus dem Kapital des deutschen Volkes genommen wird, für die nächsle Zukunft nur zu Zwecken gebrauht wird, die wir als ‘produktiv nicht ansehen können. Sedenfalls müssen wir do damit rechnen, daß die Summe, die für die Sicherheit des Jeiches gegeben wird, vorderhand nicht befruhtend auf die wirt- schaftliche Tätigkeit unseres Volkes wirken kann. Man kann nicht sagen, daß diese eine Milliarde dec ganzen einheimischen Industrie zu gute tommt, nur _ einzelne Betriebe werden aus ihr Nußen ziehen. Man darf die Schwierigkeiten, die mit einer derartigen Kapital- entblößung verbunden sind, nicht verkennen. Die Tatsache steht doch fest, daß etwa 800 Millionen Mark des einmaligen Weh1beitrages so verwendet werden, daß es kein großer Unterschied wäre, wenn man fie in die Crde vergraben würde. Jedenfalls werden sie niht so angelegt werden, daß die Produfktivität dadurch gefördert wird. Von den Spar- kassen sind jeßt viele Beträge abgehoben worden, weil die Sparer sie brauhten infolge der Verteuerung der. Lebensbedürfnisse. Die Regierung muß alles vermeiden, was die Schwierigkeiten der fleinen Gewerbetreibenden noch ver|chärft; die Behörden haben aber in dieser Beziehung nicht gerade zweckmäßige Maßnahmen getroffen. In seiner Steuerberehnung kann man jeyt nit vorsichtig genug sein. Mit am s{le{chtesten steht das Tabakgewerbe da, es ist ihm wider jein Erwarten nicht gelungen, die erhöhten Zölle und Steuern auf die Konsumenten abzuwäljen, denn dazu ist die Konkurrenz in diesem Zweige zu scharf. Jn den Beamtenbureaus, nicht nur bei den Regierungs- behörden, sondern auch bei den Kommunalverwaltungen haben fich wahre Verkaufsgeschäfte entwidelt. Wenn man in das Theaterstück „Ma- jolika“ geht, sieht man, wie der Fürst i zu einem tüchtigen Porzellan- händler entwidckelt. Mit behördliher Genehmigung wird so dem freien Gewerbe Konkurrenz gemaht. Die Landwirschaftskammer in Hannover hat eine „Baustelle“ eingerichtet, die den Landwirten bei Bauten zur Seite stehen soll. Die amtlichen Gelder hierfür find nicht richtig angelegt. Jch verstehe es, wenn die Stadtoerwaltungen nicht lang- fristige Lieferungsverträge mit den Viehzüchtern abichließen wollen, denn sie würden schließlich sehen, daß fie dabei benachteiligt find. Ich spreche im Interesse des Mittelstandes, ih plädiere nicht für eine staatliche Beihilfe für den Mittelstand, obwohl ih nicht prinzipaliter Gegner der Staatshilfe bin, aber ich wünsche, daß nit durch das staatliche Eingreifen die Lebensverhältnisse des Gewerbestandes ershwert werden.

Abg. Dr. Schroeder - Cossel (nl.): Wir wollen unter den Freunden des Handwerks nicht fehlen und stimmen dem Antrag auf Erhöhung der Mittel für Wander- und Meinerkurse gleichfalls zu.

Abg. Giesberts (Zentr.): Ich bitte, aus dem Etatsfonds auch die fatholishen Gesellenvereine zu unterstützen, die sich die Durch- führung der Bestimmungen über die Meisterprüfung durhaus ange- legen sein lassen. Die Militärvorlage im Reichstage müssen wir alle bewilligen, aber es ist unmögli, die Deckungsmittel wieder aus den armeren Kreisen zu nehmen. Der Wehrbeitrag von einer Milliarde wird kein Aderlaß für die kapital'stishen Kreise sein; gegenüber den Folgen eines etwaigen blutiven Aderlasses ist diese eine Milliarde ein Kinkerlißchen. Wenn diese eine Milliarde uns nur 10 Jahre länger den Frieden ethält, so mat fie ih hundertmal bezahlt. Zum Schutze der gesamten Volkswirtschaft, von Handel, Industrie und Gewerbe ist diese Milliarde durhaus notwendig. In dem Streit im deutslhen Malergewerbe ist der Schiedsspruch von den Gchilfen, wenn auch zögernd, anerkannt worden, von dem Arbeitgeber- bunde des Malergewerbes in Deutschland aber abgelehnt worden. Die dem Arbeitgeberbunde angeschlofsenen Zwangsinnungen haben nun beschlossen, ihre Mitglieder, wenn sie sh an der Ausspercung der Gehilfen niht beteiligen, mit einer Geldstrafe von 20 6 pro Gehilfe zu belegen. Die Beträge für die Zwangsinnungen konnen im Wege der Zwangsvollstreckung eingetrieben werden, manche Stadtverwaltungen habén aber die Zwangsövolistreckung ab- gelehnt, weil die Beschlüsse dec Innungen nicht rechtsgültig seien. Es muß dechalb Klarheit geschaffen werden, ob eine Zwangstnnung über thre Mitglieder folhe Geldstrafen verhängen kann. Durch den Widerstand der Malermeister, die den Schiedsspruch nit aner- kennen wollen, ist der Friede im Gewerbe gestört. Die Arbeitgeber verbindërn hiér den Abschluß eines Tarifvertrages, indem sie sich det Schiedsspruch nicht fügen, und doch hat der Schiedsspruch keineswegs die Forderunacn der Gehilfen erfüllt, sondern eine Mittellinie cin- gehalten. Jch stelle mih weder auf die Seite des einen noch auf die des anderen Teils, aber ich will einmal hören, wie der Minister über die Rechtslage denkt. Können die Innungen mit solchen Geld- strafen cinen Zwang auf ihre Mitglieder ausüben, so müssen fi die Gehiifen darauf einrichten.

Minister für Handel Und Gewerbe Dr. Sydow :

Auch mir ist im Wege der Beschwerde mitgeteilt worden, daß Zivangsinnitngen ihre Mitglieder bei Strafe verpflichtet haben, alle bei ihnen beschäftigten organisierten Gehilfen sofort zu entlassen und nur folhe Gehilfen zu beschäftigen, die cinen bestimmten Nevers untérshrieben haben. Ich habe darauf Bericht der Auffichtsbehörden über die Innungen verlangt, aber gleih bei der Gelegenheit keinen Zweifel darüber gelassen, daß ih cinen folhen Beschluß mit den Be-

* stimmungen der Gewerbeordnung nickcht für vereinbar halte. Er wider-

spricht zwei Paragraphen der Gewerbeordnung, cinmal dem Para- graphèn 41,. der ausdrücklih sagt :

Die Befugnis zum selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes begreift das Ret tin si, in beliebiger Zahl G sellen, Gehilfen, Arbeiter jeder Art und, soweit die Vorschriften des Geseßzes niht entgegenstehen, Lehrlinge anzunehmen. In der Wahl des Arbeits- und Hilfspersonals finden keine anderen Beschränkungen

statt als die durh das gegenwärtige Gefeß festgestellten.

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