1913 / 93 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 19 Apr 1913 18:00:01 GMT) scan diff

Böse will und doch das Gute schaft. Man wirft uns Terrorismus vor, aber der Terrorismus der Militärverwaltung ist am s{limmsten. Der Kriegêminister hat gestern gesagt, es sei unbillig, zu verlangen, daß man die Adjutanten der Fürsten streicht. Der Kaiser hat 12 Adjutanten, der Kronprinz und die anderen Prinzen baben je 2 Adjutanten, auch Prinz August Wilhelm, der Referendar ; Prinz Friedri Leopold hat 5 Adjutanten, zwei für sich, drei für seine Söhne, Prinz Friedrih Wilhelm hat auch cinen Adjutanten, obwohl er der Armee gar nicht angehört, er ist Landrat. Die deutschen Fürsten haben 2 bis 4 Adjutanten: die mecklenburgishen Großherzöge erhalten die Adjutanten nicht in natura gestellt, sondern das Geld dafür. Der Landgraf von Hessen, ein länast depossedierter Fürst, hat einen, auch der Statthalter von Elsaß-Lothringen, weil er eine Art Landesherr is. Auch der Neichskanzler hat einen, der Fürst Hohen- lobe hatte noch keinen. Die Prinzén haben zwei, das würde ih nur dadurch erklären, daß fie einen älteren wegen des väterlihen Ein- flusses brauchen, und einen jüngeren, zu dem fie mehr Vertrauen haben. Wir verlangen mit der Resolution der Kommission, daß mit den Fürsten Verhandlungen wegen Beseitigung der Adjutanten ge- pflogen werden; die Prinzen aber haben fein Vertragsreht auf Adjutanten, diese Adjutanten könnten einfach gestrihen werden. Der Kriegsminister meinte, es würde lange dauern, bis die Verhandlungen mit den Fürsten zum Abs{hluß kämen; das glaube ih, es wird wohl, wenn sie zu Ende sind, kaum noch einer von uns am Leben sein. Wir leben doch in einem Opferjahre, und da können diese Kammerherrn- offiziere, die aus den Taschen des Volkes bezahlt werden müssen, wegfallen. Die Offiziere müssen aus höheren Schichten stammen, sagt der Kriegsminister. Die Generale Napoleons waren vielfa vorher Advokatenschreiber, und sie haben die Junkergenerale Preußens zu Paaren getrieben. Wir haben auch Generale, die an blutigen Gründungen beteiligt find; wir haben noch heute einen General- leutnant z. D., der ofen beschuldigt worden ist, feinen Namen unter \hwindelhafte Prospekte geseßt zu haben. Daß der Sanitäts- dienst im Heere unter dem starken Aerztemangel leiden muß, steht fest. Ein feudales Offizierkorps ekelt die Militärärzte aus dem Kasino, indem es ihre Zechen bezahlt und thnen dadurh das Wiederkommen unmöglich macht. Der Assistenzarzt sißt hinter dem allérjüngsten Leutnant. Soll man fich da wundern. daß der Aerzteersaß nach wie vor sehr zu wünschen übrig läßt? Die Kriegervereine unterstehen dem preußischen Ministerium des Innern, aber an den Generalversammlungen der Kriegervercine nimmt ein Vertreter des. Kriegsministeriums ganz offiziell teil. Der Stempel, den die Vereine führen, ist von dem Minister des Fnnern im Veccin mit dem Kriegsminister genehmigt. Militärverbote werden nach dèm Kriegsmini1ter nur dann verhängt, wenn die Disziplin bedroht ift. Das Verbot wird von Landräten aber auch dann veranlaßt, wenn ihnen dies oder das an einem Gastwirt niht paßt; i erinnere bloß an das Kaisergeburtstagsessen in Grimmen. Auch auf Denun- ziation von Kriegervereinen wird das Militärverbot verhängt. In Sachsen kam man voriges Jahr mit dem Verbot sehr in die Brüche. Bleiben denn von einer fozialdemokratischen Versammlung Bazillen Übrig, von denen die Soldaten infiziert werden? Was wollen Sie machen, wenn die Soldaten ‘auf Urlaub mit Sozialdemokraten ver- kehren? Die Sozialdemokraten, die in die Kaserne kommen, bleiben es auch. Rot färbt auch ab, manche Rekruten kehren mindestens als halbe Sozialdemokraten in die Heimat zurück. Also mit dem Militärboykott erreihen Sie nihts. Fn Braunschweig werden sogar Vereine mit dem Boykott belegt, wenn sie in einem \ozialdemo- kÉratischen Blatte inserieren. In Sachsen wird über Lokale der Boykott verhängt, die mehrere sozialdemokcatische Versammlungen auf- nehmen. Uns schaden Sie damit nicht, sondern nur sich selbst. Das Venrallgemeinern überlassen wir Ihnen. Sie schieben die Schuld auf uns, wenn' einmal tin einer Gewerkschaft eine Unterschlagung vor- kommt. Der Kriegsminister sagte, wir seßten die Armee vor dem Auslande herab mit unserer Kritik. Wir kcitisieren niht die Per- sonen, sondern das System, wir wollen eine Besserung erreichen. Der ausländishen Presse werden wir niemals Material gebea. Die

Herabseßung der Armee vor dem Auslande“ überlassen wir denjenigen, die da Ten wir haben nicht genug Soldaten, und die Armee set in Der Kriegsminister versichert \ Das ist nicht Im „Lokal-Anzeiger“ erschien vor der Heeresvorlage ein

einem bemitleiden8werten Zustande. immer, daß die Politik aus der Kaserne verbannt sei. der Fall. Artikel mit der Ueberschrift: Die D Arm! Irgend ein General seßt sich hin und \chreibt einen konfusen Artikel über die Forderungen der Armee. Hierüber müßte höchstens ein Plebiszit veranstaltet werden; die Soldaten werden niht gefragt. Die Armee wird immer mehr ein Staat tim Staate. Das Volk soll ihn sich nicht über den Kopf wachsen lassen. Das Ende könnte etwas sein, was niht zum Bestande des Netches beitragen fönnte. Wenn der Kaiser einen Befehl gäbe, der die Verfassung verleßte, so wäre das ein Bruch der Verfassung. Der Kriegsminister sollte die Generale veranlassen, die Finger von der Politik zu lassen. Die Zirkusversammlung des Bundes der Landrvirte war doch keine unpolitische Versammlung, und doch waren Offiziere in Uniform dabei. Eine Versammlung, in der über Agrarzölle geredet, in der über die Juden geshimpft wird, soll keine politishe Versamm- Tung sein? Die Offiziere geben den Soldaten damit nit das beste Beispiel. Warum sollen niht auch Soldaten in ‘eine Versammlung gehen? Man zeigt diesen patriotische Lichtbilder. In etnem Kientopy in Leipzig wurde Soldaten das Leichenbe„ängnts Singers vorgeführt. Bei einem Bierabend in Saarbrücken hielt der General von Gichhorn eine politishe Rede und versicherte daß in der Armee mit allen Kräften daran gearbeitet werde, bereit zu sein. In manchen Kreisen scheue man davor zurück. Er sprach von der Verhöhnung breiter Schichten des Volkes, von dem Bestreben, für den Frieden zu agitieren. Ueber ähnlihe Reden ausrangierter Offiziere geht man mit einem Lächeln hinweg; aber bei einem aktiven General sollte eine folche Kriegstreiberei an der Grenze nicht vorkommen. Der Arbeiter, der jeden Augenblick in Gefahr steht, muß Mut haben, mehr Mut als die Säbelraßler, die den Leuten jenseits der Grenze Wasser auf die Mühle treiben. Die tüchtigsten Generale sind es nit, die viel reden. Moltke hat fast gar nicht geredet. Ich weiß nicht, ob die Säbelraßler, die den Mund so voll nehmen, vor dem Felnde ihren Mut zu zeigen wissen Am \{limmsten sind die Generale auf Meisen, die Nüstungsfanatiker. Gewo!'ß befinden ih manche Offiziere in einer Notlage; fie find auf Nebenerwerb angewiesen, fie werden Agenten, Wetnreisende usw., aber so viel Wein können sie nit verkaufen, als der Kriegsminister jähulih Offiziere absägt. Nun hat sih der Wehrverein gebildet, und für diesen find besonders ver- abschiedete Offiziere tätig. Die Verwaltung sollte sich fragen, ob diese Nüstungsheße im Interesse der Kanonenlieferanten ein standesgemäßes Gewerbe ist. Ein früherer bayerischer Oberstleutnant hat feine Erfahrungen über die Ehrengerichte in einer Broschüre niedergelegt. Generalleutnant von Wrochem schreibt, daß manche Offiziere sih pensionieren lassen, die Gutsbesißer, Jndustrielle waren, um diese Zubuße auch noch zu haben. Diesem Simulantentum muß durch eine strenge Untersuchung vorgebeugt werden, wenn Offi- ziere si selber pensionieren lassen. Bei gemeinen Soldaten ist die Untersuchung unverhältnismäßig strenge. Wenn man bei den Offizieren nur halb so rigoros wäre, so würde General von Wrochem sih nicht zu beklagen haben. Der Sohn cines Postsekretärs wandte sih an 43 Truppenteile, wurde aber nicht angenommen. Ein Kommandeur fraate, was sein Vater wäre; als er antwortete: Postsekretär, erhielt er keine Antwort. Den Zeugoffizieren soll nach der neuen Vorlage der Bursche genommen werden. Wenn der Hauptmann Kammler auf den Kopf gefallen ist, fo foll man ihm eine Verstümmelungszulage geben, ihn aber niht als Bezirksoffizier auf die Mannschaften loslafsen. Man hat den Gouverneur von Straßburg pensioniert. Das hängt mit der dortigen Köpenickiade zusammen, die jeder zuerst für . etnen verspäteten Fastnachtsscherz hielt. Charakteristisch ist dabei eine Aeußerung des Prinzen Joachim, der gesagt haben soll, als man ihn bezüglich der Alarmierung fragte: „So etwas ist meinem Vater schon zuzutrauen.“ Diese Geschichte ist ja noch harmlos, aber

as hâtte passieren können, wenn der Kommandeur von Met den

ustrag auf dieselbe Weise erhalten hätte, die Grenze zu beseßen!

Forderungen der Armee.

Das Volk wird nun für diesen Mangel an UImsiht des Straßburger Generals bestraft, indem es seine Pension bezahlen muß. Es ist unglaublich, was man sich beim Militär herausnimmt. Als unser Kollege Scheidemann in Braunschwetg sprehen wollte, bekamen die Soldaten keinen Urlaub, man sagte ihnen: „Das habt Ihr dem Lümmel zu verdanken, der heute hier im Konzerthause \priht.“ Selbst die „Cölnische Volkszeitung“ tritt für größte Sparsamkeit ein. Aber wenn man nicht iy den hohen Stellen streiht, wird nicht allzuviel berauëtfommen. So ift es doch geradezu unglaublih, daß man für dén Chef des Militärkabinetts in der teuersten Gegend von Berlin eine Villa von 2 Millionen kaufen und ihm noch dazu cinen Fesisaal bauen will. Beim Streik in Stralsund hat erst noch vor einigen Tagen das Militärkommando in Stettin den dortigen Spediteuren Soldaten zur Verfügung gestellt. Die Duellfrage verweist man an eine besondere Kommission, anstatt einfa zu bestimmen, daß ein Offizier, der sih duelliert, sotort aus dem Heere ausscheiden muß. Aber man will diese Angelegenheit nur vershleppen. Wir ver- langen, daß die Geseße, die für die Staatsbürger gelten, au für den Offizier Geltung haben. Wir lehnen den Militäretat ab, weil man die Soldaten dazu gebrauchen will, die Arbeiterbewegung zu hemmen. : Preußischer Kriegsminister, General der Infanterie von DCeerinaeit:

Meine Herren! Jch glaube, gerade mit der lezten Behauptung, daß die Armee dazu gebrauht würde, um das Volk zu unterdrüdcken, um gewisse Klassen zu s{hüßen, wird der Herr Abg. Stücklen wenig Anhänger finden. (Widerspru bei den Sozialdemokraten.) Ich habe {on erklärt, daß, wenn die Armee gegen inneren Aufruhr auf- geboten wird, wir nur eine geseßliche Pflicht erfüllen, die sehr un- angenehm für die Armee zu erfüllen ist. (Sehr richtig! rechts.) Wir wissen sehr wohl, daß wir dabei keine Lorbeeren zu ernten finden, aber wir tun unsere Pflicht und Schuldigkeit, weil wir uns bewußt sind, daß wir in erregten Zeiten das Rückgrat des Staates zu bilden haben.

Ich will auf die Aeußerungen und Wünsche der Herren Vorredner nah und nach eingehen, soweit es die Zeit erlaubt.

Der Herr Abg. Eötting kann versichert sein, daß ih den Wünschen, die er auf verschiedenen Gebieten geäußert hat, wohl- wollend entgegentreten werde; aber es gibt da sehr viele Hindernisse, und ob fie aus dem Wege zu räumen sind, kann ih im Augenblick niht übersehen. Seine Frage bezüglih der Uniform der Sanitätsunteroffiziere beantworte ih dahin, daß bei dieser Aenderung der Generalstabsarzt der Armee nicht nur befragt worden ist, sondecn daß das auf seinen ausdrücklihen Antrag hin geschehen ist, weil der Ersay unseres unteren Sanitätspersonals der Uniform wegen nachzulassen droht. Es spriht aber auch hier noch ein Disziplinarinteresse mit: man muß stets in einwandfreier Weise fest- stellen können, welGem Truppenteil der Betreffende angehört, wenn irgend einmal ein Vorwurf gegen eine solhe Person zu erheben ist.

Ob das Sanitätsoffizierkorps dem Herrn Abg. Stülklen schr dankdar ist über die Art und Weise, wie er heute" dessen Wünsche hier vorgetragen hat, glaube ich bezweifeln zu dürfen. Unsere Sanitätsoffiziere wissen ganz genau, wie fie mit dem Offizierkorps im allgemeinen stehen, und es ist keine Rede davon, daß unser vortrefflihes Sanitätsoffizierkorps von dem Offizierkorps über die Achsel angesehen wird. Wir wissen sehr wohl, was wir an ihm haben, und gerade der vortrefflihe Gesundheitszustand der deutschen Armee zeigt, was unfer Sanitätsoffizierkorps zu leisten imstande ist. Deshalb muß ih die Behauptung auf das bestimmteste ablehnen, daß der Ersaß des Sanitätsoffizierkorps irgendwie zu wünschen übrig läßt. Da, wo Klagen über die Sanitätsoffiziere wegen Mißhandlungen von Mannschaften erhoben werden, wird thnen selbstverständlih näher- getreten, und Klagen von Eltern über ungehörige Behandlung ihrer Söhne werden erst recht {arf kontrolliert. Aber solche Klagen sind meist subjektiv, wenn man ihnen objektiv nähertritt, stellt fich die Sache meist als ganz anders liegend heraus. Jedenfalls liegt keine Urfache vor, den Fällen cine allgemeine Bedeutung beizumessen und fih so darüber auszudrücken, wie es der Herr Abgeordnete beliebt hat.

In der Zeitung habe auh ih gelesen, daß der General von Wrochem von einer Anzahl Offizieren behauptete, sie bekämen die Pension zu Unrecht. Ih habe ihn gebeten, mir das Material für seine Aeußerungen zu geben. Dieselbe Bitte richtete ih vor eintger Zeit an einen Abgeordneten der mir etwas Aehnliches unter vier Augen mitteilte —. Ich versprach ihm, keinen Gebrauch von den Namen zu machen und ihm die Pensionsakten vorzulegen, damit er sich selbst überzeugen könne, was für cin Leiden der Be- treffende bet seinem Ausscheiden gehabt hat. Ich bedaure, daß der Herr damals darauf nicht eingegangen ist, wahrscheinli aus \{chwer- wiegenden Gründen (Heiterkeit), und ih bedaure ebenfalls, daß Herr General von Wrochem mir die Antwort nicht so erteilen konnte, daß ih darauf eingehen konnte; denn er hat gesagt, cs hätte fih bei thm in erster Linie um eine allgemeine Ausführung. gehandelt, \pezielles Material konnte und wollte er mir aber nihcht geben. Jch bedaure deshalb, auch dieser Aeußerung keine weitere Bedeutung beimessen zu Éönnen. (Sehr richtig! rechts.)

Der Offizier und der Beamte erhalten nur daun Pension, wenn sie ein geseßlich einklagbares Necht dazu haben. Wenn wir den Herren, dann die Pension verweigern wollten, würde das ein Rechts- bru sein. So steht die Sahe für uns. Wir haben roahrlih keine Ursache, irgend jemandem Pensionsgebühren zu geben, die niht am Plate find, aber da, wo sie am Plage sind, muß der Letreffende sie haben, und zwar hat darauf das möchte ih den Herrn Abg. Stücklen sagen nicht nur der. Offizier, s»ndern auch der Mann ein Recht; der Herr Abgeordnete mag für di: Mannschaft dasselbe wie sür die Offiziere verlangen, ih verlange (8 aber au, meine Herren, und zwar einfah deshalb, damit das Geseg ausgeführt wird. Ste können sih darauf verlassen, daß alle derartigen Wünsche innerhalb des Nahmens des Gesetzes auf das wohlwollendste geprüft werden. Denn wahrhaftig, was hätte die Militärverwaltung eigentli für ein Interesse daran, einem Manne oder einem Offizier etwas zu verweigern in bezug auf seine Pensionsgebührnisse, was ihm geseßlich zusteht! Schon die Beantwortung dieser Frage, die jeder von den Herren fi allein geben kann, wtrd Sie überzeugen, daß Vorwürfe in dieser Beziehung gegen die Militärverwaltung zweifellos nicht am

Plate sind. :

Nun ist an der Hand dieser Sache von dem Herrn Abgeordneten auf die Pensionierung des früheren Gouverneurs von Straßburg ein- gegangen worden. Ich kann nicht leugnen, daß der Alarm in Straß- burg seine stark komische Seite hat (Heiterkett), aber der Gouverneur trägt an dieser Sache gar keine Schuld. Jh will kurz erzählen, wie diese Sache zugegangen ist. Auf Wache war ein junger Offizier, dem die bewußte

dort war nur ein Offizier des Stabes vorhanden, der, da der Zeit-

punkt sehr nahe war, bis zu dem nah der Depesche der Kaiser

ankommen konnte, den Alarm befahl, da der Gouverneur nicht da

und der kommandierende General auch außerhalb bei einer Uebung

war. Nun ging der Alarm los; als der Gouverneur und der

kommandierende General zurüdÆfamen, fanden sie die Garnison von

Straßburg {hon im Ausrücken (Heiterkeit); da war kein Eingreifen

mehr möglich: denn, wenn Sie sih überlegen, daß die Garnison

Straßburg auf eine große Zahl von Kilometern verteilt ist, so konnte es sich nur darum handeln, die Sache jeßt laufen zu lassen; das war

der einzig rihtige Entshluß. Nun ist die Sache so aufgebauscht worden, als ob ein höherer Offizier, Gouverneur usw. dabei beteiligt gewesen wäre, Jh will auch noh darauf hinweisen, daß tatsählih in Straßburg die Anwesenheit des Kaisers in Königsberg in jenem Augenblicke nicht bekannt war, sondern daß erst die später aus-

gegebenen Tagesblätter die Nachricht brachten. Also au nach dieser Richtung trifft den betreffenden Offizier keine Schuld, Ieden- falls habe ich auf das allerbestimmteste zu erklären, daß die Verabschiedung des Generals von Egloffstein mit dem Alarm in Straßburg in keinerlei Verbindung teht. (Lachen bei den Sozial- demokraten.) |

Daß ih auf den Fall Knittel in der Budgetkommission ein- gegangen bin, hatte lediglich den Zweck, die Militärverwaltung vor dem Vorwurf zu s{hüßzen, daß wir einen Offizier, der notorisch ein bögartiger Geistes\chwacher fein foll, noch länger tn Dienst behalten hätten. Jh bin mit Absicht niht weiter darauf eingegangen und möchte auch heute nah dieser Nichtung keine weiteren Ausführungen machen, da es sich, wie der Herr Abg. Sperling richtig sagt, hier um ein noch nicht abgeshlossenes gerichtlihes Verfahren handelt, über welches das Urteil vorbehalten werden muß. JIch kann nur darauf hinweifen, daß das, was ich in der Budgetkommission über die Heran- ziehung von militärishen Sachverständigen sagte, sich lediglich auf die Ausführungen über Handhabung der Disziplinarstrafgewalt bezog, auf nichts anderes. Jch kann aber auch weiter sagen, wie ih auch bereits in der Budgetkommission betont habe: felbstversiändlih wird, sobald ih in ausreihendem Maße Material in Händen habe, cine Prüfung nach der Nichtung eintreten.

Der Herr Abgeordnete hat dann eine Episode erwähnt, die einen Herrn seiner Partei, die vor 26 Jahren passiert ist. Irre ih mich nicht, so hat derselbe Herr auch mir diese Episode, als ih die Freude hatte, thn in meinem Hause zu sehen, erzählt. Wenn er den Herrn fragt, so wird er von thm hören, daß ich mit metnem damaligen Amtsvorgänger genau derselben Meinung gewesen bin, und daß ih mich eigentlich über die damalige Auffassung erheblich amüsiert habe. Ich bin durchaus der Meinung, daß es sich darum handelt, die Politik von der Armee fernzuhalten, und ich habe das auch wiederholt hier scharf betont und tn die Tat umgesegzt.

Wenn hier aber darauf hingewiesen wird, daß Offiziere bei poli- tischen Versammlungen des Bundes der Landwirte anwesend gewesen sind, so möchte ih dem gegenüber zunächst sagen : es ist noch nicht fest- Jestellt, ob das wirklich Offiziere waren, oder ob es nicht ctwa Reserve- offiziere gewesen sind. Festgestellt ist aber, deß Mannschaften dagewesen find (lebhafte Zustimmung rechts, Lachen bei den Sozialdemokraten), Mannschaften mit ihren Angehörigen , die diese Versammlung einfach für eine wirtshaftlhe Versammlung angesprochen baben. Selbstver- ständlich ist das nicht rihtig. Auch ich stehe auf dem Standpunkt- daß der § 49 des Reichsmilitärgesezes strikte durchgeführt werden muß, daß von dem aktiven Soldatenstande niemand in eine Ver- fammlung hineingehört, die irgendwie einen politishen Anstrih haben fann, ganz gleichgültig, ob es sich um Offiziere oder um Mannschaften handelt.

Det Artitel, dex, (lalbe i, t „LolalunteigeL“ er- schienen is und der die etwas sensationelle Ueberschrift hatte „Forde- rungen der Armee“, ist eigentliß das gebe ich dem Herrn Abge- ordneten zu bedauerlih. Er hat insofern ganz recht, als er sagte : die Armee hat keine Forderung zu erheben, sondern das ist Sache der verantwortlihen Stellen im Reiche, die für die Interessen der Armee einzutreten haben. Meine Herren, weiß man denn aber, von wem der Artikel geschrieben k , weiß man denn, daß er aus ciner Quelle stammt, die tin irgend einer Weise dafür geeignet ist, die FSunteressen der Armee von einem zentralen Gesichtspunkte aus zu beurteilen? Jch bezweif-le das sehr stark, und ih glaube: ehe man nit weiß, wer eigentlih der Verfasser dieses Artikels ist, kann man ihn au nicht in ausreichender Weise bewerten. Jch bedauere aber die Ueberschrift, die zu vielen Mißdeutungen Veranlassung gegeben hat.

Der Inspekteur der Armeetinspektion in Saarbrücken, General von Eichhorn, hat gelegentlich eines patriotischen Festes auch eine patriotische Rede gehalten. Ja, meine Herren, wollen Sie cs dem General verübeln, daß er im besten Sinne des Wortes an den kriegerischen Geist des deutshen Volkes appellierte, daß er mit anderen Worten an die Opferwilligkeit gegen Staat und Vat:rland appellterte, und zwar angesichts des historischen Geländes von Saarbrücken? Jch verdenke thm das nicht im mindesten. Er hat in keiner Weise zum Kriege gehegt, er hat in keiner Weise Politik getrieben, er hat weiter nichts getan, als daß er an die Gesinnung appellierte, die eigentlich für jeden patriotischen Deutschen selbstverständlih sein muß. (Leb- haftes Bravo! rets. Lachen bei den Sozialdemokraten.)

Der Herr Abg. Stücklen hat dann die Auswahl der Offi- ziere aus gewissen Ständen bemängelt und hervorgehoben, daß die Auswahl der Offiziere nur nach der Tüchtigkeit stattfinden follte. Meine Herren, was ich Ihnen darauf zu antworten habe, werden Sie si selber sagen können. (Sehr richtig! rechts.) Diese Auswahl nah der Geeignetheit findet jeßt {hon statt, und in keiner Weise werden die sozialen Verhältnisse fo bei der Auswahl in den Vorder- grund geschoben, wte es hier dargestellt worden ift.

Gegen eins muß ich aber mit Entschiedenheit Verwahrung ein- legen: wenn nämli behauptet worden ist, daß das deutshe Offizier- forps in feiner jeßigen Gestalt ernstli&en Fällen niht gewachsen wäre. Meine Herren, es ist eine Beleidigung des Offizierkorps, wenn man den Verdacht ausspricht, daß das deutshe Offizierkorps, die Führer des Volks in Waffen, irgendeinen Augenblick den Auf- gaben nicht gewahsen wären, die im Interesse des Vater- landes zu Iôsen fein werden. (Lebhafte Zustimmung rechts.)

Der Herr Abg. Stücklen hat dann weiter gesagt, ein Soldat, der sih in der Kaserne gut führt und mit dem seine Vorgesetzten zufrieden

Depesche überbraht wurde; der sandte sie an das Gouyvernementsbureau,

wären, verzichte eigentli) auf ‘das bishen Menschenwürde in der

Kaserne. Meine Herren, der größte Teil der ganzen Zeit, die wir auf die Ausbildung unserer Mannschaften verwenben ist der Erziehung der Mannschaften im besten Sinne des Wortes gewidmet. Das alte Märchen , daß wir weiter nichts trieben als Drill und Erziehung zum toten Gehorsam usw. trifft heutzutage in keiner Weise mehr zu. Die Erziehung des Deut- schen zu einem guten patriotischen Manne ist ein Hauptzweck (Heiter- eit bei den Sozialdemokraten), den wir in der Dienstzeit verfolgen (Sehr richtig ! und Bravo! rets.) E

Weiter muß ih dagegen Protest erheben, daß der Herr Ab- geordnete gesagt hat: ja, die Mißhandlungen haben, wte der Kriegs- minister es vorträgt, abgenommen, aber die Armee hat jeßt ein sehr bequemes Mittel, indem sie dazu übergegangen ift, die Mißhandlungen disziplinarish zu bestrafen. Meine Herren, das wäre ein Rechtsbruch das wäre direkt gegen das Geseg. Was disziplinarrechtlich bestraft werden kann, ist im Strafgeseßbuch bezw. in der Disziplinar- strafordnung bestimmt vorgeschrieben, und darunter gehört niemals eine Mißhandlung. Ih lege auf das bestimmteste Verwahrung gegen die Behauptung ein, daß an irgendeiner Stelle in der Armee nah dieser Richtung nicht richtig ge- handelt wird. Jedenfalls bitte ih um Beweise, wenn etne folhe

Behauptung aufgestellt wird. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Wenn mir ein derartiges Material vorgelegt würde, so bin ich der erste, der der Sache näher tritt. Solange solhe Beweise nit vor- liegen, bestreite ih mit aller Entschiedenheit, daß so etwas überhaupt vorgekommen ist.

Die Bestimmungen in bezug auf Streiks habe ih bereits gestern dargelegt, und wenn der Herr Abgeordnete heute über eine Sade, die in!Stettin vorgekommen sein soll, gesprochen hat, so weiß ih darüber noch nicht Bescheid. In Ragnit lag die Sache ganz anders. Dort sind die Soldaten in ketner Weise zur Konkurrenz der Streikenden verwendet, fondern sie sind auf Anforderung der Zivil behörde zur Aufreterk,altung der Nuhe und Ordnung hin- geshickt worden. (Hört! hört! rechts.) Es ist unsere Pflicht, wznn dir Divilbehörden die Armee um Hilfe rufen, hinzugehen, und die Art, wie die Truppe dort aufgetreten ift, ist einwandfret gewesen.

Der Herr Abg. Stücklen hat unseren Etat angegriffen und gte sagt, es wäre das Unübersichtlihste, was man sich überhaupt denken tann. Er mag bessere Vorschläge mathen. (Lathen bei den Sozial- demokraten.) Ich habe hier etne Aeußerung, die der verstorbene Abg. Richter getan hat, der zweifellos ein vortreffliher Kenner unseres Etats war. (Sehr richtig! rechts.) Er sagte im Jahre 1875 (vVeiterkeit und Zurufe von den Sozialdemokraten). Ia, meine Herren, da war der Etat genau fo aufgestellt wie jeßt. Nichter sagte also :

Ich kann niht umhin, bei dieser Gelegenheit anzuerkennen, daß die Art, was die formelle Anordnung und Aufstellung des Etats betrifft, eiue vortreffliche ist, :

und er sagte weiter, daß er diese Art der Aufstellung des Etats

die dieselbe geblieben ist wie heute den anderen Ver-

waltungen nur als Muster empfehlen könne (Hört, hört! rechts.)

Ich glaube, der Herr Abz. Richter gehörte zu denen, die. unseren

Etat kannten, die ihn durcharbeiteten, und ih kann Herrn Stüelen

nur empfehlen, ihm auf ‘diesem Wege zu folgen. (Lachen bei den

Sozialdemokraten Bravo! rets.)

Der Herr Abgeordnete hat dann das verschiedene Zulagewesen der Armee angegriffen. E war eine vom Reichstag gewünschte Denkschrift, die vorgelegt werden sollte, und wenn hier die Begrün- dungen der Zulagen etwas kurz ausgefallen find, so hat das seinen Grund darin, weil wir alte, längst bestehende Sachen nicht weiter hervorheben wollten, weil sie dur die Andeutungen, die in dieser Denkschrift gegeben sind, von jedem der Herren Abgeordneten in ihrer Gntstehung verfolgt werden können. Es aber fo hinzustellen, als ob die Begründung, die in der Denkschrift gegeben wird, das Alleintge d was zu der Begründung der Zulagen zu sagen it, ist nicht richtig.

Unter anderen ist das au der Fall wegen der Zulagen für die Mannschaften und Unteroffiziere der Neitshule in Hannover. Der Herr Abgeordnete ist durchaus fals berichtet, wenn er meint, daß eine derartige Jagd hinter Wild ein feudales Vergnügen wäre. (Heiterkeit rechts.) Das ist ein fehr s{chwerer Dienst für die Herren, und die Lebensgefahr, die dabei in Betracht kommt, trägt in noch höherem Maße der Offizier, als der Unteroffizier und der Mann, die bei diesen Uebungen mit verwendet werden müssen. (Zuruf von den Sozialdemokraten.) Auf was kommt es an? Wir müssen gut aus- gebildete Kavalleristen haben, die völllg Herr thres Pferdes sind und auch im s{chwierigen Gelände unter allen Umständen vorwärtskommen. Das kann man nicht in der Reitbahn lernen, das kann man in gewisser Beziehung au nit lernen, wenn man nah seinem Gefallen durh das Gelände reitet. Hter kommt es darauf an, gezwungen {nell hinter einem selbständig durch shwieriges Gelände gehenden Objekt d. i. im vorliegenden Falle ein Wild- [wein herzureiten. Diese ganze Sache ist dienstlih notwendig und wird dienstlih betrieben, sie ist unbedingt notwendig zur Aus- bildung für den Krieg. (Heiterkeit bei den Sozialdemokraten. Sehr richtig! rechts.) Er hat eine Verfügung angeführt; die ih angebli über Kriegervereine erlassen habe. Mir ist diese Verfügung im Augen- bli nit gegenwärtig. Aber eines weiß ih, daß sie nichts anderes enthalten kann, als die Sympathie, der ein Kriegsminister gegenüber Kriegervereinen Ausdruck gibt. Warum ih diese Sympathien habe, und warum ih sie in die Tat umsetze, habe ih gestern den Herren gesagt, nämli weil der Zweck der Kriegervereine der ist, die Treue zu Kaiser und Nei zu befestigen und zu erweitern und außer- dem die Anhänglichkeit an ihr altes Soldatentum. Ih meine, das liegt auf der Hand, daß die Armee solhen Bestrebungen nur aus vollem Herzen zustimmt. (Bravo! rets.) Dann hat der Herr Abgeordnete eine Erklärung verlangt, was ih unter national verstehe. Ich will ihm darauf folgendes antworten. Ich verstehe darunter das Eintreten für Kaiser und Reih. Die Armee. steht unbedingt auf dieser Grundlage und muß infolgedessen Bestrebungen, die in der Armee keinen Boden finden dürfen, und die von etner Partei aus- gehen, die si offen zur Republik bekannt hat, bekämpfen. Wir sind nit nur allein da, daß wir die Soldaten Schießen, Reiten usw. lehren, fondern daß wir sie zu patriotishen Deutschen er- gichen. (Bravo! rechts, Lachen bei den Sozialdemokraten.) Es ift das unsere erste Aufgabe, und wir würden ein Verbrechen be- gehen, wenn wir dieselbe niht nah unseren besten Kräften erfüllten. (Bravo! rets.) Der Herr Abgeordnete hat dann weiter gesagt, es

| läge ihm fern, Kritik an der Armee aus dem Grunde zu üben, um sie vor dem Auslante herabzuseßen. Ich will ihm das ohne weiteres glauben. Aber ih habe von den Wirkungen gesprochen, die eine solhe Kritik nah außen hat, und die sih in kritischen Zeiten {on deutlich bemerbar gemacht hat. Aus unseren Nachbarländern sind manch- mal Stimmen laut geworden, die die Ansicht ausf\prechen, wir ständen vor der Revolution, der deutsche Offizier stände überhaupt den Mann- {chaften feindlih gegenüber. Nein, meine Herren, dem ist nicht so der deutshe Offizier ist innig mit seinen Untergebenen verbunden. (Lachen bet den Sozialdemokraten.) Dafür baben wir au Beweise. Ich brauhe nur auf unsere Kämpfe in Afrika zu verweisen wo Offizier und Mann dies vor dem Feind in Not und Tod deutli bewiesen haben. Und wenn wieder einmal ernste Zeiten an Deutsch- land herankommen sollten, dann wird dieser Beweis von neuem ge- führt werden. Der deutsche Offizier ist ih genau bewußt, daß er mit mißhandelten und nit richtig erzogenen Leuten in einkr Shlacßt nit gut durchkommen würde, und deshalb haben wir stets unsere Aufgabe vor Augen, die Leute zur Treue zu Kaiser und Reih und zur Anhänglichkeit gegen ihre Vorgeseßten zu erzichen. (Lebhaftes Bravo rets und bei den Nationalliberalen.)

Dg. Dr. Hoppe (nl.): Auch wir sind überzeugt, daß Offi- ziere und Soldaten in ‘ernster Zeit wieder ihre Schuldigkeit tun werden, Die Mülitärverwaltung braucht bald viele Offiziere. Mancher hat jeßt Sorge, woher dieser Grsaß kommen soll. Es ist natürlich, daß bei den jeßigen Verhältnissen ih nur der der Offizier- ¿aufbahn widmen kann, der über größere Mittel verfügt. Es wäre eine schwere Unterlassungssünde, wenn wir diesen Zustand bestehen ließen, daß nur Söhne reicher Eltern Offiziere werden können. Be- züglich der Negelung der Urlaubszeit sind verschiedene Wünsche laut geworden, ganz besonders nach der Nichtung, daß es den Offizieren gestattet wird, den Urlaub in der Garnisonstadt verbringen zu können. Das käme in erster Linie den verheirateten Offizieren zugute.

Abg. Erzber ger (Zentr.): Es ist dringend notwendig, daß man den erkrankten Soldaten mit der gebotenen Nücksicht entgegen- ommt. Man muß mit dem System brechen, sie die ersten drei Tageallein mit Nizinusöl zu behandeln und mit Wassersuppe zu ernähren. Jeder ijt doch kein Simulant. Die Fehlstellen im Sanitätsoffizierkorps Eönnten vermindert werden, wenn man diesen die Universitätszeit auf das Vienstalter mit anrechnet. * Auh wäre eine anderweitige Nege- an des Skudiums nolwendig. Gs wäre zu untersuchen, ob nicht eine 7 (ischung von auf der Pepinière und der Kaiser Wilhelmsakademie Ausgebildeten mit Zivilarzten möglich ist. Die Art und Weise, wie inanche Vezirksoffiziere die Reservisten behandeln, ist ganz unzulässig. Vebt man im Militärstrafgeseßbuch die Bestimmungen über den 2wei- kampf auf, dann macht man das Duell straffrei. Jch hoffe daß die Kommission noch vor der 3, Etatslesung den neuen Entwurf fertig ausgearbeitet hat. Viel Wert legen wir dabei neben der Ver- bängung von Gefängnisstrafen auf die Aberkennung der Chrenrechte. Cinen Borwurf hätte gerade der Abg. Stücklen uns wegen der Duell- [rage nicht machen sollen; wir wollen lediglih etwas Praktisches zu stande „bringen. Was die Sparsamkeit auf dem Gebiete des Heer- wesens betrifft so hat es die Budgetkommission in dieser Beziehung sehr shwer, zumal wenn im Plenum immer und auch heute wieder von den Abgg. Oba und Hoppe Wünsche vorgetragen werden welche auf eine starke Srhöhung der Ausgaben hinauslaufen. Zur Pauschquantumswirtschaft will der Kriegsminister nicht zurüfehren er will von den 675 M für den Kopf nichts wissen; auf diesem Wege würde allerdings eine bedeutende Ersparnis erzielt werden. Wenn diejer Weg nicht gangbar ist, muß es anders gemacht werden. Wir unjerseits haben zahlreiche Anträge auf Verminderung der Ausgaben um einzelnen eingebracht, die Sozialdemokraten haben nur zwei ganz geringfügige Anregungen in dieser Richtung gegeben: zu einem Vor- wurf gegen das Zentrum ist also fein Anlaß. Bei den Komman- danten und Adjutanten könnten wir direkte Abstriche aus durch- schlagenden Gründen nicht machen; darum haben wir den Weg betreten, daß bis zur dritten Lesung Verhandlungen darüber mit den Iegierungen und den Fürsten geführt werden sollen. Die Sparsam- keit grofggig zu Uben, ist ein unlösbares Problem; aus vielen leinen “t]parnissen ergibt sich {ließlich aber auch der große Zug. —Lenn wir an den Adjutanten vielleicht 150.000 4 auf diese Weise er|paren, so shäße ih hundertfah höher den moralischen Eindruck den es In der VDeffentlichkeit machen wird, wenn die Bundesfürsten sreiwillig zu diesem Verzicht ih bereit erklären: nihts würde dem Grfolg, der Wehrvorlagen im Reichstage mebr die Wege ebnen.

; Württembergischer Bundesratsbevollmächtigter Generalmajor von Graeveniß: Es ist der schon in der Kommission verhandelte Fall hier wieder vorgebracht worden, daß ein Mann in Ulm als krank nicht mit der nötigen Nücksiht behandelt worden ist. Es handelt sich um einen Mann, der tatsählih an einer {weren inneren Grkrankung litt, vermutlich an Krebs; diese Krankheit wurde aber erst erkannt bei der »Peration, also zu spät. Die Behandlung ging auf Magen- katarrh; äußere Krankheits\ymptome waren niht da. Er ist dann auch noch zum Wachdienst beigezogen worden. Später trat die Krank- heit. shwerer heran. Er wurde ins Lazarett gebracht, operiert und ist nach etmgen Tagen gestorben. So sehr dieser Fall bedauert werden muß, fo trifft ein berechtigter Vorwurf die Militärverwaltung nicht. E Abg. h nle (fortschr. Volksp.): Es ist ja eine Tatsache, daß die Zahl der Mißhandlungsfälle zurückgegangen ist; aber nah wie vor sollte die Militärverwaltung in jeder Beziehung dafür sorgen, daß diesem Krebsschaden möglichst energisch zu Leibe gegangen wird. ‘Wir glauben auch, daß es der Verwaltung Ernst damit ist. Offiziere, die sich soweit vergessen, Wehrlose in der Weise, wie die einzelnen frassen Zalle gezeigt haben, zu mißhandeln, sollten als unfähig erklärt werden, [Mglere zu fein; in dieser Hinsicht müßte eine scharfe Prüfung jedes einzelnen Falles stattfinden. Der Kriegsminister sagte, er dulde die Politik mckcht in der Armee. Jedenfalls muß alle unnötige kleinliche Schikane hinsichtlich der Lokale vermieden werden. Es ist schon auf den Fall des Verbots des Spielens der Militärkapelle in Ulm hin- gewiesen worden, Das Einschreiten des Regimentskommandos war direkt geaen die Theaterdirektion gerichtet. Mit solchen kleinen Maß- nahmen kann die Sozialdemokratie nicht bekämpft werden, sie wirken geradezu aufreizend, Wir bitten, dafür zu sorgen, daß in Zukunft folche Mittel ‘der Bekämpfung der Sozialdemokratie vermieden werden. Sparsankeit muß gerade in diesen Zeiten durch die Tat be- wiesen werden. Cs ist Pflicht des Reichstags, in dieser Zeit der Opfer an die Regierung heranzutreten und sie zu ersuchen, darauf hinzuwirken daß die VBundesfürsten auf eine Zahl der ibnen allerdings vertrags- maßig garantierten Adjutantenstellen freiwillig verzichten. Es fönnen auch auf anderen Gebieten Ersparungen gemacht werden. Daß die Vezirkskommandeure ein wichtiges Amt bekleiden, wollen wir nit O die Bezirkskommandos sollen ein Zwischenglied zwischen Mannschaften und dèm bürgerlichen Leben fein. Vielfah wird aber die HNücfsiht auf das bürgerlihe Leben von den Bezirkskomman- deuren außer acht gelassen. Gewiß gibt es unter den Mannschaften eine ganze Menge Drükeberger. Anderseits ziehen die Bezirkskom- mandos nicht genügend in Betracht, welche ungeheuren Belastungen für die Unternehmer und ihre Angestellten aus der Heranziehung der Mannschaften des Beurlaubtenstandes erwahsen. Es gibt Be- zirbsoffiziere, die grundsäßlih nur auf Arreststrafe bei Kontrollver- sammlungen erkennen. Es muß unbedingt verlangt werden, daß der Bestrafte seine Angehörigen von der anzutretenden Strafe in Kennt- nis: seßen kann. Von den Ersaßmannschaften kann man nicht ver- langen, daß sie sih militärish korrekt benehmen. Es sollte über- haupt nur eine Kontrollversammlung im Jahre abgehalten werden. Dunkelarrest sollte möglichst sparsam verhängt werden. Die Militär- verwaltung eigt manchmal eine sehr deplacierte Sparsamkeit. Als ein Ulan bei einem Regiment überritten war und starb, kam man den Hinterbliebenen in feiner Weise entgegen, felbst ‘die Ueber-

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führungsfosten weigerte sich die Verwaltun 1 i Ul weige Berwallung zu übernehmen. Die Juden haben an den Opfern der Kriege einen ehrenvollen Anteil |

aenommen: 484 Juden sind im deutsch-französischen Kriege verwundek und getötet worden; ihre Tapferkeit ist auch in Nachrufen anerkannt worden. Es liegt nit an den jüdischen Mitbürgern, daß sie nicht in Offizieröstellen kommen, sondern an der Militärverwaltung. Es liegt ein Verstoß gegen Verfassung und Geseß vor. Nichts ist ge- eigneter, Vertrauen zu der Militärverwaltung zu weden, als eiz fortschrittliher und moderner Geist.

Preußischer Kriegsminister, Infanterie von Heeringen: E Meine Herren! Nur sehr Weniges! Der Herr Abgeordnete ist darauf wieder ß meine Auffassung von derx

/ zurückzekoinmen, daf Pensionierung der Offiziere dort draußen im Volk einiges Kopf-

shütteln erregen würde, und der Herr Abg. Erzberger hat in einem Fall hier angeführt, in dem, wie er sagte, vom Militärkabinett aus- gesagt worden wäre, der Mann soll den Abschied wegen Dienst- untauglihkeit nehmen. Jch möchte sehr gerne an den Herrn Abg. Erzberger die gleiche Bitte richten wie an den anderen Herrn, daß der Fall mir zugänglih gemacht werde, ohne daß das verspreckhe ih hier vor dem ganzen Reichstag dem Mann irgendwie geschadet werden foll. (Abg. Erzberger: Ih habe das schon mitgeteilt!) Dann werde ih einmal nahsehen. Aber daß diese Nachricht so [auten foll daß das Militärkabinett in dieser Weise verfügt haben soll, das glaube ich niht. Denn alle Abschiedsgesuche, die als Aller- höchste Orders berausfommen, lauten so: Es foll der Mann den Abschied mit der ihm zustehenden geseßlihen Pension bekommen, und mit diesem Zusatz gehen sie an das Kriegsministeriuum. Dort ist es die zuständige Stelle, die zu prüfen hat, ob dem Maun Pension ¿zusteht oder nicht. Daß das geschieht, möchte ih durch einige Zahlen erläutern. Im Jahre 1911 wurden in Preußen 564 Offiziere verabschiedet, und von diesen sind 178, d. h. glei 32%, ohne

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Pension verabschiedet worden. Also, ih meine, diese Zahlen. müssen Ihnen den Beweis liefern, daß mit ganz genauer Gründlichkeit hier dem auch nahgegangen wird, ob eine Berechtigung für den Pensions- empfang vorliegt.

ç A Œ@ =— c ( : Ç A E B ra n d y s (Pole): Vas System, das in dem Falle des amtsbrihters Knittel zur Durchführung gelangte, ist dasselbe, das Zon A in den Gebieten der polnischen Bevölkerung anwendet. E y errsc "t vom, niedrigsten bis zum höchsten Beamten eine große Schnüffelei in politischer Beziehung. Das geht sogar so weit, daß man fkatholishe Mitbürger von Militär wegen ebenfalls drangsalierl, wenn ste bei cinem Kompromiß zwischen Zentrum und Polen nah diesem handeln. So 1 man auch gegenüber katholischen Geistlichen verfahren. Notwendig is es, den Söhnen von Landleuten jähr- lih einen Ernteurlaub zu geben. Das würde den Mangel an Land- arkteitern wenigstens etwas beseitigen. Abg. Dr. Hegenscheidt (Np.): Mir und meinen Partei- sreunden liegt ganz besonders der Militäranwärterstand, zu dem i ja durch meinen Beruf in naher Beziehung stehe, schr am Herzen. iese Leute haben die beste Zeit ihres Lebens im Dienste des Naterx- landes verbracht, Es ist deshalb ein nobile officium, für diesen Stand besonders zu sorgen. Dies i nicht nur eine Ghrenpflicht jondern ein Akt der Selbsterhaltung. Heutzutage, wo jeder tüchtige, kräftige junge Mann die verschiedensten Moglichkeiten ausnüßen fann, um seine eigene Arbeitskraft nußbringend zu verwerten, da ift 08 unbedingt notwendig, einen besonderen Anreiz zu schaffen um “dem Unteroffizierstande immer neues und frisches Blut zuzuführen. Lassen wir 1n diejer Sorge nach, dann gefahrden wir eine große Wirkung unjerer Wehrvorlage, \ 1 |

General der

ur bro die unser Volk militäris{ ertüchtigen fFoll. Der Unteroffizierstand ift der erste Helfer mit zu diesem Ziel. Er

joll den Soldaten in seinen Dienst einführen, thm fällt die “Aufgabe

zu, die Liebe zum militärischen Beruf in den Soldaten zu weden

und wachzuhalten. Deshalb müssen au moralische Qualitäten in ihm vorhanden sein. Lassen wir also in der Sorge für den Unter- cfsizterstand na, dann werden wir uns nit den Ersaß verschaffen Éonnen, oder wir mussen unsere Ansprüche herabseßen. Vieles ist ja in diejer Beziehung schon geschehen. Ich habe auch das Vertrauen, daß auf diesem Wege unermüdlih fortgefahren wird. Die Klagen der Militäranwärter dauern aber fort und erweisen si vielfah nicht als unbegründet. Die komplizierten Bestimmungen für sie werden haufig zu bureaukratish ‘ausgelegt. Die jungen Anwärter müssen von Pontius zu Pilatus laufen und alle Jahre von neuem ihre Ansprüche anmelden. _Bedauerlich ift, daß in leßter Zeit eine Stockung in der Militärversorgung eingetreten is. Hoffentlich ist diese nur vorüber- gebend, da 1a in den leßten Jahren in den Staaten und im Neich eine große NReihe bon Anwärterstellen geschaffen worden sind: Durch die Wehrvorlage brauchen wir jährlih 2000. Unteroffiziere mehr. Wir müssen beizeiten dafür lorgen, daß keine Schwieriokeiten bier eintreten. Man hat hier beahtenswerte Vorschläge gemacht, gaûz besonders in Verbindung mit der inneren Kolonisation. Troß der nicht zu leugnenden Schtvierigkeiten hierbei muß diese Frage im Auge bebalten werden. Die zur informatorischen Beschäftigung eingezogenen Unteroffiziere beziehen nur die Gebührnisse ihres militärischen Amtes. 2-as 1k bejonders für die Verheirateten zu wenig. Man sollte diesen Leuten ein Gesamteinkommen gewährleisten, das ihnen ein einiger- maßen sicheres Auskommen gestattet. Bei den Kommunalverwal- tungen werden häufig die Stellen niht mit Militäranwärtern be- jest, die thnen eigentlich vorbehalten sind, weil man bei ihnen nit die nötigen Kenntnisse vorausfeßt. Durch Zusammenarbeiten zwischen der Zentralbehörde und den Kommunen ließe sich vielleicht etwas für die Militäranwärter tun. Geschieht das mit Nachdruck, dann wird nh vieles bessern lassen. Bei Vergebung von Lieferungen soll man tunlichst auf die Handwerker Nücksicht nehmen. Hier kann die Miliz tarberwaltung Mittelstandspolitik treiben. Auf keinen Fall wollen wir uns durch irgendeinen Staat der Welt verdrängen lassen in der Sorge um den Unteroffizierstand. Dann werden wir einen Unter- ossizierstand haben, der immer pflichttreu sein wird. Däs wird dein Vaterlande mcht zum Schaden gereiben. i Abg. Dr. Haegy (Els.): Im elsaß-lothringtschen Landtage ist von den Liberalen in der Zweiten Kammer ein Antrag der fortshritt- lichen Mitglieder eingebracht worden, der sich gegen Ausschreitungen von Offizieren rihtete. Die Regierung hat die Zuständiäkeit der Kammer bestritten; wir müssen daher hier darauf zurückommen. Bei seinem Abschiede hat der General von Prittwiß und Gaffron eine Nede gehalten, în der durdaus ein Ety- greifen in die Politik des Landes gesehen werden muß. Der kommandierende General hat sih gerühmt, den Kamvf aegen den Nationalismus mit Eifer und Erfolg geführt zu häben. Einc - solche Einmischung eines Generals if durhaus unstatthaft: cine der- artige Parteinahme des Militärs, eine folche Art militäriser Nebenregierung, über die sh s{chon früher der Generalfeld- marschall von Manteuffel beklagte, kann nit geduldet werden. Auch bet den Jagdversteigerungen haben die Offiziere eine Nolle ge- spielt, die ih nicht billigen kann. Die Gemeinden find dabei vielfach stark geschädigt worden. Gegen Militär darf die Polizei nit vor- gehen, auch wenn bei militärts{en Abschiedsfeiern, wie in Mülhausen, ganze Truppenteile mit Musik lärmend dur die Stadt ziehen. Auch wir zu Hause haben manche Klagen über nrilitärische Boykotte zu führen. In Mülhausen ist ein Lokal, in dem der Verein ‘der che- maligen Fremdenlegionäre verkehrt, dem Militärverbot verfallen. Wir bedauern aufs tiefste, daß die Fremdenlegion noch immer Zuzug von Deutschen erhält, die in die afcikanishe Hölle si locken laffen. ‘Als ein Redakteur die Verhängung dieses Boykotts eine Dummheit nannte ist der Staatsanwalt mit ganz unverhältnismäßt er Sthärfe eingeschritten, Die eingebrahten Anträge begrüßen wir du weg mit Freude und werden thnen zustimmen. Der Diedenhofener Fall der vier fatholischen Geistlichen steht nit vereinzelt da. Der dortige Beztrkskommandeurx verfolgt gegen die Mannschaften des Beurlaubtenstandes ein System,

das schon ganz erstaunlihe Blüten gezeitigt hat; mit Arrest«