1913 / 97 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 24 Apr 1913 18:00:01 GMT) scan diff

mehr als Bedenken habe ih aber bezüglih des Antrags der Budgek- fommission überhaupt niht geltend gemaht. Es hat mir völlig fern gelegen, das Budgetrechßt oder das Kontrolre@t des Nelchstags

irgendwie bezweiseln oder eins{chränken zu wollen. Meine Herren, | Sie sind in der Lage, durch thre Budgetkommission, durch Sub- !

kommissionen der Budgetkommission, dur befondere parlamentarische Kommi!sionen soviel zu verhandeln und fovtel zu beschließen, wie Shnen zur Ausübung Ihres verfassungsmäßigen Nets auf dem Ge- biete des Etatswesens irgendwie notwendig und nüßlich erscheint. Ich habe nur gesagt: der Reichstag ift nicht in der Lage, eine gemischte Kommission niederzuseßen, in der Mitglieder der verbündeten Ve- gierungen sowie andere, dem Parlament nit angebörende Mitglieder fißen sollen, sondern eine derartige gemishte Kommission kann nur der Herr Neichskanzker niederseßen, weil es sich bier nit mehr um die Aus- übung des Budgetrehts des Neichstags, sondern um eine reine Verwal- tungsmaßregel handelt. (Schr richtig! rechts.) Ich habe mich dann aber ausdrücklih bereit erflärt, Ihren Wünschen entsprehend eine derartige Kommission niederzuseßen, mit der einzigen Einschränkung, daß ih die Berufung der Reichstagsmitglieder für den Herrn Reichskanzler in Anspruch nehme, weil es sich eben um eine Verwaltungsmaßnahme und nicht um die Ausübung eines parlamentarischen Rechts handelt.

(Beifall rets.)

Abg. Dr. Frank (Soz.): Diese Ausführungen bedeuten einen Nüclzug gegenüber dem Vorher. Der Staatssekretär hat zuerst den Aus- ‘druck verfassungswidrig gebraucht und diesen {weren Vorwurf bis zur Stunde nit zurückgenommen ; es wird Sache, des Neichstaas sein, diesen Vorwurf zurückzuweisen. Jch bedauere, daß die von ver- schiedenen Vorrednern gehaltenen Vorlesungen über fsiaatswi}sen- schaftlihe Vorbildung fo wirkungslos geblieben sind. Eine Kom- mission, die die bewußten Vorgänge prüfen foll, übt do keinen Akt der Erxekutive aus. Hat denn der Neichstag bloß die in der Verfassung vorgesehenen Rechte ? Es ist in der Verfassung nicht verboten, folche Kommissionen einzuseßen, also hat der Neichstag dazu das Necht. Die Negierung follte, uns ‘dankbar sein für unsere Anträge. Sie weiß offenbar gar nicht, bis zu welcher Tiefe das Mißtrauen draußen gediehen ist, und fie irrt sich, wenn fie meint, daß sie die nötige Autorität und das notwendige Vertrauen genießt. Eine solhe Kömmission kann irgend eine Bedeutung pur haben, wenn sie vom vollen Vertrauen des Landes und des Volkes getragen ist ; glauben Sie, daß man draußen im Lande zu den &r- gebnissen einer Kommission Vertrauen haben würde, die die Nes gierung. ohne jede Bindung beruft und deren Aufgaben sie bestimmt: Die Kommission wird so viel Vertrauen haben, wie die Regterung selbst, und dieses ist auf cin Minimum zusammengeschrumpft. _Gewik bedeuten unfere Anträge eine Fortentwiälung der Verfassung. Werden sie nicht angenommen, fo bitten wir, wenigliens die Kom- missionsresolution durch unsere Amendements zu verbessern.

Abg. Dr. Spahn (Zentr): Der Staatssekretär hat in seiner zweiten Ausführung sich darauf be]hränkt, zu sagen, der Antrag entbehre der Begründung durch die Verfassuug. Darüber läßt #ch reden. Der Staatssekretär verkennt ganz und gar das _Maß von Mißtrauen, das gegen unsere Heeresverwaltung besteht. J bin brieflich von einer Seite, deren Berechtigung dazu ich durchaus anerkennen muß, gebeten worden, dafür einzutreten, daß der Kommission richterliche Befugnisse übertragen würden, weil sonst das Mißtrauen im Volke nicht zu beseitigen wäre. Wir gehen mit unserer Forderung in der Resolution niht über die uns gezogenen Grenzen hinaus. Der: Effekt des Antrages liegt darin, daß die Kommission möglich{ rasch zusammentritt und möglihst rasch ver- handelt. Der Brief von den Deutschen Wafsfen- und Munittons- fabriken ist noch lange nit aus der Welt geschafft. Deshalb haben wir das allergrößte Interesse, möglichst rasch in die Erörterung ein- zutreten. Es handelt sh hier um eine reine Frage des Kontroll- rets, wie es dem Reichstage überhaupt zusteht; wir können nach keiner Richtung darauf verzichten.

Abg. Graf We star p (konf.): Ueber den Begriff der Verfassung8- éneins habe ich heute namentlich von dem Abg. Dr. Püller- Meiningen sehr überrashende Aeußerungen gehört. Stillschwetgende Verfassungsänderungen, VerfassungLändecungen dur Lkonkiudente Handlungen gibt es doch wahrhaftig niht. Es werden hier Einzelhandlungen, die niht im Einklang mit der Verfassung stehen, verwechselt mit Verfassungsänderungsanträgen. Deshalb fann auch der Vorgang von 1905 nicht maßgebend sein. Unsere Verfassung ist* geshrtebenes Net und kann also nur auf demselben Wege abgeändert werden. Gegenüber tem Abg. Dr. Frank sage ih: Die Staatsgewalt geht aus von den verbündeten Re- terungen, und der Reichstag ist zur Mitwirkung nur insoweit erufen, als ihm die Verfassung diese Mitwirkung auédrücklih üver- trägt. Mit dieser Auffassung befinde ih mich mit sämtlichen Staats- rechtslechrern in Uebereinstimmung. Als Eingriff in „die Erefkutive hatte ih die Nummer 2 des Antrags Albrecht bezeichnet. Uls ih das tat, nahm ich an, er verlange, es sollten Zeugen und Sach- verständige vernommen werden, während er tatsächlich verlangt, es soll ein bezüglihes Gese eingebracht werden. Va habe ih mich geirrt; ih habe sagen wollen, ohne etne solche geseßlide Aenderung wäre es ein Eingriff aewesen. Dagegen kann ih nicht zugeben, ‘day der Reichstag das Vet hat, gemischte Kommissionen zu bilden, denen auch außerhalb des Neichstages stehende Personen angehören. Das ist lediglih Sache der Erxekutive. Einen Eingriff habe ih auch darin erblickt, daß der Reichstag die einer folien Kommission an- gehörigen Reichstagsmitglieder wählen soll; ihre Berufung ist wie die Berufung der Kommission Sache des Reichskanzlers, und der Neichstag hat nicht das Recht, den Kanzler zu zwingen, diese Mitglieder einzuberufen. Von dem, was ih über das CEtatsrecht des Yeichstages sagte, haben sih die Abgg. Erzberger, Paashe und Müller-Meiningen ein völlig falsches Bild gemacht. Sie haben gegen eine Puppe gefochten. Ich habe gefordert, daß die Kommission sih beschränke auf das (Bebiet der etatsrehtlichen und rechnungsmäßigen Kontrolle, wobei ja auh die Zweckmäßigkeit der Verkvendung der Gelder geprüft werden könne ; ih habe also die Prüfung der Zweckmäßigkeit nicht in Abrede gestellt. Gewarnt habe ih davor, daß die Kommission versuche, für die einzelnen Negierungshandlungen ein Recht der Zu- stimmung und Mitwirkung in Anspruh zu nebmen. Nicht aus den Worten des Staalssekretärs habe ich den Anlaß zu meinen Be- merkungen entaommen, fondern den allgemeinen Erfahrungen, die man mit solchen Dingen zu machen pflegt, und die Ausführungen des Abg. Dr. Frank haben mich abermals in meiner Auffassung bestärkt. Der Abg. Spahn wies auf dic Größe des Mißlrauens hin. Dem möchte ih doch widersprech:n. Ein gewisses Mißtrauen haben wir, das ist unsere Verpflichtung bet der Prüfung und Kontrolle. Aber daß darüber hinaus ein allgemetnes Mißtrauen gegen unserc Kriegéverwaltung bestehe, vor allem aber, daß cs begründet sei, kann ih nicht zugeben.

Abg. Wald stein (forlschr. Volksp.): Graf Westarp ist gar nicht mißverständlih gewesen, noch mißverstanden worden. Er hat das Wesentlichste tes Antrags Albrecht, daß ein Geseh verlangt wird, erst _nachträglich entdeckt, sonst hätte er seine Vorwürfe gegen den Kollegen Dr. Müller-Meiningen gar nicht erheben können. Daß fich die Nr. 1 des Antrages Albrecht durchaus in den Grenzen der jeßigen Befugnisse des Neichetages hält, darüber ist alles einig. Jn Nr. 2 wird nihts a!s ein g‘wöhnlichcs Gefeß verlangt, wenn es au materiell eine gewisse Fortbildung unserer konstitutionellen Verhältnisse bedeutet. Die Ausführungen des Abg. Spahn gehen doch in ihrer Konsequenz auf die Annahme des Antrages Albrecht. Man kann für beide Resolutionen stimmen, man kann auch den Wun}ch nach einer pailamentarishen Untersuhungskommission aussprechen, und diese ist bie bessere, namentli in dem vorliegenden Fall.

Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern Dr. Delbrü ck:

Meine Herren! Jch will auf tie verfassungêrechtlilen Erörte- rvngen nit weiter eingehen. Fh nehme an, daß die Nesolutien der Budgeikommissien zur Annahme gelangt. Sie wird mit ter von mir angegebenen Modifikation durchgeführt werben. Jh hoffe, daß die Parteten des Hauses bereit sein werden, an den Arbeiten dieser Kom- mission teilzunehmen.

Ih muß mich aber gegen einige nit f\taatêrechtlihe Aus- sührungen des Herrn Abg. Dr. Frank wenden. Herr Dr. Frank hat gesagt, die Negierung übersehe, wenn fie fch dem Antrage der Linken widerseßze, daß im Volke ein ticfes Mißtrauen bestünde (fehr richtig! vet den Sozialdemokraten), daß man im Volke zur Regierung und thren Vertretern niht das Vertrauen habe, daß eine von ihr ein- berufene Kommission unparteiisch und mit absoluter Zuverlässigkeit arbeiten würde (Sehr richtig! bei den Soßldemokraten.) Meine Herren, Tatsachen für diese Behauptung sind nicht vorgebracht worden. (Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Es is also für mich einiger- maßen s{chwierig, eine derartige Behauptung zu widerlegen. Lenn die wenigen Fälle von Bestehungen, die gelegentlichß und vereinzelt einmal vorkommen können, werden do unmögli die Behauptung begründen können, daß eine ganze Negterung mit ihren Beamten und ihren Organen das tiefsie Mißtrauen im ganzen Lande genieße!

Auch der Herr Abg. Dr. Spahn hat von einem tiefen Miß- trauen gegen die Regierung (Unruhe) gegen die Heeresverwal- tung gesprohen. Auch gegen diesen Ausdruck des Mißtrauens muß ich mit aller Entschiedenheit Verwahrung einlegen. (Andauernde Un- ruhe und Zurufe links.)

Meine Herren, wir sind bereit, die gemishte Kommission mit den von mir angegebenen Modifikationen einzuberufen, weil wtr uns alle bewußt sind, daß wir, vom ersten bis zum leßten, redlich bestrebt find, unfere Pflicht zu tun, und weil wir wissen, daß in weiten Kreisen des deutschen Volkes die Vorstellung davon besteht, daß unsere Re- gierung und unfer Beamtentum absolut intakt sind und ihre Pflicht fo tun, wie es von uns verlangt werden kann. (Bravo! rechts.)

_ Abg. Ledebour (Soz): Ih möchte meine Besriedigung dar- uber aussprechen, daß der Abg. Spahn sich prinzipiell auf den Boden unseres Antrages gestellt hat. Jch hoffe, daß er daraus die logischen Konsequenzen ztehen wird. Der Staatssekretär hat eigentlich auch die Berechtigung unseres Antrages anerkannt, denn dieser verlangt die Einseßung einer Kommission bloß aus MVêitgliedern des Parlaments. &s ift relativ gleichgültig, ob der Geseßentwurf, den wir vorschlagen, eine Verfassungsänderung involviert oder nicht. Die Verfassung kann jederzeit durch einfaches Geseß geändert werden. Der Staatsfekre- tär Delbrück und der Kriegsminister haben ih feierlichst dagegen verwahrt, daß die Regierung in diesen Tagen gewissermaßen eine Mitschuld auf sich geladen hätte. Was die Waffen- und Munitions- fabriken anbetrifft, so mußte der Regierung doh der von meinem ¿Freunde Liebknecht verlesene Brief bekannt sein. Es ift eine Unter- lassungssünde {hwerster Art, wenn die Regierung nicht die prakti- {chen Konsequenzen gezogen hat. Mußten da nicht die Interessenten der Negterung gegenüber zu der Auffassung kommen: Wir brauchen uns nicht zu genieren, sie |chluckt alles? Eine shwere Sünde besteht auch in der Tatsache, daß der Kriegsminister gegenüber Enthüllungen, deren Nichtigkeit er durchaus nicht bestritt und nicht bestreiten fonnte, doch eine Abschwächung dadurch zu bewirken suchte, daß er sagte, mit demselben Nechte, wie man diesen Kanonen- usw. Fabrikanten vor- werfe, durch ihre Machenschaften europäische Geschihte zu machen, Tönnte man ihnen vorwerfen, daß sie heute den Balkankrieg ver- ursachen. Jch stehe nicht an, den Versuch, diese gravierenden Tat- fachen durch solhe Bemerkungen abzuschwächen, als frivol zu be- zeichnen. (Der Präsident ruft den Nedner wegen dieser Aeuße- rung zur Ordnung.) Wir sind bereit, noch weitere Beweise an- zuführen, wenn es nötig sein sollte. Jch erinnere nur an Tippels- kirch u. Co. und ihre Hintermänner. Es kann nicht bestritten werden, daß das Neich durch alle - diese Machenschaften shwer geschädigt roorden ist.

Abg. Mert i n -Oels (Rp.): Der konservative Nedner hat auch in unserem Namen gesprochen. Der sfozialdemokratishe Antrag hat vor dem Kommissionsantrag einen Vorzug, daß er die Dinge bei ihrem Namen nennt. Er will ein Geseß und damit eine Aenderung der Ver- fassung, und dabei wirft die Sozialdemokratie gerade immer der Rechten vor, daß sie die Verfassung ändern wolle. Man darf nicht vergessen, daß es sih hier niht um eine rein parlamentari]che Kommission handelt. Glauben Sie nicht, daß, wenn wir einer solhen Kommission widersprechen, wir keine Aufklärung wünschen, im Gegenteil, wir wollen diese Aufklärung durchaus und überall. Vergessen wir aber auch nicht, daß der Fall, der gerade in den leßten Tagen erörtert worden ist, dem Gericht zur Nechtsprehung überwiesen worden ist. Die Herren auf der Linken wollen doch sonst immer die Entscheidung dur die ordentlichen Gerichte. Eine solche Untersuchungskommission müßte gerade von allen politishen Dingen befreit fein. Glauben Sie nicht, daß bei uns in dieser Frage der Gedanke mitspielt, daß wir in dieser Kommission etwa mcht vertreten sein könnten. Die mehr oder veniger wißigen Bemerkungen des Abgeordneten Frank über unsere Fraktionsstärke oder -\chwäche* fangen an, an Reiz zu verlieren. Cha- ratteristisch ist, daß heute im Abgeordnetenhause der sozialdemokratische Abgeordnete Borchardt in die Geschäftsordnung die Bestimmung aufnehmen wollte: als Fraktion gilt jede Gruppe von Abgeordneten mit besonderen Parteigrundsäßen. Sie sehen, die Sozialdemokraten haben zu dem Parlament der „Dreiklassenshmah" mehr Vertrauen als zu dem Reichstage.

Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Ih will noch einmal wiederholen, daß cin gewisses Mißtrauen vorhanden ift, aber dieses richtet sich nicht gegen die Negierung oder einzelne Beamte, fondern gegen die Verwaltung.

Abg. Dr. Paasche (nl.): Es is bedauerlih, daß diese ganze Frage in diesem Moment aufgeworfen worden ist. Jm Volke b:steht nun eirmal ein Mißtrauen. Von diesem Gesichtspunkte ist auch die Kommission ausgegangen. Sie verlangt deshalb, daß die Verhältnisse vor aller Oeffentlichkeit targelegt werden , um zu beweisen, daß dieses Mißtrauen ungerecßtfertigt ist. Deshalb müssen wir an tieser Kommission festhalten. Gegen die Ausführungen des Grafen Westary muß i Protest erheben. Er will das Recht des Neichs- tags beshränfen. Wenn auf die Rechnungskommission hingewiesen ist, so prüft diese doch nur die etatsmäßige Verwendung.

Abg. Graf Westarp (konf.): Der Abg. Paasche mat mir den NBortwurf, als ob ih das verfassurgsmäßige Recht des Reichstags beschränken will. Ganz energisd ih den Ausführungen des Abg. Paasche widersprehen. Jch stelle ein für allemal fest, daß ih gesagt habe, der Reichstag hat das Recht der etatsmäßigen und 1echnungs- mäßigen Kontrolle. Ich habe auch hinzugefügt, daß auch die Zweck- mäßigkeit zu prüfen ist.

Nach einer weiteren Bemerkung des Abg. Dr. Paasche wird der Zusaßzantrag der Sozialdemokraten durch den Abg. Bebel in einen wirklichen Antrag umgewandelt.

Der erste Absatz dieses Antrages wird gegen die Stimmen sämtlicher Sozialdemokraten und der großen Mehrheit der Fortschrittler abgelehnt, ebenso der zweite Absaß, für den diesmal alle Fortschrittler stimmen. Die Amendements der Sozialdemokraten werden von derselben Mehrheit abgelehnt. Der Kommissionsantrag wird unverändert angenommen gegen die Stimmen der Deutschkonservativen und der Reichspartei.

Bei dem Kapitel „Einnahmen aus dem Generalstabskarten“ bemüht \sih der

Abg. Zimmermann (nl.) unter andauerntem Lärm und Unruhe des Hauses, Beichwerden der Buchhändler vorzubrin cn, die sih dagegen wenden, daß jeßt das Ministerium Bertriebsstelle in verschiedenen Städten eingerihtet hat, die diese Karten ver-

kaufen.

Abg. Erzberger (Zentr.): Den Buchkändlern ist es mit ibren Klagen bitterer Ernst, und die Vorwürfe gegen sie sind nit gerechtfertigt. Man sollte ihnen den üblihen Nabatt bewilligen, dann würde der Umsatz gesteigert werden.

Generalleutnant Staabs: Die Gründe, die zur Veränderung in der Vertriebêweise der Generalstabékarten geführt haben, find in der Kommission genügend klargelegt worden. Für die Bertriebsstellen find au®sführlihe Beslimmungen ergangen, wona die Buchhändler in erster Linie von diesen berücksihtigt werden. Den Buchhändlern ist au ein angemessener Verdienst gefichert.

Abg. Liz. Mumm (wirtsch. Vg Auch daß dem berechtigten Verlangen der B tragen wird.

__ Abg. Dr. dekum (Soz.): Ich kann nicht finden, daß die Begründung der Negterung in der Kommission hinreichend war. Im Gegenteil, ihr ist von allen Seiten entgegengetreten worden, Die Vertriebsstellen sind wahrscheinlich nur gegründet worden, um eintgen verabschiedeten Offizieren Stellen zu verschaffen. Man muß fragen, ob diese nicht verpflichtet sind, sich den Gewerbeschein zu lôsen, da sie doch als Kolporteure tätig sein müssen. Man follte mit den Buchhändlern ein vernünftiges Abkommen treffen und den Vertrag mit der Firma Eisenschmidt lösen.

_ Generalleutnant Staab s: Der Vertrag mit dieser Firma ist aufgehoben und an ihre Stelle ist die Landesaufnahme getreten. Weil sie nicht mit den Buchhändlern direkt in Verbindung treten kann, bat man die Vertriebsstellen eingerichtet.

,_ Abg. Dr. Semler (nl.): Wird hier keine Abhilfe geschaffen, wie es unsere Resolution vorschlägt, daß mit den Buchhändlern selbst etn Abkommen getroffen wird, dann werden diese leiht geneigt sein, ih andere Karten zuzulegen, sodaß wir aus dem Verkauf der Karten gar keinen Erlös haben. Es ist auch die Frage niht genau geprüft worden, od die Zwischeninstanzen nicht au den Kleinhandel treiben und fo in Konkurrenz mit dem deutshen Buchhandel treten.

Die Resolution wird angenommen. Die Einnahmen werden genehmigt.

——

Hierauf wird um 73/4 Uhr die Fortsezung der _Etats- beratung auf Donnerstag 2 Uhr vertagt; außerdem kleinere Vorlagen.

Verkauf von

ih wünsche,

S uchhändler Rechnung ge-

Preußischer Landtag- Haus der Abgeordneten. 173. Sigung vom 23. April 1913, Vormitiags 11 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphishem Bureau“.)

Ueber den Beginn der Sigzung ist in der gestrigen ummer d. Bl. berichtet worden. / Bei der dritten Beratung des Geseßentwurfs über Maßnahmen zur Stärkung des Deutschtums in den Provinzen Westpreußen und Posen und zwar bei der

allJemeinen Besprechung erklärt in Erwiderung auf Bemerkungen des Abg. Grasen Praschma (Zentr.) der

Minister für * Landwirtschaft, Domänen und Forsten

Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Jch habe bereits in der Kommission bet der Beratung der Denkschrift der Ansiedlungskommission, als der Verkauf der Domäne Kotowiecko an den Kammerherrn von Lkow zur Sprache gebracht wurde, ausdrücklich erklärt, daß die Eigenschaft dicses Herrn als Kammerherrn auf den Abschluß dieses Vertrages irgend welchen Einfluß nicht gchabt hätte. Jch war, nahdem ich bis 14 Uhr ungefrühstücki in diesem Hause ausgehalten hatte (Heiterkeit), genötigt, während der Rede des Herrn Abg. Borchardt mich zu stärken, und war deswegen auch nicht in der Lage, seine Ausführungen über den Verkauf der Domäne entgegenzunehmen. Ich habe dieselben erst heute morgen in den Zeitungen gelesen und glaube mich auf die Vemerkung beschränken zu können, daß weder die Akten des Land- wirtschaftêministeriums, noch die inzwischen von mir eingezcgenen Erkundi- gungen den geringsten Anhalt dafür bieten, daß die Gründe, welche der Herr Abg. Borchardt angeführt hat, für den Abschluß des Vertrages mit Herrn von Lekow in irgendeiner Weise ausschlaggebend gewesen sind. Jch habe die Akten auf das sorgfältigste geprüft, bzw. prüfen lassen, und aus denselben ergibt si überhaupt kein besonderer Grund für den Abschluß dieses Vertrages. (Hört, hört! bei den Polen und Sozialdemokraten.) Wenn ih gestern ausgeführt habe, daß ver- mutlih der Wunsch maßgebend gewesen wäre, bei dem öffentlichen Verkauf in der Subhastation die Konkurrenz zwischen dem Domänen- fiskus und dem Herrn von Lekow als Nachbar auszuschließen und unter allen Umständen den Verkauf an einen polnishen Käufer zu ver- bindern, so sind das meinerseits au nur Vermutungen, die ih aus der ganzen Situation und der Lage der Verhältnisse ges{chöpft habe, für die aber ein positiver Anhalt ebenfalls in den Akten nicht vor- handen ist. (Abg. Hoffmann: Na, so dumm wird man doch nicht sein, es zu den Akten zu \{chreiben! Glocke des Präsidenten.)

Abg. Korfant y (Pole): Der Behauptung des Ministers, daß die Domäne Kotowiecko in trostlosem, verlassenem Zustande gewesen sei, muß ih energisch entgegentreten. Die Domäne befindet nh 1n ganz ausgezeichneter Verwaltung. err von Leckow hat das Gut zu demselben Preis erstanden, den die Ansiedlungskommission ge- zahlt hat. Da das Gut aber tatsählih za. 150 000 6 mehr wert 1st, als dafür bezahlt worden ist, so hat Herr von Leckow 150 000 4 geschenkt bekommen. Das ist ein Beweis dafür, in welcher unver- antwortlihen Weise Staatsgüter an derartige Persönlichkeiten ver- s{leudert werden. Jch habe keine Veranlassung, auf diese Sache näher einzugehen. Jch überlasse es jedem, in seinem eigenen Haus? für Sauberkeit zu sorgen. Der Abg. Kardorff hat si in seinen gestrigen Ausführungen auf einen Franzosen berufen, der sich über die berrotteten Zustände, die im Polenreiche vor der Einverleibung in Preußen nah seiner Ansicht herrschten, geäußert hat. Aber dieser Behauptung, daß in der damaligen Zeit derartige Zustände bestanden haben sollen, widersprehen doch die Mitteilungen, die Friedrich der Große von den polnischen Verhältnissen gemaht hat. Jm Fabre 1771 hob er in einem Briefe lobend hervor, daß die neuerworbenen. Fn dem preußishen Staat bereits 13 000 Taler ein? ringen. Im Jahre 1772 verbesserte er \ih dahin, daß die net- erworbenen Provinzen der preußischen Staatskasse einen Reinertrag bon 1.600 000 Talern zuführen können. Aber troß der außerordent lih großen Vorteile, die Polen dem reußishen Staate bot, scheute sih Friedrih der Große nicht, die Polen mit Schimpfworten und den größten Verleumdungen zu belegen. Präsident Dr. Gra; Lon SOwern: h ille Siè, eme erartige Kritik der preußischen Könige zu unterlassen; ich rufe Sie zur Ordnung.)

(Schluß in der Zweiten Beilage.) lud

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 24. April

1913.

M DE i E E

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Was ich hier angeführt habe, sind olles geshihtlih erwiesene Tat- sachen. (Präsident Dr. Graf von S002: Jch bleibe bei meiner Ansicht und halte den Ordnungsruf aufrecht.) Auch die Behauptung des Königs, daß er im Jahre 1775 180 Schulen in deni polnischen Lande gegründet habe, -entspriht niht den - Tatsachen. Wie man bei uns Kultur einzuführen versuchte, geht daraus hervor, daß man uns Soldaten als Volksbildner auf den Hals \chickte. Die landesväterliche Fürsorge der preußischen Könige ging sogar so weit, daß sie 12 000 polnische Familien gus ihrem Lande verwiesen. Fried- rich Wilhelm 11. hat den Polen freie Religionsübung, Aufret- erhaltung ihrer Nationalität und den Gebrauh der Muttersprache zugesichert, aber er hat sein Versprechen nicht gehalten. Polnische Guter wurden konfisziert, verschleudert und an Günstlinge versenkt. So sieht es mit der landesväterlichen. Fürsorge preußischer Könige aus. Der Boyfkott ‘ist gar keine neue Erscheinung. ‘Als Preußen die polnischen Landesteile mit Beschlag belegte, begann auch der amt- lihe Boykott; Güter durften an Landeseingesessene, also an Polen, mt verkguft werden. Hunderte polnischer Cristenzen gingen da- mals zu Grunde. (Der Redner geht dann sebr ausführlich auf die innere Kotonisation Friedrichs IT. ein und sucht nachzuweisen, daß diesem- und dem Staate ‘kein Verdienst hieran auttehe. Der Präsident ersucht den Redner, seine historishen Exkurse nicht zu weit auszudehnen.) Die Beamten waren bestechlih und suchten sich auf Kosten der einheimischen Bevölkerung zu bereichern. Die damäli- gen gg erinnern in mancher Beziehung an die heutigen. Auch heute tastet man unsere Religion, unsere Nationalität, unsere Sprache, unfer Eigentum an. Man treibt eine Ausrottungspolitik. Wie begründet man dieses Vorgehen? Durch angebliche revolutionäre Bestrebungen, die wir niemals gehabt haben. Weil der Pole \par- sam, fleißig, genügsam ist, muß er drangsaliert werden. Der preußishe Richter 1st den Einflüssen des Hakatismus zugänalich. Wir boykottieren nicht, wir verteidigen nur unseren Besißstand. Man wirft uns vor, daß wir den Polen verrufen, der fein väterliches Gut an die Ansiedlungskommission verkauft. Natürlich, das ist ein Ver- râter, cin nichtswürdiger Mensh. Würden Sie (nah rechts) an unserer Stelle anders denken? Gewiß hat sih der Wohlstand in den polnischen Landesteilen gehoben. Aber das ist niht Ihr Verdienst. Haben Sie eine Schule, einen Kilometer Eisenbahn uns zuliebe gebaut? Wir unterdrücken nicht, wir werden von Ihren Beamten unterdrückt. Glauben Sie, daß die Kulturwelt derartige Taten als veldentaten lobt? Ist ‘das ein Einfluß Ihrer christlihen Welt- anshauung? All diese Taten sind kein Ruhm, fondern eine Schande für unsere Unterdrücker. (Präsident Dr. Graf von Schwerin: Jh rufe Sie zum # zweiten Male zur Ordnung und mache Sie auf die geschäftsordnungsmäßigen Folgen aufmerksam.) Wir vertrauen darauf, daß unsere gerehte Sache s{ließlich doch siegen wird.

Abg. Winckler (kons): Jch wollte nur einen Protest er- heben, und zwar nicht allein aus dem Kreise meiner politischen ¿Freunde, fondern über die Grenzen meiner Fraktion hinaus, gegen die Art und Weise, wie der Abg. Korfanty die landesväterliche Fursorge in den Provinzen Westpreußen und Posen zu verspotten unter- nommen hat, insonderheit gegen die Art und Weise, wie der Abg. Korfanty es unternommen hat, die Person und die Politik Köntg Friedrihs des Großen zu De Uen. Die Worte des Vor- redners sind nicht imstande, das Urteil der Geschichte zu erschüttern. In der Geschichte steht fest, in welhem Zustande die Landesteile, die König Friedrich der Große einer Monarchie zugefügt hat, vorher gewesen sind. In der Geschichte steht fest, wie diele Landesteile aufgeblüht sind unter der Fürsorge der preußischen Könige und in allexerster Linie unter der persönlichen Fürsorge Friedrihs des Großen. Ein unsterblihes Ruhmesblatt der Geschichte König Fried- richs des Großen und seines Staates wird immer die kolonisatorische Tätigkeit bleiben, die in jenen Landesteilen der König in persôn- licher Arbeit geleistet ‘hat, persönlih im höchsten Sinne des Wortes gemeint. Was an Wohliaten diese Tätigkeit den polnischen Landes- teilen zugefügt hat, hat die damalige polnische Bevölkerung durchaus anerkannt. Áls zur zweiten Teilung Polens geschritten würde, kamen polnische Bauern zum König und baten darum, daß die s{chwarz-weißen Grenzpfähle Mes ihrer Güter gesteckt würden, und was die preußische Schule in jenen Landesteilen geleistet hat, in denen es damals noch keinen Mittelstand gab, das steht im Urteil der Geschichte fest. Die Rücksicht auf das Volkstum und auf die Sprache der polni- [gen Bewohner ist betätigt worden, solange sie sich selbst als loyale Intertanen gefühlt haben, und erst als das Gegenteil eintrat, mußte eine andere Politik zur Geltung kommen. “Wenn uns jeßt von polùi- scher Seite entgegengehalten wird, daß die Polen loyälé Untertanen des preußischen Staates seien, so wird man in Zukunft auf die heutige Nede des Abg. Korfanty hinweisen, die nach dieser Richtung die genügende Klarheit geschaffen hat. Auch bei uns sind Erinne- rungen vorhanden, wir wissen, wie die Wohltaten, - die die landes- väterliche Fürsorge der Provinz Posen erwiesen hat, mit Undank bé- lohnt sind, mit Auflehnungen und Aufständen. Die gegenwärtige Haltung der polnischen Vertreter hat uns in die Politik“ hineinge- drängt, die wir in dem Namen der Ostmarkenpolitik zusammenfassen, und deren defensiven Charakter der Minister mit Fug und Recht betont hat. Wenn wir in Konsequenz der uns aufgedrängten Politik im Osten jeßt nicht nur durch allerlei Maßnahmen den deutschen Vesiß schüßen, sondern auch deutsche Bauern wiederum ansiedeln, so werden wir durh' die Notwendigkeit gedrängt in die Bahnen, die Friedrih der Große uns gewiesen hat, defsen unsterblichen Namen zu verunglimpfen und herabzuseßen das vergebliche Bemühen des Abg. Korfanty und seiner ‘Freunde bleiben wird.

Ein Schlußantrag wird angenommen.

Abg. Bo r char d t (Soz.). bemerkt zur Geschäftsordnung: Zch bedaure, durch den Schluß verhindert zu sein, dem Minister mein inniges Mitleid dafür auszudrücken, daß er gestern bis 3/4 Uhr nicht gefruhstüdkt hat. Jch bedaure weiter, verhindert zu sein, dem Minister mein Mitleid dafür auszudrücken, daß er nah echter Bureaukraten- manier 10 damit begnügt hat: was nicht in den Akten ist, ist mckt in der Welt.

Abg. von Trampczynski (Pole) bedauert, an dem Nach- weis verbindert zu sein, daß der Abg. Winckler die Geschichte in ihr Gegenteil verkehrt hat. j

Abg. Borchardt (Soz.): Ich habe noch etwas vergessen. Jch bedaure drittens, durch den Schluß verhindert zu sein, den Abg. Winkler zu fragen, ob vielleicht auch dem Herrn von Leckow sein Gut aufgedrängt ift. Y |

Abg. K orfanty (Pole) bemerkt, daß er nicht das Andenken

Friedrihs des Großen verunglimpft, sondern sich lediglih auf diplo-

matische Akten und Privatbriefe des Königs bezogen habe. : Die Vorlage wird darauf in ihren einzelnen Teilen und bei der Gesamtabstimmung im ganzen gegen die Stimmen der Polen, des Zentrums, der Freisinnigen und Sozialdemokraten angenommen.

Darauf wird bie am ed Tres gweite Bea ratung ves Gesehentwurfs, betr. Abänderungder rheinischen pa de t und Ge- meinheitsteilungs8geseßbe, fortgeseßt.

Die Kommission hat die Beschränkung auf die Rheinpro- vinz fallen geraten und die Vorlage so geändert, daß sie für den ganzen Staat gilt. Nach der Kommissionsfassung kann die Aus- einandersezungsbehörde, wenn von der mwirtschaftlihen Um- legung (Zusammenlegung, Konsolidation, Verkopplung, Ge- meinheitsteilung, Spezialseparation) von Grundstücken eine er- hebliche Verbesserung der Landeskultur zu erwarten ist, die F ammeglegung einleiten, und sie hat es zu tun, wenn ein Viertel der betroffenen Eigentümer es beantragt.

Die Abgg. von Pappenheim (kons), Leppel- mann (Zentr.) und Freiherr von Zedliß (freifonj.) be - antragen, das Gefes wieder wes die Rheinprovinz au beshränken und die Worte „Konsolidation, Verkoppelung“ zu streichen.

Der Abg. S tupp (Zentr.) hat am Montag bereits einen von ihm gestellten Antrag begründet, wonach die durch die orlage beseitigte Bestimmung des geltenden rheinischen Zusam- menlegungsgeseßes von 1885, daß bei einem Widetspruch von N Sechsteln der Eigentümer die Le unter-

leibt, wiederhergestellt werden soll. er Abg. Stupp bean- tragt ferner folgende Resolution:

„die Regierung zu ersuchen, möglichst bald einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den das Verfahren in Zusammenlegungsfachen in einer den Rechtéanschauungen der neueren Zeit entsprehenden Weise geregelt wird“.

Abg. Weissermel (kons.): Ein großer Teil meiner Freunde und auch das Zentrum und die Freikonservativen sind der Auffassung, daß die Uebertragung des Geseßentwurfs auf die ganze Monarchie nit zuträglih wäre. Wir sind der Ansicht, daß eine solche Ausdehnung nicht ohne provinzielle Zustimmung angängig ist. Namens meiner Freunde bitte ich deshalb, den Antrag Pappenheim an- zunehmen. Die Bestimmung im Geseß von 188, "daß bei einem Widerspruch von fünf Sechstèln der Eigentümer die Zusammenlegung unterbleibt, hat nur ungünstig gewirkt. Sie hat Unzufriedenheit und Grregung unter den Beteiligten hervorgerufen. Sie hat au nur in zwei Fällen seit 1885 die Zusammenlegung verhindert. Deshalb baben wtr keine Veranlassung, diese Bestimmung aufreht zu er- halten. Jch bitte daher, den Antrag Stupp abzulehnen.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Ih glaube mich in der Annahme, daß Ste den ausführlihen Bericht Ihrer Kommission inzwischen zur Kenntnis ge- nommen haben, nit mehr eingehend über den Zweck des Gesetzes und über die zur Vorlage der Staatéregierung gemachten Abände- rungêvorshläge verbreiten zu sollen. |

Es ist ja allseitig bekannt, daß die landwirtshaftlide Ver- waltung mit diesem Gesetzentwurf im wesentlichen zwei Ziele ver- folgte: fie wollte einmal die Zusammenlegung als folche ‘durch Be- seitigung derjenigen Bestimmungen erleichtern, welche in “den gegen-

wärtig geltenden Gesegen für die Rheinprovinz im Gegensaß zu:

anderen Provinzen enthalten sind, und sie wollte außerdem durch die in Art. V des Gesetzentwurfs vorgeschenen besonderen Vorschriften die Aufforstung und den Schuy gegen Hochwasser durch Aufforstung fördern! Die Staatsregierung beabsichtigte, wie schon aus der Ueberschrift des Gesetzes hervorgeht, diese Bestimmungen nur für die Rheinprovinz zutreffen. Wenn Jhre Kommiffion weitergegangen is und eine Aus- dehnung dieser Bestimmungen auch auf audere Landesteile in Vor- chlag gebracht hat, so erkenne tch ohne weiteres das Zweckmäßige und Nügliche einer folchen Ausdehnung des Gesetzentwurfs an; ih babe aber doch Bedenken, ob es richtig sein würde, ohne Anhörung der Provinziallandtage und Landwirtschaftskammern (sehr richtig! rechts) den Geseßentwurf auf andere Landesteile auszudehnen, und ich möchte deshalb auch befürworten, den Antrag des Herrn Abg. von Pappen- heim anzunehmen und insoweit die Regierungsvorlage wieder herzustellen. (Bravo! rechts und im Zentrum.)

Meine Herren, ih kann mi dann auch mit den Abänderungen einverstanden erklären, welhe Ihre Kommission in Artikel V des Geseßentwurfs vorgenommen hat. Unsere Absicht war ja nit die einer besonderen Schikane oder Belästigung der in Frage kommenden Grundstückseigentümer, fondern ledigli ‘dahin ge- richtet, ‘in den hochwassergefährdeten Gebieten und in den Gebieten wo durch Aufforstungen ein besseres Zurückhalten des Niederschlags- wassers berbeigeführt werden kann, die Zusammenlegung und im Zu- sammenhang damit auch die Aufforstung zu erleichtern. Dieser Zweck wird, wenn auch nit in fo ausgedebntem Maße, auch durch die in der Kommission gemachten Abänderungsvorschläge erreiht, und ich kann mi, wie bemerkt, aus diesem Grunde auch damit einverstanden erklären.

Anders, meine Herren, liegt cs“ mit dem Antrage des Abg. Strupp den er in der vorigen Sißung hier eingehend begründet hat. Nach diesem Antrage sollen in dem Geseße vom -24. Mai 1885, und zwar in § 1 Abs. 2, die Wort stehen bleiben: „Die Zusammenlegung unterbleibt, wenn im Einleitungstermin */; der Eigentümer wider- sprechen." Schon der Herr Vorredner hat hervorgehoben, daß diese Bestimmung eine Cigéntümlichkeit der Rheinprovinz darstelle, die mit Rücksicht auf die dort obwaltenden Verhältnisse, mit Nücksicht auf die gleichen Verhältnisse in anderen Provinzen und au mit Rücksicht auf die Erfahrungen, welche im Laufe der Jahre gerade mit dieser Ge- segeëvorschrift gemacht worden find, unbegründet ist. Meine Herren, wir haben die Akten der Vergangenheit eingebend geprüft und baben fest- gestellt, daß seit dem Jahre 1885 von dieser Gefetzesbeslimmung uur in zwei Fällen wirklich "hat Gebraulß gemacht werden können, einmal bei einer Zusammenlegung in der Gemeinde Worringen, Landkreis Cöln, und dann bei einer Zusammenlegung im Kreise Neuß. Aber anderseits ist es ebenso nach den úübereinstimmenden Berichten der Spezialkommissare und der Genueralkommission in Düsseldorf fest- stehende Tatsache, daß gerade diese Bestimmung dauernd Anlaß zur Erregung, Unzufriedenheit und Agitation in den beteiligten Gemeinden gegeben hat und die wünshenswerte Zusammenlegung in vielen Fällen direkt in Frage stellt. Jh glaube, Sie werden mit mir der Meinung sein, daß es zweckmäßiger ist, eine Bestimmung zu beseitigen, die den urfprünglih gewollten Erfolg niht gehäbt “hat, die aber auß in Zukunft geeignet erscheint, die do zweifellos wichtige und nüßlickc

Zusammenlegung in vielen Bezirken unnötig und gewiß nit in Wahrung der Interessen der Beteiligten zu erschweren.

Meine Herren, der Abg. Stupp wird es mir nicht übel nehmen, wenn ih 'im übrigen aus seinen Ausführungen an verschiedenen Stellen den “Eindruck gewonnen habe, daß er noch etmas in den Anschauungen befangen t, wel&e in den 70er und 8er Jahren in ‘der Rheinprovinz herrs{chten , Anschauungen, welche die Zusämmenlegung vielfah nit als Vorteil, sondern direkt als eine Benachteiligung der Beteiligten auffassen, ‘von denen ih aber in genauer Kenntnis “der Verhältnisse und der Stimmung in der Rheinprovinz sagen kann, daß sie im Laufe der Jahre beinahe überall überwunden worden find. (Abg. Glagel : Sehr richtig !)

Meine Herren, wenn man als Vorteil des bisherigen Zustandes der Zusammenlegung gegenüber anführt, daß gerade die Beibehaltung der einzelnen Parzellen die Seßhastigkeit der Landbevölkerung er- leihtere und sichere, so \prechen dagegen doch die Erfahrungen, die in weiten Gebieten der Rheinprovinz, in der Eifel und auf dem Huns- rüdck gemacht worden sind; gerade da ist die Parzellenwirtschaft so ausgedehnt, daß man schon vielfah dem Gedanken näher- ireten wollte, gefeglich eine Minimalparzelle gegen die weitere Zerkleinerung des Grundbefitzes festzulegen. (Sehr rihtig!) Ich glaube, der Wegzug so mancher Bewohner aus den dortigen Gegenden, ‘die Verödung mancher Dörfer und fleineren Städte ist der sprehende Beweis dafür, daß ohne ein Eingreifen durch Zusammenlegung die Landbevölkerung auf ihrer Stolle nicht erhalten werden konnte. Ganz abgeseheu davon ist auch unter allen Beteiligten die Meinung übereinstimmend, daß uicts ¿weckmäßiger für den kleinen Tandwirtschaftlißen Betrieb ist als die Zusammen- legung der Parzellen, die die Wirtschaft erleichtert und verbilligt und dem Besißer auch wieder Freude an seinem Eigentum gibt, das er nun soviel wie möglich in einer Hand und in geschlofsenem Besitz zusammenhalten kann. (Sehr richtig!) Ich muß offen erklären, daß die Annahme des Antrages des Herrn Abg. Stupp einen wefent- lichen Vorteil des Gesetzentwurfs für die landwirtshaftlihe Verwaltung beseitigen würde, und daß ih wohl nicht in der Lage sein würde, bei Annahme dieses Antrages den Gesetzentwurf als annehmbar zu erachten!

Ich darf dann gleih ncch den zweiten Antrag des Herrn Abg, Stupp erwähnen, der die Vereinfahung und Reform der gegen- wärtigen Geseßgebung über Zusammenlegung und Verkoppelung von Grundstücken betrifft. Jh habe hon in der Kommisfion erklären können, daß i anerkenne, daß zahlreihe in den verschiedenen Zu- sammeiilegungs8geseßen enthaltenen Bestimmungen den modernen Ver- hältnissen nit mehr entsprehen, und daß au eine Vereinfachung des Verfahrens an sich angezeigt ist. Aber so einfach und so leicht, wie sih manche diefe Aenderung der Geseßgebung vorstellen, ist fie nit (sehr richtig! rechts), und es wird sehr eingehende rüfungen und Beratungen erfordern, wenn eine Gesegesvorlage im Sinne der Herren Antragsteller dem Landtag unterbreitet werden follte. I glaube, aber daß sie auf anderem Wege dazu kommen, Ihre Arsichten auf dem in Frage stehenden Gebtete zu äußern. Es ist, wie bekannt, in Aussicht genommen, daß schon in der nächsten Session des Landtags eine Vor- lage eingebracht werden soll, welche in den Provinzen Ostpreußen, Westpreußen und Posen unter Aufhebung der Generalkommission in Königsberg die Geschäfte der Auseinandersegungsbehörden auf die ordentlichen Gerichte und die Behörden der Allgemeinen Landes- verwaltung. überträgt. Die Erörterung dieser Vorlage wird jeden- falls Gelegenheit bieten, die ganze in Betracht kommende Gesetzgebung zu prüfen, und der Geseßentwurf, den die Staatsregierung für die von mir genannten Provinzen vorschlagen will, wird gleichzeitig An- haltspunkte dafür ergeben, ob und in welcher Weise auch in den anderen Provinzen, insbesondere in Westfalen, in der Nheinvyrovinz und in Hessen-Nassau, gleichartige Bestimmungen getroffen werden können.

__ Abg. St upp (Zentr.): Nach den Erklärungen des Ministers ziche 1ch meinen Abänderungsantrag zurü. ; _ Abg. Freiherr von Los (Zentr.): Die Meinung in den kleinbäuerlichen Kreisen über die Zusammenlegung hat sich in leßter Zeil wesentlich gebessert, nahdem man die Vorteile gesehen hat, “die ih aus der Zusammenlegung ergeben haben. Aber “immer noch be- denklich findet man es, ‘daß man in den Gesehentwurf eine Be- stimmung aufnehmen will, wonach die Enteignung angewandt werden darf. Wir werden der Enteignung nur dann zustimmen, wenn uns Sicherheit dafür gegeben wird, däß sie nur da angewendet wird, 1wo das unbedingte Staatswohk in Frage steht. Wir bitten auch, bei der Gnteignung mit äußerster Vorsicht vorzugehen. Ferner wünschen wir, daß unsere in der Kommission geäußerten Wünsche au in dem Ge- seß Berücksichtigung finden. Wir halten es für ritig, daß na dem Geseß. der Behörde au ‘eine Initiative beim Verfahren vorbehalten ist. Die Befürchtung, daß durch die Zusammenlegung der ‘Latifundien- besiß ausgedehnt werden könnte, teile ih. nit. Ware diese Befürch- tung begründet, so wäre ich der leßte, der für dieses Geseß stimmen könnte. Die Zufammenlegung wird gerade dem kleinen und mittleren M wesentliche Vorteile bringen. Ein besonderer Vortéil- ist auch der, daß die Kostenverteilung in einer der Billigkeit entsprehenden Weise vorgenommen werden kann. Das ift bei Brükenbauten und anderen Veranstaltungen von großem Wert. Meine politischen Freunde hoffen, daß das Geseß für die Rheinprovinz und für die

rheinische Landwirtschaft von reichem Segen sein wird.

Abg. Glabel (nl): Auch ih kann die Zustimmung meiner Freunde zu dieser Vorlage erklären, auch die Zustimmung zu den .von der Kommission vorgenommenen Aenderungen, die als Verbesserungen zu betrachten find. Was die Anträge betrifft, so hätten wir“ gegen ten Antrag Stupp gestimmt, ‘wenn er nicht zurückgezogen worden wäre. Für den Antrag von Pappenheim stimmen wir ‘aus Zwetck- mäßigkeitêögründen, um das Schickjal- des (Entwurfs nicht im leßten Moment aufs Spiel zu seßen. Ueber den Entwurf ist nicht viel mehr zu sagen. Dem Grundgedanken der Stuppschen Resolution können wir zustimmen. Jch hoffe, daß die Landbevölkerung sih mit dem Geseß befreunden und daß dieses dann Segen stiften wird. :

Abg::Dr. Fle ias Volksp.): Jch{ würde es für gut gehalten haben, das Gejeß gleih auf den ganzen Staat auszu dehnen; die par a ammer und der Landesaus\{chuß der Nhein- Urin hâtten jedenfalls die Ausdehnung auf den Regierungsbezirk

iesbaden gewünscht, weil dadurch die Konsolidation erleichtert ETD en worde, Für die efolution ‘des g. Stupp find wir natürlich au, denn das jeßige Zusammenlegungsverfahren ist sehr s{wierig, und es ist mindestens cine Rodifikation und Vereinheitlichung dieser Geseßo