aus kergeslag-n werden könnten.
Damit schließt die Diskussion.
Die Resolution van Calker wird angenommen : dagegen stimmen die Sozialdemokraten und die fortschrittliche Volks- gegen die
partei. Die sozialdemokratishe Resolution wird Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Darauf wird Vertagung beschlossen.
Schluß 02/4 Uhr. Nächste Sißung Freitag 12 Uhr. Anfragen; Fortseßung der zweiten Beratung des Etats; Literarkonvention mit Rußland; Aenderung des Wahl- reglements bezüglih der Wahlurnen.)
Preußischer Landtag. Herrenhaus. 28. Sißung vom 24. April 1913, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von „Wolfs Telegraphishem Bureau“.)
__ Seit der leßten Sißung hat das Herrenhaus folgende Mitglieder durch den Tod verloren: Kammerherr Dr. von Bonin, Kammerherr von Born-Fallois und Professor Dr. Slaby. Das Haus ehrt das Andenken durch Erheben bon den Plätzen.
Anlaß
Der Präsident hat aus der Ermordung Seiner Majestät des Königs von Griechenland dem hiesigen griechishen Geschäftsträger das Beileid des Hauses aus- gédrückt. Seitens des griechishen Geschäftsträgers ist namens der Königlich griechishen Regierung dafür der Dank aus- gesprochen worden.
Auf Antrag der Petitionskommission wird zunächst eine
Reihe von Petitionen für zur Erörterung im Plenum nicht geeignet erklärt.
Dann folgt die Beratung des zunächst dem Herrenhause vorgelegten Entwurfs eines Gesegzes, betreffend die Um- legung von Grundstücken in der Landgemeinde Griesheim a. Main, Kreis Höchst. Namens der Kom- munalkommission berichtet
Herr Dr. Ni ve - Halle über ten Gesetz-ntwurf und beantragt, diesem unverändert. die verfassungêmäßige Zustimmung zu erteilen. Die Anwendung der lex Adickes auf Griesheim bezweckt, wie der Berichterstatter des näheren dartut, der dort herrshenden Wohnungs- not durch Erschließung ausreihenden Baugeländes zu steuern. Mit dem Umlegungéverfahren hat man in Frankfurt a. Main gute Er- fahrungen gemacht.
Herr Dr. von Dziembowski: Zum ersten Male soll die lex Adickes auf einen Landkreis ausgedehnt werden: es fragt sich, ob es zuläsfig ist, jenes auf Stadtverhältnisse berechnete Geseß auf Land- perhältaisse zu übertragen. Jh möchte diz Frage verneinen. Die städtishe Bebauungsweise ist eine andere als auf dem Linde. Auch formale Bedenken liegen vor. Auf dem Lande kommen andere Be- hörden in Betracht als in den Städten. Es ist denkbar, daß die landwirtshaftlihen Besißer bei der Zusammenlegung von jurislishen Personen und anderen nlcht landwirtschaftlichen Besißern in der G°meindevertretung majorisiert werden. QDa- gegen müßten mindestens Kautelen geschaffen werden Ist erst einmal für Griesheim ein solches Geseg erlassen, so wird die analoge Anrvendüng auch auf andere Gebiete mit industrieller Bevölkerung folgen. In der Kommission war eine starke Minderheit für die Ab- lehnung des Geseßentwurfs vorhanden. Es wurde die Bedürfnts- frage nicht für so dringend g halten, um {hon jeßt eine präjudizielle Entscheidung zu treffen. En großer Teil der in Griesheim be- shäftigten Arbeiter wobnt in Frankfurt a. M., und Baugelänte soll in ziemli ausreihendem Maße vorhanden sein. Das Hauptbedenken richtet fich gegen das Eingreifen des Gesetzes in das Privateigentum. Wenn die rechte Seite dem Entwurf zustimmt, so darf aus der An- nähme für die Zukunft kein Präjudiz in bezug auf Landgemeinden hber- geleitet werden.
Unterstaatssekretär Dr. Freiherr von Coels von der Brügghen: In der Gemeinde sind ausreichende Flächen zur Bebauung vorhanden, aber die Grundstücke können nur durch Zusammenlegung für die Be- bauung nußbar gemacht werden. Die Provinzialbehörden, die Ver- treter der Gemeinden, alle Interessenten wünschen die Zusammen- legung. Die Gemeinde hat einen durchaus städtischen und industriellen Charafter. Ich bitte Sie, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. j
Herr von Buch-Carmzow: Jch habe den Mut, Sie zu bitten, den Gesfcßentwurf abzulehnen. Herr von Dziembowski hat eigentlich \{hon die Gründe dafür angeführt. Meine Bedenken gründen sih aber in der Hauptsache auf die Begründung des Ent- wurfs. In det Landgemeinde hat sich eine große Ae angesiedelt, ohne für das Wohnungsbe*ü'fris ihrer Arbeiter zu sorgen. In Gries- beim wobnt_ eine große Zahl von Frankfurtern. JIeyt soll noch Plaß geshaffen werden für die Arbeiter der Fabrik. Die dort an- sässigen Leute haben keine Neigung, ihren Besiy zu verkaufen. Sie jollen jeßt dwch die lex Adickes mürbe gemaht werden. JIch bin téin Freund von Grundstücks\pekulanten. Aber ih meine, man darf einem Besißer niht den Preis, wenn er einen höheren Preis erhalten ann, herunterdrüden. Jh kann durchaus nicht anerkennen, daß zu einem solch einshneidenden Schritt ein Bedürfnis vorhanden ift. Hie lex Adikes paßt nit für Landgemeinden. Wir müssen uns vor dem ersten Schritt hüten. Warum hat Frankfurt nicht für die in Griesheim wohnenden Arbeiter entsprechende Wohnungen? Sie hat do die lex Adickes. Die Staatsregierung muß prüfen, ob für eine dérartige Ausnahmebestimmnng ncch weitere Gründe maßgebend sind, als sie angeführt werden. So wie die Verhältnisse hier liegen, kann ih nur drinacnd warnen, das Geseß anzunehmen.
„Herr Dr. Wilms -Posen: Jh biite Sie, - den Ent- wuxf anzunehmen; Griesheim hat keinen ländlihen Typ. Für die Gem.inde ist es ja niht avgenehm, Maßnahmen zu ergreifen, die in das Privateigentum eingreifen, aber dieser Fall ist nicht vereinzelt, und die Maßnahme wird nur gewünscht, weil eine Notlage vorhanden ist. Die Gemeinde Griesheim muß sehen, wie fie -selber forikommt, ohne Rücksiht auf Frankfurt. Das freie Gelände fann 1.ur auf Grund der lex Adickes durh eine rationelle Zusammen"egung rationell ausgenußt werden. Es muß so der Ge- meinde Geleg*nheit gegeben werden, für ihre Arbeiter Unterkunft zu schaffen. Imcfern ist die Maßregel auch etne soziale. Auf wirkli rein ländlihe Bezirke soll das Geseß" ja auch nicht ausgedehnt werden.
Unterstaatssekretär Dr. Freiherr von Coels von der Brügghen: Das Gejsey 1 nicht bloß Arbeiterwohnungen schaffen, sondern ja allgemein der Wohnungsnot steuern. Es liegt auch eine Mon des Haus- und Grundbefißervereins vor. Eine zwiespältige Meinung herrs{cht also in Griesheim nicht. :
* Ver Gerichterstatter stellt fest, daß îm Grunde eine Meinungévorschiedenheit im Hause über diese Frage nicht vorhanden sei. (Eine Uebertragung der lex Adickes auf rein ländlihe Verhältnisse wünsche niemand.
- Der Gesezentwurf wird mit großer Mehrheit angenommen.
Namens der XI1V. Kommission berichtet Herr Dr. Beke r- Minden über den vom Abgeordnetenhause unter Abänderung der Regierungsvorlage angenommenen Gesezentwurf, be- treffend den Ausbau von Wasserkräften im oberen
Sobald wir hiervon in Kenntnis gefeßt siad, wird auf dieser Grundlage weiter verhandelt werden. Mehr kann seitens der Neichsfinanzverwalkung zurzeit nit geschehen.
Quellgebiete der Weser. Nach 8 1 der Regierungs- vorlage wird die Staatsregierung ermächtigt, für den Ausbau von Wasserkräften im oberen Quellgebiete der Weser 9 Millionen zu verwenden, wovon, solange die Wasserkräfte bei Münden niht zum Ausbau gelangen, nur 5 Millionen verwendet werden dürfen. Das Abgeordnetenhaus hat beide Ziffern um 11/2 Million erhöht. Dér Antrag der Kommission geht dahin, dem Gesegentwurf in der P des Abgeordnetenhauses zu- zustimmen und im Anschluß an die Resolution des Abgeordneten- hauses folgende Resolution zu fassen: _ „Die Königliche Staatsregierung wird ersuht, den Städten Cassel und |§öôttingen bei den chwebenden Vertragsverhandlungen in tunlichst großem Umfange und fo weit, als es die bereits abgeschlossenen Verträge und die Rücksiht auf die anderen im wirtschaftlichen Bereich des Unternehmens liegenden Kreise sowie auch das allge- meine Staats!nteresse zulassen, entgegenzukemmen, um diesen Städten den im allgemeinen Interesse liegenden wirtschaftlichen Zusammenscluß mit dem Staate und den in Betracht kommenden Stadt- und Landgemeinden zu ermöglichen.“ Me Beschlüsse der Kommission sind einstimmig gefaßt Orden.
Jn der Generaldiskussion bemerkt
Herr Dr. von Dziembowski: Nach dem Gesetz soll der Staat ein gzwerbliches Unternehmen in die Hand nehmen. Man muß diéses Geseß als Folgeerscheinung des Wasserstraßengesetßes auffassen. Wenn der Staat diese Wasserkräfte nicht ausnützte, so würden sie entweder ungenußtt bleiben oder den Privaten übertragen werden müssen. Das wäre nicht erwünscht. An dieser Stellung darf keinesfalls geändert werden. Db die Garantieverbände von der Beteiligung Gebrauch machen werden, steht dahin. Der Schwerpunkt dieses Gesetzes liegt in der Instanz der Kreise. Es ist ein gesunder Gedanke, daß die Kreise zwischen dem Staat und den Abnehmern die Vermittlung über- netmen. Damit ist aber ein gewisses Nisiko verbunden. Die Kreise sind tem Staate gegenüber verpflihtet, einen gewissen Mindeststrom zu, übernehmen. Sie werden gut tun, sich die Abnahme recht bald zu sichern. Erfahrungen auf anderen Gebieten zeigen, daß die Kreise nicht immer mit der nötigen Vorsicht verfahren, und daß dadurch die Steuerlaft erhöht wird. Die Aufsichtsorgane werden hierauf ein wadbsames Auge zu richten haben. Der Preis, den die Kreise für den Strom zu zahlen haben, erscheint durhaus angemessen. Im übrigen bitte ih, den Geseßentwurf im Vertrauen auf scine rihtige Durhführung anzunehmen.
Minister der öffentlichen Arbeiten von Breéitenba ch:
Meine Herren! Mit den Anschauungen des Herrn von Dziem- bowsfi, daß einseitig an der Stellung der Garantieverbände nichts geändert werden dürfte, kann ih mich nur einverstanden erklären. Der Gesetzentwurf trägt dem auh Nehnung. Nach der Begründung zum Wasserstraßengeses war vorgesehen, daß der Verwaltung des Rhein-Weser-Kanals ein Betrag bis zu 200 000 (6 aus dem Wasser- kraftwerke, welches in den Quellflüssen der Weser errihtet werden follte, zugewiesen werden sollte. Diese Hoffnung soll sich durch diefen Geseßentwurf erfüllen. Was die Stellung der Kreise zu diesem großen Unternehmen betrifft, dem ersten derartigen Unternehmen, das der preußishe Staat s{chafft, so kann ih feststellen, daß die Kreise mit außerordentliher Vorsicht und großer Zurückhaltung herangegangen find. Erst als sie feststellten, daß der Staat dieses Unternehmen aus\{ließlih unter dem Gesichtspunkt des Gemeinnuyens hbe- treiben wolle, {lossen sie \sich in größerer Zahl an, und während dieses Gese im Hause der Abgeordneten verhandelt wurde, bildete sich eine fo günstige Meinung, daß Kreise, die den Anschluß zunä@hst nicht in Aussicht genommen hatten, fi meldeten. Es wurde deshalb für zweckmäßig erachtet, den Kapital- betrag von 9 Millionen auf 104 Millionen zu erhöhen, im vollsten Einverständnis mit der Königlichen Staatsregierung.
Was die Frage betrifft, ob es angezeigt oder zweckmäßig fet, Kabel zu verwenden, so kann diese Frage mit Necht aufgeworfen werden. Die Verkabelung hat große Vorzüge; aber sie ist deshalb ausgeschlossen, weil sie erheblich zu teuer wird und dadur die Finanzierung des Unternehmens wesentlih erschwert werden würde.
Darauf {ließt die Generaldiskussion.
Jn der Spezialberatung wird der Gesetzentwurf im einzelnen und dann im ganzen mit sehr großer Mehrheit an- genommen, ebenso ‘die von der Kommission vorgeschlagene Re- solution.
Die übersichtlihe Darstellung des Ergebnisses derVerhandlungen des Landeseisenbahnrats von 1912 Un D darauf getroffenen Ent- scheidungen, der Bericht über die Ergebnisse des Betriebs der vereinigten preußischen und hessishen Staatseisenbahnen im Rechnungs - jahre 1911 und der Baubericht der Eisenbahn- verwaltung für den Zeitraum vom 1. Oktober 1911 bis dahin 1912 nebst dem Rechenschaftsbericht über die Verwendung
der extraordinären Dispositionsfonds dieser Verwaltung für das *
Etatsjahr 1911 werden auf Grund des mündlichen Berichts des Herrn von der Wickerau Grafen von Krockow durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt.
Es folgen Petitionsberichte.
Die Vereinigung selbständiger Apotheker im Drogenfa, e. Vir zu Berlin bittet um Einführung der Niederlassungs- freiheit für das Apothekergewerbe.
Berichterstatter Herr Dr. vonB öttin ger beantragt namens der Handelskommission, über die Petition zur Tagesordnung überzugehen. Die Ablösung der Realkonzession der Apotheken würde 500 Millionen erfordern. Außerdem stehe die gesetzliche Bestimmung den Wünschen der Petenten entgegen. Auch bei anderen Berufen gebe die Ab- legung cines Examens noch nicht das Recht auf Anstellung. Die approbierten Pharmazeuten müßten \ih in das Unabänderliche \hicken. In Italien hake man jeyt eine Niederlassungsfreiheit für dic Apotheken; neuerdings sei aber ein Gesehentwurf cingebracht worden, der sie aufheben wolle.
Das Haus beschließt ohne Debatte nah dem Kommissionsantrage.
Ueber eine Petition des Landmessers Schmidt zu Berltn um Maßnahmen zugunsten der durch die Katasteranweisung vom 16. März 1909 in“ ihrer Existenz gefährdeten selbständigen Landmesser beantragt die Finanzkommission, zur Tagesordnung überzugehen, was auch das Haus beschließt.
Eine Petition von Max Emshaar zu Elberfeld wüns{t Unter - suchung der Impfzwangsfrage, Einführung der in England bestehenden fo enannten Gewissensklausel, Entschädigung der durch dic Impfung geschädigten M Das Haus geht zur Tagesordnung über, da nah dem Réferat des Berichterstatters Herrn Dr. Todsen die Impffrage Sache des Reichstags sei und gegenwärtig die gleiche Petition au dort vorliege.
Eine Petition des Groß Berliner Mieterbundes um Erlaß eines Wohnungsgeseßes wird der Regierung als Material überwiesen.
Der Oberbürgermeister Sholß zu Danzig petitioniert namens des westpreußischen Städtctages um Vermeidung einer zu großen Belastung der Gemeinden mit Staats-
geschäften. Die Kommunaltkommission beantra i iti der Negterung als Material zu ted, I e Feliion Herr Dr.’ Wil ms - Posen: Ich mêcte die Pctition stützen, namentlich die Beschwerde darüber, Ae die ‘Milit verwaltung die Gemeinden zu Zustellungen benußt, anstatt sich der Post zu bedienen. Auch in anderen Fällen, z. B. von den Katasterämtern, werden Zustellunaen . einfah an den Gemeinde, vorsteber geshickt mit der Aufgabe, die Zustellung zu beforgen Die Gemeinde hat aber gar feine Beamten für diesen Zweck ver, fügbar, sie muß sih dann der Post bedienen und das Porto tragen Die einzelnen Behörden sollten also ihre Zustellungen selbst direkt besorgen, anstatt den Umweg über die Gemeindebehörden zu machen Das Haus beschließt nah dem Kommissionsantrag. :
Der Oberbrandmeister Hermann Lamp zu Stakendorf bei Ss berg (Holstein) petitioniert um Entschädigung für Verluste, die g dem Versuche, sein Patent eines Fe uerfinders zu verwerten er- litten hat. Dieser Feuerfinder hat den Zweck, den Auébruch eines Brandes auf dem Lande anzuzeigen und die Feuerwehr nach dem Brandherde zu leiten. Der Petent behauptet, daß er durch Maß- nahmen von Behörden, namentlich von Forstbehörden, in der Ver. wertung des Patents behindert worden sei, sodaß er einen Verlust von 100 000 Æ erlitten und sein ganzes Vermögen verloren babe. Die fitue ad beantragt, die Petition der Negierung als Material zuy überweisen. i
Graf zu Rangau schildert aus eigener Kenntnis die Vorzü dieses Feuerfinders. Der Petent habe zwar kiixen NeHtsansprud aber er sei in gutem Glauben gewesen, wenn er angeiommen habe L n Buy ten e is A sei. Er beantra gt lte Ueberweilung der Petition zur Erwägung, vie di:s a Abgeordnetenhaus getan habe. E f
Das Haus beschließt nah diesem Antrage.
Der allgemeine Wohlfahrtsverband deutscher Lehrer und L: hrerinne zu Berlin petitioniert um Bewilligung von Mittel n U Errichtung einer der allgemeinen deutschen Lehrerinnenpensionsanstalt anzugliedernden Zu- \chußkasse, welhe an alte und erwerbsunfähige preußische Privatschullehrerinnen ein Nuhegebalt und an die noch im Amte stebenden âlteren Lehrerinnen, welche die nötigen Beiträge nit zu leisten vermögen, jäbrliche Zuschüsse biérzu zu gewähren hätte. Nath dem Antrage der Unterrichtskommission“ wird die Petition der Nes gierung als Material überwiesen. :
Eine vom Frauenverbande der Provinz Sachsen ausgehe Petition um Erh öhung dex Für J uge E S nue willigten staatlihen Mittel zugunsten ihrer Mit-« verwendung für die weibliche Jugend wird auf Antrag l die Kommission gleihfalls der Regierung als Material über-
en.
; Schluß gegen 6 Uhr. Nächste Sißung Freitag, 1 Uhr. (Kleinere Vorlagen; Rechnungssachen ; Petitionen.)
unter,
Haus der Abgeordneten. 174. Sißung vom 24. April 1913, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphishem Bureau“.)
_Veber - den _ Veginn der Sißung, in der zunächst die zweite Beratung des Geseßentwurfs, betreffend die Bereit- stellung von Staatsmitteln zur Förderung der Landeskultur und der inneren Kolonisation, fortgeseßt wird, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Abg. von Bockelberg (konf.) bemerkt, in feiner Nede fortfahrend : Der Abg. Hof hat meine i Partei auf beftiaste angegriffen, indem er behauptete, daß ta, wo der Großgrundbesiß dominiere, die Landfluht am stärksten sei. Er hat si hierbei auf Professor Sering berufen. Es: t ja nicht zu leugnen, daß alljährlich aroße Mengen von Arbeitern vom Osten nach dem großen NMeservoir des Westens htn- ziehen. Aber ich möhte auß hier den Professor Sering anführen, der als Ursache hierfür die große industrielle Entwicklung des Westens bezeichnet. Er sagt, diese Bewegvyng wird nicht eher aufhören, als bis dieses große Neservoir der Kohlenrcviere im Westen von Menschen angefüllt sein wird, Dieser Aderlaß, der dem Osten dadurch zugefügt wird, ist natürlich von großer volkswirtshaftlicher Bedeutung. Wir sind daher auf den Zuzug ausländischer Arbeiter angewiesen. Auh kann man heutzutage von cinem Dominteren des Großgrundbesißes im Osten niht mehr \preden. Fm Jahre 1895 betrug der Besiy über 100 ha nur noch 44 9/0, me Zahre 1907 “Ut erauf 40,3% zurückgegangen, und in neuester Zeit hat sih sogar der Prozentsaß noch zugunsten des Klein« besißes vershoben. Der Abg. Hoff ist auch im JIrrtum, wenn er meint, daß durch die“ Errichtung von kleinen und mittleren Bauerngütern der Zuzug von Saisonarbeitern unterbleiben könnte. (S ist bereits in vielen Schriften nachgewiesen, daß der Kleinbetrieb mehr Saisonarbeiter braucht, als der Großbetrieb. f durch die Besiedlung im Osten die Frage der Leutenot nicht gelöst werden. Wenn der Abg. Hoff auf die Agrarreform in Jrland und Rußland hinweist, so verkennt er doch wohl, daß in diesen beiden Staaten eßt erst der Schritt gemacht worden ist, der bei uns bereits DoI 100 Jahren gemacht wurde. Jm übrigen liegen die Verhältnisse in Rußland nicht ganz so günstig, wie es dargestellt wird. Es gibt in Nußland viele papterene Dörfer. Die neue Agrarfassung, die in Zrland im Jahre 1903 eingeführt worden ist, läßt sich auf unsere Verhältnisse niht anwenden. Bei uns in Deutschland und besonders in Preußen ist der Großgrundbesiß in Händen von solchen Männern, die nicht ihren Besiß von weiter Ferne aus verwalten und ibn nur als Sommersißz oder zu Jagdzwecken benuten, sondern das größte Ge- wicht darauf legen, ihre heimatlihe- Scholle dauernd selbst zu be- wirtschaften. Deshalb können wir die Verhältnisse in Irland nicht mit den unserigen vergleichen. Bei uns wird immer eine richtige Mischung des Verhältnisses zwischen Groß- und Kleinbesiß vorhanden scin. Der Großgrundbesiß i notwendig im Interesse der Selbstver- waltung. Von den Freisinnigen wird uns immer vo1geworfen, daß wir das Hemmnis auf dem Gebiete der inneren Kolonisation seien. Der Hauptgrund dafür, daß unsere Agrargesetgebung zum Stillstand gekoms- men ist, liegt aber darin, daß man der Ansicht war, der Staat braude ih nicht in diese Frage hineinzumischen. Gerade die Herren von der Volkspartei sind es, die bisher immer der inneren Kolonisation Wider- stand geleistet haben. Ich berufe mich dabei auf die Aeußerungen bekann- ler Führer der Freisinnigen. (Der Redner zitiert die Aeußerungen freì- sinniger Parlamentarier aus früheren Jahren, die sih gegen die Nenten- gutsgeseße wenden). Der Antrag der Fortschrittlichen Partei ist wohl kaum ernst gemeint. Sie würde diese Summe nicht fordern, wenn der Großgrundbesiß dadurh nicht zerschlagen würde. Für die innere Kolonisalion sind bisher hon viele Staatsgelder verwandt worden, A U sich diesmal nur darum, die {on vorhandenen Fonds auf- zufüllen.
O e rhoff (freikons.): daß die Besiedlung mit der Ürbarmahung der Moore Hand in Hand gcht. Die Domänenverwaltung will nun ihrerseits nicht selbst an- sicdeln, sondern sie will dazu Kommunalverbände und gemeinnüßige Ge- [ellschaften heranziehen. Es ist aber empfchlenswert, das Land direkt an die Kolonisten abzugeben, ganz besonders da, wo öffentlih-re{chtlide Verhältnisse nicht dageaen \prehen. Nur wo das nicht möglich ist, sollen Kommunalverbände und diese Gesellschaften eintreten.
Jedenfalls kann
Für uns ist die P 1
(Schluß in der Zweiten Beilage) "* Æ „|
das”
Zweite Beilage
zum Deulshen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.
M 98.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
ber auch dabei darf die Unterstützung des Staates nicht fehlen. Die ge- meinnüßigen Gesellschaften sind ganz besonders in der Lage, darüber 4 bestimmen, welche Art von Besiß, ob größere? oder kleinerer Besiß, in einer bestimmten Gegend vorteilhaft ist. Mit Freude i} es zu begrüßen, daß das Land längs der Kanäle von der Umlegung frei- bleiben soll. Bei der Preisfrage ist immer zu berücksichtigen, daß die Folonisten eine gesicherte Gristenz haben. Wichtig ist es auch, daß
Man für die größeren Moore auch gleih den nötigen Bahnanschluß
shafft. Hier soll sih die Domänenverwaltung mit der Eisenbahnver- waltung in Verbindung seßen. Zu berüctsichtigen wäre auch die Frage, daß in der Zeit zwischen Ürbarmachung und Besiedelung die alten Be- ser tunlihst berücksichtigt werden. Den Bewerbern sollte, .soweit es id; um Zuweisung neuer oder Vergrößerung der schon überwiesenen mfultivierten Moorflächen zur Torfgewinnung handelt, nah Möglich- kit entgegengekommen werden; die Vomanenverwaltungwürde auf diesem Pege auch den Torfschiffern einen guten Dienst erweisen, die sonst mit ihrem Betriebe lahm gelegt werden. - Unseren Wünschen in dieser Keziehung 1} nicht die landwirtschaftliche, wohl aber letidêr die Finanzverwaltung lebhaft entgegengetreten; wir bitten den Landwirt- shaftsmini]ter, jeinen Einfluß aufzubieten, damit diesen Interessenten Perücksichtgung zuteil wird. Ich hoffe, daß zu dem schon ausgebauten qroßen Moorverkehrskanal baldigst neue Kanäle in Angriff cenommen perden; wir hoffen ferner, daß der Urbarmachung bald die Befiedlung jolgen und blühende Landgemeinden entstehen lassen wird. Die Mittel, die wir heute bewilligen sollen, werden aufs beste angewandt sein.
Minister für Landwirtschaft, und Forsten Or. Freiherr von. Schorlemer:
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat mit Net hervorge- hoben, daß für die Moorkultur nicht allein die Anlage von Kanälen, sondern ebenso auch der Bau von Straßen und Eisenbahnen in Be- taht Tommt. Was die erwähnte Bahnstrecke Aurih—Sande—Wils« selm8haven betrifft, so schweben über dieselbe bereits Verhandlungen ¡wishen dem Landwirtschaftsministertum und dem Herrn Eisenbahn- minister. Jh werde mi bemühen, diese Verhandlungen so bald wie möglich zu einem guten Ende zu führen, weil ich der Metnung bin, daß gerade der Bau dieser Bahn von ganz besonderer Bedeutung fir die weltere Entwicklung und Erschließung des Wies- noores sein wird. (Bravo! bei den Freikonserpatiyen.) Venn nun der Herr Vorredner mit Bedauern darauf auf- merksam gemacht hat, daß sich die Abgabe von unkultiviertem- Moor intsprehend meiner Zusage bei der Kommissionsberatung nicht hat herwirklichen lassen, so möchte ich unter Bezugnahme auf die Ver- handlungen der Konferenz im Landwirtschaftsministerium do darauf hinweisen, daß meine Zusage fch in erster Linie nur auf diejenigen Noorgrundstüde erstreckte, weldhe nicht im Zusammenhang mit den oßen Flächen stehen, und daß ih nur eventell in Ausficht stellen lonnte, an den Nändern der großen Moore ebenfalls Parzellen abzu- ben. Was die ersteren, also nicht im Zusammenhange stehenden Moorflächen betrifft, so hat ih herausgestellt, daß ca. 290 ha, also iber 1000 Morgen, sofort abgegeben werten können. Ich bemerke kau, daß die Größe der Fläche zunächst nur nach den Karten er- nittelt ist, und daß etne genauere Feststellung vorbehalten bleiben nuß. Diese Parzellen genügen aber den in. Frage. kommenden Folonisten in der Mehrzahl deswegen nicht, weil sie nicht im Zusammen- hang mit ihren Kolonaten liegen. (Abg. Dr. Iderhoff: Sehr richtig !) Gie wünschen deswegen direkten Anschluß an ihre bereits in Bearbei- tung befindlichen Moorflächen, und sle würden diesen allerdings nur irhalten können, wenn von der zusammenhängenden Moorfläche au iwas abgegeben werden Tönnte. Für den Augenblick ist dies deswegen nit gut ausführbar, weil die Entwäfserungsprojekte, die in Frage lommen, au die Randgrundstücke betreffen, und es deswegen zweck- mäßiger ist, jedenfalls bis zur Ausführung der. Entwässerung diese Grundstücke in der Hand zu behalten. Jch bin aber im übrigen gern tbôtig, nochmals im Einvernehmen mit dem Herrn Finanzminister die Sache wohlwollend zu prüfen und, wenn es möglich ist, auh nach dieser Richtung den Wünschen der Interessenten entgegenzul'ommen. (Bravo! bei den Freikonservativen.) Aber ih möchte dann auch den verrn Vorredner bitten, etwas beruhigend auf die Interessenten ein- juwirken und für den Augenblick die Ansprüche nah Möglichkeit herab- lseßzen; wenn das große Moor kultiviert ist, dann foll, wie ih hier ent- sprehend meiner in der Kommission abgegebenen Erklärung nochmals wiederhole, auch sofort mit der Besiedlung, entsprehend dem Fortschritt der Kultur und der Neife der kultivierten Flächen, angefangen und fortgefahren werden. (Bravo! bei den Freikonservativen.)
Dann hat der Herr Voyuredner noch darauf aufmerksam ge- mnt, daß eine Reihe von Sahren hindur ca. 6000 ha Weiden jur Verfügung stehen würden, und daß es doch unter Umständen für die Nachbarn nicht ganz unbedenklich sein würde, wenn große Quantitäten Heu auf den Markt geworfen würden und ebenso auch diese Weiden größtenteils zur Viehaufzuht benußt würden. - In liter Beziehung habe ih die erhobenen Bedenken {on in der Kou- nission zurückzewiefen. Es wird sich in der Hauptsahe darum handeln, von diesen Wiesen, die neuangelegt sind und vom Vieh noh letreten werden könnten, das Heu zu gewinnen, und das Heu läßt sh auch in der Weise verwerten, daß man Preßheu herstellt, und es tht in der nächsten Umgegend abseßt und den Markt ungebührlich drüdckt, sondern es weiter entfernten Gegenden zuführt. Bei ver- lünftiger Handhabung der Wirtshaft werden meines Erachtens für die Nächstbeteiligten besondere Unannehmlichkeiten niht zu erwarten lein, (Bravo! rets.)
Abg. von Schuckmann (kons.): Nicht nur wegen der Ver- Whrung der Fleischnahrung wünschen wir eine energische innere Kolo- lation, sondern auch darum, weil sie das beste Mittel ist, die land- wirtschaftlihe Bevölkerung zu stärken. Es gibt kein gesundes Volk dhne starke landwirtschaftlihe Bevölkerung. Deshalb ist meine Jra lion fest entschlossen, eine gesunde innere Kolonisation durchzuführen. Sh glaube auch, daß allmählich alle Parteien auf diesem ege fich lingen werden. Wir-erkennen mit großem Danke an, daß die Neégie- lung auf dem Gebiete der inneren Kolonisation, wenn auch vorsichtig, so doch auch zielbewußt vorgeht. Wir wünschen nicht, daß der Staat [lbst die innere Kolonisation in die Hand nimmt, sondern wir ollen sie den dazu geeigneten Gesellschaften überlassen. Wir fordern tine Abänderung des R E N Ce A rin das in außerordent- lihem Maße die Ansiedlung selbständiger Gemeinden erschwert, Die
Domänen
Berlin, Freitag, den 25. April
1913.
Schullaften müssen vor allen Dingen erträglicher gestaltet werden, sie mussen auf breitere Schultern gepackt werden. Auch die Armen- und Kirchengeseßgebung bedarf dringend der Reform zugunsten der An- siedler. Wir sind der Ansicht, daß eine gewisse Bindung des Grund- besißes durchaus notwendig ist. Deshalb können wir auch unseren Grund und Boden nicht so billig verkaufen, da die Leute ihn dann wieder zu höherem Preise weiter veräußern würden. Nach dem be- stehenden Recht können Sie eine Bindung des Grundbesißes gar nicht einführen. Mit dem Vorkaufsreht des Staates wird dieses Ziel nicht erreicht. Deshalb fordern wir ein Ansiedlungsgeseß, das in geeigneter und angemessener Weise eine Bindung des Bodens herbeiführt. Wir find zu jeder gesunden Siedlungspolitik bereit. Wir wünschen, daß die Ansiedler- so angeseßt werden, daß fie wirklih vorwärts kommen können. Jedenfalls sind wir keine Feinde der inneren Kolonisation, wie das der Abg. Hoff aus den Worten des Herrn von Oldenburg- Fanuschau fäls{lich entnommen hat. Die Worte des Herrn von Olden- burg beweifen gerade das Gegenteil. Auch Freiherr von Wangenheim ist ein warmer Förderer einer gesunden inneren Kolonisation. Wir verstehen allerdings von der inneren Kolonisation etwas mehr als die Freisinnigen. Wenn die Fortschrittler über Landwirtschaft schreiben, dann kommen sie mir vor wie die Lilien auf dem Felde: fie säen nicht, sie ernten nicht, und unser himmlifcher Vater ernähret sie doch. Der Abg. Hoff hat sih dann auf Professor Sering berufen. Es wäre aber richtiger gewesen, wenn Sie berücksichtigt hätten, daß auch Sering anerkannt hat, daß der Großgrundbesiß für die Kultur viel getan hat. Die großen Grundbesißer haben, ebenso wie die kleinen Besiber, eine überraschende Entwicklung auf dem Lande hervorgerufen. Auch die Industrie kann ohne ausländische Arbeiter niht mehr aus- fommen, das tommt von der ungeheuren (Entwicklung, die unser Land genommen hat, und die allerdings zur Entyölkerung des Landes führt. Hinzu kommt, daß unsere meisten Soldaten vom Land kommen und nachher nicht mehr zurückehren, auch das führt zur Entvölkerung des flachen Landes. Wenn die Soldaten in ihre Heimat zurückkehren würden, könnten wir besser kolonisieren. Der freisinnige Antrag, der 115 Millionen für die innere Kolonisation fordert, ist gar nicht recht begründet. Das Unglücklichste, das wir machen könnten, wäre die Er- richtung einer Zenttalbehörde, womöglich mit dem Abg. Pachnicke oder Hoff an der Spiße. Daun könnten wir sehen, daß aus der- ganzen Kolonisation gax nichts wird. Wir brauchen eine solche Zentralbehörde nicht. Van muß hier mit Ruhe und Sicherheit vorgehen. Wenn Sie solche großen Summen für die innere Kolonisation anlegen, dann erreichen Sie, was Sie nicht wollen, nämlih daß die Grundstücks- preise ungeheuer in die Höhe gehen. Wer es ehrlih mit der inneren Kolonisation meint, will das nicht. Ganz abgesehen von der unbeab- sichtigten Wirkung, ist der Antrag sachlich unbegründet. Er scheint auf dem Grundsaß zu beruhen: Hannemann, geh? Du voran, Du hast die längsten Stiebeln an! Wie viele schone Güter haben die Städte, die unter threr Verwaltung stehen! Warum machen Sie nicht den Anfang und gehen voran? Dann ift vorgeschlagen worden, die Futter- mittelzöólle aufzuheben. Diese {üben aber doch auch den kleinen Mann, nicht nux den Großgrundbesiß. Weiter is auf den Unter- gang der kleinen Grundbesißer in England hingewiesen worden. Dort sind aber die kleinen Grundbesißer deshalb zugrunde gegangen, weil thnen die Eristenzbedingungen abgeschnitten worden sind. Wenn viele Bauern ihre Grundstücke verkaufen, so liegt das taran, daß sie keine Leute“ mehr fkriegen. Wir wollen bäuerliche Besißer, mittlere Be- fißer und Arbeiter anseben, soweit das möglich und praktisch i}. Wir dürfen aber nicht bestimmte Prinzipien aufstellen und von oben herab erklären, es muß so und so gemacht werden. Der größte Fehler, den man machen fann, ist der, daß man den Ansiedlern nicht genügend Be- triebsfkapital läßt. Ich bitte deshalb den Minister, in diejer Beziehung auf die Besiedlungsgesellschaften einzuwirkèn. Wir wünschen, daß unsere Arbeit, die wir bisher auf diesem Gebiete getan haben, zum Heile des Vaterlandes dienen wird. G ;
Abg. Gamp - Vblath (freikons.): Ih muß der Behauptung entgegentreten, als ob in den Reihen der Freikon}ervativen erhebliche Widerstände gegen die innere Kolonisation beständen. Die dem Abg. von Kardorff in den Mund gelegte darauf bezügliche Behauptung ist nicht in diesem Sinne. gefallen. Er hat allerdings gesagt, daß gewisse Bedenken bei den Konservativen beständen, daß aber die innere Kolo- nisation wünschenswert sei, und daß innerhalb der Großgrundbesißer feine zahlreichen Gegner mehr seien. Selbstverständlih kann man, wenn man auch Freund der Kolonisation ist, das jeßige Verfahren noch nicht begrüßen und eine Besserung wünschen. Vor allem ift zu fordern, daß die Ansiedler so billig angeseßt werden, daß sie ein gedeih- liches Leben auf ihrer Scholle führen können. Der Ansiedler hat zu Anfang mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, er hat seinen alten Wohnsiß aufgegeben und gilt vielleiht in seinem neuen Wohnsiß zunächst als Eindringling. Wenn geschäftskundige Ansiedler in Aus- nahmefällen ihr Gut nah wenigen Jahren mit Vorteil weiter ver- kaufen, so ist der Schaden für die innere Kolonisation nicht so {limm, als wenn die Ansiedler im ganzen zu teuer angeseßt werden. Bei auf- geteilten großen Gütern müssen die Ansiedler zu einer neuen Land- gemeinde zusammengeschlossen werden; wir müssen vor allem dafür sorgen, daß nicht die neuen Ansiedler ciner Stadtgemeinde einverleibt werden, weil erfahrungsmäßig bei der Steuerpolitik die Ackerbürger in ‘der Stadt immer benachteiligt sind. In allen diesen Richtungen wünsche ih Verbesserung des jeßigen Verfahrens, hoffe aber, daß die innere Kolonisation dem Lande zum Segen gereichen werde.
Die Debatte wird geschlossen. E
Abg. von dem Hagen (Zentr.) verwahrt in persönlicher Be- merkung das Zentrum gegen die Angriffe des Abg. Leinert.
Abg. Hoff (fortschr. Volksp.) bemerkt, daß er nicht die Kon- servativen wegen threr Haltung zur inneren Kolontsation angegriffen, sondern nur Zitate von verschiedenen konservativen Rednern, wie des Abg. von Wangenbeim, verlesen habe. Die Zollpolitik habe die Güter- preise in die Höhe getrieben.
Die Vorlage wird unverändert angenommen, nachdem der Antrag der Abgg. Aronfohn (fortschr. Volksp.) und Genossen auf Bewilligung höherer Mittel für die innere Kolonisation gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt worden ist. Die gestern bereits mitgeteilte Resolution der Kommission wird angenommen. Die Denkschrift über die Ver- wendung des Fonds für die innere Kolöonisation im Jahre 1911 wird. durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt.
Es folgt sofort die dritte Beratung.
Bei der allgemeinen Besprechung bemerkt
Abg. von Saß -Jawors ki (Pole): Die Ausführungen des Ministers gegen die Polen waren unbegründet. Der Minister hat insbesondere von der polnischen Geistlichkeit behauptet, daß fie ihren nationalen Einfluß gegen das Deutschtum geltend gemacht hätte, er ist aber den Bewets dafür s{uldig geblieben. Man gebe nur den Polen volle konfessionelle Gleichberehtigung. Die Polen haben die Ausnahme- geseße niht gemacht und auch nit veranlaßt. Die allgemeinen Ge- seße genügten auch in den polnischen Landesteilen. Nicht wir stören den Frieden, sondern der Staat mit seinen Machtmitteln. Wir stehen auf * dem geseßlihen Boden der Verteidigung. Wir wollen einen ehrliben Frieden und erheben unsere warnende Stimme dafür, daß der Staat von setnen falschen Bahnen in der Polenpolitik abläßt. Der Redner weist \{lteßlich nochmals auf die Haltung des Vaters des jeßigen Ministers gegenüber der Polenpolitik der Ne- gierung hin.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forstèn Dr. Freiherr von Schorlemer:
Meine Herren! Der Herr Vorredner wird wohl nicht erwarten, daß tch im Anshhluß an die von ihm eben gemachten Ausführungen auch meinerseits wieder Anlaß zu einer Polendebatte gebe (sebr richtig ! rechts), und: tas umsotweniger, weil ih bereits in der Kommission bei der Beratung des gegenwärtig vorliegenden Geseßentwurfs tie aus- drückliche Erklärung abgegeben habe, daß die Verwendung ter hier beantragten Gelder nicht nach politischen, sondern lediglich nach wirt- \chaftlißen Gesichtspunkten erfolgen soll. Aber ich muß gegenüber dem, was er bezüglich meiner gestrigen Ausführungen gesagt hat, in erster Linie doch noch einmal hervorheben, daß nicht ih es gewesen bin, der sih auf die Autorität des früheren Mitglieds dieses Abge- ordnetenhauses, meines Vaters, berufen hat, \ondern daß es der Abg. von Saß-Jaworski war, der diesen Namen genannt hat und ihn, wenn aúch nicht mit ausdrücklihen Worten, aber doh tatsächlich, in Gegensatz zu seinem Sohne gestellt hat. (Sehr richtig!) Demgegenüber hatte ih wohl die Berechtigung und hielt cs für meine Pflicht, darauf aufmerksam zu machen, daß gerade mein Vater {on im Jahre 1388 ein Urteil über die Agitation der polnischen Geist- lihkeit gefällt hat, welches sich mit meiner Auffassung vollständig det.
Meine Herren, um nach dieser Richtung hin jedoch Zweifel aus- zuschließen, habe ih jeßt den Brief zur Hand, den ih gestern nur nach dem Gedächtnis zitieren konnte. Jh will auch den Adressaten dieses Briefes nennen: es ist der inzwishen verstorbene Landes- ökonomterat Winkelmann in Westfalen. Der Brief ist anläßlich der Debatte im Abgeordnetenhause am 25. Januar 1888 geschrieben, in welcher sich der damalige Abg. Freiherr von Schorlemer-Alft gegen die polnishe Geistlichkeit wendete, welhe in einer Adresse den Erz- bischof Dinder beschuldigt hatte, daß er seine Pflicht als Erzbischof verletzt und der Verfügung der Regierung über den Religionsunter- riht an. den Gymnafien weitere Folge gegeben hätte. Jn diesem Briefe heißt es wörtlich — ich verlese mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten nur zwei Säße:
Bom ganzen Dekanate aus Westpreußen erhalte ih tankend die Zu- stimmung ausgesprochen (seitens der Geistlihen), wie auch ein großer Teil der polnischen Fraktion, die diese Anmaßung durchaus mißbilligt, mir dankt. Es ist unglaublich, und war mir, bis ih jeyt das be- weisfähige Material erhielt, welches ih aber zurückthalte — un- bekannt, welche Tyrannei die Polen auch neuestens betreffs des Lesens und Betens aus deutschen Büchern geübt haben. (Hört, hört !)
Meine Herren, i glaube, diese Worte genügen! Sie find vlel strenger und. härter als dasjenige, was ih geftern meinerseits bezüg- lid) der Agitation der polnishen Getstlichkeit ausgesprochen habe.
Meine Herren, ich glaube, ich habe dur meine ganze Haltung gegenüber den Polen zu erkennen gegeben und den Beweis geführt, daß ih keineswegs einer Politik zuneige, welche auf eine Verdrängung des polnishen Volksteils gerichtet “ist. Ich habe bei vershiedenen Gelegenheiten hervorgehoben, daß die Be- strebungen der Politik der Staatsregierung nur dahin gerichtet fein können, das Gebiet der Provinzen Westpreußen und Posen dem Deutschtum zu erhalten und in diesen Provinzen das Deutschtum fo zu stärken, daß es auch bier in Kultur und Gesinnung auss{laggebend bleibt und daß, wie ich hinzufügen möchte, auch ein für alle Mal jeder Zweifel ausgeschloffen ist, als wenn dieses Gebiet jemals wieder in irgend einer Form von Preußen und von Deutschland, abgetrennt werden könnte.
Wenn der Herr Vorredner, wie ich anerkennen will, in durchaus ruhiger Wetse darauf aufmerksam gemacht hat, daß nah seiner Ansicht die Pfade der Polenpolitik der Staatsregierung nicht die richtigen wären und daß es Sache der Regierung wäre, die Polen wieder dem Deutschtum zuzuführen, so hat er, - glaube ih, doch gerade das außer aht gelassen, was er uns zum Vorwurf gemaächt hat: wer hat sich denn in den Provinzen Weslpreußen und Posen hermetisch abgeschlossen und tut es noch?2 Meine Herren, das sind die Polen gewesen (sehr richtig! rechts), die sich in Genossenschaften organisiert haben und aus allen deutschen Vereinen ausgetreten find, und damit wirtschaftlich und politisch einen Staat im Slaate ge- bildet haben. (Sehr wahr! bei den Nationalliberalen.) Meine Herren, wenn Sie von diesem Wege ablassen, wenn Sie sich einmal entshieden und rüdckhaltslos auf den Boden ftellen, daß Sie preußische Staatsbürger find und bleiben wollen, und daß die Deutschen in Ihrer Provinz au Ihre Landsleute sind, dann wird der Augenblick gekommen sein, wo der Wunsch des Herrn Vorredners in Erfüllung achen und ein anderer Weg in der Polenpolitik einges{lagen werden kann
Ih gehe gewiß niht so weit, die Nede eines Abgeorbneten wie des Herrn Korfanty zur Grundlage irgendwelcher politischer Maßnahmen der Staatsregierung machen zu wöllen. (Heiterkett.) Aber, meine Herren, diese Rede ist doch der Abklatsch einer Gesinnung, die niht allein in den Kreisen polnischer Abgeordneter, sondern darüber hinaus auch in der polnishen Bevölkerung und gerade in deren unteren Schichten sehr weit verbreitet ist. (Sehr - wahr!) Und diefentgen Herren, die, wie der Herr Abg. von Saß-Jaworski, gewiß die Abit haben, friedliche Verhältnisse herbeizuführen, follten in erster Unie folche Aeußerungen unterdrücken, die sch kein Preuße und kein Deutfcher gefallen lassen kann. (Lebhafter Beifall rechts und bei den Nationalliberalen.)
Abg. von Saß-Jaworski (Pole): Wie sollen wir es dén machen, uns von Preußen loszureißen? Wir wollen in unserer Heimat bleiben. Die Regierung hat die Macht, und ihre Macht- stellung gibt ihr die Pflicht, Gerechtigkeit zu üben. Der Staat hat die Macht und die Pflicht, einen ehrlichen Frieden zu \{lièßen.
Die Vorlage wird darauf endgültig angenommen.
Es folgt die zweite Beratung des Entwurfs eines Ausgrabungsgeseßzes auf Grund des Berichts dex vorstlcktän Justizkommission, die die Annahme des Gesetzes in mehrfah abgeänderter Fassung, sowie folgende Resolution beantragt: