1913 / 101 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 29 Apr 1913 18:00:01 GMT) scan diff

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: eltslast R gber genügend nahgewiesen, wie troßdem die Ar- _beitslast gewachsen ist. L ; ?

_Abg. Heine (Soz.): Für uns spielen keine Sparsamkeits- gründe mit. Auch erkennen wir die große Arbeitslast an. Für uns ist die Reichsanwaltschaft keine unabhängige Behörde. Sie hat nicht einmal die Unab gigkeit, die sie: sehr wohl haben könnte. Sie soll uns das 10 Jahre lang bewei en, dann mag sie wiederkommen. Abg. Dr. Jun ck (nl): Die Sozialdemokratie verzichtet auf sachliche Gründe. Sie will einfach jeßt einen Racheakt verüben, weil

„tin Reichsanwalt vor 5 Jahren einmal einen Antrag gn hat, der

L Ee paßte. Die Reichsanwaltschaft arbeitet aber doch direkt objektiv. : :

Abg. Dr. Mülle r - Meiningen (fortshr. Volksp.): Auch ih halté es für unangebracht, wegen einer Aeußerung vor 5 Jahren die anze Neichsanwaltschaft verantwortliß machen zu wollen. Wie éhr die Arbeitslast gewachsen ift, ist daraus zu ersehen, daß con einer der angestellten Neichsanwälte direkt zusammengebrochen ist. Gerade im Interesse einer wirksamen Justiz sollte auch der Abg. Heine gegen Dilfsarbeiterstellen sein. Die Herren vom Zentrum haben wenigstens ja{hliche Motive angegeben. Jch bitte Sie im Interesse der Nechts- pflege, bier keine kleinliche Verärgerungspolitik zu treiben.

Abg. Haa fe - Königsberg (Soz.): Man darf nit von einer Verärgerungspolitik sprechen. Wir tehen in dieser Beziehung nicht allein. Auch andere halten ja eine folhe Stelle für unnötig Wir haben keinen Grund, neue Staatsanwalts\tellen zu schaffen, da dar- unter die Anklagen nur zunehmen. Erst kürzlich hat ein hoher Ge- fangnisbeamter darauf hingewiesen, daß jeder fünfte Mann in Preußen bestraft ist.

Nach einer weiteren Bemerkung des Abg. Dr. Jun ck (nl.) bemerkt der

Staatssekretär des Retichsjustizamts Dr. Lis co :

Meine Herren! Ich möchte Sie ebenfalls dringend bitten, im Interesse des Reichsgerichts, im Interesse der Neichêanwaltschaft und unserer Nechtspflege den sechsten Neihsanwalt zu bewilligen. Die sachlichen Gründe hat der Herr Abg. Dr. Junck soeben dargelegt. Ich brauche dem nichts hinzuzufügen, da ih dieselben Gründe bereits in zweiter Lesung des Etats hier vorgeführt habe. Ich will nur noch einmal darauf aufmerksam machen, daß es dringend wüns{enswert ist, daß nit ein Hilf3arbeiter in den Senaten des Neichsgerichts auftritt, sondern daß immer ein angestellter Beamter dort amtiert.

Die Reichsanwaltschaft muß au vertreten / sein im Disziplinarhof beim RNeichsgeriht und im Ehrengerichts- hof für Rechtsawälte. Es ist nun Gepflogenheit, daß auch bei diesen Behörden stets ein etatsmäßiger Reichsanwa=lt auftritt, es würde bei den Herren Nechtsanwälten wie tn der Oeffentlichkeit Ver- wunderung erregen, wenn vor diesen Behörden das öffentliche Interesse durch einen Hilfsarbeiter wahrgenommen würde. (Sehr richtig! rets.) Die etatômäßigen Reichsanwälte sind derartig belastet, daß es nicht zu umgehen fein wird, die Hilfsarbeiter in vermehrtem Maße zu den öffentlihen Verhandlungen zuzuziehen. Jm Interesse der Rechts- pflege ist es dringend erwünscht, daß das aufhört, und ich Tann nur bitten, ‘dem Antrag Dr. Junck und Genossen zuzustimmen.

Auf Antrag des Abg. Dr. Jun ck (nl.) findet namen t- liheAbstimmung statt. Der Antrag wird mit 118 gegen 177 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen abgelehnt.

Persönlich bemerkt der é Abg. Thiel e (Soz.): Jh möchte bemerken, daß ih nicht wegen Gotteslästerung, sondern nur wegen Pfarrerbeleidigung einmal bestraft worden bin.

Beim Etat des Reihsscchazamts entsteht keine De- batte.

Der Abg. Gothein, der das Wort erhält, ist nicht anwesend.

Ueber die Wiederherstellung der Ostmarkenzulage in diesem Stat, die au von den Abgg. Schülß-Bromberg (Np.) u. Gen.

beantraat ist, wird nament li ch abgestimmt. Die Forderung wird auch jeßt miéder mit 182 gegen 114 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen abgelehnt. Der Etat der Shußt- gebiete wird ohne jede Debatte erledigt und das Schu b - gebiets-Etatsgeseßz endgültig genehmigt. Der Etat Des Reichskolonialamts passiert ebenfalls ohne Debatte.

Beim Etat des Reichs eisenbahnamts schildert der

Abg. Baudert (Soz.) ausführlih die großen Unzuträglich- keiten die sih für Thüringen und tnsbesondere im Eisenacher Dberl«nd für die Entwicklung des Verkehrs durch die rüsichtslose und eigennüßige Cisenbahnpolitik Preußens ergäben, die den Anforde- rungen des gesteigerten Verkehrs in keiner Weise gerecht werde. (Fine Reihe von Eisenbahnunfällen in Großheringen, Wutha und Vieselbach seien auf das Fehlen genügenden Personals und die Ueber- müdung der vorhandenen überangestrengten Beamten zurüc{zuführen. Berbindungen und Anschlüsse ließen vielfah ganz außerordentlich zu wünschen übrig. Alle Vorstellungen der Kleinstaaten beim preußi- fchen Eisenbahnfiskus fruchteten nichts; man könne also nicht anders, als mit diesen Klagen vor den Reichstag treten, um Abhilfe zu fordern.

Abg. Dr. Wendorff (fortshr. Volksp.): Ich könnte ahnliche Schmerzen aus Norddeutschland, besonders aus Mecklenburg, vor- tragen. Alle diese Klagen haben ihren Grund in dem Fehlen einer Hetchseisenbahngemeinshaft. Wir bedauern u ngemein, aw eine solche von Preußen abgelehnt wird; die Gründe, die man dort agegen anführt, enes uns absolut nicht zwingend. Eine folche Ge- meinschaft foll niht möglich und auch nicht nötig sein: daß sie doch nötig ist, dafür sind die Ausführungen des Vorredners ein \{lagender Beweis. Und möglich is sie au, denn noch vor wenigen Jahren wollte man doch eine Betriebsmittelgemeinschaft durchführen. Jst diese mögli, dann ist es auch eine Eisenbahngemeinschaft über- haupt. Wir bedauern auch, daß der Präsident des Reichseisenbahn- amtes dazu nicht die Jnitiative ergreifen will. Die Dienstzeit ist noch immer viel zu ausgedehnt; es kommt noch heute vor, daß Loko- motivführer eine Dienstzeit von 1554 Stunden haben; darin liegt eine starke Gefährdung der Sicherheit des Betriebes. In der „Saison“ tommt_es in Mecklenburg sogar vor, daß die Lokomotivführer bis 1714 Stunden Dienst tun müssen! Das Personal der Mecklenburgi- schen Friedrih Franzbahn is ganz außerordentlich überlastet; auch’ hier sind infolgedessen ernste Unfälle zu verzeichnen gewesen. Wenn nicht noch viel mehr Unglück passiert, so ist das lediglich der Pflichttreue und dem Diensteifer der Beamten zuzuschreiben. Für den in diesem Sommer stattfindenden Kongreß der Taubstummen dnr das Neichseisenbahnamt den Teilnehmern freie Fahrt ver- mitteln.

Abg. Ulri ch Nt Die Klagen über eigentümliche Praktiken des größten Gisenbahnbesißers des Reiches scheinen sich von Jahr zu Zahr zu mehren. Die leßten Jahre haben immer zahlreichere Klagen Der Kteinstagtei gegen ihren großen Bruder Preußen hier im Reichs- tage zutage gefördert. Das Neichseisenbahnamt muß si endlih auch von dem Gedanken durchdringen lassen, daß es von vornherein zur- Prüfung berufen ist, ob die Verkehrsverhältnisse überall in Ordnung sind, und nit erst auf Klagen zu reagieren hat. Der Vertrag zwischen Hessen und Preußen muß unbedingt einmal einer Revision unterzogen werden. Durch die Eisenbahngemeinschaft wird Hessen nah jeder Richtung hin von Preußen benachteiligt. Jn jeder K einig- Feit ift Deten von Preußen abhängig. Jn dem neuen Fahrplan sind cine Anzahl Aenderungen vorgenommen worden, ohne A ein Einver- ständnis zwischen Hessen und Preußen vorher herbeigeführt worden ist. Auf Grund eines Vertrages von 1868 zwischen Hessen und Preußen müssen alle Personenzüge, die über Offenbach fahren, dort-

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selbst halten. Nun will Preußen einige Schnellzüge nicht in Offen- bah halten lassen. Um aber den Vertrag nit zu verleßen, fen, dur eine Verbindungsbahn eine Umgehung Offenbachs ermöglicht. Das Neichseisenbahnamt sollte hier einmal nah dem Nechten sehen und sih der Sache annehmen.

Abg. Werner - Hersfeld (Neformp.) polemisiert gegen die Haltung der preußischen Eisenbahnverwaltung auer den Klein- staaten. Es wäre interessant, wenn die etre lordo Bundesrats- “ir: ige von den Kleinstaaten hier au einmal das Wort ergriffen ätten _ Präsident des Neichseisenbahnamtes Wackerzap p: Auf die Frage der Neichseisenbahngemeinschaft is in der zweiten Lesung |hon genügend eingegangen worden. Die Dienst- und Ruhestunden ¿u regeln, muß den Einzelstaaten überlassen bleiben. Daß die Unfälle abgenommen haben, beweist die Statistik. Preußen kommt den Ver- pflichtungen nach, die es durch die Eisenbahngemeinfchaft mit Hessen

übernommen hat.

FeClenburgisher Gesandter Freiherr von Branden stein: Der Abg. Dr. Wendorff irrt sich bezüglih der Unfälle auf unseren Cisenbahnen. Die von thm angeführten Fälle kann ih zurzeit nicht nahprüfen, muß aber bemerken, daß in der Statistik Mecklenburg darin am besten steht.

y Die Abgg. VBaudert (Soz.) und Wendorff (fortschr. Volksp.) verharren unter steigernder Unruhe des Hauses bei ihren Ausführungen.

: Präsident Wackerzapp tritt dem Abg. Wendorff noch einmal entgegen.

Mecklenburgischer Gesandter Freiherr von Brandenstein: Die Regelung unserer Gehaltsverhältnisse kann unsere Eisenbahnver- waliung nur allein vornehmen. Unsere Löhne und Gehälter sind allerdings etwas niedriger, dafür sind aber die Lebensmittel billiger.

__QHessischer Ministerialrat Dr. Weber führt aus, daß die Preu- ßisch-Hefsische Eisenbahn-Gesellschaft sich während der leßten 20 Jahre ewahrt hat.

Abg. Ulri ch (Soz.): Meine Worte bezwecken nur, Vorkeh- rungen gegen Unfälle zu trêffen. Die Eisenbahngemeinschaft nimmt nicht genug Nücksicht auf die Vermehrung der Bevolkerungszahl.

Nach einigen weiteren Ausführungen des Aba. Or. Wendorff (fortshr. Volksp.) verwahrt sich Freiherr von Brandenstein, hier auf die mecklenburgishe Verfassungs- frage einzugehen.

Präsident Dr. Kaempf: Es wird von allen Seiten immer- fort Schluß gerufen. Aber das Schlußrufen nüßt nichts.

Beim Allgemeinen Pensionsfonds führt der

Sächsischer Generalmajor Freiherr Leuckart von Weiß - dorf aus: Ich kann nur noch einmal hervorheben, was ih son im vorigen Jahre dem Abg. Erzberger gegenüber über die Pensionie- rung des Stabsapothekers gesagt habe. Seine Pensionierung ist auf einen Antrag erfolgt, dem, da \sich die Tatsachen als richtig Beraus- stellten, auch stattgegeben werden mußte. Daß der Betreffende in einem Biolinkonzert mitgewirkt hat, beweist noch nichts gegen seine Schwerhörigkeit. Gegen den neulichen Vorwurf, als ob ih hier lu Kasernenhofton gesprochen habe, muß ich entschieden Verwahrung einlegen. Jch bin mir nicht bewußt, einen solhen Ton angeschla- gen zu haben.

Vizepräsident Dove: Jch gebe zu, daß der betreffende Ausdruck des Abg, Erzberger scharf war. Aber er verstößt nicht gegen die parlamentarische Sitte, sonst hätte ih - ihn gerugt. é follie dem Herrn Bundesratsbevollmächtigten damit wohl mcht der Borwurf gemacht werden, als ob er hier im Kasernenhofton gesprochen hätte.

Abg. Erzberger (Zentr.): Der Präsident hat ein viel fein- fühligeres Ohr als der Bundesratsbevollmächtigte. FIch kann dem Präsidenten nur recht gében. Materiell tue ich wohl am besten, wenn ih gegenüber den Verlegenheitsautflühten des Bundesrats- bevollmädhtigten ‘nur auf das verweise, was ih in zweiter Lesung gesagt habe. Jh habe nichts zurückzunehmen.

Zum Etat der N L pas - und Telegraphen- verwaltung liegt ein Antrag Schul-Bromberg (Rp.) und Genossen vor auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage bezüglih der Ostmarkenzulkagen.

Abg. Sch ul 8 - Bromberg (Rp.): Ich kann Sie nur dringend um Bewilligung der Ostmarkenzulagen bitten.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke :

Meine Herren! Jh möchte diesen Appell des Herrn Abg. Schulß warm unterstüßen. (Lebhafter Beifall rechts. Lachen bei den Sozialdemokraten.)

Abg. Giesberts (Zentr.): Die Oberpostschaffner haben eine wenig erfreuliche Agitation entfaltet in dem Sinne, daß fie aus dér Klase der unteren Beamten herausgehoben werden. Wenn wir diese Stellen zu mittleren machen, so müßte die Verwaltung die Anforde- rungen an die Vorbildung dieser Beamten höher s{chrauben. Im nächsten Jahre haben wir auch auf einen aroßen Zudrang der Militär- anwärter zu rechnen, dann würde eine Anzahl dieser in die betreffenden Stellen eindringen, und das würde eine Schädigung der unteren Beamtenschaft zur Folge haben. Das muß vermieden werden. Wenn wir ‘den Beamten wirksam helfen wollen, dann müssen sie eine Agitation unterlassen, die sie um die Sympathie der Abgeordneten Mende. Die Oberposischaffnerstellen müssen Beförderungsstellen leiben.

Abg. Zube il (Soz.): Das Beschwerdewesen bei der Post weist große Mängel auf und ist vollkommen unzulänglih. Die Postunter- beamten werden oftmals zu Diensten berangezogen, die-für sie nicht passend und erniedrigend sind. Auch ti? Behandlung der Postuntér- beamten von feiten ihrer Vorgeseßten läßt viel zu wünschen übrig. Grhebliche Geldstrafen werden wegen kleinerer Vergehen von der Ober- postdirektion gegen die Unterbeamten verhängt. Bei dem Postamt 39 in Berlin kommt die 6. Bestellung erst sebr spät in die Hände des Publikums. Hier muß dringend Abbilse/ geschaffen werden. Die Nes biere sind viel zu groß. Dies führt in mancher Beziehung zu großen Unzuträglichkeiten.

Abg. Be ck - Heidelberg (nl.) empfiehlt folgende von ihm und von Vertretern anderer Parteien beantragte Re) olutton:

Den Herrn Reichskanzler zu ersu{en, den geringsten Normal- tagegeldsaß für die Postboten auf 2,20 6 und den Höchstsatß auf 3,90 e festzuseßen und zehn Dienstalterszulagen von je 10 für den Tag zu gewähren.

Der Redner spricht seine Befriedigung über die glückliche Lösung der Besoldungsfrage aus und hofft, daß man zu einer ebenso glück- lichen Lösung der Organisationsfrage kommen wird.

Abg. Hubrich (forts{chr. Volksp.) bedauert, daß die bei der zweiten Lesung des Postetats beschlossenen neuen Assistentenstellen nit aufrecht erhalten werden konnten, und gibt seiner Hosfnung Ausdru, daß die Postverwaltung baldmöglichst neue Assistentenstellen schaffen wird.

Abg. Chlapowski (Pole) bittet, die Ostmarkenzulage ab- zulehnen.

Abg. Baudert (Soz.) tritt für die Besserstellung der Hilfs- boten ein.

Damit {ließt die Debatte.

Der Antrag B e ck - Heidelberg wird angenommen.

Die Abstimmung über den Antrag S ch ul ß - Bromberg auf Wiederherstellung der Ostmarkenzulage ist eine nämen t- li che. Der Antrag wird mit 104 gegen 176 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen abgelehnt.

Der Etat der Neichseisenbahnen wird ohne Debaite erledigt.

Beim Etat der Allgemeinen Finanzverwaltung

bemerkt der S

Abg. Gothetn (fortshr. Volksp.) : Graf Kanitz und Dr. Oertel haben es entrüstet zurückgewiesen, als ih darauf hinwies, daß die konservative FSraftion gegen unsere Anträge auf Einfeyzung einer Enquete über das Interesse der Landwirtschaft an den Schußzöllen sih ablehnend verhalten hätte. Ich erinnere an die Neden, die der Graf Kaniß und auch der Graf zu Schwerin-LWöwiß im vorigen Jahre dagegen gehalten haben. Ih freue mich, daß sie jeßt anderer Meinung geworden sind, und bitte nun auch den Bundesrat, däß er die Sache endlich in die Hand nimmt. ,

Abg. Graf Kaniß (dkons.): Ih habe s{chon neulich erflärt, daß wir gegen eine solhe Enquete nichts einzuwenden haben, aber au glauben, daß dabei nit viel herausfommt.

Abg. Dr. Spahn (Zentc.): Ih möchte zum Schluß noch ein- mal die Hoffnung aussprechen, daß die Einnahmén so eingehen werden, wie wir es vorgesehen haben. Bei den günstigen Verhältnissen in Oandel und Industrie ist anzunehinen, daß der Etat auch in Zukunft balanciert.

Präsident Dr. Kaempf: Der Abg. Ulrich hat vorhin erklätt, daß die Bundesratsvertreter nur immer dann zu haben sind, wenn es einen Schritt nah rückwärts zu gehen gibt. Er hat dann noch weitere Ausdrücke gebraucht, die ungehörig sind; ih rufe ihn deshalb zur Ordnung.

Der Etat und das Etatsgeseß werden in dritter Lesung gegen die Stimmen der Sozialdemokraten en d gültig genehmigt.

Präsident Dr. Kaempf: Die Tagesordnuvg ist erschöpft. Jh verfehle nit, allen ein frobes Pfingstfest zu wünschen nach den harten und zum Teil aufregenden Diskussionen, die wir in den letzten Tagen hier erlebt haben. Die Budgetkommission bleibt noch zusammen und wird auch noch einige Tage vor Ihrem Zusammentritt ihre Beratungen wieder aufnehmen. Jch glaube, in Zhrem Namen der Budgetkommission unsern Dank aussprehen zu düxfen und zugleich Tes Wunsch, daß die Arbeiten der Kommission den allerbésten Erfolg

en.

Schluß gegen 9 Uhr.

H ( Nächste Sißung Dienstag, 27. Mai, Nachmittags 2 Uhr.

(Anfrage, Petitionen.)

Preußischer Landtag. Herrenhaus. 31. Sigung vom 28. April 1913, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphishem Bureau“.)

78 wird die Beratung des Staatshaushalts- etats für das Etatsjahr 1913 mit der Spezial- beratung des Etats des Finan zministeriums fortgeseßt.

Berichterstatter Herr Dr. Oehler verweist auf die Ver- handlungen der Kommiffion über die Frage der Schuldentilgung, die Höhe des Ausgleichsfonds, die Osstmarkenfrage, bei denen dîe MNegierung aufgeforderi wurde, den Kampf für das Deutschtum ener- aish fortzufeßzen, und auf die Nesolution des Abgeordnetenhauses betreffs der Altpensionäre und ihrer Hinterbltebenen. Das Herren- haus habe Bedenken getragen, si den Wünschen des Abgeordnetens« hauses anzuschließen. Allerdings könne tn geeigneten Fällen éine Zulage gewährt werden, auch wenn kein Antrag vorliege, nämlich wenn die Verhältnisse bekannt seien und ein Grund für die Ge- währung der Zulage vorbanden fei. Möglich sei es aber, daß die Regierung noch in dieser Session einen Gesetzentwurf vorlege. Ohne Nücksiht auf Würdigkeit und Bedürfnis dürften die Pensionen nicht erhöht werden. Œbensowenig habe si die Kommission der Pesfolution des Abgeordnetenhauses ans{lièßen können, in der die Staats- regterung zur Vorlegung etnes Nachtragsetats für 1913 aufgefordert worden ift, um kinderreihen Unterbeamten und mittleren Beamten mit einem 3000 4 nicht übersteigenden Gehalt Teuerungszulagen unter Abstufung nah der Kinderzahl zu gewähren. Das sei ein ge- funder- sozialer Gedanke. Die Sache biete aber doc roße Schwterig- keiten, namentli in der Abgrenzung nach oben und für die mittleren Beamten. Vielleicht lasse \ich der Anregung der Resolution bei der nächsten Besoldungsordnung Folge geben. Die Sache sei jedenfalls so wichtig, daß fie unmögli in einem Nachtragsetat verwirklicht werden fTönne. i

Finanzminister Dr. Len t e:

Metne Herren! Seit Erlaß der neuen Besfoldungsordnung wollen die Wünsche der Altpensionäre auf Erhöhung ihrer Pension nicht verstummen , und jahrein, jahraus erhalten die Parlamente Petitionen auf Erhöhung der Pensionen der Altipensionäre. . Es läßt sich ja nicht verkennen, daß vom rein mens{chlichen Standpunkte aus die Wünsche der Altpensionäte allseitiger Sympathie begegnen; denn da die Lebensmittelpreise erbeblih gestiegen sind und seit der Ver- abshiedung der einzelnen Personen, die da in Betracht kommen, \o- wohl die Gehälter wte die Reliktenbezüige wesentlih erhöht worden find, könnte man es den einzelnen fehr wohl gönnen, daß auch ihre Bezüge erhöht werden. Nichtsdestoweniger hat die preußische Staatsregierung sih jedesmal auf einen ablehnenden Stand- punkt gestellt, und sie glaubt, auch heute noh darauf beharren zu müssen, und zwar aus folgenden Gründen: Es ist in Preußen bis dahin s\tets dle recktliche Anschauung gewesen, daß mit dem Ausscheiden des einzelnen Bearnten aus seinem Dienst,

mit der Penfionierung des Beamten das Band zwishèn dem Staat

und dem Beamten endgültig gelöst ist, daß der Beamte zwar einen Anspruch auf die Pension hat, daß der Staat die Pension leisten muß, daß dagegen der Pensionär keinerlei Pflichten dem Staate gegenüber mehr hat, also vollständig [osgelöst ist. Deshalb ist auh bei allen früheren Befoldungsordnungen niemals eine Erhöhung der Bezüge der früheren Pensionäre eingetreten. Als die vorlette Befoldungsregulterung stattfand, haben die Altpensionäâre auch keine Erhöhung der Bezüge erfahren. Es ist nur damals in den Etat ein Fonds eingestellt worden, um Unterstüßungen daraus an diejenigen gewähren zu können, bei denen sih ein Unterslüßungsbedürfnis herausstellte. Hieran hat die König- liche Staatsregierung au jeyt festgehalten, und sie glaubt, um so mehr daran festhalten zu müssen, als die finanziellen Folgen garg außerordentli große sein und die Rückwirkungen {ih nicht allein auf den Staat, sondern au auf das Reth und die Kommunen erstrecen würden. Auch für die noch im Amte befindlihen Beamten würden sich Nückwirkungen nah der Richtung zeigen, daß in Zukunft eine Erhöhung der Besoldung um so \{chwieriger wäre, wenn jedesmal au eine Erhöhung der B.züge der Altpensionäre und ihrer Nelikten eintreten müßte. An sich erfordert cine jede Besoldungserhöhung. schon außerordentlich hohe Summen. Wenn zu diesen Summen nody die Erhöhung der Pensionen für die verabschiedeten Beamten und ihrer Relikten hinzukommen müßte, dann würden fc diese Summen noch mehr erhöhen. Sämtliche Maßnahmen, welche der Staat trifft, wirken ja auf das Néih wie auf die Kommunen zurück. Infolge- dessen würde die Anerkennung eines derartigen Grundsates sehr große finanzielle Folgen haben.

Daher hat sich die Staatsregierung entschlossen, sofort, nachdem

die neue Bésoldun s8ordning einzebraht worden wzr, den im

Jahre: 1897: eingeshlagenen Weg zu verfolgen und weiter auszubauen. Es find Unterstüßungsfonds in erheblihem Maße in den Etat ein- gestellt worden. Zunächst ein Unterstüßungéfonds für diejenigen Alt- pensionäre, die vor dem 1. April 1907 pensfioniert waren, d. h. in einer Zeit, in welcher die Erhöhung der Relikten und Pensfionsbezüge noch nicht eingeführt worden war. Bekanntlich haben diejenigen Personen, welche nah“ ‘dem 1. April 1907 pensfioniert find, erhöhte Pensfions- und Reliktenbezüge zu beanspruchen, und deshalb war es durchaus angemessen, däß für die vor dem 1. April 1907 pensionierten Per- sonen Unterstüzungéfonds eingeführt wurden. Dann hat fich aber im Laufe der Zeit gezeigt, daß man auch darin noch weitergehen tann. Im Jahre 1908 sind bekanntlich die Besoldungen erhöht worden, und da die Pensionen nah der jeweiligen Besoldung berechnet werden, so haben alle Personen, welche nach dem 1. April 1908 pensioniert find, au von der höheren Befoldung ihre Pension bezogen, also etne höhere Penfion empfangen. Deshalb is in diesem neuen Etat auc vorgesehen, daß die Unterstüßungsfonds für diejenigen Altpensionäre mitgelten sollen, welhe bis zum 1. April 1908 penfioniert sind.

Es ist in dem andern Hause wiederholt erörtert worden, ob man nicht vielleicht prozentual die früheren Pensions- und NReliktenbezüge erhöhen könnte. Eine Ausdehnung auf die ganzen den Neupensionären zustehenden Pensionsansprüche wollte auch das andere Haus nicht ‘vor- nehmen. Aber man hat sih auch dort, glaube ih, überzeugen müssen, daß damit die Wünsche der Altpensionäre in keiner Weise befriedigt werden, denn die Altpensionäre werden nit eher mit ihren Wünschen verstummen, als bis ihre Pensionen auf ‘dieselbe Höhe gebracht sind als die Pensionen der Neupensionäre.

Dabei ist auch auf die Verhältnisse in anderen Bundesstaaten hingewiesen worden. Namentlich in Bayern und in Sachsen follen nah den Behauptungen der Altpensionäre Pensionsbestimmungen gelten, welche wesentliche Vergünstigungen für die Altpensionäre bieten. Eine Prüfung dieser Geseße hat aber ergeben, daß diese Pensions- bestimmungen doch nur eine ganz geringe Erhöhung der Bezüge im Gefolge haben, und daß namentlich gegenüber denjenigen Pensionären, welche wirkli eine Unterstüßung notwendig haben, die Erhöhung eine fo geringe ist, daß sie beit Anwendung unserer Unterstüßungsgrund\säßze erheblich mehr beziehen würden. Die Königliche Staatsregierung will überall da, wo eine Unterstüßungöbedürftigkeit vor- liegt, in ausreihendem Maße eine Unterstüßung gewähren. Da nun an sih eine Unterstüßung nit ganz populär ist, fo ift auch Borkehrung getroffen, daß eine Benachteiligung der Antragsteller keinéêwegs stattfindet, daß vor allen Dingen ein indiskretes Eindringen in ihre Familtenverhältnisse vermieden wtrd und daß die Mitwirkung der Polizei auss{eidet. Es sind Grundsätze aufgestellt, welhe auch dem hohen Hause vorgelegt worden sind, wonach einfach den Be- treffenden ein Formular mit Fragen über die pêrsönlichen Verhältnisse zugeht, welches auszufüllen ift und auf Grund dessen hbinterber die Unterstützungsbezüge gegeben werden, wenn sich ntcht aus den Personal - akten das Gegenteil ergibt. . Das Abgeordnetenhaus hat allerdings geneint, man müsse noch weiter gehen, und hat eine Resolution be- slossen, daß auch ohne Antrag die Unterstützung zu gewähren wäre. Peine Herren, in all den Fällen, wo hter bisher eine Unterstüßung gewährt wurde und die Ünterstütungsbedürftigkeit der Antragsteller bekannt ist, wird auch ohne Antrag fernerhin die Unterstüßung ge- währt. Dies ist son jeßt der Fall. Es würde nun noch die Er- weiterung hinzukommen, daß tin allen Fällen ex officio jedem Pen- sionâr kine Unterstüßung zugewiesen wird. .

Das Wort Unterstüßung birgt doch begriffliG in si, daß jemand eine Unterstüßung wirklichß notwendig. hat, daß er also nit aus anderen Einnahmen, vielleicht auch aus privatem Vermögen ein ausfömmlihes E nfommen befißt. Infolge dessen muß bei jedem einzelnen festgestellt werden, ob ein Unterftütungsbedürfnis vorliegt. Denn wenn all?:n Pensionären ohne Ausnahrne eine Unterstüßung ge- währt werden würde, so würde sie manchem gewährt, der sie nicht nötig hat, un es dem Staate unmöglich gemacht, die Unterstüßung nach der Stelle zu geben, wo fie wirklihch dringlih erforderli ist. Wenn daher eine Unterstüßung ohne Antrag gewährt werden soll, fo kann das nur den Sinn haben und davon ist auch das Abgeordneten- haus ausgegangen —, daß die einzelnen Altpensionäre durch Zusendung eines Formulars die Aufforderung bekommen, {fich zu melden, und daß dann geprüft wird, ob eine Unterstüßungsbedürftigkeit vorliegt. Das Abgeordnetenhaus hat auch angenommen, daß man bet Einnahmen bis 1500 « wohl ohne weiteres von Unterstützungsbedürftigkeit sprechen könnte. Aber dies ist vom Herrn Antragsteller dann dahin deklariert worden, daß eine Prüfung dés Falles doch auch hinterher stattfinden müsse.

Der Herr Berichterstatter hat vorhin darauf hingewiesen, daß eine Bestimmung der Resolution des Abgeordnetenhauses durchweg zu billigen wäre, nämlich die, daß Unterstütßurgen unter 100 niht gewährt werden sollen. Das geschieht auch zurzeit in der Regel niht. Die Unterstützungen, die gewährt werden, sind fast alle höher: Es fommen indes wohl auch einzelne Unterstüßungen vor, die unter 100 4 betragen; aber dann liegt der Fall fast immer so, daß der Betreffende beretts eine Unterstüßung aus diesein oter eincm anderen Fonds bezieht und eine Zusaßzunterstüßung erhält, tie unter 100 liegt. Das ist natürlih nur im Interesse des Unterstüßten; denn er würde diesen Betrag nit bekommen können, wenn er nur mindestens 100 J erhalten dürfte.

Ich habe diesen Fall so genau ausetnandergeseßt, weil das Ab- geordnetenhaus die Resolution gefaßt hat und die Königliche Staats8- regierung mit Rücksiht auf die finanzielle Tragweite und die prin- zipielle Bedeutung für die Zukunft es nicht verantworten zu können glaubt, von dem bisherigen Standpunkt abzugehen, bei Befoldungs- erhöhungen auch rüdckwärts die gesamte Pension mit zu erhöhen.

Das Abgeordnetenhaus hat zu gleiher Zeit noch eine Resolution gefaßt: es möchte noch in dieser Session ein Geseßentwurf eingereicht werden, welcher wenigstens eine prozentuale Erhöhung der Pensionen herbeiführt. Einmal war die Zeit viel zu kurz für ein derartiges Geseß und zweitens kann die Staatsregierung sih niht auf diesen Boden stellen, weil sie ter Ueberzeugung ist, daß prozentuale Erhöhungen dem einzelnen, der unterstüßzungsbedürftig ist, viel weniger zubringen, als wenn es den bisherigen Grundsäßen der Staatsregierung ver- bleibt, daß nah Prüfung des Einzelfalls eine höhere Unterstüßung gewährt wird: Die Unterstüßungsfonds für die Altpensionäre sind alljährlih erhöht wotden. Wir haben in diesem Jahre, nahdem das Ubgeordnetenhaus einige Abstrihe an dem Etat vorgenommen hatte, angeregt, daß diese Abftriche nicht wie sonst in Abzug gebracht, sondern dem Fonts für Altpensionäre zugeführt werden. Damit be-

trägt der Fonds für Altpensionäre rund 8 Millionen eins{lteßlich des

Sculetats. Aus diesen 8 Millionen lassen sich doch sehr viele Unter-

stüßungen gewähren, und gerade da, wo die Not vorhanden ist, hat

sih auch gezeigt, daß die Not gestillt werden kann. Die Anträge auf

Gewährung von Unterstüßung seitens ter Altpensionäre haben seit

Erlaß der neuen Grundsäße, welche die peinliche Prüfung abgeschafft

und es den Altpensionären sehr erleichtert haber, ih um eine Unter-

stüßung zu bemühen, ganz wesentlih zugenommen. Von allen Ressorts

ist mir die Mitteilung zugegangen, daß ih jeßt die Altpensionäre

in sehr umfangreihem Maße melden; das ift eine erfreuliche Tatsache.

Dann hat das Abgeordnetenhaus eine Resolution dahin gefaßt, daß

den unteren und mittleren Beamten mit einem Einkommen bis

5000 é eine Teuerungszulage gewährt werden möchte, wenn fie eine

größere Familie hätten, und mit der Maßgabe, daß die Teuerungs-

zulage nah der Zahl der Familienmitglieder verteilt werden solle.

Dieser Beschluß is von außerordentlich weittragender prinzipieller

Bedeutung. Er ist zunähst zwar eingekleidet in den Begriff der

Teuerungszulage, aber er führt doc dazu, daß ein ganz neues

Moment in die Besoldung unserer Beamten hineingetragen wird.

Teuerungszulagen sind bisher in Preußen nur ein einziges Mal ge-

währt worden, und das war vor der leßten Besoldungéordnung, indem

die Besoldungsordnung vorweg son teilweise erhöht werden sollte,

ohne daß sie in allen Punkten bereits feststand. Diese Teuerungs-

zulagen waren damals also vorweg genommene Gehaltszulagen. Wenn wir jezt Teuerungszulagen gewähren würden, so würde das ganz genau. dasselbe sein, enn diese Teuerungs- zulagen kann man nicht wieder entziehen, fie find dauernd. Wenn der Beamte sich einmal mit feinem Haushalt darauf eingerichtet hat, so würde es éine schwere Shädigung seiner wirts- schaftlihen Existenz bedeuten, wenn man erklären würde: jeßt fällt diese Zulage wieder fort. Es ist tatsählih auch unmöglich, den Beweis zu führen, daß nunmehr die Teuerungsverhältnisse h in so großem Maße gemindert hätten, daß man die daraufhin gewährten Be- züge wieder entziehen könnte. Daher muß in Preußen von einer Teuerungszulage abgesehen werden. Aber diese Resolution enthält noh das Weitere, daß man den Beamten niht nach den Ansprüchen, die an das einzelne Amt geste[lt werden, besoldet, sondern daß man sein Diensteinkommen noch nach Momenten, die außerhalb seines Amtes liegen, abstuft, und zwar dana, wie stark fein Familienstand ist, ob er viele, wenige oder gar feine Personen zu ernähren hat. An sich ist das gewiß eine fozial-politisch anzuerkennende und, wie ih glaube, von allen sympathisch zu begrüßende Maßregel, daß man die Besoldung auch auf die Person des Empfängers zuschneidet und davon abhängig macht, ob er mit der Besoldung auskommen kann oder nicht. Aber bisher ist unsere ganze Besoldungs- ordnung auf einem anderen Grundsaße aufgebaut; bisher ist sie aus\s@liezlih auf das Amt zugeschnitten, und nit auf die Person des Amtsinhabers, die bisher dabei nit weiter in Frage kommt. Wenn wir jeßt aber Teuerungszulagen nah dem Samilienstande, nah der Zahl der Kinder einführen, so würden wir damit dieses alte Prinzip vollständig durchlöchern. Infolgedessen muß sich die Königlihe Staatsregierung darüber klar werden, ob dieser Weg wirkli bes{chritten werden kann. Es müssen eingehende Unter- suchungen darüber stattfinden, wie weit die Teuerungsverhältnisse in die einzelne Familie eingreifen und wie weit si die Preisfteigerungen in höherem oder geringerem Grade bemerkbar mahen bei ein, zwet oder drei Familienmitgliedern und Kindern. Die Staatsregierung muß sich auch klar machen, daß eine folhe Maßregel eine starke Rüd- wirkung nah allen Nichtungen haben wird. Sie würde nicht auf die Beamtenschaft in Preußen beschränkt bleiben können, sondern si auch auf das Neich erstrecken, ferner würde sie auf die Kommunen übergehen und außerdem würde au der Lohn der Arbeitec ent- sprechend geregelt werden müssen, wie au die ganze Besoldung der Handelsangestellten. Kurz, unsere ganze Volkswirtshaft würde wesentlich in Mitleidenschaft gezogen, wenn wir vom preußischen Staate aus in eine derartige Besoldungsreform eintreten würden. Im ablehnenden Sinne hat sich die Staatsregierung nickt \ck&lüssig ge- macht, sie Tann sich aber au im positiven Sinne zurzeit nicht erklären, sondern sie muß, wie gesagt, \ich einstweilen vorbehalten, die ganze Frage nach allen Nihlungen hin gründlih zu prüfen und daraufhin thre Entschließungen zu treffen.

Der Herr Neférent hat darauf hingewiesen, daß es erwünscht wäre, daß wir in Preußen unsere Schuldentilgung änderten. JIch möchte in diesem Augenblick hierauf nicht näher eingehen. Denn solange das Eisenbahnabkommen besteht das läuft bts zum 31. März 1914 —, ift es nicht mögli, etwas daran zu ändern. Auch diese Frage muß gründlih geprüft und vorbereitet werden, daß unsere Schuldentilgung bisher unzureichend ist, ist sowohl von meinem Herrn Amtösvorgänger wle auch von mir stets betont worden. In - diefer Nichtung wird Ihnen hoffentlich in Zukunst eine entsprehende Vorlage

zugehen. (Bravo!)

Herr Nemy: Jh möchte der' Negterung anbeimgeben, die Köntaliche Polizei in dem oberschlesischen Industriebezirk zu erweitern. Im Abgeortnetenhause hat sih der Minister des Innern hierzu freundlich gestellt.

Präsident von Wedel: Diese Ausführungen gehören nicht in diesen Etat.

Herr von Klißing: Die Worte des Finanzministers waren ganz aus meinem Herzen gesprochen. Jch hoffe, daß er den Weg, den er nit gehen will, die Quotisierung, niht von uns verlangt. Den Kommunen sind die Volksschulen überwiesen, und dafür haben sie Dotationen erhalten. Seitdem wachsen die Ansprüche an die Volksschule ins Ungemessene. Wir werden namentli in Bauten zu großen Ausgaben gezwungen.

Präsident von Wedel: Jch möhte anheimgeben, diese Be- merkungen lieber beim Kultusetat vorzubringen.

Herr von Klißing: In meinem Kreise sind die Ausgaben |

um 30000 46 gestiegen, und deswegen bitte ih den Minister die Dotation für die Schule zu erhöhen, seinen Beutel etwas mehr zu eröffnen, damit solhe Neden nicht gehalten zu werden brauchen.

Herr von Bu -Carmzow: Ein Finanzminister ist nur dann gut, wenn er sehr wenig Beifall findet, namentlich in Häusern, die auf Wahlen beruben. Im Abgeordnetenhause wird ihm seine Stellung au nit leiht gemacht. In der Frage der Teuerungs- zulage sagte der Minister, daß darüber im Schoße der Regierung eine endgültige Entscheidung noch nicht getroffen ist. Eine Aenderung der Besoldungêordnung darf nah dem bestehenden Geseß nur dur Gesctz erfolgen. Mit diesem Gese würde es mt im Einklang stehen, wenn ledigli im Etat eine Aenderung der Besoldung stattfände.

Graf von M irbach- Sorquitten : P9 möchte zwei technische ragen berühren. Bei der leßten Novelle zur Etñkommen- und rgänzungssleuer wurde die Frage berührt, in welhem Umfange

cin Gutsbefiger berehtigt wäre, als Wirts aftsleiter feine Pferde und sein Fuhrwerk in Abzug bringen zu können. Vielleiht nimmt der

Minister zu ‘diesem Prinzip Stellung. Ih habe selbst davon keinen Gebrauch gemacht, werde es aber künftig tun. Ich brauche meine ferde hauptsählih zu Wirtschaftszwecken. Die andere Frage ist die

&rage der Abschreibung an Gebäuden und Maschinen. 1907 und 1908 hatten wir eine enorme Witterungskalamität. - Metne Einnahme sank kolossal, und ih habe seitdem im kommunalen Interesse keine Ab- schreibungen gemaht. Ich werde aber nah einer Unfreundlichkeit der Behörde. wieder auf die Abschreibungen zurückgreifen. Nun war die Legende verbreitet, es dürfe niht mebr als 29% abgeschrieben werden. habe diese Frage auch {on früher zur Sprache gebraht. Der Finanzminister von Miquel führte aus, die Begrenzung eines bea stimmten Satzes nah oben sei unzulässig, meine Art der Berechnung dagegen zulässig. Ueber beide Fragen möchte ih eine Antwort er- bitten. Ich stelle ihm das Material gern zur Verfügung. Es war vorgestern jür mih überrashend, daß, als ich eine Erweiterung des Wehrbeitrages vorschlug, ih einen Verweis erhielt. Die Kritik des Herrn von Rheinbaben muß ih entschieden zurückweisen.

Präsident von Wedel: Ich bitte, niht auf die Fraze ter direkten und indirekten Steuern bei diesem Etat einzugehen.

Beim Etat der direkten Steuern kommt der

Berichterstatter Herr Dr. Oehler auf die Ginkommensteuer- novelle zu sprechen, die auch schon das Abgeordnetenhaus beschäftigt hat.

Fürst zu Salm-Horstmar: Wir machen wohl alle die Grfahrung, daß die Veranlagung zur Ergänzungssteuer von Fahr zu Jahr höher wird. Die Besteuerung nach dem aemeinen Wert hat auch das Abgeordnetenhaus beschäftigt. Diese Besteuerung ist für den Grundbesiß außerordentlich drückend. - Man hat sich bei Ein- führung des Gesezes wohl nit flar gemacht, wie drückend die Deklaration sein würde. Gewiß ist die frühere Grundsteuer nit mehr brauchbar. Die Besteuerung nach dem ‘gemeinen Wert wäre an 1h ein rihtiger Maßstab, wenn er nicht auf willfürlihe Schäßung der Gemeinde festgestellt würde. Ich will die Beispiele, die mir zur Verfügung stehen, nit mitteilen. Diese Steuer belastet nur den Grundbesiß und wirkt ungerecht. Verkaufen können die Besißer ibre Grundstücke bei der iegigen Situation nicht gut, und so zahlen fie Jahr für Jahr diese hohe Steuer. Das Richtige wäre einzig den Ertragêwert zu Grunde zu legen. Die Boden-

und allein, : } weiter erhöhen wollen, befinden

reformer, die die Grundsteuer noch sih auf falschem Wege.

Finanzminister Dr. Lengze :

Meine Herren! Die Beschwerden gegen die Grundsteuer nah dem gemeinen Werte find in dem anderen und n diesem Hause wiederholt zum Vortrag gebraht, und wenn ih nit irre, hat Herr Fürst zu Salm-Horstmar {hon in früheren Fahren diese Frage be- handelt. Wenngleih ih für sie niet der zuständige NRessortminister bin, sondern diese Frage in das Nessort des Herrn Ministers des Innern gehört, glaube ih doh mit etn paar Worten darauf cingehean zu dürfen. Die Grundsteuer nah dem gemeinen Werte hat ih im allgemeinen in den Gemeinden durhaus bewährt. (Sehr richtig !) Sie hat für die Gemeinden eine wesentliche Verbesserung der Grund und Gebäudesteuerverhältnisse geshafffen. Jch möthte darauf hin- weisen, daß alle kleinen Mietswohnungen zu Lasten der besseren Gebäude ganz wesentlich entlastet worden sind. (Sehr richtig!) Die Miethäuser für kleinere Leute haben bekanntlich immer sehr viel höhere Mieterträge, als die Häuser, in denen wohlhabendere Familien wohnen. Die Unsicherheit des Eingangs der Mieten und die wenig pflegliße Behandlung der Mieträume in den einzelnen Häusern führt die Vermteter dazu, immer höhere Mietpreise zu verlangen, als es sonst ges{hehen würde. Infolgedessen sind allgemein die Mieten für die kleineren Leute sehr viel höher, als für die wohlhabenderen. Da ein derartiges Haus nah der Gebäudesteuergesezgebung 49% des Brultoeitrags zu versteuern hat, so würde natürltch die Gebäudesteuer von derartigen Häusern ganz erbeblih höher sein. Da hat die Grund= steuer nah dem gemeinen Werte ganz wesentlich Wandel ge[Gafen. Gerade die Miethäuser für kleinere Leute find dadurch erheblich entlastet und die wertvolleren und teuren Häuser dadurch belastet worden. In gleiher Weise ist man auch denjenigen Grundstücken, die zu Spekulationszwecken gekauft find und offenbar Spekulationszwecken dienen, sehr viel mehr zu Leibe gerüdt. Während früher die Besißer nur die absolut geringe Grundsteuer zu zahlen hatten, müssen sie jeßt einen entsprehenden Betrag vom gemeinen Wert entrihten. Die Grundsteuer, die früher zu entrihten war, bédeutete eigentlih weiter nihts als ein Sparkassen=- bu, das auf Zins und Zinseszins lag. Der betreffende Eigentümer erzielte zwar kaum eine Einnahme aus dem Grundstück, aber der Wert des Grundftücks stieg außerordentlih. Die Gemeinde hatte gar keinen Vorteil von dem Grundstück in steuerlicher Hinsicht. Wo nun die Grundsteuer nah dem gemeinen Wert in vernünftiger Weise gehand- habt worden ist und es kommt auf die Handhabung an —, da bat: sie sich durchaus bewährt. (Sehr richtig! links.) Wenn aber die Grundsteuer nah dem gemeinen Wert niht angewandt wird, wie es gesehen soll, wenn sie insbesondere hinübergreift auf Grundstüke, die ledigli einer dauernden land- und forstwirtshaftlichen Nußung zu dienen bestimmt sind, dann ist das allerdings keine vernünftige Hand- habung, und da muß Wandel geschaffen werden. Es {weben au Erwägungen bei der Staatéregierung, daß hierin eine Aenderung ein- tritt. Metne Herren, ih möchte deshalb in Aust stellen, daß die Staatsregierung vorgehen wird, um die Auswüchse der Grundsteuer nach dem gemeinen Wert abzuschneiden, im übrigen aber nicht ins Auge gefaßt hat, fie überhaupt zu bescitigen. (Bravo!)

Graf von Mirbach: Jn landwirtschaftllchen Kreisen halte ih eine solhe Steuer für verhängnisvoll. So mußte in Mariendorf ein Be- fißer fein ländlihes Eigentum verkaufen, weil er diese Steuer nit mehr aufbringen konnte. Das wird felbst von hoch{stehenden Re- gierungsstellen zugegeben. Deshalb habe ih zu dem Minister das Zu- trauen, daß hierin cine Aenderung eintreten wid. Ih muß mich dann gegen den Frelherrn von Nheinbaben wenden. Jch babe nicht von Kommunismus gesprochen und habe mich gegen Herrn Bebel ge- wendet. Ich habe sehr oft in Reden und Schriften das Steuer- problem des Fürsten Biëmarck und das des Herrn Bebel gegenüber- gestellt. Heute ist Herr Bebel von folher Bedeutung, daß er ja beinahe mit Hilfe einiger bürgerlihen Parteien das MNeichstags- präsidium in Anspruch nehmen konnte. Deshalb kann ih auf ihn Bezug nchmen. Die A usfübruuden des Geheimrats Wagner haben mich schwer verleßt. Es ist niht wahr, was mir unterstellt worden ist. JZch bin immer dafür eingetrelen, daß die direkten Steuern den Einzelstaaten und die indirekten dem Neiche überlassen werden müssen. Es hat mich deshalb ges{merzt, daß mir in dieser Beziehung von befreundeter Seite, als folchen nehme ih Herrn Geheimrat Wagner in Anspruch, ein Vorwurf gemacht worden ist. Nach den Aeuße- rungen des Ministers von Rheinbaben muß ih annehmen, daß er auf mich erzieherish einwirken wollte. Ich bin ein altes Mitglied der konservativen Pärtei, habe hetvorragende Aemter im Vorstande dort bekleidet und habe au lange Zeit dem Reichstage angehört. Herr von Rheinbaben ist zwar Minister a. D. Er bätte aber viel- leiht bger getan, wenn er an einem jüngeren Konservativen etne der- artige Erziehung ausgeübt hätte. Ich lege deshalb - gerade Wert darauf, diese Sache hier klarzustellen. Jch habe {on in der General- diekussion auf die {were Ueberlastung mit direkten S4

4 : L euern bin- gewiesen. Der Finanzminister hat im vorigen Jahre gesagt, dag

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