1913 / 102 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 30 Apr 1913 18:00:01 GMT) scan diff

A Herrenhaus. ißung vom 29. April 1913, Nachmitiags 1 Uhr.

___ (Bericht von „Wolffs Telegraphishem Bureau“) Die Beratung des Staatshaushaltsetats für Etatsjahr 1913 wird bei dem Etat des Ministe- iums der geistlihen und Unterrichtsange- Tegeénheiten forigeseßt. _ Graf zu Rangau und Graf von der Schulen- bur g-Grünthal beantragen : die Staatsregierung zu ersuchen, in ernste Erwägungen darüber einzutreten, wie die Jugend länger, als es bei der Le igen Lage der Geseßgebung möglich ist, einer E een Zucht und Aufsicht unterworfen wer- den kann. a Betracht kann zur Erreichung dieses Zweckes fommen, die BVerpflihtung zum Besuche der Volksschule bis zum vollendeten 16. Lebensjahre auszudehnen; dabei kann dann eine all- e Befreiung vom Schulbesuch für die beiden leßten Sommer-

albjahre vorgesehen werden“. : Berichterstatter Herr Dr. gdie A C Mp gor ew Der Bild der Fürsorge der Staats-

Kultusetat zeigt ein erfreuliches D | E für alle Gebiete des geistigen Lebens. Die Pflege der leiblihen Uebung geht Hand in Hand mit der Für- sorge für die geistige Ausbildung der Jugend. Die Aus- aben für die N aabvilege, die bisher 1!4 Million betrugen, sind auf 2% Millionen erhöht worden, um auch die Mädchen daran zu be- teiligen. Eingehend wurden in der Kommission auch die Museums- bauten in Dahlem L Bette es wurde dabei darauf hingewiesen, was Preußen auf diejem Gebiete tut. Die Ausgaben für Errichtung einer neuen Fakultät in Münster wurden auch eingehend besprochen.

Minister der geistlihen und Unterrichtsangelegenheiten DeDr. von Trott zu So.lz:

Meine Herren! Erlauben Sie mir, daß ich gleich auf die zuleßt gegebene Anregung des Herrn Referenten eingehe. Es ist mir durch- aus erwüns{cht, Gelegenheit hier zu finden, über diese Angelegenheit, die die Oeffentlichkeit inder leßten Zeit beschäftigt hat, weitere Auf flärung zu bringen. Ich muß dazu allerdings etwas ausführlicher werden und in. dieser Bezichung um Ihre gütige Nachsicht bitten.

Die hiesige Künstlershaft hatte sich entschlossen, die diesjährige große Kunstausstellung zu einer Jubiläumsausstellung zu gestalten und ihr demgemäß einen besonderen Charakter zu geben. Neben anderen in Ausficht genommenen Maßnahmen wandte si die Autstellungs- kommission au an einige bekannte Künstler, unter thnen auch an Professor Anton von Werner mit dem Erfuchen, sich durch Ausstellung ibrer Werke an dem Unternehmen zu beteiligen. Herr von Werner entsprah diesem Verlangen dadurch, - daß er eine Bor- \hlagsliste mit einer Reihe seiner Werke der Ausfstellungs- kommission vorlegte und die Auswahl aus ihnen anheim- stellte. Er fügte hinzu, daß es rätlih sein werde, dazu noch die Zu- stimmung an maßgebender Stelle einzuholen, damit dort geprüft werde, ob etwa der Ausstellung seiner Schlachtenbilder aus dem deutsch-französischen Krieg politische Bedenken entgegenstünden. Die Ausstellungskommission legte mir die Pläne zu der von ihr geplanten Ausstellung vor und entsprach auch dabei dem Wunsche des Herrn voi Werner, indein sie mir die von ihm aufgeworfene Frage vortrug. JIch muß nun gestehen, daß ih von selbst nicht auf den Gedanken gekommen wäre, daß bei einer solhen Gelegenheit die politische Frage aufgeworfen werden könne, wo es fch um eine Kunstausstellung nit etwa in Paris, sondern in Berlin handelte (sehr richtig !), und muß fagen, daß derjenige, der diese Frage aufgeworfen hat, doch viel- leiht nicht gerade in erster Linie befugt sein würde, sich zu entrüsten, wenn die Antwort auf jene Frage in bejahendem Sinne ausgefallen wäre. Das aber ist nicht geschehen, und die entgegengeseßte Annahme beruht auf reiner Kombination, die vielleiht darin ihren Grund ge- funden hat, daß eben jene Frage von Herrn von Werner aufgeworfen und dies mir mitgeteilt worden war. Ich war der Meinung, daß hier von politishen Bedenken gar keine Rede sein könne, und habe deshalb auch die Frage dem Auswärtigen Amt gar niht vorgelegt. (Sehr richtig !)

Allerdings muß ich der Vollständigkeit wegen hinzufügen, daß ein Herr aus einem Ministerium bei einem gelegentlihen Gespräh mit einem Herrn des Auswärtigen Amts auch den Umstand berührte, daß Anton von Werner jene Frage aufgeworfen habe. Aber auch der Herr aus dem Auswärtigen Amt war durchaus meiner Auffassung, sodaß ih um jo weniger Anlaß hatte, mich irgendwie mit dem Aus- wärtigen Amt in Verbindung zu seßen. Das Auswärtige Amt ist mit der Angelegenheit überhaupt nit befaßt gewesen.

Wie ih erwähnte, hatte der Künstler cine Liste seiner Werke übersandt. In der Liste standen 23 Bilder, und dann war noch auf ein 24. Bild hingewiesen, das eventuell auch noch in Betracht kommen Ffönne, fodaß es si also im ganzen um 24 Bilder handelte. Davon find zurückgestellt worden das bekannte und gewiß harmlose Bild „Kriegs8gefangen“ und das Diorama „Kapitulationsverhandlungen vor Sedan“. Dagegen sind in der Liste stehen geblieben : „Der Kronprinz an der Leiche des Generals Abel Douay bei Weißenburg“, 6 Modellskizzen für das Sedanpanorama, „General Reille überbringt Napoleons Brief am 1. September 1870, Bismarck3 und Napoleons Zusammentreffen auf der Chaussee am 2. September 1870, Moltke vor Paris, der Kronprinz in der Villa André in Versailles, die Kaiserproklamation in Versailles, das Velarium Krieg und Sieg, der Fries um das Siegesdenkmal. Meine Herren, der Umstand, daß diese Bilder, die ih eben erwähnt habe, in der Liste stehen geblieben sind, muß do, wie mir scheint, ohne weiteres und mit zwingender Notwendigkeit den Beweis“ erbringen, daß politische Rücksichten bei der Auswahl der Bilder nit irgendwie haben maßgebend setn können. Wenn das der Fall gewesen wäre, dann hätte man auch diese Bilder, die ih eben genannt habe, zurückweisen müssen. Denn, wenn Sie fie mit andern vergleichen, fo ist nah dem Gegenstand fein Unterschied zu finden. Beide stellen Vorgänge aus dem deutsch-französishen Kriege dar.

Nun hätten gewiß auh gerade so gut zwei andere Bilder aus- geschieden werden können, und das wäre auch sicher geshehen, wenn zu erkennen gewesen wäre, daß der Künstler auf die Ausstellung gerade dieser beiden Bilder einen besonderen Wert legte. Das ift aber nicht der Fall gewesen. Im Gegenteil, wie ih {hon erwähnte, hatte Anton von Werner seine Bilder zur Auswahl gestellt, und damit steht do in direktem Widerspruch, wenn jeßt in der Presse die Angabe ent- balten war, daß ohne die beiden Bilder die Ausstellung der Werner- schen Werke niht möglich gewesen wäre. Das Bild „Kricgsgefangen“ ist zurückgestellt worden, um an seine Stelle das von mir vorher er- wähnte 24. Bild, dessen Ausstellung nur zur Erwägung gegeben war, einzurücken, Wenn ich Ihnen dann sage, daß in der Lisle drei

Dioramen aufgeführt waren, so erklärt sh ohne weiteres, daß eins vor diesen Dioramen zurückgestellt wurde. Denn es war bet dem ver- fügbaren Naume im Ausstellungsgebäude gar nicht daran zu denken, drei Dioramen zur Aufstellung zu bringen.

Das waren der Hauptsache nah die Erwägungen, die für die ges troffene Auswahl maßgebend gewesen sind. Ich teilte die Ent- \{ließzung der Ausstellungékommission zugleiß mit der Zu- stimmung zu den übrtgen geplanten Maßnahmen für die Ausstellung mit und mußte erwarten, daß sie das weitere in die Wege leitete; denn nur mit ihr hatte ich es zu tun. Anton von Werner hatte si an die Kommission gewandt, die Kommission war bei mir vor- stellig geworden, und nur ihr und nicht etwa Herrn von Werner hatte ih eine Antwort zu geben. Das ist gesehen am 92. Dezember vorigen Jahres. Dieses Datum ist auch von einer ge- wissen Bedeutung für die Beurteilung der Angelegenheit.

Als {{ch nun im Januar dieses Jahres erfuhr, daß Herr von Werner seinen Eatschluß geändert und sich an der Ausstellung nicht mehr beteiligen wolle, bedauerte ih das; denn es {ien mir durchaus erwüns{ht zu sein, daß gerade bei einer solhen Ausstellung die Wernerschen Bilder niht fehlen. Ich entsandte deshalb einen Herrn aus meinem Ministerium zu dem Künsller mit dem Auftrage, die Angelegenheit mit ihm zu besprehen und ihn, wenn möglich, dazu zu bestimmen, sih doch noch an der Ausstellung zu beteiligen. Dies allein war der Zweck des Besuchs meines Vertreters, kein anderer, namentli au nit der, daß ih etwa erst hierdurch Anton von Werner die offizielle Mitteilung von der getroffenen Entscheidung machen wollte. Dazu hatte ih, wie ich {on erwähnte, gar keinen Anlaß; und es is au nit anzunehmen, daß eine Entscheidung, die am 2. Dezember erfolgt ist, von mir am 10. Januar mündlih dem Künstler mitgeteilt wurde. Auch diese Annahme ift eine reine Kombination, wie es eine Kombination ist, daß politische Gründe maßgebend für die Entscheidung gewesen wären. Beide Kombinationen aber find irrig.

Bei - der Unterredung zeigte sich der Künstler jedoch ablehnend und ließ si{ch nit bereit finden, noch an der Ausstellung teilzunehmen Er sagte, er set krank, könne sich um die Ausstellung selbst nicht kümmern und wolle die Aufstellung seiner Bilder einem anderen nicht überlassen; vor allem aber könne er niht den ausreihenden Naum im Auss\tellungsgebäude erhalten, um setne Bilder und insbesondere feine Dioramen in wirkungsvoller Weise zur Ausstellung zu bringen. Daran vermochte ich nihts zu ändern, und so mußte ich den Versuch - als gescheitert ansehen - und die Sache auf sih beruhen lassen. Ich habe dann von ihr erst wieder gehört, als in der vorigen Woche die Auseinandersezungen in der Presse begannen. Die „Norddeutshe AUgemeine Zeitung“ hat eine Berichtigung gebraht und diejenigen Bilder, die ausgewählt worden waren und die ih mir vorhin zu erwähnen erlaubte, dem Gegen- stante nach bezeihnet, sodaß man wohl annehmen konnte, daß damit ein \{chlagender Beweis dafür geliefert sei, daß nicht politishe Nüd- sichten bei dieser Angelegenheit irgendwie bestimmend gewesen sind Ich glaube, deutlicher kann ein Beweis wohl nicht geliefert werden, er ist jedenfalls \{lagender, als ihn weitere Ausführungen zu führen vermöhten. So liegt die Sache. Ich hoffe, meine Herren, es ist mir gelungen, sie nunmehr völlig klar zu stellen und die Irrefsihrungen, die in der Oeffentlichkeit entstanden find, zu beseitigen ynd damit zugleih die empfindlihen Vorwürfe aus dem Wege zu räumen, die gegen die Regierung, aber unbegründeterweise, erhoben worden sind. (Bravo !)

Graf zu Nantau: Meiner Begründung unseres Antrages möchte ih vorausschicken, daß ih niht in der Lage bin, namens meiner politischen Freunde zu sprechen, da meine Fraktion nicht Ge- legenheit gehabt hat, dazu Stellung zu nehmen, weder für noch gegen den Antrag. Bereits bei Erörterung des Fortbildungsschulgeseßes 1st von verschiedenen Seiten betont worden, wie notwendig es 1st, die schul- entlassene Jugend einer heilsamen Zucht und einem Zwange zu unter- werfen. Graf von der Schulenburg-Grünthal hat mit Unterstüßung verschiedener Herren, auch von mir, damals bereits einen Antrag ein- gebracht, der die Regierung aufforderte, einen Geseßentwurf vorzulegen, wodurch die Verpflichtung zum Besuch der Schule bis zum vollendeten 16. Lebensjahr ausgedehnt werde. Der Wortlaut dieses Antrages ging also weiter, als unser jeßiger Antrag, denn dieser erbittei von der Regierung nur eine Erwägung. Der Antrag wurde damals zu- rüdckgezogen, um ihn beim Etat wieder einzubringen. Absaß 1 unse- s Antrages spricht einen Wunsch aus, von dem ih mix |\{chmeichle, daß er hier allgemeine Zustimmung finden wird; denn daß die heran- wachsende Jugend zu nüßlichen Staatsbürgern erzogen wird, und daß es hierzu sehr wichtig ist, sie in einem so kritischen Lebens- alter zwischen dem 14. und 16. Jahre in richtige Bahnen zu lenken, mer wollte das bestreiten. Die Ausführung dieses Wunsches liegt auch in der Richtung mehr auf nationaler Grundlage stehender Ju- gendpflege; aber Jugendpflege allein kann ohne geseßliche Hilfe ihren Iweck nicht erreichen, auh die Fortbildungs\chule kann ihn mit oder ohne Zwang nur sehr unvollkommen erreichen. Sie dient eigentlich nux zur Vervollkommnung der in der Volksschule erhaltenen Bildung, sie ist eine gewisse fachliche, technishe Vorbereitung für den st#pà- teren Beruf, und außerdem beschränkt sie sich auf zu wenige Stunden. Möhrend nun die Mittel, die die patriotish gesinnten Kreise an- wenden, um die heranwach)ende Jugend zu guten Patrioten und nüß- lien Staatsbürgern zu erziehen, als unzureichend bezeihnet werden müssen, bemüht sich mit EiMekung aller Kräfte die Sozialdemokratie mit Hilfe threr sozialdemokratishen Jugendpflege, man sollte richtiger sagen Jugendverführung, die Jugend in ihre Bahnen zu führen und fie zu nicht brauchbaren Staatsbürgern zu machen. Absaß 2 will die (Erwägung der Staatsregierung auf ein bestimmtes Ziel hinlenken, indem er die Ausdehnung der Schulpflicht bis zum vollendeten 16. Le- bensjahre erbittet, unter Freilassung der leßten beiden Sommer- semester. Diejenigen .Herren, denen dieser Vorschlag etwa zu weit geht, mit Rücksiht auf die hohen Kosten, verweise ih auf die vor- sichtige Fassung dieses Absaßtes; es wird. keine Geseßesvorlage ver- langt, sondern nur eine Bitte um Erwägung ausgesprochen. Für uns Antragsteller überwiegen die Vorteile, die wir von einer mög- lien Ausdehnung der Schulpflicht erwarten, weitaus die etwa mög- lichen Bedenken. Man sagt, die Eltern können ihre Kinder nicht jo lange auf der Schule unterhalten. Die entlassenen Kinder könnten selbständig ihr Brot verdienen. Demgegenüber ist nicht zu unter- schäßen, daß die Kinder zwischen dem 14. und 16. Jahre ihren Éltern im eHaushalte helfen, die jüngeren Kinder beaufsichtigen können, au können sie mit Hilfe der Dispensation in den beiden Sommern auch etwas verdienen. Dann ist weiter darauf hingewiesen wor- den, in neuerer Zeit würden die Kinder frühe? reif, als es sonst der Fall war. Die Kinder würden {hon in einem so jugendlichen Alter reif, daß man thnen nicht mehr zumuten fönne, nah vollendetem 14. Jahre die Schulbank zu drücken. Das ist eben eine durchaus unge- sunde Frühreife, gegen die Kautelen zu treffen gerade in der Richtung unseres Antrages liegt. Dann ist behauptet worden, wenn die Kinder bis zum 16. Jahre auf der Schule blieben, verlören sie zu viel Zeit, um sih für thren künftigen Beruf vorzubereiten. Meiner Ansicht nah genügt es, wenn sich die Kinder für ihren späteren Beruf vom 16. Lebensjahre an vorbereiten. Sie haben dann ein viel größeres Verständnis und eine viel bessere Grundlage. Mein persönlicher

| Wuns wäre der, daß ein deutscher Junge, etwa (v)genpe Entwickz lung durchmacht: Volksschule bis zum vollendeten 16.

i 16. Lebensjahre, èann Fortbildungsschule, unterstüßt durch eine patriotische Jugend- pflege, und dann Eintritt in die große deutsche Erzichungsansflalt, die Armee, dann würden wir gute deutsche Patrioten uns heranzichen. Das durchschlagendste Bedenken ist wohl das, daß dem Volke durch die Verlängerung der Schulpflicht um zwei Jahre starke neue Lasten aufgebürdet würden. Wir teilen diese Bedenken, und es wird gründ-

lich zu erwägen sein, wie weit, um den Gemeinden Bal Belastung tunlist zu ersparen, die Staatszuschüsse erhöht werden tönnen. Die Ausdehnung der Schulp n würde feinen Sprung ins Dunkle be- deuten. In Schleswig-Holjtein hat bis ganz vor kurzem die Schul- pflicht bis zum vollendeten 16. Jahre gefeßlih gegolten. Die Schles- wig-Holsteinische Landwirtschaftskammer, der ih vorsiße, hat für die Wiedereinführung dieses guten alten Gesetzes sich ausgesprochen. Wir bitten Sié, unserer sehr harmlosen Resolution zustimmen zu wollen.

Graf von der Schulenburg-Grünthal: Jeder von uns, der ein Gymnasium besucht hat, hat der Schulzucht bis zum 18. und 90. Jahre unterstanden. Heute ist der Volksschüler mit 14 Jahren reif, früher unterlag er wohl noch, wenn er die Schule verlassen hatte, der Zucht des Vaters, sodann derjenigen des Lehrherrn. In neuerer Zeit ist das leider nicht mehr der Fall. Väterliche Zucht kann man Feutzutage nur noch in sehr wenigew Familien finden, meistens kümmert sih keiner um den Jungen, es wird höchstens sehr übel vermerkt, wenn irgend jemand sich herausgenommen hat, dem Pflänz- ben etwas zu. sagen und ihn zu reftifizieren. Handwerksmeister und Arbeitgeber sagen den Jungen schon lange nchts mehr, weil sie ihnen sonst aus dem Dienst laufen, Und gibt einer dem Jungen einmal eine Ohrfeige oder sonst eine kleine törperliche Züchtigung, so ist der Skandal groß. So kann es nicht weitergehen. Wenn wir bier von dem Moment an, wo wir 14 Jahre alt wurden, jeder Zucht, jedes Einflusses von oben entbehrt hätten, aus den meisten von uns wäre nichts geworden, aus mir schon gar nichts. Db Besserung da- durch möglich ist, daß der Schulbesuch verlängert wird, ist eine schwere Frage. Es wird eine große Schwierigkeit in den erhöhten Kosten liegen, aber das wirksamste Mittel wäre es unter allen Umständen; deun die Fortbildungsscule wird nie so erzieherisch auf den Knaben wirken wie die Schule selbst. Mit der Verrohung der Jugend muß Halt gemacht werden. Jeßt verlumpi und verlotiert unsere Jugend immer mehr und dadurch mit der Zeit auch unser Volk.

Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten D Dr Pon Trott zu S014:

Meine Herren! Die Fürsorge für die shulertlassene Jugend ist ganz gewiß eine der wichtigsten Aufgaben für die Staatsregierung. Dieser Verpflichtung gegenüber hat fich auch - die Staatsregierung keineswegs ablehnend verhalten. Sie hat die Aufgabe ausfsge- nommen und, wie ich wohl sagen darf, gerade in der lezten Zeit nah Möglichkeit Maßnahmen ergriffen, um auf die Fortentwicklung der Jugend einen segensreihen Einfluß auszuüben. JIch darf Sie daran erinnern, daß wir gerade in den leßten Jahren die Jugendpflege in erhöhtem Maße in die Hand genommen haben, daß reiche Mittel bewilligt worden find, um die Einrichtungen, die diesem Zwecke dienen sollen, wirksam zu unter- stützen, und daß auch auf diesem Gebiete jeßt ein reges Leben herrsckt. Wir hoffen, daß auf diesem Wege wirksam und förterlih auf die heranwachsende Jugend eingewirkt wird. In diesem Fahre find die Mittel für diesen Zweck wieder um eine Million Mark erhöht worden, sodaß wir jeyt in ‘die Lage geseht find, auch den Bestre- bungen, die auf. die Pflege der wetblihen Jugend gerichtet find, wirk= fam zur Seite zu treten.

Neben diesen Maßnahmen geht das Bestreben einher, das Fort- bildungss{ulwesen zu fördern. Sie selbst, meine Herren, haben erst \in diejem Jahre cinem Gesetzentwurf zugestimmt, durch den in einer Neihe von Provinzen das Fortbildungsshulwesen geordneï und geregelt werden foll. Aber, wenn ih mi niht irre, ist gerade von Mitgliedern dieses hohen Hauses Wert darauf gelegt worden, daß man keinen Zwang auf die Gemeinden ausübe, fondern daß es in die freie Entscheidung der Gemeinden gestellt wird, ob sie eine Fortbiltungss{hule errihten wollen oder nicht. Das ist der Weg, den Sie selbst für riGtig gehalten haben; auch die Staatsregierung ist der Ansicht, daß wir auf diesem Wege allmählich fortschreiten sollten, sodaß die Bevölkerung felbst den Mert der Fort- bildungs\{ulen erkennt und sih aus eigenem Entsclufse bereit findet, Fortbildungs\hulen einzurihten. Ist die Neigung hierzu in der Be- völkerung immer allgemeiner geworden, so wird es \cließlich dahin kommen, daß wir überall cine Fortbildungsschule haben und dann werden wir die allgemeine Fortbildungsshule besißen, die gewiß er- \strebenswert ist.

Das sind die Mittel, die wir bisher ergriffen haben, um deu Gedanken, der in dem ersten Absay des vorliegenden Antrages zum Ausdruck gekommen ist, gerecht zu werden. Ich glaube alfo, cs bedarf nicht ers einer Ermahnung an die Staatsregierung, daß wir diesem wichtigen Gebiete unsere Aufmerksamkeit \{henken.

Was dagegen, meine Herren, den zwelten Absaß des Antrages betrifft, so stehen thm doch sehr erheblihe Bedenken entgegen, die die beiden Herren Antragsteller vielleiht niht in ihrer ganzen Schwere ge- würdigt haben. Jch will dabei heute nur auf die finanzielle Seite eingehen, darauf eingehen, welche finanziellen Wirkungen die Durch- führung dieses Gedankens haben würde. Die laufenden Schul- unterhaltungskosten betragen für Preußen gegenwärtig jährlih rund 421 Millionen Mark. Wenn nun nach der zur Erörterung stehenden Anregung zwei Jahrgänge mehr in den Schulen wären, wenn also die Volks\hüler bis zum vollendeten 16. Lebensjahre die Schule zu besuchen hätten, so würde das zwei Jahrgänge und ein Biertel der Kosten mebr bedeuten, als jeßt für die Volksschulen ausgegeben werden. -

Nun wird man mit Recht einwenden, daß ja vorgesehen sei, die Sommermonate frei zu lassen und nur während des Winters die Kinder in der Schule festzuhalten. Das. würde allerdings eine gewi Einschränkung der Kosten bedeuten, aber doch nicht in dem Maße, daß man nur von einem Jahrgang mehr sprechen könnte. Denn wir müßten, um diese Mehrzahl von Volksshülern im Winter in die Squle aufnehmen zu können, die Lehrkräfte vermehren und die Räume vergrößern. Wenn nun auch zum Teil in weniger stark besuchten Squlen die vorhandenen Räume und Lehrkräfte ausreichen würden, dieser Aufgabe gerecht zu werden, so würde das doch eben nit überall der Fall sein. Man würde falsch rechnen, wenn man nur etwa ein Achtel an entstehenden Kosten mehr rechnete. Van wird vielleicht das Richtige treffen, wenn man etwa ein Sechstel das sind natür- li nur Schäßungen an Mehrkosten annimmt. Man käme dann zu einem Mehraufwande von jährli 70 Milltonen, der erforderli wäre, um dem Antrage zu entsprechen. Ich glaube, es ist feine Aus- siht vorhanden, daß wir das in absehbarer Zeit erreichen können. Wir haben noch viel zu tun, um das Volksshulwesen in seiner jeytgen Begrenzung, die die Volksshulpfliht mit tem 14. Lebensjahre abx

\c{ließt, überall in befriedigender Weise zu gestalten. Wir haben noch zahlreiche überfüllte Schulen und haben noch außerordentli viel zu tuñ, um das Vollsshulwesen nah jeder Nichkung hin und überall in einen befrtedigenden Zustand zu bringen. Ehe wir das aber nit er- reiht Haben, können wir, glaube i, an die hier angeregte Maßnahme nicht denken, soviel sih auch, das will ich nit bestreiten, von manchem Gesichtspunkt aus dafür anführen läßt. Zurzeit {eint sie mir noch eine starke Utopie zu sein; dem Antrag jeßt {on Folge zu geben, würde ih jedenfalls für verfehlt halten. Zunächst werden wir dahin zu. streben haben, daß unsere Volksschule innerhalb der jeßt geltenden Begrenzung nah jeder Richtung hin befriedigend ausgestaltet wird. Wenn das Ziel erreicht ist, wird man weiter sehen können.. (Bravo!)

; Graf von“ Haeseler: Der Antrag is “mir ‘fehr sympathisch; ih habe vor 6 Jahren etwas ganz Aehnliches hicc empfohlen, nur daß ih die Verlängerung der Schulpflicht bis zum 15. vollendeten Jahre sicherstellen wollte. Wenn das 16. genommen wird, Um so besser. Die Regierung hat damals meinen Antrag sehr wohlwollend behandelt, aber auch darauf hingewiesen, daß damit ein Konflikt mit der MNeichsgewerbeordnung gegeben fein würde. Ein solcher Konflikt muß ausgeglichen und das unglüklihe Gesebß geän- dert werden. Wenn Jungen und Madchen mit vollendetem 14. Jahre in die Fabrik geben, werden sie an Seele und Leib verdorben, und das wollen wir nicht. Das vollendete 14. Lebensjahr reiht für die Schule und für das Leben nicht aus. Der Minister verweist auf die Jugendpflege. Diese ist sehr ideal gedacht, aber alles, was da bisher geschehen ist, beruht in jeder Nichtung auf Freiwilligkeit, und damit Tommen wir nicht durch. Einen Zwang will jeder Mensch háben. Die Kosten sind ja hoch, aber die Kosten für Armee, für die Beteranen und für die Jugenderziehung muß man immer aufbringen.

Graf zu Nan au: Jch bleibe auch dabei, daß die freiwilligen Bestrebungen allein nicht ausreichen, auch nicht in Verbindung mit der Fortbildungsschule, selbst wenn jede Gemeinde schon eine auf- zuweisen hätte; die moralische Festigung wird da niemals erreicht werden, die wir für die Zett zwischen dem 14. und 16. Lebensjahr für nothwendig halten, zumal gegenüber der sozialdemokratishen Ver- {ührung. Die 70 Millionen würden den Antragstellern nicht zu hoch erscheinen; wir wünschen niht eine Mehrbelastung der Gemeinden, sondern in erster Linie des Staates. Auch die Ausdehnung bis zum 15. Jahre würden wir {on als einen Fortschritt ansehen. Es sind ja nur Anregungen, welche wir der Regierung geben, um das Ziel, das auch sie anstrebt, zu erreichen. Jch bitte um Annahme des An- trags und um gesonderte Abstimmung Uber beide Saße.

Graf von Mirbach: Es handelt sich hier um ein vollklommenes Novum und eine sehr ïwveitgehende neue Belastung; da sollte doch auch erwogen werden, ob die Anforderung und die Belastung, namentlich auch die dingliche. Belastung, zu weit geht.

Herr von Sal1isch: Es ist hohe Zeit, daß sih der Staat ernstlih der Wünschelrutensache annimmt. Das landwirtschaftliche Ministerium hat anerkannt, daß an der Wünschelrute etwas dran ist. (Ss ift erwiesen, daß die Wünschelrute auh auf elektrische Ströme reagiert. Jn einem Kalibergwerk sind drei Rutengänger gegangen, die voneinander nichts wußten: diese drei haben alle an denselben Stellen reagiert. Auch bei Talsperrenanlagen haben die Wün- {chelruten große Dienste geleistet. Das Ministerium sollte auf diesem Gebiete Anregung geben, bezw. einen Verein, der sich: für diese Zwecke gegründet hat, unterstüßen.

Herr Dr. Stapenhor st - Bielefeld: Jn ‘den westlichen Pro- vinzen haben wir Beschwerde darüber zu führen, daß man das \chul- pflichtige Lebensalter schon mit 134 Jahren enden läßt. Um einen einbeitlichen Schulentlassungstermin durchzuführen, hat der Oberpräsi- dent eine Anordnung getroffen, wélche einén Teil der Kinder {on in diesem Alter aus der Schulpflicht entläßt. Wir halten diese Maß- regel für durchaus unzweckmäßig und unglücklich, Weit eher hätten mir uns mit einer Ausdehnung auf 14% Jahre abgefunden. Der

‘Minister wolle Abhilfe schaffen und diese Oberpraäsidialverfügung

aufheben.

Der Antrag Graf Rantau wird in feinem ersten Teil an- genommen, im zweiten Teil abgelehnt.

Bei den Ausgaben für die Universitäten bemerkt

Herr Dr. Neuber: Die Zahl “der Studierenden ist in den leßten 10 Jahren um 33 % gestiegen. Ebenso is es au{ch auf den böheren Schulen. Es ift nicht zutreffend, wenn man darin ein Bild kulturellen Aufschwungs sieht. UÜeberkultur if den Völkern noch niemals qut bekommen. Man findet Rückgang des religiösen Cmpfindens und der Moral. Sie führt sogar zu einer zügellofen Presse. Man muß sich oft fragen, ob man sih das noch länger gefallen lassen muß. Dazu kommt noch das Frauenstudium, dem ih: nicht sehr freundlich gegenüberstehe.- Wir haben jeßt {on 2000 \tudierende Frauen. Wenn die Frau so in das CErwerbsleben ein- areift, wie soll da ein Mann sich eine Familie gründen können? Alles das schafft uns ein gebildetes Proletariat, das ja Wasser auf die Mühlen der Sozialdemokratie ift. Ganz besonders s{chlimm ist es um die Aerzte bestellt, deren freie Betätigung durh die Ausdehnung der Bersicherungspflicht immer mehr eingeschränkt wird. Zu beklagen ist dabei noch, daß die Zahl der Ordinariate nicht in demselben Maße wie die der Studierenden gestiegen ist. Darunter leidet das persön- liche Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern. Hier müßte die Regierung aufflärend {on auf den Schulen wirken und auch auf die Gltern ihren Einfluß auszuüben versuchen.

Herr Dr. Waldeyer: Wir haben eine große Anzahl Privat- dozenten, für die wir aber keinen Naum für Arbeitspläße haben. Hierin ‘ließe fich sicher an den großen Universitäten leiht Abhilfe schaffen. ; R

Herr Dr. Gerding: Die Bewilligung von 50000 F für eine akfademishe Turnhalle der Universität Greifswald is mik Freuden zu begrüßen. Greifswald zählt jeßt 1500 Studenten, und cs if anzunehmen, daß ihre Zahl noch steigt. Troßdem a jebt schon die Einrichtungen der Universität völlig unzureichend. Der Bau eines neuen Seminargebäudes ist dringend notwendig. Geradezu be- tsagenswert sind die Zustände in der medizinischen Fakultät. Auf die dringende Notwendigkeit der Schaffung einer Professur für Derma- tologie und Syphilis hat Herr von Hennigs-Techlin {on im Ab- geordnetenhause hingewiesen. Es fehlt an einer Klinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten, und die alten Baracken für Infektions- frankheiten reihen niht mehr aus. Greifswald ist die älteste preu- Fische Universität, und der Staat hat gerade für sie am wenigsten getan. Bei der Verwaltung ‘des Grundbesißes der Universität sollte nian nach denselben Grundsäßen, wie bei Staatsdomänen, verfahren, daß niemand eine Pachtung erhält, der schon selbst ein großes Be- i Bei dem überwiegenden Großgrundbesiß im Kreise sollte

sißtum hat. berwiegenden G: esiß im. man die Universitätsgüter für die innere Kolonisation nußbar Kreise Greifs-

machen. L Graf von Behr-Behrendorff: Im

wald ift allerdings der Großgrundbesiß stark vertreten. Aber gerade

dort ist in leßter Zeit eine Anzahl Güter aufgeteilt worden. Jh

kann den Wunsch unterstüßen, der Staat mochte dies auch bet

den Universitätsgütern zulassen.

weil bei jeder Aufteilung Senat und Rektor der Universität zustimmen

muß. Dem Vorredner möchte ih empfehlen, daß er auf die Stadt

Greifswald einwirkt, da bei thr die Verhältnisse ähnlich wie bet der Universität liegen, ebenfalls die innere Kolonisation zu fördern.

Minister der geistlihen und Unterrichtsangelegenheiten D. De, von Drottzau Solz:

Meine Herren!' Ih nehme es im allgemeinen nicht tragisch, wenn die Zustände an irgend einer Universität in den Parlamenten in besonders {warzen Farben geschildert werden. Das geschieht, um mögli für eine Einrichtung, die man gerade wünscht, Propaganda zu machen, und das ist ja auch begreiflich. Ih meine, es wird wohl auch von dem hohen Haus eine Rede, die solhe s{chwarzen Farben

Allerdings ist es hier nicht so leicht,

aufträgt, nit allzu tragisch genommen werden. Wenn das nicht der Fall wäre, dann müßte ich doch mit einer gewissen Entschiedenheit gegen die Schilderung Einspruch erheben, die von den Verhältnissen in Greifswald gegeben worden ist. Jch will gar nicht leugnen, daß an der Universität in Greifswald dies und das noch zu verbessern sein wird; aber daß die Zustände in dem Umfange der Verbesserung be- dürften, wle das von . dem Herrn Werireter der Stadt Greifswald hier vorgetragen worden ist, fann ich nicht zugeben Wir find ja übrigens mit den Verhältnissen von Greifswald fm Ministerium selbslverständlih durchaus be- kannt, und és ist uns auch nichts Neues, daß die Untversität Greifswald die älteste preußif{che Universität ist. (Heiterkeit.)

Was den Grundbesiß der Universität betrifft, so kann ih hter mitteilen, daß wir dem Gedanken, in dér dortigen Gegend in ge- wissem Umfange innere Kolonisation zu treiben, durhaus \ympathis{ gegenüberstehen. Es ist die Anordnung getroffen, daß bei allen Do- mänen der Universität, wenn es zu Neuverpahtungen kommt, in jedem einzelnen Fall geprüft werden soll, ob sich der Grundbesiß nicht zur Verkleinerung eignet; auch haben {on einzelne solher Maßnahmen stattgefunden, wenn auch von der Universität ein ganzes Gut noch niht parzelliert worden is. Uebrigens bedarf es darin irrte der Herr Vorredner nichi der Zustimmung des Rektors und Senats der Untversfität zu solhen Vtaßnahmen. Diese Stellen sind nur gut- achtlih zu hören. Die Entscheidung ist bei der ftaatlichen Instanz, sodaß, wenn in einem Falle die Voraussezungen zu einer solchen Maßnahme gegeben sind, fie sehr wohl zur Ausführung gebracht werden kann, und das wird auch ges{ehen.

Im übrigen möchte ih mich der Ermahnung des Herrn Grafen von Behr an die Stadt Greifswald anschließen, daß sie au einmal ihrerseits dieser Frage näher trete, da sie sih in derselben Lage be- findet, wie die Universität.

Herr Dr. Gerding: Ih habe von den Verhältnissen der Universität Greifswald ein richtiges Bild gegeben. Vielleicht ernennt der Minister einen Kommissar, der alles nahprüft. Hervor- beben möchte ich, daß die Stadt Greifswald ihrerseits schon bei der inneren Kolonijation mitwirkt und entsprechenden Grundbesiß zur Verfügung \tellt. Das kann aber nur langsam geschehen, da die meisten Pachtungen noch auf lange Zeit lauten. Neulich haben wir einen großen Gutskömplex an eine Siedlungsbaänk verkauft.

Graf zu RNanbau: Ih möchte den Herrn Minister bitten, an der Universität Kiel eine Professur für schleswigsche Landesgeschichte zu errichlen. Es gibt viele Schleswig-Holsteiner, die über ihre eigene Landesgeschichte nicht genügend ortentiert sind. Von dänischer Seite wird etne Fälschung der s{leswig-holsteinischen Geschichte getrieben. Das kommt in die Presse, und die öffentliche Meinung wird irre- geführt. Das Studium der \chleswig-holsteinischen Landesgeschichte ist auch sür die shleswig-holsteinische ltudterende Jugend von dem größten Interesse. Für Preußen waren die Ereignisse von 1848 bis 1851 der Hebel für seine weitere Cntwiclung. Auch die altere Ge- schichte Schleswig-Holsteins ist uncht genügend bekannt. (Der Redner geht hierauf näher ein.) Die schleswig-holsteinishe Geschichte bildet einen integrierenden Bestandteil der preußischen Geschichte. Wir wollen aus unserer Landesgeschichte lernen, daß wir die Berbindung mit Deutschland Preußen verdanken. Wir wollen uns der CGhre würdig erweisen, jeßt Preußen zu sein. Die Provinz ist gewillt, bis zum leßten Blutstropfen Preußen zu erhalten, als Stüße eines träftigen Deutschlands. Am liebsten wäre mir eine ordentliche Pro- fessur für {leswig-holsteinishe Landesgeschichte; geht dies aber nicht, so wünschen wir wenigstens eine etatsmäßige außerordentliche E sessur. Ueber die Notwendigkeit dieser Professur wird sih noch Pro- fessor Reinke äußern.

_Herr Dr. Reinke: Ich: kann die Ausführungen des Vor- redners bestätigen. Die philosophische Fakultät der Universität Kiel betrachtet die Errichtung eines etatsmäßigen Ertraordinariats für \{chleswig-holfteinische _Landesgeschichte als eine wertvolle Ergänzung thres Lehrkörpers. Ein Vrdinariac dagegen halt sie niht für not- wendig. Die s\chleswig-holsteinishe Landesgeschichte ist sehr kom- pliziert. Die Errichtung eines solhen Erxtraordinariats würde der Universität sehr nüßlich sein.

Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten D. Or. VON C04 S0:

Meine Herren! Ich bin in der glücklichen Lage, den beiden Herren Vorrednern gegenüber mitzuteilen, daß ich heute einen Lehr- auftrag für nordische und speziell \{chleswig-holsteinishe. Geschichte an der Universität Kiel erteilt habe. Damit wird -den Wünschen, die hier vorgetragen worden sind, entgegengekommen, und ich glaube, daß es wohl dex rihtige S{ritt ist, wenn zunächst nur ein Lehrauftrag nah der gewünshten Richtung hin erteilt wird. (Bravo!)

Fürst zu Salm-Horstmar: Der Ausbau der Universität Münster soll sih auf die: 2. Hälfte der medizinishen Fakultät und auf die Errichtung einer evangelish-theologischen Fakultät erstrecken. Jh möchte dem Minister dafür unseren warmen Dauk* aus- sprechen, Dankbar sind wir auch dem gegenwärtigen Finanzminister, derx im Gegensaß zu seinem Vorgänger unseren Wünschen Wohlwollen entgegengebracht hat. Die Provinz hat zu dem Ausbau eine Viertel- million geboten, die Stadt Münster eine halbe Million. Mit diesem leßten Angebot haben sich die Vertreter der Regierung einverstanden ertlärt, weil fie von der Provinz 900 000 4 verlangt haben. Die Provinz hat aber schon sehr viel für die Universität getan, sodaß thr Beitrag als durchaus angemessen betrachtet werden kann. Stadt und Provinz haben bereits bis jeßt 2 Millionen für die medizinische Fakul- tat hergegeben. Das muß doch als angemessen angesehen werden. Die Provinz Westfalen hat außerdem doch auch noch andere Aufgaben zu erfüllen, z. B. demnächst als Garant des Nhein-Weserkanals. Andere Provinzen und Städte haben unter ähnlichen Verhältnissen weniger geleistet. Jch erinnere z. B. än Breslau und Danzig. Die reiche Provinz Schlesien* hat für die Technische Ho{bschule keinen einzigen Pfennig hergegeben. Die Universität Bexlin ist auch sehr reihlich vom Staate bedacht worden. Die Leistungen für Berlin durch Be- bauung der Domäne Dahlem sind bekannt. Aus der Tasche der Steuerzahler werden erhebliche Zubüßen für die Ning- und Stadt- bahnen geleistet mit 11,4 Millionen. Wir gönnen den Berlinern die wirtschaftliche Entwicklung. Aber es wäre gerecht, auch den Pro- vinzialstädten in ähnlicher Weise entgegenzukommen und nicht Opfer von thnen zu verlangen. Welche Sunimen sind auf der Museums- insel verbaut worden? Wir Westfalen haben keine landwirtschaftliche, technische oder Handelshochschule, sondern wir haben nur diése einzige Hochschule, Der preußishe Staat hat die Pflicht, der Provinz die Volluniversität wiederzugeben. Es besteht ja nun diese Absicht; es handelt ich nur noch um die Frage des „angemessenen“ Beitrages. Ich wäre dankbar, wenn die Erklärung abgegeben werden könnte, ob nicht die Grundsäße geändert werden, nah denen“ die Provinzen und Städte sih an diesen Aufwendungen beteiligen müssen. Wir West- falen sind fleißige, sehr an der Scholle hängende, gutmütige Leute. Diese Gutmütigkeit kann aber leiht aufhören, wenn man merkt, daß Gerechtigkeit gegenüber Westfalen nicht fo geübt wird, wie gegen andere Provinzen. Es muß das preußishe Suum cuique auch gegenüber Westfalen Plaß greifen. )

Minister der geistlihen und Unterrichtsangelegenheiten D Dr, von Crottzu Sold:

Meine Herren! Es kann kein. Zweifel sein, daß der preußische Grundsag: suum euique auch auf die Provinz Westfalen in vollem

Maße zur Anwendung zu kommen hat und zur Anwendung kommt, Seine Durchlaucht der Fürst zu Salm hat hervorgehoben, daß ih in der Budgetkommission ‘des Abgeordnetenhauses ‘die Grklärung ab- gegeben hätte, daß die Staatsregierung grundsäßlih bercit sei, die Universität Münster völlig auszubauen, indem ibr cine evangelish- theologische Fakultät eingefügt und die medizinische Fakultät ver- vollkfommnet wird, derartig, daß ihr die flinisGen Einrichtungen hin- zugefügt werden, damit auch die flinishen Semester in Zukanft in Münster absolviert werden können. Diese Erklärung ist abhängig gemacht worden von der Vorausseßung, daß es gelänge, mit der Provinz und der Stadt Münster darüber cinig' zu werden, daß fie, wie fie es zugesagt hatten, einen angemessenen Beltrag zu den entstehenden Kosten bereitstellen. Die Frage also, ob die Provinz und ob die Stadt Münster bei. den entstehenden Kosten heranzuziehen wären, war bereits: entschieden, und zwar durch die Provinz und die Stadt selbst, denn diese beiden hatten es der Staats- regierung angeboten, sie wollten, wenn die Staatsregierung fich bereit fände, die Universität auszubauen, ihrerseits zu den entstehenden Koften einen angemessenen Beitrag leisten. Gerade die Provinz ‘und bie Stadt Münster haben die Jnitiative ergriffen, fie häben gewlsser= maßen die Staatsregierung dazu gedrängt, den Ausbau der Universität Münster vorzunehmen, und haben di-8 namentlich dadurch! Unter- stüßt, daß fie fi bereit erklärten, an den erhöhten Kosten fih in ‘ans gemessener Weise zu beteiligen. Darüber besteht au gar kein Streit, Provinz und Stadt Münster erkennen durchaus an, daß fie fch zu dieser Leistung bereit erklärt baben, und fie sind “auch bereit, dié Leistung zu erfüllen. Der Streit besteht nur noch- darüber, was denn ein angemessener Beitrag sei.

Ich habe s{hon im Abgeordnetenhause ausgeführt, daß die Höhe dieses Beitrages zwar niht vom Staat allein, aber au nicht voa der Provinz allein festgestellt werden könne, fondern daß darüber zu verhandelr, sei und daß man sich darüber verständigen müfse. Nun sind wir ja leider noch recht weit ausetnander. Die Provinz beziehungsweise der Provinzialausshuß hat si biîs- ber nur bereit erklärt, cinen Beitrag von 250000 # zu den Unkosten beizusteuern. Dieser Beitrag muß als völlig ungenügend bezeichnet werden. Wenn die Provinz darauf bestände, nur diesen Beitrag zu den Kosten zu leisten, dann würde ih das außerordentli bedauern und müßte befürchten, daß das Projekt ge fährdet wäre, sowohl die Einrichtung der evangelish-theologischen Fakultät wte der Ausbau der medizinischen Fakultät. Jch glaube aber immer noch, daß es gelingen wird, zu einer Etuigung zu fommen, und möchte gerade die Herren, die als Vertreter der Provinz Wesifalen hier in diefem bohen Hause fitzen, bitten, ihren weitgehenden Einfluß auf die Provinzialorgane dahin geltend zu machen, daß fie es doch niht versäumen - möchten, jeßt zuzugreifen. Das Eisen foll man \chmieden, wenn es heiß ift. Ich fürchte, wenn wir jeßt nicht zu einer Berständigung kommen, dann werden in Zukunft leicht nëue Sthtvierig- keiten entstehen; so gürsflig für die Erfüllung threr Wünsche wird #ch der Zeitpunkt vielleicht später nicht wieder zeigen, wie das heute der Fall: ist. Wenn der Provinziallandtag bei seiner bevorstehenden Tagung fich ents{chlösse, einen Beitrag zu bewilligen, wie er auch von der Staatsregierung für angemessen angesehen wird, dann, glaube tch, werden wir mtt Sicherheit darauf rechnen können, {hon tn dem nächsten Gtat die erste Rate für den Ausbau der Münsterer Universität zu finden, Ist das aber nicht der Fall, ist die Möglichkeit, ‘die entspreWende Summe in den nächsten Etat einzustellen, nicht gegeben, dann wird man abwarten müssen, ob die Dinge in späterer Zeit wieder so günstig liegen werden. Deshalb erlaubte ich- mir, die Herren aus Westfalen

in Westfaléèn zum Absch{luß zu bringen.

Nun ist ja ‘in der Tat die Differenz zwischen 250 000 und 900 000 #, die von uns verlangt werden, ziemlich groß. Als in Münster neulich in kommiffarishen Beratungen verhandelt wurde, shten ecigentlih bei den westfälischen Herren die Geneigtheit vor- handen zu sein, etne uns allerdings noch nicht genügendé Grhöhung der Summe beim Provinziälaus\{huß zu befürworten. Ich habe aus den damaligen kommissarishen Beratungen den Eindruck gewonnen, daß die Herren ' wenigstens für einen Betrag von 500 000 6 eintreten würden. Das is nun aber leider auch nit ges{chehen. In der Propinziälauss{hüßfißung hatte man keine Neigung. hierfür, hat es abgelehnt und fich auf den Bes trag von 250 000 4 zurückagezogen. Aber wenn ih den Bétrag von 500 000 6 als von der Provinz angeboten auffäfsen Tönnte, so würde noch eine Differenz _zwtischen 500 000 und 900 000 „4 bestehen, und es wáâre nun vielleiht die Aufgabe, den Mittelweg zwischen diesen beiden Summen zu finden, auf dem man {h dann einigen könnte. Ich möchte diese Andeutung ausgesprochen haben und würde mih freuen, wenn fie zu einem Ergebnis in Westfalen führen würde. Ohne das muß ich, wie gesagt, die Befürchtung hegen, daß wir mit der Sache niht zum Abs{chluß kommen.

Dte Anfordekungen, die ven sciten des Staats an die Provinz gerichtet werden, find keineswegs fo außerordentlich ho, wie es von dem Herrn Vorredner bezeichnet worden ist. Es ift do zu bedenken, welhe großen Kosten für den Staat durch diè Ausgestaltung der médizinischen Fakultät entstehen. Die einmaligen Ausgaben betragen 4 086 000 46 rund. An dieser Summe sollen die Stazdt unddie Pro- vinz mit 1400000 6 beteiligt werden. Es würde ‘danach der Staat immér noch eine eiumalize Aufgabe von 2686 000 # zu tragen haben. Aber die Hauptsache is - do, daß die dauernden Lasten für den Staat in der Zukunft ganz erheblichdß steigen es muß von thm etne jährlihe Mehrausgabe von 442 000 dauernd übernommen werten. Kommt ‘es dazu, wird die Universität in der Weise ausgestaltét von Staat, Stadt und Provinz, so sind doch künftig Stadt und Provinz von der Unterhaltung frei, sie brauchen s weiter daran nit zu beteiligen. Wohl aber wird, das kann man schon jeßt mit Sicherheit voraussagen, die Last des Staates sich in der Zukunft weiter steigern. Denn die Anforderungen für Verbesserung der Einrichtungen in Münster werden genau fo kommen, wie fie von anderen Universitäten an uns gelangen. Dann wird der Staat cin- zutreten haben und nicht die Provinz und nicht die Stadt.

Alle diese Dinge werden Sie in Berüdlsichtigung ziehen müssen, wenn Sie abwägen, ob die Heranziehung von Stadt und Provinz wirklih eine zu hohe ist. Die Eremplifikation auf andere: Universitäten und Provinzen kann hier nicht dur(schlagend sein. Ih muß an die historische Entwidlung der ganzen Frage erinnern. Der Staat wollte gar nicht die Universität Münster weiter ausbilden, er halte die Auffassung, daß