1913 / 102 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 30 Apr 1913 18:00:01 GMT) scan diff

fe în dem frühcren Uinfange wohl weiter bestehen könnte. Dann kamen aber die Interessenten aus Westfalen, drängten den Staat und erklärten, wir sind auch bereit, zu dem Ausbau der Uni- versität unseren Teil beizutragen. So find wir durch die Münsterer Interessenten zu dem Ausbau der Universität gedrängt worden, und fo erklärt es sich, daß Stadt und Provinz auch zu ten Unkosten herangezogen wird, uud zwar auf das Angebot hin, das Stadt und Provinz felbst gemacht haben. Ih glaube in der Tat, daß man nit davon s\prehen kann, daß die Stadt Münster und die Provinz Westfalen ungünstig behandelt würden. Im Gegenteil, wir find allen Wünschen entgegengekommen. Das haben sie au anerkannt, und ih würde es bedauern, wenn aus dieser ganzen Aktion eine Mißstimmung in Westfalen zurübliebe. Ihre Wünsche, die Sie seit Jahren mit Wärme vertreten haben, stehen unmittelbar vor der Erfüllung. Sie können sich mit Necht fagen: wir haben für unsere Provinz: gekämpft, und wir haben sieg- reich gekämpft. Nun wollen wir uns doch diese lezten Verhandlungen nicht verbittern lassen. Wirken Sie auf Ihre westfälishen Herren ein, daß fie fich niht allzu zurückhaltend benehmen. Ich glaube, dann werden wir doch noch zu cinem befriedigenden Abschluß der ganzen

Angelegenheit kommen und können dann mit Freude dem vollen Aus-

bau der Universität Münster entgegengehen. (Fürst zu Salm-Horstmar: Bravo!)

Herr Dr. Jungeblodt- Münster: Wenn gerade auch der Kultusminister das Wort „Suun?k cuique“ gebraucht, dann kann er sich utt wundern, daß dieses Wort auch von uns Münsterern angewendet wird. Hinter die Freude, daß endlih der Wunsch der Westfalen, den sie auch als altes Recht verfechten, in Erfüllung gehen jollte, fam wie cin Neif in der Frühlingsnahht die Forderung der Kommissare, die Provinz solle noch 900 000 s zusteuern. Der Kultusminister und sein Vorgänger haben uns wiederholt die entgegenkommend|sten Worte gesagt, aber immer kam der kalte Wasserstrahl in der Finanzfrage nah. Zum ersten “Mal t gerade bei dieser Uni- versitat Münster das ausdrücklihe Verlangen g. stellt worden, daß Provinz und Stadt Beiträge zu leisten hätten. Das war niemals unsererscits ein freiwilliges Angebot, sondern stets ein Verlangen der Negierungskommissare. Wir find ja auch zu solchen Beiträgen bereit, aber man darf doeh nicht zu weit gehen. Was für die juristishe Fakultät zum Ausbau der Universität geleistet worden ift, t von der Stadt und Provinz geleistet worden, nur zum kleinsten Teile vom Staate. Aehnlich licgt es mit dem ersten Teile der medizinischen Fakultät ; 1 400 000 é leisten Stadt und Provinz er- neut dazu. Die Provinzen sind in Preußen noch nie für jolche staat- sichen Ausgaben in Anspc!cch genommen worden. Wenn troßdem die Provinz 500 000 16 für die medizinische Fakultät gibt, so erscheint das au mir ein angemessener Betrag. Der Kultusminister foll auch dem Finanzressort zureden, mit seinen Forderungen zurückzugehen. In Franffurt entsteht plößlich wie ein Phönix aus der Asche eine neue Untversität mit der ganzen medizinischen Fakultät; das geschieht nur 1/ Jahr, nahdem uns das Kultu3ministerium gesagt hatte, der Staat habe gar keinen Anlaß, neue meoizinishe Fakultäten zu errichten. Allerdings kostet diese neue Fakultät in Frankfurt dem Staate nichts. Wir wollen auch absolut nihts gegen Franksurt sagen, wir freuen uns im Gegenteil der Errichtung dieser neuen Bildungsstätte; aber die Professuren sollen dort doch auch staatliche sein. Da brauchte man au Westfalen nicht so harte Bedingungen zu stellen. Zweimal hat das andere Haus an den Staat appelltert um die notwendige Aus- gena dex Münsterschen Universität. Am Geldmangel kann es bei dem Niesenetat Preußens doch wirklich nicht liegen. Hat nicht die Ausfüllung des Kolks auf der Berliner Museumsinjel allein 4,9 Millionen Mark gekostet? Westfalen hat 50 Jahre lang dafür earbeitet, daß ihm die Universität wiedergegeben würde; das 1it keine Interéssentenangelegenbeik, sondérn hier ist eine Chrenshuld des Staates einzulösen. Jch hoffe, daß wir aus den weiteren Verhand- lungen so herauskommen werden, daß im nächsten Jahre die erste Nate für den Aushau im Etat steht.

Herr Dr. von Studt: Als ih 1889 das Oberpräsidium von Westfalen übernabm, fand ih es allerdings auch etgen- tümlih, daß cine Provinz von dieser Bedeutung keine eigene Volluniversität besaß. Der Entwicklungsgang der Provinz hat bewiesen, daß sie den vollsten Anspruch auf eine Universität erhében fkênate. Ich habe mihch sofort wenigstens um die Hinzufügurg einer juristischen Fakultät zu der Akademie bemüht, und ih bedaure, daß dieses Provisoruum im Laufe der Zeit dazu geführt hat, daß nun nur unter der Bedingung, daß Stadt und Provinz ganz cerhebliGße Beiträge leisten müssen, das Projekt der Ausgestaltung weitergeführt werden könnte. Der Standpunkt des Ministers ist doch etwas fiskalisch. Die Universität Münster hat den kleinsten Staatszushuß. Die Universität hat au jeßt {hon als Torsfo über 2000 Studierende und steht damit unter den preußischen Univecsitäten an sechster Stelle. Angesichts dieser Tatsache muß die moralische Verpflichtung des Staates doch ganz besonders betont werden. Ih glaube daher, von den fiskalischen Erwägungen an das warme Herz des Ministers appellieren zu dürfca, die |chwebenden Verhandlungen möglichst bald zu einem gütlihen Ausgleich zu bringen. Dem Entwicklungsgang unserer Universität entspricht es durchaus nicht, solche bohe finanzielle Forde- rungen für die Ausgestaltung an Stadt und Provinz zu stellen. Es wird ja auch noch eine evangelish-theologishe Fakultät angegliedert, eine Absicht, die sich {on allein aus der Tatsache rechtfertigt, daß über zwei Milltonen Einwohner der Provinz evangelisch sind. Was die Universität Frankfurt angeht, so habe ih im vortgen Jahre hiec etatêrechtlihe Bedenken geltend gemacht, die mittlerweile dur Regierungserklärungen beseitigt worden find. Es wurde aber hier auch ein Antrag Hillebrandt angenommen, worin die Errichtung u. a. abhängig gemacht werden follte von der Wahrung des Staatsinteresses bei der Beseßung der Professuren. Nun -besteht für Frankfurt ein Kuratorium, dessen Statut dem Landtage nicht vorgelegt worden ift. Wir müssen aber annehmen, daß dasselbe nit dem Inhalte jenes Antrages widerspriht. Bei Erörterung der Bedürfnisfrage ift ein- mütig hervorgehoben worden, daß die Zahl der Studenten tin einer Weise zunimmt, die eine große Gefahr für unsere kulturelle Ent- widcklung bedeutet. Gegen 1871 mit 10000 Studenten haben wir iebt 60 000. Das geistige Angebot hat sih ganz riesenhaft entwickelt. Münster aber hat jedenfalls einen alten berechtigten Anspruch vor Frankfurt voraus.

Fürst zu Salm-Horstmar: Der Kultusminister meinte, daß der Staat von der Stadt und der Provinz zum Ausbau der Universität Münster gedrängt werde. Wir sind eben dort so unge- duldig geworden, weil man unferen Universitätstorso so lange nicht ausgebaut hat. Jn diesem Moment, wo wir endlih durch langes Drängen und Betteln vor dem Ausbau unserer Hochschule stehen, follte die Regierung niht darum handeln, wieviel die Provinz zulegen foll, sondern fich auf einen großzügigen Standpunkt stellen. Wir erfennen an, was bisher der Staat für uns getan hat. Der Minister verlangte dann, wir sollten zu Hause unseren Einfluß auf die Provinzkreise ausüben. Demgegenüber möchte ih bemerken, daß doch auch der Minister seinen Einfluß beim Sine geltend machen follte und das Eisen shmieden, solange es warm ist. Wir wünschen, daß wir im nächsten Etat tavon ein Lebenszeichen finden werden.

Minister der geistlihen und Unterrichtsangelegenheiten D D vou Trottzu Solz:

Da wir beide dieselben Ziele verfolgen, so würden wir, wenn Herr Fürst Salm mir verspriht, meinen Rat zu befolgen und auf Westfalen dabin zu wirken, uns in der Mitte treffen und zu dem von beiden verfolgten Ziele kommen,

Einige Worte möchte ih noch ausführen zu der Rede, die Seine Exzellenz Herr von S1ludt soeben gehalten hat, in der er auch auf die Fraze der Begründung einer Universität in Frankfurt a. !M. ein- gegangen ist. Seine Exzellenz Herr von Studt hat vermißt, daß das Statut, das über die Universität angebli erlassen worden sei, nicht zur Kenntnis dieses hohen Hauses gebracht worden wäre. Meine Herren, dieses Statut ist noch nicht erlassen. Bekanntlich find die Universitätsstatuten von Seiner Majestät dem Könige zu erlassen, und ih habe Seiner Majestät darüber eine Vorlage noch nicht machen können. So weit find die Vorbereitungen für die Begründung der Universität Frankfurt noch nicht gediehen. Wir befinden uns noch in der Arbeit, und es wird auch noch eine nicht geringe Zeit ins Land geben, ehe wir zur Eröffnung der Universität schreiten können. Ich kann Sie aber versichern, daß sh die Aus- führungen, die ich grundsäglih über die Gestaltung der zukünftigen Universität im vorigen Jahre hier gemacht habe, überall in den Be- stimmungen wiederfinden werden, die demnächst für die Universität zu erlassen sind. So wird auch in den Universitätsstatuten eine ent- \spre@ende Bestimmung über das zu begründende Kuratorium enthalten sein. Wir müssen ja für die Universität in Frankfurt gewisse besondere Einrichtungen treffen, weil dort eben besondere Verhältnisse insofern vorliegen, als die Mittel nicht aus ver Staatskasse, sondern aus anderen Qellen fließen. Sonst sollen aber alle grundsäßlichen Be- stimmungen dieselben sein wie bei den übrigen Universitäten. Das Kuratorium wird, wie Exzellenz von Studt ganz rihtig hervorgehoben hat, niht völlig dieselbe Stellung einnehmen können, wie fie der Kurator bei unseren Staatsuniversitäten hat. Das Kuratorium wird hauptsächlich dazu berufen sein, die finanziellen Angelegenheiten der Universität zu verwa!ten. Die müssen verwaltet werden, Gelder müssen eingenommen, müssen ausgegeben und verteilt werden; dazu bedarf es einer Instanz, das wird im wesentlichen das Kura- toriun fein. In den vorläufig paraphierten Bestimmungen der Statuten ist aber kereits vorgesehen, daß an allen Sitzungen des Kuratoriums ein Vertreter des Ministers teilnchmen kann und dort gehört werden muß. Es wird also neben das Kuratorium ein Kom- missar des Ministers treten, der ebenso wie an den anderen Universi- täten der Kurator die Interessen des Ministers, des Staates an Ort und Stelle wahrnimmi.

Ich glaube, daß damit die Anfrage Seiner Exzellenz des Herrn von Studt beantwortet sein wird, indem ich annehme, daß er etne Aufklärung darüber vermißte, wie die Vertretung des Staates, des Ministers an der Universität geregelt sei.

Dr. Freiherr von Landsberg: Ich bezweifle, daß die Provinz Westfalen für die Universität Münster viel erheblihere Mittel wird aufwenden können. Sie hat {on genug andere {were Aufgaben zu erfüllen. Für den Staat liegt bier" direkt eine moralische Pflicht vor. Die Bedeutung der Provinz Westfalen wächst von Tag zu Tag. Dazu kommt, daß die Provinz auch in dieser Frage ihr Entgegen- kommen bewiesen hat.

Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten D: Dr. von -Dxrott zU S olz:

Aus den Ausführungen Seiner Exzellenz des Herrn Freiherrn von Landsberg habe ih entnommen, daß es bei den Beratungen in Münster besonders unangenehm empfunden worden wäre, daß dort nici die Summe bekannt ist, bei deren Bewilligung dur die Provinz mit Sicherheit auf Zustimmung von seiten der Staatsregterung ge- rechnet werden könnte. Ich habe vorhin {on diè Andeutung ge- macht, daß es ih darum handeln würde, eine Mitte eiwa zwischen 500 und 900 000 46 zu finden; und um dem Wunsche des Herrn Freiherrn von Landsberg zu entsprechen, möchte ih sagen, daß, wenn die Provinz besch{lósse, 700 000 46 zu geben, dann wettere Forderungen von seiten des Staats nicht gestellt werden würden.

Herr Dr. Bus z: Als Vertreter der Unkversität Münster danke ich der Regierung dafür, daß sie die Universität Münster ausbauen will. Dabei ist nur betrübend, daß zwischen Regierung und Provinz noch heute ein Cinyernehmen nicht erzielt worden ist. Ich hoffe, daß dieses bei der verhältnismäßig geringen Differenz, um die es sich handelt, bald eintreten wird. So kann au für unsere Universität dieses Jahr ein Jubeljahr werden.

Herr Dr. Hillebrandt: Die große Ueberfüllung unserer Universitäten halte ih für einen der bedenklihsten Uebelstände in unserer kulturellen Entwiklung. Es wurde einmal ausgeführt, daß die große Wohlhabenheit davon die Urdache ist. Für einen kleinen Teil der Studierenden kann man dies wohl annehmen. Abec der größte Teil der Studierenden entstammt nicht den wohlhabenden Kreisen. Davon habe ich mich oft überzeugen können. Also die Wohlhabenheit hat daran nur einen sehr beschränkten Anteil. Jch glaube, einen fehr wesentlihen Anteil an der Ueberfüllung hat die Zulassung der dret verschiedenen Anstalten, des Gymnasiums, des Neal- gymnasiums und der Oberrealshule, zum akademischen Studium. Dagegen kann man ficher nihts einzuwenden haben. Dann kommen noch Standesinteressen hinzu, indem viele das Abiturientenexamen machen, die es gar nit nôtig haben, so Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker. Die Folge ist, daß auch andere junge Leute gezwungen werden, ihr Abiturienteneramen zu machen. Schuld daran ist auch die Forderung der Zivilbehörden. Ein großer Teil verlangt das Primanerzeugnts. Hat nun aber ein junger Mann erît einmal die Unterpcima erreicht, dann geht er gern wetter. Der leßte Punkt ist aber der, daß die Anforderungen, die jeßt für das Abiturientenexamen gestellt werden, viel zu milde sind. Daß dies der Fall i1t, das kommt häufig bei späteren Examina zu Tage. Bei zwei durchgefallenen Neferendaren habe ih die Reifezeugnisse angesehen und fand dort, daß sie keine genügende allgemeine Bildung hatten. Die Prüfungskommissare scheuen fich häufig, das Wort „ungenügend“ auszusycehen und umschreiben es, sodaß häufig der Eindruck erweckt wtrd, als ob die Kenntnisse unter Umständen genügen könnten. Es ist ganz fklar, daß solhe Leute später durhfallen müssen. In dem angezogenen Fall ist aus dem etnen gar nichts und der andere ift ein ganz kleiner Beamter geworden. Dazu hätte dieser eine folche Vorbildung nicht gebrauht. Daß meine Auffassung die richtige ist, das geben militärishe und au Zivilbehörden zu. Der Justiz- minister hat selbst die Aeußerung der Justizprüfungskommission wieder- gegeben, wonach diese, auf viele Beobachtungen gestützt, die Meinung ausfprach, e die Zahl derer gewachsen sei, die für die jurtistishe Laufbahn sich nicht eignen. Ebenso hat auch der FKriegs- minister erklärt, daß fh bei der Durchsicht der auf den Kriegs- schulen gelfisteten Arbeiten häufig Mängel ergeben haben, die man von einem Abiturienten niht hätte erwarten follen. Ein be- sonderer Fehler war es, daß man allmählich die Anforderungen an die grammatikalische Durchbildung herabgemindert hat. Die Scäden, die hier zu Tage treten, hat für Frankreich selbst Professor Poincaré zugegeben und fie auf die Vernachlässigung der jungen Generation in bezug auf grammatikalische Durchbildung zurückgeführt. Wir werden deshalb zum Prinzip der alten Schule zurückkehren müssea, indem man die Grammatik wieder mehr pflegt. Dann wird auch die Auslese viel besser als heute vor sich gehen. Eine Verfügung des Ministers, die Anforderungen in dieser Beziehung herabzuseßen, ist allerdings nicht ergangen. Man \caffte aber zuerst die lateinischen Aufsäge ab und ging dann so weiter vorwärts, Man braucht sich auch nur die jeßigen Grammatiken anzuschen. Der alte selige Zumpt war ein gut gelejenes

Buch, dagegen braucht man sich nur die jeyigen Grammatifeu anzusehen, Diese sind so dünn, daß fic die jungen Leute in die Tasche stecken Eönnen, weil fie si gewissermaßen genieren. So ift es überall, indem man allerlei Auszüge und Speziallexika herausgegeben hat. Alle diese Erleichterungen haben dann dazu geführt, daß die Anforderungen immer mehr herabgeshraubt wurden. Ich halte es auch für ein großes Unglück, wenn man einen jungen Mann zu lange in Ungewißheit darüber hält, cb er sich für das Studium eignet. Die Anforderungen müßten deshalb in allen Klassen gesteigert werden. Man müßte jeden unnasihtlich zurückweisen, der den Anforderungen nicht entspricht. Nur so können die jungen Männer spätere Enttäuschungen ver- meiden. Ich soll früher cinmal geaen die Gleichberehtigung der höheren Schulen gespwochen haben. Ih habe mich nur gegen die Gleichbewertung ausgesproen. Eine folche ist bet den Abiturtenten der einzelnen Schulen meist nicht vorhanden. In \prahliher Be- ziehung, das ift meine Erfahrung, habe ich immer diz Gymnasiasten den Nealgymnasiasten gegenüber im Vorteil gefunden. Ueber die Abiturienten der Obzrreal\h1len habe ih mir noch kein Urteil bilden können. Das möchte ih gegenübec den Ausführungen des Professors Eickhoff hier feststellen. Dec Abg. Liebkneht hat im Abgeordneten- hause gröblihe Angriffe gegen die deutiche Studentenschast gerichtet. Diese muß ih von dieser Stelle aus auf das energishste zurückweisen, wie es ja auch im anderen Hause son geschehen ist. Unfere Sludentenschaft ist königstreu und steht auf nationalem Boden. Das wird hoffentlih immer der Fall sein.

Bei den Ausgaben für die höheren Lehranstalten fommt :

Herr Dr. Soetbeer- Glogau auf die Frage des Ausbaues der Realshule in Glogau zur Oberrealschule zurüd. Das Haus habe eine entsprechende Pctition der Staatsregierung zur Berücksichtigung überwiesen. Man wisse aber nicht, welches Schicklal dieses Petitum gehabt habe. Eine Eingabe dcs Magistrats set leider bis jeßt unbeantwortet geblieben.

Herr Dr. Ha st\e- Thorn: Das Gymnasium in Thorn ist eine alte Anstalt. Jn einem Vertrage hat die Regierung die Verpflichtung übernommen, die Anstalt zu erhalten und zu er- weitern, wenn es erforderlich ist. Bei der Verstaatlichung der Ansialt hat die Gemeinde das größte Entg-genkommen gezeigt. Seit der Ver- staatlihung ist für die Schulräume nichts geschehen. Bei der wachsenden Cinwohnerschaft ist die Anstalt überfüllt, und die Regierung hat Aufnahmebeshränkung angeordnet, unter der Land und Stadt s{hwer zu leiden haben. Die Errichtung einer driîiten neuen Lehranstalr, einer Realschule, die die Negterung empfohlen hat, ist nicht nötig, wenn das Gymnasium und das Reformrealgymnasium qe- nügend ausgebaut werden. Leider soll die Regierung auf dèm Stand- punkr steben, daß sie den Vertrag vollständig erfüllt hat. Ih möchte den Minister dringend bitten, an der früheren Auffassung feszuhalten und den Wünschen der Stadt Thorn und des Lantkreijes Rechnung zu tragen. Das würde die kulturellen Interessen des Ostens fördern. Das Finanzministerium würde sih niht ablehnend verhalten, wenn das Kultusministerium mit Nachdruck für diefe Auffassung eintreten würde; das würde auch den nationalen Interessen zugute kommen. Der Zutritt zu den höheren Lehranstalten darf nicht beschränkt werden, namentlich nicht im Often.

Zum Elementarunterrichtswesen bemerkt

_ Herr von Klißing: Um die Schulunterhaltung den ärmeren Gemeinden zu erleichtern, sind den Kreisen Ergänzungszuschusse über- wiesen worden. Diese sind aber nicht ausreichend. Der Kultusnminister wird mir anworten: ich muß mir Mittel vom ¿Finanzminister er- bitten dur ein neues Gese8. Ich glaube, es wird sich noch irgendwo ein ¿Fonds Jur diejen Zweek finden. Jch spreche hier für einen Kreis, der seine Gemeinden mit 60—80 % belasten mußte, während die umliegenden Kreise nur mit 40 % belastet sind. Der Maßstab ist ungerecht verteilt. Der Minister kann eine gerechtere Verteilung vor- nehmen. Die uns überwiesenen Zuschüsse reichten wohl vor 5 Jahren aus, heute aber nicht mehr. Das kommt daher, daß jeder Regierungs beamte sich bemüßigt fühlt, auf Verbesserungen zu drangen. Vas werden Sie im Osten überall bestätigt finden. (Es werden beinahe unerhörte Forderungen an uns gestellt. Bei Gebäuden, die wir bot kurzem gebaut haben, wird auf einmal verlangt, daß wir die Fenster ändern. Auch in der Höhe der Schulstube werden unberechtigte An forderungen gestellt. Bei uns auf dem Lande mussen die Leute mit niedrigeren Stuben auskommen, da sind Anforderungen nicht nötig, die für cin verpimpeltes Geschleht in der Stadt am Plaße sind. Kommen Sie doch zu uns aufs Land und sehen Sie sich unjere K1n- der an, wie gesund sie sind. Wir brauchen noch keine Brille. Bei Neubauten ist es ja etwas anderes. Man sagt, wir sollen die alten Dorfbilder nicht zerstören. Wer sie zerstort, 1 der Herr Kultus minister. Die neuen Schulgebäude sehen aus, als wenn ciner ein faules Ei oder einen Apfel herangeschmissen hätte, so gelb und blau sehen sie aus. Eine andere Sorte Tintenfässer wird eingeführt. müssen auf einmal 80 neue Tintenfässer kaufen, die alten müsen weggeschmissen werden. Vor solchen Ausgaben sollte uns der Pil nister bewahren.

Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenßeiten D O o Stu Sol: :

Meine Herren! Ich kenne ja tas warme Interesse, das Herr von Kliting für die Volks\Mhule hat, und wenn er hier über die Volks- \hule spriht, so höre ih tmmer sehr aufmerksam zu und merke mir das, was er hier gesagt hat, und gehe auh den Dingen nah. So habe ih es au das leßte Mal getan, es war, glaube ih, voc 2 Jahren, als Herr von Kliving hier von der Tribüne dieses hohen Hauses über Zustände gesprochen hat, die in der Volksschule besiänden und zu tadeln wären. Ich bin der Sache damals nachgegangen, habe aber zu meinem Bedauern nicht feststellen können, daß feine Angaben ¡ul treffend waren (Heiterkeit), es konnte niht zugegeben werden, daß die von ihm behaupteten Mißstände wirklich vorhanden waren.

Was seine heutigen Anführungen anlangt, so hat er sich namenk- lih darüber beschwert, daß die Schulhäuser niht in der richtigen Weise hergestellt, daß ¿zu große Anforderungen gestellt würden, daß namentlich der Geshmack verleßt würde und daß dieser Fehler dem Kultusministerium zur Last fiele. Er wird wissen, daß die Gebäude errihtet werden von den Gemeinden, daß diese einen sehr wesentlichen Einfluß auf die Ausgestaltung der Gebäude haben, und ih würde ihn bitten, bei seinem großen Einfluß doch auf die Gemeinden hinzu- wirken, damit fie solhe häßlihen Gebäude nit errichten, wie er fie beschrieben hat. Im übrigen glaube ih, daß an die Volksschulen im allgemeinen niht zu hohe Anforderungen gestellt werden. Es mag sein, daß im einzelnen Falle zu weit gegangen worden is, nichk aber im allgemeinen. Wenn wir uns z. B.- bestreben, die niedrigen Zimmer allmählih zu beseitigen und sie dur höhere zu erseßen, so ist das doch wohl angebracht. Wenn auh die Bauernstube nicht hoch ist, so ist doch zu bedenken, daß in dieser niht 50 bis 60 Menschen sißen wie in der Schulstube. Darum sind in den Schulen höhere Räume angebraht. Ich glaube allerdings, man soll die Volksshulgebäude niht übertrieben ausstatten, sondern einfach und geschmackvoll, was sich wohl vereinigen läßt. Sollten in einzelnen Fällen übertriebene Forderungen gestellt werden, so bin ich gern bereit, Remedur zu schaffen. Im allgemeinen ift die Angabe des Herrn Vorredners, daß man in dieser Beziehung zu weit

ginge, doch wohl nit zutreffend. (Schluß in der Zweiten Beilage.)

S AMY, E

: (Schluß aus der Ersten Beilage.)

Leider kann ih. Herrn von Klizing für den Kreis Landsberg weitere Mittel nicht in Aussicht stellen, da mir die Fonds hierzu fehlen, Die Mittel sind bekanntli auf die einzelnen Regierungs- bezirke verteilt und von diesen durch die Provinzialbehörden wieder auf die Kretse, sodaß ein Eingreifen des Ministers nicht angängig ist.

| Hiernach glaube ih, daß Herr von Klitzing si dem nit verschließen

wird, daß es mir in der Tat nicht mögli ist, Abhilfe zu schaffen.

Herr von Klißing: Der Minister hat gesagt, ih hätte vor ¿wei Jahren unrichtige Tatsachen mitgeteilt. A E rie dagegen,

| daß der Minister unrecht berichtet worden ist. Ie bitte ihn, mich

zu der Untersuchung zuzuziehen. Ein anderer Kommissar an Ort und Stelle geschickt. gemacht, ohne vom Wagen zu steigen. Falle ein.

D

l inister hat einen Dieser hat die Untersuchung So wird es wohl auch in diesem

__ Herr Dr. Todsen- Flensburg: Auch ih glaube, daß die (Srgänzungszuschüsse Zu gering sind. In Schleswig-Holstein sind die Gemeinden ehr stark belastet, ebenso in andéren Provinzen. Wenn (Femeinden bis zu 200 % allein für Schulzwecke ausgeben, was bleibt dann für andere Zwecke übrig? Es müssen doch wichtige staatliche Juteressèn darunter leiden. Wie können die Gemeinden Schulärzte anstellen, wenn sie so stark überlastet sind? Manche Schulen haben unzureichende Turnhallen oder gar keine. In der Jugendpflege sind viele Gemeinden behindert wegen Mangels an Mitteln. Die Be- lastung mit Volksschullasten muß aufhören. Die Regierung plant cine Aktion zur Abhilfe, die leider zu groß ist, als daß sie in. der näch- sten Zeit ausgeführt werden könnte. Die Budgetkommission des Ab- geordnetenhauses hat einen Antrag gestellt, daß von 1914 ab dex Er- gänzungszuschuß bedeutend erhöht werden solle. Leider hat der Finanz- minister mit Rücksicht auf jenen grben Plan den Zuschuß nach diesem Antrag erhöht. Jch meiné, das Bessere joll niht der Feind des Guten scin. Möge die Regierung schon im nächsten Etat mit einer kräfti- gen Erhöhung des Fonds vorgehen!

__ Herr Dr. Wakldeyer: Der Staat hat die Pflicht, gute und gesundheitsmäßige Wohnungen zu: schaffen. Heute ist von der Sorge sür die Jugend die MNede gewesen. Man hat eine Ausdehnung der Schulzeit empfohlen, von der Verrohung der Jugend gesprochen, aber von den besten Mitteln, dem entgegenzuwixken, ist nicht gesprochen worden. „Not tut ein Bau von Ein- oder Zweifamilienhäusern. In Familien, die ein eigenes Heim besißen, besteht eine Ge Ne e Gesinnung. Die größten Gefahren des Volkes find der Alkoholmiß- brauch, die Tuberkulose und die Geschlechtskrankheiten. Diese drei sind die s{hwerste Ursache für die Schädigung und Herabminderung der Volkskraft, denn sie s{hädigen ntcht das Individuum, fondern das Geschlecht, die ganze Nachkommenschaft. Die Verrohung beruht vielfach auf diefem Grunde. Daher gibt es keine würdigere Sorge für unsere Nation, als die Beseitigung der, Mißstände im Wohnungs- wesen der großen Städte, wo die Menschen miteinander zusammen- gepfercht sind, wo fünf und mehr Menschen, Erwachsene und Kinder, in einem Raum zusammen hausen müssen. Die Säuglingspflege, die Tuberkuloseheilstätten, die Vereine zur Bekämpfüng der Geschlechts- frankheiten, dies find alles sehr löblihe Unternehmungen, aber wenn die Geheilten in die elenden Wohnungen zurückehren, ist die frühere Misere wieder da. Dem Hause und der Staatsregierung empfehle ih diese Anregungen auf das wärmfte; erfreulicherweise geht eine Bewegung dafür durh die Lande; möge sie überall kraftvolle Unter- stüßung finden.

Bei dem Kapitel Wise ncha.f tfommt

Herr Wilms- Posen auf die Frage zurück, ob die Akademie in Posen zur Universität ausgebaut werden sol. Wenn die Megierung dagegen Bedenken habe, so möge wenigstens die Ausgestaltung der Akademie in einer Form in die Wege geleitet werden, die den bei der Gründung maßgebenden Gedanken entspricht. (5s set jeßt ein gewisses laisser faire, laisser aller eingetreten, man habe der Akademie nur wenige Berechtigungen gegeben und die philosophishe Fakultät nicht genügend ausgestaltet. Anläßlich der (Grnennung des Rektors sei dem Senat eine Art Mißtrauensvotum ausgestéllt worden. Ein so bedeutungsvoller Mittelpunkt kultureller Arbeit dürfe nicht solchen Beschränkungen unterliegen.

Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten D. Dr: v-on Trott zw So lz:

Meine Herren! Ich bin durchaus bereit, für die Akademie in Posea alles zu tun, was möglich ist, un: sie zu fördern und dem Zwecke immer mehr zuzuführen, dem sie bestimmt ist. Bedauern würde ih es, wenn in Posen der Eindruck erweckt worden wäre, daß die Negterung für die Akademie nicht mehr dasfelbe täte, was sie früher getan hat. Es besteht. durchaus die Absicht, die Akademie zu fördern, was ih ausdrüdlih hiermit betonen möchte. Wenn in den statutarishen Bestimmungen der Akademie jüngst eine Veränderung vorgenommen ist, so ist damit durchaus nicht ein Uebelwollen für die Akademie beabsichtigt oder verbunden gewejen. Die Form, in der in Zukunft die Rektorwahl an- der Akademie in Posen stattfinden foll, entspricht der Form, die für unsere technishen Hochs{chulen, abgesehen von der Berliner, gilt. Daraus allein {hon dürfte hervorgehen, daß irgend eine Kränkung für die Akademiein Posen mit dieserAënderung nicht verbunden ist. Die Aenderung ist bei Gelegenheit: einer aus anderem- Grunde. erfor- derlih gewordenen Abänderung der Statuten vorgenommen worden. Diese Gelegenheit hat man gerade deshalb wahrgenommen, weil es sich in demsMomente nicht um die Bestätigung eines Rektors handelte, sodaß also irgend welche persönlihen Beziehungen: dabei nit in Be- traht kamen. Die neue Bestimmung geht bekanntlid dahin, daß- die Akademie drei Persönlichkeiten vorzuschlagen hat, von denen der Minister eine zum Rektor bestimmt. Als Grund dieser Veränderung möchte ih angeben, daß: das. Lehrerkollegium. an- der Akademie, wie es in der Natur der Sache ja nicht anders sein kann, ‘verschiedenartig ¡usammengeseßt ist. Die Herren, die die Verhältnisse näher kennen, wissen, daß dort die Lehrer zum Teil im Hauptamt, zum Teil im Neben- amt tätig find. Das und der ganze Zweck der Akademie macht es für den Minister wüns{henswert, einen größeren Einfluß auf die Wahl des Rektors ausüben zu können, als es bisher der Fall war. Diesen Einfluß auszuüben im Wege -einer versagten: Bestätigung ist immer - recht mißlih, und- ih glaube, es dient- gerade dem Interesse der Akademie, daß es vermieden wird, einen solhen Weg eventuell betreten zu müssen.

_ Was endlich die von dem Herrn Vorredner berührte Frage der

Ausgestaltung der Akademie in eine Universität anlangt, so ist die Staatsregierung mit diesem Gedanken überhaupt bisher noch nicht beschäftigt gewesen. Es hat au bisher ein Antrag bon irgend elner

„KUNs wud

Cs V.

S ei lage

) ittwoch, den 30. April

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‘Stelle an die Staatsregierung nicht vorgelegen. Diese Frage ift hier

noh nach keiner Richtung hin behandelt worden.

Herr Dr: Hlleb randt: Im Extraordinarium befinden sich zwei Forderungen, auf die ih Ihre befondere Aufmerksamkeit lenken möchte, nämlich die sechste Nate von 2 Millionen zu Erweiterungs- und Neubauten der Berliner Museen und die Position von 500-000 46, erste Nate, zum Neubau eines Asiatischen Museums in Dahlem. Das Gebäude in Dahlem wird eine ganze: Reihe solher Museumsbauten in Dahlem einleiten. Zunächst soll das Asiatishe Museum dorthin kommen, Es handelt fich bor allem um die Funde in Turkestan. Drei Gelehrte ersten Ranges, die Fahmänner Grünwedel, Lecocq und Müller, haben diese innerasiatishen Gebiete zum Teil unter Ge- fahr ihres Lebens durchfórs{t und da Erwerbungen von solcher Be- deutsamkeit gemacht, wie es wohl noch niemgls vorgekommen ist; fie haben geradezu eine neue Literatur entdeckt und eine ganz neue Welt Licblofen und den Zusammenhang der griechischen Kultur mit dem s Osten nachgewiesen. Zu wünschen bleibt nur, daß dieser Zweig er asiatishen Kultur in dem Museum nicht allzusehr in den Vorder- grund tritt, sondern daß auch die anderen Zweige gleichmäßig berüdk- sichtigt werden.

Hierauf folgt die Besprechung des Etats des Mini- steriumsdes Jnnern.

Referent ist Herr von-Becke r.

Herr Wermuth- Berlin: Jh bitte den Minister, seinen Einfluß dahin geltend zu machen, daß dem Hause ein JIrrengeseß möglichst bald vorgelegt wird. Die Fürsorge für Reléiigehr liche Geisteskranke muß dem. Staat obliegen Dieser Wunsch liegt einer Fon der Stadt Berlin zugrunde, die im Abgeordneten- hause der, Regierung zur Berücksichtigung überwiesen worden ist. Die Sache ist schon im Landtage besprochen worden. Es wäre wirklih an_ der Zeit, der Frage jeßt nähexzutreten, denn. hier wird die öffent- liche Sicherheit R E stark in Mitleidenschaft gezogen. In Buch bei Berlin sind. im vorigen Jahre nicht weniger als dret irre Verbrecher ausgebrochen. Die“ Irrenänstalten, namentlih die der Stadt Berlin, sind so gut eingerichtet, wie sie nur eingerichtet sein können, aber jie Tönnen nicht fo eingerichtet fein, um s{chwere, raffi- nierte Verbrecher genügend zu bewachen. Sie können die nötigen Vor- kehrungen nicht treffen, um fo gefährliche Verbrecher festzuhalten. Die Irrenanstalten sollen nicht Anstalten polizeilicher Art, sondern sozialer Axt: sein. Wer den polizeilichen Charakter hineintreibt, gefährdet den sozialen Charakter dieser Anstalten. Sie sind au keine Besserungs- anstalten. Nach der neueren. Praxis über die Ministerverfügung hat sich- eine Befugnis der Polizei eingebürgert, die Personen, die sich be- merkbar gemacht haben durh Trunksucht, Queruliererei, Bettelei usw., als. gemeingefährliche Kranke in Jrrenanstalten unterzubringen. Haben wix es doch erlebt, daß das Gutachten. eines Schußmannes das Gut- achten eines Psychiaters überwog. Nicht nur die allgemeine, sondern auch die tndividuale Sicherheit erfordert den Erlaß eines Jrren- geseßes. i

Minister des Jnunern Dr. von Dallwißt:

Meine Herren! Der Erlaß eines Jrrengeseßes, welches die Sicherheit des Individuums in- höherem- Maße sicherstellt als es jeßt der Fall ist, ist wohl in Erwägung. zu ziehen, und meinerseits würde ih bereit sein, einem derartigen Geseze Förderung angedeihen zu lassen. Die andere Frage, ‘ob es zweckmäßig ist, die Irren in zwei getrennten Arten von Anstaltèn unterzubringen, sodaß ein Teil in Staats- anstalten, ein anderer Teil in Provinzialanstalten untergebracht wird, ist schon früher Gegenstand der Grörterung in diesem hohen. Haufe gewesen. Ich entsinne mich, daß einer meiner Herren Amtsvorgänger sh im Jahre 1907 sehr lebhaft gegen diesen Wunsch gewendet hat, und zwar aus Gründen, denen eine Berechtigung nicht wohl wird abgesprochen werden können. Ih möchte wiederholt darauf hinweisen, daß: es außerordentlih {wer sein wird, die beiden Kategorien derart zu trennen, daß. ohne Schwierigkeiten ein- Teil den staatlichen An- stalten, der andere Teil den Provinzialanstalten überwiesen werden kann; denn es handelt fich um sogenannte irre Verbrecher, die den Staatsanstalten überwiesen werden follen, also um Leute, die Ver- brechen begangen haben, aber geisteskrank sind, und. um ver- breherishe Irre, d. h. um Geisteskranke mit verbrecherischen An- lagen, die aber. bestimmte Verbrewen noch nicht begangen haben, mit dem Strafgeseß noch nicht in Konflikt gekommen sind. Die letzteren, die an sich die gefährliheren sind, würden immer den Provinzen verbleiben müssen ; denn solange fie fih nit strafbar ge- macht haben, find ihre strafbaren Neigungen noch nicht so offen in die Erscheinung getreten, daß man. sie den. irren, Verbrechern zureWnen und den Staatsanstalten überweisen kann. Es würden sich mithin außerordentlihe Schwterigkeiten ergeben, eine Tren- nung einerseits derjenigen Irren herbetzuführen, die den Staats- anstalten, und andererseits derjenigen, die den Provinzial- anstalten überwiesen werden sollen. Jedenfalls würde fih aus dieser Zweiteilung eine ganz. außerordentliche Erhöhung der Gefamtkosten ergeben, die jeßt, solange das ganze Irrenwesen ein- heitlih gehandhabt wird, zweifellos geringer find, als es der Fall sein würde, wenn die Irren in getrennter Weise untergebracht werden.

Nun waren früher Zweifel darüber entstanden, ob überhaupt eine Verpflichtung der Provinzen vorliege, irxe Verbrecher in Irrenanstalten aufzunehmen. Diese Zweifel find beseitigt worden durch die Nechtsprehung des Oberverwaltungsgerihts, das namentlich in einem Erkenntnis aus dem Jahre 1905 ganz einwandfrei ‘dargelegt hat, daß die rechtliche Verpflichtung zur Unterbringung ter irren Verbrecher den Provinzen obliege. Es find seitdem von den meisten Provinzialverbänden besondere Anstalten oder befondere Abteilungen für gefährliche Irre eingerihtet und mit der- artigen Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet worden, daß eine Be- fürtung für die allgemeine Sicherheit jeßt, wenn. überhaupt noch, nux in sehr geringem ‘Maße vorhanden sein dürfte. Die Zahl dieser Anstalten ift augenblicklich auch noch in der Zunahme begriffen. Vor zwei Jahren waren bereits 17 besondere Anstalten oder besondere Abteilungen für irre Verbrecher eingerichtet, welche mit allen erforderlihen Sicherheitsvorkehrungen versehen waren.

Ein letztes Argument aber ist auch nicht vollkommen von der Hand zu weisen, das gegen den Wunsch des Herrn Oberbürger- meisters spriht. Es besteht darin, daß“ eine gewisse Härte für die Geisteskranken, die Verbrehen begangen haben, darin enthalten sein würde, wenn man fie staatlichzn Anstalten überweist, die ledigli den Zweck haben, sie als Verbreher in möglichst sicherem Ecwahrsau zu haltcn, die aber nicht. mitdem Apparat: ver-

gli Preußis hen Staatsanzeiger.

‘anstalten überweisen wollte.

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sehen sein können, der für die eventuelle Heilung und angemessene Pflege dieser Kranken erforderlich ist. Denn wenn auch Verbrechen begangen worden find, wird man doch in den Fällen, wo die Ursache des Verbrechens. in der geistigen Beschaffenheit des Individuums liegt, nicht darauf verzichten können und wollen, eine - möglie Heilung herbeizuführen. Das würde aber nit ges{hehen in dem Augenblick, wo man dîé irren. Verbreher ausnahmslos gefängnisartigen Stagts- Aus diesen Gründen glaube ih, daß die zweite Anregung, die Seine Exzellenz der Herr Oberbürgermeisler von Berlin eben gegeben hat, do einer sehr genauen Prüfung wird unter- zogen werden müssen und daß wir niht ohne weiteres die Unter- stüßung. dieses. Wunsches in Ausfiht nehmen können.

Herr Wermuth: Es i mit Freuden zu begrüßen, daß der Minister ein Jrrengeseß in Aussicht stellt. Dabei werden ja dann au die Jrrenverwaltungëèn mitsprechen können. Das Reichsamt für das Heimatwesen nimmt cinen entgegengefeßzten Standpunkt wie das Oberverwaltungsgeriht ein und hat sich für das Urteil nicht gerade shmeicelbaft ausgesprochen. Jn unseren Anstalten kann die Aussicht nâtürlih nicht fo streng gebandhabt werden, da es an dem nötigen Gefängnispersonal fehlt. Aber hierbei \vtelt nit die Kostenfrage, sondern die öffentlihe Sicherheit eine Wolle. Die zweite Kategorie müßte überbaupt niht in Irrenhäusern unter- gebracht werden. Es gibt eine Reihe dieser Kranken, wo die Grenze zwischen der Läsfigkeit und der harm!osen Betätigung der einzelnen schwer zu ziehen ist. Hier der Polizet allzu großen Spielraum zu lassen, dürfte recht bedenklich fein.

Graf vonMirbacch: Ich möchte zuerst dem Minister dafür danken, daß er am 15. April ‘die Kompetenzen zwischen Landtag und Reichstag so. eindruckévoll’ festgestellt hat. Als es sich im Jakbre 1906 um die Aènderung der Neichsskeuer handelte, trat ih für Beibehaltung der Grund- und Gebäudesteuer ein. Seitdem haben fich Bestrebungen geltend gémacht, die immer mehr für die Besteuerung nach dem ge- meinen Wert cintreten, Das sind die fog. Bodenreformer. Diesen kann man. niht scharf genug entgegentreten. Denn diese Besteuerung wirkt geradezu bodenfeindlich.

Minister des- Jnnern Dr. von Dallwißtß:

Die Frage der kommunalen Besteuerung- landwirtshaftlicher und forstwirtschaftliher Grundstücke wird. bei der in Ausficht genommenen MNevision des Kommunalabgabengeseßes näher erörtert werden: können und. ich: kaun zusagen, daß im allgemetnen dabei au die von dem Herrn Vorredner vorgebrahten Gesichtspunkte und Erwägungen Be- rüdfihtigung finden werden.

Dr. Freiherr von Thielmann: Ih möchte den Minister bitten, den ihm nachgeordneten Behörden den Erlaß des Staats- zinifteriums bon 1897 cinzushärfen, in dem in danktenswerter Weise eine Vereinfachung, des Titulaturwesens empfohlen wurde. Leider wird von den Behörden gegen diesen Erlaß verstoßen.

Herr von. Buch - Carmzow: Die Statuten der öffentlichen Feuersoziectätzn bedürfen der Bestätigung der Aufsichtsbehörden. Diese sind uun in einem Falle von: etner Auffassung ausgegangen, die den Absichten des Gesetgebers nicht entspricht. Sie haben Statuten nicht genehmigt, wenn die Reserve 2 pro Mille überstieg. Der Branden- buxgische Provinziallandtag hat neuerdings. die Grenze auf 3 pro Mille festgesezt, auch dieser Beschluß hat nit die Genehmigung der Aufsichtsbehörde gefunden. Daß man uns in diefer Beziehung Schwierigkeiten macht, ist ein großer Fehler. Die Feuerversicherungs- gesell\haften find in erster Unie dazu bestimmt, die Sicherheit für die Gntschädigung bei Bränden zu bieten. Wir wollen ni{t in die Lage kommen, die Versicherungsbeiträge zu erhöhen, weil die Reserven nicht ausreichen. ;

Minister des Jnnern Dr. von Dallwißt:

Ich stimme dem Herrn Vorredner darin vollkommen bei, daß ein hoher Reservefonds für die Feuerfczietäten durchaus erstrebenswert ift, und ih gebe mich auch der Erwartung hin, daß. es tem Provtnzial- landtag gelingen wird, einen höheren Reservefonds als 2 pro Mille auch- dann anzusammeln, wenn die Mindestgrenze auf diese Höhe be- schränkt ist. Die Schwierigkeit, das Dilemma, in dem fich die Staat®- regierung gegenüber den Anträgen des Provinzialläandtages befinden, berußt darin, daß. 15+ des. Gesetzes, der die Genehmigung der Saßungen der Aufsichtsbehörde zuweist;, die Festseßung elies Mindest- betrages des Reservefonds verlangt, während gleichzeitig in dem § 20 des Gesetzes die Bestimmung. getroffen ist, daß erst von dem Moment ab, wo die Mindestgrenze des Reservefonds erreicht ist, die Ver- pflihtung der Feuersozietät eintritt, für das Feuerlö\{h- wesen Aufwendungen zu machen. Also die Verpflichtung der Feuerfozietät, für das Feuerlöshwesen Aufwendung zu magen, tritt erst ein, sobald die in der Gesetzgebung festgeseßte Mindestgrenze erreiht ist. JInfolgedessen liegt für die Ausführung des Gesetzes die Notwendigkeit vor, darauf zu halten, daß die Mindestgrenze nicht zu hoch festgeseßt wird, damit die Verpflichtung der Feuerfozietäten, Beiträge für tas Feuerlöfhwesen oder für die Feuersiherheit im allgemeinen zu leisten, nicht illuforisch wird. Darum ift nach Benehmen mit dem Kaiserlichen Auffichtsamt für Privatversicherungen, die Mindestgrenze auf. 2 pro Mille normiert worden, weil von dieser doch teGnisch gut unterrichteten Seite ein derartiger Reservéfonds als Mindesisicherheit für vollfommen ausreihend bezeihnet wurde. Tatfächlih hat bei der Landfeuersozietät der Provinz Brandenburg die Höhe des Versiche- rungsbestandes im Jahre 1909 insgefamt 1672 Millionen betragen; davon 2 ‘pro Mille als Neservefonds würde 3 344 000 4 ergeben. Der damalige Reservefonds erreichte diese Höhe noch lange ni@t. Er betrug nah der Saßung- nur 600 000 4 und die gesamten Reserven der Anstalt, einshlteßlich dieses. kleinen Reservefonds, beliefen sich auf 3-100 000 „#6, also noch 200 000 4 niedriger als 2 pro Mille des Versicherungsbestandes. Andererseits war der höchste Jahresbrand- schaden in den leßten 10 Jahren vor 1909 nur fo hoch, daß er auch durch den auf 2 pro Mille festgeseßten Mindestbetrag des Reserve- fonds ohne Hinzurehnung der Jahresprämien voll hätte Deckung finden können. Nun liegt es mir fein, irgendwie anzuzweifeln, daß der brandenburgishe Provinziallandtag auch dann, wenn die Mindest« grenze höher normiert wäre, davon absehen würde, feinerseits zu- gunsten des Feuerlöf{chwesens Aufwendung zu machen. Herr von Buch hat die Güte gehabt mitzuteilen, daß der Provinzial- landtag erheblihe- Aufwendungen gemalt hat, und ih bin fest über zeugt, daß dies aud geschebßen wäre, wenn die Grenze auf 3 pro Mille

festgeseyt werde. Ju dieser Beziehung handelt es sich aber um eine