1913 / 112 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 14 May 1913 18:00:01 GMT) scan diff

Jta N e

Finanzministerium.

Bekanntmachung.

Bei. dem Stempel- und Erbschaftssteueramt hierselbst bestehen seit dem 1. April 1913 zwölf Abteilungen. Das Amt führt von da ab die Bezeichnung:

Königliches Stempel- und Erbschaftssteueramt Abteilung I, Il usw. bis XII l und umfaßt mit seinem Geschäftsbezirk die Provinz Brandenburg.

Berlin, den 30. April 1918.

Der ana ariter:

R 2 öhler.

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. Die Oberförsterstelle Katholish - Hammer im Regierungsbezirk Breslau ist zum 1. Juli 1913 zu beseßen. Bewerbungen müssen bis zum 25. Mai d. J. citaten

Promotionsordnung

für die Erteilung der Würde eines doctor me dicinae veterlinarlae

durch die Königliche Tierärztliche Hochschule in Hannover.

Jn Ausführung des Allerhöchsten Erlasses vom 5. Sep- tember 1910 (Geseßsamml. S. 292) über das Recht der Tier- ärztlihen Hochschulen, die Würde eines doctor medicinae vyeterinariae (abgefürzte Schreibweise: Dr. med. vet.) zu ver- leihen, wird unter Aufhebung der Promotionsordnung vom 29. Oktober 1910 für die Königliche Tierärztliche Hoch- A in Hannover nachstehende Promotionsordnung estgeseßt: ;

Die Promotion zum doctor medicinae veterinariae (Dr. med. wet.) dur die Königliche Tierärztlihe Hochshule zu Hannover ist an folgente vom E:werber zu erfüllende Bedingungen geknüpft :

1) die Beibringung des Reifezeugnisses eines deutshen Gym- nasiums oder Realgymnasiums oder einer deutshen Ober- realshule. i:

Die Zulassung auf Grund des Neifezeugnisses einer aus- ländishen höheren Lehranstalt bedarf der Genehmigung des Ministers;

2) den Ausweis über die Grlangung der Approbation als Tier- arzt für das Deutsche Neich oder bei Ausländern den Aus- weis über das Bestehen der für die Erlangung der Appro- bation vorgeschriebenen Fachprüfung an einer deutschen Tierärztlihen Hochschule oder an einer veterinärmediztinischen Fakultät (Fakultätsabteilung) einer deutshen Universität;

3) die Einreichung einer in deutscher Sprache abgefaßten wissenschaftlichen Abhandlung (Dissertation), die einem Zweige der tierär;tlichen Wissenschaft angebört und die Befähigung des Bewerbers zum selbständigen wissenshaft- lichen Arbeiten dartut;

4) die Ablegung einer mündlihen Prüfung:

5) die Entrichtung einer Prüfungsgebühr von 300 H, bei Ausländern von 500 .

S 2 Das Gesuch um Verleihung der Doktorwürde ist \chriftlich an den Rektor und das Professorenkollegium der Tierärztlichen Hochschule ¿u Hannover zu richten. Dem Gesuche sind betzufügen :

1) ein Abriß des Lebens- und Bildungsganges des Bewerbers ;

2) die Schriftstücke in Urschrift, durch die der Nachweis der Erfüllung der in § 1 Zff. 1 und 2 genannten Bedingungen erbracht wird ;

3) die Dissertation mit der eigenhändig geschriebenen und unter- schriebenen Erklärung des Bewerbers, daß er sie, abgesehen von den von ihm zu bezeihnenden Hilfsmitteln, selbständig verfaßt habe, ferner mit einer gleichen Erklärung darüber, ob er die Dissertation in einer wissenschaftlichen Anstalt und in welcher er fie ausgearbeitet, sowie ob und wo er sie bereits für etne Prüfung oder Promotion oder für einen ähnlichen Zweck zur Beurteilung eingereiht hat;

4) ein amtlihes Führung8zeugnis.

__ Gleichzeitig ist die Hälfte der Prüfungsgebühr an die Kasse der Hochschule zu entrichten.

S B.

Der Rektor überweist das Gesuch, falls sich keine Bedenken er- geben, cinem Referenten, der das Lehrfach vertreten muß, in das der în der Difssertation behandelte Gegenstand aus\chlteßlich oder vorzugs- weise fällt, zur shriftlihen Begutachtung.

E 8 4,

Die Difsertation und das von dem Referenten erstattete be- gründete Gutachten sind bei sämtlihen Mitgliedern des Professoren- Tollegiums in Umlauf zu seßen. Hierauf entscheidet das Professoren- Tollegium in einer Sizung über die Annahme der Dissertation und Sestimmt bei günstigem Ausfalle die Zeit der mündlichen Prüfung.

_Der Restbetrag der Prüfungsgebühr ist vor der mündlihen Prüfung zu entrichten.

S H,

Die mündliche Prüfung erstreckt sich auf drei Prüfungsfächer, die der Bewerber aus den an der Hochschule dur Professoren im Haupt- amt vertretenen Lhrfächern zu wäblen hat.

Sie wird unter Vorsiß des Rektors vor einer Prüfungskommission abgelegt, die aus drei Mitgliedern des Professorenkollegiums besteht und der in der Regel der Neferent für die Differtation sowie Lehrer der gewählten Prüfungsfächer angehören sollen.

Zu der mündlihen Prüfung sind die an der Prüfung nicht be- teiligten Mitglieder des Professorenkollegiums und die sonst mit Ab- As von Vorlesungen an der Hochschule betrauten Lehrer ein- zuladen.

‘Außerdem hat jeder Lehrer einer deutschen Tierärztlihen Hoch- schule oder veterinärmedizintschen Fafultät oder Fakultätsabteilung einer deutshen Universität zu der Prüfung Zutritt.

8 6.

Nach beendeter mündliher Prüfung entscheidet die Prüfungs- Tomm'ssfion über deren Ausfall und unter Berücksichtigung der Be- urteilung der Difsertation 4) darüber, ob und mit welchem der drei Urteile: -

„Bestanden“

„Gut bestanden“ . „Mit Auszeichnung bestanden“ die Gesamtprüfung als bestanden zu erklären ift.

S T

Der Beschluß der Prüfungskommission wird dem Bewerber durch den Rektor mitgeteilt. Das Dofktordiplom wird ihm jedoch erft auêégebändigt, nachdem er 200 Abdrucke der als Dissertation an- erkannten Schrift bei dem Rekior eingereiht bat. Vor der Aus- bändigung des Diploms hat der Bewerber niht das Recht, sich Doktor zu nennen.

Die einzereihten Abdrucke müfsen ein besonderes Titelblatt haben, auf dem tie Abhandlung ausdrücklich als von der Tierärzt- lihen Hobshu!e zu Hannover zur Erlangung der Würde eines doctor medicinae veterinariae genehmigte Disfsertation bezeihnet und auf dessen Nükseite der Name des Referenten angegeben ist.

Zu dem Titelblatt bat der Rektor die Druckgenehmigung zu er-

ter VeröffentliGung Aenderungen des Textes der Dissertation vorge- nommen werden.

& 8.

Das Doktordiplom wird nach dem untenstehend angegebenen Muster vom Rektor und dem Profefsorenkollegium ausgestellt und vom Retor eigenhändig unterzeihnet. Ein Abdruck des Diploms wird vierzehn Tage lang am s{hwarzen Brette der Hohschule ausgehängt.

Die Vor- und Manon, der Geburtsort und der derzeitige Wohnort der neu ernannten Doktoren werden halbjährlich im „Neichs- anzeiger“ veröffentliht. Eine für denselben Zeitraum aufzustellende Liste ist dem Minister einzureichen.

8 9.

Die Hälfte der Prüfungsgebühren wird nach Abzug der er- wachsenen sächlichen und Verwaltungskosten zu einer Kasse für allge- meine Zwedcke der Hohschulè vereinnahmt, die andere Hälfte wird unter die Mitglieder des Professorenkollegiums verteilt.

Ueber die für die Verwendung und Verteilung maßgebenden Grundsäße wird von dem Minister eine Anweisung erlassen.

8 10.

Bedürftigen und besonders würdigen Bewerbern kann die Prü- fungsgebühr ganz oder teilweise vom Profefsorenkollegium erlassen werden. 8 11

Von der Abweisung eines Bewerbers oder dem Nichtbestehen der Prüfung ist sämtlihen deutschen Tierärztlihen Hochschulen und vete- rinärmedizinishen Fakultäten (Fakultätsabteilungen) deutsher Univer- fitäten Mitteilung zu machen. y

Eine abermalige Bewerbung oder Prüfung is nur einmal und zwar bei Nichtannahme der Dissertation nah einem Jahr, bei Nicht- bestehen der Prüfung nah Ablauf von sechs8 Monaten zulässig. Dies gilt au, wenn die erste erfolglose Bewerbung oder Prüfung an einer anderen deutschen Tierärztlihhen Hohs{ule oder veterinärmedizinischen E O R) einer deutshen Universität stattge- unden hat.

War die erste Bewerbung an derselben Hochschule erfolgt und nach Annahme der Dissertation die mündlihe Prüfung niht be- standen, so t nur di:se Prüfung zu wiederholen und nur die Hälfte der Prüfungs8gebühr nochmals zu entrichten.

S 12

In Anerkennung hervorragender Verdienste um die Förderung der Veterinärwissenshaft kann auf einstimmigen Beschluß des Pro- fessorenkollegiums unter Benachrichtigung der übrigen deutschen Tier- ärztlichen Hochschulen und veterinärmedizinishen Fakultäten (Fakultäts- abteilungen) deutscher Universitäten die Würde eines doctor medi- cinae veterinariae (Dr. med. vet.) ebhrenhalber als feltene Aus- nahme verliehen werden; bet der Verleihung an Ausländer ist die Genehmigung des Ministers erforderlich.

Berlin, den 7. Mai 1913.

Der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. A D: Ute:

Muster für das Doktordiplom. Die Königliche Tierärztlihe Hochschule zu Hannover verleiht UNTCT Det UICLIDIAIE D E

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dur diese Urkunde dem approbierten Tierarzte *)

die Würde eines doctor medicinae veterinariae, nahdem er im Le Promotionsverfahren unter Mitwirkung des Ne- ‘41411 1 E E durch seine Dissertation , E C Ri !somje durch die vorgenommene mündlihe Pcúfung feine wissenschaft- liche Befähigung erwiesen und hierbei das Urteil S bestanden“ erlangt hat.

(L. 8) Rektor und Profefsorenkollegium der Königlichen Tierärztlihen Hohshule Hannover. (Unterschrift.)

___*) Bei Ausländern, die niht als Tierarzt für Deutschland appro- biert sind (vergl. § 1 Ziff. 2 der Promotionsordnung), entsprehend abzuändern.

Angekommen: ___ Seine Exzellenz der Staatsminister und Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow vom Urlaub: Seine Exzellenz der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco vom Urlaub.

Nichtamtlicßes. Deutsches Nei ch.

Preußen. Berlin, 14. Mai 1913.

Seine Majestät der Kaiser und König nahmen heute im Neuen Palais bei Potsdam den Vortrag des Chefs des Zivilkabinetts, Wirklichen Geheimen Rates von Valentini entgegen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind am 10. Mai S. M. S. „Goeben“ mit dem Chef der Mittelmeerdivision in Alexandrette, S. M. S. „Nürnberg“ mit dem Chef des Kreuzergeshwaders in Hankau, S. M. S. „Jaguar“ in Hankau und S. M. S. „Tiger“ in Tschimulpo, am 12. Mai S. M. S. „Emden“ in Tschimulpo eingetroffen.

Heffen. Seine Königlihe Hoheit der Prinz-Regent Ludwig von Bayern und Gemahlin trafen gestern nach- mittag von Speyer auf dem Ls fe in Darmstadt ein, wo ein großer militärisher Empfang stattfand. Anwesend waren Jhre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin, die Spigen der staatlichen und städtishen Behörden, die Generalität und die hohen Offi- ziere der Garnison sowie die obersten Hofhargen. Nach der Begrüßung schritten Jhre Königlichen Hoheiten der Prinz - Regent und der Großherzog die Front der Ehren- kompagnie ab, worauf sih die hohen Herrschaften nah dem Residenzschlosse begaben. Abends fand daselbst zu Ehren Jhrer Königlichen Hoheiten des Prinz - Regenten und

teilen, au kann ec auf Antrag des Referenten verlangen, daß vor

Königliche Hoheit der Großherzog in einem Trinkspruch seine hohen Gäste begrüßte und die verwandtschaftlihen und S lihen Beziehungen zwischen den beiden Häusern ervorhob. Seine Königliche Hoheit der Prinz-Regent dankte und gedachte gleichfalls der freundnahbarlihen Beziehungen zwischen beiden Ländern und Fürstenhäusern.

Oefterreich-Ungarn.

Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Jagow ist heute früh in Wien eingetroffen.

Der „Budapester Korrespondenz“ zufolge findet heute eine gemeinsame Ministerkonferenz statt, die über die mit Rücksicht auf die gegenwärtige Lage ermöglihte Verringerung der augenblicklih erhöhten Truppenbestände und die in dieser Beziehung zu treffenden Verfügungen beraten wird.

Der frühere Finanzminister Kor ytowski ist, wie die „Polnischen Nachrichten“ melden, zum Statthalter von Galizien an Stelle des zurückgetretenen Statthalters Bobrzynski ernannt worden. Aus Anlaß der Lösung der Statt- halterfrage ist im Ministerium für Galizien eine Krise aus- gebrochen. Der Minister für Galizien von Dlugo098sz hat seine Demission überreihi. Als Anlaß der Demission wird der Umstand angegeben, daß bei den vorbereitenden Verhandlunzen über die Lösung der Personalfrage in der Statthalterkrise der Minister für Galizien nicht in einer seiner Stellung entsprechenden Weise zu Rat gezogen worden sei.

Großbritannien und Frland.

Wie das „Reutershe Bureau“ erfährt, hat der bulgarische Gesandte in London gestern früh telegraphishe Jnstruktionen erhalten, den Präliminarfrieden zu unterzeihnen. Die griechishen und serbischen Bevollmächtigten hatten bis zum Nachmittag noch keine Instruktionen erhalten. Dies bedeutet indessen keine Meinungsverschiedenheit. Die Mehrzahl der Frie- densbevollmächtigten befindet sih bereits in London, und man erwartet in den nächsten Tagen eine formelle Sißung der Vertreter aller friegführenden Balkanstaaten, in der der Friede unter- zeichnet werden A Obgleich das Dokument, das die Dele- gierten unterzeihnen werden, offiziell als Präliminarfrieden be- zeichnet wird, bedeutet es doch tatsählich das Ende des Krieges. Man gibt ihm diese Bezeihnung nur aus dem Grunde, weil er in bezug auf Albanien und die Aegäischen Jnseln im Zu- sammenhang mit den Entscheidungen der Mächte und auch mit den Beschlüssen der technishen Kommission in Paris be- trachtet werden muß. Alles das wird in den Vertrag auf- genommen werden, der nah der Ratifikation durch die Mächte den Berliner Vertrag erseßen wird. Die Botschaftervereinigung wird ihre Sißungen in London während der Beratungen der Kommission in Paris fortsegen und von den Beschlüssen der Kommission und der Delegiertenversammlung Kenntnis nehmen.

Frankreich.

Der Senator und ehemalige Minister Milliès-Lacroir gibt in seinem Bericht über das Kriegsbudget nah einer Meldung des „W. T. B.“ die Ziffern der Effektivstärke mit 592438 an. Darunter befinden sich 29 923 Offiziere. Von der Gesamtzahl entfallen 517 691 auf Frankreich, 56 686 auf Algerien und 18061 auf Tunis. Die Zahl der gegen- wärtig in Marokko stehenden Truppen beträgt, abgesehen von den eingeborenen Hilfstruppen, 63 804, darunter 1542 Offiziere. Die Kosten, mit welchen die militärishen Unternehmungen in Marokko das Budget des laufenden Jahres belasten, ver- anschlagt Milliès-Lacroix auf 160 Millionen.

Der Heeresausschuß der Kammer hat sich für die Vorlage, betreffend die Forderung von 420 Millionen für die nationale Verteidigung, ausgesprochen.

Der Budgetaus\chuß der Kammer lehnte gestern, obiger Quelle zufolge, nah längerer Erörterung den Antrag Piou auf Aufhebung der Spielkasinos mit neun gegen acht Stimmen ab und nahm einen von dem Minister des Jnnern Kloß gemachten Vorschlag an, wonach Konzessionen zur Er- rihtung von Spielkasinos in Zukunft nur den geseßlich anerkannten Kurorten auf eine Höchstdauer von fünf Aalen erteilt und die gegenwärtig bestehenden Konzessionen einer Revision unterzogen werden sollen.

Rußland.

__ Die Gesamteinnahmen des Budgets für 1913 betragen, wie „W. T. B.“ meldet, nah den Beschlüssen der Budget- kommission 3233298006 Rubel, die Gesamtausgaben 3218 235371 Rubel. Das Budget weist somit einen Üeber- {uß von 15 062 635 Rubel auf, der zur Verbesserung des Staatsbahnwesens verwandt werden soll.

Dänemark.

Gestern vormittag ist die elfte Jnternationale See- rehtsfonferenz in Kopenhagen eröffnet worden. Die erste Sizung, der 150 Delegierte beiwohnten, wurde dur den vor- läufigen Präsidenten der Konferenz, Landthingspräsidenten Dr. Goos eingeleitet. Außerdem hielten der Handelsminister Muus, der Präsident des dänischen See- und Handelsgerichts Koch und der Belgier de Jeune Begrüßungsansprachen. Die Delegierten sämtlicher vertretenen Nationen dankten für den Willkommensgruß, worauf die Konferenz sih mit dem Gerichts- präsidenten Koch als Vorsißenden konstituierte. Nach kurzem Bericht über die Komiteearbeiten seit der leßten Konferenz leitete der Professor Hagerup die Verhandlungen über die Lon- doner Deklaration ein. Türkei.

Jn einer Unterredung über die von dem armenischen Patriarchen Arscharuni überreihte Denfschrift erklärte der Großwesir, wie „W. T. B.“ meldet:

Er set sicher, daß eine Ueberreizung der Gemüter bestehe. Dic Regierung müsse Mittel ausfindig machen, um eine Beruhigung herbeizuführen; sie werde ihre Pflicht erfüllen. Die Armenier seten nicht die einzigen, die unter dem Räuberunwesen zu leiden hätten ; auch die Türken litten darunter. Es handle sich eben um ein im

Lande eingewurzeltes Uebel, und die Regierung have den festen Willen,

diesen Uebelständen ein Ende zu machen. Es sei unleugbar, daß sid)

gewisse Beamte ihrec Pfliht niht voll bewußt gewesen seien. Die- jenigen, die bei einer Pflichtverlegung betroffen würden, würden ent- lassen werden. Dte Regierung habe eine sofortige Untersuhung über die in der Denkschrift angeführten Vorkommnisse angeordnet; die Schuldigen würden bestraft werden. Die Regterung werde alle mög-

der Prinzessin Ludwig Galatafel statt, in deren Verlauf Seine

lien Opfer bringen, um die Harmonie zwischen den verschiedenen Elemeaten der Bevölkerung herzustellen.

Serbien.

Vorgestern abend ist ein dringlich einberufener Ministerrat abgehalten worden, der mehrere Stunden dauerte. Der Zeitung „Politika“ zufolge ist dabei der Standpunkt der serbischen Regierung in der serbisch-bulgarishen Streitfrage formuliert

worden. Bulgarien.

Der Ministerpräfident Ge\show erklärte in der gestrigen Sizung der Sobranje laut Meldung des „W. T. B.“, da die Lage sih niht geändert habe, bedaure er, die versprochene Erklärung über die Politik der Regierung niht abgeben zu fönnen. Geschow verlas sodann eine Verfügung, durch die die Tagung des Parlaments geschlossen wird.

Nach amtlichen M Leungen betragen die Verluste der Bulgaren im Balkankriege 330 Offiziere und 29711 Soldaten an Toten und 950 Offiziere und 52550 Soldaten an Verwundeten. Außerdem werden noh 3193 Mann vermißt.

Die „Agence Bulgare“ meldet über die bulgari\ch- griechischen Zwischenfälle:

Der ununterbrochene Vormarsch der griechis{hen Truppen in dem ursvrünglih von bulgarischen Truppen besetzten Distrikt Prawischta, wo die Bulgaren nur {wache Abteilungen zurückgelassen hatten, verursachte in der leßten Zeit eine Nethe von Zwischenfällen, aus denen hervorgeht, daß die Bewegung der griehischen Truppen die Beseßung von Prawischta, Lestera und anderen ftrategisch wichtigen Punkten zum Ziele habe. Besonders heftig waren diese Zwischenfälle bei der nächst der Eisenbahn gelegenen Brücke von Valischishta und im Hafen von Leftera, wo die Griechen, die stets die Angreifenden waren, einen regelrehten Kampf begannen, nachdem se Verstärkungen erhalten hatten. Die Bulgaren erwiderten anfänglih das Feuer der griehischen Truppen nicht. Die Größe der Verluste ist noch nicht festgestellt.

Die bulgarifche Regierung hat ihren Gesandten in Athen beauftragt, Einspruch gegen die Haltung der geiehischen Truppen zu erheben, eine Unterjsuhung der Vorfälle, Bestrafung der Schuldigen und die Ergreifung der notwendigen Maßnahmen zur Verhütung neuer Zwischenfälle zu fordern.

Montenegro. Zu Delegierten für die Londoner Friedens- konferenz sind nah einer Meldung des „W. T. B.“ neuer- dings Miuschkowitsh, Woinowitsch und Popowitsch ernannt

worden. Affien.

Die Vertreter der Fünfmächtegruppe haben heute, wie die „Times“ meldet, der chinesishen Regierung einen ersten Vorschuß von 1200 000 Dollar auf die Anleihe aus- gehändigt, die wie folgt verteilt ist: London 7 416 680, Paris 7 416 660, Deutschland 6 000 000 Pfd. Sterl. Jn St. Peters- burg werden 2777 773 und in Brüssel 1388 887 Pfd. Sterl. ausgegeben werden.

Afrika.

Nach einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Meldung aus Udshda sind die Vorposten der in der Kasbah Msum lagernden Truppen in der Nacht zum gestrigen Tage von auf- ständishen Marokkanern angegriffen worden, haben diese aber mit beträchtlichen Verlusten zurückgeschlagen.

Eine von Mulay Sin, einem Bruder des Sultans, befehligte Mahalla stieß im Tidilitale mit einer Harka El Hibas zusammen. Letztere wurde in die Flucht geschlagen und verlor 106 Tolle. Die Mahalla Mulay. Sins hatte 25 Tote.

Koloniales.

Aus Ne ukamerun wird, wie „W. T. B.“ berichtet, ein Gefecht mit Eingeborenen gemeldet, in_ dem ein Weißer, der Vizefeldwebel der Schußtruppe Friß Siewertsen aus Niebüll (Kreis Tondern), früher im 3. Garderegiment z. F. und in der Schußztruppe für Südwestafrika, gefallen ist. Bei dem Dorfe Akoga in dem südlih von Spanisch Guinea gelegenen Muni- Bezirk wurden im April fortgeseßt Karawanen, auch solhe, die von Europäern geführt waren, von Eingeborenen angegriffen. Dabei wurde ein farbiger Soldat getötet und die von Ekfodobo, der Hauptstation des Bezirks, aus der Grenz- expedition Monda—Dschua zugeleitete Post nebst einer Geldkiste geraubt. Der Oberleiter der Grenzexpedition im Süden, Major Zimmermann, entsandte darauf den ihm beigegebenen Vizefeldwebel Siewertsen von der Ortschaft Afare-Nsork \üd- westlich von Nduja mit 29 Soldaten auf Akoga. Dieser stürmte am Morgen des 17. April das dicht nördlich von Akoga gelegene Dorf Ebagama-jenne. Jn dem Gefecht erhielt er aus einem Hinterhalt einen Hals\{huß, der am 20. April Nachmittags seinen Tod herbeiführte. Weiter fiel ein Soldat, während die Ein- geborenen angeblih dreißig Tote hatten. Major Zimmer- mann traf am 20. April zwar unbehelligt in Afoga ein, hat aber die 10. Kompagnie aus der Gegend von Ojem zum Vor- marsh nah Etän zwecks Oeffnung der Etappe nach Efkododo herangezogen. Hauptmann Abel, der Führer der Monda— Dschua-Grenzexpedition, ist zu Major Zimmermann marschiert. Am 21. April wurde der Vizefeldwebel Siewertsen unter militärischen Ehren beigeseßt.

Ueber das westlihe Muni-Dreieck von Neukamerun

berihtet dem „Deutschen Kolontalblatt“ zufolge der Leiter der Monda—Ds\chua-Grenzexpedition, Hauptmann Abel, unterm 17. Februar d. I. “aus seinem Lager Enkorôton (Nkors) am Endüta (Noya):

Die Küste bilden zum Teil kilometerweit ins Innere gehende Mangrovensümpfe mit vorgelagerten Mudbänken. In den Mangroven- nzen liegen auf einzelnen inselautigen Erhebungen die Dörfer. Außer dem Mondaberg, der aus verwitterter Lateritschlacke besteht, sind diese Inseln angeschwemmter Sandboden. Die Inseln sind mit dihtem Urwald bedeckt; zu setnen Beständen gehören auffallend zahl- reihe Baumwollbäume und Oelpalmen. 10 bis 50 m breite, 3 bis 10 m tiefe Kreeks erstrecken \sih weit ins Land. Etwa 5 km Luftlinie von der Küste ändert #ch der Charakter des Landes. Der Boden geht hier in Sandstein mit Schiefer- und Kalksteinlagerungen über, der von Lateritlehm überlagert wird. Ununter- brochener primärer Urwald beginnt in leiht gewelltem Hügelland, die Oelyalme vershwindet vollkommen und ist bisher niht wteder ange- troffen worden. Der Urwald bildet nicht ein undurdringliches Pflanzengewirr, wie an vielen Stellen Kameruns, sondern zwischen den verhältniömäßig weit auseinanderstehenden Urwaldriesen erhebt fich ein stangenartiges lichteres Unterholz, welches fast stets Ausblick auf 40 bis 50 m ermöglidt. Durczogen wird dieser Wald von zahl- reihen \harf eingeshnittenen Flüssen und. Bächen, sodaß das ganze Gebiet als wasserreich bezeihnet werden muß. Am Ende der Regenzeit wird das Gebiet zum Teil {wer passierbar fein. Beo sonders der Abschnitt zwishen Mwumme und Endüja dürfte teilweise unter Wasser stehen. Am Endüja findet sih wieder Laterit-

\chlacke, während weiter östlich Urgestetne, anfangs Granit, dann Gneise anstehen. Irgendwelche Metalle find uiht gefunden, auch läßt nichts Bana \hließen, daß außer nicht abbauwürdiger Eisenrinde Metalle oder Kohlen vorhanden find. :

An Kautschuklianen ist der Urwald noh reich, doch kann ich nit beurteilen, in welher Zeit die Kautshukliane verschwunden fein wird. Werte bietet das Land dann nur noch in seinen reihen Holz- beständen. Leider hört, wie hon gesagt, die Delpalme 5 km von der Küste vollständig auf. Die Vortragung ihrer Kultur weiter ins Innere dürfte die Hauptaufgabe unserer Verwaltung sein, um im Lande dauernde Werte zu ae j - :

Die Holzausfuhr ist für afrikanisches Gebiet, das nur auf seine natürlichen Verkehrêwege angewiesen ist, bedeutend zu nennen. Als Verkehrswege kommen nur die Masterwege in Frage. Man muß staunen, wenn man an 30 ecm tiefen Bächen die # bis 15 m dicken Stämme liegen sieht, bereit zum Abflößen. Geben fie do den sichersten Anhalt dafür, daß diese Wässer in der Regenzeit derart anschwellen, daß die Flößerei möglich ist. Ein Ueberlandtransport dieser Holzklöße, welche etwa 4 m lang sind und zum großen Teil aus shweren Holzarten bestehen, ist für den Neger unmöglich. Für die Ausnußzung kommen daher nur die Bestände an Wasserläufen in Frage. An der Küste fand jeßt ein stark.-r Erport von Baumwollbaumstämmen stait, die ihrer guten Schalldämpfung wegen zur Anfertigung von Telephonzellen verwandt werden. Die Holzausfuhr aus der gesamten Mondabucht foll jährli einen Wert von 2 bis 3 Millionen Mark haben. L

Für das neue deut|che Gebiet kommt für die Holzausfuhr in der Mondabucht der Ongambo-Kreek, der Milambie- und der Massfotie- Fluß neben einigen festen Küstenpunkten in Frage. Die Oelpalme hier an der Küjie ist vollständig wild und wird ‘von den Eingeborenen nicht gepflegt, ihr Oel au nicht verwertet. Für das Innere kommen für die Holzflößerei das Flußgebiet des Massotie und besonders das des Endüja (Noya) in Frage. Bis die Oel- palmenkultur weiter ausgedehnt ist, bleibt neben dem nur für Jahre als Exportartikel in Frage kommenden Kautschuk nur der Holz- export als Wirtschaftswert für das Land übrig. h bemerke nebenbei, daß in dem von der Grenzexpedition bisher berührten Ge- biet zwar Elefanten vorkommen, do in so geringer Menge, daß der Elfenbeinerport nie eine Rolle e wird, befonders da grund- bis die Pangwes ihr Elfenbein nur für Weiber oder Pulver ergeben. i :

Der Endüja is bis Nkan zu jeder Jahreszeit mit Bran- dungsbooten befahrbar, bei Nkan befinden sh Schnellen. Von diesen Schnellen bis Méd6ógué fahren Kanus. Oberhalb von Médégué befinden \sich Fälle. Den End- punkt der Holzflößerei bildet Mewanne (Mewan der Karte 1 : 300 000), das am Endüja liegt. Bargeld geht bis zum Endüja, jedo werden überall Tauschwaren, besonders Tabak, Pfeifen und Tücher vorgezogen. Wege waren zahlreiher vorhanden, als wir angenommen hatten. Wenn fie auch oft kaum passierbar waren, fo gaben fie doch wenigstens die Möglichkeit, vorwärts zu kommen. Ein Durchschlagen durch den Busch war nur an solchen Stellen nötig, wo besondere Vermessungen stattfinden mußten. Das Ueberschreiten der Flüsse geschah meistens auf über den Fluß gefällten Bäumen, der Endüja war verschiedentlich nur mit Hilfe der Faltboote zu überschreiten. Kanus waren fast auf allen auch nur mittel- s Wasserläufen vorhanden, oft allerdings von den Eingeborenen versteckt. ; ; _

Von wenigen Einsprengseln an der Küste abgesehen, ist das Land von Pangwes (französisch Pahouins) bewohnt. Sie sind ein friegerishes Volk, das wenig zur Arbeit neigt. Sie liegen vielfach untereinander in Krieg, so daß Führer nie über die nächsten Dörfer hinaus zu bekommen sind. Zahlreihe Gewehre find im Besitz der Pangwes, auch scheinen sie noch genügend Pulver zu haben. Die Be- völkerungsdihte beträgt in Grenzstreifen, soweit die Leute nicht noch abgewandert sind, 100 bis 200 Menschen auf 100 gkm. Bei den Dörfern sind meist mehrere örtliÞh auseinandergelegene Farmen. Hauptnahrungsmittel bildet die Kassave (Manihot utilissima), daneben Planten, Bananen, sehr wenig Mais, Makabo, Yams. Ziegen, Enten, Hühner sind fast überall vorhanden, werden jedoch bei Annäherung eines Europäers im Busch wversteckt. Oft waren bei unserer Ankunft die Dörfer vollständig verlassen, und erst L kamen die Männer zurück. Verpflegung wurde nie ausreihend gebracht, und es mußte stets auf Neis zurückgegriffen werden. Ueberhaupt machte die Bevölkerung einen stark ablehnenden Eindruck. Geschossen aus dem Busch wurde bisher einmal auf einen Soldaten, der etne Trägerkolonne führte. Verlegt wurde niemand, wiederge- hosen wurde au niht, der feindlihe Schüße wurde ergriffen und nah Ekododo abgeliefert. Gefährlihe Bambusspißzen als Hindernis wurden verschiedentlich auf den Wegen ausgesteckt. Ein Träger wurde so durch chronishe Eiterung in der Ferse dienst- unbrau§bar. Eine Europäerkolonne wurde Nachts von mit Gewehren bewaffneten Leuten angeshlihen. Die Leute waren bis unmittelbar an das Zelt des Europäers gekommen, als sie von der Wache bemerkt wurden. Ihre Gefangennahme und Entwaffnung gelang ohne Schießen und Blutvergießen. Die Kriegstrommel wurde öfter ge- \{hlagen. Auch versammelte \sih die Bevölkerung verschiedentlich mit Gewehren und folgte seitwärts im Busch den Kolonnen.

Irgendwelche besonders stark grafsierende Krankheiten wurden unter den Eingeborenen nicht bemerkt. Glossina palpalis wurde am Endüja (Noya) aufwärts bis in die Nähe von Médégué fest- gestellt. Das Klima ist das bekannte Urwaldklima in entsprechender Breitenlage. An der Mondabucht gibt es im Januar und von Mai bis August eine Trockenzeit, der April und der November haben die größten Niedershläge. Oestlih von der Küstenzone ändern sih die meteorologishen Verhältnisse. Februar, März, April und Sep- tember, Oktober, November bilden dort die Negenzeiten. Im Oktober und November follen die \chwersten Regen fallen.

Nebernabhme der Station Carnot in Neukamerun in deutsche Verwaltung.

Nach einer Meldung des Gouverneurs von Kamerun fst ent- sprehend dem Berner Abkommen am 1. April die Station Carnot am oberen Ssanga und mit ihr das Land zwischen diesem Flusse und dem oberen Uham von den französischen Behörden an die deuts: Verwaltung übergeben worden.

Parlamentarische Nachrichten.

Bei der Reichstagsersaßwahl im Kreise Ost- und West-Sternberg am 9. Mai sind nah amtlichen Ermitte- [lungen 14418 Stimmen abgegeben worden. Davon erhielten der Rittergutsbesißzer Bohß-Schmagorei (Kons.) 9295, der Gewerkscaftssekretär Schüning-Karlshorst (Soz.) 2364, der Redakteur Heile-Schöneberg (Fortschr. Volksp.) 1723 und der

abrikant Fröhlich-Stegliß (Rfpt.) 1026 Stimmen. Zer- Prlitert waren 10 Stimmen. Gewählt ist somit der Nitter- gutsbesizer Boh (Kons.).

Statistik und Volkswirtschaft. Zur Arbeiterbewegung.

Aus Beuthen (Oberschlesien) wird dem „W. T. B.“ mit- geteilt, ‘baß bei der gestrigen Frühschiht 18 169 Mann, Abends 6979 Mann und beute früh 11 677 Mann fehlten. (Vgl. Nr. 111 d. Bl.)

Der Ausstand der Nieter der Howaldtswerke in Kiel (vgl. Nr. 96 d. Bl.) ift, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, beendet; die Ausständigen beschlofsen, heute die Arbeit wieder aufzunehmen.

Aus Hamburg wird dèr „Köln. Ztg.“ gemeldet, daß zwischen den ausftändigen Fahrern der „Hedag“ (Hamburger elektrische Droschken-Aktiengesellschaft) und der Betriebsleitung cine Einigung zustande gekommen ist, wonach die Ausftändigên, ausgenommen die zwölf Entlafsenen, zu den alten Rechten wieder eingestellt werden, mit der Maßgabe, daß zukünftig jedem Gekündigten der im An- stellungêtarif gegebene Gntlassung8grund mitgeteilt werden soll. Die Arbeit ist im vollen Umfang wieder aufgenommen worden. (Val. Nr. 98 d. Bl.) e

Die Straßenbahner in Koblenz (vgl. Nr. 109 d. Bl.) haben der „Frkf. Ztg." zufolge beschlossen, niht in den Ausstand ein- zutreten, da die Direktion zugesagt hat, mit ihnen zu verhandeln und die Kündigung zurückzunehmen.

Aus Paris wird dem ,W. T. B.“ telegraphiert: Obgleih der Streikaus\chuß den Ausstand der Gehilfen der Gemüsegärtner erflärt hatte, mahte sih die Bewegung gestern früh in den Markt- hallen nit bemerkbar. Die Lebensmittel trafen dort wie gewöhnlich ent. (Bal Se 11 d DL)

Der Ausstand der Kohlenarbeiter im Piräus ift, wie dem „W. T. B.“ aus Athen gemeldet wird, beendet. (Vgl. Ne. 101 d. BL) :

(Weitere „Statistishe Nachrihten“ \. i. d. Ersten Beilage.)

WohlfahrtSpflege.

„Der Deutsche Krippenverband“, eine Abteilung der Deutschen Vereinigung für Säuglingsshuß, wird am 24. d. M., Vormittags 10 Uhr, in der Geschlehterstube des Nömers in Frank - furt a. M. seine fonstituierende Mitgliederversammlunog unter dem Vorsig von Hofrat Josef Meier-München abhalten. Im Anschluß daran finden Verhandlungen statt. Das Referat „Welhe Gesichts- punkte sind bei der Einrichtung und dem Betrieb einer Tagkrivpe maßgebend ?*" haben die Herren Professor Dr. Brüning-Rostock i. M. und Bürgermeister Luppe-Frankfurt a. M. übernommen. Anmeldungen zu der Versammlung sind zu richten an den Schriftführer der vor- ver vis Kommission, Oberarzt Dr. Rott-Charlottenburg, Privat- straße.

Kunft und Wiffenschaft.

Im leßtztvergangenen Oktober find tief auf dem Grunde einer Tropfsteinhöhle in Frankreich, an deren Wänden man schon früher Tierzeihnungen der älteren Steinzeit gefunden hatte, aus Ton age- formte Abbildungen von Wisenten oder Bisons durch den Grafen Begouen aufaedeckt worden. Der Finder veröffentliht über diese plastishen Kunstwerke diluvtaler Höhlenbewohner in der Zeitschrift „LAnthropologie" einen eingehenden Bericht. dem die „Umschau“ (Herausgeber Professor Dr. Bechbhold in Frankfurt a. M.) folgendes entnimmt: Die {wer zugänglihe Höble befindet sich am Fuß des Tuc d’Audoubert im Departement Ariège und enthält drei Stockwerke. Jn den weiten Tropfsteinsälen des mittleren Stockwerks wurden an den Wänden die erwähnten Tier- zeichnungen gefunden. Ein \{raubenförmiger, 1250 m langer Gang führt in den oberen Stock. Hier gelangt man zunächst in einen \{malen und niedrigen Gang mit Ttierzeihnungen, die nah Stil und Technik sehr verschieden von denen des unteren Stockwerks find; fie stammen zumeist aus der Madeleinezeit, jene dürften dagegen einer älteren Zett angehören. Nachdem am Ende des Ganges hineinragende Stalaktiten fortgesprengt waren, fand man die Decke des nähsten Naums mit Strichen ges{mückt, die mit einem kammartigen Werk- zeuge hergestellt schienen ; gleiche Verzierungen hat bereits der Abbs Breuil in den durch Felszeihnungen berübmten \panishen Höblen beobachtet. Weiterhin waren keine Felszeihnungen mehr vorhanden. Die Tropfsteinbildungen werden jeßt sehr mannigfaltig ; die geologische Tätigkeit dauert in diesem Teile der Höhle noch fort. Hat man thn aber durchschritten, fo gelangt man zu Räumen, wo si seit Jahr- hunderten nibts geändert hat. Der Ton, der den Boden bildet, ist hier nur stellenweise von Tropfsteinshihten bedeckt. Hier und da ersheint er ganz dur{hpflügt von Bärenkrallen. In den Winkeln etnes langen, hohen Saales finden si{ch Knochenhaufen, die erkennen lassen, daß die Tiere, denen sie angehörten. dort gestorben sind. Als die Diluvialmenschen hterher kamen, ließen fie das Un- brauchbare liegen, aber die Kiefer zerbrachen sie, um fih mit den Eck- zähnen zu s{chmüdcken. Den seiner Cckzähne beraubten Unterktefer etnes kleinen Bären hat eine menshliche Hand auf einen Felsen gelegt, und dort i er durch Kalkabsonderungen angekittet worden, sodaß man thn nicht mehr abheben kann. Um die Tier- \felette herum is der Boden zertreten, und an mehr als einer Stelle sieht man mens{chliche Fußspuren. Am besten erkennt man die Zehen, die Menschen von kleiner Gestalt angehört zu haben scheinen. Auch ein paar Steingeräte vom Madeleinetypus wurden hier gefunden. Ein wenig weiter gelangt man in einen etwas tiefer gelegenen kleinen Saal über einen glatten Abhang hinweg, in dessen Oberfläche die Bären, um sich halten zu können, ihre Krallen tief ein- \{laaen mußten. Selbst ihre Haare haben sie an den Eindrücken zurüdgelassen. Am Eingange des Saales lagen kleine, von Menschen- hand geformte Tonwürste. Der Boden zetat Eindrücke mens\{lticher Fersen, die mit einer dünnen Tropfsteinshicht überzogen und fo \{chôn ausaegossen sind, daß sih die Hautshwtelen deutlih erkennen lassen. Diese Fersenabdrüde finden \fich inmitten eines Systems frummer Linien, deren Bedeutung nicht klar ift. Begouen vermutet, daß fie mit religiösen Zeremonien in Verbindung stehen, zumal sie sh nahe vor dem Endraum der Höhle befinden, tin dem, wte in einem Allerbeiligsten, fern von profanen Blicken, der Stamm seine Fdole oder Fetishe aufbewahrte. Als folhe nämlih faßt Begouen die beiden Wisente aus Ton auf, die hier, wenigstens 700 m vom Eingang der Höhle, gefunden worden sind.

Die beiden Figuren find an einen Felsblock gelehnt, der mitten im Saale liegt. Der eine Bison ftebt hinter dem andern und erhebt sih etwas auf den Hinterfüßen, als ob er den Block erklimmen wollte. Der vordere Bison is fast unversehrt; nur das Ende des reten Hornes und der Schwanz sind abgefallen In- folge der Austrocknung des Tones haben \ih tiefe und lange Spalten tim Körper der Tiere gebildet. Die Unterschiede in der Kopf- und Höerbildung lassen erkennen, daß das vordere Tier ein Wetibchen, das hintere ein Männchen ist. Jenes mißt 61 ecm Länge und 29 ecm vom Bauche bis zum Höckergipfel; beim Männchen sind die entsprehenden Zahlen 63 cm und 31 cm. Nur die rechte Körperseite der Tiere ist ausgeführt, die linke, die sch an

den Felsen lehnt, ist niht bearbeitet. Der Kopf zeigt org

fältige Modellierung; der des Weibchens hat dadur mehr Ausdruck bekommen, daß das Auge dur ein in der Mitte ver- tieftes Tonkügelhen wiedergegeben ist. Der Bart ist durch Niefen angedeutet, die mit einem dünnen Holz- oder Knochensyatel hergestellt sind, während der Künstler zur Bezeihnuag des wolligeren Schopf- haares seinen Daumen benußt hat, defsen Eindrücke fich ganz deutlich erkennen lassen.

Fn der Nähe dieser Figuren fand man eine unvollkommen auté- geführte Bisonstatuette von 13 cm Länge fowie eine auf den Boden gezeichnete 41 cm lange Skizze eines Wisents, an der die Rücken- fontur dur eine 2 cm tiefe, mit dem Finger hergestellte Furche be- zeichnet ist. Das Vorhandensein dieser Skizze und der Zustand der nihtbearbeiteten Seite der betden „Statuen“ haben Ta zu der Vermutung geführt, daß die diluvialen Modelleure zuerst die Silhouette des Tieres auf den Boden zeichneten, dann die Erde ringsherum ent- fernten und die Tonmasse aufrichteten, bevor sie die Arbeit an Ort und Stelle vollendeten.