1894 / 138 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 14 Jun 1894 18:00:01 GMT) scan diff

vorübergehenden Geldbedürfnifses ohne erbeblihe Kosten und Förmlich- keiten neuen Kredit zu erhalten, bieten \sih als empfehlenswerthes Mittel Amortisationsdarlehne, besonders in Verbindung mit der Ein- rihtung dar, daß die Amortisationsbeiträge zu einem besonderen Fonds angesammelt werden, welchen der Schuldner gegebenen Falls wieder für seinen Kredit nußbar machen kann.

__ Zur Gewährung derartiger Darlehne eignen si in erster Linie die mit besonderen Vortheilen für den Kreditnehmer verbundenen öffentlihen Grundkreditinstitute (Landschaften u. \. w.).

Außer diesen und ohne in nachtheilige Konkurrenz mit ihnen zu treten, find au die öffentlihen Sparkassen in der Lage, den Real- kredit durch Gewährung von derartigen Amortifationsdarlehnen zu fördern, wie dies bei einem Theil der preußischen Sparkassen bereits geschieht. Eine allgemeine Verbreitung hat diese Einrichtung indessen noch niht gésunden, weil das Verständniß ihrer wirthshaftlihen BVor- theile noch niht weit genug vorgeschritten ist und die den Kredit- nehmern obliegenden Leistungen für Zinsen und Amortisationsbeiträge vielfah als Ueberbürdung empfunden werden. Die Hebung dieser Schwierigkeit ersheint mögli, wenn die Sparkassen für Amorti- fationsdarlehne eine geringere Verzinsung fordern als für gewöhnliche

ypothekendarlehne, wozu sie, wie mehrfahe Beispiele beweisen, mit Rücksicht auf die jährlih abnehmende Verschuldung des mit Amorti- sationsdarlehnen belasteten Grundbesißes, bezw. auf die allmähliche

Pergrperuno des Amortisationsfonds in der Lage sind.

Die Vergünstigung niedrigerer Zinszahlung wird indessen den Kreditnehmern nur für den Fall zuzubilligen fein, daß sie sih ver- pflichten, die ihnen e § 63 des Grunderwerbsgeseßes vom 5. Mai 1872 zustehende Befugniß, betreffs des durch Amortisation getilgten Betrages Quittung, Löschungsbewilligung oder Abtretung zu ver- langen, fo lange niht auszuüben, bis der fünfte Theil der Schuld ge- tilgt ift, und für den jeweiligen Rest der Amortifationshypothek das Vorrecht vor einer an Stelle der getilgten Kapitalstheile etwa auf- zunehmenden Hypothek einzuräumen. Denn bei unbeschränkter Aus- übung des Rechts aus § 63 a. a. O. würden die Schuldner an Stelle des getilgten Betrages einem anderen Gläubiger eine Hypothek mit leider Priorität wie der Sparkasse bestellen und den auf allmähliche

ilgung der Schuld gerihteten Zweck der Amortisationshypotheken vereiteln können.

Die Amortisation kann, wie bei den von den Gemeinden in In- haberpapieren aufzunehmenden Anleihen, derart erfolgen, daß dur fortgeseßzte Zahlung eines bestimmten Prozentsaßes des ursprünglichen Schuldkapitals die Schuld alljährlih sowohl verringert, als verzinst und in einer bestimmten Zeit gänzlih getilgt wird. Um aber den Grundbesigern zu ermöglichen, das aufgesammelte Amortisationsguthaben unter Umständen von der Sparkasse zurück zu erhalten, kann au das bei den ländschaftlihen Kreditinstituten übliche Verfahren eingeschlagen werden, wobei die Darlehnsnehmer außer den Zinsen einen ge- wissen Prozentsaß mindestens # 9/6 der Darlehnss{huld zahlen, der jedoh niht zur sofortigen Tilgung der Schuld verwendet, \son- dern als ein besonderer Fonds Amortisationsfonds von den Sparkassen für den Schuldner verwaltet und gleich anderen Einlagen verzinst wird. Diese Zinsen können den von der Sparkasse für andere Spareinlagen gezahlten Zinsen gleih sein, oder, wie z. B. bei den Kreis-Sparkassen in Liebenwerda und Kolberg, sie übersteigen. Diese Sparkassen sammeln die zum Zwecke der Amortisation gezahlten Bei- träge nebst den davon aufkfommenden Zinsen für den Schuldner auf ein besonderes Konto und itellen ihm darüber ein Sparkassenbuch aus. Sobald dieses Konto mit den aufgelaufenen Zinsen die Höhe von 1/10 der Darlehns\huld erreiht hat, kann der Schuldner die Rückgabe des Amortisationsguthabens beantragen. :

Es empfiehlt sich, daß sich die Sparkassen die freie Entscheidung dar- über vorbehalten, in wie weit den Gesuhen um Nückgabe des Amorti- sationsguthabens gewillfahrt werden kann, wenn auch, falls hinsihtlich der Sicherheit keine Bedenken entgegenstehen, derartigen Anträgen regelmäßig stattzugeben scin wird. Nur wird dann festzustellen fein, daß die Rückgabe erst nah Rückzahlung des zehnten Theiles der Schuld erfolgt, da anderenfalls der Zweck der Schuldentilgung zu fehr in den Hintergrund treten würde. Um Mißbräuchen vorzubeugen, würde ausbedungen werden Éönnen, daß bei der Nückgabe des Amorti- sationsbestandes die etwa bewilligte höhere Verzinsung der Amorti- fationsbeiträge mit rückwirkender Kraft in Abzug kommt.

Betreffs der etwaigen Kündigung von Amortisationsdarlehnen werden die für gewöhnlihe Hypothekendarlehne geltenden Vorschriften zur Anwendung zu bringen sein, da die der Kündigung der Sparer ausgeseßten Sparkassen auf das Recht der Kündigung ihren Schuldnern gegenüber nicht verzichten können, andererseits aber auch dem Schuldner eine Rückzahlung vor der planmäßigen Tilgung erwünscht sein kann. Immerhin empfiehlt es sih, die Amortisationéhypotheken dadurch zu begünstigen, daß, wie es bei der Haupt-Sparkasse des Markgrafthums Niederlausiß geschieht, bei einer im Falle von Geldbedarf der Spar- fassen nothwendig werdenden Aufkündigung zunächst die Hypotheken ohne Amortisation gekündigt werden. F

Ew. x. ersuhe ih ergebenst, auf die Sparkassenverwaltungen der dortigen Provinz dahin einzuwirken, daß die Amortisations- bypotheken unter Beobachtung vorstehender Grundsäße eine thunlichst erweiterte Anwendung finden und, soweit dies noch niht geschehen ift, die Aufnahme entsprechender Bestimmungen in die Statuten der öffentlihen Sparkassen in Anregung zu bringen. Ö |

Veber die Entwickelung dieser Angelegenheiten sche ih nah Fahresfrist einem gefälligen Bericht ergebenst entgegen.

Von den Drucksahen der Silberkommission sind ferner erschienen und durch die Reichsdruckerei in Berlin SW., Oranienstraße 90/91, zu beziehen: :

Nr. 20. Zur Vorgeschihte der deutschen Münzreform. Antwort auf Nr. 16 der Drucksachen. Vorgelegt von Dr. Arendt. (1 Bogen), j A

Nr. 21. Die deutshen Silberverkäufe im Vergleich mit der Silberproduktion. (1/5 Bogen),

Nr. 22. Kupfergehalte in dem e ilde Vorgelegt vom Geheimen Bergrath Leuschner.

/9 Dogen ),

Nr. 23. Ueber das Vorkommen und die Nachhaltigkeit des Goldes in wirthschaftliher Beziehung. - Verfaßt vom Berg-Jnspektor Wimmer. Vorgelegt vom Geheimen Bergrath Leuschner. (21/4 Bogen), sowie

die Protokolle: der 8. Sißung vom 22. Mai d. J. (8 O der 9. Sißung vom 23. Mai d. J. (71/2 Bogen), der 10. Sißung vom 24. Mai d. J. (8 Bogen) und der 11. Sizung vom 25. Mai d. J. (8!/s Bogen).

Der Kaiserliche Konsul in Havre Heinrich Becker ist am 12. d. M. in Berlin, wo er kurz vorher mit Urlaub ein- edu war, im 45. Lebensjahre am Herzschlag plößlich ver-

eden, Herr Beer trat im Jahre 1879 als Serichts-Assessor in den auswärtigen Dienst ein, wurde 1881 Vize-Konsul bei dem General-Konsulat in Odessa und bekleidete vor seiner im Jahre 1892 erfolgten Ernennung zum Konsul in Havre die Konsulposten in Jassy, Kiew, Apia und Kairo. Jn allen diesen Stellungen hat der Dahingeschie- dene sich durch besondere Pflichttreue und vortreffliche, von umfassenden Kenntnissen unterstüßte Leistungen aus- gezeichnet. Zugleich hat er es verstanden, durch ita Befe persönliche Eigenschaften sich die. Sympathie seiner Berufs-

Kupferschieferflöß im"

genossen und seiner Landsleute im Auslande in reihem Maße zu ermerhen.

Jn den Kreisen des Auswärtigen Amts, welches diesen unerwarteten Verlust eines treuen Mitarbeiters beklagt, wird E Verstorbenen ein ehrendes Andenken dauernd gesichert

eiben.

Frankfurt a. M., 13. Juni. Seine Majestät der König von Schweden und Norwegen traf, wie „W. T. B.“ meldet, heute Mittag aus Wiesbaden hier ein und reiste um 4 Uhr nah Cronberg zum Besuch Jhrer Mazestät der Kaiserin Friedrich. Die Rückkehr erfolgte heute Abend 7 Uhr. Morgen Vormittag 8 Uhr reist der König nah Berlin ab.

Bayern.

In der am Montag nah der Rückkunft des Prinz- Regenten unter dem Vorsiß Seiner Königlichen Hoheit ab- gehaltenen Staatsrathssißung wurde über das Finanz- gese, über die Bahnlinie Burghausen—Mühldorf und über eine Reihe anderer Geseßesvorlagen Beschluß gefaßt. Die Publizierung des Finanzgeseyes steht nunmehr in nächster L bevor. Auch an den Landrathsabschied wird die leßte

and gelegt werden. Dieser erfolgte, wie die M. „Alg. Ztg.“ schreibt, in der Regel viel früher, im vorigen Jahre shon im März; in diesem Jahre mußte aber die leyte Berathung, die Fassung des Textes und die Veröffentlihung bis jeßt vershoben werden, weil die Säße der direkten Steuern erst durch das Finanz- gese festgestellt sein müssen, ehe die zur Bestimmung der Kreisumlagen als Unterlage dienende „Steuerprinzipalsumme“ in den Landrathsabschied eingefügt werden. kann.

Vaden.

Ihre Königlihe Hoheit die Kronprinzessin von Schweden und Norwegen hat, von Baden - Baden kom- med, gestern Abend über Karlsruhe die Rückreise nah Schweden angetreten. Das Befindcn der Kronprinzessin hat sih, wie die „Karlsr. Ztg.“ meldet, in neuester Zeit wesentlih gebessert ; besonders ist Höchstderselben der Aufenthalt in Baden - Baden fehr gut bekommen.

Die Zweite Kammer beginnt heute die Berathung der kfirhenpolitishen Vorlagen. Die Verhandlung wird sich, wie der „Schwäb. Merk.“ mittheilt, auf folgende drei Punkte erstrecken: die freie Zulassung der Orden (lediglih mit einer Anzeige, wie geschehen, bei der Regierung) ; die Aufhebung des Verbots der Ordensmisstonen und die Verminderung der deutsch- wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen bezw. die Aufhebung des Gebots dieser Vorbildung für die Mitglieder der geistlichen (erzbischöflichen) Kollegien. Die liberale Partei trat diesen sämmtlichen Forderungen in der Kommission entgegen; die Regierung ist bereit, auf die Zulassung der Missionen einzu- gehen, und sie hält auch deren Ünterstellung unter das Versamm- lungsrecht für ungeeignet. Diese Unterstellung unter das Vereins- und bezw. Versammlungsrecht für Orden und Missionen mußte in den Kommissionsantrag aufgenommen werden, weil die Sozialisten dies verlangten und weil ohne die Stimme des sozialistishen Mitglieds der Kommission für die bezüglichen Anträge sih keine Mehrheit ergeben hätte. Der Bericht des Abg. Heimburger über das Wahlrecht empfiehlt namens der Kommission einstimmig die Einführung des direkten und pro- portionalen Wahlsystems.

Hessen.

Jhre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin werden sih, der „Darmst. Ztg.“ zufolge, heute Nachmittag nah Mainz begeben, wo offizieller Empfang stattfindet. Jhre Königlichen Hoheiten der Nin und die Prinzessin FerdinandvonRumänien reisten gestern Vor- mittag von Bensheim aus über München und Wien nah Bukarest urück. Seine Hoheit der Erbprinz von Sachsen- Meiningen, Kommandeur der 22. Division, ist gestern Abend in Darmstadt angekommen und im Großherzoglichen Schloß abgestiegen. Der Prinz wird auf dem Griesheimer Schieß- play Besichtigungen abhalten.

Anhalt. Seine Hoheit der Erbprinz is, wie der „Anh. St.-Anz.“ meldet, am 9. d. M. zur Kur in Ems eingetroffen.

Schwarzburg-Sondershansen.

Die Festlichkeiten zur Feier der silbernen Hochzeit Jhrer Durchlauchten des Fürsten und der Fürstin fanden mit einem am Dienstag Abend von der Residenzstadt Sonders- hausen dargebrahten Fackelzu g ihren Abschluß. Der etwa 1000 Faelträger zählende Zug, an dem die Stadtvertretung und sämmtliche Vereine sih betheiligten, bewegte sih, wie „Der Deutsche“ berichtet, vom Marktplay nah dem Lustgarten, wosclbst der Männerturnverein vor dem Fürstlichen Schlosse nah den Klängen der Musik einen Reigen aufführte. Der Fürst nahm den mit begeisterten Hochrufen erfolgenden Vorbeimarsch, auf der Rampe verweilend, entgegen. Die andern höchsten und hohen Herr- schaften waren im Vestibül versammelt, wohin auch die beiden Bürgermeister, der Gemeinderath, sowie die Vorsißenden der beim Fackelzug betheiligten Vereine befohlen wurden. Erster Bürgermeister Kühne brachte dem hohen E die Glü- und Segenswünsche der Einwohnerschaft dar. Jn leutseligster Weise unterhielten sih dann die hohen Herrschaften mit den Anwesen- den und gaben der Freude und dem Dank für die bewiesene Liebe und Anhänglichkeit, für die reihe Schmückung der Stadt, sowie für die sonstigen festlihen Veranstaltungen und Auf- merksamkeiten wiederholten Ausdruck. Nachdem die Erschienenen entlassen waren, setzte sih der Zug wieder in Bewegung und marschierte durch die Straßen der Stadt nah dem Wipper- thore, woselbst die Auflösung des Zuges stattfand. Die ein- zelnen Vereine hatten hierauf in mehreren Lokalen noch fest- liche Versammlungen veranstaltet, bei welchen das hohe Paar in Wort und Lied mannigfach gefeiert wurde.

Ueber den von Seiner Durchlaucht vollzogenen Gnaden- akt meldet der „Hann. Cour.“ Folgendes: Es sind erlassen worden diejenigen Geld-, Haft- oder Gefängnißstrafen, welche von cinem \chwarzbure fondershausetüfhen Gericht oder den nah d 1 des Landesgeseßes vom 17. Mai 1879, betreffend das den

erwaltungsbehörcden zustehende Straffestseßungsrecht, zur Ver- gung von Strafen zuständigen Polizeibehörden (wegen

azestätsbeleidigung in Bezug auf den Vi oder ein Mitglied des Fürstlihen Hauses, Widerstands Wegen die Staatsgewalt und Verlegung der öffentlihen Ordnung, öffentlicher Beamtenbeleidigungen, Forst- und Felddiebstähle) bis zum 12. Juni rehkskräftig erkannt und noch nicht oder nicht vollständig vollstreckt sind.

Lippe.

_ Der Landtag hat, wie der „Hann. Cour.“ meldet in seiner Sißung vom 11. d. M. die Regierungsvorlage, betreffend Gewährung eines Landeszuschusses von 125 000 E Bau der Eisenbahn Schieder—Blomberg, bei nament: liher Abstimmung mit 13 gegen 6 Stimmen angenommen.

Oesterreich - Ungarn.

Das am Dienstag im ungarischen Abgeordneten- hause verlesene Königliche Reskript über den Minister- wechsel lautet:

„Wir, Franz Josef I.,, von Gottes Gnaden Kaiser von Oester. reich, König von Böhmen 2c. und apostolisher König von Ungarn entbieten den Bannerherren, weltlichen und kirchlichen Magnaten und Abgeordneten, die auf dem durch Uns für den 18. Februar 1892 jy Unserer Haupt- und Residenzstadt Budapest einberufenen Reichstag versammelt sind, Unseren Königlichen Gruß. Liebe Getreue! In Würdigung der Gründe, die unser aufrichtig ge- liebter getreuer Alexander Wekerle Uns unterbreitete, haben Wir mit Unserer vom 4. d. M. datierten Entschließung seine De, mission von der Stelle des ungarischen oe e Abe way als dur Uns angenommen erklärt. Doch da seither der Grund der Demission beseitigt wurde, haben Wir ihn wieder zum ungarishen Ministers Präsidenten ernannt, wovon Wir Euch Getreue hiermit benachrichtigen, denen Wir im übrigen mit Unserer Königlichen Gnade ständig geneigt bleiben. Gegeben zu Budapest, 9. Juni 1894. Franz Joseph m. p. Alexander Wekerle m. p.“

Die Stelle in der gestern telegraphish mitgetheilten Rede des Minister-Präsidenten Wekerle betreffs der Stellung der Krone zu dem Zivilehe-Geseßentwurf wörtlich:

Ich habe die Allerhöchste Ermächtigung erhalten, zu erklären, daß Seine K. und K. apostolis@e Majestät bezüglih der politischen Nothwendigkeit mit Seiner Regierung übereinstimme und die eheste Gefeßwerdung unter unseren politischen Verhältnissen auch Seinerseits für entschieden nothwendig erachtet. Diese Allerhöchste Ermächtigung berehtigt zu der Supposition, daß, wenn das Abgeordneten- haus mit großer Majorität wiederholt für diese Vorlage Stellung nimmt und wenn auch die Krone den Standpunkt des Abgeordneten- hauses dadur unterstüßt, daß sie diese Vorlage für eine politische Nothwendigkeit erachtet, berehtigte Hoffnung vorhanden sei, daß auch der dritte Faktor der Gesetzgebung sich beugen, die politishe Nothwendigkeit derselben anerkennen werde. Hierdurch sind wir in die Lage gekommen, nicht weiter an der Bermehrung der erblihen Magnatenhausmitglieder, als einem übrigens fonstitutionellen Mittel, festzuhalten. Unter solhen Umständen, nach solchen Antezedentien haben fogar die Nücksihten auf die Ruhe und Kontinuität unserer politishen Zustände es uns zur Pflicht gemacht, uns vor den Bedenken der Krone zu beugen, und das treue Festhalten an unseren Prinzipien hat es uns zur Aufgabe gemacht, dieselben nicht fahren zu lassen, fondern von neuem die Regierung zu übernehmen.

Der volkswirthschaftlihe Ausschuß des ungarischen Ab- geordnetenhauses hat die Handelskonvention mit Ruß- land im ganzen und in den einzelnen Bestimmungen ange- nommen. Z

__ Die zweite Division des britishen Geschwaders, bestchend aus drei Schlachtschiffen und einem Yachtkreuzer unter dem Kapitän Wilson, ist gestern Nachmittag in Ragusa eingetroffen und in dem Kanal von Lacroma vor Anker ge- gangen. Das Geschwader beabsichtigt, dort einen viertägigen Aufenthalt zu nehmen.

Großbritannien und Jrland.

Der Herzog von York veranstaltete gestern in Trinity House cin Festmahl, an welhem der Prinz von Wales und der Premier-Minister Lord Rosebery theilnahmen. Lord Rosebery betonte, nah Mittheilung des „W. T. B.“, in einer Ansprache, daß die Politik Englands eine Politik des Friedens und nur defensiv sei. Die Verstärkung der Flotte bedeute feine Drohung. Jn den legten Zeiten seien Pagen hervor- getreten, deren Tragweite durch unverantwortliche Darstellungen Übertrieben worden sei. Der Tod des Sultans von Marokko könnte unangenehme Folgen haben, wenn die. europäischen Staatsmänner weniger klug und maßvoll wären.

Die „Allg. Korr.“ schreibt: Die Debatte über den land- wirthshaftlihen Nothstand in der Grafschaft Essex, welhe am Montag im Unterhause stattfand, gab ein trauriges Bild. Vor den Thoren Londons giebt es einen großen Strich vortrefflihen Ackerlandes, der mit schnellen Schritten zur Prairie wird. Die der landwirthschaftlichen Kom- mission zugehenden Berichte können die Thatsache nicht in Abrede ellen. Aber was thun? Die Abgeordneten von Essex schlugen vor, vielleiht nur, um sich nicht ganz rathlos zu zeigen, die Zehnten und die Landsteuer avguigaes Aber wie im Laufe der Sizung klar gezeigt wurde, kann au dies dem bedrängten Farmer nicht helfen. Jn Essex kann kein Getreide mit Nußen gebaut werder, so lange vom Aus- land Korn zollfrei importiert wird. Der Weizenbauer von Essex ist ruiniert. Und doch geht es scheinbar gegen alle Vernunft, daß so fruhtbares Land, noch dazu in unmittel- U Nähe einer Großstadt gelegen, zu gar nichts mehr gut ist.

Frankreich.

Der Finanz-Minister Poincaré beantragte gestern in der Budgetkommission die Bewilligung der direkten Steuern 1n dem bisherigen Umfange und erklärte, daß er außerdem eine Reform der Erbschafts steuer vorlegen werde.

Aus Nancy meldet „W. T. B.“: Grana e Zimmer- gesellen, welche in der Nähe des Bahnhofes von Pagny-sur- Moselle zwei deutshe Maschinisten angegriffen und mißhandelt hatten, wurden verhaftet und in das Gefängniß von Nancy gebracht. Sie werden wegen Verübung von Gemwaltthätigkeiten gerichtlih verfolgt werden. Die deutschen Maschinisten haben eine Klage nicht eingereicht.

Phra-Yot, der Mörder des e Inspektors Gros- gurin, ist, wie dem „Temps“ aus Bangkok gemeldet wird, zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurtheilt worden.

Ftalien. 1 Die „Agenzia Stefani“ bestätigt, daß die Ministerkrisis heute werde gelöst werden. Sonnino werde, wie bereits g meldet, das Schaß-Ministerium und Boselli das Finanz Ministerium übernehmen. Für den Ackerbau werde: ein neuer Minister ernannt werden. i ¡ Ueber die Aenderung des Finanzreform-Programm meldet die „Opinione“, das Kabinet werde auf die Erhöhung der Grundsteuer um zwei Zehntel Prozent verzihten/ dagegen die Rentensteuer aufrechterhalten un n verpflichten, in dem nächsten Budget 20 Millione j weitere Ersparnisse vorzuschlagen, welche sich auf n Zweige der Verwaltung, die militärische einge j

erstrecken sollen. Das Ministerium werde es 1[0 a

lautet ,

8 unerläßlih erklären, die parlamentarischen Arbeiten nicht L schließen, ohne fich dem Gleichgewiht im Budget be- trächtlich E zu haben, und werde hierfür einen kurzen par amentarishen Waffenstillstand begehren. Die „Opinione“ fügt hinzu, Brin habe erklärt, zu dieser Unterbrehung des parlamentarischen Kampfes seine Zustimmung zu geben; man versichere, daß auch einige andere Gruppen das gleiche Qu eständniß machen würden, wofern die Regierung i föormlih verpflichte, die Kammer nicht aufzulösen. Die „Tribuna“ glaubt zu wissen, daß die Steuer auf alle Ein- fommen aus beweglichem Vermögen erster Kategorie, darunter auch die Rente, auf 18 Proz. erhöht werden würde und daß daneben auf die besondere Steuer auf die Rente und auf eine neue Einkommensteuer a eb werden würde.

Der bekannte Staatsmann Nicotera is gestern in Vico Equense (Provinz Neapel) gestorben. Zum Zeichen der Trauer hob die Deputirtenkammer gestern ihre Ans auf. Ueber Nicotera’s Lebensgang entnehmen wir der „Nat.-Ztg.“ folgende Einzelheiten:

Giovanni Baron von Nicotera war am 9. September 1828 zu San Biase in Calabrien geboren. Er studierte die Rechte und {loß fih {hon früh dem revolutionären Bunde des „jungen Jtalien“ an. Als Zwanzigjähriger betheiligte er sih an dem Aufstand in Calabrien und an den Kämpfen der römischen Republik, in deren Armee er als Offizier eintrat. Verwundet, zog er sich ins Privatleben nah Turin zurück, um 1857 sich einer von Mazzini angestifteten Expedition nah Capri anzuschließen, welche gegen die bourbonische Dynastie in Neapel gerichtet war. Er gerieth bei diesem Unternehmen {wer verwundet in Gefangenschaft, wurde zum Tode verurtheilt, aber zu lebenslängliher Galeerenstrafe begnadigt. Als Garibaldi 1860 auf Sizilien landete, befreite er den im Bagno der Insel Farignana an der Westküste Siziliens Schmachtenden und reihte ihn als Offizier seiner Freischaar ein. In den Jahren 1860 und 1861, sowie 1866 und 1867 fämpfte Nicotera dann unter diesem Führer, um hierauf im italienischen Parlamente die Vertretung der Stadt Salerno zu übernehmen, die er auch seitdem ununter- brochen beibehielt. Im Jahre 1876 trat Nicotera als Minister des Innern im Kabinet Depretis zum ersten Mal in die Regierung ein, nahdem er als einer der Führer der entschiedenen Linken den;Sturz der bis dahin am Nuder gewesenen Konforteria mit herbeigeführt. Ein Jahr später schied er shon wieder aus dem Kabinet. Als Haupt der sogenannten Pentarhie nahm er seitdem wiederholt den Posten des Ministers des Innern ein. Zuleßt gehörte er noch 1891 nach Crispi’s Sturz dem Kabinet Rudini an.

Spanien.

__ Nach einer Meldung des „Temps“ aus Madrid verlautet daselbst, der Kriegs-Minister habe die Bereithaltung von 10000 Mann verfügt, welhe im Falle von Verwickel un- gen in Marokko nah Ceuta abgehen sollen. Marschall Martinez Campos habe sich zur Oberleitung etwaiger Operationen in Afrika erboten ; doch herrshe in Madrid die Ansicht, daß gegenwärtig nichts zu befürchten sei, da die Kabylen mit Erntearbeiten beschäftigt sind.

Ein Beamter des Staatsschaßes ist nach Kadix abgereist, um sih dort nah Marokko einzuschiffen und in Mazagan die erste Nate der Kriegsentschädigung einzutreiben, welche der verstorbene Sultan von Marokko am 3. Mai Spanien zur Verfügung gestellt hat. Zu dieser Mission ist der Kreuzer „Legazpi“ ausersehen, der, wie telegraphisch gemeldet wird, Kadix bereits verlassen hat.

Niederlande.

Aus dem Haag, 13. Zuni) meldet W. T. B: Dex Radjah von Lombok hat auf das Ultimatum der Regierung von Niederländisch - Jndien nicht geantwortet. Jnfolge dessen hat der General-Gouverneur van der Wyck den Befehl gegeben, eine Expedition nah Lombok zu senden.

Türkei. __ Vie die „Kölnische Zeitung“ aus Konstantinopel meldet, dürfte der Khedive, welcher auf Wunsch des Sultans die Reise an die europäishen Höfe aufgegeben hat, statt dessen jeßt nah Konstantinopel kommen.

Schweden und Norwegen.

Die Zeitung „Verdens Gang“ meldet aus Christiania: Der norwegische Konstitutionsausshuß hat sih gegen die Annahme des Antrags auf Verweigerung der Ausgaben für den diplomatischen Dienst ausgesprohen. Der Aus- chuß hält es nicht für praktisch durchführbar, in dieser Weise die diplomatishe Gemeinschaft Norwegens mit Schweden aufzuheben, da die Vorarbeiten zur Errichtung eines besonderen norwegischen diplomatishen Dienstes noch nicht vorliegen. Die Mehrheit des Ausschusses stellt da- gegen anheim, daß der Storthing an dem vorjährigen Beschluß esthalte, die Etatspositionen für geheime diplomatishe Aus- gaben und für den Wiener Gesandischaftsposten abzulehnen. Der Ausschuß spricht sih mißbilligend darüber qus, daß die Regierung in der Beo des Staatsraths vom 4. De- ¿ember 1893 den Beschluß nicht verhindert habe, daß, entgegen dem Beschluß des Storthings, die Wiener Ge- sandtschaft bis auf weiteres als Gesandtschaft beider Reiche aufrecht erhalten werden solle, die gesammten Ausgaben für diese Gesandtschaft aber von Schweden allein zu bestreiten seien. Die Mehrheit des Konstitutionsaus\husses beantragt daher, der Storthing wolle für die Bewilligung der Ausgaben für den diplomatischen Dienst die Bedingung Tellan, daß die Ge- sandtshaft in Wien nicht als diplomatische Vertretung Nor- wegens aufrecht erhalten werde.

Amerika.

Aus Washington, 13. Juni, wird gemeldet: Der Senat beschloß heute, den Präsidenten zu ersuchen, falls von einem Lande, speziell Deutshland oder Spanien, wegen des zu erhebenden Zolls auf Zucker aus den Zucker-Exportprämien zahlenden Ländern Vorstellungen erhoben würden, dem Hause hiervon Mittheilung zu machen.

_ Wie über Buenos Aires gemeldet wird, spricht sih die bei der gestrigen Eröffnung des Kongresscs der Republik Ecuador verlesene Botschaft für die Goldwährung aus. Bei den Senatswahlen in Ecuador unterlagen die Konserva- tiven. Ferner wird gemeldet, daß in Venezuela das weitere Erscheinen der Öppositionsblätter von der Behörde verboten worden ist.

Asien.

Ueber den Aufstand in Korea wird dem „Standard“ aus Shanghai gemeldet, daß die Aufständischen die Stadt Söul (am Hankang, an der Westküste) eingenommen haben. Japanische und andere ausländishe Truppen seien in Korea gelandet, um Leben und Eigenthum der Einwohner zu schüßen.

ach einer Depesche des „Reuter’shen Bureaus“ aus Shang-

al träfe der König von Korea Anstalten, um nah Japan zu entfliehen.

Afrika.

Uebex die Lage in Marokko wird gemeldei, daß nah von dort in Madrid eingetroffenen amtlichen Nachrichten kein Anlaß zu Beunruhigungen vorhanden sei. Wie aus Tanger gemeldet wird, marschiert Sultan Abdul Aziz mit seinen Truppen nah Fed. Von Gibraltar is gestern das englische Kanonenboot „Bramble“ nach Tanger in See gegangen.

Aus Toulon wird gemeldet, Vize- Admiral Baucheron de Boissoudy werde mit dem „Formidable“ und zwei Kreuzern in der Richtung nah Gibraltar absegeln, falls die Wichtigkeit der Ereignisse es erheischen sollte.

__ Nach Mittheilungen aus Oran passierten die idi „Hoche“, „Neptune“ und „Tage“ in der vergangenen Nacht die Küste in der Richtung nah Marokko.

Parlamentarische Nachrichten,

Bei der gestrigen Reichstags - Ersaßwahl im 6. Shleswig-Holsteinshen Wahlkreise (Pinneberg- Segeberg) erhielten, wie „W. T. B.“ meldet: Mohr i 6091 St., Kopsch (fr. Volksp.) 5052 St., Raab (Antisemit 2401 St. und von Elm (Soz.) 12267 St. Es hat also Stichwahl zwishen Mohr und von Elm stattzufinden.

Mr: 24. dex ¿BeroffentliGungen des KaiserliGen Gesundheitsamts" vom 13. Juni hat folgenden Inhalt: Ge- sundheits\and und Gang der Volkskrankheiten. Zeitweilige Maß- regeln gegen Cholera 2c. Desgl. gegen Gelbfieber. Desgl. gegen Pocken. Oeffentlihes Gesundheitswesen im Reg.-Bez. Oppeln, 1886/91. Sanitätsbericht des oberschlesischen Knappschaftsvereins, 1892. Statistik des Sanitätêwesens in Desterreih, 1890. Medizinalstatistishe Mittheilungen aus Schweden, 1891. Ge- sundheits\stand in Christiania, 1892. Geseßgebung u. \. w. (Mecklen- burg-Schwerin.) Niederlassung von Thierärzten. (Sachsen-Alten- burg.) Maul- und Klauenseuche. (Italien.) Maul- und Klauen- seuhe. (Großbritannien.) Schweinemärkte. Gang der Thier- seuhen in Rumänien, 1. Vierteljahr. Desgl. in Serbien, 1. Januar bis 2. April. Desgl. in Bulgarien, 1. Januar bis 8. April. Zeitweilige Maßregeln gegen U (Italien, Luxemburg.) Nechtsprehung. (NReichsgericht. rlaß von Ab- sperrungs- oder Aufsichtêmaßregeln bei ansteckenden Krankheiten in Preußen). Geschenkliste. Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Städten mit 40000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Kranken- häusern deutsher Großstädte. Desgl. in deutschen ‘Stadt- und Landbezirken. Witterung.

Entscheidungen des Neichsgerichts.

Miethet eine von ihrem Ehemanne verlassene Frau, deren und ihres Mannes Vermögensverhältnifse den Vorschriften des Preuß. Allg. Landrechts unterliegen, eine für ihre Unterkunft erforderliche Wohnung, so haftet, nah einem Urtheil des Neichsgerichts, 11. Straf- fenats, vom 13. Februar 1894, wenn nihts Besonderes ausdrücklih vereinbart ist, für die Miethschuld der Ehemann allein, nicht aber die Ehefrau. Die Ehefrau darf sich daher mit dem zu ihrem vorbehaltenen Vermögen gehörenden Mobiliar gegen den Willen des Wirths aus der Wohnung, . ohne den Miethspreis gezahlt zu haben, entfernen, nicht aber mit dem zu ihrem in die Ehe eingebrachten Vermögen gehörenden Mobiliar. Frau Sch. zu Berlin hatte, während sie von ihrem Manne verlassen und mit dem- selben im Scheidungêprozeß begriffen war, ein Zimmer gemiethet und in dasselbe Gezenstände mitgebracht, welche theils zum vorbehaltenen, theils zum eingebrachten Vermögen im Sinne der §§ 206 flgd., 210 des Preuß. A. L.-N. gehörten. Einige Monate später verließ sie das Zimmer unter Mitnahme der Sachen, obwohl von dem Vermiether wegen rückständigen Miethszinses die Ausübung des Zurückbehaltungs- rets erklärt war. Frau Sch. wurde wegen strafbaren Eigennußes („NRückens*) aus § 289 Str.-G.-B. vom Landgericht T Berlin ver- urtheilt, indem es annahm, daß dem Vermietbher auch an den zum vorbehaltenen Vermögen gehörigen Sachen ein Pfandrecht zugestanden habe. Die Revision. der Angeklagten wurde vom NReich8gericht zum theil für begründet erachtet, indem es ausführte: „Vorausseßung des Pfand- rechts aus § 395 A. L--N. T 21 ist der rechtswirksame Abschluß eines Miethsvertrages, und folhen bestreitet die Revision hinsichtlih der Angeklagten infofern, als bein Vorhandensein der vom Vorderrichter festgestellten Vorausseßungen des § 326 A. L.-R. IT 1 (H,at der Mann si entfernt, ohne wegen des Unterhalts seiner Familie hin- reichende Verfügungen zu treffen, so muß er diejenigen Schulden, welche die Frau zu solhem Behufe hat aufnehmen müssen, als die seinigen anerkennen“) niht die Ehefrau, sondern nur der abwesende Ehemann für die Miethschuld hafte... Aus der Allein- haftung des Ehemannes folgt nun zwar nicht, daß sämmtliche von der Ehefrau in die Wohnung eingebrahte Sachen vom Pfandrechte des Vermiethers frei bleiben. Denn nach der Deklaration vom 21. Juli 1846 reiht das Pfandrecht des Vermiethers so weit, als die Verfü U des miethenden Ehemanns, und diese er- streckt sich lid § 247 AÀ. L.--N. Il 1 auf die zum Eingebrachten der Ehefrau gehörigen Mobilien; die auf Grund des für den Che- mann bindend geschlossenen Miethsvertrags' in die Wohnung inferierten Sachen der Chefrau müssen deshalb, soweit sie zu threm Ein- gebrachten gebörten, als von dem Ehemanne inferiert und infoweit als dem Pfandreht des Vermiethers unterworfen gelten. Nach der Feststellung des Vorderrichters hat aber ein Theil der von der Angeklagten ausgeräumten Sachen zum vorbehaltenen Vermögen derselben gehört, und insoweit stand dem Ehemann nah §8 248, 249 a. a. O. kein Verfügungsreht und mithin auch dem Vermiether kein Pfandrecht zu. Ein solches würde vielmehr an den vorbehaltenen Mobilien nur dann entstanden sein, wenn die Angeklagte in die Ver- pfändung seitens des Ehemanns eingewilligt oder bei Abschluß des Vertrages zum Ausdruck gebracht hätte, daß sie für sih felbst und im eigenen Namen kontrahieren und für die Erfüllung der übernommenen Verbindlichkeiten mit ihrem vorbehaltenen Vermögen haften wollte (§8. 248, 318, 319 && O) (18/94)

Ein Fabrikdirektor is, nah einem Urtheil des Reichs- gerihts, 1V. Strafsenats, vom 6. März 1894, als solcher zwar regel- mäßig zur Aufforderung von ohne Befugniß in den Fabrikräumen verweilenden Personen, sih zu entfernen, nicht aber ohne weiteres zur Stellung des Strafantrags gegen jene Personen, welche der Aufforderung keine Folge geleistet ba en, wegen Hausfriedensbruhs berechtigt. „Die See des N. als Fabrikdirektor begründet die Befugniß desselben, über die Räumlichkeiten _ der aure zu verfügen, da seine Persoa nah dem Sprachge rauch des Worts die Spiße der Fabrikyerwaltung und demnach- au den Träger des Hausrehts innerhalb der Fabrik repräsentiert. Dagegen is die Befugniß des N., den Strafantrag wegen Haus- friedensbruhs zu stellen, nit festgestellt. Die Akten ergeben nicht, ob die Fabrik, als deren Direktor der Genannte bezeichnet wird, im Eigenthum eines Privatmannes oder ciner Gesellschaft steht, und ob N. etwa zu den Organen einer folchen gehört oder vom Eigenthümer R oder als dessen Stellvertreter im Willen zu betrachten ist. Die Eigenschaft als Fabrikleiter begründet eine Vermuthung für leßteres Verhältniß nit.“ (250/94.)

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.

Das für A azges von einer Ortsgemeinde mit Ge-- nehmigung der Staatsregierung festgeseßte Werstgeld iff nah einem Urtheil des Ober - Verwaltungsgerihts, IT. Senats, vom 28. April 1894, ohne weiteres auch für Floßladungen zu entrichten. „Die Ansicht des Klägers ist zurückzuweisen, daß er bei Entladung eines Flos\ es überhaupt nicht zu einer Abgabe herangezogen werden könne. Denn der Tarif bestimmt vorab in § 1, daß das Werft-, Krahn- und Lagergeld für die Benußung des Rheinwerfts zu ent- richten ist; eine folche Benußung findet aber bei dem Entladen von

lôößen in __niht geringerem Umfang statt, als bei solhem von

iffen. Sodann lautet der § 2: „Von allen Gegenständen, welche an dem im §1 bezeihneten Rheinwerft aus- oder eingeladen werden, sei es vom Ufer in das Schiff, bezw. vom Schiff auf das Ufer oder unmittelbar von Schiff zu Schiff, in leßterem Falle jedoch nur, wenn eins der Schiffe an das Werft oder Ufer angelegt hat wird ein Werftgeld erhoben." Die leitende entscheidende Bestimmung ist hier in dem Hauptsaßze dahin gegeben, daß von allen aus- oder ein-

gie Gegenständen das Werftgeld erhoben wird; der Zwischen- » tritt dem nicht allgemein wiedereinshränkend entgegen, sondern umgrenzt nur erläuternd die in ihm behandelte nah Lage der Verkehrsverhältnisse jedenfalls im Vordergrunde stehende besondere Gattung von Fällen. Es ist nicht möglich, das Floßholz von jenen Gegenständen zu eximieren.“ (II 656.)

In Bezug auf § 12 des Baufluchtengeseßes vom 2. Juli 1875 („Durch Ortsstatut kann festgestellt werden, daß an Straßen oder Straßentheilen, welhe noch niht gemäß der baupolizeilihen Bestim- mungen des Orts für den öffentlihen Verkehr und ven Anbau fertig hergestellt sind, Wohngebäude, die nah diefen Straßen einen Ausgang haben, nit errichtet werden dürfen.“) hat das Ober-Verwaltungs- geriht, IV. Senat, durch Urtheil vom 2. Mai 1894 ausgesprochen, daß makadamisierte (chaussierte) Straßen in Städten, in welchen baupolizeilich als Erforderniß einer für den öffentlihen Verkehr und den Anbau fertig gestellten Straße bestimmt is, daß der Fahrdamm mit einer für den städtischen Verkehr geeigneten Befestigung versehen sei, als gemäß der polizeilichen Vorschrift befestigt zu erahten sind, selbst wenn diese Befestigung in mangelhafter, EAE s Reparaturen bedingender Weise ausgeführt ist. Dem Grundstücksbesißer X. in D. wurde durch Verfügung der Orts-Polizciverwaltung vom Séptember 1893 die nachgesuhte Ge- nehmigung des Baues eines Pferdestalls nebs Kutsherwohnung auf seinem Grundstück, Feldstr. 32 zu D. verfagt, bis er einen Beitrag zu den Kosten der Freilegung, ersten Einrichtung und Kanalisation der E in Höhe von 1236 F gezahlt habe. Begründet wurde die polizeiliche Verfügung durch den Hinweis auf das örtliche, dem § 12 des Baufluchtengesetzes E A Statutarreht und durch die Behauptung, daß die Feldstraße, gleihwie andere Straßen in D., makadamisiert sei und erst jeßt mit einer für den städtishen Verkehr geeigneten Befestigung dur Steinpflasterung versehen und somit für den Anbau und Verkehr fertig gestellt werden solle. „Nach § 1 der Baupolizeiverordnung für D. vom 8. Mai 1888 ist als Erforderniß einer für den öffentlihen Verkehr und den Anbau fertig gestellten Straße bezeichnet: „Die Straße muß, der vorgeschriebenen Höhenlage und den Fluchtlinien entsprehend geebnet und der Fahrdamm mit Cer Fe Den städtishen Verkehr geeigneten Befestigung versehen sein.“ Auf die Klage des MSLEE besißers hob der Bezirksausshuß zu D. die Polizeiverfügung auf, und auf die Berufung der beklagten Orts-Polizeiverwaltung bestätigte das Ober-Verwaltungsgeriht die Vorentscheidung, indem es begründend ausführte: „Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Chaussieren, insbesondere das sogenannte Makadamifsieren, an si ein weitverbreitetes und_ S Befestigungsmittel \tädtisher Straßen is, das zweifellos dem Kopfsteinpflaster gegenüber Mängel hat, andererseits aber au, wie namentli in der Schonung der Zugthiere und durhch die größere Fernhaltung von ip und Geräush bei den Transporten, Vorzüge bietet, die es zur Folge gehabt haben, daß die Anwendung dieses Befestigungsmittels bisher gerade in großstädtischen, dem Lastwagenverkehr entzogenen, mit einem gewissen Luxus aus- gestatteten Straßen erfolgt ist. Es ist daher au gänzlich ausgeschlossen, diese Befestigung allgemein als für den städtishen Verkehr nit ge- eignet bezeihnen zu wollen. Nun behauptet die Beklagte . . . , daß den in D. makadamisierten Straßen eine regelrechte Packlage von Steinen. fehlt. So wesentlih an fich dieser Mangel fein mag, indem er naturgemäß die mit dem Makadamisieren ohnehin verbundenen Nachtheile vershärft und so häufigere Reparaturen erforderlich macht, so kommt derselbe doch nicht für die Anwendung jener e verordnung in Betraht. Der Vorderrichter stellt aus eigener Wissen- schaft fest, daß die fraglihe Bauwecise nicht etwa nur in der Feld- straße, sondern in einer großen Anzahl anderer, auch alter Straßen zu D. angewandt worden ist.“ (IV. 559.)

Schulwesen.

Die Zahl der Berliner Gemeindeschulen beträgt zur L 204 Anstalten mit 3435 Klassen (einshließlich 94 fliegende), die Ge- sammtzahl der vorhandenen Klassenzimmer 3434 (davon 93 unbeseßt). Von den Klassenzimmern befinden sich 3227 inkl. 78 S in eigenen Schulhäusern und Gebäuden der Stadt, 207 inkl. 15 un- beseßter in gemietheten Räumen. In wirkliher Benußung sind demnach 83149 Klassenzimmer in eigenen Schulhäusern und Gebäuden der Stadt und 192 Klassenzimmer in ge- mietheten Räumen, zusammen 3341 Klassenzimmer. Da außerdem zur Zeit noch in 94 sogenannten fliegenden (d. h. überzähligen) Slalsen unterrichtet wird, so beträgt die Gesammtzahl der bestehenden Klassen 3435. Die Zahl der in den Gemeindeschulen eingeshulten Kinder betrug am 1. Mai 1894: 182353, und zwar 90 297 Knaben, 92056 Mädchen, am 1. November 1893: 179 966, und zwar 88 917 Knaben, «91049 Mädchen, daher am 1. Mai 1894 gegen den 1. November 1893 mehr 2387 Kinder, und zwar 1380 Knaben, 1007 Mädchen, Die Zahl- der überzähligen (fliegenden) Klassen mußte von 82 auf 94 vermehrt werden.

Verdingungen im Auslande.

B elgien. Finanz-Ministerium in Brüssel: Lieferung von: 1) 6000 kg 4 fahen Bindfaden aus starkem Hanf. 2) 2000 kg feinem Stangen-Siegellack. i

25. Dunk

Dänemark.

23. Juni, 2 Uhr. Staatsbahnverwaltung (Banechefens Contor. Colbjörnsensgade 11) Kopenhagen: Bau eines ca. 90 Fuß langen Tunnels auf der Station Fridericia, Bedingungen und Zeich- nungen zur Ansicht an Ort und Stelle, sowie auf 4 de Banesections- Contor in Fridericia und auf 6 de Banesections-Contor in Aarhus.

Verkehrs-Anstalten.

Bremen, 14. Juni. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Postdampfer „Wittekind *, nah New-York bestimmt, hat am 11. Juni 7 Uhr Abends Lizard passiert. Der Postdampfer Mark", von Brasilien kommend, is am 13. Juni 8 Uhr Morgens auf der Weser angekommen. Der Schnelldampfer „Spree“ is am 12. Juni 2 Uhr Nachmittags von New -York via Southampton nach der Weser abgegangen. Der Schnelldampfer „Trave“ am 5. Juni von New - York abgegangen, is am 13. Jun 14 Uhr Nachmittags in Southampton angekommen und hat 2 Uhr Nachmittags die Reise aach Bremen fortgeseßt. Derselbe überbringt 494 Passagiere und volle Ladung. Der Schnelldampfer „, Havel“ hat am 13. Juni 2 Uhr Nachmittags die Reise von Southampton nah New-York fortgeseßt. Der Reichs- Postdampfer „Oldenburg“, hat am 183. Juni, 15 Uhr Nachmittags, die Reise von Southampton nach“ Antwérpen fortgeseßt. j