1894 / 144 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 21 Jun 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Oesterreich - Ungarn.

Heute findet im ungarischen Oberhause die Be- rathung über das Zivilehegeseß statt. Dem „Budapesti Hirlap“ zufolge wird Stephan Keglevih einen Beschluß- antrag einbringen, wodurch die Regierung aufgefordert werden soll, bei dem seinerzeitigen Jnkrafttreten der Zivilehe die

ivilfunktionäre anzuweisen, in jedem einzelnen Falle die

arteien darauf aufmerksam zu machen, daß durch die Zivil- _trauung den kirchlichen Anforderungen niht genügt werde; erner soll nach diesem Antrag der Zeitpunkt der Ziviltrauung E gewe werden, daß die kirhlihe Trauung unmittelbar olgen fann.

| Ueber die heutige Sißung liegt folgendes Telegramm vom Vormittág vor: Die Straße vor dem o g ijt von einer großen Menschenmenge angefüllt, die Zufahrt der Magnaten vollzog sih ohne Störung; die Galerien sind überfüllt. Die römisch-katholischen und die griechish-orientalischen Bischöfe sind vollzählig erschienen. Von Hofwürdenträgern sind Ee hall Graf Szecsen von Temerin, Franz Zichy, Geza Szapary anwesend , ferner der Sektionshef Cziraky. Die Debatte über die Ehegesez-Vorlage wurde sofort begonnen ; Gajzago und Vay sprachen für, Franz de Paula Graf Zichy gegen die Vorlage. : : :

Die „Wiener Zeitung“ veröffentliht die Handels- konvention zwishen Oesterreich-Ungarn und Rumänien vom 21. Dezember 1893.

| Großbritannien und Jrland.

Gestern, 20. Juni, vollendete die Königin das 57. Jahr ihrer Regierung; ihr Oheim William IV. starb am 20. Juni 1837. - l l

Die russishe Yacht „Polarstern“, mit dem Großfürsten- Thronfolger an Bord, traf gestern Nachmittag 11/2 Uhr in Gravesend ein. Beim Einlaufen wurde sie mit Salutschüssen vom Fort Tilbury empfangen. Die Begrüßung des Groß- fürsten-Thronfolgers seitens der Mitglieder der russishen Bot- schaft und des Stallmeisters der Königin, Obersten Byng fand an Bord des „Polarstern“ statt. Sodann fuhr der Großfürst- Thronfolger nah dem Südbahnhof, wo eine Ehrenwache auf- gestellt war, und begab sich von Us aus mittels Extrazugs nah Walton on Thames zum Besuch des Prinzen Ludwig von Battenberg. : :

Jn Leeds fand gestern eine Konferenz des national- liberalen Verbandes, welcher etwa 2000 Delegirte, dar- unter Labouchère und Wilfried Lawson, beiwohnten, statt. Sie nahm eine Resolution an, in welcher erklärt wird, die Be- fugnißdes Oberhauses, von den erwählten Volksvertretern genehmigte Geseßvorlagen zu verstümmeln oder abzulehnen, müsse aufhören; eine andere Resolution, in welcher die Re-

ierung aufgefordert wird, eine Vorlage einzubringen, die das Veto-Recht des Oberhauses abschafft, wurde ebenfalls an- genommen; dagegen wurde ein von Labouchère eingebrachter Antrag, welcher die Abschaffung des Oberhauses verlangt, ab- gelehnt.

Frankreich.

Wie schon in Nr. 142 des „N. u. St.-A.“ kurz erwähnt, sind die beiden Arbeiter, welche zwei deutsche Eisenbahn- beamte in Pagny a. d. Mosel kürzlih überfallen hatten, ohne von diesen irgendwie provoziert worden zu sein, von der Strafkammer in Nancy zu 40 bezw. 8 Tagen Gefängniß verurtheilt worden. Der Gerichts-Präsident betonte, daß nur durh das ruhige Verhalten der Deutschen ernste Ver- wicklungen vermieden worden seien. Der Staats- anwalt führte aus, wie ungerehtfertigt der von den Angeklagten verübte Angriff gewesen sci; denn die deutshen Beamten seien an ihnen vorbeige- kommen, ohne sih irgend welche Provozierung zu Schulden kommen zu lassen. Der echte Patriotismus bestehe nicht in Handlungen solcher Art. Jn anderen Ländern dürfe man niht zu dem Glauben kommen, daß sich Franzosen solche Brutalitäten zu Schulden kommen lassen; man müsse im Gegentheil in Europa den Ruf der französishen Großmuth, el e die Stärke Frankreihs ausmache, zu erhalten suchen.

Der Anarchist Meunier, der angebliche Urheber des Dynamitanschlags im Restaurant Véry und der Brasserie Lobau, wurde am Montag in Dieppe, wohin ihn vier englische Schutzleute gebracht hatten, an die französischen Behörden aus- geliefert und nah Paris geschafft. Er kam gegen 7 Uhr auf dem Bahnhof Montparnasse an und wurde sofort nach der Polizeipräfektur gebracht. Meunier leugnet, daß er der Ur- heber der beiden Anschläge sei.

Die sozialistishen Abgeordneten haben abermals den An- trag eingebracht, die Sühnfkapelle niederzureißen. Jn der Begründung des S werden Ludwig der XVI. und der

ingerihtete Anarchist Vaillant in eine Parallele gestellt. Ein bgeordneter derselben Gruppe, Vivéant, hat den Antrag ein- gebracht, die den Ehebruch bestrafenden Artikel des Straf- geseßbbuchs aufzuheben.

Nußland.

Aus der Rede, die der Finanz-Minifter gestern beim Schluß der Spezialkonferenz zur Berathung einer Herabsezun der Getreidoausfuhrtarite hielt, geht nah einer Mel: dung des „W. T. B.“ hervor, daß eine Herabsezung der Tarife nah den CuparlLven nur für Saratow zu erwarten sei. Die anderen Tarife bleiben unverändert.

Jtalien.

In der gestrigen Sißung der Deputirtenkammer wurde bei Ferng des Art. 1 der Finanzvorlage der Antrag der Agrarier auf einen Eingangszoll von 8 Fr. für Getreide in namentliher Abstimmung mit 190 gegen 12 Stimmen abgelehnt, der Antrag der Regierung auf einen Eingangszoll von 7 Fr. durch Aufstehen und Sitzen- bleiben angenommen. : i ;

Jn der Encyklika, deren Veröffentlihung nach einer Meldung des „W. T. B.“ unmittelbar bevorsteht, erinnert der Papst an die Kundgebungen zu seinem Jubiläum und erklärt, er wolle gleihwie Christus am Ende seines Lebens alle Menschen ohne Unterschied des Landes und der Rasse zur Einheit des Glaubens aufrufen. Jndem der Papst zu- nächst die niht-christlichen Völker : betont er, die Kirhe werde mit steigendem Eifer das der Ausbreitung des christlichen Völker erinnert der P

in Betracht Fiel

erkt wahren Glaubens fortsegen. Die apst an die Religionseinheit, welche ehemals das S dd Vätererbe selbst inmitten des

Kampfes um die irdishen Dinge gebildet pa. Die Griechi h- Katholishen weist der Papst darauf hin, daß ihre Vor- fahren den römischen Pontifex anerkannten, wie es die Lateiner

und Griechen auf den Konzilen zu Lyon und Florenz thaten. e Ede seien die Grieish-Katholischen den Römisch- atholischen gegenüber freundlicher gesinnt; er lade sie ein L einer völligen Vereinigung mit der alis Priva Kirche. Er werde die Riten und patriarchalishen Privilegien der Griechish-Katholischen aufreht erhalten. Besonders gelte seine Einladung den slavishen Völkern. Auch an die protestan- tishen Völker richtet ha die Encyklika. Den Protestanten fehle die feste Richtschnur für den Glauben und die Autorität. Einige Protestanten dit dahin gelangt, die Gottheit Christi und den göttlichen Ursprung der heiligen Schriften zu leugnen und seien dem Materialismus und Naturalismus verfallen. Das Schriftstück gedenkt sodann der erleuchteten Protestanten, welhe heilsbegierig wieder zum Katholiziómus zurü- kehrten, und ermahnt die übrigen ebenfalls zur E damit alle denselben Glauben, dieselbe Hoffnung, dieselbe Liebe hätten, gegründet auf demselben Evangelium. Der Papst ermahnt ferner die Katholiken, an der Gleichgültigkeit inmitten drohender S zu rütteln und den kirhlihen Oberen unbedingt zu gehorhen. Bescelt von versöhnlichem Geiste gegenüber den bürgerlichen Gewalten, sei die Kirche gern bereit, mit ihnen Vereinbarungen zu treffen. Die Encyfklika beklagt sodann die Fälle von Unterdrückung, welhe neuerdings wieder, dem alten, der Kirche feindlichen Geiste entsprungen, sih gezeigt hätten, und wendet sih entschieden gegen die frei- maurerische Sekte, die „Feindin religiöser Einheit“, welche sth kühn in Rom ausbreite; Jtaliener und Franzosen möchten den Despotismus dieser Sekte von sih abshütteln, damit die Glaubenseinheit aller Völker die Uebel des Krieges und des gegenwärtigen Zustands in Europa beshwöre. Der Papst be- spriht zum Schluß die soziale Frage, deren Lösung er be- reits im Geiste des Evangeliums empfohlen habe, ermahnt hinsichtlih der Politik zur Uebereinstimmung der Völker mit den herrshenden Gewalten, möge die Form der Regierung sein, welche sie wolle, und fordert die Regierungen zur Unter- ]stüßung der religiösen Einheit mit allen Kräften auf, damit niht das Ende dieses Jahrhunderts dem stürmischen Ausgang des vorigen Jahrhunderts gleiche. E Mis Rom, Al. Juni, meldet V. T0: Die m Ausland v-rbreiteten Nachrichten von angeblichen blutigen Zu- sammenstößen zwischen den Studenten und dem Militär in Neapel, wobei eine Anzahl Verwundungen vorgekommen sein sollen, sind unbegründet. Thatsächlich sind in den leßten Tagen seitens der Studentenschaft der Universität Neapel einige unbesonnene Streiche verübt worden, denen jedoch keine Bedeutung beizumessen ist. Die Jahresshlußprüfungen nehmen ihren Fortgang. Die Truppen werden nur vorsihtshalber in Bereitschaft gehalten.

Spanien.

Die Deputirtenkammer soll heuie den Antrag Gasset berathen, wonah eine parlamentarishe Untersuhung über Schiffsbauten verlangt wird. Der Kriegs-Minister wird den Antrag bekämpfen und die Vertrauensfrage stellen. Der Ministerrath beschloß, die parlamentarische Session bis zur Genehmigung des Budgets und der Geseße zu verlängern, welche mit dem U in Verbindung fiehén; durch den der Regierung wegen des Abschlusses des kommerziellen modus vivend1 mit mehreren Staaten Fndemnität ertheilt wird.

Bulgarien.

rinz Ferdinand und Gemahlin sind von ihrer Reise in Ostrumelien nah Sofia zurückgekehrt.

Schweden und Norwegen.

Die Königin sowie der Kronprinz und die Kron- prinzessin trafen am 18. d. M. von Sophieruh in Schloß Tullgarn ein, wo die drei Prinzen nun mit den kronprinzlichen Eltern wieder vereint sind; die Königin reiste sodann nach Stockholm weiter.

Der Gesandtschafts-Sekretär in St. Petersburg Freiherr von Beck-Friis 1, wie „W. T. B.“ aus Stockholm meldet, zum Gesandtschafts-Sekretär in Berlin ernannt worden. An seine Stelle ist der bisherige Berliner Gesandt- \schafts-Sekretär Baron Gustaf Falkenberg getreten. Der Gesandtschafts - Sekretär in Paris Graf von Wrangel ist in gleicher Eigenschaft nah Wien versezt worden.

Amerika.

Aus Washington, 19. Juni, meldet das „Reuter'sche Bureau“: Der Senat machte heute rasche Fortschritte mit der Berathung der Tarif-Bill. Es bleiben nur noch die Freiliste, die Einkommensteuer und die Vorschläge bezüglich der indirekten Steuern und etliche andere mit dieser Bill zusammenhängende Verwaltungsmaßregeln zu erledigen. Die Debatte dürfte diese Woche noh zum Abschluß kommen. :

Nach in Paris eingetroffenen Nachrichten aus Curitiba haben die Regierunostruppen die zwishen Lorena und Rio Grande gefangen genommenen Aufständis chen erschossen. Saraiva bereite sich zum Angriff vor.

Afrika.

Zur Lage in Marokko liegt das nachstehende, zum theil gestern hon kurz erwähnte P des Neuterschen Bureaus aus Tanger vor: Mulei Mohammed, der älteste Sohn des verstorbenen Sultans, der bekanntlich als Kron- prätendent auftritt, ist in Marakesh ins Gefängniß geworfen worden. Darauf hat er dem neuen Kaiser gehuldigt. Auch der mächtige Scherif von Wazan hat den Abdul Aziz anerkannt. Desgleihen die Städte Ma- rakesh und Mequinez. Der berühmte Zayani, das Haupt des Zayan-Stammes, dem man in seinen unzugänglichen Bergen thatsächlih nihts anhaben kann, hat nicht nur sofort den neuen Sultan anerkannt, sondern auch 3000 Bewasffnete zur Aufrechterhaltung der Ordnung auf der Straße, die von Fez nah Mequinez führt, geshickt. Nirgends erhebt sich Widerstand gegen die neue Ordnung, und alle Straßen im Jnnern sind offen.

Die Proklamation des Sultans Abdul Aziz an die Häuptlinge Marokkos lautet: :

„An die Kinder der Gläubigen und Vasallen des Fürsten der Gläubigen. Nach dem Willen des allmächtigen Allah ist sein erlauhter Moe, der unvergeßlihe Emir Al Mumenin, mein geliebter Vater

ulei Hassan, welchem Allah die Freuden des Paradieses gewähren möge, in die Regionen der Wahrheit und des Friedens eingegangen. Nach seinem Willen, der stets zu befolgen is, nah dem seiner Veziere (jeßt unserer) Sidi Mohammed Benelarb, Sidi Bahamet und Sidi Fedul-al-Gharnit, nah dem Willen seines Heeres (jeßt unseres) und nah dem aller wahren Gläubigen, die seinem Willen gehorsam sind, bin ih jeßt zum Emir der Gläubigen erwählt worden

und bin als solher {hon in fast allen Theilen des Reichs proklamiert

äuptling Ohamu

zu erlassen, damit ih mit Hilfe Allahs über Eu herrshe. Unk möge Allah seine Gnadenfülle über alle Gläubigen ergießen und meinen Geist und den meiner Veziere inspirieren, recht zu handeln und diejenigen zu bekämpfen, welche, inspiriert von den böfen Erzengeln unseren Geboten und Wünschen widerstehen, welhe der Ausfluß der Verordnungen des allmächhtigen Allah und des Friedens find.“ Der verstorbene Sultan Mulei Hassan is auf dem Sallah-Friedhofe in Rabat begraben worden. Das Leichenbegängniß war eindrucksvoll. Der Sarg wurde von Tadla, wo der Sultan starb, von Mauleseln nah Rabat ge- ogen. Während der ganzen Fahrt wurde der große Sonnen- Sani das Zeichen der Gewalt, über dem Sarg gehalten. Das eshah so lange, bis der Sarg in die Erde gebettet wurde. Sobald ieLeiche bestattet war, wurde der Sonnenschirm über dem Haupt des neuen Sultans gehalten. Abdul Aziz konnte sich bei der Bestattung der Thränen nicht erwehren. Dann wurde die Pro- klamation verlesen, und Abdul g ita seinen weißen Hengst und ritt, begleitet von allen Ministern und dem ge- sammten Hof, durch die Stadt. Das Volk beugte sich zur Erde. Das nah Tanger beorderte portugiesi]che Panzerschiff „Vasco deGama“ ist unter dem Kommando des Us Marine-Ministers Kapitän Ferreira-Amaral von Lissabon dorthin abgegangen.

worden. Ic fordere Euch auf, eine folche Pro amation Ge [ls

Nr. ?% der „Veröffentlihungen des Kaiferlichen Gesundheitsamts“ vom 20. Juni hat folgenden Inhalt: Ge- sundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. Zeitweilige S regeln gegen Cholera 2c. Desgl. gegen Gelbfieber. Sterbefälle: an Infektionskrankheiten in Spanien, 1891 und 1892. Geseß- gebung u. s. w. (Deutsches Reich). Streu- und Futtermittel. (Preußen). Desinfektion von Eisenbahn-Rampen. (Berlin). Schweineshmalz. (Reg.-Bez. Cassel). Kinder- und Wöchnerinnen- sterblihkeit. Eiskalte Getränke. (Hamburg). Schlachtzwang und Sleischschau. (Desterreih. Bukowina). Scußpocken-Impfungen. (Ungarn.) L Valin (Schioeiz. Kanton Wallis.) Impfungen. Gang der Thierseuhen in Belgien, 1892. Desgl. în den Niederlanden, 1. Vierteljahr. Desgl. in der Türkei. Zeitweilige Maßregeln gegen Thierseuchen. (Schweiz.) Rechtsprechung. (Land- geriht Koblenz). Fahrlässige Tödtung durch ein Klystier von drei- prozentiger e Geburten und Sterbefälle in Aachen, Elberfeld, Frankfurt a. M,, 1893. Wochentabelle über die Sterbe- fälle in deutshen Städten mit 40 000 und mehr Einroohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. Desgl. in deutschen Stadt- und Landbezirken. Witterung.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Nach § 327 des Strafgeseßbuhs wird die wissentlihe Verleßung von Absperrungs- oder Aufsichhts8maßregeln, welche von der zuständigen Behörde zur Verhütung des Einführens oder Verbreitens einer ansteckenden Krankheit ergriffen worden, mit Gefängniß bis zu 2 Jahren bestraft. Unter diese Bestimmung fallen. nah einem Urtheil des Reichsgerichts, 1V. Strafsenats, vom 30. März 1894, nicht die von dem preußishen Minister für die Medizinal-Angelegen- heiten erlassene Anweisung für Hebammen vom 22. No- vember 1888 oder sonstige Weisungen Mrg Behörden an die mit der Behandlung von Kranken betrauten Per- fonen. „Aus dem Begriff der Sanitäts- oder sonstigen Polizei folgt, daß unter polizeilichßen Vorschriften Anordnungen zu ver- stehen sind, mit denen fih die Staatsgewalt kraft der ihr zustehenden Crekutive an das Publikum als \olhes befehlend und vermöge der allgemeinen staatlihen Autorität Gehorsam fordernd, wendet. Wesentlich von ihnen verschieden sind die Weisungen, die den mit der Behandlung von Kranken betrauten Perlen von den mit ihrer Be- aufsihtigung geseßlich beauftragten Behörden oder Beamten ertheilt werden, insbesondere, wenn sie sich Lehr- büchern, Instruktionen, Anweisungen charakterisieren. Daß auch ihnen der Zweck zu Grunde liegt, eine zweckmäßige Behandlung der Erkrankten herbci- zuführen und dadurch den Eintritt oder die Uebertragung ansteckender Krankheiten qui andere zu verhüten, kann niht zweifelhaft sein. Dennoch aber find fie als sanitätspolizeilihe Maßregeln im Sinne des § 327 des Str.-G.-B. nicht anzusehen : denn sie. sehen ganz davon ab, ob eine ansteckende Krankheit bereits auêëgebrohen oder die An- zeichen eines bevorstehenden Ausbruchs vorhanden sind; fie wenden ih nicht an das Publikum, sfondern nur als Ausfluß der durch das besondere Dienstverhältniß begründeten Unter- ordnung an die der Behörde, welhe die Weisung erläßt, unter- geordneten Personen. ..… . Auch die Vorschriften in den §§ 5 und 6 der Min.-Anweisung für Hebammen, nach welchen sich die Hebs- ammen bei Ausübung ihres Berufs nah dem Lehrbuch und den es er- gänzenden Instruktionen richten, und zur Erfüllung dieser n A aat durch die den Verwaltungsbehörden zustehenden allgemeinen Zwangsmittel angehalten werden sollen, hen die Natur und das Wesen der das Lehrbuch ergänzenden Anweisung vom 22. November 1888 als einer lediglich instruftionellen Vorschrift erkennen.“ (102/94.)

Das Gefeß vom 19. Mai 1891, betr. die Prüfung der Ver- {lüsse und Läufe der Handfeuerwaffen, welhes das Feil- halten, auch das fahrlässige, von des vorgeschriebenen Prüfungs* zeichens ermangelnden Handfeuerwaffen unter Strafe stellt, seßt, nah einem Urtheil des Reichsgerichts, 111. Strafsenats, vom 16. Aprik 1894, O der Fahrlässigkeit nur das gewöhnliche Maß der einem gewissenhaften Mann für normale Verkehrsverhältnisse zu imputierenden Diligenz voraus; zu einer darüber hinausgehenden Diligenz ist der Händler strafre{htlih nit verpflihtet. Der Waffen- händler D. hatte vor dem Inkrafitreten des eseßes vom 19. Mai 1891 einen behördlich dazu bestellten Sachverständigen requiriert, diesem alle von ihm geführten Handfeuerwaffen einzeln zur Abstempelung in seinem Geschäftslokal persönlich über eben, auch nah sofort erfolgter Abstempelung wieder persönlich in Empfang genommen, worunter, wie später bei einer amtlichen Revision entdeckt wurde, auch ein Nevolver \sih befand, welchen der Sach- verständige versehentlih nux am Zylinder, niht aber daneben noch cin zweites Mal am Lauf abgestempelt hatte. D. wurde wegen fahr- lässigen Feilhaltens eines, des vorgeschriebenen Prüfungszeichens er- mangelnden Revolvers angeklagt. Die Strafkammer sprach ihn frei und die Revision des Staatsanwalts wurde vom NeiPpuennt vere worfen, indem es begründend ausführte: „Die Behauptung der Staatsanwaltschaft, Angeklagter habe selbständig die gehörig erfolgte Abstempelung nahprüfen müssen, habe sich auf den von ihm zugezogenen Sneeriind! en niht verlassen dürfen, und, weil er hiergeggn verstoßen, licge Fahrläsfigkeit vor, ist unhaltbar. Das Geseß vom 19. Mai 1891 seßt für die Schuld des im § 9 vorgesehenen Deliktes keinen besonderen Grad von Fahr- lässigkeit voraus und s\tatuiert nirgends ein Gebot der Sorgfalt oder Vorsicht, welches über das gewöhnliche Maß der einem gewi enhaften Manne für normale Verkehrsverhältnisse zu imputierenden Diligens hinausgeht. . . Au wenn Angeklagter persönlich jeden abgestempelten Revolver, sei es selbst, sei es etwa durch einen zweiten Sachverständigen nachgeprüft hätte, bezw. hätte nahprüfen lassen, würde ein gleihes Ver es troß aller Diligenz möglich gewesen sein. Das Geseß vom 19. Mai 1891 wollte den Handel mit Handfeuerwaffen gewissen Kontrolen unterziehen, nicht aber durch Aufstellung mit gewö nlichen Verkehrsverhältnifsen. und Verkehrsanshauungen unverträglicher An- forderungen hindern.“ (1007/94.)

in Gestalt von

als ständige Einrichtungen -

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerihts,

Eine Gemeinde ist nah einem Urtheil des Ober-Verwaltungs- erihts, IIT. Senats, vom 30. November 1893, im Sinne des Ge- epes, betreffend die Gewerbegerihte, vom 29. Juli 1890, Arbeit- eberin selbst dann, wenn sie Arbeiter (d. h. Gesellen, Gehilfen, abrifarbeiter und Lehrlinge, auf welche der 7. Titel der Gewerbe- ordnung Anwendung findet), ohne selbs Gewerbetreibende im Sinne der Reichs, Gewerbeordnung zu sein, also in kommunalen Betrieben, die niht den Charakter gewerblicher Betriebe haben, beschäftigt. Als ein dem Arbeitgeber gleihgestellter „Stellvertreter“ im Sinne des § 14 des gedachten Gesetzes is in Gemeinden ohne follegialishen Gemeindevorstand der Bürgermeister zu erahten, neben welhem auch der betreffende tethniscve Betriebs- leiter als „Stellvertreter“ der Gemeinde gelten kann. Der Mone rener in einer folchen Gemeinde is demnach weder als Borsißender des Gewerbegerihts noch als dessen Stellvertreter wählbar und feines Amtes als Vorsiuender zu entheben, wenn er denno dazu gewählt worden is. Dagegen ist in Städten mit kollegialischem Gemeindevorstand, in welchen „Stellvertreter“ der Gemeinde als Arbeitgeberin der Ma- gistrat, niht aber feine einzelnen Mitglieder find, der Bürger- meister zum Vorsißenden des Gewerbegerichts wählbar. Jn der westfälishen Stadt H., welche ein Gas- und Wasserwerk betreidt und woselbst kein kollegialischer Magistrat besteht, waren der Ober-Bürger- meister und der Zweite Bürgermeister zum Ae bezw. stell- vertretenden Vorsißenden des Gewerbegerihts im Gemeindebezirk ge- wählt worden. er Provinzialrath enthob beide dieser ihrer Aemter, und die dagegen vom Ober-Präsidenten erhobene Klage wurde vom L I abgewiesen, indem es begründend ausführte:

Der § 11 Abî}. 1 des Geseßes vom 29. Juli 1890 bestimmt: Der Vorsißende (des Gewerbegerichts) sowie deffen Stellvertreter dürfen weder Arbeitgeber noch Arbeiter sein.

Unter Arbeitgebern im Sinne dieser Bestimmung sind nicht bloß diejenigen zu verstehen, welche Arbeiter der im § 2 des Gesetzes be- zeihneten Art als selbständige Gewerbetreibende beshäftigen, sondern eine Gemeinde, auf deren Rechts|tellung es hier allein ankommt, ist Arbeitgeberin au dann, wenn sie solhe Arbeiter, ohne selbst Ge- werbetreibende im Sinne der Reihs-Gewerbeordnung zu sein, also in fommunalen Betrieben, die niht den Charakter gewerblicher Betriebe haben, beshäftigt. Es kann somit auf sih beruhen, ob die Stadt H. wegen threr Gasanstalt und ihres Wasserwerks, oder sonst als Ge- werbetreibende anzusehen is. Sie ift in jedem Falle Arbeitgeberin im Sinne des § 11 des Geseßes vom 29. Juli 1890. Es sind des- halb aber noch nicht ihr Ober-Bürgermeister und ihr Bürgermeister ebenfalls Arbeitgeber. Aus dem § 11 Abs. 1. des Gesetzes, betreffend die Gewerbegerichte, läßt sich somit die passive Wahlunfähigkeit - des Ober-Bürgermeisters und des Zweiten Bürgermeisters nicht herleiten. Dagegen ist diese aus dem § 14 Abs. 1 des Geseßes:

__ Den Arbeitgebern stehen im Sinne der 88 11 bis 13 die mit der Leitung eines Gewerbebetriebs oder eines bestimmten Zweiges desselben betrauten Stellvertreter der selbständigen Gewerbetreibenden glei, sofern sie niht nah § 2 Abs. 2 als Arbeiter gelten.

zu entnehmen. . .. Der §14 Abs. 1 kann zwar noch nicht auf jedes einzelne Mitglied eines vertretenden Organs, z. B. eines Magistrats, eines Kreisaus\chusses, angewendet werden. Vertreter ist hier nur der Magistrat, der Kreisaus\chuß in seiner Gesammtheit; das einzelne Mitglied nimmt nur an der Vertretung theil, ist nicht {selbt und son für sih allein der Vertreter. Dagegen werden ein Ober-Bürgermeister und ein Bürgermeister, die bei dem Mangel eines kollegialischen Ge- meindevorstandes allein in ihrer Person die Stadtgemeinde, die Ar- beitgeberin, vertreten, von dem § 14 Abs. 1 mitgetroffen. Dies selbst dann, wenn sie mit der technischen Leitung der in Betracht kommenden kommunalen Unternehmungen niht unmittelbar befaßt, sondern hierfür besondere Betriebsbeamte angestellt sind, und ferner, wenn die be- sonderen Betriebsbeamten ebenfalls . unter den § 14 Abs. 1 fallen ollten: (A. 25/93.)

Statistik und Volkswirthschaft. Die Handels- und Gewerbekammern sowie die kauf-

männishen Korporationen des Deutschen Reichs.

__ Von dem Bureau des Deutschen Handelstages ist kürzlich in den Mittheilungen an die Mitglieder (Nr. 11, Jahrgang XXXRI1V) ein nah Staaten und alphabetisch geordnetes Verzeichniß der Handels- und Gewerbekammern, der kaufmännishen Korporationen und der dem deutschen Handelstag angehörigen wirthschaftlichen Vereine des Deutschen Reichs herausgegeben worden, welhes nicht nur die Namen sämmtlicher Mitglieder und Sekretäre, Geschäftsführer 2c. jener Ver- einigungen, fondern au Angaben über die bezüglichen hauptsächlichsten Geseßesbestimmungen 2c. sowie über den Umfang der den genannten Korporationen zugewiesenen Bezirke und eine Karte der deutschen Handelskammern enthält.

Wir haben aus der dankenswerthen, mit großer Sorgfalt bearbeiteten Veröffentlichung die nachstehende statistishe Nachweisung zusammengestellt, welche in Verbindung mit den weiter unten folgenden Bemerkungen eine übersihtlihe Darstellung der betreffenden Einrich- tungen im Reich gewährt.

Es waren vorhanden :

; Handels- mit kammern 2c. Mitgliedern

83 1422 182 179 105 135 59

? 43 24 24 (E

9 15 24 14

C 34 s g 3 lsaß-Lothringen . . 4 52 Deutschen Reih . .. 144 2468 154

L In den nicht genannten Bundesstaaten Mecklenbur -Streligz, Schwarzburg-Rudolstadt und -Sondershausen, Waldeck, Shaumburg- lppe und Lippe bestehen besondere Organe zur Vertretung des andels und der Industrie überhaupt niht; in den mitaufgeführten roßherzogthüumern Mecklenburg-Schwerin und Oldenburg wird die b hrung dieser Interessen aus\chließlich durch Privatvereinigungen pevitkt, Die übrigen in der Uebersicht enthaltenen Korporationen veruhen sämmtlih auf geseßliher Grundlage bezw. auf besonderen deerordnungen, Statuten, Reglements 2c. Wenn die leßteren au in en einzelnen Bundesstaaten reht verschieden gus z. B. findet das preußische nter Vesey vom 24. Februar 1870 auf die zu O in, Stettin, Magdeburg, Tilsit, Königsberg, Memel, Danzig und ng bestehenden kaufmännischen Korporationen und auf das R ollegium zu Altona, welche für die betreffenden Städte die a tionen der Handelskammern ausüben, keine Anwendung, vielmehr iehen für die genannten Korporationen besondere, von der betgerung be tätigte Regulative, Statuten 2. —, so haben die oapfenden, inrihtungen im allgemeinen doch überall die Auf - t, „die Gefammtinteressen der Handels- und Gewerbetreibenden

Sekretären 2c.

P 00° bs C O

Baden

Pellen Necklenburg-Schwerin . Sachsen-Weimar Oldenburg

Braunschweig Ô Sachsen-Meiningen . Sachsen-Altenburg . . . . Sa sen:-Coburg-Gotka Anhalt

N O R IBMNE N

d 1A a N D i js pa | | Pia A | D O

ihres Bezirks wahrzunehmen, inébesondere die Behörden in der Förde- rung des Handeks und der Gewerbe durch thatsächlihe Mittheilungen, Anträge und Erstattung von kt 2d zu unterstüßen“ (preuß. d Ag E 1870 § 1). Nach der Organisation treten bald die Interessen des Handels, bald die der Industrie und Gewerbe mehr in den Vordergrund. In einigen Staaten im Königreich Sachsen (nur für den Leipziger Kammerbezirk), im Großherzogthum Sachsen-Weimar und in den drei Hansestädten bestehen für die Wahrnehmung der gewerblichen Interessen besondere Gewerbekammern neben den Handelskorporationen, in anderen so in Bayern und im Königreich Sachsen für die übrigen Kammerbezirke außer Leipzig bestehen die Handels- und Gewerbekammern aus getrennten Abthe ungen, die aber in der Regel doch gemeinsam tagen. Die Ver- schiedenartigkeit der Organisation und der vorwiegend wahrzunehmenden Interessen geht zum theil' hon aus den Bezeichnungen hervor, die den einzelnen Korporationen beigelegt sind. Von den 144 vorhandenen Einrichtungen führen 99 die Bezeilnung Handelskammer, 5 nenne sih Vorsteher oder Vorsteheramt der Kaufmannschaft, 3 Aelteste der Kaufmannschaft, je 1 HandelsgenofsensHaft, Handelsverein, kauf- männische Innungshalle, Korporation der Kaufmannschaft, vereinigte Kaufmannschaft, Kaufmannskompagnie und Königliches Kommerz- Kollegium, 5 heißen Gewerbekammern, 24 Handels- und Gewerbe- ero N s E und A E

i en]o verschieden, wie die geseßlichen und sonstigen rechtlihen Unterlagen, sind die Bezirke bezw. Gebiete, auf Ee E Thâtigkeit der 144 Handels- und Gewerbekorporationen erftreckt: 7 Kammern umfassen als Geschäftskreise ganze, allerdings durchweg räumlih nicht große Bundesstaaten Sa&sen-Weimar, Braunschweig, Sachsen-Altenburg, Anhalt, Reuß ältere Linie und Bremen (2) —,

63 dehnen ihre Wirksamkeit auf größere Verwaltungsgebiete (Ne- -

e, eine größere Anzahl von Kreisen, Amtshauptmann- haften, Oberämtern E 37 auf kleinere Verwaltungsbezirke aus, während 26 mit ihrer hätigkeit nur größere Städte und 11 außer folchen auch noch deren nächste Umgebung umfassen. Fn Bayern giebt es neben den Handels- und Gewerbekammern noch sog. Bezirksgremien, in Baden neben den Handelskammern noch Handelsgenossenschaften, welche die Interessen der Handeltreibenden und Industriellen für kleinere ee (in Baden für bestimmte Städte) wahr- nehmen. Leßtere ind bei den 144 Körperschaften niht mitgerechnet ; andernfalls würde sich die Gesammtzahl auf 200 in B 91, in Baden um 5 erhöhen.

__ Nicht weniger als 133 Handels- und Gewerbekammern 2c., ohne die sonstigen in unserer Quelle namhaft gemachten wirthschaftlichen Vereine, sind Mitglieder des Deutschen Handelstags, der seinen Siß in der Reichs-Hauptstadt hat und an dessen Spitze ein Ausschuß von- 40 Mitgliedern steht. Die Leitung der Geschäfte diefer Zentral- stelle für die Interessen des deutshen Handels und der deutschen In- dustrie führt ein General-Sekretär mit einem Stab von Angestellten : auch bei den einzelnen Korporationen sind mehr als 100 wissenschaft- lih oder kaufmännisch gebildete Männer als Syndici, Handelskammer- Sekretäre 2c. mit einer Anzahl von Bureaubeamten aus\chließlich für die Führung der vielseitigen und umfangreichen Geschäfte thätig.

ayern um

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Hamburg berichtet ein Wolff’sches Telegramm, daß die ausständigen Sqhauerleute in einer Versammlung gestern mit 47 gegen 39 Stimmen beschlossen haben, statt der geforderten 50 für die Tonne Koruladung das Angebot von 45 4 anzunehmen.

Zum Ausstand der Zimmerleute in Danzig theilt die „Danz. Ztg.“ mit, daß der allgemeine Ausstand, der inzwischen durch Verfammlungsbeschluß auf folche Arbeitgeber beshränkt wurde, die nicht 38 Arbeitslohn für die Stunde zahlen (vgl. Nrn. 140 u. 143 d. Bl), 12 Monate gedauert und über 12 000 ( gekostet hat. Im Laufe des Ausstandes haben 130 Gefellen die Stadt verlassen, sodaß dort noch 190 zu unterstüßen waren. 16 Arbeitgeber haben si bereit erklärt, 38 S zu zahlen, und durch die Aufhebung des allgemeinen Ausftandes werden 100 Mann Beschäftigung erhalten. Die noch verbleibenden 90 Mann werden von der Lohnkommission weiter unterstüßt und er- halten 15 Æ pro Woche. /

Aus Braunschweig wird der „Voss. Ztg.“ ges{hrieben: Eine große sozialdemokratishe Versammlung beschäftigte fih am Dienstag mit der Angelegenheit des Brauereiverrufs. Fast einstimmig wurde be- schlossen, noch eine dritte Brauerei, und zwar die Steger’ sche, von diesem Tage an in Verruf zu erklären.

In Leipzig beschäftigte sih eine von etwa 250 Personen be- suchte Metallarbeiterversammlung am Dienstag wieder mit dem Swiderski'schen Dreherstrike. Obgleich zugegeben wurde, daß fast alle Pläte der Ausständigen wieder beseßt seien, erklärten, wie die „Lpz. Ztg.“ berichtet, die meisten Redner die Lage der Ausständigen und den Stand des Ausstandes überhaupt als günstig. Allgemein wurde die Ansicht laut, daß die eingestellten Arbeiter den Anforderungen nicht genügten, und daß deshalb die Ausständigen bald wieder ihre Pläße würden einnehmen können ; sie würden darum nicht, wie ihnen vom Vorsitßenden des Verbandes der Metall-Industriellen Leipzigs, Herrn Magnus, angerathen worden sei, Herrn Swiderski um Wieder- einstellung der Strikenden bitten.

Hier in Berlin hatten die Rohrer der Nohrgewebefabrik von Ferdinand Juliusberg vor einigen Tagen wegen Lohnkürzung die Arbeit eingestellt. Wie nun im „Vorwärts" berichtet wird, ist der Lohnstreit ern beigelegt, als der Arbeitgeber sich bereit erklärt hat, sämmtliche rbeiter zu dem alten Lohn von 15 4 pro Quadrat- meter ohne Abzug wieder ‘einzustellen. Dies soll jedoch erst Ende dieser Woche geschehen, weil augenblicklich nicht für alle genügend Arbeit vorhanden is. Die Glaser der Firma Dr. Heinrich DOL Enge Glasmalerei, Filiale Berlin, baben die Arbeit nieder- gelegt.

Aus Glasgow meldet „W. T. B." : Jn einer Versammlung der \hottischen Grubenbesißer wurde gestern Nahmittag mit großer Mehrheit beschlossen, sih auf keine Vorschläge zu einer Eini- gung einzulassen, sondern sih auf den Ausftand vorzubereiten, der am Dienstag beginnen soll.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Cholera.

Deutsches Reich. _Während der leßten Woche wurden, den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ zufolge, Cholera- fälle nit festgestellt.

Desterreih-Ungarn. Jn Galizien wurden vom 5, bis 12, Juni in 5 Gemeinden des politishen Bezirks Borszczow 15 Er- krankungen, darunter 7 mit tödtlihem Ausgang festgestellt, im Bezirk Zaleszczyki 2 choleraverdächtige Todesfälle. In der Bukowina er- krankten, wie das „Oest. San, W.* berichtet, vom 1. bis 7. Juni in z e des politischen Bezirks Koßmann 5 Personen, davon

arben 2.

Rußland. Vom 26. Mai bis 2. Juni wurden bei dem Medizinal-Departement des Ministeriums des Innern angemeldet : aus der Stadt Warschau vom 13. bis 19. Mai 19 Erkrankungen (13 Todesfälle), den Gouvernements Warschau vom 20. bis 26. Mai 13 (9), Plock vom 13. bis 19. Mai 27 (18), Petrikau vom 20. bis 26. Mai 1 (1), Radom während derselben Zeit 12 (7), Kowno desgleihen 6 (2) und Podolien vom 16. bis 23. Mai 2 (—). Anderweitigen Mittheilungen zu- folge erkrankten in der Stadt Warschau vom 6. bis 9. Juni 26 (es starben 7), fonst im Gouvernement vom 4. bis 9. Juni 42 (16), in dem Gouv. Plock vom 1. bis 7. Juni 74 (32) davon in der Stadt Ciechanow, an der Eisenbahnlinie Warschau— Marienburg und einem zum Weichselstromgebiet gehörigen Flußlauf gelegen, vom 3. bis 7. Juni 55 (20) —, in dem Gouv. RNadóm gon 31. as bis 5. Juni 4 (2), Kowno vom 27. Mai bis . Juni (1).

Niederlande. Nah dem „Staats-Courant“ vom 25. Mai waren im Jahre 1893 insgesammt 263 Sterbefälle auf asiatische Cholera, 113 auf Cholera nostras zurüdzuführen.

Türkei. In Kleinasien wurden für die Stadt Siwas vom

18. bis 30. Mai 23 Sterbefälle gemeldet, Tokat vom 17. bis 31. Mai 23, Kaza von Zeïla vom 16. bis 31. Mai 82, Bey Bunar vom 10, bis 21. Mai 7, Divriki vom 24. bis 26. Mai 3, Nikfar vom 27. bis 30. Mai 11, Iskilib vom 19. Mai bis 1. P ris 85, Jozgat am a E a E E 2 E vom 1 ai bis 1. Juni 10, a ährend derselben Zêëi A . bi M Mai 1 Grfrankung fefigefet. in Urgup wurde vom 18. bis tndten. Kalkutta. Vom 5. bis 12. i 2 -

fonen an Cholera gestorben. N M R E

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Koble d ks an der Ruhr und in Obers lesien. pa

An der Ruhr sind am 20. d. M. geftellt 11 123, ni gestellt keine Wagen. gest nit rehtzeitig

Zwangs-Versteigerungen.

Beim Königlihen Amtsgericht I Berlin standen am 20. Juni die nachbezeichneten Grundstücke zur R Bülow- straße 21, dem Rentier Julius Werner gehörig; Nußungswerth 18 410 46; für das Meistgebot von 352 000 4 wurde der Professor Dr. Albert Guttstadt, Genthinerstr. 12, Ersteher. Christ- burgerstraße 56, dem Malermeister Hugo Annuschek gehörig; Fläche 10,26 a; “ages 14 650 4; für das Meistgebot von 290 000 A wurde der Klempnermeister Max Wünsche zu Treptow, Elsen-Allee Ersteher. Aufgehoben sind das Verfahren und die Termine am 9. September 1894 wegen des Busch’\chen Grund- \stücks Boyenstr. 23 und Scharnhorst str. 14.

Wollmärkte.

Berlin, 20. Juni. (Wollmarktsbericht der ständigen Deputation der Woll-Interessenten.) Die im Monat Juni ab Be deutschen Provinzialmärkte verliefen mehr oder weniger {leppend. Die 2u- fuhren waren geringer als voriges Jahr, da viele Heerden infolge des anhaltend regnerischen, kalten Wetters nicht rechtzeitig gehoren werden konnten, und auch wohl eine weitere Verkleinerung der Schäfereien stattgefunden hat. Auch der hiesige Marki wurde davon beeinflußt, denn die Zufuhren zum öffentlichen Markt, der am 19. d. M. begann, betrugen etwa 7000 Ztr. gegen etwa 11 000 Ztr. im vorigen Jahre. Die Folge davon war, daß Käufer, da außerdem gute, fehlerfreie Wollen wenig vertreten waren, etwas ents{lossener besonders für diese als auf den Vormärkten operierten. Der Markt war am ersten Tage beendet. Auf den Lägern kam vor dem Markte wegen Verspätung der Zufuhren kein nennens- werther Abschluß zu stande und das Geschäft entwickelte si erst gestern und heute in ruhigerer Weise als am ofen Markte, wobei auch größere Posten zu Kammzwecken umgeseßt wurden. Der Ab- schlag betrug 4—10 Æ per Zentner; es wurden bezahlt für Land- wollen 82-——9 M, für mittelfeine Stoff- und Kammwollen 105 bis 115 A Vereinzelte feinere Stof- und tuchartige Wollen erzielten höhere Preise; ungewashene Wollen 42—45 A Die Zufuhren be- trugen inklusive ungewashener Wollen: zum öffentlichen Markte etwa 7000 Ztr., zu den Lägern etwa 25 000 Ztr., d. i. zusammen mit den alten Beständen von etwa 3000 Ztr. etwa 35 000 Ztr. oder etwa 8000 Ztr. weniger als im vouan Jahre.

__Aus Lübeck berihtet ,„W. T. B.“ vom dortigen Wollmarkt : Dic Anfuhr betrug 4600 Ztr., 100 Ztr. mehr als im vorigen Jahr. Der Preisabshlag betrug für den Zentner 5—10 4 gegen voriges Iahr ; von Händlern und nordischen Fabrikanten, welhe Käufer waren, wurde für Kluftwollen 80—90, für Mittelprobe 90—100, für mittel- feine 100—118 M gezahlt.

Wie die „Frkf. Ztg.“ aus Heidelberg meldet, hat die gestrige außerordentlihe Generalversammlung der Heidelberg- Speyerer Eisen bahn-Gesellshaft einstimmig den Verkauf der Bahn an die Badische Staats-Eisen bahnverwaltung besclofsen.

Magdeburg, 20. Juni. (W. T. B) Zutckerbericht. Kornzucker exkl., von 92% —,—, neue 13,50, Kornzudcker exkl. 88 9/6 Nendement —,—, neue 12,80, Nachprodukte exkl., 75 9/, Rendement 9,85. Ruhig. Brotraffinade I. 25,50, Brotraffinade Il. 25,25, Gem. Raffinade mit Faß 25,50, Gem. ‘Melis I, mit Faß 24,124. Stetig. Nohzucker. 1. Produkt Transito f. a. B. Hamburg pr. Juni 12,50 bez., 12,524 Br., pr. Jult 12,50 bez., 12,524 Br., pr. August 12,50 bez., Lies Br., pr. Oktober-Dezember 11,30 Gd., 11,35 Br. Ruhig,

etig.

Leipzig, 20. Juni. (W. T. B.) Kammzug - Termins handel. La Plata Grundmuster B. per Juni 3,35 #4, per Juli 3,39 4, per August 3,377 #4, per September 3,40 4, per Oktober 3,40 „#, per November 3,427 M, per Dezember 3,427 #4, ver Januar 3,45 #4, per Februar 3,477 #, ver März 3,50 K, per April 3,50 M, per Mai M ug 25 000 kg.

„Mannheim, 20. Juni. (W. T. B.) Produktenmarkt. Weizen pr. Juli 14,00, pr. Nov. 14,20, pr. März 14,65. Ro gen pr. Juli 12,40, pr. Nov. 12,80, pr. März 13,15. Hafer per Juli 14,00, pr. Nov. 12,00, pr. März 12,70. Mais pr. Juli 10,10, pr. Nov. 10,40, pr. März 10,80.

Bremen, 20. Juni. (W. T. B.) Börsen - SHlußbericht.

Raffiniertes P etroleum. (Offizielle Notierung der Bremer Petroleun- Börse.) Ruhig. Loko 4,75 Br. Baumwolle. Ruhig. Upland middling, loko 387 &§. Schmalz. Fest. Wilcox 364 -§, Armour shield 36 F, Cudahy 37 „4, Fairbanks 314 „4. Speck. Fest. Short clear middling loko 34. Wolle. Umsay 119 Ballen. Taback. Umsag: 55 Faß Virginy, 57 Faß Kentucky, 1138 Packen St. Felix. __ Wien, 20. Juni. (W. T. B.) Die „Wiener Ztg.“ veröffent- liht eine Bekanntmahung der Direktion der Staatsschuld, wona der Dienst der 11 Millionen Mark 4prozentiger Prioritäten und der auszugebenden 70 Millionen Kronen ee rioritäten der Oesterreihishen Lokal-Eisenbahn-Gesellshaft vom Staat übernommen worden und der Staat für diese Prioritäts- Anleihen als Selbstshuldner eingetreten ift.

Ausweis der österreihishen Staatsbahnen. Laut Transporteinnahmeausweis betrugen die Gesammteinnahmen im Monat Mai 7 280 983 Fl., also um 480 147 Fl. mehr als im Mai 1893, Die Einnahmen vom 1. Januar bis 31. Mai d. J. ergaben 33 048 707 Fl, um 3 453 247 Fl. mehr als in der gleihen Periode des Jahres 1893.

Ausweis der Südbahn in der Woche vom 11. bis 17. Juni 817 868 FlI., Mindereinnahme 951 Fl.

Pest, 20. Juni. (W. T. B.) Se o T Weizen ruhig, per Juni 6,9% Gd., 7,00 pr. Herbst 7,04 Gd. 7,06 Br. Roggen pr. Herbst 5,39 Gd., 5,41 Br., Hafer pr. Herbst 5,71 Gd., 5,73 Br. Mais pr. Juni 4,73 Gd., 4,75 Br., pr. P R 4,74 Gd., 4,76 Br. Kohlraps pr. August-September Gine von etwa 300 Getreidehändlern Pest's und der Provinz besuhte Versammlung beshloß, den diesjährigen Saatenmarkt in Wien nicht zu besuchen. Gleichzeitig wurde ein Comité gewählt zur Agitation gegen den Wiener Saatenmarkt. V

London, 20. Juni. (W. T. B.) An der Küste 7 Weizer- ladungen angeboten. : L

96%/ SJavazucker loko 14 ruhig, Rüben-Rohzucker loko 127 matt. Chile-Kupfer 38, pr. 3 Monat 382.

Amsterdam, 20. Juni. E T. B.) Java-Kaffee good ordinary 51. Bankazinn 432. i

Belgrad, 20. Juni. (W. T. B.) Die Verhandlungen zwischen dem Bn Se und den die auswärtigen Staatsgläu- biger vertretenden Bankdirektoren po beendet. Das Protokoll soll

morgen unterzeichnet werden. Die serbische Nationalbank wird vom - 13 Yuli ab den Kaffendienst vermitteln.