1894 / 150 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 28 Jun 1894 18:00:01 GMT) scan diff

a j zeihneten Behörden hiermit

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Mit Genehmigung des Herrn Ministers der geisen Unterrichts- “und Medizinal-Angelegenheiten und des Evangelischen Ober-Kirchen- s, sowie nah Anhörung der Betheiligten wird von den unter- h olgendes festgeseßt : 1. In Berlin wird ein neues Kirhspiel mit dem Namen „Immanuel-Kirchengemeinde“ gebildet, defsen Grenzen sind: :

a. Im Osten: Die hintere Grenze der an der Westseite der Greifswalderstraße belegenen Grundstücke von der hinteren Grenze der an der Südseite der He nersdorferstraße belegenen Grundstücke bis zur Wei hbildgrenze alle Eckgrundstücke mit ausgeschlossen. :

b. Im Süden: Die hintere Grenze der an der Südseite der Heinersdorferstraße und der an der Offseite der renzlauer Allee bis zum Eingang des Marien-Kirhhofs Prenzlauer Allee Nr. 7 belegenen Grundstüe, ferner die Südseite des Grundstücks Prenzlauer Allee 240 sowie die hintere Grenze der an der Südseite der Megerstraße be- legenen Grundstücke bis zur Ostgrenze der Zions-Parodchie.

c. Im Westen: Die Parochialgrenzen der Zions- und der Gethsemane-Parochie von dem vorgedachten Punkt bis zum Treffpunkt der FREII Mrg

d. Im Norden: Die WAGLCHg rere von dem letzteren Punkt bis zum Treffpunkt der Grenze ad a (Ostgrenze der Immanuel- Parochie). i :

Il. Alle innerhalb dieser Grenzen wohnenden Evangelischen werden biermit aus der St. Bartholomäus-Gemeinde in die Immanuel- Kirchengemeinde umgepfarrt. ; 5

II1. Die in der Parochie von St. Bartholomäus bestehenden Gebührenordnungen bleiben für die neue Kirchengemeinde verbindlich und hinsichtlih der Beerdigungen haben ihre itglieder dieselben Rechte und Pflichten wie die Mitglieder der St. Bartholomäus- Kirchengemeinde. Die Stolgebühren fließen in die Kirchenkasse.

1V. Die Festsetzungen treten mit dem 1. Juli d. J. in Kraft.

Berlin, den 19. Juni 1894. Berlin, s ia 1894.

S

Der Königliche Polizei - Präsident: Freiherr von Richthofen.

¿-8;) Königliches Konsistorium der Provinz Brandenburg.

Schmidt.

Errichtungsurkunde. C. Nr. 17 754.

Vorstehende Errichtungs-Urkunde bringen wir mit dem Bemerken zur öffentlichen Kenntniß, daß der interimistishe Pfarrer der Immanuel- Kirche Prediger Nauck die Anmeldung der in dem neuen Parochial- bezirk wodnbäften wahlfähigen Gemeindeglieder zur Wähslerliste während der noch dur Kanzelabkündigung zu bestimmenden Tages- stunde in der Immanuel-Kirhe und außerdem nah Möglichkeit zu jeder anderen Tageszeit in seiner Wohnung, Prenzlauer Allee 224, entgegennehmen wird.

Berlin, den 26. Juni 1894. ;

Königliches Konsistorium der Provinz Brandenburg. D. Schmidt.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 28. Juni.

Jhre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin haben Sich, wie „W. T. B.“ meldet, heute von Kiel nach Grünholz begeben, um daselbst der Taufe der jüngst geborenen Tochter Jhrer Hoheiten des Herzogs und der Herzogin Friedrih Ferdinand zu Schleswig: Holstein-Sonderburg-Glücs- burg beizuwohnen.

Der Bundesrath versammelte sich heute zu einer Plenarsißzung. Vorher beriethen die vereinigten Ausschüsse für Á Mliwelen und für Elsaß: Lothringen.

Die Kommission für Arbeiterstatistik machte am 96. d. M. die Erhebungen über Arbeitszeit, Lehrlingsverhältnisse und Kündigungsfristen im Handelsgewerbe zum Gegenstande ihrer Berathung. Nach einem Vortrage des Referenten über das Ergebniß des zweiten Theils der E e welcher in der Einfordexung und Zusammenstellung von Gutachten zahl- reicher kaufmännischer Organisationen eftand, beschloß die Kom- mission, die zur Ergänzung des Materials in Aussicht genommenen mündlichen Vernehmungen in Abweichung von ihren früheren Beschlüssen nicht durch Kommissare an Ort und Stelle, sondern vor dem Plenum der Kommission zu bewirken. ins diese Entschließung war der Wunsch maßgebend, jedem itglied den unmittelbaren Eindruck von sämmtlichen Ver- nehmungen zu verschaffen. Diesen Weg ließen auch die bei den Erhebungen über das Bäckergewerbe gemachten Erfahrungen rathsam erscheinen. Es wird beabsichtigt, 36 Prinzipale, 36 Gehilfen und 10 Geschäftsdiener (Packer 2c.) zu vernehmen. Bei Auswahl dieser Auskunftspersonen sollen die verschiedenen Branchen (Schnitt - Kurzwaaren, Lebensmittel, Zigarren), große, mittlere und fkleine Orte sowie die verschiedenen Gegenden des Reichs berücksichtigt werden. Vorschläge in dieser Beziehung sollen von kaufmännishen Verbänden und Vereinen erfordert, die Auswahl selbst einem Ausschuß, in welhen die Herren Dr. von Scheel, Molkenbuhr und Schmidt gewählt wurden, überlassen werden. Zu den Be- rathungen waren 3 Prinzipale, 3 Gehilfen und 3 Geschäfts- diener als Sachnerständige zugegen.

Der Königliche Gesandte in Oldenburg Graf von der E hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub ange- reten.

Nach telegraphisher Meldung an das Ober - Kommando der Marine ist S. M. S. „Iltis“, Kommandant Kor- vetten-Kapitän Graf von Baudissin, am 26. Juni in Chemulpo (Korea) angekommen. /

Baden.

Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog geschlossen. Die Thronrede gedenkt, wie „W. T. B.“ berichtet, der be- friedigenden Erledigung des Budgets, sowie der Einkommensteuer- reform und sagt hinsihtlih der Reichs-Finanzreform: „Die bei Beginn desLandtags gehegte Erwartung,/[die geplante Finanzreform

| wurde das Der Landtag wurde heute Vormittag 10 Uhr von

im Reich werde zu stande kommen, hat sich leider nicht erfüllt. Jch gebe n aber E hin, daß es den verbündeten Re- ierungen gelingen wird, über diese R Aufgabe zu einer Ver- Ränbianng mit dem Reichstag zu gelangen, damit eine ge- ordnete Fortführung der Finan wirthsYaft in den Bundesstaaten ermögliht wird.“ Sodann bespricht die Thronrede die An- nahme des Gesezes über die Aufbesserung der Beamtenge älter, wodurch die Gehaltsfrage für lange Zeit abgeschlossen sei, ferner die Vervollständigung des Staatsbahnneßes, die Herstellung weiterer Nebenbahnen, gedenkt verschiedener kleinerer Vorlagen und as die P aus, die Aufhebung des Gesetzes über das Verbot der Missionen werde die Sache des Friedens vat Die Anträge auf Aenderung des Wahlsystems werde ie Regierung in ernste Erwägung ziehen.

Mecklenburg-Schwerin.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog weilt, den „Mecklbg. Nachr. zufolge, seit Montag Vormittag in Kiel. Jhre Kaiserliche Hoheit die Großherzogin Anastasia hat sich mit ihrer Hoheit der Herzogin Cäcilie am Dienstag Über Rostock nah Gelbensande begeben.

Sachsen-Meiningen.

Der seit 15. d. M. versammelte Landtag ist, nahdem er alle seine Aufgaben erledigt hat, gestern vertagt worden. Die wichtigsten Gegenstände der Verhandlung waren : ein Staatsvertrag mit Preußen, wonach die preußishe Staats- regierung den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Probstzella über Gräfenthal nach dem gewerbereichen Orte Wallendorf übernimmt, während die meiningenshe Staats- regierung den Grund und Boden bereit stellt und einen unerstattbaren Baukostenzushuß von 750000 4 zahlt, ferner ein Nachtrag zum Berggesez vom 17 AlViL 1868; wodurch die Alleinberehtigung zur Aufsuhung und Ge- winnung von Steinsalz, Kali- und Magnesiasalzen und von Soolquellen dem Staat eingeräumt wird. Beide Vorlagen wurden angenommen.

Sachsen-Coburg-Gotha.

Der C a. D., Wirkliche Geheime Rath Freiherr von Wangenheim ist, wie die „Cob. Ztg.“ meldet, am 26. d. M. Abends in Friedrichroda, wo er sich zur Er- holung aufhielt, nah kurzer Krankheit verschieden.

Schwarzburg-Sondershausen.

Jn Gegenwart der Fürstlihen Herrschaften wird, wie der „Deutsche“ meldet, nächsten Sonntag, 1. Juli, Nachmittags, die Enthüllung des auf dem Possen für den hochseligen Fürsten Günther MOLO Carl IT. von Schwarzburg-Sonders- hausen errihteten Denkmals erfolgen.

Oesterreich - Ungarn.

Der Kaiser empfing gestern Nachmittag den französischen Botschafter Lozé in Privat-Audienz. “Der Botschafter sprach dem Kaiser den Dank der französishen Regie- rung für die Theilnahme des Monarchen anläßlih des traurigen Ereignisses aus, von dem Frankrei betroffen wurde. Vor der Audienz hatte der Botschafter eine Unterredung mit dem Minister des Auswärtigen Grafen Kálnoky. Spätew stattete der Kaiser dem Kriegs-Minister von Krieghammer einen viertelstündigen Besuch ab.

Das ungarische Abgeordnetenhaus nahm gestern in zweiter Lesung den Geseßentwurf über die Religion der

Kinder an. - Großbritannien und Frland.

Wie das „Reutershe Bureau“ erfährt, hat der türkische Botschafter dem Minister des Auswärtigen Lord Kimberley eine Note überreicht, worin die türkische Regierung gegen das Abkommen zwischen England und dem Congo- staat ihre Einwendungen macht. Die Note, der Lord Kimberley seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden versprach, ist in freundschaftlicher und verbindlicher Form Para

Das Unterhaus nahm gestern mit 237 gegen 182Stimmen den § 27 der Budgetbill an, durh welchen die Spiritus- steuer um 6 Pence erhöht wird.

Nach einer Meldung der „Daily News“ aus Konstantinopel wurde der englishe Dampfer „Science“, der Kanonen für das englishe Kriegs\hif „Cocatrice“ nah Sulina bringen soll, wegen Nichterfüllung der vorgeschriebenen Formalitäten in den Dardanellen angehalten.

Frankreich.

Der Kongreß, der gestern in Versailles zusammentrat, hat den bisherigen Präsidenten der Deputirten- kammer Casimir Périer, und zwar gleich im ersten Wahlgang, mit 451 von 81 Stimmen zum Präsidenten der franzöósishen Nepublik gewählt.

Ueber den Verlauf der Kongreßsißung wird aus Ver- sailles berichtet : :

Der Saal des Kongresses und die Tribünen sind über- füllt. Die Diplomatentribüne ist vollständig beseßt, auch der deutshe Botschafter Graf Münster ist anwesend. Auf der Ministerbank nahm der e P Dupuy Plag. Challemel-Lacour, als Präsident des Senats, eröffnet die d um 1 Uhr 10 Minuten mit folgenden Worten : „Sie kennen das s{merzliche Ereigniß, das den Zusammen- tritt des Kongresses Ereigniß, das N in Trauer versenkt und alle fremden

egierungen ohne Ausnahme tief bewegt.“ Challemel- Lacour verliest die auf die Präsidentenwahl bezüg- lichen Artikel der Verfassung, erklärt die Nationalversammlung für konstituiert und schreitet zur Aufstellung der Skrutatoren durh das Loos. Déjéante begehrt das Wort, um die Ab- schaffung der Präsidentshaft der Republik zu verlangen. Michélin fordert gleichfalls das Wort. Der O verweigert es beiden. Baudry d’Asson will sprechen, wird aber von zahlreihen Stimmen mit dem Ruf: „Schweigen !“ unterbrohen. Man schreitet darauf zum namentlihen Aufruf der Mitglieder des Kongresses. Die Abstimmung im ersten Sep gang, welche ih ohne Sg vollzog, {loß um 31/4 Uhr. Um 41/2 Uhr Frgebniß bekannt gemaht. Es wurden im

anzen 851 Stimmen abgegeben (die Zahl der Mitglieder des ongresses beträgt 873). Da 6 Stimmzettel ungültig waren betrug die absolute Mehrheit 423. Die Stimmzählung

veranlaßte, ein

451 Stimmen für Casimir Périer, 191 Stimmen für Brisson, 99 Stimmen für Dupuy, 53 Stimmen für Février, 27 Stimmen für Arago, 24Stimmen für Verschiedene.

Bei Verkündigung des Resultais wurde der Name Casimir E mit lautem, anhaltenden Beifall begrüßt. Die ozialisten protestierten heftig, mehrere von ihnen drohten ihren Kollegen mit Fäusten. Während die Rufe ertönten: „Es lebe die soziale Revolution !“, „Nieder mit der Reaktion!“, verkündete Challemel-Lacour die Stimmenzahlen der an- deren Kandidaten und fügte darauf hinzu : „Da Cafimir Périer die Mehrheit der Stimmen erhalten hat, proklamiere ich ihn als um Präsidenten der Republik gewählt.“ Das linke Zentrum erhob sich und brach in stürmischen Beifall aus. Die ozialisten erneuerten ihre Rufe. Dézéante protestierte da- egen, daß die Diskussion über den Vorschlag, die Präsident- haft der Republik Me en, niht zugelassen wurde. (Schlußrufe.) Michélin versuchte die Tribüne zu besteigen. Der Lärm verdoppelt sih. Jaurès ruft: „Das bedeutet die Diktatur“. Die Rufe werden von Beifallssalven übertönt. Ein Schriftführer verliest darauf das Protokoll der Situng, die unter den Rufen: „Eslebe die Republik!“ geschlossen wird. Nach dem Schluß der Sitzung begab sich der Minister - Präsident Dupuy mit allen Ministern in das Präsidenten- kabinet und theilte dort Casimir Périer, der erst um 3 Uhr in Versailles angekommen war, den Wortlaut des Sigzungsprotokolls mit, durh welches ' Casimir Périer zum Präsidenten der Republik proklamiert wird. Der Präsident des Senats Challemel-Lacour hielt eine bewegte Ansprache, Casimir Périer erwiderte mit Tyränen in den Augen, er sei tief gerührt von dieser Ehre, welhe ihm die \hwerste moralishe Verantwortlichkeit auferlege , die ein Mann zu tragen vermöge. Er werde sih mit seinem ganzen Patriotismus, seiner Energie und E: Ueberzeugung, wie derjenige, den man beweine, der Republik und der Demokratie zur erfügung stellen; er werde suchen, seine Pflicht voll und ganz zu thun. Nach der feierlihen Uebernahme der Gewalt empfing der Präsident die Glückwünsche der Senatoren, Deputirten und Journalisten.

Präsident Casimir Périer kehrte darauf zu Wagen auf der Strecke Sèvres, Bois de Boulogne, Arc de Triomphe, Champs Elysées von Versailles nah Paris zurück. Zu seiner Seite saß der Minister-Präsident Dupuy, zwei Offiziere nahmen den Nücksiß des Wagens ein, welcher von einer Eskadron Kürassiere esfortiert wurde. Die übrigen Minister folgten in drei Wagen. Während der Fahrt wurde der Präsident auf dem ganzen Wegc mit lauten Zurufen: „Es lebe Périer! Es lebe die Republik !“ begrüßt. Um 71/4 Uhr traf der Präsident im Ministerium des Auswärtigen ein, wohin provisorisch die Bureaux der Präsident- schaft verlegt worden sind. Als der Wagen in den Ehrenhof einfuhr, stimmte die dort aufgestellte Militärkäpelle die Marseillaise an, während eine Abtheilung Jnfanterie präsentierte. Die Nationalflagge wurde auf dem Ministerium gehißt. General Borius und sämmtliche übrigen Offiziere des Militär- staats des verstorbenen Präsidenten empfingen den neuen Präsi- denten an der Freitreppe.

Alsbald überreichte Minister-Präsident Dupuy dem Prä- sidenten die Demission des Kabinets. Einstweilen dürften die Minister mit der Fortführung der Geschäfte beauftragt bleiben. Wie „W. T. B.“ mittheilt, ist man der Ansicht, mit der Bildung eines neuen Kabinets würde Burdeau beauftragt und Dupuy Präsident der Deputirtenkammer werden.

Casimir ‘Périer begab sich heute Abend an den Sarg Carnot’s und stattete sodann Madame Carnot einen Beileids- besuch ab. :

Senat und Deputirtenkammer sind für heute zu Sitzungen einberufen.

Casimir Périer ist am 8. November 1847 in Paris geboren. Am 20. Februar 1876 in die Deputirtenkammer gewählt, trat er dem linken Zentrum und der republikanischen Linken bei. Er blieb bis zum 1. Februar 1883 Kammer- mitglied. Damals legte er, um seiner ees gegen dice Verbannung der Prätendentenfamilie Orleans Ausdru zu geben, sein Mandat nieder. Aber schon zwei Monate später wurde er wiedergewählt und gehörte nun ununterbrochen der Kammer an. Fünfmal war er Kammer - Präsident. Der Regierung gehörte er zuerst als - Unter-Staatssekretär des Unterrichts und später des Krieges an. Vom 3. Dezember 1893 bis Ende Mai 1894 war er Minister-Präsident, seitdem Präsident der Deputirtenkammer.

Die Nachricht von der Wahl Casimir Périer's verbreitete sich sofort in Paris und wurde sehr günstig aufgenommen.

Die republikanischen, gemäßigten und konser- vativen Pariser Blätter von heute Morgen begrüßen die Wahl Casimir Périer's, dessen Festigkeit und Loyalität sie hervorheben. Die radikalen Blätter konstatieren, die Wahl be- deute einen Sieg der konservativen Parteien über die fort- eschrittenen Republikaner ; einige bemerken, ste sei eine Heraus- orderung der Demokratie. Das sozialistishe Blatt „Petite République“ sagt in einem heftigen Leitartikel, Casimir Périer vertrete die klerikale Aristokratie und die Plutokratie. Alle Republikaner sollten sih auf einen neuen 16. Mai vor-

bereiten. Das „Journal des Débats“ schreibt : „Frankreich

spendet der Wahl Casimir Périer’'s Beifall, weil es in ihm das sieht, was es am nothwendigsten braucht: einen Regierungsmann.“ Die „Estafette“ erklärt, die Wahl Cafimir Périer’s bedeute die Konsolidierung der repu- blikanishen Institutionen. Der „Figaro“ meint, es sei wahrscheinlih, daß Casimir Périer, entgegen der ver- breiteten Meinung, offen mit den Republikanern regieren werde, selbst mit Verleßung der Konservativen, welche zuviel auf ihn rehneten. Der „Gaul ois“ sagt: „Casimir L wurde vor allem seiner Geburt, seines Vermögens, seiner Beziehungen und seines glänzenden Namens wegen gewählt. Dieses monarchishe Gefühl, welches die Wahl inspirierte, kann den Monarchisten nicht mißfallen.“ Das Blatt O schließlich einc politishé Amnestie und die Aufhebung der Verbannungsgeseße. Die „Autorité“ führt aus: „Wir treten in eine Periode entscheidender Ereignisse ein, während welcher die monarchische Sache sich rasch erheben wird. Der Dolch Cesario's wird dabe bloß einen Menschen, sondern auch ein Regime getödtet aben.“

Die Gruppe der as hen Deputirten hat in einem Manifest gegen die Wahl Casimir Périer's protestiert, da sie durch Vereinigung von Klerikalen, Ralliierten und Kapitalisten zustande gekommen sei und die Republik gefährde.

Das „Journal officiel“ veröffentliht zwei Schreiben des Botschafters Grafen Münster, von denen das erste an Frau Carnot gerichtet ist und dieser namens Hurer Majestät der Kaiserin Friedrich deren A eileid ausspricht, das zweite, an den Minister des Auswärtigen Hanotaux Bette auf Ersuchen des württembergischen Minister-Prä- sidenten Freiherrn von Mittnacht das ausrichtigste Beileid des Königs von Württemberg ausdrückt. Ferner theilt das

amtliche Blatt ein Schreiben des bayerischen Geschäfts- trägers Freiherrn von Tucher an den Minister-Präsidenten ate}: mit, worin namens des Prinz-Regenten und der bayerischen Regierung die lebhafteste Theilnahme ausge- \sprochen wird. /

__ Nah einer den Zeitungen zugehenden Mittheilung laufen in der italienischen Botschaft ununterbrochen Telegramme ein, die dem Empfinden Jtaliens bei dem traurigen Anlasse der Ermordung Carnot's Ausdruck geben. Der italienische Boischafter Reßmann giebt von denselben täglih dem Minister des Auswärtigen Hanotaux Kenntniß.

Aus Lyon wird vom gestrigen Tage telegraphiert: Die Stadt ist vollkommen ruhig. Die Arbeit in den Fabriken is wieder aufgenommen, die Truppen sind in die Kasernen wieder eingerückt. Nur die Rue Labarre bleibt wegen des in ihr gelegenen italienishen Konsulats noch beseßt. Die Zahl der aufrecht erhaltenen Verhaftungen beläuft si auf 1500.

Auch in Toulon herrsht wieder Ruhe. Der bei den Tumulten vom Montag verwundete italienishe Arbeiter ist außer Gefahr. Jn der Umgebung von Avignon wurden zwei Anarchisten verhaftet, weil se die Ermordung Carnot's gutgeheißen hatten.

Nußland.

Der Kaiser traf am Dienstag in Borki mit der Kaiserin, welche aus dem Kaukasus kam, zusammen. Beide Majestäten wohnten sodann der feierlihen Einweihung der Kirche bei, welche zum Gedächtniß der Errettung der Kaiser- lichen Familie bei dem Eisenbahnunglück vom 17. Oktober 1888 errichtet ist. Nach der Feier reisten der Kaiser und die Kaiserin von Borki wieder ab.

Italien.

Der König hat, wie die „Agenzia Stefani“ meldet, nach- stehende Depeshe vom französishen Minister-Präsi- denten Dupuy erhalten: „Sire! Jch gestatte mir, namens der Regierung der Republik Eurer Majestät für den Ausdru Jhrer persönlichen Gefühle zu danken, welhe Sie so gütig waren, uns in dem shweren Unglück, das Frankreich betroffen hat, zu bezeigen. Der Antheil, den Jtalien an unserem Schmerze nimmt, sowie die Erinnerung an unseren gemein- samen Ruhm, auf die Euer Majestät hinweisen, haben uns unter den traurigen Umständen ganz besonders gerührt.“

Der Bericht über die Sißung der Deputirtenkammer vom Dienstag, der gestern an dieser Stelle mitgetheilt wurde, ist nah einer Depesche aus Rom dahin zu ergänzen, daß außer dem Artikel 1IT der Finanzvorlage ein Zusaßartikel zu diesem Artikel angenommen wurde, welcher lautet: „Die Steuer- erhöhung auf Einkommen der Kategorie a hat allein der Gläubiger zu tragen, auch wenn der Schuldner vor der Publikation dieses Geseyes die Verpflichtung übernommen hat, die Ricchezza mobile zu zahlen.“

In der gestrigen Sißung theilte der Minister des Aus- wärtigen, Baron von Blanc auf Anfragen Lucifero’s und Galimberti’'s mit, der Regierung seien gleichzeitig mit der Nachricht von der Ermordung des Präsidenten Carnot Zu- sicherungen der französishen Regierung zugekommen, daß strenge Befehle gegeben und ausreichende Vorkehrungen für die Sicherheit der Fremden, insbesondere der Jtaliener getroffen worden seien. Dieses spontan gegebene Versprechen habe die französishe Regierung auch voll gehalten, denn die öffentlihe Gewalt sei mit der größten Energie gegen die Versuche, die Jtaliener zu mißhandeln, aufgetreten. That- sächlich seien mehrere Verwundungen auf Seiten der franzö- sischen Polizei vorgekommen, und wie die italienischen Konsuln bestätigten, hätten keine Tödtungen, sondern nur Plünde- rungen und Verleßungen stattgefunden; man müsse das Vertrauen haben, daß in dieser Sache die französische Justiz ebenso ihre Pflicht erfüllen werde, wie dies die poli- tischen und militärishen Behörden gethan haben. Jnfolge dieser Ruhestörungen sei eine Panik unter den italienischen Arbeitern eingerissen, von denen viele die Flucht er- griffen. Am Mittwoch seien alarmierende Gerüchte von der Ermordung cines italienishen Beamten verbreitet worden; an diesen Gerüchten sei kein wahres Wort gewesen. Jn Jtalien habe er (der Minister) dafür gesorgt, daß diese Gerüchte ganz entschieden dementiert würden. Er gebe sich der Ueberzeugung hin, daß die italienishe Bevölkerung die ruhige und würdige Haltung bewahren werde, die sie bisher ceinge- nommen. (Sehr gut.) Sodann verlas der Minister die neuesten Depeschen aus Lyon, Marseille und Paris, welhe hon weit beruhigender lauten. (Lebhafter Beifall.) Die Fragesteller erklärten sich durch die Beantwortung vollständig zufrieden- gestellt. “ial wurde die Sißung aufgehoben.

In Genua, Turin und Lucca hatten sih infolge der Vorgänge in Lyon kleine Gruppen gebildet, welche den Versuch machten, Kundgebungen zu veranstalten und die zum Zeichen der Trauer um Carnot ausgehängten Fahnen zu beseitigen, aber die wohlgesinnte Bevölkerung verhinderte jede Demonjstra- tion; es ereignete sih kein Zwischenfall.

Jn Turin sind am Dienstag und Mittwoch hunderte von Jtalienern, die aus Lyon und andern französischen Städten flüchteten, eingetroffen. Weitere Extrazüge mit Flüchtigen werden erwartet. Bis jeßt sind in Turin 3000 italienische Arb eiter aus Frankreich angelangt. Die in Rom verbreitet gewesenen Gerüchte, daß in Turin die aus Frankreich E ekehrten italienishen Arbeiter gegen das dortige französische Konsulat Demonstrationen veranstaltet hätten, sind’ ebenso unwahr wie diejenigen, daß mehrere italienishe Konsuln in Frankreich getödtet worden seien.

Gestern Abend 6 Uhr fand oi en dem Major Tassoni und dem Deputirten Jmbriani infolge des Zwischenfalls in der Sizung der Deputirtenkammer vom 23. d. Mts. (vgl. Nr. 147 des „R.- u. St.-A.“ vom 25. d. Mts.) ein Säbel- duell statt, in welchem beide Gegner, Tassoni jedoch schwerer, verwundet wurden. Die Duellanten versöhnten sich auf dem Kampfplay.

Schweiz.

Im Nationalrath hat Joos: Schaffhausen den Antrag eingebracht, der Bundesrath solle einem im Fahre 1881 er- theilten Auftrag, mit den hauptsächlichsten Jndustriestaaten Unterhandlungen behufs Anbahnung einer internationalen Fabrikgeseßgebung anzuknüpfen, nahkommen.

Velgien.

Der Senat nahm in seiner gestrigen Sizung das Wahl- geley und das außerordentlihe. Budget an. Durch eine Königliche Botschaft wurde darauf die Session für ge- \ch lossen erklärt.

Türkei.

König Alexander von Serbien ist Mittwoch Mittag um 121/24 Ühr in Konstantinopel eingetroffen und am Lan- dungsplaß von dem Großvezier, mehreren Generalen des militärishen Hofstaats und dem Personal der serbischen Ge- sandtschaft empfangen worden. ach Begrüßung der An- wesenden fuhr der König mit seinem Gefolge —- im ganzen aht Galawagen unter Begleitung einer Esfadron Kavallerie nah dem Yildiz-Palais. Zwei Bataillone bildeten auf dem Wege dorthin Spalier, die Militärmusik spielte die serbische Hymne.

Amerika.

In Peru finden fortdauernd politishe Verhaftungen statt. Die Regierung Borgonno's ift seitens Englands aner- kannt worden.

Asien.

Die „Times“ meldet aus Shanghai: Der Vize-König er- klärte, daß die Weigerung der japanischen Regierung, ihre Truppen aus Korea gleichzeitig mit den chinef den zurük- N, eine bedrohliche Krisis bedeute. Er I das Vor- gehen Japans für ein den Verträgen zuwiderlaufendes, doch werde er versuchen, den Frieden zu bewahren, ohne die Ehre Chinas zu beeinträchtigen.

Afrika.

Der Sultan von Marokko befindet sich auf dem Marsche nah Fez, scin Bruder Mulei Mohammed begleitet de Die Thronbesteigung des Sultans wird von den

ebirgsstämmen dur besondere Feste gefeiert. Die mächtigen und meist aufrührerishen Stämme von Haiayna und Ben-i-Sadin haben Delegirte nah Fez gesandt, um den Sultan Abdul Aziz ihrer Loyalität zu versihern. Jhre Unterwerfung hat große Befriedigung erregt, und es wurde den Abgesandten der Stämme ein freundliher Empfang bereitet. Die Nachbarschaft von Fez wird durch berittene Mannschaften abgesuht und von verdächtigen Judividuen gesäubert.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Das geseßlihe Verbot der Beförderung politischer Zeitungen, welche öfter als einmal wöchentlih erscheinen, auf anderm Wege als durch die Post bezieht sih, nah einem Urtheil des Reichsgerichts, 1. Strafsenats, vom 19. April 1894, nur auf die Be- förderung vom Verleger an die Abonnenten, nicht aber auf die Versendung aus der Druckerei an den Verleger. Ist der Drucker vom Verleger mit der Versendung an Abonnenten beauftragt, fo unterliegt diese Versendung auh dann dem Postzwang, wenn die Abonnenten mehr als zwei Meilen pon dem Druorte, aber weniger als zwei Meilen von dem Verlagsorte entfernt wohnen. In Köln erschien in den Jabren 1890 und 1891 im Verlage des R. wöchentlich zweimal die politische Zeitung „Kölner Arbeiterzeitung“. Die Zeitung wurde in der Gr. hen Druckerei zu Elberfeld gedruckt und von dort wurden die gedruckten Exemplare mit der Eisenbahn an R. in Köln geschickt, wo deren Ausgabe erfolgte. Einen Theil aber der Auflage ließ der Verleger N. von einem in der Druterei beschäftigten Expedienten an Abonnenten in Mülheim a. Rh. direkt mittels der Bahn senden, damit jene Abonnenten sie früher befkämen als von Koln aus mit der Pos Mülheim a. Mh. isl von Elberfeld mehr als 2 Meilen und von Köln weniger als 2 Meilen entfernt. Der Drucker Gr. und der Verleger K. wurden wegen Postportohinterziehung angeklagt, Gr. wurde freigesprochen, dagegen wurde R. wegen der Versendung von Elberfeld nah Mülheim a. Rh. verurtheilt. Sowohl die Revision des Staatsanwalts als auch die des R. wurden vom Neichsgeriht verworfen, indem es begründend ausführte: „Das Verbot der Beförderung politisher Zeitungen auf anderem Wege als dur die Post ist nur auf die Beförderung zu beziehen, deren Entgang den Ertrag des Postdebits beeinträchtigen würde. Der Postdebit hat es aber nur mit dem Verleger und den Abonnenten zu thun. und besteht, was die Beförderung betrifft, in der Entgegennahme der Zeitung zur Vertheilung und den darauf bezüglihen weiteren Verrichtungen. Der Ursprungs- ort der genannten Zeitung im ganzen war allerdings Köln, und wenn von hier aus die Versendung nah Mülheim a. Rh. den zweimeiligen Umkreis von Köln nit überschritt, so konnte sie von Köln aus auf jede beliebige Weise gesehen. Aber wenn der Verleger einen Theil der Auflage von einem anderen Ort aus in den Verkehr entläßt, als von seinem Verlagssiße, so giebt er diesem Theil einen anderen Ur- \sprungsort. Im gegebenen Fall war nicht Köln, sondern Elberfeld der Ursprungsort der nach Mülheim versendeten Exemplare nit weil sie dort gedruckt worden sind, sondern weil der Verleger sie dort herausgegeben hat.“ (485/94.)

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.

Hat die Ortspolizeibehörde viele Jahre lan ein vor einem Hause in den Bürgersteig der Straße cinsvringendes P odium (Treppe) geduldet, fo ist sie nah einem Urtheil des Ober-Verwaltungsgerichts, IV. Senats, vom 27. Februar 1894 dadurch nicht gehindert, ohne weiteres nah ihrem Ermessen, sei es im Verkehrsinteresse, sei es zur Sicherung der Rechtsverhältnisse der Straße gegen Ver- dunkelungen, die Beseitigung des Podiums anzuordnen. Hieran ist die Behörde auh nicht dadur gehindert, daß fie dem Eigenthümer des Hauses eine auf das Podium auédrückli miterstreckte Schankkonzession ertheilt hat. N. betreibt in feinem Hause an der H.-Straße zu T. eine Konditorei und Schankwirthschaft. Vor dem Hause befindet ih ein in den Bürgersteig der Straße ein- springendes Podium (Treppe), welhes hon seit länger als 40 Jahren bestehen soll. Durch polizeilihe Verfügung wurde dem N. auf- gegeden, das N binnen vier Wochen zu entfernen. Gegen diese

erfügung erhob N. Klage im Verwaltungsstreitverfahren, indem er unter anderem geltend machte, daß troß des Podiums für den Verkehr auf dem Bürgersteig noch genügend Raum bleibe, und die Polizeibehörde den Abbruch des Ne überhaupt nur deshalb verlange, weil er die vom Magistrat für die Benußung desselben geforderte jährlihe Abgabe von 10 A nicht wolle; au habe sich die ihm im Jahre 1880 ertheilte Schankkonzession auf das Podium miterstreckt, Die Klage wurde vom Bezirksaus\huß abgewiesen und auf die Berufung des Klägers bestätigte . das Ober - Verwaltungsgeriht die Vorentscheidung, indem es begründend attsführte : „Zunächst unterliegt es feinem Bedenken, daß die Beklagte befugt ist, die Beseitigung einer Anlage zu verlangen, in welcher sie ein Hinderniß für den öffent- lihen Verkehr auf der Straße erblickt 10 IT 17 A. L.-R., § 6 des Gesetzes vom 11. März 1850), und daß, insoweit sie hierauf ab- zielende Änordnungen erläßt, sie sih in der Wahrnehmung des ihrer Obhut anvertrauten öffentlichen Interesses befindet. Leßteres be- streitet zwar Kläger für den vorliegenden Fall, indeß mit Unrecht. Selbst wenn es ridtig sein sollte, daß der Bürgersteig vor seinem Hause troß des Podiums für den Verkehr noch oe aum biete, eine Brade die übrigens der Entscheidung des Verwaltungsrichters in diesem

usammenhang nicht unterbreitet werden kann, weil dies auf eine Prü- sung der Nothwendigkeit und Angemessenheit der polizeilichen Verfügung binauslaufen würde —, so läßt sih doch die Wahrung des öffentlichen Interesses hon deshalb nicht verkennen, weil es der Beklagten auch obliegt, über den Bestand und die Rechtsverhältnisse der öffentlichen Straße zu wachen, sie gegen mögliche Verdunkelungen zu sichern und unberehtigte Eingriffe Dritter abzuwehren. Mit Rücksicht hier- auf ist die Behauptung des Klägers, daß der eigentlihe Grund zu

entrichten

dem Vorgehen der Polizeibehörde gegen ihn darin zu finden sei er sih geweigert habe, die ihm für die Benugzung des S p verlangte jährlihe Abgabe zu entrihten, ohne Belang. Ebensowenig kann es darauf ankommen, daß bisher cie P SNEs das Bestehen des Podiums geduldet hat. Ob dies etwa in Ansehung des bisherigen, viel leicht weniger entwickelten Verkehrs geschehen ift, kann unerörtert bleiben ; denn jedenfalls unterliegt es lediglih dem Ermessen der Polizei- behörde, den Zeitpunkt zu bestimmen, an welchem sie ihr Einschreiten für geboten erahtet, und es fann daher daraus, daß vom Kläger bisher ein Abbruch des Podiums nicht verlangt worden ist, für die Beklagte keine Verpflichtung hergeleitet werden, es nun auh weiter zu dulden. . . . Ist es gegenwärtig im Interesse des Verkehrs geraten, das Podium zu beseitigen, oder erahtet dies die Polizei- ehörde auch nur deshalb für nothwendig, weil sie für die Rechts- E an der Straße Verdunkelungen befürchten muß, die zu verhüten sind, so muß diesen Rücksichten gegenüber, die im öffentlichen Interesse begründet sind, das Privatinteresse zurücktreten, welches der Einzelne an der Ausnußung der ihm für seinen Gewerbebetrieb er- theilten Konzession haben mag“. (VI. 250.)

Kunst und Wissenschaft.

Seine Majestät der König von Württemberg hat na Besichtigung des Entwurfs der Professoren Thiersch und Rümann 2 einem Denkmal für Kaiser Wilhelm I. in Stuttgart tuimele feine Zustimmung zur Annahme und die Genehmigung zur Ausführung des Entwurfs ertheilt.

Land- und Forstwirthschaft.

__ Getreideernte in Rußland im Jahre 1893. __ Nach einer von dem russischen statistischen Zentralcomité ver- öffentlihten Uebersicht über die Ernte des Jahres 1893 in Rußland an Sommergetreide waren im vorigen Jahr in den 60 Gouverne- ments des europäischen Rußlands (einschließlich der 10 Weichsel- gouvernements) 36 979 841 Dessjatinen Land mit Sommergetreide be» stellt. Insgesammt betrug die Saatfläche 64 260 662 Defssjatinen.

Geerntet wurden an Sommergetreide 255 549 400 T\chetwert,

davon an e Sommerroggen . 1 806 900 Tschetwert, Sommerweizen . 48 878 800 ¿ Hafer . . 115 864 600 Getsle 2: ¿ 02202900 i

Der Ertrag des Sommergetreides übersteigt somit die Ernten der Vorjahre, einsließlich der des Jahres 1888 nicht unerheblich.

Das Gefsammtergebniß der Getreideernte 1893 in den 60 Gou- vernements des europäischen Rußland stellt fich auf 403 189 100 Tschet- wert gegen 292 618 100 Tschetwert im Jahre 1892. (Vergl. au „R.-Anz.*" vom 7. Februar d. J.)

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Preußen.

Der Regierungs-Präfident zu Marienwerder hat unterm 5. Juni 1894 (Extrabl. zu Nr. 23 des Amtsbl.) angeordnet, daß Per- sonen, welhe an einem im Regierungsbezirk Marienwerder belegenen Ort von außerhalb zureisen , nahdem sie stch innerhalb der leßten fünf Tage in Rußländ süss g haben, verpflihtet find, ihre Ankunft spätestens inner- alb 12 Stunden der Orts-Polizeibehörde des Ankunftsortes unter genauer Angabe derjenigen Orte, an welchen sie während der leßten 5 Tage geweilt haben, anzuzeigen. Zuwiderhandlungen gegen diese Anordnung werden nach § 327 des Reichs-Strafgeseßbuhs geahndet.

Cholera.

Deutsches Reich. Auch in der verflossenen Woche wurden den „Veröffentlihungen des Kaiserlichen Gefundheitsamts“ zufolge Cholerafälle nit beobachtet.

Oesterreih-Ungarn. In Galizien hat nah dem Bericht des „Oest. San.-W.* die Cholera neuerdings weiter um ih ge- griffen: vom 12. bis 19. Juni sind in insgesammt 9 Gemeinden der politishen Bezirke Borszczow, aa Nisko und Tarnobrzeg 3l Erkrankungen, davon 15 mit tödtlichhem Ausgang, festgestellt worden ; die Gesammtzahl der Erkrankten seit dem Wiederausbruh der Seuche beläuft sich auf 157, der Gestorbenen auf 84. In die Bezirke Nisko und Tarnobrzeg wurde die Krankheit durch aus Rußland heimkehrende Flößer eingeschleppt. Der Bezirk Borszczow wurde unterm 13. Juni vom Minister des Innern als „Cholera herd“" erklärt. Fn der Bukowina wurde am 11. Juni ein weiterer Krankheitsfall festgestellt.

Frankreich. Zufolge amtlicher Mittheilung vom 16. Juni wurden im Departement Finistère seit 10 Tagen weder Neu- erkrankungen noch Todesfälle angezeigt.

Rußland. In der Stadt Warschau erkrankten, wie in den „Veröffentlihungen des Kaiserlihen Gesundheitsamis" mitgetheilt wird, vom 10. bis 15. Juni 13 Personen (es starben 7), sonst im Gouvernement Warschau vom 10, bis 14 Su 2E im Gouvernement Plock vom 8. bis 13. Juni 63 (41) davon 5H (33) in der Stadt Ciehanow —, im Gouvernement Nadom vom 6. bis 12. Juni 10 (4), im Gouvernement Tula vom 20. Mai bis 2. Juni 5 (1), vom 3. bis 10. Juni 8 (0).

Ostindien. Kalkutta. Vom 13. bis 19. Mai sind 19 Per- fonen an Cholera gestorben.

4A Hongkong. Nach einer beim Kolonialamt in London ein- gelaufenen Mittheilung betrug die Zahl der bis Mitte Juni in der Stadt Gestorbenen 1900; etwa_80 000 Einwohner sind geflüchtet. Der hauptsächlich heimgesuhte Stadttheil ist gesperrt worden. Die

Einschleppung soll aus China erfolgt und dur cine 7 Monate lang anhaltende Trockenheit begünstigt worden fein. Gelbfieber.

In Havana sind dem „Abstr. of sanit. rep.“ zufolge vom 11. bis 17. Mai 2 Sterbefälle (nebst etwa 6 Erteaitangent vom 18. bis 24. Mai 1 (10) vorgekommen, in Guayaquil vom 4. bis 10. Mai 3, in Vera Cruz vom 11. bis 17. Mai 12, in Rio de Faneiro vom 15. bis 21. April 125, bis 28. April 116.

Handel und Gewerbe,

Tägliche Wagengestellung für Koblen und. Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 27. d. M. gestellt 11 246, nit rechtzeitig geftellt keine Wagen. _In Oberschl G sind am 26. d. M. gestellt 3476, niht rets zeitig gestellt keine Wagen.

Zwangs-Versteigerungen. Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin fanden am 27. Juni die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung : Scchön- auser Allee 50a, dem Kaufmann Paul Seymer gehörig ; lähe 6,91 a; Nuzungswerth 10800 4; für das eistgebot von 144 050 A wurde der Bauunternehmer Paul Otto, traße 15, Abtheilung 12 Nr. 4, Ersteher. Hutten st raße 2, dem Baus meister Ed. Göße gehörig; Fläche 5,39 a; für das Meistgebot von 66 000 6 wurde die Aktien -Bau - Gesellshaft „City“, Dresdenerstraße 52/53, Ersteherin. Pankstraße 42a, dem Kauf- mann Adolf Auerbach gehörig; Nupungswerth 1800 #4; für das Meistgebot von 67 010 wurde der Kaufmann Simon Frie d- länder, Schellingstraße 15 und der Kaufmann Herm. Ephraim- sohn, Königarägerstrale 63, Ersteher Hagenauerstraße 12 dem Tischlermeister Ern st Schmidt gehörig; Nuzungswerth 11 200 A; für das Meistgebot von 156 A wurde der Rentier

&Foh. Traug. Rohn, Luisenstraße 14, Ersteher,