1894 / 225 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 24 Sep 1894 18:00:01 GMT) scan diff

i Die im En aufgestellte Uebersicht der Betriebs-Ergebnisse deutscher Eisenbahnen für den Monat August d. J. ergiebt für die 68 Bahnen, die auch schon im entsprehenden Monat des Vorjahres 1m Betriebe waren und zur Vergleihung ge gen werden konnten, mit einer Gesammtbetriebsl[änge von 7,85 km Folgendes: Jm August d. J. betrug die Einnahme: a. aus dem Personéèn- verkehr im ganzen 37 395432 #4 oder 599177 # mehr als in demselben Monat des Vorjahres, auf 1 km Betriebs- länge 995 6 oder 0,10 Proz. weniger als in demselben Monat des Vorjahres; b. aus dem Güterverkehr: im ggen 74126708 6 oder 662695 M mei als in demselben Monat des Vorjahres, auf 1 km Betriebslänge 1941 H oder 0,77 Proz. weniger als in demselben Monat des Vor- Jahres. In der Zeit vom Beginn des Tes bis Ende ugust d. J. betrug die Einnahme: A. Bei denjenigen Bahnen, deren Rechnungsjahr die Zeit vom 1. April bis 31. März umfaßt, a. aus dem Personenverkehr: im anzen 139 081 955 4 oder 2296977 4 mehr als in ptleiden Zeitraum des Vorjahres, auf 1 km Betriebslänge 4534 M oder ebensoviel als in demselben Zeitraum des Vorjahres; b. aus dem Güterverkehr: im ganzen 297 785 343 6 oder 7 476330 H mehr als in demselben l woa des Vorjahres, auf 1 km Betriebslänge 9541 H oder 0,93 Proz. mehr als in demselben Zeitraum des Vor- jahres. B. Vei denjenigen Bahnen, deren Rechnungsjahr mit Dent Kalenderjahre zusammenfällt, a. aus dem Per} onen- verkehr: im ganzen 46 177 632 6 oder 2233304 mehr als in demselben Zeitraum des Vorjahres, auf 1 km Betriebs- länge 6771 F oder 3,72 Proz. mehr als in demselben Zeit- raum des Vorjahres; b. aus dem Güterverkehr: im anzen 79 795 754 A oder 1 181 320 F mehr als in demselben Deiteaunt des Vorjahres, auf 1 km Betriebslänge 11 568 i oder 0,18 Proz. mehr als in demselben Zeitraum ‘des Vor- jahres. Eröffnet wurde am 1. August die Strecke Mohrungen— Wormditt 29,14 km (Königliche Eisenbahn-Direktion in Bromberg).

In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „NReichs- und Staats-Anzeigers“ werden Nachrichten über den Stand der Kartoffeln, des Klees und der Wiesen im Deutschen Neich um die Mitte des Monats September 1894 und die Roggenernte des Jahres 1894, zusammen- gestellt im Kaiserlichen Statistishen Amt, veröffentlicht.

Der Wirkliche Geheime Ober-Regierungs-Rath im Reichs- Eisenbahnamt Kraefft ist aus Süddeutschland hier wieder eingetroffen.

Der General - Auditeur der Armee, Wirkliche Geheime Ober-Justiz-Rath Jttenba ch ist vom Urlaub zurückgekehrt.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich württem- bergische Direktor von Fischer ist hier angekommen.

Kiel, 24. September. Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrih hat seine Abreise nah England aufge- schoben und wohnte heute in der Marine-Garnisonkirche der feierlihen Enthüllung der von Seiner Majestät dem Kaiser gestifteten Gedächtnißtafel zu Ehren der auf S. M. Panzerschif} „Branden b urg“ Verunglückten bei. Der Ober- pfarrer Langheld hielt die Weiherede. Der Kommandant der „Brandenburg“, Kapitän zur See Bendemann gab dem Dank für die Allerhöchste Ehrung Ausdruck. Der Feier wohnten zahlreihe Offiziere und Deputationen aller Theile der Marine bei. s

Sämmtliche Schiffe der aufgelösten Manöverflotte sind im Laufe des vorgestrigen Nachmittags hier eingetroffen. Der Kreuzer „Prinzeß Wilhelm“ traf um 31/5 Uhr, unter eigenem Dampf fahrend, hier ein und begab sich sofort an die Werft.

Varzin, 283. September. Zum Besuch des Fürsten Bismarck trafen heute gegen Mittag hier ungefähr 1500 Herren und Damen aus der Provinz Westpreußen ein. Sie waren mit zwei Sonderzügen von Elbing und Thorn in Hammer- mühle angekommen, und nachdem sie auf dem Bahnhof eine Erfrischung eingenommen hatten, gingen sie in einem langen Zuge unter Führung des Herrn von Fournier-Kozielec nah Varzin. Unter Vorantritt einer Musikkapelle zogen sie nah dem Schloß, wo in den hufeisenförmigen Hof die Herren und Damen des Comités vorauf eingeschwenkt wurde. Nach Gesang des Liedes „Die Ostwacht“ erschien der Fürst auf der Veranda des Schlosses und wurde mit begeijtertem Jubel begrüßt. Herr von Fournier hielt darauf die Ansprache an den Fürsten, welche in ein dreifahes Hoch auf den Fürsten, das brausenden Widerhall fand, ausklang. Der Fürst dankte den Erschienenen in längerer Rede, in der er nach einer Meldung des „W. T. B.“ eee er fühle sih hoch- geehrt durch die Begrüßung und hochersreut, daß die Theil- nehmer an der Fahrt die Unbill des Wetters niht gescheut N Lediglich das gemeinsame Gefühl der Liebe zun

aterlande habe das heutige Zusammenkommen veranlaßt. Der Fürst erinnerte an den heut vor acht Tagen C Bots der Posener und sagte, er sei erfreut darüber, daß die deutsh gesinnte M e sih einstimmig anerkennend geäußert habe; die polnishe Presse habe das natürlih nicht ethan, sondern nur die Verwunderung ausgesprochen, daß er h nicht gröber Aae: habe. Der Fürst führte ferner aus, die russishe Nachbarschaft sei vielleicht oft unbequem, ihm aber doch lieber und angenehmer als eine polnische. Der Fürst motivierte dies durch historishe Rücfblickte, in welchen er die Ereignisse von 1831 und 1848 beleuchtete. Was das An- siedelungs a betreffe, so glaube er, daß man bei der Ausführung desselben hätte Zeit lassen und den angekauften Besiß in der Hand behalten sollen. Westpreußen sei ursprünglich nicht polnisher Besiß Fen sondern von den Polen nur er- obert worden. edner ging dann auf die Geschichte der Entwickelung Westpreußens ein. Erst mit dem Frieden von Thorn sei Westpreußen an Polen gekommen, während die Polen es anders schilderten. Der Fürst dehnte seine Betrach- tungen auch auf die Ordenszeit und die Vergangenheit West- preußens aus. Westpreußen sei jet deutscher Besiß und offentlich für immer. So lange das deutsche Volk mit ilen Kaiser und seinen Fürsten zusammenstehe, sei keine

Gefahr vorhanden. Dabei wies der Fürst auf die Reden Seiner Majestät des Kaisers in Königsberg, Marienburg und Thorn hin, welche eine Gewähr dafür seien, daß Westpreußen von einer | wri niht bedroht g Der Fürst {loß mit der Aufforderung, mit ihm einzustimmen in den Ruf: „Seine Majestät der Kaiser lebe hoh, os, hoh!“ Nachdem die Anwesenden begeistert in diesen Ruf eingestimmt hatten, wurde die Volkshymne gesungen. Eine Dame überreichte sodann der Fürstin mit poetischer Ansprache ein prächtiges Blumenbouguet, und mehrere andere Damen widmeten dem Fürstenpaar weitere Blumenspenden. Nachdem der Fürst sich unter die Ver- sammelten begeben und mehrere derselben ins Gespräch ge- zogen hatte, defilierten die Huldigungsfahrer vor dem Fürsten unter den Klängen des Preußenliedes. Der Zug begab sih hierauf wieder na ammermühle, von wo beide Sonderzüge nach 3 Uhr die Rückfahrt antraten.

Bayern.

Der Regierungs -Präsident von Oberbayern Freiherr von M teuter ist in der Nacht zu gestern plößlich gestorben.

Württemberg.

Der „Staats-Anzeiger für Württemberg“ meldet: Der Kriegs-Minister, General Freiherr Schott von Schotten- stein ist an einem ernsteren Blasenleiden entzündliher Natur erkrankt. Eine nothwendig gewordene Operation wurde am Sonnabend ohne Zwischenfall vollzogen. Das Befinden des Kriegs-Ministers ist heute zufriedenstellend.

Anhalt. : : Jhre La der Herzog und die Herzogin sind mit

rer Durhlaucht der Prinzes) in Alexandra von Berchtes- a am L aba i längerem Aufenthalt in Ballenstedt

eingetroffen.

Oesterreich : Ungarn.

Der Minister des Auswärtigen Graf Kälnoky ijt mit dem Sektions-Chef Freiherrn von Pasetti-Friedenburg am Sonnabend aus Budapest nach Wien zurückgekehrt. /

Der Heeresausschuß der ungarischen Delegation erledigte vorgestern die Erhöhungen und Verminderungen des Etats sowie den größten Theil des Heeresordinariums. Jm Laufe der Debatte motivierte der Kriegs-Minister die Schaffung einer Stelle eines General-Jnspektors für die Militär - Erziehungs- und Bildungsanstalten mit dem Wunsche, selbst in nähere Berührung mit diesen Anstalten zu treten. Der Jnjpektor habe keine Entscheidung zu treffen, sondern nur Beobachtungen zu machen und Bericht zu er- statten ; Entscheidungen treffe der Minister. Bei der immer zunehmenden Ausdehnung des Militärbildungswesens sei dieser Posten ein sehr wichtiger, weshalb er (der Minister) die Bewilligung der erforderlichen Mittel erbitte. Jn der Frage der Militärjustiz- reform sei bereits über die Prinzipien der Reform eine Ueberein- stimmung zwischen den betheiligtenMinisterien erzielt worden. Nah seinen Direktiven würden nunmehr die Details ausgearbeitet ; diese wichtige Frage wekrde so ras gelöst werden, als es ohne Schädigung der Gründlithkeit der Lösung möglich sei. Hierauf wurde die Sizung geschlossen, die nächste findet heute statt.

Frankreich.

In Nogent sur Seine is gestern an Stelle des nun- mehrigen Präsidenten Casimir-Perier Bachimont (radikal) mit 4986 Stimmen zum Deputirten gewählt worden. Der Gegenkandidat Robert (Republikaner) erhielt 4582 Stimmen.

Das Schwurgericht in Paris hat Goullé, den Verfasser eines in der „Petite République“ erschienenen, für den Prä - sidenten Casimir-Perier beleidigenden Artikels zu drei Monaten und den verantwortlichen Herausgeber des genannten Blattes Tibara zu 15 Tagen Gefängniß, beide außerdem zu 1000 Fr. Geldstrafe verurtheilt. Die Geschworenen hatten den Angeklagten mildernde Umstände zugebilligt.

Jtalien.

Der König hat mittels Dekrets vom 20. d. M. alle von den Kriegsgerichten wegen der Unruhen auf Sizilien und in Massa Carrara Verurtheilten, deren Freiheitsstrafen nicht über ein Jahr lauteten, begnadigt. Ferner wurde jede aus derselben Veranlassung verhängte Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren um ein Jahr ermäßigt und alle Geldstrafen, die von den genannten Gerichten ausgesprochen waren, erlassen.

Wie die römischen Blätter melden, ist eine Untersuchung wegen Landesverraths und Verkaufs des Mobilisa- tionsplans an eine auswärtige Macht eingeleitet worden. Ein gewisser Cagliani, Geschäftsreisender cines Züricher Hauses, solle von zwei Subalternbeamten des Kriegs- Ministeriums mit Unterhandlungen wegen des Verkaufs von Geheimnissen an Frankreich betraut worden sein. An den Eigen-

thümer des „Petit Journal“ sei in diesem Sinne geschrieben

worden. Jnzwishen habe Cagliani dem Obersten Dascioni den Plan verrathen, worauf die Schuldigen verhaftet worden seien. Leßtere seien dem Anscheine nah niht in der Lage gewesen, wihtige Geheimnisse zu kennen, sondern hätten nur beabsichtigt, Geld zu ershwindeln. / |

Die „Agenzia Stefani“ erklärt die Meldung, daß die diplomatischen Beziehungen zwishen Jtalien und Serbien abgebrochen worden seien, für unbégründet.

Nach einem Telegramm der „Agenzia Stefani“ aus Tanger ist die Behauptung des „Diario de Tanger“ und des Madrider „Jmparcial“ unbegründet, daß die ita- lienishe Regierung mit der französishen einen Druck auf den Sultan von Marokko ausübe wegen Aufrechterhaltung der bestehenden oder Errichtung neuer Konsulate in Fez. Im Gegentheil habe die italienische Regierung die seitens der marokkanischen Regierung und des Madrider Kabinets erhobenen Einwendungen gegen den mit dem politischen auswärtigen E der Eingeborenen ge- triebenen Mißbrauch in wohlwollende Erwägung gezogen, da ein solcher Mißbrauh nah Anschauung des Sultans die poli- tischen Vertretungen für die öffentlihe Ordnung im Jnnern des Neichs gefährlich erscheinen lasse.

Belgien. Der L G A Major von Wissmann und Dr. Bumiller wurden gestern in Brüssel vom König in Audienz empfangen und zur Tafel geladen. Gestern Abend ver- ammelten sih zur Feier der Anwesenheit des Majors von

issmann und des Dr. Bumiller die belgischen Afrikaforscher Storms, van Gele, Jacques u. a. -

Rumänien.

Der König und die Königin sind vorgestern Abend in Sinaja eingetroffen. An der Grenzstation Predeat wurden Allerhöchstdieselben von dem Prinzen und der Prinzessin Ferdinand, denMinisternund deren Gemahlinnen sowie anderen hohen Würdenträgern empfangen und von einem zahlreich herbei- geströmten Publikum lebhaft begrüßt. Die Königin dankte ed für den ihr bereiteten Empfang. Jn Sinaja erwarteten zahlreiche Vertreter der Behörden sowie eine große Volksmenge die Ankunft des Königs und der Königin, die mit begeisterten Kundgebungen begrüßt wurden. Der Zug begab sih zunächst nah dem Kloster, wo der Erzbishof-Primas ein Te Deum elebrierte. Abends fand ein Fackelzug statt. Die Stadt Bukarest war fux Feier der Genesung und der Rückkehr der Königin reich beflaggt.

Bulgarien.

Die „Agence Balcanique“ bezeichnet die Nachricht, daß der Jahrestag der Vereinigung beider Bulgarien in diesem Jahre auf Veranlassung der Behörden nicht gefeiert sei, um die

EmpfindliŸkeit Nußlands zu schonen, als unrichtig. Die Ver-.

einigung Bulgariens sei niemals offiziell, sondern nur von einigen Regimentern gefeiert worden. Eine derartige Feier sei auch in diesem Jahre veranstaltet worden, doch habe keine russophile Persönlichkeit daran theilgenommen.

Aus Anlaß der Wahlen zur Sobranje hat der Minister-Präsident und Minister des Jnnern Stoïlow ein Rundschreiben an die Präfekten erlassen, worin er erklärt, es sei der aufrihtige Wunsch der Regierung, dem Volke zu ermöglichen, seine wahren Vertrauensmänner zu bezeichnen. Es werde die Aufgabe der Verwaltungsbehörden sein, den Wählern die Möglichkeit zu bieten, eine freie Wahl aus- zuüben, und jeden Gemwaltakt einer Partei gegen die andere zu verhindern. :

Die Wahlen selbst, die gestern vorgenommen wurden, sind, foweit bis jeßt Berichte vorliegen, sowohl in Sofia wie im Jnnern des Aindes ohne Ruhestörungen vor sich gegangen. Der Minister-Präsident Stoilow wurde von 11 Wahl- bezirken aufgefordert, zu fkandidieren; er stellte jedo seine. Kandidatur nur in zwei Bezirken auf und lehnte für die übrigen Bezirke ab. Zankow ersuchte die Unionisten in Philippopel, ihn und seinen Schwieger- sohn Ludsanow zu Deputirten "zu wählen. Die Unio- nisten lehnten dies Ansuchen mit der Erklärung ab, daß in Südbulgarien keine Anhänger Zankow's existierten. Bis gestern Abend 11 Uhr waren 72 von 160 Wahlresultaten bekannt. Karawelow drang nirgends durh. Das Gerücht, daß Zankow gewählt sei, entbehrt noch der Bestätigung. Stoilow und Radoslawow wurden viermal, Nat - \hewitsch dreimal gewählt. Mehr als die Hälfte der Gewählten scheinen Konservative, d. h. Anhänger von Stoilow und Natschewitsh zu sein. Jn Sofia siegte die Liste: S ilowGeidow: Grossew und Hadschikoßew, während Tontschew und Radoslawow unterlagen. Stoilow allein erhielt 4800 Stimmen, d. i. dreimal so viel, als sonst die Gesammt- zahl der Wähler betrug. Nach dem Bekanntwerden des Wahl- resultats wurden den Ministern große Ovationen darge- bracht. Ein Redner hielt eine Ansprache, die mit einem Hoch auf den Prinzen Ferdinand von Sachsen-Coburg und den Minister- Präsidenten schloß. Stoilow sagte in seiner Erwiderung hierauf, der erste Punkt seines Programms habe sich durch die in voller Freiheit vor sich gegangenen Wahlen verwirklicht ; nunmehr handle es sih um die Durchführung des zweiten Punkts, nämlih um die Festigung des Throns und des dynastischen Gefühls.

Schweden und Norwegen.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Christiania hat in Hamar bei den Wahlen zum Storthing die Rechte gesiegt.

Dänemark.

Die Prinzessin von Wales hat gestern früh an Bord

der Yacht „Osborne“ die Rückreise nah England angetreten.

Amerika.

Wie die „Agenzia Stefani“ aus Rio de Janeiro meldet, sind infolge eines energischen Einschreitens der italienischen Gesandtschaft mehrere unter Anschuldigung von politischen Vergehen im Staatsgefängniß gehaltene Jtaliener in Frei- heit geseßt worden. Man hoffe, daß demnächst alle wegen Verdachts politisher Vergehen verhafteten Ftaliener aus dem Gefängniß entlassen werden würden.

Asien.

Eine den Londoner Blättern zugegangene Depesche aus Tokio vom 22. d. M. bringt die von dem japanischen Admiral Jto über die Seeschlacht am Yaluflusse an seine Regierung gemeldeten Einzelheiten. Danach habe die Schlacht den ganzen Tag gedauert, der Einbruch der Nacht erst habe die Fortseßung des Kampfes unmöglih gemacht. Außer den vier Binesc{hen Kriegsschiffen, die untergegangen seien, seien noch drei andere durh japanishe Granaten in Brand. s worden. Während der Nacht sei der Rest des chinesischen Ge- \hwaders entwichen; die japanischen Schiffe hätten ihn, da sie selbst beschädigt gewesen seien, nur in langsamer Fahrt verfolgen *fönnen. Das japanische Geschwader sei alsdann nach Haiyantao

urückgekehrt. Kein japanishes Schiff sei untergegangen, dic eshädigten Schiffe mit Ausnahme des „Matsushima“ könnten durch Arbeiter an Bord provisorisch ausgebessert werden. Der Verlust der Japaner belaufe sich auf 39 Todte, De 5 Offiziere, und 160 Verwundete. An Bord des Admira? \hiffes „Matsushima“ seien der Kommandant, der Erste Offizier und 51 Mann getödtet, 4 Offiziere und ‘52 Mann verwunde worden. Sab B V seine Flagge an Bord des Kreuzers „Hasidate“ gehißt. ie ¿2a "Reuter's@en Bureau“ aus Yokohama E 22. d. M. gemeldet wird, sei die japanishe Regierung en? shtossen, die errungenen Vortheile eben und den 5 vor Beginn des Winters mit aller Macht fortzuführen. 80 00 Mann hätten sofortige Marschordre nach der Ie ergan: es sei unbekannt, wo sie verwandt werden L e 0 E man allgemein, L ein großer Handstrei el Ie de Begeisterung in “Japan sei ungeheuer; allerorts würde

die Truppen mit Beifall begrüßt. Die militärischen Behörden :

ätten von dem ganzen Eisenbahnney Besiy genommen. Lal der T rien werde nach Hiroshima gea! wer wo der Mikado eine Parade über sie abnehmen S Dem Vernehmen nah würden die Transportmittel bereit g halten. Unter den Truppen herrsche Siegeszuversicht.

Dasselbe Bureau meldet aus Victoria in Britisch Columbia : ein von China und Japan kommender Dampfer habe die Nachricht gebraht, Japan sei entschlossen, die Be- dingungen eines in Moukden oder Peking abzuschließenden

riedens zu diktieren, während China auf das Klima seine Lofnung seße und den Japanern in Korea ein Moskau zu bereiten gedenke. Moukden, wohin große Truppenverstärkungen gesandt worden seien, werde jeßt befestigt. Die Zeitungen in Tokio theilten mit, der Vize-König Li-Hung-T Gang Ia neuer- dings dem ihm vom englishen und russischen Gesandten ge- machten Vorschlag zugestimmt, einen Waffenstillstand be- hufs Einleitung von Friedensverhandlungen herbeizuführen, aber ‘0 habe es abgelehnt, diesen Vorschlag in Erwägung zu ziehen. :

Eine Meldung der „Times“ aus Shanghai besagt, daß Nachrichten aus Chemulpo vom 16. September zufolge dort 32 japanische Transportschiffe mit 7000 Soldaten, 3000 Kulis und 2000 Pferden sowie ein Transport mit Pontons und Berg-Artillerie angekommen seien. Die Truppen seien nach Söóul Hesandt worden.

Das „Reuter he Bureau“ meldet aus Shanghai vom 2 d. M. sechs chinesische Transportichif}e, die Truppen nah Yalu gebracht hätten, hätten den Golf von Petischili durhquert und seien am 22. d. M. in Taku ange- kommen.

Die „Times“ meldet aus Shanghai, mangelndes Ein- vernehmen unter den chinesischen Führern scheine S das Unglück bei Ping -jang herbeigeführt zu haben.

Nr. 38 des entralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben imMinisterium der öffentlichen Arbeiten, vom 22. September hat folgenden Inhalt: Eröffnung des Großschiff- fahrtsweges durch Berlin. Die frühere Gestalt der Thürme des Bamberger Domes. Grundsätze sür den Bau von Krankenhäusern (Fortseßung). Verlegung von Dükern durch die Elbe bei Magde- burg. Weichen- und Signal -Sicherung durch Blockierung der Schlüssel für die Weichenvershlüsse. Vermischtes: Befestigungs- arbeiten in rutschenden Bahneinschnitten. Bücherschau.

Entscheidungen des Neichsgerichts.

__Die dem Kaufmann für Geschäftsbesorgungen oder Dienst- leistungen geseßlich (Art. 290 H.-G.-B.) zustehende Provision, welche von diesem neben einer ihm zustehenden Hauptforderung aus seiner Geschäfl8besorgung, zu einem Betrag vereinigt, gegen den Auf- traggeber eingeklagt worden ist, bleibt, nah einem Ürtheil des Reichs- gerichts, I. Zivilsenats, vom 23. Juni 1894, bei Berechnung des Werths der Streitsumme und demna auch bei der Bestimmung der Nevisionssumme unberücksihtigt. Die Firma C. u. R. hatte aus Geschäftsbesorgungen für L. eine Forderung von 1482 4 49 A eingeflagt und in der Berufungsinstanz die Klageforderung auf 1507 M 65 erhöht, indem sie noch weitere 25 M 20 Provision für ihre eigene Mühewaltung forderte. Von der Berufungsinstanz mit ihrer Forderung abgewiesen, legte die Klägerin Revision ein, welhe vom Reichsgeriht als unzulässig verworfen wurde, indem es begründend ausführte: „Die eigene Provision stellt fich als eine Entshädigung für die eigene Mühewaltung dar und hat analoge Bedeutung mit der nah Art. 50 3. 3 der Wechselordnung dem Inhaber eines Wechsels gebührenden Provision. Demnach handelt es sich um einen neben der Hauptforderung erhobenen Anspruch auf Schadensersaß. Ein solcher bleibt aber bei Berehnung des Werthes der Streitsumme (§4 Z.-P.-O.) und folgeweise auh bei Bestimmung Fu Voit i 508 Abs. 2 Z.-P.-O.) unberücksichtigt.“

29/94.

__ Die Konventionalstrafe, welche in den die Gewerbe- freiheit durch Konkurrenzverbot beshränkenden Verträgen ent- halten ist, hat, nah zwei Urtheilen des Reichsgerichts, I. Zivilsenats, vom 27. und 30. Juni 1894, im Zweifel die rechtliche Natur einer Wandelpön, wenn die Strafe ihrer Höhe nah dazu bestimwt er- scheint, dem Berechtigten das volle Interesse an der Vertragserfüllung zu erseßen. In solchem Falle kann von dem Uebertreter des Kon- kurrenzverbots nur die Leistung der Strafsumme, nicht aber außerdem nochErfüllun g des Vertrags verlangt werden. Dem Urtheil vom 30. Juni liegt der Fall zum Grunde, in welchem der Inhaber eines Geschäfts dieses an einen andern für 22500 Æ verkaufte und sih dabei „und zwar bei Vermeidung einer Konventionalstrafe von 10 000 A“ verpflichtete, innerhalb der folgenden fünf Jahre kein Kon- kurrenzges{chäft zu eröffnen. „Wie dzr erste Richter“, führt das Neichs- gericht begründend aus, „zutreffend hervorgehoben hat, spriht {on die Fassung, in welcher die Strafandrohung dem Konkurrenzverbot engt ist, für die Absicht der Kontrahenten, daß mit Zahlung der Strafe der Bruch des Verbots gesühnt sein follte. Es entspriht aber auch dem Wesen der Verträge vorliegender Art und der regelmäßigen Verkehrsanschauung, daß das volle Interesse des Berechtigten an der Vertragserfüllung durh die Strafe erschöpfend gesichert worden und andererseits der Verpflichtete in die Lage H werden soll, dur die Leistung der Strafe sich von der ihm auferlegten Beschränkung seiner Erwerbs- freiheit frei zu machen. Namentlich is dics als gewollt anzunehmen, wenn die Höhe der Strafe ersehen läßt, daß dur dieselbe das volle Vertragsinteresse des Berechtigten gedeckt wird. Daß dies hier der Fall ist, kann nicht bezweifelt werden, wenn die Kaufsumme von 22 900 e der auf die fünfjährige Konkurrenzenthaltung geseßten Strafe von 10000 Æ gegenübergestellt wird.“ (206 u. 130/94.)

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.

L UDN. 3 bes e über die Verjährungsfristen bei öffent- lihen Abgaben vom 18. Juni 1840 bestimmt: „Ist die Reklamation vor dem Ablauf der Frist angebraht, und wird solche begründet ge- sunden, so exfolgt die Ermäßigung oder gänzlihe Befreiung für das laufende Jahr. Für Ver Ie sene Jahre wird keine Nück- zahlung gewährt.“ Jn Bezug auf den zweiten Sah dieser Bestimmung hat das Ober-Verwaltungsgeriht, 11. Senat, dur Urtheil vom 16. Juni 1894 ausgesprochen, daß nach diesem eine Nekla- mation ohne Wirkung bleibt für die Zeit, welche hinter demjenigen Jahre zurükliegt, in Ansehung dessen fie erhoben worden ist; dagegen wird sie hinsihtlih des Jahres, in Ansehung dessen sie erhoben worden ist, dadurh nicht wirkungslos, daß sie sich über das Steuerjahr hinaus hingezogen Vat » + » Der Zusammenhang mit dem vorangegangenen Saße, daß eine rehtzeitig angebrachte, als begründet anerkannte Reklamation die Ermäßigung oder Befreiung N „für das laufende“ Jahr zur Folge hat, läßt erkennen, was mit ‘den d unmittelbar anschließenden Worten zum Ausdruck gelangen sollte, da nämlich die dem Zensiten günstige Entscheidung eine weiter in die

ergangenheit zurückreihende Wirkung nicht äußert, daß also die Er- mäßigung oder Befreiung selbst wenn in früheren Jahren die Verhältnisse nicht wesentlih anders gelegen haben follten doch nur noh für das laufende Jahr erfolgt.“ (I1 792.)

. Kunst und Wissenschaft.

In der Sipun des Vereins für deutsches Kunft- ewerbe am nähsten Mittwoh wird Herr Dr. Æ. Ba, Direktorial- ssistent am Königlihen Kunstgewerbe-Museum, an der Hand aus-

gestellter Proben über ältere Stucktehnik sprehen. Die Sitzung

findet im großen Saale des Architektenhauses 84 Uhr Abends statt. In der vorgestrigen Sizung des Vereins deutscher Irren-

ärzte in Dresden (vergl. Nr. 224 d. Bl.) gelangte, wie ,W. T. B."

weiter berichtet, eine Resolution zur Annahme, in welcher der Verei

seine Befriedigung ausspricht, daß durch die E zweiter Lesung des Bürgerlichen Geseßbbuchs die Forderungen des Vereins ín Bezug auf das Verhältniß der Geisteékranken im wesentlichen erfüllt worden sind.

Die Versammlung deutscher Naturforscher und

Aerzte wurde am Sonnabend Abend im Coursalon zu Wien

eröffnet. Etwa 1000 Mitglieder sowie zahlreihe Wiener Gelehrte

nahmen daran theil. Nachmittags hatte Professor Sueß zu Ehren des Vorstandes der Gesellshaft Deutscher Naturforscher und Aerzte ein Diner gegeben, welhem laut Meldung des „W. T. B.“ der

Unterrichts-Minister, der Statthalter und der Bürgermeister bei-

wohnten. Schulwesen.

Der Vorstand des Deutschen Vereins für das höhere Mädchenschulwesen hat seine Delegirten aus allen Theilen Deutschlands zu einer öffentlihen Sißung nah Berlin auf den 4. Oktober, Morgens 92 Uhr, in der Aula der Königlichen Elisabeth- schule (Kochstr. 65) einberufen, um zu der dur ministeriellen Erlaß vom 31. Mai d. J. verfügten Neuregelung des höheren Mädchenschulwesens in Preußen Stellung zu nehmen.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Preußen.

Regierungsbezirk Marienwerder. Der Regierungs-Prä- fident hat das unterm 7. August und 5. September d. I. erlassene Verbot des Uebertritts von Personen aus Rußland an den Grenzübergängen bei Gollub, Pissakrug und Gorzno mittels landespolizeiliher Anord- nung vom 12. September 1894 dahin erweitert, daß der Uebertritt von Personen aus Rußland über die Landesgrenze des NRegierungs- bezirks Marienwerder an allen anderen Stellen als auf dem Eisen- bahnwege über OttlotsWin und dem Wasserwege über Shillno untersagt ift.

: Cholera.

Königsberg, 22. September. Unter den in Quarantäne befind- lichen Personen aus Bommelsvitte wurden, wie der „Ostpr. Ztg.“ mitgetheilt wird, zwei neue Choleraträger aufgefunden: Marie Jandzim und Karl Bogdahn. Ferner wurde bei dem im Krankenhause zu Memel untergebrahten Arbeiter Gudeikies das Vorhandensein von Cholera- vibrionen festgestellt. Nachtwähter Nagroßki und Wittwe Justine Heinrich in Wehlau, die an Cholera erkrankt waren, sind beide ver- storben. In Grieslienen, Kreis Allenstein, ist die Frau Marianne Choina an Cholera verstorben. Neu erkrankt find daselb Marie Cejewsfkfi und Frau Karoline Choina. In Niedzwedzen, Kreis Johannisburg, ist seit dem 23. August kein neuer Cholerafall vorge- tommen, die Seuche dort also als erloschen zu betrachten.

Danzig, 22. September. Aus dem Bureau des Staats- kommissars für das Weichselgebiet wird der „Danz. Allg. Ztg.“ mit- getheilt, daß Cholera bei der am 19. d. M. verstorbenen Untersuchungs- gefangenen Marie Kohy, bei drei n Mitgliedern der Familie Marquardt, bei drei Quarantänepflihtigen, Mitgliedern der Familie Kruck, und bei zwei Quarantänepflihtigen, Mitgliedern der Familie Sabanowsfi, sämmtilih in Tiegenhof, festgestellt ist.

Breslau, 23. September. In den leßten 24 Stunden sind, wie die „Schles. Ztg.“ erfährt, bei e ien in Oppeln als bakteriologisch festgestellt zehn Cholerafälle gemeldet, und zwar je einer aus Adamowiß, Kr. Groß-Strehliß, Oppeln, Hohenlohehütte, Kattowiß, Siemianowiß, Lipine und je zwei aus Myslowiß und Laurahütte. i

Wien, 22. September. Nach den gestern hier eingetroffenen Nachrichten über den Stand der Cholera kamen in Galizien 99 Er- frantungen und 61 Todesfälle, in der Bukowina 6 Erkrankungen und 6 Todesfälle vor. Wie „W. T. B.“ meldet ist in zwölf Bezirken Galiziens seit dem 11. d. M. kein Cholerafall vorgekommen, wes- halb die Seuche dort als erloschen betrachtet wird. Aus den angeblich stark verseuhten Bezirken von Chrzanow wird nur aus einer Ge- meinde eine Erkrankung gemeldet, dagegen sind dort sechs Genesungen zu verzeichnen.

St. Petersburg, 22. September. An Cholera erkrankten bezw. tarben nah dem Bericht des ,W. T. B.“ vom 15. bis 21. d. M. in St. Petersburg 51 bezw. 29 Personen; vom 9. bis 15. d. M. in Warschau 15 bezw. 9, in den Gouvernements Lomsha 16 bezw. 11, Petrikau 305 bezw. 106, Pl ozk 40 bezw. 31, Sjedlez 122 bezw. 43, Witebsk 34 bezw. 18, Kowno 10 bezw. 8, Minsk 108 bezw. 44, Podolien 390 bezw. 166, Bessarabien 310 bezw. 113, Wla-

bezw. 8, Kostroma 72 bezw. 32, Nishni-Nowgorod 102 bezw. 92, Nowgorod 43 bezw. 24, Olonez 48 bezw. 25, Pskow 7 bezw. 5, Samara 23 bezw. 11, Simbirsk 3 bezw. 1, Tula 3 bezw. 3, Jaroslaw 109 bezw. 49, Dongebiet- 1 bezw. 1. Vom 2. bis 15. d. M. erkrankten bezw. starben in den Gouvernements War {chau 151 bezw. 88, St. Petersburg 245 bezw. 96, Saratow 102 bezw. 47, Tambow 24 bezw. 13, Cherson 48 bezw. 28, vom 2. bis 8. d. M. in Kjelce 426 bezw. 255, Kalisch 37 bezw. 24, Radom 182 bezw. 107, Kurland 21 bezw. 11, Livland 93 bezw. 41, Astrachan 41 bezw. 39, Wolhynien 59 bezw. 15, Grodno 181 bezw. 80, Kiew 2 bezw. 1, Wol ogda 8 bezw. 4, Wiatka 10 bezw. 10, Kasan 37 bezw. 25, Perm 26 bezw. 12, Rijäsfan 100 bezw. 55, Baku 1 bezw. 0.

Theater und Musik.

Berliner Theater. Der cupige Schwank „Die Großstadtluft“ von Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg, welcher zahlreihe Auf- führungen mit stets sich gleihbleibendem Grfolg im Lessing-Theater erlebt M wurde am Sonnabend zum ersten Mal auf dieser Bühne egeben. Das flott gespielte, in der E nur wenig veränderte tück verbreitete auch hier eine behaglihe Stimmung im Publikum, das für das ihm bereitete Vergnügen durch reihlich gespendeten Beifall dankte und unter den Darstellern nament- lich die Herren Waldow (Schröter), Sauer (Rechtsanwalt Lenz), Schönfeld (Gempe) und Kriete (Rektor Arnstädt), sowie die Damen Waldegg (Antonie Lenz) und Meyer (Frau Dr. Crusius) auszeihnete. Die Rolle des jungen Ehemanns Friß Flemming hatte Herr Prechtler übernommen, der sich seiner Auf- gabe mit großem Geschick entledigte. Seine Gattin Sabine Schröter wurde von Fräulein Jaeger gegeben; die junge Dame zeigte hierbei eine hübsche Begabung, die bei weiterer Ausbildung zu den besten Erwartungen berehtigt. Den von der Gattin unterdrückten Dr. Crufius stellte Herr Horn mit prächtigem Humor dar. Lessing-Theater.

Am Sonnabend ging Felix Philippi's Schauspiel , Wohl- thäter der Menschheit zum ersten Mal und mit starkem Erfolg in Scene. Der Verfasser hat sih als dramatischer eller schon einen geahteten Namen erworben, und sein neuestes Schauspiel be- weist aufs neue, daß er große Gewandtheit besißt in der Erfassung theatralisch wirksamer Motive und in der natürlihen Aus- ggltaltung des aus ihnen zu entwickelnden Konflikts. Die

rundlage des neuen Werks bildet die wissenschaftliche Meinungsverschiedenheit zweier Aerzte, die auch sonst in ihren Lebens- anschauungen und Lebensgewohnheiten arge Gegner sind, während sie

ein verwandtschaftlihes Band, das des Shwiegervaters und Schwieger- sohnes, verbindet. Der wissenschaftliche Streit wirft auf das Familien-

dimir 10 bezw. 7, Jekaterin oslaw 20 bezw. 4, Kaluga 13"

leben der Betheiligten dunkle Schatten, die vertieft werden dur das Hinüberspielen des Zwiespalts auf das sittlihe Gebiet. Der als „Wohltßäter der Menschheit“ vielgepriesene ältere Arzt, der Geheime Rath von Fortenbach, wird durh das anfangs unfreiwillige, dann aber hartnäckige Eingreifen seines derb zupackenden, überzeugungstreuen Schwiegerfohnes eines {wer wiegenden Irrthums am Krankenbette des regierenden Herzogs überführt und eines {wächlihen Festhaltens an seiner öffentlich ausgesprochenen, bewußt falschen Diagnose be- zihtigt. Das führt zum Zwist zwischen den jungen Gatten, die sich erft versöhnen, als der alte Herr seine aus Eitelkeit und Hoffahrt be- gangene Schuld feinen Kindern eingesteht und unter dem Druck ihrer lieblosen Verurtheilung Hand an F zu legen versuht. Der junge Schwiegersohn rettet dem Schwiegervater das Leben und gewinnt da- dur endlich die Liebe seiner Frau, die bis dahin ihren Vater in abgöttischer Verehrung über ihren Gatten erhob. Ein in das Schauspiel ver- wobener Liebeshandel, in dem zwei junge Leute eine recht erzwungene Liebesscene zu spielen haben, hemmt nur den Verlauf der Handlung, ohne thren Ernst zu mildern. Die beiden ersten Akte besizen recht kräftige Schlußeffekte, besonders der zweite, der in den Kummer und die Aufregung „der geängstigten Geheimrathstöhter die düsteren Trauerglo en für den eben heimgegangenen Herrscher hineinklingen läßt. Im dritten Akt wird die Theilnahme der Zuschauer erschwert durch die überrashende Häufung starker leidenschaftliher Konflikte und dur die breite Erzählung des Geheimen Raths vom Ursprung seiner in fträfliher Eitelkeit wurzelnden Schuld. Dem Dialog fehlt es nit an treffenden Ausdrüen, aber auch niht an Weitschweifigkeit. Wirkliche, gut angelegte Charakteristik zeigt nur die Gestalt des jungen, stürmischen und jovialen Doktors“ Martius, dessen Derbheit dem Shwiegervater gegenüber aber oft in unnöthige Grobheit und seiner Gattin gegenüber fast in Herzlosigkeit ausartet, während die Absicht des Dichters dahin gerichtet s{ien, daß die starke wisseashaftlio Ueberzeugungstreue mit einem guten Herzen gepaart sein follte. Als Mann der Wissenschaft ist der junge Doktor natürli und vollkräftig gezeihnet, als Ehegatte erscheint er unklar und farblos.

Mit der Ege dieses im Mittelpunkt der Ds stehenden Charakters hat Herr Sommerstorff einen großen Erfolg sowohl für sih wie für den Dichter errungen. Er arbeitete die biedere Gut« müthigkeit und die hartnäckige Ueberzeugungstreue des Arztes und Menschenfreundes kräftig heraus. Neben seiner Llebensvollen Schöpfung verblaßten alle anderen Figuren. Herr Suske als Geheimer Rath Fortenbach blieb in theatralishen Aeußer- lichkeiten steden. Herr Vorwerk sprach als Erbprinz recht verständig und vornehm, dagegen erhob Herr Rieckhoff als Gustav feine Stimme um fo gewaltiger, je ausdrudcksloser sein Mienen- spiel blieb. Fräulein Elsinger (Paula) könnte ungezwungener scherzen, sie hat die Anlage dazu. ind NReisenhofer (Katharine) mußte eine ziemlich oberflählihe Rolle spielen, die ihr fast nur im legten Aft Gelegenheit zum Ausdruck echter Empfindung gab.

Konzerthaus. |

Am Sonnabend fand Abends eine Gedächtnißfeier für den dahingeshiedenen Besißer des Hauses Franz Medding statt, zu der sich zahlreiche Freunde und Anhänger des Verstorbenen eingefunden hatten. Nachdem die Kapelle Mendelssohn's „Es is bestimmt in Gottes Rath“ gespielt hatte, hielt Herr W. Tappert eine kurze Ansprache, in der die Verdienste Medding's hervorgehoben wurden. Redner erwähnte, daß er niht nur in stets harmonishem Zusammenwirken mit den Kapellmeistern Bilse und Meyder si befunden, sondern auch oft sich sehr anregend bei patriotischen Fest- konzerten wie bei der Idee, auch jüngeren lebenden Komponisten eine astlihe Stätte zur Aufführung ihrer Werke zu bieten, betheiligt habe. Nach dieser - Ansprache folgten mehrere passend ausgewählte Orchester- werke von Wagner, Nicolai und Chopin, die mit Vorträgen des Erk’\hen Männergefangvereins und der Sängerinnen Fräu- lein Clara Nittschalk und Frau Waibel abwehselten. Die Aus\hmückung des Saales und der Logen, die mit s{warzen Trauer- draperien behängt waren, verliehen der ernsten Feier ein würdiges

Gepräge. ñ Kroll’s Etablissement.

_ Am Sonnabend Vormittag wurde im Königssaal ein größeres dramatisches Werk, eine dreiaktige tragishe Oper: „Matas- wintha“ von Xaver Scharwenka einem eingeladenen Publikum vorgeführt. Der Text, nah Felix Dahn's: „Ein Kampf um Rom“ von Dr. E. Koppel für die Bühne eingerichtet, behandelt die Episode, in der Mataswintha als leßter Sproß des Gothenkönigs Theodorih si bestimmen läßt, den König Witichis zum Gemahl zu wählen. Dieser trennt \sih, um den Wünschen des Volkes Gehör zu geben, von feiner ihm theuren Gattin Rauthgundis, die er später nur noch einmal wiedersieht, und zwar in dem Moment, als er, nah siegreichem Kampfe verwundet, an ihr vorübergetragen wird. Witichis stirbt, und Nauthgundis bricht über seiner Leiche zusammen, während Mataswintha in den Flammen stirbt. Die vielen in dieser Handlung enthaltenen romantischen und heroishen Züge hat der Komponist mit treffender Charakteristik musikalisch wiederzugeben verstanden. Dem neuesten E huldigend, is die deklamierende und rezitierende ¿Form der Gesänge den Arien zumeist vorgezogen. Der zweite Aft ist der Glanzpunkt der Oper, do enthält auch der dritte sehr. viel originell Erfundenes, und er zeigt eine große Geschicklihkeit, das Orchester wirksam zu behandeln. Sehr \stimmungs- voll ist auch die Introduktion zu dem ersten Akt. Daß die Oper niht auf der Bühne, sondern im Saale aufgeführt wurde, wo die Darsteller im Gefellschaftsanzuge erschienen, war zu bedauern. Hoffent- li werden fi bald größere Bühnen bereit finden, dieses höchst interessante Werk zur Aufführung zu bringen. Für die Wiedergabe in dieser Form waren ausgezeichnete Kräfte gewonnen. Herr Emil ge (Witichis), Fräulein Laura Friedmann (Mataswintha) r Susanne Triepel (Rauthgundis), Fräulein Gertrud

uhrmann (Aspa), Herr Julius Lieban ‘Totila) und Herr Hermann Genß (Gripper und Arahad) waren ganz vorzüglih in ihren Rollen. Auch das rill’\che Orchester führte unter Leitung des Komponisten seine s{hwierige Aufgabe auf das lobensrwertheste durch. Das sehr zahlrei ershienene Publikum spendete lebhafte Bei- falls8bezeugungen.

Im Königlichen Opernhause wird morgen Smetana's

fomishe Oper „Die verkaufte Braut“ unter Kapellmeister Wein- gartner’s Leitung mit folgender Beseßung gegeben: Marie: P Weiß, Hans: Ln Sommer, Wenzel: Herr Lieban, Kezal: Nes Mödlinger, Esmeralda: Fräulein Dietrich, Springer : Herr Philipp, Kathinka: Fräulein Kopka, Krushina: Herr Stammer, Micha: Herr Krasa, Agnes: Frau Goetze, Muff: Herr Fränkel Vorher geht Offenbah's „Verlobung bei der Laterne“ (Peter: Herr Lieban, Liese: Fräulein Des Anne-Marie: Frau Herzog, Katharina: Fräulein NRothauser). Musik-Direktor Wegener dirigiert. Im Königlichen Schauspielhause wird morgen Calderon?8 „Das Leben ein Traum“ mit Herrn Matkowsky als Sigismund wiederholt. (Rosaura: Fräulein Poppe, König: Herr olenar, Clotald: Herr Kahle.)

Mannigfaltiges,

Auf Anordnung des Ministers der öffentlichen Arbeiten soll, wie das „Zentralblatt der Bauverwaltung“ mittheilt, morgen der dur die A am Mühlendamm vermittelte neue Wasserweg für die Großschiffahrt durch Berlin dem Metten Verkehr übergeben werden. Damit gelangt ein Werk zum Abschluß, an enG Ausführung die Bauverwaltungen des Staats und der Stadt Berlin seit A Bie dreizehn Jahren gearbeitet haben. Mit der Eröffnung dieses Wasserwegs wird der ungehinderte Verkehr zwishen Elbe und Oder auch für die großen Fahrzeuge ermöglidht. Die in den Jahren 1883 bis 1886 ausgeführte Regulierung der Unter- pree gestattete den großen Elbfahrzeugen bis zu -10 Ztr. Trag- ähigkeit zwar bis zum Berliner Packhof, nicht aber in die Ober- ten die 8000 Zentner- ree-Kanals nur die

uf der anderen Seite verm

ree u men chiffe der Oder nach E des ODder-

Oberspree zu erreichen. Die in Berlin fon vorhandenen, dur den Schiffsverkehr ohnehin {hon überlasteten \Wassersteahen Ler Tie

Í