1894 / 236 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 06 Oct 1894 18:00:01 GMT) scan diff

Bekanntmachung.

: Nach Vorschrift des Gefeßes vom 10. April 1872 (Geseßz-Samml. S. 357) sind bekannt G I F

1) der Allerhöchste Erlaß vom 12. Fug 1894, betreffend die Verleihung des Enteignungsrehts an die Stadtgemeinde Ziegenrüdck bezüglich der zur Anlegung eines neuen Des im Plothen- ee erforderlichen Grundftücke, durch das Amtsblatt der Königlichen ; 7 h zu Erfurt Nr. 38 S. 171, ausgegeben am 22. Sep- em Í

2) der Allerhöste Erlaß vom 3. September 1894, durch welchen der Kommanditgesellschaft für den Bau und Betrieb von Kleinbahnen Schneege u. Comp. in Posen das Enteignungsreht zur Entziehung und zur dauernden Beschränkung des für den Bau einer Kleinbahn von Trachenberg nah Sulmiershüß mit Abzweigung nach Prausni in Anspruch zu nehmenden Grundeigenthums verliehen worden ist, dur das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Breslau Nr. 39 S. 427, ausgegeben am 28. September 1894.

Abgereist:

Seine Excellenz der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berleps\ch, nah der Neumark.

Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 6. Oktober.

Seine Majestät der Kaiser und König hörten gestern Abend in Hubertusstock den Vortrag des Reichskanzlers und nahmen heute Miitag den Vortrag des Chefs des Militärkabinets entgegen.|

Der Bundesrath nahm am Donnerstag, 4. d. M., unter dem Vorsitz des Vize-Präsidenten des Staats-Ministeriums, Staatssekretärs des Jnnern Pr. von Boetticher seine Plenarsizungen wieder auf. Nachdem der Vorsißende von der durch Seine Majestät den Kaiser erfolgten Ernennung der Mitglieder der Ausschüsse für das Landheer und die Festungen und für das Seewesen Mittheilung gemacht hatte, fand die Bildung der übrigen Ausschüsse durch Zurufswahl statt. Die Vorlage, betreffend die zollamtliche Behandlung der italienischen Verschnitt - Weine und Moste, wurde den Ausschüssen für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr überwiesen. Mit der bereits an die zuständigen Aus- Guse erfolgten Ueberweisung des Antrags Waldeck-Pyrmonts, etreffend das Ausscheiden der staatlichen Tiefbaubetriebe der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont aus der Tiefbau-Berufs- genossenschaft, des Antrags Anhalts, betreffend die steuerliche Behandlung der Abraumsalze, des Antrags Anhalts, be- treffend die Abänderung des Etats der Salzsteuer-Verwaltungs- fosten für das Herzogthum Anhalt, der Vorlage, betreffend den Entwurf einer neuen Fassung der Bone B zur Verkehrs-ODrdnung für die Eisenbahnen Deutschlands, der Vorlage, betreffend weitere Entwürfe von Bestimmungen über Ausnahmen von dem Verbot der Sonntagsarbeit in gewerb- lihen Anlagen, der Uebersichten der Einnahmen und Ausgaben der Schußgebiete von Kamerun und Togo sowie des südwest- afrikanishen Schußzgebiets für 1892/93 und 1893/94, endlich der Vorlage, betreffend die allgemeine Rechnung für den Landeshaushalt von Elsaß-Lothringen für 1890/91, erklärte sih die Versammlung einverstanden. Den Anträgen des I1V. und VI. Ausschusses, betreffend die Vornahme einer Berufs- und Gewerbezählung im Jahre 1895, wurde die Zustimmung ertheilt. Außerdem wurden Eingaben vorgelegt.

Dem Bundesrath sind folgende Theile des Reichs- haushalis-Etats für 1894/95 zur Berathung zugegangen : Etat für den Reichskanzler und die Reichskanzlei, Etat für die Reichs-Justizverwaltung, Etat für das Reichs-Eisenbahnamt und Etat der Reichsdruckerei. _

Heute hielten die vereinigten Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr eine Sißzung.

Der hiesige Hanseatishe Gesandte Dr. Krüger ist vom Urlaub nah Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Sachsen-Weimar-Eisenach.

Jhre Königliche Hoheit die Großherzogin ist gestern Abend aus Schloß Heinrichau in Schlesien wieder in Weimar eingetroffen.

Schwarzburg-Nudolftadt.

Seine Durchlaucht der BEE hat am 4. d. M. den bisher am Fürstlihen Hofe beglaubigten preußishen außer- ordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister, Ge- heimen Legations - Rath von Derenthall aus Weimar in Audienz empfangen und dessen Abberufungsschreiben entgegen- enommen. Zu Ehren des Gesandten fand darauf eine

rühstüdckstafel statt. Hamburg. Der japanische Prinz Yamaschino ist, nah einer Mel- dung des „W. T. B.“, in Begleitung seines Adjutanten an Bord des Schnelldampfers „Augusta Victoria“ vorgestern nah New-York iburtéik um sich von dort nach Japan zu

begeben.

Oesterreich-Ungarn.

ri W L ailer E. leg eas be odr f erte van i indi räß eute in Budapest eingetroffen ; j Kaiser wird Äbends nach Gödöllö zurüdkehren.

Das ungarische Oberhaus sehte gestern die Berathung

des eyentwurfs über die freie Religionsübung fort. Der der Klerikalen Graf Zihy warf der Regierung Unterdrúckung der Katholiken und Unter us der Grundlagen derGesellschaft vor. Der reformierte Bis Gabriel Pap führte aus, onslosigkeit sei nit glei tend mit Glaubens-

losigkeit. Die Gewissens- und Glaubensfreiheit brauche niemand besorgt zu machen. Durch die Gewissensfreiheit sei noh keine Nation zu Grunde gegangen, wohl aber durch Unduldsamkeit und durhch die Unterdrückung der Andersgläubigen. Die Protestanten seien stets Kämpfer für die Freiheit gewesen, so solle es auch bleiben. Der General-Jnspektor der evangelischen Landeskirche Baron Pronay machte die klerikale Partei, die in dem Wegtaufenstreite die Gleichberehtigung der Protestanten nicht anerkannt habe, für die Situation verantwortlich und trat für Konfessionslosigkeit ein, weil der Glaubenszwang unprotestantisch und unchristlih sei. Der Justiz-Minister von Szilagyi geißelte die politishe und religiöse Unduldsamkeit der Klerikalen, die unberechtigter Weise im Namen der Katholiken \prähen. Er wies nach, daß die vorgeschlagenen Reformen auch in anderen Staaten eingeführt worden seien, ohne daß hier- durch die Gesellshaft unchristlich geworden sei. Der Anarchismus sel, wie das russishe Beispiel zeige, niht eine Folge der Glaubensfreiheit. Den Kirchen werde der eventuelle Abfall ungläubiger Elemente mehr zum Vortheil gereichen als der äußere Glaubenszwang. Schließlich wurde der Geseßentwurf über die freie Religionsübung mit geringer Majorität angenommen und in die Spezialdebatte eingetreten. Die fünf ersten Paragraphen wurden unverändert aa f aandiada und sodann die weitere Berathung auf heute vertagt.

Groß;britannien und Frland.

Als der Herzog und die Herzogin Me gestern durch Leeds fuhren, um der Eröffnung des Erweiterungs- baues des Yorkshire-College beizuwohnen, stürzte, wie „W. T. B.“ berichtet, ein FJrrsinniger auf den Wagen zu und öffnete den Wagenschlag. Ein Ulan sprengte heran und verhinderte den Geisteskranken, den Wagen zu betreten. Der Jrrsinnige wurde festgenommen.

Das „Neuter he Bureau“ erfährt, das Marine-Mini- sterium habe noh keinen Befehl zur Absendung von Ver- stärkungen der britishen Flottenmacht in China gegeben, doch würden Vorbereitungen zu diesem Zweck getroffen. Die Behörden seien der Ansicht, bak die Lage in China jeden Augen- blick einen Charakter annehmen könne, der die Vermehrung der Streitkräfte zum Schuß der englischen Jnteressen noth- wendig mache. Der Kriegs-Minister habe noch keinen Befehl erlassen, Truppen nah China zu senden oder die Garnisonen in den britischen Kolonien im Dsten zu verstärken. Die „Daily News“ melden, der Kommandant des eng- lishen Geschwaders in den chinesischen Gewässern Admiral Freemantle sei telegraphish angewiesen worden, die nöthigen Verstärkungen den nächsten englishen Ge- shwadern zu entnehmen. Wie aus Athen berichtet wird, ist der britische Kreuzer „Aeolus“ nach China abgegangen.

Frankreich.

„W. T. B.“ berichtet aus Paris, in gutunterrichteten Kreisen werde daselbst den Meldungen der Blätter gegenüber erklärt, der britishe Botschafter Marquis von Dufferin werde erst Ende Oktober nah dem regelmäßigen Ablauf seines Urlaubs nach Paris zurückehren. Auf Grund der Verhand- lungen des englischen Geschäftsträgers Phipps mit dem Minister des Auswärtigen Hanotaux dürfe die Frage Über das Hinterland von Algerien und die Niger-An- gelegenheit entsprechend den englishen Gesichts- punkten geregelt werden; in den Verhaudlungen solle Egypten nicht erwähnt worden sein. :

Der Marine-Minister hat den Befehl ertheilt, daß der Kreuzer „Jsly“ nah den chinesishen Gewässern ab- gehen solle. Der „Jsly“ wird Montag von Brest absegeln.

Der „Temps“ sagt bezüglich der Eventualität einer AUtervLution in. China, es el die Prlicht aller Mächte, gleichzeitig und pari passu Schhußmaß- nahmen zu treffen, um jeden Verdacht und jede Möglich- keit ciner egoistishen Aktion zu vermeiden.

Die indirekten Steuern ergaben im Monat Sep- tember eine Mindereinnahme von 9708 000 Fr. gegen den Budgetvoranshlag und von 9055 600 Fr. gegen den Monat September 1893. Diese Mindereinnahme betrifft die Zölle.

Rußland.

Der „Kölnischen Zeitung“ wird aus St. Petersburg gemeldet, daselbst verlaute nihts von ciner direkten Ver- \hlimmerung der Krankheit des Kaisers. Von der Witterung in Livadia werde es abhängen, ob das N Paar dort noch einige Zeit verweilen oder sogleih nach Korfu weiter- reisen werde, wohin ein Theil der Kaiserlichen Hofhaltung bereits unterwegs sei und wo das Schloß des Königs von Griechenland zum Empfang eingerichtet werde. Auch der kranke Großfürst Georg solle dort den Winter zu- bringen. Sein Arzt Dr. Popow werde in Korfu auch die Kur des Kaisers leiten. Unbestimmt sei noch, ob der Groß- fürst-Thronfolger den kranken Vater und Bruder nach Korfu begleiten, oder von Livadia nah St. Petersburg urükehren werde. Jedenfalls dürfte er dazu bestimmt werden, die dringenden Regierungsgeschäfte zu erledigen, wozu ihm, me s eiße, ein besonderer Minitterrath werde beigegeben werden.

Ftalien.

Der „Kölnischen Zeitung“ zufolge is in Mailand aus Bari die Meldung eingetroffen, daß in Castelvechio Unruhen, die daselbst bereits einige Tage unter der Landbevölkerung wegen Vertheilung des dem Staate gehörenden Grundbesizes ¿tbeilt eien und das Einschreiten der bewaffneten Macht erforderlich gemacht hätten.

a e am Donnerstag in offenen E ausgeartet

Schweiz. Das von eto Seite angestrebte Referendum gegen das Bundesgesey über die diplomatishe und onsularishe Vertretung der Shweiz im Auslande ist, wie „W. T. B.“ meldet, zu stande gekommen, indem über 30 000 Unterschriften gesammelt find. Somit muß eine Volksabstimmung über das Gesey stattfinden.

Türkei.

Der russishe Abmiral Avellane besuhte am Donnerstag, wie „W. T. B.“ aus Konstantinopel berichtet, die Admiralität, wo ihm zu Ehren der Marine-Minister ein Frühstück gab. Gestern früh empfing er eine Abordnung der französishen Kolonie an Bord des Kanonenboots „Kubanec“. er Admiral wohnte später dem Selamlik bei, wurde darauf vom Sultan in Abschiedsaudienz empfangen und hat gleih darauf Konstantinopel verlassen.

Rumänien,

Der König ist gestern Abend von Sinaja zu den heute beginnenden Manövern nach Vasluju abgereist.

; Serbien. : Wie die „Kölnishe Zeitung“ aus Belgrad erfährt, halten die dortigen Hofkreise die Umbildung des Kabinets nach der Rückkehr des Königs aus dem Auslande für ausge- macht. Die meisten Minister würden bleiben, als neuer Minister - Präsident gelte der frühere Regent General Belimarkowic.

Montenegro.

__Der Prinz Rupprecht von Bayern stattete dem Fürsten einen Besuh ab und unternahm eine Rundreise dur das Jnnere des Landes, nah deren Beendigung er na Albanien weiterreiste.

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Amerika.

Der modus vivendi Ÿ ischen Argentinien und Spanien is, wie „W. T. B.“ aus Buenos Aires meldet unterzeichnet worden; der Zoll auf Tabak wird dadurch auf die Hälfte ermäßigt.

Asien.

Jn Marseille mit der indo-chinesishen Post eingetroffenen Nachrichten zufolge hätte sich der Gesundheitszustand des Königs von Siam nicht gebessert; der König wolle sih im leßten Stadium der Lungenschwindsucht befinden.

Aus Tongking werden einige Fälle von Seeräuberei geme

Der „Times“ wird aus Shanghai gemeldet, die Laubung der Japaner an ber Küste der Provtnz Shantung habe sih nicht bestätigt. Die bei Chusan ge- sehenen Schiffe seien keine japanischen gewesen.

Wie dem „Reuter’schen Bureau“ aus Shanghai gemeldet wird, wären nah einem Brief aus Tientsin vom 1. d. M. dort Berichte eingegangen, nach denen in der Mongolei ein Aufstand ausgebrochen sei, zu dessen Unterdrücklung Truppen von Peking entsandt worden seen. U m - Kalserlihen Palast in Peling jeien ernstlihe Unruhen entstanden. Viele Europäer hätten sih aus der Umgegend von Peking nah Tientsin begeben. Die Frachtkontrakte für Chefoo und Tientsin würden von den Chinesen in Shanghai annulliert infolge des Gerüchts, daß die Japaner die Blockade dieser Pläye planten. Mehrere japanische Kriegsschiffe kreuzten bei Wei- Hai-Wei, näherten sih Nachts der Küste und stächhen bei Tages- anbruch in See, um die chinesische Flotte zu verhindern, Port Arthur zu verlassen. Weiter erfährt dasselbe Bureau, da 2000 Mann der zu dem in Korea befindlichen ersten Armee- Korps Li-Hung-Chang's gehörigen Division Sheng zum Feinde übergegangen seien, weil sie keine Löhnung erhalten hätten.

Die’ deutschen Kreuzer „Marie“, „Alexandrine“ und „Arkona“ haben nah einer Meldung des „W. T. B.“ A E am Donnerstag den dortigen Hafen verlassen, um sich nah dem Golf von Pe-Ts\chi-li zu begeben.

Afrika.

Nach einer Meldung des „Reuter shen Bureaus“ aus Alexandrien verzeichnet die dortige englishe Zeitung „Egyptian Gazette“ ein Gerücht, demzufolge die Suezkanal- Kompagnie bei der französishen Regierung um Schuß ihres Besißes in Egypten gegen die strikenden Baggerarbeiter nachgesucht habe. Der Kommandant des franzöosishen Kreuzers „Troude“ in Port-Said sei bereit, Mannschaften zu landen, sobald dies das Ver- halten der Strikenden nöthig machen sollte.

Entscheidungen des Reichs8gerichts.

In einem Zivilprozeß darf, nah einem Urtheil des RNeichs- gerihts, VI. SZivilfenats, vom 24. Mai 1894, die Vernehmung von Zeugen nicht deshalb verweigert werden, weil die Zeugen bereits in dem Strafverfahren vernommen worden find und nicht anzunehmen ist, daß fie noch etwas Erhebliches aussagen würden. „Dem Antrage des Klägers, die im Strafverfahren vernommenen Zeugen wieder zu vernehmen, hätte also entsprohen werden müssen, wenn auf diese Ausfagen oder die nunmehr unter das Zeugniß „dieser Personen gestellten Thatsachen etwas ankam“. (55/94.)

__— óHat ein Adjazent einer im städtishen Bebauungsplan vor- gesehenen Straße das Straßenland längs seines Grundstücks ab- zutreten und zwar bis zur Mitte der Straße unentgeltlih und jenseits der Mittellinie gegen Entschädigung, so ist, nah einem Urtheil des NReichsgerichts, ŸY. Zivilsenats, vom 26. Mai 1894, für die Be- rechnung der Guta des jenseits der Mittellinie abgetretenen Straßentheils derfelbe Einheitswerth, den die ganze Fläche haben würde, maßgebend. „Es ist niht s{lüssig, vas der Berufungsrichter diesem (jenseits der Mittellinie abgetretenen) Straßentheil einen ge- ringeren Werth um deshalb beimißt, weil er durch den un- entgeltlic abzutretenden Theil von dem Mestgrundstück des Beklagten abgetrennt wird. Diese Trennung is niemals thatsählih eingetreten und f\tand auch nicht für die Zukunft in Ausficht, da die Herstellung der projektierten Straße die gleich- zeitige Abtretung des Landes diesfeits und jenseits der Fluchtlinie bedingte. Hatte aber, wovon der Berufungsrichter selbst ausgeht, die anze abgetretene Fläche in allen ihren Theilen vermöge 1hres

usammenhangs mit dem NRestgrundstück einen Werth von 40 pro Quadratmeter, so kann durch den Umstand, pas ein Theil dieser Fläche und zwar der näher an dem Nestgrundstück gelegene unent- 04 abzutreten war, der Werth des gegen Entgelt abzutretenden

heils nit beeinflußt werden, da dieser Theil bis zur Es die gleihe Benu unge tet und somit relativ den gleichen Wert hatte, wie das Grundstück im Ganzen. Der Berufungsrichter hat hiernach mit Unrecht und unter Verleßung des § 8 des Enteignungs- ges die dem Beklagten für die Abtretung der hier fraglichen lähe von 5161 qm zukommende Entschädigung um 10 Æ pro Quadratmeter herabgeseßt.“ (5/94.)

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts,

Unter einer sogenannten historischon Straße in einer Ort- Se zu deren Erneuerungs- und Umgestaltungskosten die Anlieger nihcht herangezogen werden können, ist, nah einem Urtheil des Ober-Verwaltungsgerihts, 11. Senats, vom 23. Mai 1894, zu ver- stehen: eine Straße, welche {on vor dem Inkrafttreten des Mater fluhtgesetzes vom 2. gut 1875 und des darauf N lichen Ortsstatuts zum N erter im Orte und zum Anbau cftimeat gewesen ift und den örtlihen Anforderungen entsprohen hat, welche regelmäßig an solche Ortsstraßen gestellt wurden. Wird eine solche Straße einem anderen Orte eingemeindet, so verliert sie den Charakter einer historishen Straße dadur nicht, daß sie den in dem neuen

rt an die Straßen gestellten höheren Anforderungen nit entspricht. g: den Erfordernissen einer historishen Straße gehört zunächst, daß fie überhaupt eine ( traße im Sinne des Gesetzes vom 2. Juli 1875, also zum Verkehr im Orte und zum Anbau bestimmt gewesen ist. Ferner muß die Straße den Anforderungen entsprochen haben, welche regelmäßig an solhe Ortsstraßen gestellt wurden. Auf diese Momente hat der Vorderrichter kein Gewicht gelegt, sondern nur festgestellt, daß die in Frage stehende Straße überhaupt dem öffentlichen Nerkehr edient habe und von nit geringerer Beschaffenheit, wie die öffent- ichen Straßen im Amt M. überhaupt gewesen sei; den Punkt, ob die Straße zum Anbau bestimmt gewesen, hat er ganz unberührt gelassen. Die Vorentsheidung unterliegt daher der Aufhebung; es kann jedoch nicht alsbald anderweitig erkannt werden, weil die Sache noch nit spruchreif is. Es eht namentlih aus" dem vorliegenden Material nicht hervor, welche nforderungen vor der im Jahre 1875 stattgehabten Eingemeindung an die zum Anbau bestimmten Straßen desjenigen Theils des Amts M., in dem die fraglihe Straße si befindet, event. andere Theile dieses Amts, deren Verhältnisse dieselben waren, gestellt wurden. Auf den Zeitpunkt der Cingemeindung kommt es infofern an, als, wenn ein- mal die Straße zu jener E bereits nah den im Amt M. herrschen- den Verhältnissen eine historishe war, sie diesen Charakter nit da- dur verloren haben fann, daß sie etwa den in der Stadt Münster (welcher die fraglihe Straße eingemeindet worden war) an die Straßen gestellten höheren Anforderungen nicht entsprach.“ (IT 771.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Die wirthschaftliche Lage der Arbeiter im Jahre 1893.

Den Jahresberihten der Königlich preußishen Negierungs- und Gewerbe-Räthe und Bergbehörden für 1893 entnehmen wir weiter folgende Mittheilungen: In der Provinz Schleswig-Holstein betrug die Zahl der in Fabriken beschäftigten Kinder unter 14 Jahren 19 gegen 90 im Vorjahre, davon waren 12 (— 60) männlich und 7 (— 11) weiblich. Die Zahl der jugendlichen Arbeiter von 14 bis 16 Jahren betrug 866 gegen 975 in 1892, davon waren 715 (— 34) männlich und 151 (— 75) weiblich. Die Zahl der Arbeiterinnen über 16 Jahren belief sich nah der Tabelle im Anhang auf 5292 gegen 4890 in 1892, davon standen im Alter von 16 bis 21 Jahren 1403 (+ 162); über 21 Jahre alt waren 3889 (+ 240). Mit Aus- nahme der Nahrungs- und Genußmittel-Industrie, der Metallver- arbeitung und der Industrie der Steine und Erden zeigen alle In- dustriezweige eine Vermehrung der Arbeiterinnen, die bei der Papier- und Lederindustrie 14,6, bei der Textilindustrie 9,5 9/6 beträgt; in der Metallverarbeitung ergiebt sich eine Abnahme von fast 20 %. Das den über 16 Jahre alten Arbeiterinnen, die ein Haus- wesen zu besorgen haben, gewährte Recht, auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der einstündigen Mittagspause entlassen zu werden, hat dazu geführt, daß bereits in vielen Fabriken, die Arbeiterinnen beshäf- tigen, die ene Mittagspause allgemein eingeführt ist. Auch in den übrigen Fabriken pflegen die verbeivatbeien Arbeiterinnen häufig eine halbe Stunde. früher zu gehen als die anderen. Ungünstige Ein- flüsse der Fabrikarbeit auf das sittlihe Leben der Arbeiterinnen sind im Berichtsjahre niht besonders hervorgetreten. Die Gesammtzahl der über 16 Jahre alten männlichen Arbeiter in Fabriken und diesen gleihstehenden Anlagen betrug im vorigen Jahre 47 662 gegen 46430 im Vorjahre. Die Zunahme belief fich 1892 auf eina. 00. 1898 auf Qua 2,0. 96 Die regelmäßige Arbeitszeit dauert in den meisten Fabriken zehn Stunden, häufig auch 11, seltener 12 Stunden. Weniger als 10 Stunden wird in etwa 20 größeren Fabriken gearbeitet. Bemerkenswerthe Aus- stände find nicht vorgekommen. Die Anzahl der Gewerbegerichte hat ih 1893 von 5 auf 10 vermehrt, von welchen 9 in Thätigkeit traten. Die Zahl der zur Anzeige gelangten Unfälle betrug wie im Vorjahre 2244; darunter waren 32 Todesfälle. Die wirthscchaftlice Lage der Arbeiter hat sih gegen das vorige Jahr durchschnittlich nicht verbessert. Lohnerhöhungen waren außerordentli selten, während die vorgenommenen Lohnherabseßzungen in einer Jndustriegruppe von größerem Umfange waren. Arbeitsmangel zeigte sich im Herbst in einigen größeren Städten, wenn auch nur in geringem Maße. Da die Lebensmittelpreise durhschnittlich niedrig waren, so konnten die Ansprüche der einheimischen arbeitenden Bevölkerung an eine gute Er- nährung, die in Schleswig-Holstein größer als anderwärts Aub: im allgemeinen Befriedigung finden.

In der Provinz Hannover betrug die Zahl der jugendlichen Arbeiter 5500, die in 1027 gewerblichen Anlagen beschäftigt waren ; Kinder unter 14 Jahren gab es darunter 81 gegen 120 im Vorjahre, und zwar 49 (—33) männlihe und 32 (—6) weibliche; im Alter von 14 bis 16 Jahren standen 5419 gegen 4986 im Vorjahre, und zwar 4349 (+341) männliche und 1070 (+92) weiblihe. In diesen Zahlen find die unter Aufsicht der Bergbehörden stehenden Anlagen und die dort beschäftigten Arbeiter einbegriffen. Der größte Theil der jugend- lichen Arbeiter entfällt mit 1221 oder annähernd 220%/ der Gesammtzahl auf die Textilindustrie; dann folgt die Industrie der Steine und Erden (Ziegeleien) mit 815 jugendlihen Ar- beitern. Die Zahl der in 604 Anlagen beschäftigten über 16 Jahre alten Arbeiterinnen betrug 14 669 gegen 13 501 im Vor- jahr; davon standen im Alter von 16 bis 21 Jahren 4587 (+ 461); über 21 Jahre alt waren 10 082 (+ 707). 7024 2271 unter 21 und 4753 über 21 Jahre fast die Hälfte der Gesammtzahl sind in der Textilindustrie beschäftigt; daran {ließt sich mit 2446 Ar- beiterinnen die Nahrungs- und Genußmittelindustrie. —. Ueber die Arbeiter im allgemeinen wird berihtet: In den größeren Fabrik- anlagen wird das Bestreben bemerkbar, die Sonntagsarbeit, welche im Aufsichtsbezirk überall nur in geringem Umfang stattfindet, nah Mög- lichkeit einzushränken. Unverhältnißmäßig aug Arbeitsdauer findet f vielfa auf Ziegeleien, die zugewanderte Arbeiter, meist Lipper, beschäftigen. Im Jahre 1893 sind folgende Arbeitseinstellungen zur Kenntniß gekommen. n einer Gipsdielenfabrik im Kreise Ilfeld legten im März 30 Arbeiter wegen Lohnstreits die Arbeit nieder, erreihten indessen ihren Zweck niht. Am zweiten Tage nahmen 14 Arbeiter zu dem angegebenen Stücklohn die Arbeit wieder auf. Ende Juni legten von 140 Arbeitern einer mechanischen Weberei in Einbeck infolge von Lohnstreitigkeiten 70 die Arbeit nieder. Erst nah drei Wochen wurde den Ausständigen die Aufnahme der Arbeit wieder gestattet für den von dem Arbeitgeber festgeseßten Lohn; etwa 20 Arbeiter wurden nit wieder zur Arbeit zugelassen. Gegen Ende Oktober legten etwa 200 Arbeiterinnen, die bei der Schuhfabrikation einer Gummifabrik in Harburg beschäftigt waren, wegen besonderer Arbeitsverhältnisse die Arbeit nieder. Nach dreitä iger Verhandlung mit den Ausständigen, die Gelegenheit bot, dur Gewährung einiger berehtigten Wünsche den Arbeiterinnen ent- gegenzukommen, wurde am vierten Tage die Arbeit wieder aufoenommen.

i Die Auswanderung aus Bayern L

ist in diesem Jahr, wie überhaupt im E Reich, weit s{wäcer als in den vorhergegangenen Jahren. Sie belief \sich (in Bayern) im ersten Halbjahr auf 2022 Perfonen (1681 aus dem rechtsrheinishen Bayern, 341 aus der Rheinpfalz) gegen 4375 im elg Halbjahr des Jahres 1893, 5743 im ersten Sémester des Jahres 1892, 5736 in der gleichen Zeit des Jahres 1891, 5012 im ersten HOVIOVe des Jahres 1890 und 057 im ersten Halbjahr des Jahres 1889.

Zur Arbeiterbewegung.

In Charlottenburg fand am Donnerstag eine Versammlung sämmtlicher Gewerkschaften satt, in der, wie die Berliner „Volksztg.“ be- rihtet, Stellung genommen werden sollte zur Gründung eines sozial- demokratishen Gewerkscaftskartells. In der Versammlung wurde jestgestellt, daß die gewerkschaftliche Organisation unter den Charlotten-

urger Arbeitern d noch sehr im Rükstande befinde, und eine Ent- hließung angenommen, in der sih die Versammlung für die Gründung eines Gewerkschaftsfartells in Charlottenburg erklärt. Im Laufe der Ver- handlungen wurde lebhafte Klage über die nichtboykoîtierte Charlotten-

burger Brauerei Carlsberg (Friedrih Reichenkron) geführt. Die Arbeiter hätten weder cinen Wohnraum, noch eine Ae LEne Schlaf- stelle, und die ohnehin schon sehr herabgedrückten Löhne würden unpünktlich ausgezahlt. Arbeiter, die es gewagt hätten, sie zu fordern, wären fofort ohne Lohnzahlung entlassen worden. Die Versammlung bes{loß, der Boykottkommission von diesen Vurgängen Mittheilung machen zu lassen. L

In Leipzig beschäftigte sich am Donnerstag eine von etwa 600 Arbeitern und Arbeiterinnen der graphischen Gewerbe besuchte Versammlung wieder mit dem Ausstand bei der Firma Wezel u. Naumann. Der Vertrauensmann der Ausständigen verlas eine von der Firma erlassene Erklärung, in der, wie wir dem Bericht der „Lpz. Ztg." entnehmen, zur Widerlegung der gegentheiligen Behaup- tungen der Ausständigen dargelegt wurde, daß fich sämmtliche Maschinen in vollem Betriebe befänden, und daß die Firma daher in der Lage wäre, alle Aufträge pünktlich zu erledigen, und der Ausstand als beendet angesehen werden könnte. Der Vertrauensmann suchte diese Erklärung als eine Täuschung hinzustellen und schilderte die Lage der Firma sehr ungünstig. Er behauptete, daß die Firma an Stelle der früher be-

schâftigten 77 Drucker jeßt deren nur 38 arbeiten lassen könnte. (Vgl. -

Nr. 230 d. Bl.)

Aus Stuttgart berichtet der „Vorwärts“ zum Ausstand der dortigen Küfer: Die Mehrzahl der Küfergesellen is abgereist und hat auswärts Beschäftigung gefunden; am Orte befinden sh nur noch etliche zwanzig.

Hier in Berlin wurde gestern eine Versammlung der aus- gesperrten Braueretiarbeiter und Böttcher abgehalten, die von etwa 400 Personen besucht war und über den Bierboykott verhandelte. Die Versammlung war von der Agitationskommission der sozialdemokratishen Brauervereinigung einberufen worden. Ein Mitglied der Kommission erstattete Bericht über die Vorbesprehung mit den Vertretern der Brauerei - Direktoren. Von ein- zelnen Rednern wurde, wie die „Voss. Ztg." berichtet, die No n scharf angegriffen, weil fie nicht genügend die Interessen der Ausgesperrten vertreten hätte, Schließlih wurde eine Grfklärung augenommen, auf jede fernere Unterstüßung verzichten zu wollen, wenn nicht die bedingungslose Wiedereinstellung der Ausgesperrten und Anerkennung des Arbeitsnahweises den Verrufs- Brauereien zur Bedingung gemaht würde. Herr Magistrats-Assefsor Dr. Freund ersfuht die „B. Börs.-Ztg.", die Meldung wegen seiner Mitwirkung bei den Boykottverhandlungen dahin zu berichtigen, daß er lediglich in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Zentral- vereins für Arbeitsnahweis einzelnen Interessenten den Vorschlag gemacht habe, den neu zu regelnden Brauer-Arbeitsnachweis an den Zentral-Arbeitsnachweis anzugliedern.

Aus Troppau meldet „W. T. B.“ zum Ausstand der Schlepper auf den Nordbahnshächten: Donnerstag Abend und gestern früh sind sämmtlihe Schlepper des Peters\hachtes niht an- gefahren; sie eb eine Lohnerhöhung und die Wiederaufnahme von 11 Sd a 6 chleppern; dies wird verweigert. In den übrigen Schächhten ist der Zustand ein normaler. Die Telephondrähte wurden Donnerstag zershnitten vorgefunden. Gestern zur Nacht- chicht sind in beiden Schähten in Michalkowiß sämmtliche Schlepper eingefahren.

Aus Paris berihtet „W. T. B.“ vom internationalen

Kongreß der Eisenbahnbeamten: Der Kongreß nahm ver- schiedene Anträge an, darunter einen solchen auf Festsezung eines Arbeitstags, der im Durhschnitt 8 Stunden, höchstens aber 10 Stunden betragen foll, ferner einen Antrag auf Abschaffung der Güterzüge am Sonntag mit Ausnahme folcher, die dem Verderben ausgeseßzte Lebensmittel enthalten; außerdem einen Antrag auf Festseßung eines den Lebensbedürfnissen entsprehenden Minimallohns. Der nächste Kongreß foll im Jahre 1895 in Mailand abgehalten werden. ___ Zum schottischen Kohlenarbeiter-Ausstand berichtet die Becliner „Volks-Ztg.* : Auf einer Konferenz des Grubenbesigzer- aus\chuf ses, die vor einigen Tagen in Glasgow stattfand, wurde berichtet, daß zahlreihe Defertionen aus den Reihen der Ausftändigen, besonders in Lanarkshire und Ayrfhire stattgefunden hätten, und daß, obgleih die Arbeiter in Fife und andern Gegenden noch fest im Aus- stande beharrten, doch wenigstens 25 000 Bergarbeiter in ganz Schott- land zur Arbeit zurückgekehrt seien.

Aus Kairo wird der „Voss. Ztg." geschrieben: Der Ausstand der Hafenarbeiter in Port-Satîid hat, troßdem er bereits weit über einen Monat währt, noch fein Ende erreiht; ja, was noch s{limmer ist, die Beilegung des Zwistes läßt sih nah dem gegenwärtigen Stande der Angelegenheit noch garniht voraus- sagen. Den Ausftandsbewegungen, die früher in Egypten vollständig unbekannt waren, seit einigen Monaten aber zu einer chronischen Krankheit der Hafenstadt geworden sind, kommt größere Wichtigkeit zu, als man in Europa gemeinhin annimmt. Der gegenwärtige Stand der Bewegung ist der folgende: Die Hafenarbeiter Port-Saids bestehen aus Egyptern, Levantinern, Maltesern und vorwiegend Griechen. Sie betrachten ihre Thâtigkeit als ein ihnen zuftehendes Necht und sind zu anderer Arbeit gewöhnlich vollständig untauglih. Der Haurtgrund der Arbeits- einstellung ist, daß sie von der Suezkanalgesellshaft forderten, diese folle ihnen eine zehnmonatige Thätigkeit im Jahre gewährleisten, und daß diese sih weigert, dieser Forderung nachzugeben. Die Sympathien der egyptishen Bevölkerung sind durchweg auf Seite der Ausständigen.

Nach Mittheilung des Statistishen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 23. September bis inkl. 29. September cr. zur Anmeldung gekommen : E S Oen, 594 Ebeschließungen, 40 Todtgeborene, 553 Sterbefälle.

Kunst und Wissenschaft.

Der Wissenschaftlihe Zentralverein und die Humboldt- Akademie eröffnen ihr XVII. Vereins- und Studienjahr morgen, Sonntag, Mittags 12 Uhr, in der Aula des Falk-Realgymnasiuns, Lützowstraße 844d. e der Potsdamerstraße) mit einer Rede des Direktors des Kaiserlichen tatistishen Amts, Geheimen Ober- Regierungs-Raths Professor Dr. H. von Scheel. Die Mit- [ieder und Hörer, sowie alle Freunde höherer wissenschaftlicher

ortbildung find dazu willkommen. Die Vortrags- cyclen und Unterrichtskurse der Humboldt-Akademie für das Fei Me am Montag, 8. Oktober und folgenden Abenden, theilweise aus achmittagen, jedoch ausgenommen Dienstag ; die an diesem Wochentage stattfindenden Cyclen 2c. beginnen erst am 16. Oktober in beiden Lehrstätten. Der erste Vor- trag jedes Cyclus bezw. Kursus is für Herren und Damen auh ohne Hörerkarte zugänglih. Es beginnen am Montag im NW., Georgenstr. 30/31: Abends 6—7 Uhr Dr. Agnes Bluhm: vent der {Frau (mit Demonstrationen, nur für Damen); 7—8 Dr. , Chr. Kalisher: Eigenthum und Erbthum; 8—9 Dr. R. Schneider: Elementargeseße in der Natur (mit Demonstrationen) ; Dr. é latau: Eer e in der Medizin; Dr. K. Frankenstein : Grundzüge der ozialpolitik. Jn W., s O 84d., beginnen am Montag Abend 6—7 Uhr Dr. L. Sell: Grundzüge der Ethik; 7—8 Dr. H. Gravelius: Astro- nomie und Kulturgeschihte; 8—9 derselbe: Meteorologie; 7—8 Pro- essor Dr. P. Sorauer: Leben und Pflege der Zimmerp E 8—9 der- elbe: arate Pilze (beide Cyclen mit mikrosko ischen De- mon on, [les Nähere enthalten die ausführlihen Programme, welche in bekannten Buchhandlungen, im „Invalidendank“ und in den Bureaux der Akademie, Zentralbuchhandlung, Zentralhotel Laden 14, und bei Haase u. Mues, Potsdamerstraße 116 a., gratis

ausgegeben werden.

Land- und Forstwirthschaft. Ernteergebniß in Jtalien. Nach den von dem italienishen Ackerbau-Ministerium veröffent- lihten vorläufigen Angaben stellt sich das Ergebniß der diesjährigen Getreideernte in Jtalien:

zur Aufführung. Am Mittwoch wird

in Weizen auf 43 333 400 Doppel-Ztr. oder 91 °/g des Voriabres f 5 576 200 Pp Z 86 460/, orjah ,

aser x x . ; 0 s « Gersle , 2836577 L 10159% É Das Minderergebniß der Weizen- und Haferernte wird im all- emeinen auf die anhaltend fühle und nasse Witterung im April und ai und die später außergewöhnliche Dürre in den an der Produktion am meiften betheiligten Gegenden zurückgeführt, während das bessere Resultat der Gerstenernte saft aus\ließlich auf Rechnung Siziliens zu seßen is, woselbst in der Saat- und Reifeperiode be günstige Witterung herrfchte.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

: Spanien. E : L Zufolge Verordnung des Königlich spanischen Ministeriums des Œnnern vom 1. d. M. unterliegen Herkünfte aus der Stadt Algier in den spanischen Häfen einer dreitägigen Beobachtungsquarantäne.

L Cholera.

Danzig, 5. Oktober. In Tolkemit if neuerdings ein Fall von Cholera festgestellt worden.

Breslau, 4. Oktober. Gestern wurden bei der Regierung in Dp A eine Choleraerkranfung und zwei choleraverdählige Fälle ge- meldet.

__ Wien, 4. Oktober. Nach den heute eingetroffenen Nach- richten über den Stand der Cholera famen in Galizien 94 Er- franfungen und 57 Todesfälle, in der Bukowina 2 Erkrankungen und kein Todesfall vor. Im Stadtgebiet Lemberg erkrankte 1 Person, im Stadtbezirk Krakau starb 1 Person an Cholera.

Theater und Musik.

Neues Theater.

Die Aufführung von Ludwig Anzengruber’'s Bauernposse „Doppelfelbstmord“ fand gestern Abend lebhaften Beifall, der aber wahrscheinlich noch fräftiger gewesen wäre, wenn nit gar so gut öôsterreihisch gesprohen worden wäre. Dadurch ging den Hörern und Zuschauern, die den Dialekt niht gründlich kennen und verstehen, begreifliher Weise manche hübshe Wendung des Dialogs verloren ; etwas weniger naturgetreu wäre hier wirksamer gewesen; denn der derbe und gesunde Humor der Bauernposse mußte bäufig mehr durch das Spiel als durÉ das gesprochene Wort zum rechten Verständniß gebraht werden; allerdings fanden die Zuschauer bei der allgemein tüchtigen Darstellung auch dabei ihre Rechnung. Der Inhalt der Pa ung darf als befannt vorausgeseßt werden. Die beiden ftreit- ustigen Väter, die das Liebespaar auf mißverftandene Abwege treiben, wurden von den Herren Pobl und Pagay gegeben. Herr Pohl bot als der reihe Sentner, ftämmig und breitshulterig, in Miene und Bewegung der richtige geldftolzz Großbauer, ein tref- liches Gegenstück zu Herrn Pagay’s armem, resignierten Hauderer, der das ganze Minschengeschick das Sterben und das Geborenwerden, für eine Dummheit erklärt. Herr Pobl spielte sehr geshickt, aber in der überzeugenden Schlichtheit der Darstellung war ihm Herr Pagay überlegen; das ganze elende Leben des armen Häuslers, seine getäushte Liebeshoffnung aus längst verblichener Jugendzeit, seine unzufriedene Ebe, der stete Kampf um das kärglihe Brot alles fand herzbewegenden Ausdruck. Selbst das junge Glück seiner Tochter vermag feine äußere Rube niht zu stören, die Dulder und Arbeiten ibm zur unzerstörbaren Eigenschaft der Seele gemacht haben; aber eine stille Freude tauht glückselig in feinen Augen auf, als er das Mädchen liebkofend an sein Vaterkerz zieht. Das dumme junge Liebespaar wurde von Herrn Jarno und Fräulein Paula Wirt gleihfalls erfreulih wiedergegeben. Herr Jarno wußte, obgleih Gestalt und Anlage ihn zum Bauernburschen wenig aeceignet erscheinen laffen, ein erbeiterndes Bild eines beschräntten, aber gefund und {lit füblenden und denkenden jungen Burfchen zu zeichnen. Bet Fräulein Wirth merkte man in der Eingangsscene noch das Bemühen, den einfachen Naturlaut zu finden; im Laufe des Abends wurde aber die Leistung freier und dadurch auch frischer: die Einfalt und die warme Liebes8empfindung der jungen Dirne zeigte fih dann mit rührendem Humor verbunden, wie besonders in der Wirthshausscene, als das Brautpaar vor den ftreitenden Vätern sein Recht vertheidigt, und in dem thränenvollen Abschied auf der Flucht bei der Krämerin. Die Nebenrollen waren hinreichend gut beseßt.

i é i _ Konzerte.

Gestern fand im Königlichen Opernhause der erste Symphonie-Abend der Königlichen Kapelle unter Direktion des Kapellmeisters Herrn Felix Weingartner statt. Das Programm enthielt vier bekannte und stets gern gehörte Kom- positionen, von denen die Ouvertüre zu „Oberon“ von Weber den Anfang mate. Es folgte hierauf Mozart's Symphonie in Es-dur. Die Ausführung beider Werke wurde mit stürmishem Beifall aufgenommen. Der Dirigent hatte, von der Auffassung anderer Künstler abweiwhend, manche eigenartige Tempobewegung genommen z. B. in der Einleitung der Ouvertüre und in dem Andantesay der Symphonie, die jedo stets als cine mit der Grund- idee des Komponisten barmonierende Interpretation ers{ien. Der zweite Theil des Konzerts brachte Beethoven's vierte Sympbonie in B-dur und Wagner's „Kaisermars{"“ mit Chor zu Gehör. Auch diese Werke wurden von der Kapelle sehr lobenswerth ausgeführt : die feinsten Nüancen wußte jeder Mit- wirkende treffend zur Geltung zu bringen. Die Schlußhymne „Heil, Heil dem Kaiser, König Wilbelm! Aller Deutschen Hort und

reiheitswehr! Höchste der Kronen, wie ziert Dein Haupt fie hehr!

uhmreich gewonnen foll Frieden Dir lohnen“, die der Königliche Opernchor mit begeistertem Ausdruck vortrug, klang in dem der Akustik so günstigen Raum ganz vorzüglih. Sämmtliche Pläße des Hauses waren desout.

Im Königlichen Opernhause wird morgen Meyerbeer's „Prophet“ mit folgender Beseßung der Hauptrollen gegeben : Johann von Leyden: Herr Sylva, Fides: Frau Goetze, Bertha: Fräulein

iedler, Oberthal: Herr Krolop. Kapellmeister Sucher dirigiert.

m Montag gelangt Donizetti's „Negimentstochter* mit Frau Herzog in der Titelrolle zur Aufführung (Tonio: Herr bilipp, Sulpice: Herr Krolop). Hierauf folgt das Ballet „Karneval“.

m Königlihen Schauspielhause geht morgen Paul Lindau’'s Lustspiel „Ungerathene Kinder“ in Scene. Die Damen Lindner, Sauer, Plan, die Herren Vollmer, Blencke, Klein, Wallner, Keßler, Herter treten darin auf. Am Montag findet eine Aufführung von Shakespeare’s „Wintermärchen* statt. Die Beseßung ist die nachstehende: Hermione: Fräulein Poppe, Leontes: Herr Ludwi Pes. Herr Keßler, Florizel : P urschian, Perdita: Fräul Richter, Paulina: Frau tollberg, Camillo: Herr Antigonus: Herr Oberländer, Autolykus: Herr Vollmer, T yverr Eichholz, Mopsus: Herr Herter, Dorkas: Es Plan, riester : Molenar, Zeit als Chorus: Fräulein Lindner. Die

usik von Friedrich von Flotow gelangt unter Mitwirkung der Aatfhroen Kapelle und Leitung des Musik-Direktors Wegener zur u

hrung. Im Beuts Nen Theater geht am nähsten Sonnabend Ludwig ulda's Lustspiel „Die Kameraden" zum ersten Mal in cene. Gerhart Hauptmann's „Weber“ kommen morgen, am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag Cher E

„Der Kau :

von Venedig“ gegeben. Als Nachmittags - Vorstellung ras d morgige Sonntag den „Talisman“. Die Abonnements-Vorstellung, welche e dieser E ausfällt, ist für die nähste Woche auf Freitag, . as RUEE o E

Das Berl ner Theater bringt am nufen Sonnabend seine

erste Lustspielnovität „Das Heirathsnest“, Lustspiel in drei Akten von G. Davis, zur ersten Au üheang, orgen geht als m :

vorstellung zu volksthümlichen Preisen „Der Pfarrer von