1894 / 248 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 20 Oct 1894 18:00:01 GMT) scan diff

e auf des Werthes einer nah der Anord- f E Lab Fcotnifses eingetretenen gerftörung, Be- genandss umfaßt.

igung oder Entziehung des L Der 8 1849, welcher den Fall regelt, wenn der Erb- lásser cinen Gegenftand als ihm nicht gehörend oder in Renttniß davon, daß der Gegenstand ihm A gehört, zugewendet hat, wurde in folgender, L im wesentlichen mit dem Entwurf übereinstimmender Fa ms angenommen :

„Soll der Bedachte den ihm De Mgentars ohne Rücsicht darauf erhalten, ob der Gegenstand zum Nachlaß e so ist der Beschwerte verpflichtet, den Gegenstand dem

achten zu verschaffen. Js er dazu außer stande, so hat er den Werth in Geld zu leisten; ist ihm die e R nur mit unverhältnißmäßigen Kosten möglich, so ist er berechuigt,

den Werth in Geld zu leisten“

: Einvernehmen bestand, die im Anschluß an ZZ 1848, 1849 im § 1850 aufgestellten Vermuthungen nit in das Geseß aufzunehmen. Auch die besonderen Vorschriften des 8 1851 über das Vermächtniß eines qr Ot der An- ordnung dem Bedachten gehörenden Gegenstandes wurden gestrichen, ebenso der § 1852, welcher die 88S 1848, 1849 für entsprehend anwendbar erklärt, wenn die S Rees dung eines Rechts an einem Gegenstande durch Ver- mächtniß angeordnet ift.

Die Vorschriften des § 1853 über den Fall der Un- möglichkeit der zugewendeten Leistung u. st. w. sowie die Vorschriften“ des § 1854 über den Einfluß einer Ver- bindung oder Vermischung der vermahten Sache oder » einer Verarbeitung derselben (§8 861 ff. des Entw. 11) gelangten mit einigen, aus den früheren Beschlüssen fich ergebenden Aenderungen in der Hauptsache nah dem Entwurfe zur Annahme. Zustimmung fand auch der Z 1855, welcher den Fall betrifft, wenn eine Forderung des Erblassers Gegenstand des Vermächtnisses, die der Forderung eñntsprehendeVerpflihtungaberzurZeitdesErbfalls erfüllt ist. Der S 1855 soll jedo den Zujaß erhalten, daß in einem folchen Falle, jofern die Forderung zur Zeit der Anordnung des Vermächtnisses auf eine Geldlei stung gerichtet war, im Zweifel ein dem Betrage der Forderung entsprechender Geld- betrag als zugewendet gilt, ohne Unterschied, ob ein solcher sich im Nachlasse vörfindet oder nicht.

Die Vorschrift des § 1856, betreffend den Fall der Auf- rechnung der vermachten Forderung mit einer dem Schuldner gegen den Nachlaß zustehenden Forderung, wurde gestrichen, desgleichen die Vorschriften der S8 1857, 1858 Uber das Vermächtniß der Erbschaft eines Dritten.

Der § 1859 sicht in seinem ersten Absaß vor, daß durch das Verm ächtniß einer bestimmten Sache diese in ihrem zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Bestande und Zu- stande nebst dem zu jener Zeit voryandenen Zubehör betroffen wird. Nach Abs. 2 werden durch das Vermächtniß eines Fnbegriffs von Sachen die Sachen betroffen, welhe zur Beit des Erbfalls zu dem Inbegriff gehören. Die Vorschrift in Abs. 1 wurde durch die Bestimmung erseßt, daß das Ver- mächtniß einer Sache sich im Zweifel auch auf das zur Zeit des Erbfalls vorhandene Zubehör der Sache erstreke. er übrige JZJnhalt des § 1859 wurde als selbstverständlich ge- strihen. Ebenso wurden die besonderen Vorschriften des S 1860 über das Vermächtniß eines vermietheten oder verpachteten Gegenstandes gestrichen, da sie gegenüber dem früher angenommenen Grundsaß: „Kauf briht niht Miethe und Pacht“ entbehrlich erschienen.

Der 8 1861 bestimmt, daß, wenn der zugewendete Gegen- stand zur Zeit dcs Erbfalls mit einem Pfandrecht, einer Grundshuld oder einem anderen Recht be- lastet ift, der Vermächtnißnehmer nicht die Befreiung von einer solchen Belastung Eer kann, daß aber, wenn dem Erblasser zur Zeit des Erbfalls ein Anspruh auf die Be- freiung zusteht, der Anspruch als in dem Vermächtniß mit- begriffen anzusehen is. Diese Vorschriften fanden die Zustimmung der Mehrheit. Auf der anderen Seite wurde die Frage aufgeworfen, ob das Vermächtniß eines Grundjtücks, das zur Zeit des Erbfalls dem Erb- lasser gehört, im Zweifel au die Hypothek, Grundschuld oder Rentenshuld umfassen soll, welhe dem Erblasser selbst an dem Grundstück zusteht. Nach eingehender Erörterung trat die Mehrheit der Auffassung bei, daß es mit Rücsicht auf die Verschiedenartigkeit der in Betracht kommenden Fälle richtiger sei, von einer geseßlichen Auslegungsregel für dicse Fälle ab- üsehen. Dagegen wurde beschlossen, den Entwurf durch

olgende Vorschriften zu ergänzen:

„Jst ein vermachtes Grundsiück mit einer Hypothek für eine Schuld des Erblassers oder für cine Schuld belastet, zu deren Berichtigung der Erblasser dem Schuldner gegenüber ver- pflichtet ist, so hat der Vermächtnißnehmec im Zweifel dem Erben

egenüber die Verpflichtung, den Gläubiger rechtzeitig zu be- Felebigen, soweit die Schuld zur Zeit des Uebergangs des Eigen- thums auf den Vermächtnißnehmer durch den Werth des Grund- stüccks gedeckt wird. Sind neben dem vermahten Grundstück andere zum Nachlaß gehörende Grundstücke mit der Hypothek belastet, so beschränkt sich die A Qiuina des Vermächtniß- nehmers im Zweifel auf den Theil der Schuld, welcher dem Ver- nisse des Werthes des vermachten Grundstsicks zu dem

erthe der sämmtlichen belasteten Grundstücke entspricht. Der Werth wird unter Abzug der Belastungen berechnet, welche der Hypothek im Range vorgehen. Steht dem Erb- [asser gegenüber einein Dritten ein Anspruch auf Berichtigung der Schuld zu, so ist der Vermächtnißnehmer dem Erben e nur insoweit v-rpflichtet, als der Erbe nicht von

m Dritten Befriedigung zu erlangen vermag. Diese Vor- \sc{riftcn finden auf eine Hypothek der im Z 1096 des Entw. 11 bezeichneten Art keine Anwendung.“

Ein Antrag, alle Sicherungshypotheken (§8 1092 f. des Entw. Il) von der Anwendung der vorstehenden Bestim- mungen auszuschließen, wurde s. lehnt. Andererseits wurde beschlossen, die Bestimmungen auf die Fälle auszudehnen, in welchen an dem vermahten Grundstück und einem anderen Grundflück eine Gesammtgrundshuld oder eine Gesammt- rentenshuld befteht.

Die Vorschriften der §S 1862, 1863 über das Wahl- vermächtniß und über das Gattungsvermächtniß fanden mit einigen, aus früheren Beschlüssen sih ergebenden Ab- änderungen sahlich im wesentlihen die Zustimmung der Mehrheit.

Der Kolonialrath trat am 19. d. M., Vormittags 10 zur Berathung über den vorliegenden Bericht desim Früh- jahr d. J. niedergesezten Ausschusses, betreffend die Verbesserung

der Vev neue im Auswärtigen Amt zusammen. /

Jm Namen des Ausschusses schilderte Herr Geheimer Ober- Postrath Kraetke die Verhandlungen des Ausschusses und empfahl Annahme der von leßterem wegen weiterer Vervoll- fommnung der Schiffahrts- und Telegraphenverbindung mit diesem Schußgebiet ausgearbeiteten Ie und An- träge. Bei der an den Bericht sich knüpfenden mehr- stündigen lebhaften Debatte stellte sich Einverständniß darüber heraus, daß zur Zeit, soweit der Personen- und Güterverkehr in Frage stehe, die in dankens- werther Weise von der Deutschen KolönialgeseUschaft unter Führung des ürsten Ho oE eingerichtete, drei- bis viermalige - jährlihe direkte utshe Schiffs- verbindung nah dem Schußgebiet genüge und deshalb für die nächste Zeit möglichst zu erhalten und auszugeftalten sei. Nicht minder allseitig wurde jedoch anerkannt, daß bei dem in den leßten Jahrzehnten stattgehabten ungeahnten Aufsschwunge Süd-Afrikas, bei dem naturgemäßen Streben der englischen Handelswelt, Deutschland möglichst von diesen Gebieten fern- zuhalten, und dem Bedürfniß, das deutshe Südwest- Afrika möglichst vom Kapland selbständig zu machen, es sich empfehle, sobald die Umstände es gestatten, cine Ausdehnung der Fahrten der bestehenden deutschen afrikanishen Dampfer- linien nah dem Schußgebiet herbeizuführen. j

Hinsichtlich der Postverbindung Deutsch-Südwestafrikas mit dem Mutterlande wurde dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß nah Maßgabe der zur Verfügung stehenden Kräfte und unter Mitioirkung der Reiter der Schußtruppe ein regel: mäßiger Verkehr zwischen den Küstenpläßen und dem Jnnern hergestellt werde. Besonders erwünscht erschien allgemeiner Anschluß Deutsh-Südwestafrikas an das Telegraphenneß eines der Nachbargebiete, da wegen der schr hohen Kosten bis auf lange Zeit hinaus auf Herstellung einer Kabelverbindung nicht zu rechnen ist. :

Endlich wurde die Nothwendigkeit anerkannt, um sih von der Walfishbay gänzlich frei zu machen, mit dem Ausbau der Landungsstelle am Schwachaub vorzugehen und in Verbindung mit den betheiligten Gesellschaften sofort die erforderlichen Vor- arbeiten einzuleiten. Jm Sinne vorstehender Ausführungen sind entsprechende Beschlüsse gefaßt worden.

Nachmittags 3 Uhr trat der Ausschuß zur Vorberathung der ostafrikanishen Eisenbahnfrage zusammen, über welche Denkschriften der Herren von der Heydt und Geheimen Kom- merzien-Raths Dr. Dechelhäuser vorlagen.

Der Großherzoglih mecklenburgishe Gesandte am hiesigen Allerhöchsten Hofe, Geheime Legations-Rath von ODerßten ist vom Urlaub nah Berlin ur LEBehre und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der Herzoglich braunshweigishe Gesandte am hiesigen Allerhöchsten Hofe, Wirklihe Geheime Rath Freiherr von Cramm-Burgdorf is vom Urlaub nah Berlin zurück- gekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder über- nommen.

Der hiesige Gesandte der Republik Haïti Delorme hat sich im Auftrage seiner Regierung auf einige Zeit nach England en, Während seiner Abwesenheit fungiert der Legations-Sekretär Edmond Bady als Geschäftsträger.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich bayerische Ministerial-Rath Geiger ist nah München abgereist.

Laut telegraphischer Mittheilung an das Ober-Kommando der Marine ist S. M. S. „Lorelecy“, Kommandant Korvetten- Kapitän Grolp, am 18. Oktober in Jalta eingetroffen und an demselben Tage nah Theodosia in See gegangen.

Wiesbaden, 20. Oktober. Nach einer Meldung des „Rheinischen Kuriers“ aus Kronberg ist Jhre Majestät die Kaiserin Friedrich heute nach Rumpenheim abgereist, wo Jhre Königliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Carl von Hessen von einem Prinzen entbunden worden ist.

Hessen. Jhre Königliche Hoheit die Prinzessin Heinrich von Preußen ist mit dem Prinzen Waldemar vorgestern in Darmstadt eingetroffen.

Anhalt.

Jhre Hoheiten der Herzog und die Herzogin, Jhre

Königliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Karl von Preußen, sowie Jhre Durchlauhten die Prinzessin Alexandra und der Prinz Eduard sind geslern von Ballenstedt in Dessau eingetroffen.

Oesterreich-Ungarn.

Die heutige „Wiener Zeitung“ veröffentliht die Er- nennung des Sektions-Chefs im Ministerium des Aeußern Graf von Welsersheimb zum Gesandten in Bukarest.

Das bfterreidilide Abgeordnetenhaus begann gestern mit der Berathung des von dem Abg. Perners- torfer angebrachten Dringlichkeits - Antrags in der Wahl- reformfrage. Der Abg. Pernerstorfer wies darauf hin, daß weder die Regierung, noch die Parteien seit dem November des vorigen Jahres in der Wahlreformfrage einen entscheidenden Schritt unternommen hätten, und be- sprah dabei die Straßenvorfälle am vorgestrigen Tage nah der Arbeiterversammlung im Sophiensaale. Der Redner griff die chPolizel auf das äfte an, der er Willkl-ür und Brutalität wvorwarf, indem er einzelne Fälle von Verwundungen erwähnte. Der Minister- Präsident Fürst Windischgräß gab sodann folgende, mit lebhaftem Beifall aufgenommene Erklärung ab: Die Regierung sei sih der laut ihrer ersten Erklärung vom 23. November 1893 übernommenen Aufgabe, eine Wahlreform . zum Zweck der Erweiterung des Wahlrehts zu schaffen, vollkommen bewußt und sie habe die Verfolgung dieses Ziels keineswegs aus den Augen gelassen; vielmehr

eien die Bemühungen der Regierung, ein Einvernehmen mit

eegrouerdindumen mit Deutsch-Südwesiafrika, aufs

den koalierten Parteien zu erzielen, bereits wieder aufgcnom- men worden und würden diese vorbereitenden Berathungen mit allem Ernst fort werden. Es werde das unaugs- gelebt Bestreben der Regierung sein, dahin zu wirken, daß iese Berathungen zu einem gedeihlichen Resultat gelangten, das die Möglichkeit biete, einen entsprehenden Geseßentwurf dem hohen Hause zur Beschlußfassung noch in der gegenwär- tigen Legislaturperiode vorzulegen. Mit Rücksiht auf die Begründung des Antrags des D Tao liege es ihm ob, zunächst auf das entschiedenste Verwahrung einzulegen und auf das entschiedenste und mit Nachdruck in Abrede zu stellen, als ob Befehle an ‘die behördlichen Organe binsihtlic der Demonstrationen des gestrigen Abends ergangen Feien —- Beséhle, die auf etwas bafsierten, das der Abg. Pernerstorfer „geheime Nebenabsiht“ nenne. (Lebhafter Beifall.) Es sei seitens des Abg. Pernerstorfer von erfolgten und geplanten Demonstrationen die Rede gewesen. Das Haus möge gestatten, daß er eine Gewissens- pfliht erfülle, die Pflicht, die ihm, wie er glaube, obliege, daß er von dieser Stelle eine Warnung, eine ernjte, nachdrücklihe Warnung aussprehe. Er wünsche, daß diese ernstliche Warnung an diejenigen gelange, die es, sehr übel berathen, etwa unternehmen follten, den der armen arbeitenden Klasse angehörigen Volksshihten nahe zu legen, Geseß- widrigkeiten zu begehen. (Lebhafter Beifall, Hände- klatschen.) Die Organe der staatlichen Autorität würden, wie es ihre Pflicht sei, die öffentlihe Ordnung und Sicherheit aufreht zu halten, sie würden etwa vorkommenden geseß- widrigen Mudfehreitlingen mit Nachdruck entgegentreten und den thnen obliegenden und mit Recht zu fordernden Schuß des U friedliebenden Bürgers mit Wirksamkeit aus- üben. ckchließlih wünsche er dringend, daß nirgends ein Zweifel darüber bestehe, daß die Geseßgebung der Argumente von der Straße nicht bedürfe. Der Minister des Jnnern Marquis von Bacquehem wies sodann unter lebhaftem anhaltendem Beifall des Hauscs nach, daß bei der vorgestrigen Straßen- Demonstration die Polizei erst von den Waffen Gebrauch ge- macht habe, nachdem sie beshimpft worden sei. Hierbei seien zwei Personen, aber auch sechs Wachleute verwundet worden. Der Minister erinnerte an die Ansprache des Vorsigenden des Vereins für Sozialpolitik in Wien, der in der Eröffnungssißung gesagt habe, es gehe nicht an, Haß zu predigen und das Erscheinen des glücklichen Zeitalters von dem Eingreifen organisierter Fäuste abhängig zu machen. Der Minister empfahl die Beherzi- gung di.ser Worte nicht bloß der befonnenen Arbeiterschaf jondern allen, die in der Lage seien, Einfluß auf sie auszu- üben. Die dringliche Berathung des Antrags Ta enan wurde darauf mit 120 gegen 43 Stimmen abgelehnt. Das Haus trat sodann in die erste Lesung des Budgets ein. Der Finanz-Minister Dr. von Plener widerlegte die Ausführungen des Abg. Kaizl, der behauptet hatte, der Minister habe die Kassenbestände für Zwecke, die von der Geseßgebung nicht vor- gesehen seien, verwendet. Der Minister erklärte, ex habe eine Million Gulden Staatsschulden mehr getilgt, als präliminiert gewesen sei, und dadurch die Zinsenlast sicher zur Befriedigung des Hauses verringert. Er habe ferner 10 Millionen Gulden Salinen- scheine getilgt, was jedenfalls besser sei als Anleihen aufzu- nehmen. Das Haus selbst sei stets von dem Bestreben ge- leitet gewesen, wenig Tilgungsrente auszugeben und mehr aus den laufenden Einnahmen zu tilgen. Eine Vorlage über die Einführung des Branntweinmonpols sei ausge- arbeitet, doh müsse über den Entwurf erst eine Einigung unter den Regierungen erzielt und dann eine Umfrage bei den Interessenten veranstaltet werden. Auf die Frage | der Erhöhung der: Beamtengehälter übergehend, erklärte der Minister, daß der diesjährige Gebahrungsübershuß voraus- sichtlich nicht jo groß sein werde, wie der des vorigen Jahres; es scien überhaupt große laufende Ausgaben wie die Er- höhung der Beamtengehälter niht durch Uebershüsse aus dem Vorjahre, sondern nur durh Erhöhung der Einnahmen zu decken. Der Minister \chloß unter lebhaftem Beifall mit dem Antrage, den Voranschlag dem Budgetausshuß zuzuweisen. Dieser Antrag wurde nach kurzer Berathung angenommen.

Das ungarische Unterhaus seßte gestern die Debatte über das Nuntium des Oberhauses, betreffend die Ablehnung der Geseßesvorlage über die freie Religionsübung, fort. Der Justiz-Minister von Szilagyi betonte in längerer Rede, jeder Mensch sei reif, sein freies Bestimmungsreht auh dem Staat gegenüber zu verfehten. Wenn der Austritt aus einer Konfefston nur gestattet werde, wenn gleichzeitig der Uebertritt zu einer anderen Konfession erfolge, so schließe das einen konfessionellen Zwang ein, den der moderne Staat nicht einführen könne und dürfe. Wahre Religiosität kenne keinen B dieser hade ihr vielmehr. Als Beruhigung könne die Bestimmung dienen, daß auch Kinder von Konfessionslosen eine religiöse Er- iehung genießen müßten. Der leitende Gesichtspunkt der

orlage sei die Sicherung der individuellen Freiheit ohne Schmälerung der Rechte der Konfession gewesen. Er hoffe, dieser Gedanke werde zum Siege gelangen. Das Haus beschloß, das Gesez unverändert an das Oberhaus zurückgehen zu lassen, und trat dann in die Verhandlung des Nuntiums des Oberhauses über die Rezeption der Juden ein. Der Minister- Präsident Dr. Wekerle beantragte, die Vorlage unverändert an das Oberhaus zurückzusenden. Die Debatte wurde heute fortgeseßt und beschloß das Haus, den Geseyentwurf unver- ändeit an das Oberhaus zurückzuverweisen.

Im Finanzausschuß des Unterhauses erklärte der Handels-Minister von Lukacz uu eine Anfrage, der Stand- punkt der ungarischen Regierung basiere vollkommen auf den Verträgen. Es seien aber Verhandlungen im Gange, die Wein- ollfrage mit gebührender Rüksihtnahme auf die ungarischen Nitevelenten gegen entsprehende Konzessionen zu cbnen. Jn Betreff der Südbahn seien Verhandlungen wegen der Uebernahme des Betriebes dieser Bahn im Zuge; in dieser Angelegenheit seien auch zwishen den E Regierungen Ver- einbarungen zu stande gekommen. Die Verhandlungen ml der Südbahn würden demnächst beginnen. Die Arbeiten am Eisernen Thor seien in vollem Gange, sie würden bis 1896 vollendct werden ; jedoch E gewisse Ergänzungsarbeiten noth- wendig, die neuerlich Kosten beanspruchten. ; Gegenüber den von einigen Blättern anläßlih der Affaire Palitshek (Siche Nr. 238 d. Bl.) gegen den öster- reichishen Vize-Konsul in E TUE Eberhard erhobenen Anschuldigungen stellt das „Frembdenblatt“ fest, daß diese Anschuldigungen vollständig unbegründet seien. Au die Behauptung, daß wegen einer angeblich den Thatsachen nicht entsprehenden Anzeige Eberhard's die Disziplinarunter- suchung gegen leßteren im Zuge sei, und eine sensationelle Wendung in der Sache gegen Palitschek bevorstehe, wird als völlig aus der Luft gegriffen erklärt.

t,

Frankreich. Der Großfürst Alexis, der gesiern früh in Paris eintraf, hat Abends seine Reise nah Livadia mit dem Orient- reßzzug fortgeseßt. Der Großfürst wurde von dem Bot- hafter Baron Mohrenheim, dessen Gemahlin und dem Bot- lhaftspersonal zum Bahnhof geleitet. Nach einer Meldung aus Biarriß ist der Großfürst Georg Michailowitsch estern Abend von dort abgereist; der Herzog und die Herzogin von Leuchtenberg werden am Montag abreisen. * Die Budgetkommission der Deputirtenkammer beschloß gestern nah einer Rede des Kriegs-Ministers, die Kredite zu bewilligen, die in den früheren Sißungen gestrichen ¿yorden waren. : Nufß:land.

Ein gestern Abend um 10 Uhr in St. Petersburg ausgegebencs Bulletin über den Gesundheitszustand des Kaisers lautet:

Die Naht zum 19. verlief fast {laflos. Seine Majestät siand Morgens wie gewöhnlih äuf. Die allgemeine Schwäche, sowie die Thätigkeit des Herzens sind unverändert. Das Ocdem der Füße, das hereits E eingetreten war, hat zugenommen. Der allgemeine Zu- stand ist unverändert. : :

Leyden. Sacharjin. Hirsch. Popoff. Welljaminow.

Nach der „Köln. Ztg.“ wird in St. Petersburg die Nach- richt von der Berufung des Nervenarztes Professors Mers he- jews ki nah Livadia mit Meldungen in Verbindung ge- rat, wonah die Kaiserin infolge der Aufregung und der Sorge in der leßten Zeit einer ärztlihen Behandlung bedürfe.

Ftalien.

Jr Nom eingetroffenen Nachrichten zufolge is der Kardinal-Erzbishof von Reims Langénieux gestern nach Rom abgereist, um an den unter dem Vorsiß des Papstes abzuhaltenden Konferenzen der orientalischen katho- lishen Patriarchen theilzunehmen.

Portugal.

Die portugiesishe Regierung hat, wie „W. T. B.“ meldet, gestern eine Depesche von dem Gouverneur von Lourençco Marquez erhalten, die besagt, daß die Stadt vollkommen ruhig sei, daß alle Vertheidigungsmaßregeln getroffen seien und daß noch kein r seitens der Kaffern stattaefunden habe. Der Minister - Präsident hat diese Depesche der Ersten Kammer mitgetheilt und dabei eine Uebersicht über die Streitkräfte gegeben, die sih in Lourenço Marquez befinden und binnen 12 Tagen noch um 400 aus Angola ein- treffende Soldaten vermehrt werden. Der Minister- Präsident fügte hinzu, daß die Regierung das volle Vertrauen zu diesen Streitkräften zu Lande und zur See habe, um die Stadt zu vertheidigen und die Ein- wohner zu shüßen. Der Minister des Auswärtigen erklärte jeinerscits, bezüglih der Eisenbahn von Lourencço Marquez habe er volles Vertrauen zu der Unparteilich- feit des Schiedsgerichts in Bern; bis der Schiedsspruch erfolgt n werde die Regierung den status quo auf- rechterhalten, indem sie sich das Recht vorbehalte, später den Jnteressen Portugals gemäß vorzugehen. Hin- sichtlih der Vertheidigung von Lourençco Margquez bestritt der Minister, daß man Eingeborene aus Transvaal angeworben habe. Er fügte hinzu, daß die Bchörden den striktesten Befehl erhalten hätten, sih jeder Landung auswärtiger Truppen in Wurenço Marquez zu widerseßen, und {loß mit den Worten : „Das portugiesische Gebiet wird nur von portugiesischen Eoldaten vertheidigt werden“.

Der republikanische Deputirte Abreu brachte gestern in der Zweiten Kammer einen Antrag ein, das Bedauern der Kammer über den Tod Carnot's auszudrücken. Die Kammer genchmigte einen Antrag, das Bedauern über den Tod Carnot’s und des Grafen von Paris auszusprechen.

Velgien.

Der Generalrath der Arbeiter beshloß in einer gestern Nachmittag zur Besprehung der Lage abgehaltenen Sibung, allen sozialistishen Wählern zu empfehlen, bei der Stihwahl am Sonntag für die Liste der vereinigten Liberalen zu stimmen, wobei es dem Ermessen jedes Ein- zelnen überlassen bleibe, für die vollständige Liste zu stimmen, oder die Gemäßigten auszunehmen. Es müsse in jedem Falle verhütet werden, daß Katholiken gewählt würden.

Numüänien.

Anläßlih des Geburtstages der Herzogin von Sachsen-Coburg und Gotha fand vorgestern im Schloß Pelesch ein Diner statt; woran auch der russische Gesandte mit dem Gesandtschaftspersonal sowie der deutsche Geschäfts- träger mit seiner Gemahlin theilnahmen.

‘Der Erbprinz und die Erbprinzessin von Sachsen- Meiningen sind gestern von Bukarest abgereist.

Serbien.

Ueber die innere politishe Lage Serbiens wird dem „W. T. B.“ von vollkommen zuverlässiger Seite aus Belgr ad Pl gendes emeldet: Vor der Abrcisc des Königs Alexander abe der Minister-Präsident Nikolazewic die Nothwendigkeit größerer Einigkeit in den Ea gen dargelegt und die Gewährung freier Hand in der Ausübung der inneren Politik verlangt. Ferner habe er für das Finanz- NMinisterium sowie für die Ministerien des Handels und der öffentlihen Arbeiten die Eng auswärtiger ahmänner, die durch Serbien freundshaftlih ge- nnte Regierungen empfohlen seien, beantragt, die als Sektions-Chefs die Arbeiten dirigieren und organisieren würden. Wenn der König nah seiner Rückkehr seine Einwilligung hierzu ertheile, werde cs sich nur um einen theilweisen Ministerwechsel durh den Austritt des Justiz - Ministers und des Handels - Ministers handeln; wenn aber der König seine Genehmigung versage, werde der Minister-Präsident seine Entla\s ung fordern. Die meisten Aussichten für die Kabinetsbildun hätten sodann der Präsident des Staatsraths Nikola Christic und der Gesandte in Konstantinopel

1ordj ewic. ; Montenegro.

Die Regierung hat mehrere Blockhäuser längs der Grenze aufführen N um die Bevölkerung vor den Angriffen er Albanesen zu shüyen.

B Schweden und Norwegen. :

ei den gestrigen Storthingwahlen wurden, wie „V. T. B.“ bed tet für G iaie gewählt : der Typo- graph Andresen, Arbeiterkandidat, mit 341 Stimmen; der

.- Dampfer gemeldet hätten, sie

ehemalige Staatsrath Nysom mit 332, der Advokat Schjödt mit 324 und der Großhändler Lunde mit 239 Stimmen. Die leßteren drei Gewählten gchören der Partei der Linken an. i

Amerika.

Eine in New-York eingetroffene Depesche aus Caracas berichtet, der stellvertretende Präsident von Venezuela Feliciano;, Alvarez sei gestorben.

Asien.

Das „Reutershe Bureau“ berichiet aus Simla, nah den leßten Meldungen aus Kabul habe sih der Emir von Afghanistan am 13. d. M. besser befunden.

Demselben Bureau wird aus Tientsin von gestern ge- meldet, der dort von Shanghai angekommene norwegische Dampfer „Peik“ habe signalisiert, daß die japanische Flotte sih 30 Meilen von Taku entfernt befinde. Die hinesische Flotte habe Befehl erhalten, Port Arthur am 18. d. M. zu verlassen.

Die heutigen Londoner Morgenblätter veröffentlichen cine Depesche aus Shanghai von gestern, wonach englische hätten Schiffe fignalisiert, von denen man glaube, daß es die japanische Flotte gewesen sei. Es seien 8 Schiffe gewesen , die sich 20 Meilen südlich vom Vorgebirge Shantung befunden hätten. Einc andere Depeshe aus Tientsin von gestern meldet, daß Truppen in großer Anzahl dort ankämen und Vorbereitungen für die Vertheidigung der Hauptstadt ge- troffen würden. Man glaube, daß bis zum 830. d. M. 100 000 Mann eingetroffen sein würden. 48 000 Mann Kavallerie seien auf dem Marsche nah Schina-King und Kirin. __ Aus Hiroshima erfährt das „Reuter'she Bureau“, die japanische Regierung habe dem Landtage drei Vorlagen unterbreitet. Die-erste betreffe die Einrichtung cines besonderen Rechnungswesens für außerordentliche Kriegsauslagen ; durch die zweite Vorlage werde die Regierung ermächtigt, zur Be- streitung der Kriegskosten eine Anleihe aufzunehmen, die edoch den Betrag von hundert Millionen Yen nicht übersteigen Von: die dritte Vorlage stelle ein außerordentliches Kriegsbudget auf, worin die Ausgaben auf 150 Millionen veranschlagt seien ; ein Theil dieses Betrages sei durch Uebershüsse zu decken, der Rest durch die Anleihe. Die Präsidenten des Landtags hätten als Antwort auf die Thronrede eine Adresse eingebracht, worin dem Mikado für die Uebernahme der Kriegsleitung gedankt und hervorgehoben werde, daß die von den Japanern errungenen Siege natürlihe Ergebnisse feicn. Die Adresse \hließe mit den Worten: „Eure Majestöt betrachtet China mit Recht als einen Feind der Zivilifation: wir wollen dem Kaiserlichen Wunsch, die barbarishe Hartnäckigkeit Chinas zu brechen, willf ahren.“

Nr. 42 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlihen Arbeiten, vom 20. Oftober, hat folgenden Inhalt: Zur Baugeschihte des NReichstagshauses. Wettbewerb für die Donaubrückezn in Budapest. X11. (Schluß.) Vermischtes: Denkmal für Wilhelm Lübke in Karlsruhe. Eine neue Negel für das Maß der Ausnußung von Bauplätzen. Einführung des zehntheiligen Maßes in England. Der Cisenbahnverkehr Englands im Jahre der Arbeiterausfstände, 1893. Betriebsergebnisse der Eisenbahnen der Vereinigten Staaten al rig Jahr 1893, Geheimer Regierungs: Rath Hilf in Wies-

aden 7.

Kunft und Wissenschaft.

Deutschen Lehrerinnen ift dringend davon abzu- rathen, ohne Engagement nah Rußland zu kommen, es sei denn, daß sie genügende Kenntnisse im Russischen besizen, um das dort vorgeschriebene Examen als Hauslehrerin zu machen. Ohne das Diplom als solche können fie niht einmal ein Jnserat in “eine Zeitung seßen, um ihre Dienste anzubieten; denn den Zeitungen is ftireng verboten, jede Art von Jnseraten, die sih auf die Ectheilung von Unter- riht bezichen, ohne die Druckerlaubniß eines der - Kreis- Schulinspektoren aufzunehmen. Diese Drucerlaubniß wird neu eingewanderten Lehrerinnen, so lange sie nicht das russische Diplom erworben haben, unter keinen Umständen ertheilt.

4: Die Kunsihandlung von Amsler und Ruthardt hat eine interessante Saramlung der hervorragendsten Nach bildungen nah Naffael's berühmter Sixtinisher Madonna in den obern Räumen ihres Geschäflslokals ausgestellt. Das Bild, welhes bekanntlich den kostbarsten Schay der Dresdner Galerie bildet, wurde um 1515 für die Mönche des Klosters von S. Sisto in Piacenza gemalt, wo es den Hochaltar bis zum Jahre 1753 s{chmüdckte; in diesem Jahre erwarb es der Maler Carlo Cesare Giovanini um 20000 Dukaten für August Il. von Polen, den Kurfürsten von Sachsen. Es ist bemerkenswerth, daß die Nachbildungen alle erst nach der Ueberführung des Bildes nach Dresden gemacht sind. Eine alte Oel-Kopie besißt die Galerie in Rouen, eine andere befindet sih im Privatbesiß in der Schweiz, eine jüngere hat auf dem Altar der Kirhe in Piacenza Aufstellung efunden. Leider ist der Ausstellung kein Katalog beigegeben, der die

ronologische Aufeinanderfolge der einzelnen Stiche, Lithographien 2c. angiebt; au die Aufschriften der einzelnen Blätter enthalten keine chrono- logischen Angaben, zumal die Mehrzahl der Abdrücke sogenannte Vorzugs- drucke vor der Schrift sind. Es hätte aber großes Interesse zu erfahren, welche Vorzüge in den verschiedenen Zeiten die reproduzierenden Künstler besonders gereizt haben. Die Grabsticheltehnik wurde besonders der edeln Linienführung des Bildes gerecht, gab aber den Formen eine klare Schärse, die das Original nicht besißt. Jn dieser Linienmanier ind die älteren Reproduktionen ausgeführt, unter denen die Stiche von

riedrich Müller, Moriß Steinla, Boucher-Desnoyers und Eduard Mandel mit Recht_ die größte y efunden haben, während die Stiche von Gottschick, No ebüeim und M. Scchwindt erst in zweiter Linie zu nennen sind. Eine zweite Gruppe von Grabstichelblättern, durch Droehner, Manigaud, Kohlschein und Joseph Keller vertreten, legt den Hauptnahdruck auf das weiche Sfumato ter Pinselführung, das den Gestalten der Madonna und des Chrift- kFindes, wie den beiden Heiligen jenen unwiderstehlihen, mystishen und visionären Reiz verleiht. Auf diesem Felde wetteifert die Litho- raphie, unter deren Leistungen man die Blätter von Zöllner und Nubrep Lecomte vermißt, mit gutem Erfolg mit der ftrengeren Kupferstichtechnik. Der koloristishen Wirkung kommen am chesten die Radierungen nahe, von denen die vor wenigen Jahren entstandene von Horte, einem jungen Berliner Radierer, dur ihre größere Treue den Vorzug vor Unger's allzu süßlicher Nachbildung verdient, die nur die Halbfigur der Madonna mit dem Kinde giebt. Freilich ersheinen neben den zahlreihen mehanischen Reproduktionen in Photographie, ' Kohlendruck, Lichtdruk und Photograyure all’ diese e en Tre mehr oder minder fub- jektiv gefärbt, was thren Reiz wie ihre Mängel erklärt. Störend wirft bei den P N nur das Pigment, das hie und da einen rosa Ton annimmt, während die sattbraune Färbung der Kohlen-

Anerkennung

druckde von Braun und der fer eine vornehme ruhige Paltung verleiht. Besonders die u epa reit von Hanf - ftängl und der Berliner pboteges hishen Gesellshaft zeigen die moderne Reproduktionstehnik auf der Höhe ihrer fähigkeit. Als Zimmershmuck besißen sie ohne Zweifel die grö E Tus f brer A s edenfalls bietet diese în ihrer Art erste Ausstellung Anreguna nach den verschiedensten Richtungen, und \chon der Umstand, E den Beschauer zum Nachdenken über die Vorzüge und Mängel der verschiedenen Vervielfältigungsarten zwingt, da ja jede Ablenkung auf L und andere Interessen fortfällt, verbürgt eine starke erzieblidhe irkung.

Der zum Nachfolger des Professors Stellwag von Cari auf Les N Ba A T M E A Z Wien er- nannte Professor Mauthner ist, wie „W. T. B.“ meldet, leßten Äecht plöulih gestorben. ius

Theater und Musik.

: E Residenz- Theater.

__Die Mitglieder des Théûâtre Libre aus Paris brachten geftern Abend „LaDu po“, eine Komödie in fünf Akten von Georges Uncey, zur ersten Aufführung. Nach der deutshen Eintheilung der Dramen würde dieses Theaterftück niht den Komödien, sondern den Schauspielen zugetheilt werden ; denn „La Dupe“ if weder in den Vorausfezungen der Handlung, noch in ihrer Entwicklung erheiternd oder von Humor getragen. Die arme Düpierte oder Betrogene wird im ersten Akt um ihr Herzenörecht gebracht, sih cinem Manne nach freier Wahl zu vermählen, und reiht nah dem Willen der Mutter einem ungeliebten Mann die Hand. Im zweiten Att erscheint fie bereits als feine Gattin, und zwar merkwürdigerweife als eine zärtlich liebende Frau ; der folid auéssehende Schwiegersohn dagegen offenbart sich als unlieben8würdiger, fühker und leihtfertiger Ehegatte. Diese beiden Charaktere entwickeln \ich nun in den drei folgenden Aufzügen ihren Grundstimmungen gemäß kräftiger und breiter. Der Mann wird zu einem brutalen Berschroen- der und die Frau eine Märtyrcerin ihrer Frauenliebe, die nah s{chweren Mißhandlungen zum Hause hinauëgeiagt wird, aber auch dann noch, wie der Abschluß des Stücks vermuthen läßt, ihrem heruntergekom- menen Gatten ihr Herz nicht verschließen kann und dem Ehrlosen auch in Zukunft ihr Gut und selbft ihre Ehre opfern wird. Der Verfasser hat die Scenen zwischen den beidea Eheleuten packend gezeichnet ; er findet das rechte Wort und erfindet die richtige Situation, um ihre Charaktere in eine klare dramatishe Beieuchtung zu seyen; dabei shreckt er niht davor zurück, es auf der Bühne zu rohen Ausfchrei- tungen kommen zu laffen. Den wichtigsten Punkt adbec in der Cha- rafterentwicklung der armen „Duape“ Adele: wie aus dem widerstre- benden jungen Mädchen in wenigen Monaten eine zärtlih liebende Frau geworten ift, überspringt der Autor. Er stellt einfach die Thatsachen hin; denn die wenigen zärtlißen Worte Adelens versuchen vergebens, diesen unfaßbaren Gesinnungswecksel zu erflären. IJnterefsant bleibt die Komödie als Spiegel- bild aus dem ernsten Leben des französishen Mittelstandes, da auf die deutshen Bühnen zumeist nur die Schilderungen folcher zeitaenössishen französishen Dramendichter herüber genommen wurden, die das Leben unter dem Gesichtswinkel einer übermüthigen Laune und leihtfertiger Satire zeichneten.

Monsieur Antoine fpielte die einzige männlihe Rolle des Stüdcks, den rohen und efenden Gatten und Schwiegersohn mit ershreckender Naturwahrheit. Als Freier im ersten Akt erschien er O ELE als ein durhaus solider Mann, hielt aber troß seiner liebens8würdigen Komplimente den Ausdruck der Kaltherzigkeit und Nüchternheit fest; aus der kühlen Rückfihtslofigkeit lösten sich daun ungezwungener und breiter, erft langsam, dann mächtiger ans{chwellend seine Robheit und Niedrigkeit und feine cynishe Selbît- fuht los. Herr Antoine zeigte sch hier ohne Zweifel wieder als ein großer Schauspieler im naturaliftishen Stil. Mme. Dulac, die Darjitellerin der Adele, befizt Gemüth und Leidenschaft, die zumeist rein zum Ausdruck kommen, und die Damen Barny als Schwieger- mutter und Perrot als Schwester Adelens brahten ihre Rollen mit Einfachheit angemessen zur Geltung.

Konzerte.

Die Konzertsängerin Fräulein Lulu Heynsen aus Schleswig, Schülerin des Herrn Deppe, ließ sich geflern in der Sing- Akademie zum ersten Mal vor dem hiesigen Publikum hören. Kraft und Wohlklang der Stimme sind vereinigt mit Reinheit der Intonation und Deutlichkeit der Aussprache; doch hat die Stimme (Mezzosopran) einen zu kleinen Umfang, der wohl durch fortgeseßte Studien nah Höhe und Tiefe zu erweitern sein dürfte; au bleibt das üblihe Memorieren der Lieder noch zu wünschen. In den meist elegishen Gesängen von- Schubert, Liszt, Franz, Schumann und anderen bewies die sehr begabte junge Künstlerin stets eine verständnißvolle und fehr lebendige Vortragsweise. Reicher Beifall folgte jedem Liede. Die Pianistin Fräulein Margarethe Voreßsch aus Halle, die seit ihrem ersten Auftreten hierselb an techni]ch{er Sicherheit in erfreulicher Weise gewonnen hat, trug Seb. Bach's Chromatische Phantasie und Fuge sowie mehrere Piècen von Brahms, Schumann und Weber schr auédrucksvoll vor ; ihre Leistungen wurden gletchfalls mit vielem Beifall aufgenommen.

Der erste Liederabend, den die Königliche Kammersängerin Frau Lilli Lehmann-Kalisch gestern im Saal der Philharmonie gab, war außerordentli zahlreih besucht. Vor allem erfreute die Hörer die unveränderte Frische und der bezaubernde Woblklang der Stimme, sowie die an der geiierten Sängerin stets gerühmte geifstvolle Vor- tragsweise. Die Brautlieder von Cornelius, „Allmacht*, „Alinde“ und „Erlkönig“ von Schubert dürfte man wohl selten in folcher Vollendung hören. Das Lied „Alinde" wurde nag, Rie Bei- fall wiederholt, auch war „das Haideröslein" von ubert eine will- kommene Zugabe. Die Klavierbegleitung war leider fait immer zu stark.

Im Königlichen Opernhause wird morgen Meyerbeer's „Prophet* gegeben. Die Hauptrollen find wie folgt beseßt: Johann von Leyden: Herr Sylva, Fides: Frau Goeße, Bertha: Fräulein Hiedler, Oberthal : Herr Krolop. Kapellmeister Sucher dirigiert. Am Montag findet der Il. Symphonie-Abend der König» lihen Kapelle unter Kapellmeister Weingartner's Leitung ftatt. Für Mittwoch ist eine Aufführung von Richard Wagner's „Tristan und Isolde“ mit Frau Sucher und Herrn Gudehus unter Kapell- meister Dr, Muck's Leitung angeseßt. ¿

Im Königlihen Schauspielhause geht morgen zuw ersten Mal Karl Niemann's Lustspiel „Wie die Alten sungen“ mit folgender Beseßung in Scene: Fürst Leopold von Deffau: Molenar, Annelise: Frau Kahle, Erbprinz Guftav: Herr Mat- kowsky, Prinz Moriß: Herr Mangelsdorf, Herre: Herr Kahle, Sophia und Eleonore, seine Kinder: Damen: Sauer, Plan, Herre's Vater: Herr Vollmer, Melde: Herr Hartmann; Woche: Herr Obet- länder, Wachsmuth: Herr Eichholz, Hökerin: Frau Schramm. Das Stück spielt im Jahre 1730. In Scene getept ist es vom Ober- Negisseur Grube. Die Vorstellung beginnt um 8 Uhr. /

m Deutschen Theater geht Fulda's Lustspiel „Die Kameraden“ morgen Abend, am Montag, Mitiwoh und Freitag (außer Abonnement) in Scene. Am Dienstag, Donnerstag und Sonna werden Gerhart Hauptmann's „Weber“ aufgeführt. Als Nach« mittags-Vorstellung wird morgen „Der Talisman®" zu halben : gegeben. Die Abonnements-Vorstellung fällt in diefer W. aus, die nächste findet am Freitag, 2. November, statt. ¡ :

Im Berliner Theater fist Arthur Fitger's Trauerspiel „Die Lee mit Nuscha Bute in der Titelrolle für Men Abend,

ienstag und Fre tag angefept. Paul Liadau's Lustspiel , D wird am Montag, „Dos Heirathsnest“ am Mittwoh, „Niobe Jenny Groß in der Titelrolle am Donnerstag, .und „Der Pfarrer von Kirchfeld“ am Sonnabend wiederholt.

m Lessing-Theater wird. Hermann Sudermann's Komödie „Die Schmetterlings{lacht“ morgen, am Dienstag, Mittwoch und