1913 / 34 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 08 Feb 1913 18:00:01 GMT) scan diff

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Ministerium sür Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

Bekanntmachung.

_Die Herren Forstreferendare, die in diesem Frühjahr die forstlihe Staatsprüfung abzulegen beabsichtigen, haben die vorschriftsmäßige Meldung spätestens bis zum 20. März d. Js. einzureichen.

Berlin, den 5. Februar 1913.

Der Minister für Landwirtschaft, Domänen und ¿Forsten.

J. A.: W esener.

Nicßfamflihßes, Deutsches Rei. Preußen. Berlin, 8. Februar 1913.

Seine Majestät der Kaiser und König nahmen heute vormittag im hiesigen Königlichen Schlosse die Vorträge des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes von Jagow und des Chefs des Marinekabinetts, Admirals von Müller entgegen und machten, wie „W. T. B.“ meldet, dem Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg einen längeren Besuch.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Zoll und Steuerwesen und für Justizwesen sowie der Ausschuß für Zoll: und Steuerwesen hielten heute Sitzungen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. adler am 4. Februar in Cas London (Kapland), „Nürnberg“ am 6. Februar in Hongkong, S.

(D 90° an demselben Tage in Hankau und „LuUchs“ am 7. d. M. in Manila eingetroffen.

Sachsen-Altenburg.

Das endgültige Ergebnis der vorgestrigen Landtags wahlen liegt noch nicht vor. Wie ,„W. D.'B.“ meldet, steht aber jeßt {on fest, daß auch im neuen Landtag eine Mehrheit der Rechten vorhanden fein wird. Die fortschrittlihe Volks- partei eroberte einen Siß von den Nationalliberalen, die Sozialdemokraten behaupteten die bisherigen sieben Siße. Die

Wahlbeteiligung war zumeist sehr stark.

Oesterreich-Ungarn.

Der Finanzaus\chuß des österreihishen Ahb- geordnetenhauses hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ die Abänderung der Bestimmungen über die Höhe der Personaleinkommensteuer und die Einführung der Jung- gesellensteuer gemäß der Regierungsvorlage angenommen.

Großbritannien und Frland.

Wie das „Reutershe Bureau“ erfährt, haben die Bot- schafter bei ihrer vorgestrigen Sißung die albanesische Frage besprochen. Viele Erwägungen über den großen Um- fang des Gegenstandes führten dazu, daß die Diskussion nur ganz allgemein gehalten wurde.

Rußland.

Die Reichsduma hat, wie „W. T. B.“ meldet, mit 134 gegen 127 Stimmen für die Dringlichkeit der Jnter- pellationen gestimmt, die an den Miinisterpräsidenten und den Kriegsminister wegen der am 30. Dezember vorigen Jahres und am 16. Januar dieses Jahres in der Pulverfabrik zu Ochta erfolgten Explosionen gerichtet worden sind.

Belgien.

Die Deputiertenkammer beendete gestern die Be- sprehung des Antrags der Sozialdemokraten, eine Ver- fassungsrevision im Sinne des allgemeinen und gleihen Wahlrechts in die Wege zu leiten, und verwarf laut Meldung des „W. T. B.“ diesen Antrag mit 99 gegen 93 Stimmen bei zwei Enthaltungen. Vor der Abstimmung verlas der Abg. Vandervelde im Namen der sozialistischen Fraktion eine Erklärung, aus der hervorgeht, daß nunmehr nah Lage der Sache der Genera lstreif unvermeidlih ge- worden sei, d. h., daß die Mehrheit Dadurch, daß sie jeden ver- mittelnden Vorschlag ablehnte, die Arbeiter zwinge, ihrerseits die äußersten Schritte zu unternehmen.

Türfei.

Der Evkafminister Hairi Pascha hat nah einer Mel- dung des „W. T. B.“ seine Entlassung genommen: an seine Stelle tritt interimistish der JZustizminister Jbrahim Pascha.

Ueber die türkische innere Anleihe sind obiger Quelle zufolge gestern unrichtige Meldungen verbreitet worden. Das Kommuniqué des Finanzministers liegt jezt im Wortlaut vor und besagt:

Um den außerordentlichen Kriegsausgaben gerecht zu werden, wendet die Negterung #ch an die Hilfe aller Ottomanen. Sie hat als wirksamstes Mittel die durch Kaiserliches Dekret fanktionierte Emisfion einer inneren Anleihe beschlossen. Zu diesem Behufe wird die Negterung unverzüglich fünfproz-ntige Schaßscheine im Be, trage von 55 Millionen ausgeben, die durch eine Immobiliar- steuer garantiert werden. Es werden Scheine. im Weite von einem Pfund Sterling galeih einem türkisGen Pfunde und 104 Piastern ausgegeben. Die Verzinsung und Tilgung erfolgen in fünf Coupons, die am 13. Dezembec fällia sind und an den Staatskassen der Türket bar eingelöst werden ; bie Coupons werden auch bei Steuer- zahlungen an Zaßlungsstatt angenommen. Die Subskribenten werden, bis die Scheine gedruckt sind, Empfangs\cheine von ben Staatskassen erhalten.

Das Amtsblatt veröffentlicht ein vorläufiges Gesey, durch das die Regierung zur Emission von S chabßscheinen im Betrage von 5!/, Millionen türfishen Pfund ober 125 Millionen Francs ermächtigt wird. Außer den bereits befannten Bestimmungen seßt das betreffende Dekret fest, daß die ausländischen Banken, die den Coupondienst libernehmen, eine Kommissionsgeblhr oon ! Prozent erhalten werden. Ein

zweites Dekret ermächtigt die Negierung, Schaßscheine von einer Million Pfund auf Rechnung der vorhergegangenen Emission von drei Millionen zum Kurse von 94 zu verkaufen. Die Hälfte des Preises ist sofort, der Nest nach einer Woche zu zahlen.

Nach Meldungen des „W. T. B.“ aus Sofia haben die Bulgaren außer Myriofito am Marmarameer auch Scharköj beseßt. Bei T\chatald scha gingen mehrere türkische JZnfanteriebataillone, von der Artillerie der Forts unterstüßt, gegen das Dorf Jzzedin vor und versuchten auf das rechte Ufer des Kara-Su zu gelangen. Sie wurden von den bulgarischen Vorposten zurückgeworfen und kehrten mit empfindlichen Ver- lusten in ihre Stellungen zurück. Die Beschießung Adrianopels dauert fort.

Wie die „Neue Freie Presse“ meldet, wurden die türkischen Bewegungen nach Gallipoli von zahlreichen griechischen Banden beobachtet und belästigt. Jnfolgedessen wurden die griechischen Bürgermeister und Notabeln der geräumten Ortschaften als Bürgen nah Gallipoli mitgenommen, die Ortschaften selbst durh Beschießung seitens der Kriegsschiffe gänzlich zerstört. Alle Einwohner flüchteten in wilder Panik nach Gallipoli, zum Teil auch auf die dorthin bestimmten Truppentransportdampfer. Dabei kam es nach den Erzählungen von Flüchtlingen wieder- holt zu Schreckensszenen. Zahlreiche Boote kenterten infolge von Ueberfüllung. Hunderte von Personen ertranken, darunter viele Soldaten. Erst diht vor Gallipoli gelang es dem türfishen Kommandanten, die Massenflucht zum Stehen zu bringen und den nachrückenden Bulgaren bei Bulair entgegen- zutreten. *

Das 10. türkishe Armeekorps ist samt seiner Kavallerie und Artillerie gestern von Konstantinopel nah Gallipoli ab- gegangen. Die Einschiffung erfolgte in Ordnung auf den Kais von Stambul und Galata auf 15 Transportschiffen, die Abends und Nachts abdampften.

Wie dem „Temps“ aus Mudros gemeldet wird, unter nahm der griechische Militärflieger Leutnant Mutusis in Be- gleitung eines Fähnrichs mit einem Woasserflugzeug von Lemnos aus einen Flug über die Dardanellen und freuzte troß der gegen ihn abgefeuerten zahlreihen Schüsse wiederholt oberhalb des vor Nagara liegenden türkischen Geschwaders, schleuderte 4 Bomben auf den türkischen Leuchtturm und landete sodann dei Jmbros.

Bulgarien.

Die in London begonnenen bulgarish-rumänischen Unterhandlungen werden, wie „W. T. B.“ meldet, in Sofia fortgeseßt. Die bulgarische Regierung hat Dr. Danew und den ehemaligen Gesandten in Konstantinopel Sarawoff zu Bevollmächtigten ausersehen.

Afrika. Wie „W. T. B.“ meldet, ist die von der französischen Negierung geforderte Versezung der Konsuln von Tetuan, Mogador und Mazagan nunmehr erfolgt.

Koloniales.

Wie der „Deutschen Kolonialzeitung“ aus Dares\alam telegraphisch mitgeteilt wird, hat die Gleisspize der deut sch ostafrikanis ch ea Mittellandbahn Ende Januar 1913 Kilometer 234 hinter Tabora erreiht. Es sind jeßt bis zum Tanganjikasee nur noh wenig mehr als 100 km Stienen zu legen.

Aa Dr 45:

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sizungen des Neichs-

tags und des Hauses der Abgeordneten befinden fich in der Ersten und Zweiten Beilage.

- Der Reichstag seßte in der heutigen (107.) Sitzung, welcher der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco beiwohnte, die zweite Beratung des Reichshaushalts- etais jur 1913 mit dem ¡Etat für die Neichsjustizverwal Ung ToOtE

Vor Eintriit in die Tagesordnung bemerkte der

Abg. Dr. Oertel (d. kons.): Zu meinen gestrigen Ausführungen hier im Netidistaae habe ich folgendes zu erklären: Die Aus- führungen, die ih in der Sißung vom 16. Januar über die Stellung des Reichskanzlers und des Staatssekretärs des Innern zu der Frage der Bekämpfung der Sozialdemokratie gemacht und die ih gestern durch Verlesung des Stenogramms wieder- holt und mit einem Zusay versehen habe, sind dahin aufgefaßt worden, daß ih dem Reichskanzler und dem Staatsf\ekretär des Innern Mangel an persönlißem Mut vorgeworfen hätte. Jn meiner Absicht hat das nit gelegen. Beiden Herren habe ich unter dem Ausdrucke meines Bedauerns über das entstandene Mißverständnis eine entsprechende Erklärung abgegeben und stelle das hiermit auch gegenüber der Oeffentlichkeit fest.

Zum Etat der Reichsjustizverwaltung liegen folgende Resolutionen vor:

1) von den Abgg. Bassermann, Schiffer (Magdeburg) und Genossen (nl.):

Die verbündeten Regierungen um Vorlegung eines Gesetz- entrourfs zu ersuhen, durch den der Gemeinde, den anderweiten Kommunalvyerbänden, dem Staate und dem Reiche bet allen Zwangs- versteigerungen von Grundstücken ein furzbefristetes Vorkaufsrecht eingeräumt wird:

2) vom Abg. Dr. Belzer und Genossen (Zentr.):

Die verbündeten Neglerungen um Vorsegung etnes Gesetz- N über den Zwangsvergleih außerhalb des Konkurses zu er]ucen.

Abg. Dr. Cohn (Soz): Der Staatssekretär des Neichsjustizamts hat bet einer früheren Gelegenheit ertlärt, daß er sh bisher von der Notwendigkeit einer Regelung des Gemeinshuldverfahrens nicht habe überzeugen fönnen. Eine derartige Regelung besteht {on in anderen Ländern, und etne private Denkschrift, die die Mei- nung einer großen Anzahl von Fachleuten zusammenfaßt, ver- langt, daß man damit auch in Deutschland einmal einen Versuch mahen müsse. Unser beutiges Konkurtverfahren leidet wirklich unter fehr erheblihen Mängeln. Das trifft namentlih in Groß- städten fast durchweg zu, wo elne bedeutende Verschleuderung und Berschlehterung der Schuldenlast durch das Konkursverfahren herbeigeführt wird. Das Konkuréverfahren ist dazu sehr \{chwer- fällig und vlelfah auch oberflählch, sodaß nit nur die Släubiger, sondern auch der Schuldner vtel Schaden erleiden. Dazu kommt noch dle infamierende Wirkung, die die Eröffnung des Korkursyerfahrens mit si bringt. Um diese auf ihr Mindestmaß zu beshränken, ist es {on erwüns{cht, einen großen Teil der Konkurse durch einen außergerichtlichen Zwangsvergleich zu vermeiden. Sollte infolge ber vorliegenden Mesolution die Regierung in dieser Frage ihre Haltung ändern, dann werden meine politishen Freunde in eine wohlwollende Prüfung eintreten, Biel wichtiger ist für uns aber die Frage des Koalitioasrechts und ter Schäden, die dur die Ver-

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\chiedenartigkeit der Auffassung die Gewerkshafien erleiden. Gr»? Westarp fang neulih geradezu das Lied vom braven Arbeuswilli;„! der von tösen Sozialisten abgehalten wird, für seine Familie sorgen. Mar® stellt es häufig so dar, als ob es ich bei „M Arbeitswilligen um die werivollsten Elemente ter Arbeiter ss, handelt. Zahlreicße Gerichtsverhandlungen, deren Helden ina Arbeitêwillige waren, haben aber festgestellt, mit wel min erwcrtigs, Menschenmaterial wir es hier zu tun haben, das gewerbe1näßig e hier und morgen dort tas behördlih geschütte Amt des Arbei willigen versieht. Seinetwegen hat beim Streik iz Rubr, revier die Staatsanwaltschaft 2000 Strasprozesse angestrengt Einer ter Arbeitswilligen hatte viele Iabre Zuchthaus wegea all»; möglichen Verbrechen erlitten. Man braucßt au nur an den Moabits, Krawallprozeß zu denken, wo der Chef dieser Garde Hinze ß rühmte, daß er über lauter {were Ju ngens, sogenannte Siehboy. monatskinder, Vertügung habe. Solche Siebenmonatskinder 6 neulih auh ein Vebüt vor dem Lübeder Scwurgericht

Sie sind dabei der großen Ocffentlichkeit durchaus in dem U schienen, in dem sie uns von Anfang an erschienen sind. Die brecherei ist heute nit etwa eine gegen fozialdemofratischen ro. rismus gerichtete Abwehr, sondera fie it lediglih ein Geschäft, das diese „braven Arbeitswilligen“ betreiben, und zwar unter hohem odr, kettlihen Schuß, wofür sie hohe Löhne einsacken, weit höhere, af sie im Durchschnitt ein anständiger Arbeiter erbält. Die Geridt bestrafen Beleidigungen, die die'en Elementen zugefügt werden, m ganz außerordentlicher Härte; auch hter zeigt fich unbestreitbar, daß : uns Klassenjustiz herrs{cht. Und da schreien die Konservativen noh Ausnahmegesetzen zum Schuß der Arbeitswilligen?! Dle „Sozio Praxis* des Professors Franke ist mit uns der Meinung, daß es hie nicht nur neuer Geseze nit bedarf, sondern daß {on das besteben» Necht übermäßig {arf gehandhabt wird. Für das Wort „Streit, breher* ist das Normalmaß der Strafe von einr Woche dor 12—15 Jahren und 2 Wochen vor 10 Jahren etwa auf Wochen Gefängnis gestiegen; im Nuhrrevier tam es zar zu Bestrafungen von 6 Wochen biz 2 Monaten für dies Berbalinjurie. In einem Erfurter Fall batte der Staatsanwalt dafür nur eine Geldstrafe beantragt, das Gericht ging aber darüber hinaus und erkannte auf Gefängnis. Gegenüber m chem Urteil der Gerichte in diesen und ähnli§Yen sogenannten Streikterroris8musdfällen muß man si {on mit dem festen Entschluß wappnen, jemand so lange für gutgläubig zu halten, bis das Gegen erwiesen ift um die erkennenden Richter noch für gutgläubig zu halten.

(Schluß des Blattes.)

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Das Haus der Abgeordneten seßte in der heutigen (128.) Sizung, welcher der Minister des Innern D Dallwigz beiwohnte, die zweite Beratung des Etats Ministeriums des Jnnern, und zwar die Debatte über das Kapitel des Medizinalwesens, fort.

Abg. von der Osten (kon\.): Nur ein furzes Wort übe Shwesternfrage. Ih freue mich varüber, daß der Abg Hzcke1 mit so warmem Verständnis und fo warmer Einsicht di:fe \ch{wi-ri; soziale Frage behandelt bat. Ich kaun feine Aus)übhrungen in dieser Hinsicht durchaus unterstreicen. Herr Ströbel hat geglaubt, mit einer Verkürzung der Arbeitsze!t ein Besserung aller Verhb6 nisse anstreben zu fönnen. Er Hc gesagt, daß die von 700 6 für das Fahr eine !nzulänglihe fei fern zu behaupten, daß diese Entlohnung ei ( ist. Aber wie wenig Herr Ströbel in ter Seele uiserer h wei zu lesen versteht, geht daraus bervor, doß er vollkommen verfe daß sie diesen Beruf nur aus edt christliher Nächstenliebe ergreifen. Auf das Problem des Geburtenrückzanges möchte ih näher eingeben, Wtr glauben, nachdem die Vertreter aller anderen Parteten auf dieses Problem eingegangen sind, würde e3 ein schiefes Bild abgeben, w wir s{chweigen wollten. Wir sind mit Fhnen der Ansicht, eines der wichtigsten und s{chwierigsten Prcbleme vorliegt. mit dem Abg. Dr. Mugdan derselben Meinung, ß diefe nicht \chlechtxeg mitt einem kurzen Wort 0 nn, Am allerwenigsten ist es mögli, diese Erscheinung, wie e3 der Wg Ströbel tut, auf die \chlechte Lebenshaltung zurückzuführen. Neggti möchte ih bemerken, daß wir im Laufe der Zeit nit etne sinkende, fondern eine ftetaende Lebenshaltung unseres Volkes erkennen. Id) mêchte die Sozialdemokraten an die englishe Enquete crinnern, die zu dem Ergebnis gesührt hat, daß die Lebenshaltung unseres Volkes insbesondere die urserer arbeitenden Stände, erheblich über diejenige der Engländer hinau8gegangen ist. Eine folWe Frage,

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| wie der Geburtenrückgang, sollte ni{cht vom Parteistandpunk

sondern von dem nattonalen Standpunkt aus betrachtet werden. M

kann also diese Frage vom fozialen Standvunkt und vom Standvunkt Friedrich Wilhelms 1. betrachtcn, der sagte: Die Menschen erachte i für den größten Neichtum. Wenn wir uns nun fragen, was Neichtum ift, so wird vielleicht die überw!eßende Meh1zahl dieses Hauses zu der Ueberzeugungkommen, daßderwahreNeihtumnicht in materiellen Mitteln, sondern in den Menschen liegt. Die Zahlen des Geburtenrückgangs kann man nicht ohneweiteres mit dem Nückgan ga derSterblihkeitsziffer klompensieren, Die Statistik hat gezeigt, taß die Geburtenabnahme in den letzten 90 Jahren in allen Ländern ein \chGnelles Tempo eingeschlagen hat, und zwar hat sich gezeigt, daß sie in den Städten viel größer ist a!s auf dem Lande. In der Provinz Westpreußen werden verhältniëmüßig doppelt so viel Kinder geboren als in Berlin. Es ist einwandsfret festgestellt, daß die Geburtenziffer in Berlin schneller gesunken ist als die Sterbeziffer. Interessant ist eine Statistik über den Geburtenrückgang in denjenigen Kreisen, in denen bauptsächlid) \oztaldemokratishe Stimmen abgegeben werden. Jn Berlin sind im Jahre 1907 von hundert abgegebcnen Stimmen 66,2 soztial- demokratisch gewesen ; auf 1000 Etnwohner von Berlin fallen 23,9 Geburten. In Westpreußen kommen auf 100 abgegebene Stimmen im Jahre 1907 9 fozialdemokratishe Stimmen, während d!e Geburtenziffer hier 38,5 beträgt. Diese Zahlen geben zu denken, Es ist doch merkwürdig, daß gerade in der Sozialdemokratie sid dieses Uebel besonders deutli bemerkbar macht. Interessant if au, daß die Statistik unzweifelhaft feslgestelt hat, ' daß da Geburtenrückgang in denjenigen Kreisen, in denen die Meligio! an Boden verloren hat, größer ist als dort, wo die religiöse Einwirkung noch nit so stark zurüdgegangen ist. Wir steben bir vor keiner neuen Erscheinung, fondern diese Ericbeinung hat fi {on in der alten Kulturwelt bemerkbar gemacht. Schon in den Schrift- werken der alten Völker taucht die Frage auf, wie dem Geburten- rückgang vorzubeugen ist. Fn einem bemerkenswerten derartigen Bud wird u. a. die Kinderlosigkeit auf Lelchtsinn und Habgier zurückgeführt.

(Schluß des Blattes.)

Dem Neichstag ist ein von dem deutschen Delegierten beim Jnternationalen Landwirtschaftsinstitut in Nom verfaßter Bericht über die bisherige Entwicklung und Tätigkeit des Jnstituts zugegangen.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Verhandlungen zwischen den Arbeitgebern und Arbeit- nehmern in der deutschen Dolztindustrie, die unter dem Vorsib des Staatsministers Dr. Freiherrn von Berlep\ch geführt werden, haben, ,W. T. B.“ zufolge, zu einem Einverständnis bisher noch nichl geführt. Die Entscheidung, ob es zu einem Kampf oder zu etnem Vergleich kommen wird, ist erst in den nächsten Wochen zu erwarten: (Vergl. Nr. 25 d. Bl.) 2

Die im christlihen Weinbergsa»beiterverband zusammengefchlo}}enen Winzer von Nüde8heim und Eibiz gen haben, wie die „Ko

tg.“ berichtet, den Weinbergsbesißern einen neuen Lohntarif unter- breitet und eine Entscheidung darüter bis zum 10. Februar verlangt. # Seit der Gründung des Verbandes vor etwa einem Jahr wollen die Lohnstreitigkelten nid;t zur Ruhe kommen. Sie find jedoch an sich ziemli bedeutungslos, weil nur ein kleiner Bruchteil Ser Winzer sich der neuen Sewecktihatsbewegung anges{lossen hat. 5 Aus New York wird dem „W. T. B.“ telegraphiert, daß gestern 30000 Angestellte der Dsthahnen fast einstimmig für den Ausstand gestimmt haben. : Aus Buenos Aires wird dem „W. T. B.“ gemeld?t, daß in- folge der strengen D11chführung der neuen Steuergesetze für bestimmte Hetlmittel und Parfüms5 sämtlihe Apotheken urrd Dr ogerien der Nepublik ihre Verkaufsläden geschlossen haben. Alle Bar biere und zahlreicke Handelêtreibende haben ih der Bewegung angesch{lossen. Die Behörden haben Maßnahmen getroffen, um die Ubgabe von Heil- mitteln an Leidende sicher zu stellen.

Kunft und Wissenschaft.

Bom 1. März d. F. ab werden die Königlichen Kunfst- seen in Berlin (Altes und Neues Museum, Kaiser Friedrich- seum, Kunstgewerbemuseum, Museum für Völkerkunde und Museum für Bolkstrachten) an den Sonntagen sowie an den zweiten Feiertagen der hohen Feste statt um 12 Uhr bereits um 111 Bormittags für das Publikum ged abgesehen von den Monaten De- zember und Januar, in welchen wegen der eintretenden Dunkelkbeit hon um 3 Uhr Nahmittags ge\{lossen werden muß bis 4 Uhr

Nacmittags offen bleiben.

Unter dem Vorfi von Geheimrat Loeshcke hielt die Ar chäo- logishe Gesellschaft am 4. d. M. ihre Februarsizung ab. Professcr Loeschcke hob unter den eingegangenen Schriften besonders eine N-ihe von Museumskatalogen bervor und zeigte aus dem Katalog des Museum 8 von Bologna im Üchibilde ein attisches Vasenbild schönsten Stils, Aphrodite, die, von zwet Ecoten begleitet, über die Felsen dem Kahn des Phaon, des Geliebten der Sappho, zueilt. Professor Dragendor ff berichtete eingehender über die Beröffent- lichung des rômishen Lagers von Hofheim tm Taunus, das eine geschlossene Fundmasse aus der Zeit des Kaisers Claudius gibt und dur Herrn Nitterling, den jeßigen Direktor der röômish germanischen Kommission in Frankfur a. M., eine mustergültige Bearbeitung gefunden hat. Er besprach dann das foeben erschienene Werk des Herrn Dr. Nodenwaldt über die bei den Ausgrabungen des Kaiserlichen Archäologis{en Instituts in dem Palaste von Tiryrs, dessen Ausgrabung einst Schliemann begonnen hat, gefundenen Neste von Wandmale eien, ein Werk, das für die Kunstgeschichte der kretishz-mykenischen Pertode Griechenlands von grondlegender Bedeutung ist. Im Zusammenhange daniit wurden einige im Besiße des Arhäologi\hen Apparats der Universität befindliche Aquarelle nach Nesten von Wa idmalereien diefer Periode aus Kreta gezeigt. Ueber die Ergebnisse ter letz!jährigen deutschen Ausgrabungen in Pergamon berichtete Professor Dr. C onze. Wenn sich die Grabungéleitung diesmal die Hauptaufgabe gestellt hatte, einige Ergänzungégrabungen zu machen und durch Wegräumen einer t1tesigen Schutthalde und einen reTognoszierenden Vorstoß in bisher noch niht von den Grabungen berührtes Terrain die nächste Ka#,pagne vorzubereiten, so hat fie doch auch einige unerwartete Funde gebracht. Besonders hervorzuheben i ein Bau gus der Königszeit, neben dem cine Badeanlage liegt, die in ihrer ersten Gestalt auch ncch in hellenistishe Zeit gefeßt werten nuß. Ferner ein zweistöckiger Torbau, dessen vollständige Freilegung

eine der Aufgaben der nächiten Kampagne sein wird.

Der Direktorialassistent an ten Königliden Museen Or. Schroeder sprach über den Koyf des Aristogeiton in der bekannten Tyrannenmördergruppe, die unmittelbar nah den Perser- friegen auf dem Markt in Athen errihtet wourde. Die Statue des Aristogeiton trägt in der uns erhaltenen Kopie des Neapler Museums einen nit zugehörigen Kopf. Den richtigen Kopf hat inan bereits seit längerer Zeit in einem bärtigen Kopf des Madriter Museums, der fäls{chlich den Namen desg Pherekydes trägt, erkannt. Leider ist dieser Kopf \chleht erhalten und durch moderne Ueber- arbeitung ganz entstellt. Herr Schroeder weist eine viel bessere und besser erhaltene Kopie des Kopfes im Britischen Museum na, die funftig bei der Beurteilung zugrunde zu legen ist.

Den Schluß der Sizung bildeten einige kleinere arhäologische Mitteilungen der Herren Brückner und Loeschcke.

A Su r ältesten Zeit“ spra in dec Dezembersißun asfiatishen Gesellschaft“ Dr. Pi ck. j Hedner darauf hin, daß bei dem von Iahr z1 mfang unseres Bekanntwerdens mit Urkunden zngenheit des Zweistromlandes, der ernste Forscer genötigt wird, ih zu beschränken, zu spezialisieren, ein fleines, beshecidenes Gebiet zu bearbeiten und so besheidener zwar, aber entsprechend gründlich Wissen zu fördern und Nuten zu stiften. Den Anstoß zu setnem Vortrage hat dem Redner die Tatsade- der Auffindung und Ent- zifferung neuer Urkunden mit einem Ausblick in eine ferne Vergangen- heit Babyloniens geboten, die es jeßt mehr denn je ¡veifcFa rf

r Geschichte und Kultur de e mb

wachsenden L 1 á ernen Ber-

ana

ft erscheinen lassen, ob, wie bisber angenommen, Aegypten dec Nuhm des ältesten Kulturlandes gebührt, oder China, von dem wir allzumenig wissen, oder vielleicht dem 2weistromlande. Denn eig?entlich nur von diesem darf man hinsictlih einer weit zurückliegenden Vergangenheit sprechen, in der es noch kein weltbeherrshendes Babylon gad, wohl aber ein and, das als die SŸöpfung der beiden großen Flüfse, die es au oeschwcmmt hatten, gelten darf, und in dem es vielleiht einige Zei vor Babykon Städte gab, von denen Eridu, Laga\, Scherhil, Lars Zello und Nippo genannt seien. Di: se Kenntnis geht bis zu Wer Jahren des vorigen Jahrhunderts bezw. bis zu den damals zuer bon den Franzosen in Lagash gemachten, großartigen Funden zu:ück. Die meisten anderen der vorstehend genannten Städte find Nipy Eridu teilweise ausgenomtaen noch nicht ausgegraben.

beißen ähnlih2 Bereicherungen unseres Wissens über d

Sumer wie jene Funde, weldhe d:n Franzosen geglüdt fi

âltesien Tatsachen aus den Lagascher Funden besagen, daß

am untersten Lauf von Euphrat und Tigris, in vershicdene König- reie geteilt, die Könige von Tello und Lagash wegen des Gebiets bon Unga, das beiden benahba:t, miteinander Krieg führcn sab, daß

der König von Lagash Eanatum siegreih war und Unga nach dessen Lelagerung jetnem Lande einverleibte. Die mustergültig aus dem AUumerischea überjeßten Schriftstücke enthalten fecner u. a. die Fluch- gmel gegen" Feinde. Jeder dieser kleinen Herrscher fühlte si als Vertreter Gottes und Gott zicht mit ihm gegen seine Feinde q. Von einem großen Ney ist die Nede, mit dem Gott Ellifi oder Marduk die Feinde fängt, und hiermit ist eine Anschauung aukt- gesprochen und ein Bild gebraudt, deren \ich in ganz ähnliher Form „er Prophet Habakuk im ersten Kapitel Vers 15—17 bedient, als sei E diese Darstellung bekannt und geläufig gewesen. Die „Geierstele“, welche diese Inschrift trägt, hat au sonit Bedeutung, weil sie ver- [iedene Menschentypen zeigt : Sumerer und ihre Feinde, die semi- ischen Akkader, die Begründer von Babylon. Auf Grund dieser umerischen Urkunden ist man au zu s{ließen berehtigt, daß r große Gesengeber Vammurabi , dessen Gesetzgebungsmerk fast öu groß ist, um das Werk eines einzelnen zu sein, einen Vorläufer LOabt hat. Er wie ein viel späterer Nachfolger, Asurbanipal, N gen sich als mit sumerishen Vorstellungen und Gedanken erfüllt Su wohlvertraut. Die Frage ist : war vor Hammurabi, der kein d l schon ein Geseg vorhanden ? Von jenem König von Lagasch äb n lprahen vorhanden, dte fast messianischen Vorauss\agunge:r n DR „Sr muß sich in glücklichen Verhältnissen befunden haben und a darauf zu gut, daß in seinem Lande Necht und Geseß berrschen. fauft f indet n) eine Anspielung darauf, daß er ute ein Schaf ge-

" ave, ohne zu zahlen. Seinen Großen empfiehlt er, \tets- mit

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rehtem Gelde zu bezahler, und rühmt sich, Despotenlaunen bei ihnen unmöglih gemacht zu haben. Noch der dritte Nachfolger dicses Königs von Lagash, Gudea (etwa Mitte des 3. Iahrtausends), findet fi in Ab- bildungen und Inschriften vertreten, die von der Eroberung einer Stadt sowie Einrichtung von Tempeln reden und einen flaren, hohen Geist bekunden. Alles hter Gesagte betrifft nur Lagash; es gab aber in Sumer, w!e oben angedeutet, noch andere Städte und Dynastien (alle vermutlih früher oder später uns nah geglückten Auszrabungen noch von fi erzählend), lange bevor bas gegen Norden gelegene Babylon eine führende Nolle zu spytelen begann.

Von der Entstehung und der ältesten Vergangenheit von Bzbylon im Lande Akkad (also, im (Segensaß zu Sumer, dem Sig einer Be- völkerung semt:ischer Herkunft) 1äßt ih zurzeit noch nit all- zuviel und allzu Sicheres fagen. An die Geburt und die Kriegs- wanderungen des sagenhaften Begründers der babylontshen Dynastie, Sargon, knüpfen fih viele Geshiht:-n. Er war angeblih der Sohn eines „Niemand“, eines Mannes von fciner bedeutenden Stellung, und wurde von einem Gärtner erzogen. Alles das, ein-

[chließlid der Wundergeshihte von Sargecns Geburt, gehört aber später erfundener Mythe an. Erst ganz neuerdings hat zuverlässige ges{chichtliche For: ng das gesicherte Datum des Beginns babylonischer Geschichte um 1000 Jahre gegen die bisherige Kenntnis davon zurü- verlegt, und um 3200 v. Chr. das Vorhandensein eines Köntgs Nebuleth nachç-.viesen als des Wiederecbaucrs eines 550 Fahre früher, also um 37509 Ebe von Eónig Nrana!‘ny Nabulak erbauten Tempels. Gegen letztere Ziffer bestehen «einstweilen Bedenken ; vielleicht haben die Gelehrten des Königs Nebuleth einen verzeißlihen MNechenfehler begangen, den aufzuhellen erst Aus- sidt besteht, wenn in die Lücke von 550 Jahren eine entfprehende Unzahl Königsaamen einzufügen möglih sein wird. Bis Nebulet h ist die vorher auch vsrhanden gewesene Lüdke durch eine in Susa gesundene Königsliste ausgefüllt. Die Könige sind alle mit Namen genannt, und aus ber Liste geht u. a. die Tatsache hervor, daß einmal ein Schankwirt König geworden ist wohl der einzige Fall dieser Art, den bisher die Ge‘hichte kennt. Von einer, wenn auch vorübergehenden Borherrscaft der Frauen, wovon die Sage zu berichten weiß, ist aus der Liste nichts zu crseben.

Sehr zahlrei sind die Aufschlüsse, welche in einer Fülle von Darstellungen durch die Funde, namentlich in Nippo, über die religiöse Kultur Sumers vermittelt werden. Man kennt den Namen des Oauptgottes von Nippo Ellisi und zweier Götter Anu und Cnkt, die zueinander im Verhältnis von Vater und Sohn standen. Ein dritter, Eda, wurde hauptsächlich in Eridu verehrt, das am Zu- fammenfluß von Euphrat und Tigris lag. Neben dem Hauptgott und dicsen drei großen Gottheiten, die als Götter der be- wegten Luft und des Sturms teils verehrt, teils gefürchtet waren, wurden ncch Namia, der Mondgott, und Babba, der Erd- gott, verehrt. Nicht erheblih ist, was uns die ältesten Sumer-Funde bisher über das Verhältnis der Sumerer zur Wissenschaft gelehrt haben. Sie scheinen nah gewissen, in Nippo gefundenen Texten mathematisch boch veranlagt gewesen zu sein: doch liegen genauere Nachrichten bisher noch nibt vor. Um so viel wichtiger ers(eint, was uns úber die alte Kunst der Sumerer bercits enthüllt worden ist, deren Werke in ciner Zahl beträhtlich großer Stelen vorliegen. Bei den auf diesen Stelen im Relief dargestellten menschlichen Figuren ist das unrichtige Verhältnis der einzelnen Körper- teile eine übereinstimmende auffällige Ersckeinung. Ja, nach den ersten Funden schien es, als sei die Wiedeigabe mensch{licher Gestalten ohne Kövyfe die Regel gewesen; doch haben die Franzosen, zumeist aus der Zeit des Köntgs Gudea, \cköne Stelen mit vouständiger Wiedergabe der Körper gefunden, und diese ausdruck3- ollen Bilder zetgen cinen fräftigen, chönen Menschenschlag und find zum Teil bewundernswerte tünstlerishe Leistungen für die Mitte des dritten Jahrtaufends vor unserer Zeitrehnung, z. B. eine den König Gudea, vor sih den Plan des neuen Tempelbaues, darstellende Stele. Cine große Nolle unter den Funden spielen die Siegel, unter deren ungeheurer Zahl die Darstellung mythologisher Wesen vor- herrscht. So zweifellos es ist, daß alle diese Funde im Münduncsland der beiden Ströme sumerischen Ursprungs sind, während die baby- lonischen Kursterzeugnisse dem semitishen Stamm der Akkader an- gehören, fo wac es bis vor wenig Jahren doch noch \trittig, wer die große, alte Kultur des Zweistronlandes geschaffen, welhe Nasse den Änstoß gegeben hat. Diese Frage scheint jeßt, wo auch Babylons Alter um 1000 Jahre zurückverlegt ist, zugunsten der Auffassung gelöst, daß beide in Nasse und Spr he, Kultus und L-ben8gewobhnheiten ver- schiedenen Völker zunächst lelbfändig und beiderseitig gefördert dur den Bodenreihtum des von ihnen bewobntea Landes, Kulturen ge- s{affen haben, die mit der Zeit bei dem Nebereinanderwohnen der Völker aufeinander einwirken mußten, ohne daß hierdurch alle Ver- \iedenheiten verwischt wurden, namentlich nicht zuungunsten der fetaercn sumerishen Kultur. Der Rätsel bleiben genug, und ob in weiterer Folge die in ihrem Bau nach Aegypten weisende Spra Sumers, tür deren CGrforshung den Franzosen Inerkennung gebührt, weitere Aufschlüsse bringen wird über die Abkunft der Sumererx, bleibt abzuwarten. Aus den Denkmälern, den bildlichen Darstellungen der Bevölkerung in den Stelen ist nach Eduard Meyers Ansicht kein sicherer Schluß zu ztehen. Daß beide Völker unter der Gunst der tlimatisch-zn und Bodenverhältnisse frühzeitig zu geordneten und ziemli ähnlichen Staatsverbhältnissen und verwandten Göstterfulten gelangen mußten, liegt nahe. Daß die Sumerer ibre männlichen Gottheiten mit Vollbart, die Babylonter die ihrigen bartlos darstellten, ist eine intcressante, gegebenen Falles aber belanglose Einzelverschieden heit. Immerhin versprechen fol&e Einzelbeobahtungen und -Er- mittlungen manche Ankbaltsvunkte. So, wenn nachzuweisen ist, daß die Benennung von Pflug und Hacke in der bebräischen und der ägyp.ischen Sprace dem Babylonischen, oder wenn gewisse Ausdrücke für Gegenstände einer feineren Kultur im Babylonischen dem Sumerischen entncmmen sind. Schmerzlih bleibt es nur, daß Deutschland bci allen diesen über Sumer Licht verbreitenden Ent-

ziemlih unketeiligt geblieben ist. Alle diese glänzenden ven andere Nationen gefunden, und sie chmüdcken die Samm- n Paris, London, Philadelphia und Konstantinopel. An

veifällig aufgerommenen Vortrag {loß si ein kurzer Meinungs austau'’ch, bzi dem Professor Dr. Sobernheim die Hoffnung aus\prach, daß die jeßt im Zuge kefindlihen Freiherr von Oppenheimschen Aus- grabungen in Mefopotamien noch mand§es an diefer Stelle Versäumte nachholen werden.

Die Januarversammlung der „V orderastatischen Gesell- \chaft“ war zugletch deren jährlie (17.) Hauptversammlung mit der Tagesordnung: Nechenschaftsbericht, Kassenbericht sowie Vorschläge und Anträge aus der Versammlung. Die Zahl der Mitglteder eträgt ¿- Z. 489. An Stelle des verstorbenen Professors Dr. Messershmidt wurde Professor Dr. Weber in den Vorstand aufgenommen. Den Vorirag des Abends hielt der Prosessor Dr. &, ‘E. Peiser über „Einige Beziehungen zwischen Orient und Okzident“. Der Vortrag stellte sich die Aufgabe, durh eine Neibe von Lichtbiltern merkwürdige Aehnlickeiten darzulegen, die sich zuweilen an Geräten und Gegenständen des Gebrauches, des Shmuckes, an eigenartigen Waffen, an bildlichen Darstellungen, an kleineren und größeren Skulpturen, an Bauwerken und Bauteilen, an Ornamenten, kurz an allerlci Leistungen der mens{hlihen Hand auf den ersten Blick und in jedem Falle überzeugend ergeben, selbst wenn die Fundorte dur sehr große Entfernungen und die Fund- oder Entstehungszeiten durch Hunderte, selbst Tausende von Fahren voneinander getrennt find. Der Redner glaubt, daß gerade die Vorderafiatishe Gesellschaft, als zwishen Morgenland und Abendland die Verbindungs- lieder und gegenseitigen Beeinflussungen aufsuhend und erklärend, Interesse an Nachweisen der von ihm geführten Art nehmen werde. In der Tat war es sehr überraschend, z. B. Bronzenadeln aus einem ostpreußishen Devotfunde der jüngeren Bronzezeit ganz überein- stimmend zu finden mit solchen Nadeln aus dem Kaukasus, aus einer wenigstens 500 Jahre jüngeren Zeit, oder die bekannten Labyrinthe, au Trojaburgen genannt, in einer Darstellung der betreffenden Anlagen von Wisby auf Gotland ganz übereinstimmend zu erkennen

mit folhen von babylonishen Baumeistern entworfenen Anlagen.

Wie etne kleine Bronzefigur, die in Abbazia gefunden wurde, ibr genaues Gegenstück in Tomsk in Sibirien finden kann, ift seltsam ; weniger auffällig dagegen erscheint és, wenn gewisse eigenartige Frauen- figuren mit ganz dünnen Armen in Tyrus und in Mykene entdeckt wurden. Auch Aehnlichkeiten zwischen ägyptlshen Darstellungen einerseits und assyrischen oder hellenischen andererseits oder einer Stele aus Moab und einer solhen aus Kappadozien sind fo überraschend nit, wie die Vebereinftimmung von Haryunen mit rückwärts gerihteten Zähnen, deren älteste Vorbilder sich in Südfrankreih im Magdalénien finden, alfo 25 000 Jahre vor der Gegenwart datieren, mit ganz ähnli raffiniert gestalteten Angriffswaffen im hohen Norden. Will man nit annebmen, daß der erfinderische Menschengeist, ganz unbecinflußt. von Vorbildern, hier und da auf genau die gleidjen Dinge des Gebrauths, Schmucks 2c. verfallen t, was zuweilen gewiß der Fall war, so bleibt zur Erklärung der großen Anzak[l folher Eigentümlichfeiten, ie Professor Peiser zusammenrgebraht, nur die Annahme, daß im Laufe der Jahrtausende große Wanderungen der Menschen {tatt- gefunden haben, und in dieser Nichtuxg liegt allerdings die Be- gründung der Wichtigkeit der in jedem Falle äußerst interessanten (rmtttlungen und Nachweise.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln. Griechenland.

Die Griechische Regierung hat für die Herkünfte von Odessa etne funftagtge Nuarantáne unter Anrehnung der Reisezeit verfügt.

Verdingungen. Der Zuschlag auf die ten dem Verwaltungsressort der Kaiser -

lihen Werft zu Wilhelmshaven am 15. Januar d. I. ver- dungenen ca. 400 000 kg Marineseife ist wie folgt erteilt worden :

Gegenstand Preis Firma

Kiel,

| 156 900 kg für die N | | | 3950 ko für t, Morft| | / “Dao gs für die Werft) (690.46 für 100g |) | 6. B e | f Minden i. W. | 211 §60 kg für die Werft | |

Wilhelme haven I

(Die näheren Angaben über Verdingungen, die beim „Reih8- und Staatsanzeiger“ ausliegen, fönnen in den Wochentagen in dessen Erpedition während der Dienststunden von 9—3 Uhr eingesehen werden.)

Belgien.

13. Februar 1913, Mittags. Hôtel de ville tn Lütti h: Lieferung von Froebelschen Unterrihtsgegenständen für die städtishen Kinder- gârten. Bedingungen vom Stadtsekretariat.

21. Februar 1913, 11 Uhr. Direction des ponts et chaussées in Brüssel, Boulevard du Négent 52: Lieferung der Einrichtungen für die Speisung der elektrishen Anlagen des Königlichen Schlofses in Laeken und der dazu gehörigen Gebäude. 2 Lofe. Gesamtsicher- heitsleistung 11 700 Fr. Lastenheft Nr. 3 (Preis 1,60 Fr.) und Pläne (Preis 18,30 Fr.) vom Bureau des adjudications in Brüffel, Rue des Augustins 15, zu beziehen. Eingeschriebene Angebote zum 17. Februar.

24. Februar 1913, 5 Uhr. Hospices civils in Charleroi: Weferung von Heilmitteln. Bedingungen vom Secrétariat des Hospices cixvils.

Niederlande.

19. Februar 1913, 14 Uhr. Königlich Niederländisces Kolonial- ministerium im Haag, in einem der Räume des Maatschappyvy tob Nut van ‘tAlgemeen tin Amsterdam: Lieferung nach- stehender Gegenslände in 58 Abteilungen: 1) 10000 m unge- bleihte Baumwolle, 2) 20000 m gebleihte Baumwolle, 9) 20000 m gebleihte Baumwolle, 4) 12200 m \chwarze Futterbaumwolle, 5) 20000 m baumwollenen Käperstoff, 6) 20 000 m baumwollenen Käperstoff, 7) 25000 m Gardinenstoff, 9) 25 000 m Gardinenstoff, 9) 25 000 Badehandtücher, 10) 3000 wollene Decken, 11) 15000 kg Güßkupfer, 12) Messing, 13) 7800 kg Kupfer, 14) Kupfer und Messing, 15) 150 kg Kupfer, 16) 300 kg fupferne Röhren, [7) 43200 kg Zink, 18) 2000 kg Binkdrabt, 19) 10000 kg Blei, 20) 1300 kg Phosphorztnn,

21) 1000 kg Weißmetall, 22) 750 kg verzinkte Eisengaze, 23) Geräte, 24) 20 Stechmeißel, 21 Feilenbürsten und 90 Spithacken, 25) 50 guß- tählerne Ziffernshlagstempel, 26) 315 Gros Holzschrauben, 27) 90 Peik- glaë\{chütßer, 28) 6000 Blätter Schwirgelpapier und 500 Blätter Schmirgelleinwand, 29) Verschiedene Schleifjteine, 30) Verschiedene Schnallen, Haken und Oefen, 31) Verschiedene Sorten Knöpfe aus Beinknochen, 32) Verschiedene Sorten Uniform- TInôpfe, 33) 100 Rettungsbojen, 34) 600 m imitiertes Leder, 99) 1750 m Gurtband, 36) 1960 m Borte, 37) verschiedene Sorten Garn und Schnüre, 38) 5000 m Tau, 39) 100 kg Fladhs, 40) 1295 kg Lampendohte, 41) 1600 Schwammtücher, 42) ver- \chiedenes Papier, 43) 200 1 reinen Alkohol, 44) 20000 kg ge- fohtes und 19000 kg robes Leinöl, 45) 11 700 kg Erzzink- weiß, 46) 500 kg Bleiweiß, 47) 500 ke Bleimennige, 48) 2700 kg englisch Braun und 2700 kg Totenkopffarbe, 49) 3000 kg bhelVles Chromgelb, 50) 750 kg Stella, 51) 8000 kg Paraffinfirnis, 52) 3000 ko Salmiak, 93) 3500 kg Kupfersulphat, 94) 10000 kg Kaolin, 55) 40000 feuerfester Zement,

TTZ 4

96) 37 910 kg Karbolfäure, 57) 540 kg gelbe Seife, 58) 4000 kg Siegellack. Die Bestecke find für 0,20 Fl. für jedes Beste sowohl bei der Firma Gebr. van Cleef im Haag als auch auf mündlichen Antrag bei dem Kolonialetablissement in Amsterdam erbältlid.

Norwegen.

Norwegische Staatsbahnen in Christiania: 22. Februar 1913, 10 Uhr. Lieferung von 650 Achsen mit Nädern. Versiegelte Angebote mit der Aufschrift „Hjul“ werden im Expeditionsbureau der Eifsen- bahnverwaltung in Kristiania, Jernbanetorvet 3/9, entgegengenommen. Zeichnungen und Bedingungen im Bureau des Direktors der Maschinenabteilung, ebendaselbst, beim „Reichsanzeiger“ und in der Redaktion der „Nachrichten für Handel, Industrie und Landwirtschaft“ im Reichsamt des Innern. i

28. Februar 1913, 3 Uhr. Lieferung von § Stationsuhren. Ver- stegelte Angebote mit der Aufschrift nAnbud paa leveranse av stationsure“ werden im Grpeditionsbureau der Eisenbahnverwaltung entgegengenommen. Bedingungen im Bureau des Direktors der Verkehrsabteilung, ebendaselbst, beim „Neichsanzeiger“ und in der Nedaktion der „Nachrichten für Handel, Industrie und Landwirtschaft“ im Reichsamt des Innern. Vertreter in Norwegen notwendig.

Theater und Mufik. Deut sches Theater.

Von den Bühnenwerken, die in Leo Tolstois dichterishem Nachlaß gefunden wurden, lernte man bereits das tiefgreifende Be- kenntnisdrama „Und das Licht \{einet in der E im Kleinen Theater kennen. Gestern folgte die Retnhardtbühne mit dem Drama e Der lebende Leichnam“, das vor etwa einem Jahrzehnt ent- standen, von setnem Urheber aber ebenso wie das erstgenannte nit der Oeffentlichkeit übergeben wurde. Tolstois Abkehr von der Bühne und von der Kunst überhaupt erklärt das zur Genüge, erklärt es aber au, daß er diese lose Szenenfolge, in der #{ch