1913 / 38 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 12 Feb 1913 18:00:01 GMT) scan diff

Abz. Freiherc voy Steinaecker (Zentr.): Der Ausbau der Wafßjerstraßen ist von großer militärischer Bedeutung. Das hat {hon Generalfeldmarshall Graf Moltke por Fahren anerkannt. Wenn wir im Westea unseres Vaterlandes im Krieg8sfall Truppen aufmarschieren lassen müssen, so werden niht uur große Transporte von Menschen, sondern auch von Munition und erpflegung not- wendig werden. Wenn Sie sich die Karte vornehmen, dann werden Ste finden, daß troir in bezug auf den Ausbau unserer Verkehrswege an dèr Grenze unseres Vaterlandes weit zurückstehen hinter Frankreich. Aber nun hat uns die Natur Wasserstraßen gegeben, die gerade von den großen Städten des Rheins, also von den Zentren der Ver- pflegung aus den Aufmarsh durch Lothringen ermöglihen. Warum nußen wir diefe natürlihen Wasserstraßen nicht aus? Für Truppen- transporte kommen allerdings die Wasserwege niht in Betracht, weil der Transport auf dem Wasser zu lange dauert. Aber wenn Ver- pflegung und Munition nahge\schaft werden muß, dann sind die Wasserwege ganz besonders dazu geeignet. Wir können an ver- schiedenen Stellen der Wasserwege erpflegungsdepots errichten, von denen aus mittels Kraftwagen die Munition und Verpflegung nah den Verbrauchsstellen gebracht werden fönnen. Im Jahre 1870/71 sind große Störungen in bezug auf die Truppenverpflegung entstanden. Allerdings lag die Schuld zum Teil an Dispositionsfehlern, die beute niht mehr vorkommen werden. Troßdem befürchte ih, daß im Einstfalle wieder große Schwierigkeiten entstehen können, wenn wir niht durch den Ausbau unserer Wasserstraßen rechtzeitig vorbeugen. Wir müssen auch daran denken, daß wir vielleiht uns im Kriegsfalle zurückziehen und die Vorräte an Munition und Berpflegung zurück- shaffèn müssen, damit sie dem Feind nit in die Hände fallen. Das alles spricht dafür, daß die militärischen Gesichtspunkte bedeutend ins Gewicht fallen. Durch die Kanalisierung der Mosel und Saar würden wir unsere Stärke gegenüber Frankreich ganz erheblich fördern. Ich glaube deshalb, daß die Kanalisierung der Mosel und Saar ein- mal Tommen muß.

Abg. Dr. Nöchlin g (nl.): Durch die Ankündigung der Tarifer- mäßigungen seitens des Ministers ist keineswegs eine Beunruhigung eingetreten, wie der Minister behauptet hat. Im Mosel- und Saar- gebiet hält vielmehr die Beunruhigung darüber an, daß die berechtigten Wünsche nach der Kanalisierung der Mosel und Saar noch nicht er- füllt worden sind. Wir Deutsche im Westen unseres Vaterlandes haben denselben Anspruch auf das Wohlwollen der MNegierung und auf die Berücksichtigung unserer industriellen Interessen wie der Nordwesten und Oberschlesien. Jh habe bereits in der Budget- kommission ausgeführt, daß die auf die Tarifermäßigung ge- seßten Hoffnungen der Industrie niht in Erfüllung gegangen find. Der Güterverkehr im rheinischen Industriegebiet hat fich in den legten vier Jahren annähernd um 100% gesteigert, was wir sonst nirgends beobachtet haben, höchstens vielleiht in Amerika. Allem Anschein nah wird der Verkehr sich noch ganz bedeutend steigern. Troßdem bei den Verhandlungen über die Verkehrs- störungen der leßten. Jahre sih ergeben hat, daß alle Pacteien des Hauses mit Ausnahme der Konservativen davon überzeugt sind, daß wir in der Ausgestaltung unseres Verkehrswesens uns nicht auf den Ausbau der Eisenbahn beshränken müssen, sondern auch die Wasserstraßen ausbauen müssen, hält die Negierung die Kanalisierung der Mosel und Saar für unzeitgemäß. Ich halte es für ‘durhaus unmöglich, den gesteigerten Verkehr unter Unterdrückung der Mosel- und Saarkanalisierung nur auf dem Wege der Cisenbahn zu bewältigen. Man darf auch deshalb nicht die Kanalisierung der Mosel und Saar verhindern, wetl man etwa be- fürchtet, daß Westfalen unter dieser Konkurrenz leidet. Jm Interesse unseres Ausfuhrverkehrs aus dem rheinishen Industriegebiet, der namentlich in bezug auf Koks ganz gewaltig gestiegen ist, hoffe ih, daß die Budgetkommission dieses Hauses in die Lage kommt, aus eigener Anschauung die Notwendigkeit der Mosel- und Saarkanalisierung zu erkennen. Es gibt Kreise, welche der Ansicht sind, daß der Mintster eine persönlihe Voreingenommenheit gegen den Südwesten unseres Vaterlandes hat. Jch teile diese Auffassung nicht. Aber, da ich die Tatsache nicht widerlegen kann, daß der Minister die natürl!chste und einfahste Lösung der Verkehrs\hwierigkeiten als unzeitgemäß ablehnt, “muß i sagen, daß er voc lauter Bäumen den Wald nicht sieht. Ich bedaure, daß gerade ein so hervorragender Eisenbahnminister, wie Minister von Breitenbahh, wenig geneigt ist, unseren berechtigten Wünschen nahzukommen. Handelt es sih doch um einen neuen Wasser- weg von großer politischer Bedeutung, der einen gewaltigen Verkelrs- fortschritt darstellt. Es scheint mir daher vielleicht d-ch wünschens- wert, ein selbständiges Bautenministeriuum zu schaffen. Wir teilen nicht die Auffassung des Kolleaen Schwabach, daß der Bautenminister gegenüber dem Eisenbahnminitter einflußlos sein follte Wir haben ja gesehen, daß der Einfluß des Nessortministers wechselt nach der Persönlichkeit, welhe an der Spitze steht. Es kommt nicht auf das Portefeuille an, sondern auf die Perfönlth- keit des Trâägers. Ein genialer Bautenminister würde s\icher- lich als erste Tat die Kanalisierung der Mosel und Saar fördern.

Gie Dr. Graf von Sh werin kommt auf die Frage zurü, ob dem Wunsche der Budgetlkommiision, am Mittwoch die Pslenarsißung ausfallen zu laßen, stattgegeben werden soll, und stellt die Frage zur Entscheidung des Hauses.

Abg. von Arnim (kons.): Meine Gründe, die i gestern für den Wunsch der Budgetkommission angeführt habe, haben sich inzwischen no verstärkt. Ich richte daber an den Präsidenten und an das Haus die Bitte, den Mittwoch für das Plenum freizulafsen.

Abg. von Pappenheim (konf.) spricht ih dafür aus, daß der nächste Montag sißungsfrei bleiben solle.

Abg. Dr. Dittrich (Zentr.) erklärt sich dafür, den Mittwoch frei zu lassen, und weist auf die Möglichkeit der Abendsizungen hin.

Abg. Dr. S chroe der - Cassel (nl.) tritt ebenfalls dem Vorschlag des Abg. von Arnim bei und äußert außecdem den Wunsch, daß {on läugere Zeit vorher festgestellt wecden möge, welche Tage für das Plenum 1rei blieben.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fceikons.) M fich dem Vorredner durchweg an.

Abg. Hoffmann (Soz.): Wir sind in der Budgetkommission niht vertreten; wir möchten au kleine Sachen lieber dort vorbringen, statt daß wir das Plenum damit bebelligen müssen. Wenn wir auch nicht in der Konimission sißen, müssen wic toh anerkennen, daß sie fehr fleißig gearbeitet hat, und daß threr Bitte Folge gegeben werden muß. Man soll nit an die Arbeitskraft ihrer Mitglieder übermenshliche Anforderungen stellen; das Plenum kamn ja ein paar Tage länger zusammenbleiben.

Der Präsident hält tafür, daß. wenn der Mitiwoch frei- gegeben werde, ‘der Kommission dann hochstens noch 2 freie Tage für die Erledigung tes Cisenbahn- und des Kultusetats zugestanden werden könnten, weil es sonst auësgeshlofen wäre, den Etat fo zu fôrdern, daß er rechtzeitig an das Herrenhaus gelangt.

Gegen den Vorschlag, den Mittwoh \izungsfrei zu lassen, stimmen nur mit dem Abg. von Pappenheim etwa 20 Konservative und von der Linken allein der Abg. Dr. Flesch (fortshr. Volksp.). : i

__ Hierauf wird die vorher unterbrochene Diskussion wieder aufgenommen.

Abg. Schreiner - Trier (Zentr ): Die ganze Frage der Saar- und Moselkanalisierung ist biéher immer nur vom Stantpunkt der Ciscnbahnverwaltung und der Eisenindustrie erörtert worden: die In- teressen der Allgemeinheit im Mosel- und Saartale hat feiner er- wähnt. In den Kreisen der Allgemeinheit aber greift immer weiter eine starke Unzufriedenheit um si, namentli seitdem ber Wagen- mangel große Bedenken gegen die Richtigkeit der Stellungnahme der Hécierung hervorgerufen hat. Ich verweise speziell auf die Aeuße- rungen der Handelskammern Koblenz und Trier, die ein Fortschreiten d's wirtschaf!lickchen Nieterganges für größere Teile des Saargebiets b fürhten, wenn die Vorteile der großen Wasserstraße ihnen weiter vocenthalten würden. Die Frahtermäßigung fann wirkli nur als

cine Ctappe auf ‘dem Wege zur Kanalisierung angesehen werten.

Dieses Projekt hat eine so große wirtschaftliche, politishe und nationale Bedeutung, daß es doch nit nur deshalb unausgeführt bleiben kann, weil einige Interessenten sich über die davon zu erwartenden Vorteile nicht einigen können. Die Hauptshuld daran, daß die Angelegenheit niht vorwärts gekommen iiît, trägt das unsihhere und \{wankende Verhalten der Regterung. Früher hieß es, das finanzielle Interesse sei zwar nicht aus\laggebead, der Ausfall an Eisenbahneinnahmen spiele aber doch wesentlich mit. Später hieß es im Meichstage bei der Beratung der Schiffabrtsabgaben, der finanzielle Gesichts- punkt sei in keiner Weise aués{hlaggebend; 1911 fptelte er dann aber wieder eine sehr erhebliche Nolle. Aehnlich erging es bei der Frage der wirtschaftlichen Konsequenzen. Die Negierung erklärte, fie fönne das niht übersehen; später hat ter Unter- staatssekretär ganz leise die Möglichkeit der Vorlegung einer Denkschrift angedeutet. Auch in den übrigen hier in Betracht kom- menden Fragen hat die Auffassung der Regierung mehrfach gewechselt. Die Notwendigkeit des Kanals für die wirtschaftlihe Hebung dieser Gegend ift oft genug hervorg:hoben worden. Jn gleiher Richtung bewegen fich dus die Ausführungen der dortigen Handelskammern. Den Schaden, den das Mosel- und Saargebiet durch den Rhetn— Hannover-Kanal erleiden wird, hat ja selbst der Abg. von Zedliß zu- gestanden. Ich bitte deshalb, daß der Minister eine Ent'cheidung A unbestimmte Zeit, sondern höchstens auf ein Jahr hinaus- iebt.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenba ch:

Meine Herren! Vier Redner dieses hoben Hauses haben ih heute einmütig für die Kanalisi-rung der Mosel ausgesprochen, zum Teil unter \{arfer Kritik des Verhaltens der Staatsregierung. Ich hoffe, troß dieser Einmütigkeit, daß das Haus in seiner überwwtegenden Mehrheit den Standpunkt, den die Königliche Staatsregierung in der Frage der Kanalisierung der Mosel und Saar bisher einge- nommen hat, billigt. Jch darf feststellen, daß die Auffassungen der Staatsregierung in dieser Frage völlig unverändert sind, daß sie es aus den bekannten Gründen, die ih heute niht zu wiederholen brauche, zurzeit niht für angezeigt erahtet, an die Kanalisierung von Mosel und Saar heranzutreten. (Sehr rihtig! im Zentrum.) Aber sie hat schwerwiegende Schritte in Vorbereitung, die als ein Ausgleich etwaiger Schädigungen angesehen werden können, die das südwestliche Revier von der Jubetriebnahme des Nhein—Hannoverkanals für sich erwartet, einmal eine umfassende Tarifermäßigung für Erze und Koks und zweitens das Anerkenntnis, welches Sie in dem neuen Anleihegesetz von 1913 betätigt sehen werden, daß die Staatsregierung verpflichtet ist, unter allen Umständen für den Schwerverkehr zwishen Saar, Mosel und Ruhr für die ordnungsmäßige Abfuhr der Güter im Wasser- verkehr dieses bedeutsamen Jndustriegebiets Sorge zu tragen.

Wenn ich leßtere Frage vorwegnehme, so bemerke ih im An- {luß an eine Aeußerung des Herrn Abg. Nöchling, der meinte, es gehörte ein außerordentlißer Mut des Ministers der öffentlichen Arbeiten dazu, angesichts der {weren Verkehrsstörungen im Herbst dieses Jahres anzunehmen, daß die Staatseisenbahnen in der Lage wären, einem so gewaltig sich entwickelnden Verkehr wie diesen Wecselverkehr auf den Staatseisenbahnen Rechnung zu tragen. Diesen Mut besißge ich und bin fest überzeugt, daß, wenn wir den Ausbau des Staatseisenbahnnetzes, wie er geplant ift, {nell durchführen, wtr allen Ansprüchen des Verkehrs werden genügen können, auch desjenigen Verkehrs, der sich zwishen der Ruhr und dem südwestlihen Eisenrevtier abspielen wird. Ich habe fon öster darauf hingewiesen, daß die Staatsregierung gewisser- maßen eine moralische Verpflichtung empfindet, dem Südwesten durh die erwähnte Tarifermäßigung einen Ausgleih zu gewähren, und in Verfolg dieser Anschauung habe ih auch dem Landeseisen- bahnrat eine Vorlage gemaŸht wegen Ermäßigung der Erze- und Kokstarife zwischen den beiden in Frage kommenden Nevieren. Es handelt sich um einen starken tarifarishen Eingriff. Jch will auf die Saßbildung und dasjenige, was im Tarif gewährt ift, gelegentlich der Verhandlung des Etats der allgemeinen Bauverwaltung nicht eingehen. Abec daß es sich um großes handeltt, mögen Ste daraus erkennen, daß der geshäßte Ausfall allein in diesen beiden großen Verkehrsrelationen für Erze und Koks unter Zugrundelegung des vor- ausfihtlihen Verkchrs des Jahres 1914 sich auf annähernd 8 bis 9 Milltonen beziffern wird.

Herr Abg. Nöthling der öffentlißen Arbeiten

kann der Minister es verantworten, einen. fo starken Eingriff in die Tarife in Ausficht zu nehmen, wie kann er es angesihts der Gleihmäßigkeit unseres Tarif- systems rechtfertigen? Da darf i erwidern, es ist in Aussicht genommen, die Rückwirkungen, die ih aus dieser weitgehenden Tarif- ermäßigung im Ruhr-Moselverkehr ergeben, zu berücksidtigen, auch im Verk:hr anderer Industriereviere und Industriezentren. (Abg. Graf von Kant: Sehr rihtig !) Wir sind heute auch darüber informiert, welche Lasten daraus der Staatskasse erwadhsen werden. (Abgeordneter Graf von Kaniß: 20 Millionen!) 20 Millionen sind es nit, Herr Abg. Dr. Röchling. Sie schießen damit wett über daëjenige hinaus, was wir beabsichtigen. (Heiterkeit und Zurufe.) Aber wenn es au nur 13 oder 14 Millionen wären, in toio eingecechnet dasjenige, was der Saar und der Mosel gewährt ist, so kann ih von meinem Standpunkte gus diese Tarifermäßigung nur begrüßen, weil ih es für gerechtfertigt halte, daß für Erze und Koks zum Hochofenbetrieb die Tarife herabgeseßt werden. Wir können dieses au angesihts der ungewöhnlichen Entwicklung unserer Eisen- industrie, angesichts der außerordentli steigenden Roheisenerzeugung und angesichts der aus den großen Transporten für diese Zwecke uns zufliegenden Einnahmen wohl rechtfertigen.

Der Laadeseisenbahnrat hat die Frage der Tarifermäßigung zwischen Ruhr und Mosel eingehend erwogen, und eine beträhtlihe Majorität des Landeseisenbahnrats hat diese von der Staatsregierung in Ausficht ge- nommene Lösung als durhaus zweckmäßig anerkannt. Es steht für mih außer Zweifel, daß ih dem Votum des Landeseisenbahnrats folgen werde. Es wird also Mitte des Jahres 1914 mit der Inbetrtiebnahme des Nhein- Herne-Kanals dlese Zarifermäßigung zur Durchführung gelangen, ebznso die Tarifermäßigungen, die ich als Folge und Nückwirkung dieser Ermäßigung vorhin gekennzeichnet habe.

Nun meinte der Herr Abz. Dr. Glaltfelter und der Herr Abg. Dr. Nöchling {loß sich ihm an —, das wäre eine Abschlags- zahlung; der Herr Abg. Dr. Glattfelter bezeichnete es als eine Vor- speise. Jh kann diesen Vergleich akzeptieren. Es ist aber cine Vor- speise, die außerordentlich gut mundet, vielleiht so gut mundet, daß naher für das weitere, was folgt, der Appetit vergeht. (Heiterkeit Aba. von Pappenheim: Hoffentlich!) Ich möchte an den Herrn Abg. Dr. Röchling die Frage rihten und bitte ihn, _sich bei der Großindustrie- h der Saar und in Lothringen darüber zu informieren,

fragte: wie

welches Privatunternehmen nach der Durchführung dieser

fassenden Tarifermäßigungen noch ten Mut baben würde, die M : und die Saar auf eigene Kosten zu finanzieren und zu fanalifag Ich bin auch im Gegensaß zu der Auffassung der Herren Ah Dr. Röchling und Dr. Glattfelter der Meinung, daß das, was E Staat hier großherzig bietet, im allgemeinen allseitige Zustimmun, findet, und daß gerade die Eisenindustrie und alle diejenigen, die bint ihr stehen, in Lothringen, an der Saar und in Luxemburg, mit diesen Angebote des Staats äußerst zufrieden sind. x

Der Herr Abg. Dr. Glattfelter und es war mir sehr interessant

das aus seinem Munde zu hören erkannte ohne weiteres an, dai f

die Kanaltisierung der Mosel und der Saar dem Saargebiete bie geringere Vorteile böôte als Lothringen oder Luxemburg. Nach unseren sorgfältigen Berechnungen trifft dies zu. Aber die Vorteile, die dag Saargebiet aus der Tarifermäßigung zieht, sind erheblih größer alz diejenigen, die es aus der Kanalisierung hätte ziehen können. (Abg von Pappenheim: Sehr richtig!) Das \oll das Saargebiet nit ver: gessen. Es trifft eben das ein, was bei jeder Gifenbahntarifermäßiquy eintritt: die Wobltaten der Tarifermäßigung werden allen Interessenten gleihmäßig zugeführt. Das gilt für das Saargebiet; das gilt für Elsaß-Lothringen; das gilt für das Nuhrgebiet. Wir baber ziffernmäßig festgestellt, daß an der Saar große Werke, beispielswei die Neunkirhener Werke, von der Saarkanalisierung und der Mos kanalisierung kaum einen Vorteil bätten. Schon hieraus ist es erklärlif daß in früheren Zeitläuften elnflußreihe Männer aus dem Saarreth sich gegen die Kanalisierung der Saar ausgesprohen haben. Wir wisse, daß die Kanaliesierung von Mosel und Saar im Zusammenhange nj der Erbauung des Nhein-Herne- Kanals einem großen Teil des östliden Nuhrreviers nur ganz mäßige oder gar keine Vorteile zuwenden würde, Beispielsweise hätten die Werke bei Aplerbeck und bei Haspe kum eine Frahtermäßigung erzielt, und bet der jeßigen Negelung werdey sie völlig gleihmäßig bedaht. Jeder im Nuhrrevier, im Saarrebier, in Lothringen und Luxemburg bekommt dasselbe. Ih meine, das sn so evidente Vorteile, daß man si doch sehr hüten sollte, auszuspreden, es handle fich hier um eine Abschlagszahlung.

Die Industrie an der Saar wäre ein Gläubiger des Stag hat der Herr Abg. Dr. Nöchling gesagt. Jch bekenne mi nit ali etnen Schuldner der Industrie, aber ih meine, wir erfüllen hier ay freien Stücken eine moralishe Verpflichtung, die der Herr Abg. Dr, Nöchling und alle, die hinter ihm stehen, voll anerkennen sollten.

Der Herr Abg. Freiherr von Steinaecker hat auf die Bedeutung de Moselkanalisierung im Interesse der Landesverteidigung hingewiesen, und ih bin sicher der leßte, der diese Interessen unterschäßt. Wem mein sehr verehrter Herr Amtsvorgänger von Budde, bevor er da Ministerium der öffentlichen Arbeiten übernahm, die große Bedeutun des Transporis für die Versorgung der Armee und des Transport von Kranken und Verwundeten hier anshaulich geschildert hat, glaube ih, daß dem beigepflidtet werden kann. Aber, metne Herre, das muß doch gegenüber dieser Frage durchaus in zweiter Linie steben, Welche Gründe sind es denn, die die Staatsregierung veranlassen, sich gegen die Kanalisierung der Mosel zu wenden? Es find gan überwiegend wirtschaftlihe Bedenken (Abg. von Pappenheim : Seh richtig !), fie stehen in erster Reihe, und ich kann keinesfalls an erkennen, daß sich in diesen Auffassungen der Staatsregierung irger welchWe Schwankungen und Schwenkungen vollzogen haben. Es | immer gleichmäßig betont worden, daß die wkrtshaftlihen Moment, die die Staatsregierung bedenklich machen gegen die Kanalisierun von Mosel und Saar, für sie an erster Stelle stehen, daß aber ga selbstverständlih die finanziellen Einwirkungen doch mit gewürdigt

werden müßten, und diese finanziellen Einwirkungen kann man nidt i

beiseite shieben. Wenn die Kanalisierung eines solchen Flußsystent elnen rechnung8mäßigen Yeineinnahmeausfall von 32 Millionen pt Jahr den Staatseisenbahnen verursacht, so muß da gewürdigt werden. C3 wäre eine {were Unterlassungssünde des verantwortlidien Ministers, wenn er diese Wirkung nicht in dke rihtige Beleuchtung seßte. (Sehr richtig!)

Meine Herren, ih verstehe ja durchaus den Wuns derjenigen, die sich im Milieu der Saar- und Moselinteressen befinden, wenn sie noch mehr verlangen, als ihnen geboten wird. Das ist das gute Recht jedes, und vielleicht tut es jeder in seinen Verhältnissen. Aber ih meine, man könnte doch mehr Gerechtigkeit verlangen, man könnte doch verlangen, daß die Anhänger der Meoselkanalisierung würdigen, was der Staat aus freien Stücken großherzig bietet, und {ließli doh zu Lasten aller derer, die im Lande die St-uern zahlen.

Wenn der Herr Abgeordnete Freiherr von Steinaecker meinte, die Kanalisierung der Mosel wäre unter dem Gesichtspunkt de! Landesvertcidigung wertvoll, die Fortentwicklung unseres Etsenbahn neßes auf der linken Rhetnseite aus Gründen der Landesverteidigul zeigte Lücken, so bitte ih Sie, festzustellen, in welchem Umfange | den leßten anderthalb Jahrzehnten Rheinbrüken und - neue Lini gebaut worden sind. Wenn er si dieses Bild vergegenwärtigt, dal wird er diesen Einwand nicht aufr-cht erhalten wollen; denn dab! können Sie überzeugt sein, meine Herren, daß die Rücksichten ai die Verteidigung des Vaterlandes au für den Minister der öffen lien Arbeiten immer an erster Stelle stehen. (Beifall rets.)

Präsident Dr. Graf von Schwerin: Ih möthte dd Haus darauf aufmerksam machen, daß zu diesem Titel allein sich nod 20 Nedner zum Wort gemeldet haben. Ich bitte daher, daß sie einzel sich nach Möglichkeit mit ihren Ausführungen einshränken.

„Abg. Dr. Dahlem (Zentr.): Bei der Regulierung t Wasserstraßen des Rheins und setner Nebenflüsse sollte mg auch die Kanalisierung der Lahn niht aus dem Auge lassen. B Beschwerden über die Nauchbelästigung nehmen von Tag Tag zu. Es wäre erwünscht, wenn der Oberpräsident der Rhei provinz auf die Needereien dahin einwirkt, hier Wandel zu saft Auch sollte der Oberpräsident seinen Einfluß bei den Needereien dahin geltend mahzn, daß sie wenigstens für gewisse Sonn- und Fell“ N Betrieb einstellen, sodaß das Personal eine Sonntagsruhe erhält.

Unterstaatssekretär Dr. Freiherr von Coels von der Brügs Den Der Minister wendet der Frage der Nauchverbrennung bei Lokomotib(! und Schiffen stete Aufmerksamkeit zu, um die Nauchbelästigunß möalihst zu verhüten. Die hier angeregte Frage gehört aber in dds Ressort des Ministers des Innern.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

zum Deutschen Neihsanzeiger und Königli

M 38.

Er.

Zweite Beilage

Berlin, Mittwoch, den 12. Februar

ch Preußishen Staatsanzeiger.

90S

mama

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Abg. Baeredcke (konf.): Die Kanalifierung der Nogat ist eine zwingende Notwendigkeit geworden. Den verschiedenen Vorteilen gegenüber, die daraus entstehen, spielen gar keine olle die kleinen Stórungen, die fi aus tein Aufenthalt an den Schleusen und der Serlangsamung der Fahrt, endlich auch aus der Erhöhung der fanalgebühren ergeben, weil demgegenüber die Verkürzung der Fahrt, die Sicherung von Schiff und Ladung viel wichtiger ist. Diese Wasserstraße ist in ihrer jeßigen Gestaltung für den Verkehr völlig unzureichend, fie hat so viele Krümmungen, und ist fo wenig tief, daß alle Augenblicke Störungen eintreten. Wir hoffen, daß die Kanalisierung eine erheblihe Erhöhung des Verkehrs zur Folge hat, und daß besonders der Holzhandel, der in dieser Gegend früher außer- ortentlih groß war, wieder neu emporblüht. Ueber das Projekt selbst möchte ih heute noch niht sprehen. Jch meine aber, daß der Zweischiffsverkehr doch entschieden dem Etn- hiffsverkehr vorzuziehen is, und ich möhte daher dieses Projekt ganz besonders dem Wohlwollen des Ministers empfehlen. Als vor einigen Jahren das Projekt der Kanalisierung der Nogat verhandelt wurde, hat man sein Verwundern darüber auêgedrückt, daß die Elbinger keinen Zus{uß dazu aeben wollten. Die Stadt Elbîng aber hatte, solange die Nogat \{ifbar war, etne außerordentliche Handelsbedeutung, und fie empfindet es jeßt, wenn hier Wandel geschaffen wird, nicht als eine Wohltat, sondern als eine Ehrenpfliht des Stagtes.

UInterstaatsfefretär Dr. Freiherr von Coels von der Brü gghen: Das Projekt der Kanalifierung der Nogat wird einer eingehenden Prüfung zu unterziehen sein. Jch kaun es nicht ohne weiteres aner- kennen, daß es eine Chrenpfliht des Staates ist, hier aus eigener Initiative einzugreifen. Vorteil wird do dadur in erster Unte die Stadt Elbing haben, und es wird daher die Ausführung dieses Pro- jekts i der Hauptsache von einer Beteiligung dieser Stadt abhängig zu machen sein.

Abg. Klau sener (Zentr.): Das Projekt des Nhein-Maas-Kanals, das son von Friedrih. dem Großen geplant wurde, ist für unser Wirtschaftsleben von eminenter Bedeutung. Es würde dadur eine neue internationale Verkehrs\traße geschaffen werden. Auch die Eisen- bahn würde dann erbeblich entlastet werden, denn auf die Dauer kann sie eine derartige Ueberlastung nit ertragen. Schwierigkeiten bei der Ausführung dieses Projekts ergeben sih nur bezüglih der éFrage der Beteiligung von Holland und Belgien. JIch bitte den Minister, daß er dieses Projekt ciner eingehenden Prüfung unterziehtr. Wenn auch der Verkehr von Rotterdam und Amsterdam gehoben würde, fo würde doch ebenso, wle die Regierung anerkannt hat, unser in- ländisGer Verkehr gewinnen. Der Kanal vom Rhein zur Maas und Schelde würde den. Verkehr verbilligen, und die Herstellung würde au billig sein. Die Eisenbahnen reichen nun einmal für den Ver- tehr nit mehr aus. Ich bitte also die Negterung dringend, dieses Projekt zu prüfen, und- ih hoffe, daß sie zu einem günstigen Resultat fommen wird.

Unterstaatssekretär Dr. Freiherr von Coels von der Br ügghen: Die Haupttnteressen an dieser Kanalverbindung liegen nicht in unserem Lande, sondern auf holländishem und belgishem Gebiete.

__ Abg. Wulfert-Meyer (kons.): Dur den Rhein-Weser- Kanal wird in meinem Wahlkreise (Berfenbrück-Wittlage) tnfolge der Unterführung der dortigen Flüsse und Bäche unter den Kanal den Grundbesißzern das Wasser, das sie zur Berieselung brauchen, ent- iogen, wodurch die Meltorationen unterbunden werden. Auch bei dem Muptfluß, der Haase, die wasserwirtschaftlih zur Berieselung von Orünlandêflächen in einer Ausdehnung ausgenußt wird, wie wohl an liner anderen Stelle im Staate, \heint die Deffnung des Düders ¡u klein zu sein, sodaß {were Schädigungen sich entwickeln werden. Der Wasserstand der Haase ist in den verschiedenen Jahreszeiten außerordentli verschieden, und die Sachverständigen, die nicht lokal- lundig sind, können das übersehen haben. Die dortigen Meliorations- genofsenshaften haben, ebenso wle einzelne Besitzer, mehrere tausend Hektar als Rieselwiesen ausgebaut ; die oberhalb des Kanals liegenden Grundbesißer können infolge des engen Dückers durch Neberflutungen geschädigt werden, während die unterhalb liegenden Nieselwiesen auf das wenige Wasser angewiesen find. Gegen die Planfestsezung ionnten seinerzeit Einwendungen nicht erboben werden, weil die Größe der Dücker nicht bekannt war. Ich bitte, die Verhältnisse unter Vinzuziehung von praktischen, lokalkundigen Landwirten no zmals zu prüfen. Ferner siud- die NRampensteigungen bei den Kanalbrücken fo bemessen, daß der. Verkehr für alle Zeiten erschwert wird.

_Ein Negierungskommissar führt aus, daß genügend Wasser für Meliorationszwece zur Verfügung stehe. Die Meliorations- baub-amten und die Wassergenossenschaften hätten einmütig zufammen- gearbeitet, und übrigens empfehle es ih im allgemeinen, folche Be- [werden direkt an die zuständige Stelle zu rihten. Fndessen sollten die Beschwerden geprüft werden, und das gelte auch von denen be- zuglih der Haase.

_ Abg. Gerhardus (Zentr.): Jh nehme mit Genugtuung davon Akt, daß der Minister erklärt hat, er wolle die etwaigen Schäden, die das südwestliche Jndustrierevier durch die Ablehnung der Mosel- und Saar-Kanalisierung erletden könne, durch Tarifermäßigungen für Erze und Koks ausgletchen. Hinsichtlich der Fährgere{ßtsame auf dem Rhein bestehen große Unklarheiten und Zweifel bezüglih des Umfanges. Jch möchte daher dein Mtnister anheimstellen, zu erwägen, ob nit in: den Grlaubntssheinen der Umfang der Fährgere{chtsame näher präzisiert werden kann, damit auf diese Weise den vielfachen Streitigkeiten vor- gebeugt werden kann. Nicht nur die Inhaber der Gerechtsame, sondern auc) das Publikum, namentlich die Schiffer, haben ein Interesse daran, daß über die Gerechtsame Klarheit geschaffen wird. Es wäre vielleicht empfehlenswert, Verzeichnisse der Fährgere{tsamen aufzustellen und dieselben dem Publikum leicht zugänglich zu machen. Große Schwierig- feiten entstehen auch dadur, daß auf dem linken Ufer der Fährbetrieb saatlih ist, während auf dem rechten Ufer das Fährrecht den Privaten Verlassen ist, Vielleicht findet die Regierung ein Mittel, diesen Nißstand zu beseitigen. Sehr wünschenswert ist auch die weitere Aubdehnung der Arbeiterfahrkarten auf dén Fähren.

4 Abg. Dr. Gaigalat (kons.) verlangt den Bau eines vandels- und Zufluchtshafens an der Szies8ge in Heydekrug, dem größten Marktorte Ostpreußens, und bemerkt: Zu den Kosten von 26000 # müßte die Staatsregierung Bedeutendes zuschießen, da Kreis und Probinz nicht in der Lage sind, viel beizusteuern.

Die Steuerkraft des Kreises Heydekrug ist gering, die Ausgaben, besonders für Wegebauten, sind sehr hoh. Wir wollen wirts{aftlih vorwärts kommen. Der Staat muß. die Wege dazu vorbereiten. Vlerzu gehört auch der Hafenbau von Heydekrug.

, Abg. Gott {alk - Sauverwalde (fons.): Jh möchte die Re- gierung bitten, der Frage der Errichtung eines Hafens in Schmalle- nington an der Memel näherzutreten. Ver Verkehr auf dem Strom ist dort fehr stark. Im Sommer kommen namentli auch noch viele puwärtige Fischer in den Hafen, sodaß die einheimishen noch mehr "eschränkt werden. Infolge des starken Verkehrs müssen viele Fischer außerhalb des Hafens überwintern, wodur ihre Fahrzeuge vielfach ‘esdädigt oder - fogar zerstört werden. : Raens ist daher von größter Wichtigkeit. Die Regierung ist von der a Vvendigfeit des Hafens überzeugt. Sie hat aber früber die In-

griffnahme des Projektes abgelehnt, weil es an cinem geeigneten

Die Anlage eines geeigneten

Plate fehlte. Neuerdings ist aber die Platfrage gelöst, und ih bitte deshalb die Regierung, die Anlegung des Hafens in Erwägung zu ziehen.

Abg. Tourneau (Zentr.): Ich hoffe, daß in absebbarer Zeit die Verbindung des Mains mit der Weser und die dazu erforderliche Kanalisierung ter Werra in Angriff genommen wird. Preußen hat ein erbeblihes Interesse daran. Durch den Kanal wird es dem Süden Deutschlands ermöglicht, seine Waren nah Fishberg zu verladen, damit sie von dort auf dem nächsten Weg zur See gebraht werden. Die Differenz zwishen der Strecke Fischberg—Bremen und Fish- berg— Amsterdam beträgt 200 km. Bei der kürzeren Entfernung dürfte gerade dieser Kanal ein Kampfmittel gegen die Niederlande bilden bet deren Sträuben gegen die Sciffahrtsabgaben. Ih bin überzeugt, daß die Niederlande noh lange Jahre den Kampf gegen die Schiffahrtsabgaben führen. Sie befinden sich dabei in günstiger Position. Die Kanalisfierung der Werra. bildet daher ein Mittel, den Schiffs- verkehr vom Niederrhein abzulenken und allmählich die Niederlande zu ¿wtngen, ihren Widerstand gegen die Schiffahrtsabgaben aufzugeben. Da der Kanal mitten in Deutschland mündet, ist er im Kriegsfall militärisch völlig gedeckt. Fm Kriegsfall würden wir in der Lage sein, alle Waren, dte wir in Deutschland nit produzieren können, von Oesterreih und den Balkanländern usw. über die Nordsee herein- zuführen. Es dürfte angebracht sein, wenn die Regierung dem Verein zur Kanalisierung der Werra weitere Beihilfen zur Verfügung stellt.

Abg, Dr. Hauptmann (Zentr.): Durch die vielen Unklarheiten und Zweifel über die Fährgerectsame entstehen zablreide Streittg- keiten. Es dünfte fih daher empfehlen, wenn eine Sammelstelle für die Urkunden über die Erteilung der Sdhrgerechtsame errichtet würde, damit bei Streitigkeiten nicht solche bedauernswerten Urteile entstehen, wie es heute vielfa der Fall is, Bedauerlich ist, daß die Negierung bei der Errichtung von Fähren allzusehr fisfalishe Gesichtspunkte im Auge hat.

Unterstaatósekretär Dr. Freiherr vonCoels von der Brügghen: Die Regierung wird sich bemühen, naß Möglichkeit die bestehenden Schwierigkeiten zu beseitigen. Daß auf den vershiedenen Nhetnufer verschiedene Fährrechte bestehen, liegt an dem französishen Necht, das dort noch in Geltung ist. Fu Wassergefseß sind Bestimmungen über die Fährrehte ausdrücklich ausgeschlosen worden. Die Interessenten werden deéhalb gut tun, fih zunäthst an die Provinzialbehörden zu wenden, dann wird die Strombauverwaltung nit verfehlen, das nötige Entgegenkommen zu zeigen Jch kann in Aussicht stellen, daß wir erwägen werden, ob es mögli sein wird, die Fährrecte zufsammen- zustellen, damit in Zukunft sichere und feste Verhältnisse in diefer Hinsicht geschaffen werden. Es ist nicht rihtig, daß wir bet der Er- rihtung von Fähren nur die fisfalis{en Interessen berücksichtigen. Bezüglich des Hafens von Schmalleningken scheint es, daß dite seit- herigen Playschwierigkeiten behoben sind, und daß das Projekt demnächst in Angriff genommen werden kann.

Abg. Graf von Kaniß (konf.): Zunächst danke ih dem Minister dafür, daß er seinem früheren Standpunkt gegenüber der Forderung nah Kanalisierung der Mosel und Saar treu geblieben i\t. Mili- tärishe Gesichtspunkte spielen hierbei für uns feine große Rolle: denn diese Frage ist zugunstèn der Eisenbahn entschieden. Man darf bei der Erwägung diefer Frage au nit vergessen, daß auf einer Eifen- bahn unendlih viel mehr Güter befördert werden fönnen, als auf einem Kanai möglich ist. Als im Jahre 1905 eine Resolution eingebracht wurde, in welcher die Regierung aufgefordert worden ist, die Zweckmäßigkeit einer Kanalisierung der Mosek und Saar zu prüfen, hat eine eingehende Debatte darüber nit stattgefunden. Es äußerten sich damals nur zwei Herren über diese Frage. Man soll au nicht die finanziellen Schwierigkeiten, die bei der Bertetlung der Kosten entstehen werden, untershäßen. Selbstverständlih müssen die Kosten auf die in Betracht kommenden Staaten verteilt werden. Wenn man bedenkt, daß allein vier Zehntel der gesamten Etfenproduktion Deutsh- lands auf diese Gebiete fallen, so muß man mit Notwendigkeit zu dem Schluß kommen, daß Luxemburg und Lothringen, die ja in erster Linie hierbei in Betracht kommen, einen erhebliheren Beitrag zu den Kosten als der preußishe Staat beisteuern müssen. Wir befürchten aber von der Ausführung des Projektes einen großen Ausfall an Eisen- bahneinnaÿhmen. Dazu würde noch eine Schädigung des anderen Groß- industriebezirkes lommen. Schließlich würde es auch zu einer verstärktén Abwanderung unsérer ländlichen Arbeiter na den Industriebezirken führen. Im Landeseisenbahnrat wies ein Regierungskommissär auf die finan- ziellen Verlu1te hin, welche sich durh die Herabminderung der Eisen- bahneinnahmen mit Notwendigkeit ergeben würden, und erklärte, daß daher die Kanalisierung der Mosel und Saar als nit zweckmäßig erscheine. Der Minister hat den Ausfall an Eisenbahneinnahmen auf 13 bis 14 Millionen beranshlagt, aber ih glaube doch, daß, wenn man alle Kompensationen mit hineinrechnet, diefe Summe auf 20 Milltonen Mark jährlich anfteigen wird. Allein Oberschlesien wird ganz bedeutende Forderungen stellen, und zwar mit vollem Net Schon damals war es für die obershlesische Eisenindustrie ungemein \{wer, mit West- falen, Luxemburg und Lothringen zu konkurrieren. Das westfälische Eisen ist bereits in westliher Richtung bis nach Breslau vor- gedrungen. In neuester Zeit ist es sogar dáhin getommen, daß in Dberschlesien eine große Menge von Hochöfen ausgeblasen sind, weil der Absaß außerordentli erschwert war. Die größte Pro- duktions8gefellshaft in Oberschlesien hat bereits die Produktion von MNoheisen vollständig eingestellt, und die Kattowitzer Ge- sellschaft will diesem Beispiele folgen. Diese Gesellschaften werden entschieden Kompensationen verlangen, und da wird die Summe des Ministers von 13 bis 14 Millionen nicht ausreichend sein. Die Regierung hat im Landeseisenbahnrat erklärt, daß die gewährte Cisenbahntarifermäßigung s{chon das äußerste Maß des Entgegen- kommens darstelle und der Finanzminister \#ich nur sehr s{chwer dazu ents{lossen habe. Wir haben also von unseren Eisenbahneinnahmen nichts mehr übrig, um noch weiter auf 10 und 20 Millionen zu ver- zihten. Ich weise auch auf die fozialpolitishe Seite bin. Das Ab- wandern der Arbeiter nach den großen Städten wird noch gefördert werden. Die-Ermäßigung der Produktionékosten wird die Produktions- gewinne steigen lassen, die Urbeiter werden in Lohnerhöhungen ihren Anteil daran fordern. Im Nuhrrevier werden 71 000: Arbeiter aus Ost- und Westpreußen, 54000 aus Posen und 10 000 aus Schlesien beschäftigt, insgesamt 135 000 Arbetter, die aus dem Osten nah dem Westen abgewandert sind. Wir freuen uns unserer blühenden In- dustrie, das Gedeihen der Industrie ist notwendige Vorausseßung für das Gedeihen aller anderen Erwerb8zweige, au der Landwirtschaft, aber wir wünschen nicht eine einseitige Bevorzugung der Industrie zum Nachteile der anderen Erwerbsstände. Das ist mein Standpunkt, ih würde dankbar sein, wenn diesem Standpunkt Anerkennung zu- têil würde.

Abg. Freiherr von Wolff-Metternich (Zentr.): Von unserem Kiesvorrat geht ein bedeutender Teil nah dem Ausland, besonders nah Holland fort, unsere Gemeinden find deshalb „genötigt, mit größeren Koslen für die Wegebefestigung anderes Material, namentlich Koks\chlacke, zu verwenden. Jh richte die Aufmerksamkeit der Ne- ierung auf diesen Uebelstand, Die Vorteile der Mosel- und Saar- Knalfierund stehen außer Zweifel, aber ih mache darauf aufmerksam, daß dur die Vermehrung der Schiffahrt auf der Mosel die Wein- berge {were Schädigungen durch den Nauh der Dampfer erleiden

Fönnten. Abg- Dr. Hahn (kons.): Seit langen Jahren besteht \{hon der

Wunsch eines Küstenkauals, der die Wesermündung mit der unteren

———— e ———— ———-

Elbe verbinden würde. Schon 1867 wurde aus Bremen an den damaligen Kanzler des Norddeutschen Bundes, den Fürjten Bismardck, die Vitte gerichtet, von der Unterweser zur Elbe durch das Watten- meer eine Verbindung herzustellen, die etwa in der Nähe von Neuwerk an die Elbe käme. Es würde allerdings sehr schwierig sein, die Deiche dur das lose Wasser zu ziehen, und ich glaube, daß man jeßt diesen Küstenkanal besser turch das Dreieck zwishen Elbe und Weser bauen würde. Die Bremer Interessenten wünschen, den Kanal von Begesack aus nach Often zu führen zur Unterelbe, es sind berechtigte lokale Interessen dafür vorhanden. Aber mit Nüctsiht auf den all- gemeinen Verkehr und namentli auf die Kohlenverwendung meine i, daß man diesen Kanal etwas weiter nah der See bin bei den Unter- weserstädten abzweigen sollte. Wenn dieser Kanal ausgebaut würde zu Zwecken der größeren Schiffart, insbesondere der Kohlen- schiffahrt, die sih dann entwidteln würde, so würde auch der Seekanal in Frage kommen, „ein Projekt, das Fürst Bismarck im Auge hatte. Dieser Kanal würde durch den Jädebusen hindurchführen und die Fade mit der Weser und der Unterelbe verbinden, und dort ist ja hon der Nordostseekanal da, sodaß die Marine eine vollkommene & traße zur Verfügung bätte. Der Kanal würde außerdem dem Kohlenverkehr, dem Küstenverkehr und den Meliorationszwecken dienen und den Kreisen Lehe und Stade große Verbesserungen bringen, es könnten Tausende Hektar Moor verbessert werden, und damit würde wieder unfere Fleishnahrung vermehrt werden. Diesen Kanal kann ih nur immer wieder nahdrüdlich dem Wohlwollen der Negierung empfehlen. Naturgemäß wird diefer Kanal mit dem Seeverkehr in Verbindung zu bringen fein, es würde an der unteren Weser ein Umschlagshafen nötig und auch mögli sein. In der flahen Mulde, in der die Geeste fließt, ließe fich ganz gut ein Umsthlagshafen bei Lehe anlegen. An der unteren Weser selbst ist kein Plaß für einen solhen Hafen. Es wird dann nicht {wer fein, diefen Umschlags- hafen mit dem offenen Wasser der Weser durch einen Stichkanal zu verbinden, und fo könnte der Seeverkehr an den Binnenverkebr angeschlossen werden. Dann würde endlih die Stagnation in der Gntwickelung des Ortes Lehe aufhören. Schuld an dieser Stag- nation ist der Staatsvertrag zwischen Preußen und Bremen, der 600 ha preußishen Bodens an den Bremer Staat überließ. Fn diesem Staatsvertrag ist ausgemacht, daß auf diesem Boden Hafen- anlagen angelegt werden fönnen, daß aber eine Hafenindustrie aus- geschlossen werden follte: nur 42 ha wurden direkt zur Bebauung bestimmt, wo bei dichter Bebauung 14 000 Menschen wohnen können. Damals machte man sich in Lebe die ganz falsche Vorstellung, daß în Lehe sih eine blühende Intustrie entwickeln könnte, weil fie auf dem bremishen Gebiet ausge|chlossen war. Aber infolge der Konjunktur baute Bremen feine Anlage langsamer, auch der Norddeutsche Lloyd, der eine Garantie übernommen hatte, bat, nit fo \chnell zu bauen. So ist es zu einem Notstand in Lehe gefommen, es waren viele Arbeiter nah Lehe gezogen, aber niht wteder fortgezogen; sie brachten Lehe in eine schwierige Lage, denn die Indujtrie batte sich nicht an- gesiedelt, sie hat fich vielmehr nach Oldenburg gezogen. Die in- dustriellen Werke hätten sfich wahrscheinliß am rechten Weserufer an- gesiedelt, wenn sie dort die Vorbedtngungen vorgefunden hätten. Wir haben uns immer der Interessen von Lehe angenommen. Bremen gab damals eine Milltlon Mark mehr, um Lebe \{adlos zu halten. In Lehe sind nun viele Schulkinder, deren Eltern dort wohnen, aber in Bremerhaven arbeiten, sie verursachen Lehe 240 000 46 Schullasten, während Lebe von der Million nur die Zinsen von 35000 erhält. Die kaufmännishen und praktishen Bremer sind aber viel Élüger als die Preußen; fie haben éine weit voraus\chauende Intelligenz, um die wir sie beneiden, und unsere Kommunalpolitikèr können fi auf der Suche nah Steuerguellen von ihnen Nat holen. Sie haben das Ge- biet în ingeniöser Weise der Grundsteuer unterworfen, wodurch fie von den 35 000 Æ schon 15 000 4 durch die Besteuerung erreichen. Dazu kommt noch der Ümsaßstempel usw. Es bleibt also für Bremen nicht viel an Lehe zu zahlen übrig. Andererseits hat Lebe seine boben Lasten behalten. Per Saldo zahlt Lehe noch 200 000 46 zugunsten von Bremen an Scullasten. Fn Lehe ist angenehmer zu wohnen als in Bremer- haven, aber Bremen will, daß seine Beamten auf bremishem Boden wohnen. Es ift den Beamten aufgegeben worden, ihre Wohnung in Lehe bis Gnde 1913 aufzugeben. Das Wohnenbleiben foll nur mit besonderer Genehmigung in Ausnahmefällen mögli sein. Der bremische Senat hat also die Beamten, die auf preußischem Boden wohnen, dazu bestimmt, 1a Bremerhaven zu ziehen. Bremen fühlt ih als gebegtes Lieb- lingskind au Preußens; wir erlauben den Brémern, ihre Fahrrinne zu vertiefen, thre Schiffahrt zu verbessern usw., wir sind ihnen noch dankbar dafür. Sobald nun der Küstenkanal gebaut wird und Lehe feinen Umschlagshafen bekommt, werden wieder glückliche Zeiten für Lehe kommen. Durch den Kanal erreichen wir die Versorgung unserer Marine und unserer Schiffahrt mit deutshen Kohlen, während jeßt die. englishe Kohle bezogen werden muß Das if eine Sache von eminent nationaler Bedeutung. Dieser Kanal ist vom ersten Moment an als ein nationales Werk, niht als ein lokales Werk angesehen worden. Ich hoffe, daß meine Darlegungen dem Projekt des Küsten- fanals eine weitere Förderung angedeihen lassen.

Abg. Bartscher (Zentr.): Dem Grafen Kaniß erwidere i, daß es der Industrie im Westen nur. lieb sein würde, wenn sie keine fremden Arbeiter zu beschäftigen brauhte. Die Herren im Often follten die Arbeiter über die Gefahren der Großstadt aufklären, damit J nit abwandern. Aber die Arbeiter sparen {m Westen Geld und ringen es dann wieder nach dem Osten zurück. Ein Teil metner Freunde steht der Mofelkanalisierung freundlih ocgenüber, aber wir verkennen nit, daß dadurh Nachteile für die rheinisck - westfälische Industrie erwahsen werden. Die Bewohner an der Mosel selbst werden keine Vorteile von der Kanalisierung haben, ihnen kann viel- mehr nur dur bessere Eisenbahnverbindungen genüßt werden.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenb a h:

Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Hahn über einen Küstenkanal waren sehr interessant, umsomehr, als der Herr Abgeordnete eine eingehende Kenntnis der dortigen wirtschaft- lichen und örtlißhen Verhältnisse besigt. Aber mir {eint do und er hat dieses auch im Eingange seiner Rede ausgesprochen —, daß die Vorausseßung für das von ihm empfohlene Projekt der Bau des Oldenburg-Dörpener Kanals, also die Verbindung der Ems mit der Weser, ist. Da muß ih feststellen, daß diese Frage bisher nicht weiter gediehen ist, daß die großen Interessengegensäße, die dort be- stehen, bisher niht ausgeglichen werden konnten. Es ist aud mir bekannt, daß die Stadt Lehe von der Industrieklausel_ nit diejenigen Vorteile gezogen hat, die seinerzeit erwartet wurden, als dieselbe be- {lossen worden ist. Aber der Herr Abg. Dr. Hahn verlangt ja auch nicht, daß die Jndustrieklausel beseitigt werde, denn dann würde er sofort in starken Gegensay mit anderen preußischen Gemeinden, insbesondere mit der Stadt Geeslemünde, geraten. Er wünscht nur weitgehendste. Berüdsichtigung der Verkehrsverhältnisse von Lehe, und da wird er bestätigen, daß gerade die Staatseisenbahßnverwaltung es gewesen ist, die die Interessen von Lehe in jeder Weise zu fördern bemüht war. (Abg. Dr. Hahn: Sehr richtig!)