1913 / 42 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 17 Feb 1913 18:00:01 GMT) scan diff

noch nicht von Jhúen gefaßt worden “sind. - Es ligt nur cine Resolution vor, in der Sle den Herrn Neichskanzler ersucht haben, diejenigen Oberpostassistenten, die vor 1900 in den Dienst getreten find, und die drei Jahre das Höchstgehalt bezogen haben, eine Zulage von 300 # zu gewähren. Jh habe damals bercits in der Kommission gesagt, wenn diese Nefolution gefaßt würde, so wäre das eine Ungerechtigkeit gegen diejenigen Assistenten, die nach 1900 eingetreten sind, namentli gegenüber den Militäranwärtern, die eine s[{ärfere Sekrelärprüfung ablegen müssen, wie diejenigen, die vor 1900 eingetreten find. Der Refolution konnte also, weil sie den Ver- hältnissen nit Mechnung trägt, auch nit entsprochen werden. Aber eine Nesolution, die Ihren heutigen Wünschen Nehnung trägt, ist noch nie an uns herangekommen, und Sie schen es aus Ihrer eigenen Tagesordnung, daß die Resolution, die Sie im vorigen Jahre in der Kommission gefaßt haben, von Ihnen im Plenum überhaupt noch niht angenommen worden ist. Die: muß exst noch an den Bundesrat kommen. So liegen die Verhältniffe doch nicht, als wenn sich der Bundesrat ganz ablehnend verhalten Eätte und die Schuld auf den Bundesrat fiele. Und gegenüber den Petitionen, die an den Reichstag gelangt sind, find Sie, meine Herren, auch der Meinung gewesen, man solle das Besoldungsgeseß nicht ändern; denn \obald man das Besoldungsgesez ändert, gehen alle Schleusen auf und fommen Ansprüche von allen Seiten. Das möchte ih, um den Tat- sachen gerecht zu werden, doch feststellen.

Es ist dann, ich glaube vom Herrn Abg. Ebert, die Frage an die Vawaltung gerihtet worden, wie ih durch die erfolgte Ein- stellung von 4000 Unterbeamtenstellen die Verhältnisse ändern werden. Meine Herren, die Anstellungéverhältnisse bessern fich dadurch, und das ist auch der Zweck der Forderung. Es ist bereits erklärt worden, daß wir dahin streben, die Diätarzeit für die Unterbeamten möglichst herabzuseßen. Das kann aber nit mit einem Male, sondern muß allmähliß gesehen, und wir gehen auf diesem Wege weiter vor.

Einzelne Herren haben dann große Bedenken wegen der neuen heren Karriere geäußert. Dabei ist gesagt worden, es sei richtiger, die Beamlen für die höhere Karriere aus den Gerichts- assessoren usw. zu nehmen und nit eine besondere Fachkarriere ein- zurichten. Meine Herren, diese Frage hat selbstverständlich die Bentralbehörde lange und eingehend beschäftigt. Nach allen Er- fahrungen, die sie gemaht hat und die sich auf viele Jahre und Jahrzehnte erstrecken, hat man doch darin das Nichtige zu finden geglaubt, daß akademisch - wissenshaftliße Ausbildung mit praktischer Ausbildung vereinigt würde, um cinen den Ver- hältnissen des steigenden - Verkehrs entsprechenden befähigten Beamtenstand zu \{chafen, und ih glaube, cs wäre doch besser, erst einmal abzuwarten, wie sich die Sache bewähren wird. Von andèrer Seite wird wieder betont, daß das feitheri.e Verfahren vielleiht besser gewesen wäre. Sie sehen also, es sind Stimmen auf diefer und auf jener Seite, und da follte man nit gleich von vorn- herein sagen, daß das Neue nichts taugt, sondern sollte abwarten. Zur Erprobung gehören Jahre und Jahrzehnte. (Sehr richtig ! rechts.)

Meine Herren, bei der Gelegenheit möhte ich ein Wort gegen diejenigen Herren sagen, die si in so absprechender Weise über unsern ersten Generalpostmeister von Stephan au8gedrüdckt haben, und die ihm jeßt in die Schuhe {ieben möchten, daß alle Uneben- heiten in der Gestaltung der Beamtenverhältnisse ihm zur Last fielen. Ich möchte erklären, daß Herr von Stephan für die soziale Entwick- lung des Postbeamtenstandes ungeheuer triel getan hat (sehr richtig! und Bravo!), und wenn ih in der angenehmen Lage bin, von fast allen Parteien gestern und heute zu hören, daß sie die Bestrebungen der Postverwaltung, den Bedürfnissen des Verkehrs Rechnung zu tragen, anerkennen, dann wollen wir uns daran erinnern, daß der größte Teil der Beamten, der in der Lage ist, von dieser Anerkennung Kenntnis zu nehmen, ih aus Beamten zusammensett, die unter der Organisation des Herrn von Stephan angenommen worden sind. (Bravo!) Jch glaube, daß wir uns immer dessen erinnern müssen, daß Herr von Stephan uns den Weltpostverein ge- schaffen hat (sehr richtig !), daß seine Beamten es ermöglicht haben, uns dite Anerkennung von allen fremden Verwaltungen zu erwerben, und daß die Organisation nicht so \{chlecht gewesen sein kann. (Sehr richttg !)

Von Mitgliedern dieses hohen Hauses und auch außerhalb dieses hohen Hauses wird nun häufig gesagt, die mittlere Karriere müsse anders gestaltet werden, man müße von den Anwärtern cinen höheren Bildungsgrad fordern. Meine Herren, wir sollen doc zufrieden sein, wenn wir Karrieren haben, bei denen nit glei die böten Anforderungen gestellt werden, und follen die Ansprüche nicht künftlih in die Höhe schrauben. (Sehr rihtig! rechts.) Von den Eltern wird heute vielfach darüber geklagt, daß fie große Schwierig- keiten haben, für ihre Kinder einen Beruf zu finden, bei dem nicht gleih so hochstrebende Anforderungen gestellt werden. Aus allen diesen Erwägungen heraus haben wir seinerzeit für den mittleren Beruf die Befähigung für Untersekunda gefordert, und wir glauben auc heute noch, daß das genügen wird. Nach meinen Erfahrungen möchte ih auch davor warnen, einem \olhen Rufe nach Erhöhung der An- forderungen Gehör zu s{chenken. Sie haben ja {on gehört, was dann die Folge sein wird. Wenn höhere Anforderungen gestellt werden, dann glaubt man au, höhere Gehälter verlangen zu können, und dann kommen diese fortwährenden Vergleiche der einzelnen Beamtengattungen untereinander. Das ist ungesund, das sollten wir nicht machen.

Wir sollten auch nicht wieder in den alten Febler verfallen, für jede besondere Kategorie von Beamten nun wieder besondere Gehalts- flafsen zu schaffen; denn das führt immer wieder zu Vergleichen zwischen den Beamtengattungen: der eine stellt fich höber als der andere und glaubt deéwegen, Anspruch auf ein höheres Gehalt zu baben.

Wegen der Unterbeamtenkategorte hat der Herr Redner der Zentrumsfraftion gestern gesagt, er wünsche keine Loslösung der Oberfchaffner aus der Unterbeamtenkategorie. Ich habe béreits früher, als Sie alle noch nichts von den gehobenen Stellen wissen wollten, die Ehre gehabt auszuführen, die Sache scheine sehr eniwicklungsfähig, und man müsse daran festhalten, sowie daß zu einer richtigen Beurteilung einer neuen Beamten- organisation eine längere Zeit gehöre. Die Unterbeamten battea früher gar keine Gelegenheit zu avancieren, fie blieben ihr ganzes Leben lang in détselben ‘Stellung, ün es ging thnen so, wie

di

es früber ten Assistenten gegängen war, die mit 30 Aakren {on die Stellung, die für sie in Frage kommen konnte, erreit hatten. Deshalb find für die Unterbeamten die gehobenen Stellen geschaffen worden, in die nun die Tüchtigeren und Gewandteren einrü@&en können. Ich glaube, daß bas cine sehr gesunde Entwiklung be- deutet. Wir wollen uns doch jeßt nicht den Kopf darüber zerbrehen, was nun später einmal geshehen kann. Eine folche Neuorganisation muß sich erst bewähren und muß rihtig funktionieren, vnd dann wird man ja sehen, ob man späterhin im Wohnungsgeldzushuß cder im Gehalt Veränderungen eintreten lassen kann; und dasselbe gilt bezüglih des Titels. Aber von vorherein gleih wieder Aenderungen vorzunehmen, das wäre eine ungesunde Politik; davor möchte ich warnen.

Betreffs der Wünsche auf Krankenkassen für die Unter beamten mödte ih das wiederholen, was ih in der Kommission gesagt habe: folhe großen Einrichtungen können nicht gleich fertig dastehen; man muß erft sehen, wie fh die Sache gestaltet, und muß allmählih und später mit Verbesserungen vorgehen. Wenn man von vornherein folche Einrichtungen, für die wir im ersten Jahre mehr als eine halbe Million neu ausgeben, so belastet, daß sie nachher \{lecht funktionieren, dann ist das viel {limmer, als wenn man allmählih weiter fortschreitet und Verbesserungen nach dieser oder jener Richtung eintreten läßt. Dazu würde später der Fortfall der crhöhten Beiträge für die Familien mit vielen Kindern gehören und eine Ausdehnung nah der Richtung hin, daß mehr Leistungen gewährt werden.

Der Redner des Zenirums bat um den Bau von Fernsprech- anlagen im badishen Lande. Meine Herren, wir geben für neue Verbindungsleitungen in jedem Jahre viele Millionen aus. Im Jahre 1910 haben wir für Fernsprec)verbindungen zwischen den ein- zelnen Orten zirka 5 Millionen ausgegeben, 1911 5 Millionen, 1912 10,5 Millionen; 1913 find 19,5 Millicnen dafür vorgesehen. Darunter befindet sih im nähsten Rechnungsjahr eine Summe von 6 Millionen, im vorigen Jahre von 5,5 Millionen für die unterirdishen Fern- sprehverbindungen na dem Westen. Was dann insbesondere Baden betrifft, will ih dem Herrn Abgeordneten einzelne für 1913 geplante Verbindungen nennen: Karlsrube Konstanz, Lörrah—Basel, Pforzheim—Freiburg, Mannheim—Heilbronn, Stuttgart—Freiburg, Berlin—Straßburg, Freiburg—Karl8ruhe. Ich glaube also, den Wünschen des Herrn Abgeordneten ist Rechnung getragen worden. (Bravo !) s

Die Reichspostverwaltung läßt fh auc die Ausbildung des

Kraftwagenverkehr s angelegen sein. Es is dem Herrn Ab- geordneten ja bekannt, daß in seinem Heimatland sehr viel folcher privater Verbindungen sind, die wir zur Pofstbeförderung benutzen. Ich brauche wohl die einzelnen Strecken nicht zu nennen: die werden ihm ja besser bekannt sein. Auch sind wir mit reichs8eigenen Kraft- wagenfahrten in vershiedenen Gegenden vorgegangen und wir werden sie überall einführen, wo es nüßlid ift.

Dann haben verschiedene Herren den Wunsch" geäußert, über die Stellung der Neichépostverwaltung zu dem nächsten Weltpestkongreß und zu dem Pennyporto unterrichtet zu sein. Wir haben uns darüber schon häufiger unterhalten, und i habe niht damit zurüdtgehalten, daß die Reichspostverwaltung bestrebt ift, auh auf diesem Gebiete den Forderungen® des Verkehrs Nechnung zu tragen, daß das aber felbstverständlih nit fo nell gehen kann; denn wir sind nicht allein da, und den Herren ift bekannt, daß bei den meisten Verwaltungen ein großes Streben oder eine Eile, das Pennyporto einzuführen, noch nit vorbanten ist. Das bângt mit den Ver- hältnissen der einzelnen Staaten zusammen. Immerhin hat auch die Neichspostverwaltung für den näthsten, 1914 in Madrid stattfindenden Kongreß Verbesserungen und Veränderungen in Aussicht genommen. Inébesondere licgt uns am Herzen, die Verschiedenheiten zu heseittgen, die sich allmählih eingeschlicken haken, und die darin bestehen, daß in den verschiedenen Ländern noch verschiedene Gewichts\tufen und verschiedene Tarifsätze angewandt werden. Dadurch ist ein sehr buntes Bild entstanden, und daran liegi es au, daß verschiedene Linder noch nicht in der Lage find, auf weitere Ermäßigungen einzugehen, da sie in ihrem eigenen Lande noch sehr bohe Tarifsäße haben. Sie behaupten, sie könnten infolgedessen nicht fo vorgehen, wie es wünschenswert wäre. Es liegt aber in der Absicht, besonders un- angenehm empfundene Bestimmungen, fo z. B. die, daß bei un- genügend franfierten und unfrankierten Briefen die Steigerungen des Portos gleich sehr groß find, zu beseitigen oder doch zu mildern. Also die Ermäßigung desZuschlagsportos für unfrankierte Briefe ist in Aussiht genommen.

Die weitere Ausdehnung der Antwortschcine halten wir nicht für einen großen Vorteil. Wir streben eber an, wenn es mög- lich ist, eine Antwortmarke für den ganzen Weltpostverein einzuführen. Das ift viel gesünder; denn die Antwortsheine erweisen sh immer mehr als ein Nückshritt insofern, als die Abrechnungen, die früher bestanden haben, dadurch wieder notwendig geworden find und viel Mühe machen.

Die Ermöglichung von Zeitungs8abonnements im ganzen Weltpostverein ist ein Wunsch, der sehr verständlich, aber nicht ausführbar ist, weil eben fehr viele Postvereinsverwaltungen mit dem Postlzeitungswesen sich überhaupt nicht befassen, sondern es dem Publikum überlassen, sich mit seinen Zeitungen zu versorgen.

Wenn über den Ortschuelldienst geklagt wird, und uns gestern zum Vorwurf gemacht ist, daß wir mit dem Eilbotendienst den Privateilbotendienst nicht tot gemacht hâtten, so möchte i er- widern: ja, es ist gar nicht unsere Absicht gewesen, ihn tot zu machen. Die Gebühren, die wir für die Ausführung des Eilboten- dienstes nehmen, unterliegen der Prüfung, nnd wir werden schen, ob nah dieser oder jener Nichtung etwas geschehen finn, ob der Tarif si als zu hoch erweist.

Wenn dann der Wunsh ausgesprochen ist, man möchte die Fernsprechgebühren mit Desterreich ermäßigen, so möchte ih den Herren darauf erwidern, es sind Verhandlungen im Gange, es bestehen aber gewisse Schwierigkeiten, und zwar für die andere Seite. Oesterreich hat zum Teil im Innern cinen höheren Tarif als wir, und kann natürli für den Verkehr mit uns nicht niedrigere Säße anwenden als im inneren Verkehr. Sie können däraus sehen, wie vorteilhaft zum Teil unser Fernsprechtarif ist.

Der Herr Abg. Kopsh hat dann im weiteren au die An- nahme ausgesprochen, daß den regterenden Fürsten in neuerer Zeit Gebührenfreiheit im. Fernspyrechwesen zugestanden worden sei. ‘Dies trifft richt zu: Die Regelung dieser Frage hat im

L L L

(

d Jahre 1857 \tatigefundeau. Danach werden die zum üamittelbg und persönlihen Gebrauch der regierenden Fürsten bestimmten Gebüu an das Fernsprehneß gegen Erstattung der Herstellungskof ne 6 s{lossen. Gesprächsgebühren werden dann nit erhoben. Die E rihtung ist auf Grund des Art, 48 Abs. 2 der Verfassung im Ver. waltungswege geiroffen. Seit 1892, dem Erlaß des Telegraphen, geleßes, ist nah § 7 diefes Geseßes die Ausdehnung bestehender Ge, bührenfreiheiten nur auf Grund eines Netrhtgesetzes gestattet, Seitens des Herrn Abg. Kopsch ist dann im weiteren gestern an. geführt worden, daß die Verwaltung in einem Fall in Ham urg sich in Sachen mische, die sie eigentlich nihts angingen. Es sei dort ein Beamter Mi!glied der Bürgerschaft, und der habe dann Vorträgs gehalten und fei von der Verwaltung deshalb wegen feiner Aeußerungen zur Nede gestellt werden, und es fei ihm das Mißfallen ausge\proen und wehr Zurückhaltung empfohlen worden. Der Fall {t vollständig ridhtig, Gin Beamter des Bauamts hat in ciner Versammlung, die von dis Bunde der Telegravhenarbeiter zusammenberufen war, Borträgze qt: halten und si da in sehr mißliebiger Welse über die Wirtschafts, politik der Negierung ausgesprohen. Man hat aus den Zeitungen davon Kenntnis erhalten und hat den Beamten darüber befragt. N hat er gesagt: fo scharf habe er sich nicht ausgedrückt; er hat soga eine Zeitung veranlaßt, gewisse Angaben in ihrem Bericht zu wide rufen, auszusprechen, daß er die angeführten Ausdrüde nicht gebraudi

«habe. Aber wegen der Ausführungen, die er selbst zugegeben hat,

ihm denn doch anempfohlen worden, in seinen Ausdrücken etwas bor: sichtiger zu sein. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß das richtig ge: wesen ist. (Sehr richtig! rechts.) Der Beamte is nicht allein Bürger, sondern er ist auch Beamter und darf das nicht außer adt lassen. Es muß seinem Taktgefühl überlassen bleiben, keinen Anlaß zu folhen Ausstellungen zu geben, wie es tin diesem Fall vorgekommen ist. (Zustimmung rets.) Wenn ein Beamter des Bauamts zy den Telegraphenarbeitern spricht, dann muß er soviel Takt haben, daß er nicht gegen die Regierung \o vorgeht, wie er das hier getan bat, Wir müssen verlangen, daß diejenigen Beamten, die für würdig und geeignet gehalten werden, in den Parlamenten der Einzelstaaten zu wirken, niht außerhalb des Parlaments Reden halten, die fo agt: tatorish sind, oder wenigstens so angesehen werden können, wie d in diesem Falle geschehen ijt. Da dürfen Sie der Verwaltung kein Vorwurf aus ihrem Verhalten machen (Zustimmung rech18), sondem müßten ihr eigentlih dankbar scin!

Des weiteren ist mehrfach über die Kleider lieferung fir die Postbeamten gesprohen worden. Wir haben bereits int Kommission zum Ausdruck gebracht, daß diese Frage augenblidlh eine brennende ist; erst im Jahre 1915 handelt es nch wieder un eine neue Verdingung Aber diese Frage beschäftigt uns sehr eingehend, Das gegenwärtige Verfahren hat insofern Schattenseiten, als wir schon bei der leßten Auss{reibung wahrgenommen haben, daß bei der gegenwärtigen Art der Bezahlung der Kleider etne Beteiligung der Innungen usw. niht mözlih liegt darin, daß wir die Bezahlung nicht gleich nach der Lieferung eintreten lassen können, fondern in sechs glei mäßigen Raten für sechs8 Jahre, f\odaß der betreffende Lieferer in diesem Falle verpflichtet ist, eigentlih einen Vorschuß für die Verwaltung zu leisten. Das macht eine Beteiligung der Innungen und Handwerker unmögli. Wir sind bestrebt, einen Weg zu finden, der eine solche Beteiligung künftig ermögliht. (Bravo! rets.)

Der zjat zum Ausdruck gebraht, 3 einzelne Unregelmäßigkeiten vorgekommen feien. Jh habe die Briefumschläge nit gesehen, die hier vorgele„.t worden sind, stehe aber nicht an, zu erklären wie ih das häufig getan habe —, daß wir nit auf dem Standpunkt stehen, es kämen keine Versehen in den Negierungsbezirken Posen und Bromberg und in der Provinz Westpreußen vor. Versehen kommen der

s R rit p L! l

Le

überall vor; und wenn der Herr Abgeordnete heute hier verlesen hat, daß es, nah den Er klärungen der Oberpostdirektion in Danzig, ein Versehen des Beamten sei, so ist, glaube ic, daran nit zu zwelfeln. Man muß diese Er klärung als den wirklihen Tatsachen entsprehzend annehmen und kann daraus keine anderen Schlüsse ziehen.

Wenn der Herr Abgeordnete dann gesagt hat, daß Beschwerden tarüber vorlägena, daß aus Rußland Einschretbe- briefe nicht rechtzeitig zurüdgeschickt oder angebli geöffnet und dann zurückgeschickt worden seien, so ist es: richtig: derartig! Klagen sind bet uns angebracht worden; wir haben uns vor Monats mit der russishen Verwaltung in Verbindung gesezt und haben | inzwischen au erinnert. Jh boffe, daß sich diese Angelegenheit völli aufklären wird. Wir müssen abcr warten, bis die Antwort komut

Wenn polnische Zeitungen ausbleiben oder nitt rectzeitis bestellt werden, so darf nit angenommen werden, daß da irgendwit Machenschaften oder sonst etwas mitwirken. Wir haben auch hit im hohen Hause Herren, die mit dem Zeitungsfah sehr eingeht vertraut sind, und die werden wissen, daß bei einem großen Zeitung verkehr wirklich ‘nicht immer die Zahl der Exemplare fo abgezil wird, daß nicht einmal ein Versehen vorkommen könnte. Also | muß alle Beschuldigungen, die daran geknüpft werden, als unbewic|tl ansehen; das find eben Versehen, wie sie in einem folchen groß Betriebe vorkommen können.

Wenn der Herr Abg. Diez den Wunsch ausgesprochen hat, 11a" möchte von den Verlegern das Bestellgeld für Zeitunge" für gewonnene Abonnenten «glei einziehen, so ist e Wunsch, den ih auch habe und gern ausgeführt sähe. Dies wÜürte aber bei den Herren Verlegern auf einen fehr großen Widerstand stoßen, und zwar deshalb: nachdem diese vorzügliche Einrichtun8 einmal getroffen ist, daß sie die Abonnenten selbst gewinnen könnel haben sehr viele Vereine die Einrichtung für {ich ausgenuß? E melden nun sämtliche ihrer Mitglieder als gewonnene Abonnenten an; der Preis für die Zeitung liegt in dem Mitglicdsbeitrag. f Vetreffende die Zeitung abholt, oder ob sie ihm zugestellt wi L Sache des Empfängers der Zeitung, und infolgedessen wo die leger niht für alle ihre Mitglieder das Bestellgeld ausgebe ; da stoßen wir wieder auf einen großen Widerstand. (Sehr rid) rechts.) ; , d dei

Die Beförderung der Pakete zwischen Süddeutschland un ‘ten Norden ist verbesserungsbedürfttg, das gebe ich dem Herrn Abge h zu ohne weiteres zu. Wir sind au fortgesegzt bestrebt, diese Sa Züge, verbessern. Aber wir nuten in Wirklichkeit alle jeßt bestehenden ria die flir den Paketverkehr benußt werden können, aus; al ¿l

BalnposteiatiYtungen Uegk es nicht, sondern varan, daß nußbare Züge für den Pafketverkehr nit in ausreiender Zahl vorhanden sink.

Dann möchte ih nur einen Irrtum berichtigen, der dem Herrn Abg. Diez unterlaufen ist. I glaube, wenn ih recht gehört habe, gab er an, beim Zeitungsdienst seßten wir 30 Millionen Mark zu. (Abg. Diez [Konstanz]: Schäßzungsweise!) Daran ist gar nit zu deuten. Dec ganze Einnahmebetrag aus dem Titel beträgt für dieses Fahr 1324 Milltonen Mark, glaube ih. Berechnungen über die Neutabilität einzelner Betrie bsztveige find ¿war {wer aufzustellen, weil man die verschiedenen Zweige nicht so auteinanderhalten kann. Die Trennungen find meist willkürliß und hängen von den einzelnen Menschen ab. Wir baben aber einmal versuht, da, wo solcher Zeitungsvertrieb Tonzentriert ist, festzustellen, ob ein Ausfall vorhanden und wie groß er wohl wäre. Danah würde ein Ausfall, wenn er überhaupt vorbanden ist, nicht höher als auf etwa dreiviertel Millionen zu s{chäßen sein. Also von den Zahlen, die der Herr Abgeordnete glaubte anführen zu sollen, ist nit die Rede.

Das wären wohl die Fragen, die an die Verwaltung gestellt worden sind. (Bravo! reis.)

Abg. Hub ri (fortshr. Volksp.): Auch wir haben gegen eine Aenderung der Fernsprechgebührenordnung an sich durchaus nihts einzuwenden, lehnen aber ab, Gesetzen zuzustimmen, die der Ent- wiclung des Telephonwesens so schädlich sind wie der vorjährige Ent- wurf. Der gesamte Reichstag ohne Unterschied der Parteien ist si darin cinig, daß in der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der mitileren und Unterbeamten der Postverwaltung ein entscheidender Schritt jeßt getan werden muß, daß wir aus dem jahrelangen Stadium der Erwägung endlih herauskommen und von den Worten zur Tat übergehen müssen. Auch über das Maß der Verbesserung besteht erfreulihe Uebereinstimmung im Hause von der äußersten Nechten bis zur äußersten Linken. Darin liegt das Anerkenntnis daß über das Maß des Crreichbaren nit hinausgegangen wird, und es liegt darin auch eine Anerkennung für die Bestrebungen der Beamk-norganisationen. Die Geschlossenheit des einen Faktors der Geseßgebung kann unmöglih auf den anderen Faktor, den Bundesrat, ohne Einfluß und ohne Wirkung bleiben. Die Erklärung des Schaßsekretärs war immerhin reihlich unbestimmt; au sprach er nur für seine Person. Aber s{chon der Ton matt die Musik, und der Ton war außerordentlih \ympathish: es war kein \hneidend scharfes und unerbiitliches Nein, wie wir es oft vom Bundesrats- tish_ gehört haben. Das ift nichts voll Befriedigendes, aber doch ein Fortschritt und eine Wendung zum Besseren, die auf ein Ent- gegenkommen des Bundesrats s{ließen läßt. In der Kommission flang aus den YAeußerungen des Schaßzsekretärs allerdings au die Erwartung heraus, daß der Netchstag entgegen - tommen und die Kommissionsbes{chlüse abshwächen werde. Darin wird er sich, wie ih hoffe, getäuscht haben, denn dieses Ent- gegenkbommen hat {on die Kommission reichlich bewtesen. Die Be- [hlüsse der Kommission wegen Einstellung von Zulagen in den Etat umfassen keineswegs alle Beamtenklassen, die bei der Revision der

Besoldung8ordnung in Frage kämen, fondern hauptsählch die Brief- träger- un® Postschaffnerklasse und dann die Assistentenkla\se, wo aber nur ein Drittel der Gesamtheit in Frage kommt, die jüngeren aber leer ausgehen sollen. Der Retstag hat also {hon Zurück- haltung genug geübt Der Appell des Schatßsekretärs hat daher auch bei den Parteien kein besonderes Ent„egenkommen ge- funden, tiese haben vielmehr erklärt, nicht weiter mit ih handeln lafsen zu woll-n. Wir unterstreihen das und empfehlen dem Bundesrat, mit einem Umfall des Reichstages in dieser Frage iht zu rechnen und die Konflikt: frage erst gar nit aufzurollen. Fine Verfassungébestimmung, welche den Neichstag an der Erhöhung der Ausgaben hinderte, existiert nicht Es kann ih nur um eine Frage r Ausleung handeln; der Streit ist alt und niemals entschieden worden. 1897 hat aus gleihem An!aß Graf Posadowsky ertlärt, der MNeich-tag sei niht in der Lage, Besoloungserhöhungen dèr Beamten ¿1 beschließ-n, da niemand g°zwungen werden könne, Berpfl chtungen zu übernehmen, die er nit erfüllen wolle, aber ein solcher Neichstagébeshluß könne durch Zistimmung des Bundesrats geheilt werden. Der Abg. Dr. Lieber akzeptierte diese Er- klärung, ohne über die Frage felbst eine Entscheidung treffen zu wollen. Wir rechnen darauf, daß es auch in diesem Falle zu einem folhen Heilungsprozesse kommen wird. Eine so unterg-ordnete Nolle, daß der Ne'chstag niemals einen Pfennig mehr bewilligen dür!te, als die egierung vorgeschlagen hat, wird er sich nit vorschreiben lassen. Daß die Steigerung der Gehälter mit der Verteuerung der Lebens- haltung nicht gleihen Schritt gehalten hat und hält, ist eine unbestreitbare Tatsache. Bei den Assistenten ist in 40 Jahren nur eine Erhöhung des Meistgehalts um 33% 0%, bei den Briefträgern eine Crhöhung von n.ch geringerem Betrage zu konstatieren. Die Landbriefträger und die gehcbenen Unterbeamten haben zu unserem großen Bedauern an der Zulage nicht beteiligt werden töonnen ; hoffentlich wird es schr bald mögli, auß sie zu berück- nihtigen. * Gewisse Unstimmigkeiten, die aus dem Charakter dieser Zulagen sich ergeben, könnten durh Aenderung der Ziffer 40 der Besoldunosordnung auf dem Wezye besonderen Erlasses beseitigt werden. Bei den Obervostschaffnern erscheint immer wieder die Klage der verschiedenen Behar dlung der vor und nach dem l. April 1905 beförderten gebobenen Unterbeamten; der Nachteil, der den nach dem 1. April 1905 Beförderten aus einer inzwischen erfolgten Organisationsänderung erwächst, beziffert ih bei dem einzelnen Beamten bis zur CErreibung des Höchstgehalts auf mehrere tau'end Mark. Seit 1906 hat der Nelchôtag sih damit beschäftigt und in Resolutionen Abhilfe verlangt. Der Bundesrat hat denselben aber keine Folge gegeben. Der Reichztag will hier eine Härte beseitigen, die fich dauernd fühlbar macht. Der Ausgleich könnte vielleiht dadurch herbeigeführt werden, daß das Gehalt der gehobenen Unterbeamten auf 1600 6 und das Be- loldungsdienstalter aller vor und nach 1905 angestellten Postunter- beamten einheitlih festgeseßt wird. Wir haben etne entsprechende Resolution vorgelegt, die der Neichstag sicher annehmen wird; wir fordern, daß die diefen Beamtenklassen dur den Etat für 1913 ge- währten pensionsfähigen Zulagen bei Bersezungen aus einer Stelle mit Zulage in eine Stelle ohne Zulage dem anrechnungsfähigen Gehalt hinzugerechnet werden. Die - Postboten haben unter der übertriebenen Sparsamkéit der Verwaltung von jeher besonders zu leiden gehabt. Die 10 9% Erhöhung ihrer Bezüge, wie fie die Kom- mission vorschlägt, fönnen wir nur billigen: außerdem muß aber die Vorbereitungszeit des Postboten bis zur Anstellung auf höchslens 10 Jahre herabgesetzt werden, auch unterstüßen wir die Anrechnung der Militärdien|tzeit, der Aushelferzeit und der Zeit der Zätigkeit als Telegraphenarbeiter. Die kleine Erhöhung der Ver- gütung für die Postagenten bewilligen wir, sind aber bereit, im nächsten Etat au eine weitere Erhöhung zu bewilligen; ah eine Ent- dädigung von 675 44 ist für sie unzulänglih. Der Errichtung einer Pensionskasse für die Postagenten stehen aber sehr starke Be“ denken entgegen Die Vermehrung der Stellenzulagen für aewisse Veamtenkategorien ist dringend geboten. Die von dem Abg. Windeck Und mir’ beantragte Resolution wegen Gleichstellung der in den Reichóslanden beschäftigten Post- - und Telegraphenbeamten mit den Beamten der _Betricbsverwaltung der Meichseisenbahn- verwaltung in bezug auf die Gewährung niht pensions- ähiger Zuschüsse empfehle ich nochmals zur Annahme. Der hohe Steuerdruck für die Postbeamten in den 1hüringischen Staaten muß gemildert werden. Eine Negelung läßt sich hier viel- seiht fo treffen, indem man die betreffenden Bundesstaaten ver- anlaßt, die Postbeamten wie ihre eigenen Beamten zu behandeln. Ywischen preußishen Beamten und denen des Reichs klafft in der Vesoldung ein Gegensayg, der so lange nicht vershwinden wird, bis è Reichösbeamten denen in Preußen gleichgestellt find. Es is auch Ungerechtfertigt, die Beamten der Verwaltung besser als die

technischen zu {tellen Der Grundsaß, daß der Techniker mtiader- wertiger als der Jurist ist, hat sich doch längîit überlebt. Dem Proteste der Beamten, daß sie es als Beleidigung empfinden, wenn man ihnen Streikgelüste unterschiebt, kann ich nur bei- treten. Der Abg. Wendel hat diesen undizfutierbaren Gedanken wchl nur in die Debatte gewo:fen, damit ihn die Biamten doch vielleicht einmal erörtern. Der Redakteur der „Postbeamtenzeitung“ hat mir direkt aus der Scele gesprochen. Wir halten einen Verkehrsbeamten- streik für nichts mehr und weniger als ein Verbrechen am Wohle der Nation. Ich gebe dem Abg. Wendel den Rat, seine Bemühungen nah dieser Richtung hin einzustellen. Die Beamtenschaft “ist ein

ranit, an dem \ich der Abg. V eud?el die Zähne ausbeißen wird. Er wollte auch wohl nuc “einen verspäteten Fast.acts\{erz machen. Solange wir hier im Hause ein so warmes Herz für - die Post- beamten haben, fo lange ist- das 6 treikgesvenst ein wesenloses. Die Beamten fühlen \fich wie Friedrih der Große nur als Diener des Staates.

Ubg. Dr. Trendel (Zentr.): Ueber die Frage, ob Zeitungen ant verschiedene Adressaten unter einem Streifbande versendet werden dürfen, bestehen Zweifel. Eine authentische Interpretation wäre fehr angebracht, auc - darüber, ob Sonderbeilagen zu Zeitschriften unzu- lässig find. Diese Sonderbeilagen sind im Grunde genommen nur loje Inserate, und ih verstehe niht, warum das Beilegen dieser Inserate der Postordnung widersprechen soll. Hierin liegt doch keine Konkurrenz mit der Post.

Abg. Dr. Scha (Els.): Die uns vorgelegte Denkschrift über die Beamtenorganisation hat in Beamtenkreisen des Elsaß Beunruhi- gung und Unzufriedenheit erregt. Es i} nicht einzusehen, weshalb die Unterbeamten in der Eisenbahnverwaltung besser gestellt sind als die Unterbeamten bei der Postverwaltung. Diese Verschiedenheit müßte beseitigt werden. Das Drängen nah Sparsamkeit darf keines- falls zu einer Vermehrung der Dienststunden führen, das möchte ih gerade vom arztlihen Standpunkte aus sagen. Manche Krankheiten der Beamten sind auf Üeberarbeit zurückzuführen. 12 und 13 Stunden Tagesdienst ist zu viel, auch der Nachtdienst ist zu beshwerlich. Die (Seheimpersonalafkten geben zu berehtigten Beschwerden Anlaß. Es ist unglaublich, was alles auf das Konto eines Beamten geschrieben werden kann, wovon ‘er gar keine Ahnung hat. Es kommen auch Ver- wechslungen vor. Ein Postbeamter wurde verseßt, der ein Verhältnis mit einem anständigen Mädchen aus guter Familie hatte, weil fein Borgeseßter Töchter hatte, die er nicht anbringe! onnte. Die Per- fonalakten sind ein Krebs\chaden, der beseitigt werden muß.

Um 5 Uhr wird die weitere Beratung auf Montag 1 Uhr vertagt.

4 D

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 133. Sißung vom 15. Februar 1913, Vormittags 10 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“.)

Ueber den Beginn der Sigzung ist in der vorgestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

_Das Haus setzt die zweite Beratung des Etats der Justizverwaltung, und zwar zunächst. die Debatte über den Titel der Einnahme aus der Beschäftigung der Gefangenen, die mit 7004000 #4 (gegen das Vorjahr + 280 000 46) angesegt ist, fort.

, Geheimer Oberjustizrat Plashke: Die Gefangenen sind in steigendem Maße mit Landeskulturarbeiten beschäftigt worden. Ein Teil der Gefangenen untersteht dem Ministerium des Innern, und die Sache geht deshalb im wesentlihen auch. dessen Nessort an. Bei den Zahlen über die Beschäftigung der Gefangeuen muß man bedenken, daß es sich um Durhschnittszahlen handelt und daß die Gefangenen mit Landarbeiten nur im Sommer beschäftigt werden können. Für die Cifenbahnverwaltung werden bereits Arbeiten in den Gefängnissen gemacht. Die Ermittlungen über den Magdeburger Fall find noch niht abgeschlossen. x E __ Abg. B oisly (nl.): Alle Parteien sind dafür eingetreten, daß die Konkurrenz der Gefängnisarbeit für das freie Han werk nach Möglichkeit eingeschränkt wird; die Klagen sind auch s{chon mehr und mehr verstummt, und wir hoffen, daß sie \{ließlih ganz werden aufhören können. Wir können der Reaierung dafür nur dankbar sein, daß die Gefanaenen in so hohem Maße mit der Bearbeitunz des Altmaterials beschäftigt werden; aber auch in dieser Beziehung sind hon Klagen laut geworden. Da jedoch die Klagen des Handwerks im ganzen geringer geworden sind, fann man daraus nur die Schluß- solgerung ziehen, daß die Staatsverwaltung bemüht gewesen ist, die Gefängnisarbeit in rihtige Bahnen zu lenken. Der Regierungs- kommissar wies darauf hin, daß ein Teil der Gefängnisse dem Mini- sterium des Innern untersteUt ist. Wir wünschten, daß alle Gefäng- nisse der Justizverwaltung unterstellt würden. : :

Abg Dr. Liebkneht (Soz.): Die Gefangenen mögen in der Landeskultur bes{äftigt werden, aber wir müssen dagegen Widerspruch erheben, wenn dadur die Löhne der freien Arbeiter gedrückt würden. Ein Gefängnisinspektor a. D. teilt in einer Schrift mit, daß den Gefangenen von dem Verdienst, den sie von freien Unternehmern erhalten, zwei Drittel bis drei Viertel vorenthalten werden und in die Kasse der Justtzverwaltung fließen. Diese Entziehung soll auh bei Untersuhungs8gefangenen Anwendung finden. Wenn dies rihtig ist, so wäre diese Praxis durchaus verwerflich. Um die Gefängnisarbeiten sozial wertvoller zu gestalten, sollte man größere Werkstätten , fabrikartige Einrichtungen - in den Gefängnissen schaffen. Den Gefangenen sollte gestattet werden, unter gleichen Bedingungen mit den übrigen Handwerkern zu konkurrteren. Aber man sollte sie niht ausnugzen, wie es jeßt geschieht. _Die Ge- fangenen würden viel freudiger arbeiten, wenn fie wüßten, daß ihr Ver- dienst auch ihren Familien zugute kommt, die häufig bittere Not leiden. Dann würde die Gefängnisarbeit nur eine Konkurrenz unter vielen sein, die bei der Geringfügigfeit der Gefängnisarbeit im ganzen für das freie Gewerbe kaum in Betracht käme.

Justizminister Dr. Beseler:

Meine Herren! Einige kurze Bemerkungen tatsächliher Art möchte ih mir gestatten.

Die Außenarbeit ist für viele Gefangene eine sehr erwünschte Beschäftigung. (Sehr richtig!) Sie findet nach dem Gese nur- bei denen statt, die sich damit einverstanden erklären, fo beschäftigt zu werden. Also ein Zwang wird in der Nichtung niht ausgeübt. Daß die Außenarbeit an \sich elne günstige Art der Tätigkeit für die Ge- fangenen ist, nimmt die Justizverwaltung än. Soweit es mit einem strengen und ernsten StrafvoUzug vereinbar ist, wird also hier auc den Wünschen der Gefangenen Rehnung getragen. Die Löhne werden so bemessen, wie es den örtlihen Verhältnissen entspriht und wie sie zu crhalten sind; wenn sie höher sind, ist es im Interesse der Ge- fangenen, die ja an dem Arbeitsverdienst teilnehmen. Was mit dem Ertrag aus der Arbeit der Gefangenen zu geschehen hat, bestimmt ih nah den Grundsägen, die der Bundesrat festgeseßt bat.

Es heißt da:

Der Ertrag der den Gefangenen zugewiesenen Arbeit fließt zur Staatskasse. Die Gutschrift ihrer Arbeitsbelohnung aus dem Er- trage ist nicht ausgeschlossen.

In meinem Geschäftsbereich wird nah § 9 Gef.-O. für die Arbeiter etwa ein Viertel des Lohnverdienstes den Gefangenen gutgeschrieben. (Hört, hört!) Das ift also, wie man sagen kann, eine freie Zuwen- dung von Seiten des Staats:* Verpflichtet »ist er nicht dazu, ihnen

diese Beträge gutzushreiben, Wollten wir die Whne berechnen, wie Herr Abg. Liebknecht es für richtig gehalten hat, na kaufmännishen Grundsäßen, dann würden die Gefangenen garnihts bekommen; denn die Aufwendungen, die der Staat für die Strafvollstreckung zu machen hat, find so groß, daß die Einnahmen, die durch ie Arbeit der Ge- fangenen dem Staat zufließt, diese Ausgaben nicht entfernt deten kann. (Sehr wahr!) Deshalb ist es für die Gefangenen durhaus besser, daß es fo bleibt, wie es ift.

Abg. Dr. Wagner (freikons ): Die Logik des Abg. Liebknect scheint

mir in einigen Puukten nicht ganz fe11zustehen. Die Beschäftigung der Gefangenen mit Außenarbeit ist durchaus erstrebenswert : ih habe in früheren Jahren wiederholt gewünscht, daß sie namentli zu staatlichen Arbeiten, z. B. Flußkorrektionen, verwendet werden. Nur wo die Landwirtschaft für ihre privaten Zwecke Gefangenenkräfte zu erhalten wünscht, werden sie nah Möglichkeit abgegeben. Aus der Nede des Abg. Liebkneht spricht nur der Haß gegen den Groß- grundbesiß. Es mag sein, daß die Gefangenenarbeit auch dem Großgrundbesiy zugute kommt, aber man muß bed-nken, daß die Landwirtschaft mehr als eine Million ausländische- Arbeitskräfte als Saisonarbeiter heranziehen muß. Das ist kein erstrebenswerter Zustand, die galizischen und russishen Arbeiter sind kein Vorteil für unseren Staat, sie tragen eine Masse Geld aus unserem LUnde sort, das wir gern unseren eigenen Staatsangehörigen zuwenden würden, wenn wir so viele Kräfte für die Landwirtschaft frei hâtten. Es ist daher verständlih, ‘wenn wir die Gefangenen beschäftigen. Dagegen, -daß sie vor allen Dingen für allgemeine Staatszwecke beschäftigt werden, sollte vom deutsch-nationalen Standpunkt aus kaum etwas eingewendet werden. Die Tragik des Verbrechers ist ja fehr groß, und deren Familien sind am allermeisten zu beflagen : wenn wir abec alle Familien der Jnhaftierten mit Staatsmitteln unterstüßen wollten, dann würden wir die Steuerschraube noch erheblih anztehen müssen. Es ist ja eine sehr beflagenswerte Sache, aber ob wir sie aus der Welt schaften können, da doch der Familten- vorstand selbst feine Familie ins Unglück gestürzt hat, das ift noch fehr erwägenswert. Der Vorschlag des Abg. Liebknecht, die Gefängnisse in richtige Fabrikbetriebe umzuwandeln, damit sie mit voller Kraft die freien Berufe tonfkurrenzieren können, kommt auf die alte Idee der Naticnalwerkstätten heraus. Das freie Handwerk und die Industrie, die mit - ihren Steuern für die Unterhaltung der Gefangenen beitragen müssen, würden sih mit Recht dagegen wehren, daß mit diefen Mitteln, die sie felbst hergeben, ibnen Konkurrenz gemaht wird. So gern wir das Los der Gefangenen verbessern, so Eönnen wir doch nicht dem Abg. Liebknecht folgen. Abg. Haarmann (nl.): Die Entziehung des Arbeitslohnes ift ein wichtiges Disztplinarmittel; wenn die Gefangenen ein Viertel ibres Verdienstes erhalten, so ist das niht cin Verdienst, sondern ein Geschenk. Wenn die Gefangenen neben Kcst und Logis auch noch vouen Arbeitslohn erhielten, würden sie besser dastehen als der freie Arbeiter.*

Die Diskussion wird geschlossen.

Der Rest der Einnahmen wird ohne Debatte bewilligt.

Vei den dauernden Ausgaben, und zwar beim Titel des Ministergehalts, bemerkt

Abg. Me y er - Tilsit (konf.): Mein erster Wunsch ist der, daß die leinen Amtsgerichte auf dem Lande erhalten bleiben und nicht zu- sammengelegt werden, abgesehen von ganz besonderen Fällen, wo ein dringendes Bedürfnis eine Ausnahme erfordert. Mit großer Be- friedigung haben wir von der Mitteilung des Negierungskommifssars in der Kommission Kenntnis genommen, daß die Militär- und Marine- verwaltung ih" bereit erflärt haben, den Gefängnissen das Altmaterial zu überweisen. Was die Vermehrung der Beattenstellen anlangt, fo haben wir diese Vermehrung für gerechtferti,zt g?halten und find deSbalb damit einverstanden. Bezüglich der Berufung der Universitäts- professoren halten wir eine Revision des biéherigen Verfahrens für erfo derlich Es ist besonders nôtig, daß vor der B rufung eines Professors die Professoren der betr: fenden Uuiverfität gehöct werden. Hinsichtliß der Besoldung der Geängnis eamten bitte ih den Minisier, diese Beamt-n, die ein großes M1ß von Verant- wortung baben, mit dem größten Wohlwoüen z1 behandeln. Meme Freunde sind erfreut darüber, daß ein entsprehender Fonds zugunsten der verwahrlosten Jugenck in den Etat eing-\telt worden ist. Wir hoffen, daß dieter Fonds, falls er fch als zu g°?ring erweist erhöht wird. Auf die Frage des numeras clausns will ih bier nicht näher eingehen, weil diese Frage in der Budgetkommisfion eingehend behandelt worden tst. Jedenfalls bin i perfönlich ein großer An- bänger des numerus clausus. Sn neuerer Zeit mehren ih die Fâlle des Landesverrats und der Spionage. Die Spionagse ist ja leider ein „notwendiges Uebel. Aber wir müssen doch fagen, daß die Justiz- verwaltung darauf hinwirken soll, daß eine Verschärfung der Strafen für Landesverrat und Spionage erzielt wird. Ich erinnere an die Erhebung vor 100 JIahrén, wo unsere Väter Gut und Blut für das Baterland geopfert haben. Welches Maß von ehrloser Gefinnung gehört dazu, um fein Vaterland zu verraten ! Daß felbst in Beamten- kreisen sih Männer finden, die das Vaterland verraten, ist die be- klagenêwertefte Gcscheinung. Es erscheint uns au angebracht, {chärfere Strafen für Zuhälter und Roheitsverbrehen einzurühren. Ich verweise in dieser Beziehung auf England. Dann muß ich auf einen Vorwurf eingehen, der unserer Justiz, besonders von der Sozialdemokratie, häufig gemacht wird, das ist der Vorwurf der Klassenjustiz. Wir weisen diefen Vorwurf mit aller Entschiedenkeit zurück. Ich kann aus persönlicher Erfahrung sagen, daß, wenn ein Richter sich irgend- wie im Zweifel befindet, er zugunsten der niederen Klassen entscheidet. Gerehtigkeit, Unparteilihfeit und Gewissenhaftigkeit sind von jeber die vornehmften Tugenden der preußischen Richter gewesen. Jch hoffe, daß dies auch in Zukunft immer \o bleiben wird.

Abg. Dr. Zimmer (Zentr.): Aus der Jahresrechnung von 1911 ersehen wir, daß der Voranschlag der Einnahmen um 12 Millionen überschritten ist, dagegen der Voranschlag der Ausgaben nur um 8 Millionen. Unter den Einnahmen spielen die Geldstrafen und Gerichtskosten dte Hauptrolle. Man geht wohl nit fehl, wenn man den Mehrertrag hauptsählich aus den Gerichtskosten zu erzielen gedenkt. Denn die Kriminalität bat abgenommen, daher dürften sich die Geldstrafen niht vermehrt baben Die erhöhten Einnahmen aus den Gerichtskosten sind sicher auf das neue Gerichtskostengesez zurückzuführen. Wenn alfo größere Mehr- einnahmen: erzielt wurden, wird wobl die Justizverwaltung nicht so peinlih in den Ausgaben fein dürfen. Die Justizverwaltung ist ja nit eine fiskalishe Einrihtung, wie die Eifenbahnverwaltung. In Anbetracht der Mehreinnahmen dürfen wir wobl boffen, daß die Justizverwaltung keine Bedenken gegen den vom Staatssekretär des Neichsjustizamts angekündigten Gefeßentwurf über die Grhöbung der Zeugen- und Sachverständigengebübren baben wird. Wir seben do alle ein, daß die Gebühren der Sachverständigen niht mehr den Verbältnissen angepaßt find. Au kann nit mebr unter den heutigen Zeitverhältnissen gefordert werden, daß die Schöffen und Geschworenen tagelang von ibrer Wo nung entfernt bleiben müssen, obne daß sie eine angemessene Entschädigung bekommen. Auf einen Punkt muß ih noch aufmerksam maten, den der Staatssekretär des Reichsjastizamts autdrücklid als zur Zuständigkeit des - preußisWen Justizministers gehörend bezeichnet hat, nämlich auf den Fall Eulenburg. Bei der Eigen- artigkeit des Falles hat er die Aufmerksamkeit der weitesten Kreise erregt. Es ist daher wünschenswert, daß hier einmal offen gefagt wird, wie die Sache steht, damit das Ansehen unserer Justiz und das Vertrauen des Volkes zur Justiz niht gefährdet werden. Daß das Vertrauen zur Justiz manhmal zu wünschen übrig läßt, geht daraus bervor, daß selbst ernste Männer, wie Professor von Liszt, ngriffe auf die Justiz richten. Professor von Liszt hat i über die angebli ver« schiedene Ausleaung unseres Geseßes beklagt. Men könnte do verlangen, daß Professor von Liszt, der nicht in der Praris gestanden

hat, \ich « boster informiert - hätte: Jch muß daber gegen seine